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Hydrodynamik im Lagrangeformalismus: Untersuchungen zur Wärmeleitung in idealen Flüssigkeiten

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Hydrodynamik im Lagrangeformalismus:

Untersuchungen zur Wärmeleitung in idealen

Flüssigkeiten

Dem Fachbereich Physik

der UniversitätGesamthochschule Paderborn

zur Erlangung des akademischen Grades DiplomPhysiker vorgelegte

Diplomarbeit

von

Markus Scholle

Abgabedatum: 07. April 1994

Erster Gutachter: Prof. Dr. K.H. AnthonyZweiter Gutachter: Prof. Dr. J. Schröter

Inhaltsverzeichnis

1 Phänomenologie und erste Ansätze 51.1 Die phänomenologischen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Millikans Ansatz für inkompressible, stationäre viskose Strömungen . . 81.3 Schrödingerfeld und wirbelfreie Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Lagrangedichte für Fouriersche Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . 11

2 Eichfeldtheoretische Methoden 152.1 Physikalische Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.2 Grundbegrie und Symmetriekriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.3 Schwache Symmetrie und Noethertheorem . . . . . . . . . . . . . . . . 182.4 Transformationvorschriften für die Observablen . . . . . . . . . . . . . 202.5 Einschränkungen an das Verzerrungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3 Allgemeiner Ansatz und Beispiele 253.1 Ein allgemeiner Ansatz für die Lagrangedichte . . . . . . . . . . . . . . 253.2 Dynamik des allgemeinen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.3 Wirbelbehaftete, barotrope Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.4 Komplexe Wirbelpotentiale und Eichfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . 323.5 Symmetrischer Potentialansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.6 Einkopplung des Temperaturfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4 Erweiterter Ansatz mit Wärmeleitung 454.1 LegendreTransformation und Hamiltondichte . . . . . . . . . . . . . . 454.2 Vergleich mit Fourierscher Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 484.3 Vorschlag einer Lagrangedichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.4 Kritische Analyse der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

5 Modell für Diusion und Wärmeleitung 575.1 Äuÿere Reibung und Diusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575.2 Analogie zur Fourierschen Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 605.3 Thermischer Rückstoÿ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6 Zusammenfassung und Ausblick 63

1

2 INHALTSVERZEICHNIS

A Mathematische Herleitungen 65A.1 Zur schwachen Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65A.2 Transformationseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67A.3 Zur Verikation des Symmetriekriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . 69A.4 Dynamik des nichtadiabatischen Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Einleitung

Eine befriedigende Formulierung allgemeiner hydrodynamischer Systeme im Lagrange-formalismus ist bis jetzt noch nicht gelungen, insbesondere, wenn es sich um dissipativeSysteme handelt. In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, ein Variationsprin-zip für den Fall idealer Flüssigkeiten mit nichtverschwindender Wärmeleitfähigkeit zuentwickeln. Dabei soll u.a. auf den Überlegungen von Anthony [4] zur Wärmeleitungim starren Medium aufgebaut werden.

Im Kapitel 1 werden neben der zu beschreibenden Dynamik Variationsprinzipien für diewirbelfreie Strömung und die Wärmeleitung im starren Medium vorgestellt. Aufbauendauf diesen beiden Spezialfällen soll nun ein allgemeineres Variationsprinzip gefundenwerden. Hierzu werden in Kapitel 2 mit Hilfe von Methoden, die eng an mathematischeVerfahren in Eichfeldtheorien anlehnen, einige einschränkende Bedingungen an die zukonstruierende Lagrangedichte aufgestellt. Dies erlaubt erste Aussagen über die grobeStruktur der Lagrangedichte, wobei meine Ausführungen sich allerdings auf reversibleProzesse beschränken. Im Kapitel 3 wird dann versucht, basierend auf der Lagrange-dichte für die wirbelfreie Strömung zu einem geeigneten Ansatz zu gelangen, der denBedingungen aus Kapitel 2 genügt. Dieser allgemeine Ansatz wird dann weiter eing-schränkt auf einfache partikuläre Fälle, die zu Variationsprinzipien führen, welche wir-belbehaftete und schlieÿlich allgemeine adiabatische Strömungen beschreiben. LetztererFall ist in der Literatur bereits behandelt worden, so daÿ es u.a. auch ein Anliegen vonKapitel 4 ist, zwischen der in der Literatur bekannten und der aus Kapitel 3 gewonnenenLagrangedichte eine Verbindung herzustellen, was im Rahmen des Hamiltonformalis-mus geschieht. Hauptanliegen in diesem Kapitel ist es jedoch, das Variationsprinzip aufwärmeleitungsbehaftete Fälle auszuweiten, was aufgrund der Irreversibilität eine Ab-kehr von der Form des allgemeinen Ansatzes aus Kapitel 3 erfordert. Zu diesem Zweckwerden mit Hilfe geeigneter Umformungen Parallelen zu der Lagrangedichte für dieFouriersche Wärmeleitung aufgezeigt. Die Struktur beider Lagrangedichten legt danneinen ganz bestimmten Ansatz einer allgemeineren Lagrangedichte nahe. Die aus diesemAnsatz resultierende Dynamik wird schlieÿlich einer kritischen Analyse unterzogen.

In Kapitel 5 wird anhand eines einfachen Modells ein möglicher Zugang zur Beschrei-bung von Diusion und Wärmeleitung auÿerhalb des lokalen Gleichgewichts erörtert.

Im Schluÿkapitel werden nach einer kurzen Zusammenfassung Vermutungen angestellt,

3

4 INHALTSVERZEICHNIS

wo Ursachen für auftretende Schwierigkeiten liegen könnten. Auÿerdem sollen möglichekünftige Strategien vorgestellt werden, die unter Umständen die Bemühungen um einebefriedigende Fomulierung der Dynamik der wärmeleitungsbehafteten idealen Strömun-gen einen weiteren Schritt voran bringen könnten.

Kapitel 1

Phänomenologie und erste Ansätze

In diesem ersten Kapitel sollen zunächst die partiellen Dierentialgleichungen für dieObservablen vorgestellt werden, welche später aus einem Variationsprinzip zu gewinnensind. Ferner werden Ansätze für einfache Spezialfälle vorgeschlagen.

1.1 Die phänomenologischen Gleichungen

Im einfachsten Fall wird eine strömende Flüssigkeit durch ein vektorielles Geschwindig-keitsfeld ~v, ein skalares Feld % für die Massendichte und ein skalares Temperaturfeld Tbeschrieben.

Diesen fünf Feldern sind fünf partielle Dierentialgleichungen zugeordnet, welche dieDynamik festlegen. Für den nichtviskosen Fall, eine konstante Wärmeleitfähigkeit λund für kräftefreie Systeme lauten diese wie folgt [1]:

1. Kontinuitätsgleichung für die Masse:

∂t%+∇ · (%~v) = 0 (1.1)

2. EulerGleichung:%Dt~v = −∇p(%, T ) (1.2)

3. Entropiebilanz:%TDts(%, T )− λ∆T = 0 (1.3)

Dabei istDt := ∂t + ~v · ∇ (1.4)

die sog. substantielle Zeitableitung, die sich aus der partiellen Zeitableitung ∂t und derkonvektiven Zeitableitung ~v · ∇ zusammensetzt und als zeitliche Änderung interpretiert

5

6 KAPITEL 1. PHÄNOMENOLOGIE UND ERSTE ANSÄTZE

werden kann, die der in der Strömung mitschwimmende Beobachter miÿt. Ferner sinddie Gröÿen p(%, T ) (Druck) und s(%, T ) (Entropiedichte) materialspezische Funktionender Dichte und der Temperatur, welche durch die Dichte der freien Energie f(%, T ) alsthermodynamischem Potential miteinander verknüpft sind:

p(%, T ) = %2∂f(%, T )

∂%

s(%, T ) = −∂f(%, T )

∂T(1.5)

Diese Beziehungen korrespondieren vollständig mit den aus der Thermostatik bekann-ten Zusammenhängen p(V, T ) = −∂F/∂V und S(V, T ) = ∂F/∂T mit der freien EnergieF = F (V, T ), dem Systemvolumen V und der Entropie S. Gleichung (1.5) stellt also dieauf dem Prinzip des lokalen Gleichgewichts basierende Übertragung von thermostati-schen Beziehungen auf die Kontinuumsmechanik dar.

Die Dichte der freie Energie f beinhaltet alle wesentlichen Materialeigenschaften desSystems. Insbesondere kann man durch Bildung der zweiten Ableitungen von f weiterewichtige Gröÿen denieren:

K(%, T ) :=∂p(%, T )

∂%=

∂%

[%2∂f(%, T )

∂%

]

c(%, T ) := T∂s(%, T )

∂T= −T

(∂

∂T

)2

f(%, T ) (1.6)

ν(%, T ) := −∂s(%, T )

∂%=

1

%2

∂p(%, T )

∂T=

∂2

∂%∂Tf(%, T )

Mit diesen Denitionen lassen sich EulerGleichung und Entropiebilanz in anderer,physikalisch besser interpretierbarer Weise darstellen:

%Dt~v = −K∇%− ν%2∇T%cDtT − λ∆T = ν%TDt% (1.7)

Man erkennt, daÿ der Druckgradient in der EulerGleichung in zwei Anteile aufgespal-ten ist, den rein elastischen Anteil, welcher in Richtung des Dichtegradienten verläuft,wobei als Proportionalitätsfaktor der Kompressionsmodul K auftritt, und den thermi-schen Anteil, der durch den Temperaturgradienten und den Faktor ν bestimmt wird.Die Gröÿe ν ist bis auf den Vorfaktor %−2 der thermische Druckkoezient und wird imfolgenden thermomechanischer Kopplungskoezient genannt.

Die zweite Gleichung von (1.7), die Entropiebilanz nimmt eine Form an, die groÿeÄhnlichkeit mit der Fourierschen Wärmeleitungsgleichung

c∂tT − λ∆T = 0 (1.8)

1.1. DIE PHÄNOMENOLOGISCHEN GLEICHUNGEN 7

des starren Festkörpers besitzt, wobei die gewöhnliche Zeitableitung ∂t durch die sub-stantielle Ableitung Dt ersetzt ist, um der Konvektion Rechnung zu tragen. An dieStelle der konstanten (volumenbezogenen) Wärmekapazität c tritt die Gröÿe %c(%, T )mit der massenbezogenen Wärmekapazität c(%, T ). Ferner ist diese Gleichung inhomo-gen, d.h. es tritt eine vom Kopplungsfaktor ν und der zeitlichen DichteschwankungDt% abhängige Wärmeerzeugungsrate auf, welche als Thermostriktion zu deuten ist,d.h. als Temperaturerhöhung und -erniedrigung infolge von Dichteschwankungen. Da-mit beschreibt diese Gleichung also einen Transfer von Energie zwischen thermischenund mechanischen Freiheitsgraden. Dieser kann unter bestimmten Umständen sogarreversibel sein, wie weiter unten gezeigt wird.

Als wesentliche physikalische Eekte treten also die durch den Operator (~v · ∇) ge-kennzeichnete Konvektion, die durch den Kompressionsmodul K festgelegte elastischeReaktion, die zu λ proportionale Wärmeleitung und schlieÿlich die durch ν charakteri-sierte thermomechanische Kopplung auf.

Die Entropiebilanz (1.3) kann mit (1.1) noch in einer dritten Form geschrieben werden.Aus der Kontinuitätsgleichung (1.1) folgt zunächst:

%Dts = ∂t (%s) +∇ · [%s~v]

Damit ergibt sich für (1.3):

0 = T%Dts− λ∆T

= T∂t (%s) +∇ · [%s~v]− λ 1

T∇ · ∇T

= T

∂t (%s) +∇ ·

[%s~v − λ∇T

T

]− λ 1

T 2(∇T )2

Da die Temperatur von Null verschieden ist, erhält man:

∂t (%s) +∇ ·[%s~v − λ∇T

T

]= λ

(∇TT

)2

(1.9)

Dies ist eine Bilanzgleichung für die volumenbezogene Entropiedichte %s mit nichtnega-tiver Erzeugungsrate λ (∇T/T )2. Insbesondere erkennt man nunmehr, daÿ ein Prozeÿgenau dann irreversibel verläuft, wenn λ 6= 0 ist und der Temperaturgradient nichtverschwindet.

Nunmehr kann man konkrete Aussagen machen, unter welchen Umständen Energie-dissipation stattndet: Hierzu muÿ einerseits ein Energietransfer zwischen thermischenund mechanischen Freiheitsgraden stattnden, was gemäÿ (1.7) genau für ν 6= 0 undnichtverschwindende Dichteschwankungen der Fall ist, andererseits muÿ gemäÿ (1.9)die Erzeugungsrate für die Entropiedichte echt positiv sein, was für λ > 0 und nicht-verschwindende Temperaturgradienten erfüllt ist. Damit ist klar, daÿ Dissipation durchdas Zusammenwirken von thermomechanischer Kopplung und Wärmeleitung zustandekommt.

8 KAPITEL 1. PHÄNOMENOLOGIE UND ERSTE ANSÄTZE

Um Dissipation zu erreichen ist also der Fall λ 6= 0, ν 6= 0 erforderlich. Eine Strömungmit λ = 0 heiÿt adiabatisch, eine solche mit ν = 0 heiÿt barotrop.

1.2 Millikans Ansatz für inkompressible, stationäreviskose Strömungen

Inkompressible homogene Stömungen werden durch eine konstante Dichte %0 und eindivergenzfreies Geschwindigkeitsfeld ∇ · ~v = 0 charakterisiert. Der Druck ist in diesemFall eine eigenständige Gröÿe. Die stationäre NavierStokesGleichung hat dann dieGestalt:

(~v · ∇)~v − η

%0

∆~v +∇(p

%0

)= 0 (1.10)

In einem Artikel aus dem Jahre 1929 untersucht Millikan [2] den Ansatz einer Lagrange-dichte, welche vom Druck, vom Druckgradienten, den Komponenten der Geschwindig-keit, deren ersten räumlichen Ableitungen und vom Ort abhängt, d.h.

l = l(~v,∇~v, p,∇p, ~x) (1.11)

Millikan kommt nach einer systematischen Behandlung dieses Ansatzes zu dem Schluÿ,daÿ für die stationäre NavierStokesGleichung keine Lagrangedichte der Form (1.11)gefunden werden kann, auÿer für einige spezielle Strömungsgeometrien, für welche erLagrangedichten angibt. Als entscheidenes Hindernis für die Formulierung eines Va-riationsprinzips für beliebige Strömungsgeometrien erweist sich der konvektive Term(~v · ∇)~v, welcher eine Nichtlinearität darstellt.

Millikan hat einen sehr speziellen Ansatz untersucht. So geht in (1.11) die Geschwin-digkeit ~v direkt als zu variierende Gröÿe ein, was nicht zwingend ist. Man könnte übereine Darstellung des ~v durch Potentiale nachdenken, da sich ein solches Vorgehen bei-spielsweise in der Elektrodynamik als erfolgreich erwiesen hat. Unter Umständen muÿdabei auch eine Abhängigkeit der Lagrangedichte von höheren Ableitungen der Fel-der in Kauf genommen werden. Ferner ist die Beschränkung auf lokale Theorien zuüberdenken. Schlieÿlich wird in dem Ansatz (1.11) das Temperaturfeld T ausgeklam-mert, obwohl Dissipation stattndet und somit Wärme erzeugt wird. Eine vollständigeBeschreibung der Physik dieses Systems beinhaltet jedoch die Temperatur als weitereGröÿe.

In den folgenden Kapiteln werden Ansätze vorgestellt, welche obigen Ideen Rechnungtragen.

1.3. SCHRÖDINGERFELD UND WIRBELFREIE STRÖMUNG 9

1.3 Schrödingerfeld und wirbelfreie Strömung

Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Lagrangedichte für strömende Flüssigkeitensei die Schrödingersche Theorie für freie Teilchen, welche bereits im Lagrangeformalis-mus formuliert ist. Durch eine Uminterpretation der Wellenfunktion ψ und geeigneteModikationen kann eine Lagrangedichte für eine spezielle Klasse strömender Flüssig-keiten gewonnen werden.

Für die Quantenmechanik der freien Teilchen kann folgende Lagrangedichte [3] ange-geben werden:

l(ψ, ψ∗, ∂ψ, ∂ψ∗) =h

2i(ψ∂tψ

∗ − ψ∗∂tψ)− h2

2m∇ψ · ∇ψ∗ (1.12)

Durch Variation nach den beiden Feldern ψ∗ und ψ erhält man die Schrödingergleichungdes freien Teilchens und ihre konjugiertkomplexe Gleichung:

ih∂tψ +h2

2m∆ψ = 0

−ih∂tψ∗ +h2

2m∆ψ∗ = 0

Neben der statistischen Interpretation der Gröÿe ψ∗ψ als Wahrscheinlichkeitsdichtendet man in der Literatur [3] auch die sog. hydrodynamische Interpretation von ψ∗ψals Teilchendichte n. Somit kann man die Gröÿe

% := m · n = mψ∗ψ

als hydrodynamische Massendichte auassen. Über die Substitution

ψ =

√%

mei

mh

Φ

ψ∗ =

√%

me−i

mh

Φ (1.13)

kann man von den komplexen Feldern ψ, ψ∗ zu einem reellen Satz von Feldvariablen%,Φ übergehen, die das System in äquivalenter Weise beschreiben. Dabei ist Φ bis aufden konstanten Vorfaktor m/h die Phase der Materiewellenfunktion. Die Beschreibungder Quantenmechanik in den Variablen %,Φ nennt man auch das MadelungBild. Indiesen reellen Variablen kann man die Lagrangedichte (1.12) wie folgt schreiben:

l(%,∇%, ∂tΦ,∇Φ) = −%[∂tΦ +

1

2(∇Φ)2

]− h2

8m2

(∇%)2

%(1.14)

Die Variation nach Φ ergibt:

∂t%+∇ · (%∇Φ) = 0 (1.15)

10 KAPITEL 1. PHÄNOMENOLOGIE UND ERSTE ANSÄTZE

Diese Gleichung entspicht der Kontinuitätsgleichung aus Abschnitt 1.1, wobei die Iden-tikation

~v = ∇Φ (1.16)

vorzunehmen ist. Dies bedeutet eine Einschränkung auf die spezielle Klasse der dre-hungsfreien Strömungen, d.h. ∇ × ~v = 0. Die Variation nach % liefert folgende Glei-chung:

∂tΦ +1

2(∇Φ)2 − h2

8m2

(∇%%

)2

+ 2∇ ·(∇%%

) = 0 (1.17)

Diese Gleichung stimmt in den ersten beiden Termen mit der BernoulliGleichung derHydrodynamik überein. Lediglich der dritte Term von (1.17) ist nicht im Rahmen derDynamik barotroper Flüssigkeiten interpretierbar und beschreibt daher quantenmecha-nische Phänomene, beispielsweise das Auftreten von Interferenzen in Teilchenstrahlen.

Es ist zu bemerken, daÿ die Kontinuitätsgleichung (1.15) und (1.17) äquivalent zurSchrödingergleichung des freien Teilchens ist, sofern man sich auf Lösungen mit % > 0beschränkt, da (1.13) nur eine Variablensubstitution ist. Allerdings hat die komplexeBeschreibung gegenüber dem MadelungBild den Vorteil, daÿ durch % = mψ∗ψ vonAnfang an klar ist, daÿ % niemals negativ werden kann, was bei der reellen Beschreibungals Nebenbedingung zu fordern ist. Auÿerdem ist die Schrödingergleichung linear, wasbei den beiden reellen Gleichungen nicht der Fall ist.

Der Übergang von der Quantenmechanik der freien Teilchen zur klassischen Hydrody-namik geschieht nunmehr durch zwei wesentliche Modikationen an der Lagrangedichte(1.14):

In (1.14) ist zunächst keinerlei Wechselwirkung zwischen den Teilchen berücksichtigt,was beim Übergang zu kondensierter Materie mit Dichten der Gröÿenordnung von1g/cm3 sicherlich keine zulässige Näherung ist. Eine sehr einfache und grobe Annahmefür eine Wechselwirkungskorrektur besteht darin, daÿ die Dichte der Wechselwirkungs-energie nur vom lokalen mittleren Abstand der Teilchen voneinander abhängt. Da sichaber der mittlere Abstand unmittelbar aus der Massendichte % ergibt, wird der Ansatz%a(%) als Zusatzterm in der Lagrangedichte nahegelegt, wobei die Abspaltung des Vor-faktors % dafür sorgt, daÿ a(%) die Dimension einer spezischen Energiedichte hat, wasreine Konvention ist.

Ferner liegt es nahe, in (1.14) den Interferenzterm mit h2 als Vorfaktor zu streichen,da h, in makroskopischen Einheiten ausgedrückt, eine verschwindend kleine Gröÿe ist(Eikonalnäherung).

Insgesamt wird somit die innere Energiedichte der MadelungFlüssigkeit durch die ent-sprechende Energiedichte der barotropen Flüssigkeit ersetzt. Daraus resultiert folgenderAnsatz für drehungsfrei strömende Flüssigkeiten:

l(%, ∂Φ) = −%[∂tΦ +

1

2(∇Φ)2 + a(%)

](1.18)

1.4. LAGRANGEDICHTE FÜR FOURIERSCHE WÄRMELEITUNG 11

Die Variation nach Φ liefert wiederum die Kontinuitätsgleichung (1.15), die Variationnach % ergibt:

∂tΦ +1

2(∇Φ)2 +

d

d%[%a(%)] = 0 (1.19)

Dies ist genau die hydrodynamische BernoulliGleichung, falls man die Funktion a(%)so wählt, daÿ

d

d%[%a(%)] = P (%) (1.20)

gilt mit der Druckfunktion:

P (%) :=∫ %

%0

p′(%)

%d% (1.21)

Damit läÿt sich die ideale Hydrodynamik der drehungsfreien Strömungen vollständigdurch ein Variationsprinzip mit der Lagrangedichte (1.18) beschreiben. Bemerkenswertist hierbei, daÿ die Geschwindigkeit ~v nicht als eigenständige Gröÿe in die Lagrange-dichte eingeht, sondern aus einem Potential Φ abgeleitet wird. Eine ähnliche Situationndet sich in der Elektrodynamik, wo die Maxwellschen Gleichungen ebenfalls nur auseinem Variationsprinzip gewonnen werden können, falls die elektromagnetischen Felderdurch Potentiale dargestellt werden.

In der bisherigen Beschreibung sind weder Wirbel noch thermische Eekte vorhanden.In Kapitel 2 soll versucht werden, diesen Mangel zu beheben.

1.4 Lagrangedichte für Fouriersche Wärmeleitung

Als zweiter wichtiger Spezialfall sei der Fall der reinen Wärmeleitung im ruhenden Me-dium genannt. Die hier vorgestellte Formulierung im Lagrangeformalismus geht auf An-thony [4] zurück. Eine wesentliche Idee besteht darin, daÿ in Analogie zur SchrödingerTheorie die Temperatur folgendermaÿen dargestellt wird:

T = χ∗χ (1.22)

Die komplexe Gröÿe χ heiÿt thermisches Erregungsfeld. Durch (1.22) wird gewährlei-stet, daÿ die Temperatur niemals negativ wird. Die Lagrangedichte lautet in dieserFormulierung:

l(χ, χ∗, ∂χ, ∂χ∗) = − cχ∗χ− c

2iω0

(χ∗∂tχ− χ∂tχ∗)

ω0

[1

2i

1

χ∗χ(χ∗∇χ).(χ∗∇χ)− (χ∇χ∗).(χ∇χ∗)

+T0

2(χ∗χ)2∇(χ∗χ).∇(χ∗χ)] + ∂tG(χ∗χ) (1.23)

12 KAPITEL 1. PHÄNOMENOLOGIE UND ERSTE ANSÄTZE

Dabei ist G deniert als

G(T ) :=T0

2T

∫ 1

T0T

p(ξT )

ξ2dξ

und ω0 eine Konstante mit der Dimension einer Frequenz, welche dafür sorgt, daÿ dieLagrangedichte energiewertig ist. c ist die volumenbezogene Wärmekapazität, λ dieWärmeleitfähigkeit und T0 eine frei wählbare Bezugstemperatur. p(T ) ist der hydrosta-tische Druck.

Wie beim Schrödingerfeld kann man auch beim thermischen Feld zu einer reellen Be-schreibung übergehen durch die Transformation:

χ =√Teiφ

χ∗ =√Te−iφ (1.24)

In den neuen Feldern T, φ schreibt sich (1.23) als:

l(T, ∂T, ∂φ) = − cTω0

∂t [φ− φ0(T, t)] +λ

ω0

∇T · ∇ [φ− φ0(T, t)] + ∂tG(T )

φ0(T, t) =T0

2T− ω0t

Weitere Modikationen sind möglich, die die Dynamik des Systems nicht antasten.So spielt die totale Zeitableitung ∂tG(T ) bei der Berechnung der EulerLagrangeGleichungen keine Rolle und kann daher entfallen. Ferner kann eine weitere Substitutionvorgenommen werden:

ϕ = φ− T0

2T(1.25)

Damit nimmt die Lagrangedichte die Form

l(T,∇T, ∂tϕ,∇ϕ) = −cT − c

ω0

T∂tϕ+λ

ω0

∇T · ∇ϕ (1.26)

an. Diese sehr kompakte Form soll wegen der besseren mathematischen Handhabbarkeitin den folgenden Kapiteln verwendet werden. Bemerkenswert ist, daÿ cT die thermo-dynamische innere Energiedichte des Systems ist.

Die Variation nach ϕ und T ergibt die beiden EulerLagrangeGleichungen:

c∂tT − λ∆T = 0 (1.27)

∂tϕ+λ

c∆ϕ = −ω0 (1.28)

Die erste Gleichung ist die Fouriersche Wärmeleitungsgleichung, die zweite sagt etwasüber die Dynamik der Gröÿe ϕ aus, deren physikalische Bedeutung nicht unmittelbarerkennbar ist.

Eine physikalische Interpretation der Gröÿe ϕ wird dadurch erschwert, daÿ (1.28) dieStruktur einer zeitumgekehrten Diusionsgleichung hat. Man sieht jedoch, daÿ ϕ =

1.4. LAGRANGEDICHTE FÜR FOURIERSCHE WÄRMELEITUNG 13

−ω0t eine partikuläre Lösung ist, was einen Zusammenhang zwischen ϕ und der Mate-riewellenphase des ruhenden, homogenen Mediums vermuten läÿt. In Kapitel 4.2 wirddiese Möglichkeit genauer untersucht. Um das Problem der weiteren, instabilen unddamit unphysikalischen Lösungen von (1.28) zu beheben, schlägt Anthony [5] eine Er-weiterung der Lagrangedichte (1.23) um Terme vor, welche ein Relaxationsverhalten derGröÿe ϕ nach ϕ0 = −ω0t verursachten und damit zu einer stabilen Dynamik führten.Dabei würde durch ϕ = ϕ0 ein lokaler Gleichgewichtszustand charakterisiert, so daÿAbweichungen von dieser partikulären Lösung eine Abweichung vom lokalen Gleichge-wicht darstellten.

Die Frage nach einer Interpretation der Gröÿe ϕ wird in Kapitel 4.2 noch einmal auf-gegrien.

14 KAPITEL 1. PHÄNOMENOLOGIE UND ERSTE ANSÄTZE

Kapitel 2

Eichfeldtheoretische Methoden

In Kapitel 1 wurden die zwei Spezialfälle der wirbelfreien Strömung und der Wärmelei-tung im starren Festkörper vorgestellt. Die beiden Lagrangedichten sind nicht nur umzusätzliche Terme zu erweitern, sondern auch um zusätzliche Freiheitsgrade. Die Zahlder zulässigen Erweiterungen soll aufgrund der Forderung gewisser lokaler Symmetrieneingeschränkt werden. Dieses Verfahren zeigt gewisse Parallelen zur Eichfeldtheorie.

2.1 Physikalische Grundidee

Die beiden Lagrangedichten (1.18) und (1.26) aus Kapitel 1 sind translationsinvariant,d.h. invariant gegen eine Verschiebung der Prozesse im Raum um einen konstanten Ver-schiebungsvektor ~s. Dies bedeutet, daÿ jedem wahren Prozeÿ über die Transformation~x′ = ~x+ ~s wieder ein wahrer Prozeÿ zugeordnet wird.

Führt man hingegen eine lokale Translation des Prozesses durch, d.h. ordnet man je-dem Punkt des Systems einen eigenen zeitabhängigen Translationsvektor zu, so wirdder Prozeÿ nicht nur im Raum verschoben, sondern auÿerdem noch verzerrt (Abbil-dung 2.1).

Betrachtet man beispielweise als Prozeÿ ein sich zeitlich entwickelndes Temperaturpro-l, so bedeutet die lokale Ortstranslation, daÿ der materielle Träger des Temperaturfel-des, also das wärmeleitende Medium, eine Deformation erleidet. Eine Lagrangedichte,die invariant gegen eine solche lokale Ortstranslation ist, beschreibt also Wärmeleitungim deformierbaren Medium. Die Lagrangedichte (1.26) für Wärmeleitung im starrenKörper genügt demnach dem geforderten Kriterium nicht! Ziel wäre hier eine Erwei-terung von (1.26), so daÿ die geforderte Invarianz hergestellt wird. Dabei kämen zu-sätzliche Freiheitsgrade, die kompensierenden Felder ins Spiel, welche den materiellenFreiheitsgraden entsprächen.

15

16 KAPITEL 2. EICHFELDTHEORETISCHE METHODEN

Abbildung 2.1: Verzerrung eines Prozesses durch lokale Ortstranslation/GalileiTrans-formation.

Allerdings wäre es auch umgekehrt denkbar, als Ausgangspunkt die Lagrangedichte(1.18) der wirbelfreien Strömung zu wählen und über Symmetrieforderungen gegenüberder lokalen Translation kompensierende Felder einzubauen, die sich als Wirbel undthermische Eekte erweisen könnten.

Abbildung 2.2 zeigt, wie eine Verzerrung des Systems Einuÿ auf die Wirbelvertei-lung einer Strömung haben kann: Zwei eng benachbarte Volumenelemente gleicher Ge-schwindigkeit erhalten durch die Transformation eine unterschiedliche Zusatzgeschwin-digkeit, was einer lokalen GalileiTransformation ~x′ = ~x + ~w(~x, t) · t entspricht, diein der Klasse der lokalen Ortstranslationen mit enthalten ist gemäÿ der Identikation~s(~x, t) = ~w(~x, t) · t. Als Folge der Transformation werden die beiden Volumenelementegegeneinander gedreht, was einen Beitrag zum Wirbelfeld bedeutet.

.

.

.

.

.

.

.

.

v.t

.

.

.

.

.

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.

v.t.

.-

-

(1)

(2)

.

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.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.............

.

.

.

.

.

.

.

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v .t........

+w( (2))

.

.

.

.

.

.

.

.

v .t........

+w( (1))

.

.

.

.

.

.

.

.

-

-

(2)

(1)

.

.

.

.

.

.

.

.

x'........

x (x,t)........

w t.= +

-

Abbildung 2.2: Erzeugung lokaler Drehungen durch lokale GalileiTransformation.

Eine erweiterte Lagrangedichte, welche der Invarianzforderung genügt, muÿ also kom-pensierende Felder enthalten, welche ein nichtverschwindendes Wirbelfeld implizieren.

2.2 Grundbegrie und Symmetriekriterium

Zunächst soll das Problem in gröÿtmöglicher Allgemeinheit behandelt werden. Ein phy-sikalisches System werde beschrieben durch n Feldfreiheitsgrade

2.2. GRUNDBEGRIFFE UND SYMMETRIEKRITERIUM 17

ψ(~x, t) = (ψ1(~x, t), · · · , ψn(~x, t)). Sei ferner x = (x0, · · · , x3) = (t, ~x) die Zusammenfas-sung der Zeitkoordinate mit den räumlichen Koordinaten. Durch die Prozeÿtransfor-mation

x′α

= fα(x, ε)

ψ′i = Ti [ψ, x, ε] (2.1)

wird jedem Prozeÿ ψ ein transformierter Prozeÿ ψ′ zugeordnet mit einem Satz ε =(ε1, · · · , εm) von Scharparametern. Dabei sei ε = 0 die Identitätstransformation zuge-ordnet. Eine Transformation der Form (2.1), die stets einem wahren Prozeÿ wieder einenwahren Prozeÿ zuordnet, heiÿt Invarianz- oder Symmetrietransformation. Dabei werdeunter einem wahren Prozeÿ ein Prozeÿ verstanden, der dem Hamiltonschen Prinzip ge-nügt. Die Ti können dabei komplizierte Funktionale sein. Gefordert werde lediglich, daÿdie Symmetrietransformationen fα, Ti eine Gruppe bilden, was insbesondere auch be-deutet, daÿ sie umkehrbar sind und die Verknüpfung zweier solcher Transformationenauch wieder eine Symmetrietransformation ist. Ordnet man jedem RaumZeitPunktdes Systems einen eigenen Satz

ε = ε(x)

von Parametern zu, so spricht man von einer lokalen Transformation. Unter einer glo-balen Transformation versteht man den Spezialfall konstanter Parameter εp.

Mathematisch sind Symmetrietransformationen also dadurch ausgezeichnet, daÿ dasWirkungsfunktional

I [ψ] :=∫Rl (ψ, ∂ψ, x) dR (2.2)

für den Urprozeÿ und den transformierten Prozeÿ simultan extremal wird. Man kannaus diesem integralen Symmetriekriterium jedoch auch ein besser handhabbares die-rentielles gewinnen durch Vergleich der Integralkerne. Hierzu sind einige Rechenregelnzu beachten:

Seien die JacobiMatrix und die JacobiDeterminante der Transformation gegeben als:

Aαβ(x, ε) :=

(∂fα

∂xβ

)(x, ε)

A(x, ε) := det(Aαβ(x, ε)

)(2.3)

Die Dierentialoperatoren transformieren dann gemäÿ der Vorschrift:

∂′α :=∂

∂x′α= A−1β

α ∂β (2.4)

was man auch in der Kurzform ∂′ = A−1∂ schreiben kann. Als weitere wichtige Bezie-hung wird die Transformationsformel für Integrale benötigt:∫

R′[· · ·] dR′ =

∫RA(x, ε) [· · ·] dR (2.5)

18 KAPITEL 2. EICHFELDTHEORETISCHE METHODEN

Damit kann man das transformierte Wirkungsfunktional umformen:

I [ψ′] =∫R′l (ψ′, ∂′ψ′, x′) dR′

=∫RA(x, ε)l

(T [ψ, x, ε] , A−1∂T [ψ, x, ε] , f(x, ε)

)dR

Schlieÿlich ist noch zu beachten, daÿ die beiden Integrale I [ψ′] und I [ψ] simultanihr Extremum annehmen können, wenn sich ihre Integralkerne um eine vollständigeViererdivergenz

Div Ω(ψ, ψ′, x, ε) := ∂αΩα(ψ, ψ′, x, ε)

unterscheiden, da auf der Oberäche des Volumens keine Variation stattnden soll. Imfolgenden werden Viererdivergenzen stets durch Div abgekürzt und Vierervektorenmit einfachen Buchstaben ohne Vektorpfeil bezeichnet. Daraus resultiert insgesamt alshinreichende Bedingung das Symmetriekriterium:

A(x, ε)l(T [ψ, x, ε] , A−1(x, ε)∂T [ψ, x, ε] , f(x, ε)

)+ Div Ω(ψ, T [ψ, x, ε] , x, ε)

= l (ψ, ∂ψ, x) (2.6)

Dieses Symmetriekriterium gilt unabhängig davon, ob die Transformation lokal oderglobal ist und stellt Forderungen an die Struktur des l und an das Transformations-verhalten der Felder. Man kann (2.6) unter zwei verschiedenen Fragestellungen sehen:Einerseits kann man versuchen, zu einer gegebenen Lagrangedichte eine Symmetrie-transformation f, T zu bestimmen, andererseits kann man aber auch das Transfor-mationsverhalten der Felder vorgeben, so daÿ (2.6) eine Bestimmungsgleichung für dieLagrangedichte l darstellt. Im folgenden wird die zweite Fragestellung behandelt.

2.3 Schwache Symmetrie und Noethertheorem

Da die Transformationen T [ψ, x, ε] unter Umständen komplizierte Funktionale sein kön-nen, liegt es nahe, zunächst nach Lösungen zu suchen, welche (2.6) näherungsweiseerfüllen. Dies kann geschehen, indem man sich auf Transformationen mit kleinen Pa-rametern ε beschränkt und die Erfüllung von (2.6) nur für den linearen Hauptteil derTaylorEntwicklung fordert.

Für ein mTupel fester Funktionen χ(x) = (χ1(x), · · · , χm(x)) sei durch

ε(x) := εχ(x) (2.7)

eine einparametrige Unterklasse von Transformationen von (2.1) deniert mit globalemParameter ε. Wegen der freien Wählbarkeit der χ kann (2.1) ganz abgedeckt werden.

Eine Lagrangedichte l, welche das Symmetriekriterium (2.6) für eine Prozeÿtransfor-mation fα, Ti und eine Klasse von Funktionen χ mit der Parametrisierung (2.7) in

2.3. SCHWACHE SYMMETRIE UND NOETHERTHEOREM 19

führender Ordnung in ε erfüllt, werde als schwach symmetrisch bezüglich dieser Trans-formation bezeichnet. Da (2.6) für ε = 0 per Denition immer erfüllt ist, ist der führendeTerm von erster Ordnung, also der lineare Hauptteil der TaylorEntwicklung nach demParameter ε.

Man gewinnt also das schwache Symmetriekriterium, indem man (2.6) nach ε ableitetund ε = 0 einsetzt. Dieses Verfahren wird in Anhang A.1 durchgeführt und liefertkonkret:

0 = l(ψ, ∂ψ, x)Div s(x, χ) + φi

(∂l

∂ψi

)(ψ, ∂ψ, x)

+[∂αφi − (∂αs

β)(∂βψi)] ( ∂l

∂(∂αψi)

)(ψ, ∂ψ, x)

+sα(x, χ)∂exα l(ψ, ∂ψ, x) + Div ω(ψ, φ, χ, x) (2.8)

Dabei ist mit ∂ex die explizite Ableitung nach den Koordinaten bezeichnet. Die Gröÿens, φ und ω in (2.8) werden als innitesimale Generatoren bezeichnet und sind folgen-dermaÿen deniert:

sα(x, χ) :=

(dfα(x, εχ)

)ε=0

(2.9)

φi [ψ, x, χ] :=d

dεTi [ψ, x, εχ]ε=0 (2.10)

ωα(ψ, φ, χ, x) :=d

dεΩα (ψ, T [ψ, x, εχ] , x, εχ)ε=0 (2.11)

Die innitesimalen Generatoren φ sind im allgemeinen ebenfalls komplizierte Funktio-nale der Felder ψ und der Verzerrungen χ.

Durch Umformung von (2.8) kann man für wahre Prozesse das Noethertheorem fürlokale Symmetrien gewinnen: Der Vierervektor

Λα [ψ, χ, x] := ωα + sβθαβ + φi∂l

∂(∂αψi)(2.12)

θαβ := lδαβ −∂l

∂(∂αψi)∂βψi (2.13)

genügt einer Kontinuitätsgleichung der Form:

Div Λ [ψ, χ, x] = ∂αΛα [ψ, χ, x] = 0 (2.14)

Da Λ [ψ, χ, x] von den Verzerrungen χ abhängt, ergibt sich für jede Wahl der χ(x) =(χ1(x), · · · , χm(x)) ein eigener Erhaltungssatz.

Der Beweis für das schwache Symmetriekriterium (2.8) und das Noethertheorem (2.12 2.14) ist in Anhang A.1 zu nden.

20 KAPITEL 2. EICHFELDTHEORETISCHE METHODEN

2.4 Transformationvorschriften für die Observablen

In den beiden vorangegangenen Abschnitten sind die Symmetrieeigenschaften von La-grangedichten in voller Allgemeinheit behandelt worden. Nunmehr ist es erforderlich,sich speziell mit der lokalen Ortstranslation/GalileiTransformation zu beschäftigenund nach Lagrangedichten zu suchen, welche symmetrisch bezüglich solcher Transfor-mationen sind. Da sowohl die Lagrangedichte selbst als auch das Transformationsver-halten der Felder nicht gegeben ist, stellt das Symmetriekriterium (2.8) allein nur sehrschwache Anforderungen an die Struktur der Lagrangedichte. Es liegt nahe, die Zahl derMöglichkeiten durch weitere Nebenbedingungen einzuschränken, indem man zumindestdas Transformationsverhalten der Observablen %,~v, T aufgrund physikalischer Überle-gungen festlegt.

Für die Koordinaten ist die lokaleOrtstranslation/GalileiTransformation gegeben durch:

f 0(x, ε~s) := t

fk(x, ε~s) := xk + εsk(~x, t) (2.15)

k = 1, 2, 3

Daraus resultieren sofort die innitesimalen Generatoren s0 = 0 und (s1, s2, s3) = ~s.Mit Hilfe der Beziehung (A.4) aus Anhang A.1 folgt zunächst:

A−1βα = δβα − ε∂αsβ +O

(ε2)

(2.16)

Daraus gewinnt man das Transformationsverhalten für die Dierentialoperatoren gemäÿ(2.4):

∂′t = ∂t − ε∂t~s · ∇+O(ε2)

∇′ = ∇− ε (∇⊗ ~s)∇+O(ε2)

(2.17)

Aus dieser Beziehung liest man die innitesimalen Generatoren für die Transformationder Dierentialoperatoren ab, nämlich−∂t~s·∇ für die Zeitableitung und− (∇⊗ ~s)∇ fürden Gradienten. Die innitesimalen Generatoren der Transformationen der observablenFelder

%κ :=

(d%′

)ε=0

~u :=

(d~v′

)ε=0

(2.18)

τ :=

(dT ′

)ε=0

sind hingegen bislang noch nicht festgelegt. Im folgenden soll aber eine spezielle, phy-sikalisch motivierte Wahl dieser Gröÿen getroen werden:

2.4. TRANSFORMATIONVORSCHRIFTEN FÜR DIE OBSERVABLEN 21

Eine grobe Betrachtung des Symmetriekriteriums (2.6)

A(x,~s) · l′ + Div Ω− l = 0

läÿt auf den ersten Blick die Notwendigkeit erkennen, die JacobiDeterminante A zukompensieren, die einen direkten Vergleich von l′ und l miteinander verhindert. Dieslegt nahe, von der Lagrangedichte einen Faktor abzuspalten, der durch sein Transfor-mationsverhalten die JacobiDeterminante gerade kompensiert. Da das A gerade einerKomprimierung oder Expansion des Hintergrundes entspricht, wählt man als kompen-sierenden Faktor die Massendichte %. Also wird der Ansatz

l(ψ, ∂ψ, x) = −%l(ψ, ∂ψ, x) (2.19)

nahegelegt mit dem Transformationsverhalten

%′ := A−1% (2.20)

für die Massendichte. Dieses Transformationsverhalten läÿt sich auch leicht anschaulichdadurch begründen, daÿ bei der Expansion eines kleinen Volumenelementes um denFaktor A die Dichte um genau denselben Faktor abnimmt. Man kann sich leicht davonüberzeugen, daÿ die Lagrangedichte der wirbelfreien Strömung (1.18) die Form (2.19)besitzt. Das Symmetriekriterium (2.6) lautet dann, in l ausgedrückt:

%[l (ψ, ∂ψ, x)− l (ψ′, ∂′ψ′, x′)

]+ Div Ω(ψ, ψ′, ε~s, x) = 0 (2.21)

Mit Hilfe von (A.3) aus Anhang A.1 läÿt sich nun der innitesimale Generator κ aus(2.20) für die Transformation (2.18) des % gewinnen:

%′ = A−1% =[1 + ε∂αs

α +O(ε2)]−1

% = %− ε%∇ · ~s+O(ε2)

Der Vergleich mit (2.18) liefert sofort:

κ = −∇ · ~s (2.22)

Das transformierte Dichtefeld %′ soll ebenfalls der Kontinuität der Masse genügen, falls% dies erfüllt:

∂′t%′ +∇′ · (%′~v′) = 0 (2.23)

Dies stellt eine einschränkende Bedingung an das transformierte Geschwindigkeitsfeld~v′ dar. Der in ε lineare Teil der Gleichung lautet (siehe Anhang A.2 und Denition 1.4):

∇ · [% (~u−Dt~s)] = 0 (2.24)

Diese Gleichung ist universell erfüllt, wenn man als innitesimalen Generator

~u = Dt~s (2.25)

22 KAPITEL 2. EICHFELDTHEORETISCHE METHODEN

wählt. Zwar ist dies nicht die einzige Lösung obiger Bestimmungsgleichung, aber genaudiejenige, die die substantielle Zeitableitung Dt zum invarianten Dierentialoperator

D′t = Dt (2.26)

werden läÿt. Der Beweis für diese Invarianz wird in Anhang A.2 erbracht.

Abgesehen von dieser mathematischen Argumentation ist die Beziehung ~u = Dt~s jedochauch anschaulich zu begründen: Einem kleinen Volumenelement, welches um den Vektorε~s(~x, t) im Raum verschoben wird, schreibt man als Zusatzgeschwindigkeit genau dieZeitableitung dieser Gröÿe zu.

Jetzt fehlt noch das Transformationsverhalten für das Temperaturfeld. Um hier zu einerkonkreten Idee zu kommen, wird die Entropiebilanz (1.3) untersucht. Diese soll auchfür den transformierten Prozeÿ Gültigkeit haben, wenn sie für den Urprozeÿ erfüllt war:

%′T ′D′ts(%′, T ′)− λ∆′T ′ = 0 (2.27)

Das Transformationsverhalten für die Dierentialoperatoren ∆,Dt ist in (2.26) und(A.9) beschrieben, das der Gröÿen %, T ndet man in (2.18). Damit ergibt sich ausobiger Gleichung:

0 = %′T ′D′ts(%′, T ′)− λ∆′T ′

= [%+ ε%κ] [T + ετ ]Dts (%+ ε%κ, T + ετ)

− λ

∆ + ε([∇∇ · ~s] · ∇ −∇ ·

[(∇⊗ ~s)T + (∇⊗ ~s)

]∇)

[T + ετ ] +O(ε2)

Nach Einsetzen von κ = −∇ · ~s gemäÿ (2.22), Benutzung der Denitionen (1.6), derEntropiebilanz (1.3) und ordnen nach Potenzen von ε ergibt sich für den in ε linearenTeil:

0 = %TDt

[c

Tτ + %ν∇ · ~s

]+ λ

τ

T∆T − λ∆τ (2.28)

−λ∇ ·[(∇ · ~s) 1− (∇⊗ ~s)T − (∇⊗ ~s)

]∇T

Diese Gleichung ist eine physikalische Bestimmungsgleichung für den innitesimalenGenerator τ . Es handelt sich um eine inhomogene, lineare partielle Dierentialgleichungzweiter Ordnung. Lösungen dieser Gleichung sind auf den ersten Blick nicht erkennbar,zumindest nicht für den allgemeinen Fall. Lediglich für den adiabatischen Fall λ = 0,für welchen sich (2.28) zu

Dt

[c

Tτ + %ν∇ · ~s

]= 0

vereinfacht, kann man als partikuläre Lösung

τ = −νc% (∇ · ~s)T (2.29)

2.5. EINSCHRÄNKUNGEN AN DAS VERZERRUNGSFELD 23

angeben. Diese Beziehung beschreibt physikalisch anschaulich das Phänomen der Ther-mostriktion, d.h. der Erwärmung/Abkühlung der Flüssigkeit aufgrund der durch ∇ · ~sgegebenen Volumenkontraktion/-expansion.

Für den wärmeleitungsbehafteten Fall λ 6= 0 ist die Angabe einer vergleichbar einfachenLösung nicht so leicht möglich. Dies ist nicht zuletzt auf das komplizierte Transformati-onsverhalten des LaplaceOperators (A.9) zurückzuführen. Zur Vereinfachung wird fürden Rest des Kapitels nur noch der adiabatische Fall behandelt, was allerdings auchDissipationsfreiheit bedeutet.

Mit den drei Beziehungen (2.22), (2.25) und (2.29) sind die innitesimalen Generatorenfür die Transformation der Observablen vollständig festgelegt. Die Observablen gehenjedoch i.a. nur als sekundäre Gröÿen, d.h. als Gröÿen, die aus Potentialen abgeleitetwerden, in die Lagrangedichte ein. Nach eben diesen Potentialen ψ = (ψ1, · · · , ψn) aberist zu variieren. Über die innitesimalen Generatoren φ = (φ1, · · · , φn) der Transforma-tion dieser Fundamentalfelder können aber bislang keine allgemeingültigen Aussagengemacht werden, da sowohl deren Anzahl n als auch die Art und Weise, wie die Ob-servablen aus ihnen zusammenzusetzen sind, noch oen ist. Nunmehr muÿ also mitkonkreten Ansätzen für die Lagrangedichte und die Observablen gearbeitet werden,was in Kapitel 3 geschieht.

2.5 Einschränkungen an das Verzerrungsfeld

Bis jetzt wurde oengelassen, ob eine Symmetrie bezüglich jeder beliebigen Verzer-rung ~s zu fordern ist, oder ob aus physikalischen Gründen eine Beschränkung auf einebestimmte Klasse von Verzerrungen sinnvoll ist. Hierzu wird zunächst das Transforma-tionsverhalten der EulerGleichung untersucht:

%′D′t~v′ +∇′p(%′, T ′)

=%− ε%∇ · ~s+O

(ε2)

Dt

~v + εDt~s+O

(ε2)

+∇− ε (∇⊗ ~s)∇+O

(ε2) [

p− ε∂p

∂%%∇ · ~s+

∂p

∂T

ν

c% (∇ · ~s)T

+O

(ε2)]

Wiederum wird nach den Potenzen in ε sortiert. Als linearer Hauptteil ergibt sich dabei:

%D2t~s− % (∇ · ~s)Dt~v − (∇⊗ ~s)∇p−∇

[∂p

∂%%∇ · ~s+

∂p

∂T

ν

c% (∇ · ~s)T

](2.30)

Dieser Ausdruck verschwindet im allgemeinen nicht, was aber physikalisch zu deutenist: Die EulerGleichung entspricht einer Impulsbilanz. Daher bedeutet eine NichtInvarianz dieser Gleichung gegen eine lokale Ortstranslation, daÿ ein Impulsaustauschdes Systems mit der Auÿenwelt stattnden muÿ, damit der transformierte Prozeÿ statt-ndet, d.h. daÿ der transformierte Prozeÿ durch äuÿere Kräfte erzwungen werden muÿ.

24 KAPITEL 2. EICHFELDTHEORETISCHE METHODEN

Verbietet man jedoch derartige äuÿere Kräfte und fordert damit strikte Abgeschlos-senheit des Systems, so ist auch die Invarianz der EulerGleichung zu fordern! Damitmuÿ auch der lineare Hauptteil (2.30) verschwinden, was nach Einsetzen der EulerGleichung, sowie der Denitionen K = ∂p/∂% und ν%−2 = ∂p/∂T aus Kapitel 1.1 zuder Gleichung

%D2t~s+ (∇ · ~s)∇p− (∇⊗ ~s)∇p−∇

[%

(K + %2ν

2

cT

)∇ · ~s

]= 0 (2.31)

führt. Unter Beachtung von

(∇⊗ ~s)∇p = ∇ · (p∇⊗ ~s)T − p∇∇ · ~s

kann man (2.31) auch alternativ schreiben als:

%D2t~s+∇

[(p− %K − ν2

c%3T

)∇ · ~s

]−∇ · [p∇⊗ ~s]T = 0 (2.32)

Dies ist für gegebenen Urprozeÿ %,~v, T ein System von drei linearen partiellen Dieren-tialgleichungen, die Einschränkungen an das Verzerrungsfeld ~s darstellen. Es ist also inder Tat nicht jede beliebige Verzerrung ~s(~x, t) denkbar, wenn man keine äuÿeren Kräftezuläÿt, sondern nur eine ausgewählte Unterklasse.

Physikalisch ist (2.31/2.32) folgendermaÿen interpretierbar: Da es sich um eine partielleDierentialgleichung zweiter Ordnung in der Zeit handelt, können die Anfangsverzer-rung und die erste zeitliche Ableitung der Anfangsverzerrung, also ~s0(~x) := ~s(~x, t0) und~s0(~x) := ~s0(~x, t0) vorgegeben werden. Die weitere zeitliche Entwicklung der Verzerrungist dann durch (2.32) fest vorgegeben, was physikalisch bedeutet, daÿ das System untergeänderten Anfangsbedingungen sich selbst überlassen ist. Man sieht sofort, daÿ globaleOrtstranslation ~s = const und die GalileiTransformation ~s = ~w·t partikuläre Lösungenvon (2.32) sind. Die beliebige Vorgabe von ~s0(~x) entspicht der lokalen Ortstranslation,die von ~s0(~x) der lokalen Galilei Transformation.

Speziell für barotrope Strömungen ν = 0 kann man (2.31) in der Form

D2t~s = ∇ [K∇ · ~s] +

1

%(∇⊗ ~s)∇p(%) (2.33)

schreiben.

Kapitel 3

Allgemeiner Ansatz und Beispiele

Nunmehr soll aufgrund der im vorangegangenen Kapitel 2 angestellten Überlegungeneine Konstruktionsvorschrift für einen geeigneten Ansatz der Lagrangedichte l erarbeitetwerden. Dieser soll u.a. auf Erfüllung des Symmetriekriteriums hin untersucht werden.Dabei ergeben sich automatisch auch Vorschriften für die Darstellung von Observablendurch Potentiale.

3.1 Ein allgemeiner Ansatz für die Lagrangedichte

In Kapitel 2.4 ist bereits der erste Schritt durch Abspaltung der Dichte als Vorfaktorgemäÿ (2.19) vollzogen worden. Die durch l = −%l denierte reduzierte Lagrangedichtel soll dem Symmetriekriterium (2.21) für die in ε linearen Terme genügen. Um eineIdee für einen Ansatz von l zu bekommen, kann man versuchen, die Lagrangedichte(1.18) für die wirbelfreie Strömung aus Kapitel 1 in geeigneter Weise darzustellen undzu verallgemeinern. Mit ~v = ∇Φ sieht man sofort:

l(%, ∂Φ) = −%[∂tΦ +

1

2(∇Φ)2 + a(%)

]= −%

[∂tΦ +∇Φ · ∇Φ + a(%)− 1

2(∇Φ)2

]= −%

[DtΦ + a(%)− 1

2~v2]

:= −%l(%,DtΦ,K) (3.1)

Dabei sei K deniert als:

K :=1

2~v2

Wie man sieht, hängt l nur von %,DtΦ und K ab. In Anhang A.3 wird gezeigt, daÿobige Lagrangedichte das Symmetriekriterium nicht allgemein erfüllt, sondern nur für

25

26 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

eine Unterklasse von Verzerrungen. Es ist also nach einer geeigneten Erweiterung die-ses Ansatzes zu suchen. Motiviert durch obige Form (3.1) sei eine Verallgemeinerunggegeben durch:

l = l (ψ,Dtψ,K) (3.2)

~v = ~v (ψ, ∂tψ,∇ψ)

Dieser Ansatz zeichnet sich vor allem durch seine strukturelle Einfachheit aus: Nebenden Feldern ψ1, · · · , ψn kommen in l explizit nur Ausdrücke mit dem invarianten Dif-ferentialoperator Dt und die Gröÿe K vor, deren Transformationsverhalten gegeben istgemäÿ der bekannten Transformationseigenschaft (2.25) der Geschwindigkeit:

K′ = 1

2

[~v + εDt~s+O

(ε2)]2

= K + ε~v ·Dt~s+O(ε2)

(3.3)

Der Potentialansatz ~v = ~v(ψ, ∂tψ,∇ψ) für die Geschwindigkeit ist bis jetzt noch freiwählbar. Man kann aber diese Wählbarkeit einschränken, indem man fordert, daÿ derkanonische Noethersche Impuls mit dem dynamischen Impuls des Systems überein-stimmt. Damit erhält man:

%~v = − ∂l

∂(∂tψi)∇ψi

= %

∂l

∂(Dtψj)

∂(Dtψj)

∂(∂tψi)+

∂l

∂K∂K

∂(∂tψi)

∇ψi

Mit den beiden Beziehungen

∂(Dtψj)

∂(∂tψi)= δij +

∂~v

∂(∂tψi)· ∇ψj

∂K∂(∂tψi)

=1

2

∂~v2

∂(∂tψi)= ~v · ∂~v

∂(∂tψi)

gelangt man zu der Bestimmungsgleichung für ~v:

~v =∂l

∂(Dtψi)∇ψi +

[∂l

∂(Dtψj)∇ψj +

∂l

∂K~v

]· ∂~v

∂(∂tψi)

∇ψi (3.4)

Dies ist eine partielle Dierentialgleichung für ~v. Falls der Term in der eckigen Klammerverschwindet, geht (3.4) in eine gewöhnliche Gleichung über. Gesucht wird also einepartikuläre Lösung mit:

0 =∂l

∂(Dtψj)∇ψj +

∂l

∂K~v

~v =∂l

∂(Dtψi)∇ψi

3.2. DYNAMIK DES ALLGEMEINEN ANSATZES 27

Man erkennt, daÿ die beiden Gleichungen kompatibel sind für:

∂l

∂K= −1

Daraus folgt sofort:l = g (ψ,Dtψ)−K

Zusammenfassend kommt man also zu folgendem Ansatz:

l = −%[g (ψ,Dtψ)− 1

2~v2]

(3.5)

~v =∂g

∂(Dtψi)∇ψi (3.6)

Dies ist eine implizite Darstellung der Lagrangedichte, da in (3.6) die Geschwindigkeitwegen Dt = ∂t+~v ·∇ auf der rechten Seite vorkommt. Durch die Struktur des Ansatzes(3.5) ist (3.6) und damit die Potentialdarstellung für die Geschwindigkeit festgelegt, diedurch Auösung von (3.6) gewonnen wird. Durch Einsetzen dieser Potentialdarstellungin (3.5) gewinnt man die explizite Darstellung der Lagrangedichte.

Die Untersuchung dieses Ansatzes auf Erfüllung des Symmetriekriteriums (2.21) wirdim Anhang A.3 vorgenommen.

3.2 Dynamik des allgemeinen Ansatzes

Zum Ansatz (3.5) werden in diesem Abschnitt die EulerLagrangeGleichungen, dieNoetherschen Ausdrücke für Impuls und Energie, und die daraus resultierende Bewe-gungsgleichung des Geschwindigkeitsfeldes in voller Allgemeinheit konstruiert.

Die Lagrangedichte ist gemäÿ (3.5, 3.6) nur implizit gegeben:

l = −%[g (ψ,Dtψ)− 1

2~v2]

~v =∂g

∂(Dtψi)∇ψi = ~v(ψ, ∂tψ,∇ψ)

Dennoch enthält auch diese implizite Darstellung alle Informationen über die Dynamikdes Systems, wie sich im folgenden herausstellen wird. Sei o.B.d.A. ψ1 = %. Dann ergibtsich:

∂l

∂ψi= − ∂%

∂ψi

[g − 1

2~v2]− %

[∂g

∂ψi+

∂g

∂(Dtψj)

∂ ∂tψj + ~v · ∇ψj∂ψi

− ~v · ∂~v∂ψi

]

= −%[g − 1

2~v2]

1

%δi1 − %

[∂g

∂ψi+

∂g

∂(Dtψj)

∂~v

∂ψi· ∇ψj − ~v ·

∂~v

∂ψi

]

28 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

=l

%δi1 − %

[∂g

∂ψi+

∂g

∂(Dtψj)∇ψj − ~v

· ∂~v∂ψi

]

=l

%δi1 − %

∂g

∂ψi(3.7)

∂l

∂(∂tψi)= −%

[∂g

∂(Dtψj)

∂ ∂tψj + ~v · ∇ψj∂(∂tψi)

− ~v · ∂~v

∂(∂tψi)

]

= −%[

∂g

∂(Dtψj)

δij +

∂~v

∂(∂tψi)∇ψj

− ~v · ∂~v

∂(∂tψi)

]

= −%[

∂g

∂(Dtψi)+

∂g

∂(Dtψj)∇ψj − ~v

· ∂~v

∂(∂tψi)

]

= −% ∂g

∂(Dtψi)(3.8)

∂l

∂(∂kψi)= −%

∂g

∂(Dtψj)

∂∂tψj + vl∂lψj

∂(∂kψi)

− ~v · ∂~v

∂(∂kψi)

= −%

[∂g

∂(Dtψj)

vkδij +

∂vl

∂(∂kψi)∂lψj

− ~v · ∂~v

∂(∂kψi)

]

= −%[

∂g

∂(Dtψj)

vkδij +

∂~v

∂(∂kψi)· ∇ψj

− ~v · ∂~v

∂(∂kψi)

]

= −%[vk

∂g

∂(Dtψi)+

∂g

∂(Dtψj)∇ψj − ~v

· ∂~v

∂(∂kψi)

]

= −%vk ∂g

∂(Dtψi)(3.9)

Diese drei wichtigen Beziehungen bilden die Grundlage für alle weiteren Rechnungen.Zunächst können die EulerLagrangeAusdrücke bestimmt werden:

Li :=∂l

∂ψi− ∂t

[∂l

∂(∂tψi)

]− ∂k

[∂l

∂(∂kψi)

]

=l

%δi1 − %

∂g

∂ψi+ ∂t

[%

∂g

∂(Dtψi)

]+ ∂k

[%vk

∂g

∂(Dtψi)

]

Zusammengefaÿt ergeben sich also die EulerLagrangeAusdrücke in der Form:

Li =l

%δi1 − %

∂g

∂ψi+

∂g

∂(Dtψi)∂t%+∇ · (%~v)+ %Dt

[∂g

∂(Dtψi)

](3.10)

Die EulerLagrangeGleichungen lauten dann Li = 0. An dieser Stelle erkennt mannoch keine Besonderheiten der Dynamik. Anders sieht es aus, wenn man die Noethersche

3.2. DYNAMIK DES ALLGEMEINEN ANSATZES 29

Bilanz für den Impuls aufstellt: Der kanonische Noethersche Impuls ist identisch mitdem dynamischen, da der Potentialansatz (3.6) in Abschnitt 3.1 gerade nach diesemKriterium konstruiert wurde:

~p = %~v

Entscheidend für die Dynamik ist aber auch die Form des Impulsstromtensors. Dieserist gegeben per:

πkl =

lδkl −

∂l

∂(∂kψi)∂lψi

E.L.

Hier soll E.L. bedeuten, daÿ die EulerLagrangeGleichungen als Nebenbedingungenzu obiger Bestimmungsgleichung hinzuzunehmen sind. Mit (3.9) kann man den Impuls-stromtensor schreiben als:

πkl = lE.L.δkl + %vk

∂g

∂(Dtψi)∂lψi

= lE.L.δkl + %vkvl

Im TensorKalkül schreibt sich dies als:

π = lE.L.1 + %~v ⊗ ~v (3.11)

Dies ist genau die Form des Impulsstromtensors, die der Eulerschen Dynamik entspricht,falls sich aus lE.L. der Druck p(%, T ) gemäÿ (1.5) ergibt. Ob dies der Fall ist, wird durchdie EulerLagrangeGleichungen bestimmt, wohingegen der Konvektionsterm unabhän-gig von diesen die gewünschte Form %~v⊗ ~v annimmt! Der Ansatz (3.5, 3.6) ist also derEulerschen Dynamik angepaÿt.

Setzt man voraus, daÿ durch die EulerLagrangeGleichungen die Kontinuität der Mas-se bestätigt wird, so gilt allgemein:

∂t (%ξ) +∇ · (%~vξ) = ξ ∂t%+∇ · (%~v)+ % ∂t + ~v · ∇ ξ = %Dtξ (3.12)

Falls sich nun noch lE.L. als Druck p herausstellt, läÿt sich die Impulsbilanz schreibenals:

0 = ∂t [%~v] +∇ ·[%~v ⊗ ~v + p1

]= %Dt~v +∇p (3.13)

Dies ist die EulerGleichung. Es genügt im konkreten Fall also, die Kontinuitätsglei-chung und die genaue Abhängigkeit von lE.L. von den Feldern aus den EulerLagrangeGleichungen zu gewinnen, um zu verizieren, daÿ ein speziell gewählter Ansatz derForm (3.5, 3.6) kompatibel zur Eulerschen Dynamik ist, d.h. daÿ alle durch das Ha-miltonsche Prinzip ausgezeichneten Prozesse die EulerGleichung erfüllen. Daraus folgtjedoch nicht zwingend, daÿ umgekehrt alle Strömungen, die der EulerGleichung genü-gen, durch das entsprechende Hamiltonsche Prinzip ausgezeichnet werden. Als Gegen-beispiel sei die Lagrangedichte (1.18) genannt, deren Variation lediglich die Unterklasseder wirbelfreien Strömungen liefert.

30 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Zum Schluÿ soll noch die Energiebilanz aufgestellt werden. Der Noethersche Ausdruckfür die Energiedichte lautet mit (3.8):

w :=

l − ∂l

∂(∂tψi)∂tψi

E.L.

=

l + %

∂g

∂(Dtψi)∂tψi

E.L.

Die Energiestromdichte nimmt die Form

Sk := −

∂l

∂(∂kψi)∂tψi

E.L.

= vk%

∂g

∂(Dtψi)∂tψi

E.L.

= vk (w − p)

an. Der Energiesatz ist also von der Form:

∂tw +∇ · [(w − p)~v] = 0

Damit ist klar, daÿ der Ansatz (3.5) auf den rein reversiblen Fall beschränkt ist. Wär-meleitung ist hier prinzipiell ausgeschlossen, da obige Energiebilanz nur konvektiveStromanteile besitzt, keine diusiven! Für den wärmeleitungsbehafteten Fall muÿ alsoein von der Form (3.5) abweichendes Variationsprinzip gefunden werden.

3.3 Wirbelbehaftete, barotrope Strömung

Der allgemeine Ansatz (3.5, 3.6) soll für einen einfachen Fall genauer untersucht werden.Dabei wird auch gezeigt, daÿ die so beschriebene Strömung wirbelbehaftet ist.

Zunächst wird versucht, den einfachsten möglichen Fall zu konstruieren. Dabei sollsowohl der mathematische Aufwand als auch die Zahl der kompensierenden Felder mi-nimal gehalten werden. Ausgangspunkt sei der wirbelfreie Fall (3.1) mit

g0(%,DtΦ) = DtΦ + a(%) , (3.14)

der nun geeignet erweitert werde per:

g(%,DtΦ, ψi,Dtψi) = g0(%,DtΦ) + g(ψi,Dtψi) (3.15)

Dabei sind die ψi kompensierende Felder, deren Zahl noch oen ist. Diese Form, beiwelcher das g nur von den kompensierenden Feldern abhängt und nicht von %,Φ, ist nicht

3.3. WIRBELBEHAFTETE, BAROTROPE STRÖMUNG 31

zwingend, soll aber der Einfachheit halber gewählt werden. Die Bestimmungsgleichungfür die Geschwindigkeit (3.6) lautet dann:

~v = ∇Φ +

(∂g

∂(Dtψi)

)(ψ,Dtψ)∇ψi (3.16)

Diese Bestimmungsgleichung für ~v nimmt eine besonders einfache Form an, falls auf derrechten Seite kein ~v mehr vorkommt, d.h. wenn dort keine substantielle ZeitableitungDtψj auftritt. Dies ist aber genau dann der Fall, wenn

g = hi(ψ)Dtψi + h0(ψ) (3.17)

erfüllt ist. Da h0 keinen Beitrag in (3.16) liefert, kann man auch h0 = 0 wählen. Dannnimmt die Geschwindigkeit gemäÿ (3.16) die Form

~v = ∇Φ + hi(ψ)∇ψi (3.18)

an. An dieser Stelle erkennt man auch, daÿ mindestens zwei kompensierende Feldererforderlich sind, da bei nur einem Feld obiger Ausdruck für die Geschwindigkeit wie-der zu einem einzigen Gradienten zusammengefaÿt werden kann. Diese Zahl ist auchphysikalisch nachvollziehbar, da das Wirbelfeld ~ω = 1

2∇ × ~v durch zwei Freiheitsgra-

de festgelegt wird. Diese beiden Felder werden im folgenden als Wirbelpotentiale γ, ϑbezeichnet.

Behauptung: Man kann o.B.d.A. die Wahl

hϑ = γ

hγ = 0 (3.19)

treen.

Beweis: Durch Einsetzen von (3.17) und h0 = 0 in (3.15) erhält man zunächst allgemein:

g = DtΦ + hϑ(ϑ, γ)Dtϑ+ hγ(ϑ, γ)Dtγ + a(%) (3.20)

Auf die spezielle Form (3.19) kommt man durch eine Umbenennung der Potentiale.Zunächst werde das Geschwindigkeitspotential Φ transformiert per:

Φ = Φ + F (ϑ, γ) (3.21)

Daraus folgt für das g:

g = DtΦ +

[hϑ(ϑ, γ) +

∂F

∂ϑ

]Dtϑ+

[hγ(ϑ, γ) +

∂F

∂γ

]Dtγ + a(%)

O.B.d.A. kann man das F so wählen, daÿ

hγ(ϑ, γ) +∂F (ϑ, γ)

∂γ= 0

32 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

gilt. Schlieÿlich kann man noch mit der Transformation

γ = hϑ(ϑ, γ) +∂F (ϑ, γ)

∂ϑ

die gewünschte Formg = DtΦ + γDtϑ+ a(%) (3.22)

erreichen, was zu zeigen war!

Der gemäÿ (3.18) resultierende Ansatz für die Geschwindigkeit lautet mit (3.19) nun-mehr:

~v = ∇Φ + γ∇ϑ (3.23)

Ein solcher Potentialansatz wurde bereits im Jahre 1859 von Clebsch [6] vorgeschlagen.Clebsch erbrachte auch den Nachweis, daÿ jedes beliebige Vektorfeld durch einen Ansatzder Form (3.23) lokal dargestellt werden kann. In der Literatur werden die Gröÿenγ, ϑ als Monge, Clebsch oder auch EulerPotentiale bezeichnet. Man erkennt durchRotationsbildung von (3.23), daÿ das Wirbelfeld ~ω nicht verschwindet:

~ω =1

2∇× ~v =

1

2∇γ ×∇ϑ (3.24)

Einsetzen von (3.23) in den impliziten Ansatz für die Lagrangedichte liefert die expliziteDarstellung:

l = −%[DtΦ + γDtϑ+ a(%)− 1

2~v2]

= −%[∂tΦ + γ∂tϑ+

1

2(∇Φ + γ∇ϑ)2 + a(%)

](3.25)

In Abschnitt 3.6 wird gezeigt, daÿ aus den EulerLagrangeGleichungen und demNoetherTheorem die Dynamik der idealen barotropen Flüssigkeit deduziert werdenkann.

Es ist zu vermuten, daÿ der ClebschAnsatz (3.23) nicht die einzige mögliche Potenti-aldarstellung ist. In Abschnitt 3.5 wird eine weitere Möglichkeit diskutiert.

3.4 Komplexe Wirbelpotentiale und Eichfreiheiten

Die Monge/ClebschPotentiale sind nicht eindeutig, sondern können diversen Eichun-gen unterzogen werden. Ziel ist es, einen groÿen Teil dieser Eichfreiheitsgrade zu erfassenund möglichst einfach darzustellen. Dabei hat sich eine Behandlung des Problems mitHilfe komplexer Funktionen als mathematisch sehr elegant erwiesen. In diesem Zusam-menhang sollen auch Möglichkeiten vorgestellt werden, wie man analog zum komplexenTemperatur- und Materiefeld auch ein komplexes Wirbelpotentialfeld denieren kann.

3.4. KOMPLEXE WIRBELPOTENTIALE UND EICHFREIHEITEN 33

Man kann zunächst versuchen, die zwei reellen Wirbelpotentiale ϑ, γ durch ein komple-xes Wirbelpotentialfeld ξ zu ersetzen mit:

γ =√

2Re ξ

ϑ =√

2Im ξ (3.26)

Damit nimmt der Potentialansatz folgende Form an:

~v = ∇Φ + γ∇ϑ

= ∇Φ +ξ + ξ∗√

2∇ξ − ξ

∗√

2i

= ∇Φ +1

2i[ξ∇ξ − ξ∇ξ∗ + ξ∗∇ξ − ξ∗∇ξ∗]

= ∇[Φ +

1

4i

(ξ2 − ξ∗2

)]+

1

2i[ξ∗∇ξ − ξ∇ξ∗]

= ∇[Φ +

1

2Im ξ2

]+ Im (ξ∗∇ξ)

Mit der Substitution Φ := Φ + 12Im ξ2 erhält man

~v = ∇Φ + Im (ξ∗∇ξ) (3.27)

als halbkomplexen Potentialansatz für die Geschwindigkeit. Für das Wirbelfeld ergibtsich folgendes:

~ω =1

2∇× ~v =

1

2∇× Im (ξ∗∇ξ)

=1

2Im∇× (ξ∗∇ξ) =

1

2Im∇ξ∗ ×∇ξ

=1

4i[∇ξ∗ ×∇ξ −∇ξ ×∇ξ∗]

=1

2i∇ξ∗ ×∇ξ (3.28)

Nunmehr stellt sich die Frage, welche Änderungen am Wirbelpotentialfeld ξ möglichsind, ohne daÿ die Observablen ~v, ~ω davon betroen sind. Sei also ξ ein weiteres Wir-belpotentialfeld, welches zum selben Wirbelfeld führt, also der Eichbedingung

∇ξ∗ ×∇ξ = 2i~ω = ∇ξ∗ ×∇ξ (3.29)

genügt. Im allgemeinen kann ξ ein kompliziertes Funktional von ξ sein. In diesem Fallsoll es aber genügen, die Menge der lokalen Eichtransformationen der Form

ξ = f(ξ, ξ∗, t)

ξ∗ = f ∗(ξ, ξ∗, t) (3.30)

34 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

zu untersuchen. Einsetzen in die Eichbedingung (3.29) liefert:

∇ξ∗ ×∇ξ = ∇f ∗(ξ, ξ∗, t)×∇f(ξ, ξ∗, t)

=

[∂f ∗

∂ξ∇ξ +

∂f ∗

∂ξ∗∇ξ∗

]×[∂f

∂ξ∇ξ +

∂f

∂ξ∗∇ξ∗

]

=∂f ∗

∂ξ

∂f

∂ξ∗∇ξ ×∇ξ∗ +

∂f ∗

∂ξ∗∂f

∂ξ∇ξ∗ ×∇ξ

=

[(∂f

∂ξ

)∗∂f

∂ξ−(∂f

∂ξ∗

)∗∂f

∂ξ∗

]∇ξ∗ ×∇ξ

Man liest hieraus sofort die spezielle Eichbedingung∣∣∣∣∣∂f∂ξ∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂f∂ξ∗

∣∣∣∣∣2

= 1 (3.31)

für den Ansatz (3.30) ab. Partikuläre Lösungen dieser Gleichung werden weiter untenbestimmt.

Die Eichtransformation soll das Geschwindigkeitsfeld ebenfalls unverändert lassen. Dieserreicht man durch eine Umeichung des Potentials Φ:

∇Φ + Im(ξ∗∇ξ

)= ~v = ∇Φ + Im (ξ∗∇ξ) (3.32)

Mit ζ := Φ− Φ kann man schreiben:

∇ζ = −Im[ξ∗∇ξ − ξ∗∇ξ

](3.33)

Wiederum kann ζ ein Funktional der Felder ξ, ξ∗ sein. Setzt man jedoch speziell dielokale Form ζ = ζ(ξ, ξ∗, t) an, so ergibt sich:

0 =∂ζ

∂ξ∇ξ +

∂ζ

∂ξ∗∇ξ∗ + Im

[f ∗(∂f

∂ξ∇ξ +

∂f

∂ξ∗∇ξ∗

)− ξ∗∇ξ

]

=

∂ζ

∂ξ+

1

2i

[f ∗∂f

∂ξ− f

(∂f

∂ξ∗

)∗− ξ∗

]∇ξ

+

∂ζ

∂ξ∗+

1

2i

[f ∗∂f

∂ξ∗− f

(∂f

∂ξ

)∗+ ξ

]∇ξ∗

Durch Koezientenvergleich gelangt man zu einem System von zwei partiellen Die-rentialgleichungen:

∂ζ

∂ξ=

1

2i

[f

(∂f

∂ξ∗

)∗− f ∗∂f

∂ξ+ ξ∗

]∂ζ

∂ξ∗=

1

2i

[f

(∂f

∂ξ

)∗− f ∗ ∂f

∂ξ∗− ξ

](3.34)

3.4. KOMPLEXE WIRBELPOTENTIALE UND EICHFREIHEITEN 35

Eine Lösung für ζ existiert genau dann, wenn die Schwarzsche Integrabilitätsbedingungerfüllt ist, d.h.:

0 =∂

∂ξ∗

[f

(∂f

∂ξ∗

)∗− f ∗∂f

∂ξ+ ξ∗

]− ∂

∂ξ

[f

(∂f

∂ξ

)∗− f ∗ ∂f

∂ξ∗− ξ

]

=∂f

∂ξ∗

(∂f

∂ξ∗

)∗−(∂f

∂ξ

)∗∂f

∂ξ+ 1 + f

∂2f ∗

∂ξ∂ξ∗− f ∗ ∂

2f

∂ξ∂ξ∗

−∂f∂ξ

(∂f

∂ξ

)∗+

(∂f

∂ξ∗

)∗∂f

∂ξ∗+ 1− f ∂2f ∗

∂ξ∂ξ∗+ f ∗

∂2f

∂ξ∂ξ∗

= −2

∣∣∣∣∣∂f∂ξ∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂f∂ξ∗

∣∣∣∣∣2

− 1

Man erkennt, daÿ diese Integrabilitätsbedingung identisch ist mit der Eichbedingung(3.31), d.h. eine Lösung von (3.34) existiert immer, sofern die Eichfunktion f der Be-dingung (3.31) genügt.

Aus diesen allgemeinen Aussagen über die Eichgruppe können noch einige spezielleEigenschaften gefolgert werden:

Gruppeneigenschaft: Die Menge lG der komplexen Funktionen, die die Eichbedin-gung (3.31) erfüllen, bilden unter der Verknüpfung

(f g) (ξ, ξ∗, t) := f (g(ξ, ξ∗, t), g∗(ξ, ξ∗, t), t) (3.35)

eine Gruppe.

Beweis: Oenbar ist die Verknüpfung zweier Funktionen assoziativ. Wegen∣∣∣∣∣ ∂∂ξ (f g)

∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂∂ξ∗ (f g)

∣∣∣∣∣2

=

∣∣∣∣∣(∂f

∂ξ g)∂g

∂ξ+

(∂f

∂ξ∗ g)∂g∗

∂ξ

∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣(∂f

∂ξ g)∂g

∂ξ∗+

(∂f

∂ξ∗ g)∂g∗

∂ξ

∣∣∣∣∣2

=

∣∣∣∣∣∂f∂ξ∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂f∂ξ∗

∣∣∣∣∣2 g

·∣∣∣∣∣∂g∂ξ

∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂g∂ξ∗

∣∣∣∣∣2

erkennt man sofort, daÿ f g ∈ lG ,wenn f, g ∈ lG, so daÿ auch die Abgeschlos-senheit gezeigt ist. Das neutrale Element ist trivialerweise durch fid = ξ gegeben.Die Existenz eines inversen Elementes kann mit Hilfe des Satzes über impliziteFunktionen gezeigt werden:

det

( ∂f∂ξ

∂f∂ξ∗

∂f∗

∂ξ∂f∗

∂ξ∗

)=

∣∣∣∣∣∂f∂ξ∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂f∂ξ∗

∣∣∣∣∣2

= 1 6= 0

Damit ist alles gezeigt.

36 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Partikuläre Lösungen von (3.31): Zunächst kann man speziell nach holomorphenLösungen ∂f/∂ξ∗ = 0 der Eichbedingung (3.31) fragen, welche dann die Form∣∣∣∣∣∂f∂ξ

∣∣∣∣∣2

= 1

annimmt. Daraus gewinnt man sofort ∂f/∂ξ = eiε was durch Integration schlieÿ-lich zu f(ξ) = eiεξ + uo + ivo führt. Alle weiteren Lösungen von (3.31) sind anho-lomorph, d.h. ∂f/∂ξ∗ 6= 0. Um eine Vorstellung über die beachtliche Mächtigkeitder Eichgruppe lG zu bekommen, sollen einige Untergruppen explizit angegebenwerden:

lGH :=eiεξ + uo + ivo|ε, uo, vo ∈ IR

(3.36)

lGS :=√

1 + κ2 ξ + κξ∗|κ ∈ IR

(3.37)

lG+ :=ξ + iu (ξ + ξ∗) |u ∈ C1(IR)

(3.38)

lG− :=ξ + v (iξ − iξ∗) |v ∈ C1(IR)

(3.39)

Alle dabei verwendeten Parameter sowie die beiden Funktionen u, v können auÿer-dem noch explizit von der Zeit abhängen! lGH ist die holomorphe Untergruppe vonlG und beschreibt Drehungen des Achsenkreuzes auf der komplexen Zahlenebeneund Verschiebungen des Koordinatenursprungs. lGS dagegen stellt Stauchungenund Dehnungen der Achsmaÿstäbe dar. Ein positives κ bewirkt eine Stauchungder rellen Achse und eine Dehnung der imaginären, ein negatives κ bewirkt Ge-genteiliges. lG± beschreibt kompliziertere, lokale Verzerrungen der Achsen. Be-merkenswert ist die Tatsache, daÿ bei lG± völlig beliebige stetig dierenzierbareFunktionen u, v gewählt werden können.

Durch beliebige Verknüpfungen der Elemente der vier Untergruppen gemäÿ (3.35)erhält man eine noch wesentlich umfangreichere Untergruppe von lG.

Nichtnegativität des γ: Der Ansatz (3.27) zeichnet sich auch dadurch aus, daÿ einVorzeichenwechsel ξ → −ξ dieselbe Geschwindigkeit liefert. Mit Hilfe der speziel-len Umeichung

ξ := (sgnRe ξ) ξ (3.40)

erhält man ein Wirbelpotentialfeld ξ, dessen Realteil nirgendwo negativ wird,d.h.: √

2Re ξ = γ ≥ 0 (3.41)

Da aber die SignumFunktion sgnx unstetig ist, muÿ man im Allgemeinfall auchvon einem unstetigen Wirbelpotentialfeld ξ ausgehen, so daÿ der Gradient von ξdistributive Anteile enthalten kann. Man kann jedoch zeigen, daÿ diese distribu-tiven Anteile im Geschwindigkeitsfeld nicht mehr vorkommen, so daÿ (3.40) einelegitime Umeichung darstellt. Mit der Abkürzung y := sgnRe ξ ∈ IR folgt:

Im[ξ∗∇ξ

]= Im [yξ∗∇ (yξ)] = Im

[y2ξ∗∇ξ + ξ∗ξy∇y

]

3.4. KOMPLEXE WIRBELPOTENTIALE UND EICHFREIHEITEN 37

Man erkennt, daÿ über ∇y distributive Anteile im Argument von Im auftreten.Beachtet man jedoch, daÿ y reell ist und y2 = 1, so folgt:

Im[ξ∗∇ξ

]= Im [ξ∗∇ξ]

Dies war zu zeigen.

Bemerkung: Man kann die Umeichung (3.40) auch als

Re ξ = |Re ξ|Im ξ = (sgnRe ξ) Im ξ (3.42)

schreiben. Man erkennt mit (3.42), daÿ der Realteil von ξ stetig bleibt, währendder Imaginärteil i.a. unstetig wird. Im reellen Fall bedeutet dies, daÿ die Wahleines nichtnegativen γ ein im Allgemeinfall unstetiges zweites Wirbelpotential ϑzur Folge hat.

Alternative Transformation: Bislang wurden die Monge/ClebschPotentiale alsReal- und Imaginärteil der komplexen Gröÿe ξ angesehen. Unter der Annahmeeines nichtnegativen γ gemäÿ (3.41) könnte man auch alternativ über eine Trans-formation der Form

ξ =√γeiϑ

ξ∗ =√γe−iϑ (3.43)

nachdenken, bei welcher die Monge/ClebschPotentiale als Betrag und Phase vonξ aufgefaÿt werden.

Behauptung: Der Übergang von (3.26) zu (3.43) entspricht lediglich einer Umei-chung der Potentiale.

Beweis: Sei ξ gemäÿ (3.26) gegeben und ξ gemäÿ (3.43). Dann existiert zwischenbeiden Varianten eine Zuordnung gemäÿ:

ξ = f(ξ, ξ∗) =

√ξ + ξ∗√

2exp

[ξ − ξ∗√

2

]Es gilt somit:

∂f

∂ξ=

1√2

[1√

2(ξ + ξ∗)+ 1

]f

∂f

∂ξ∗=

1√2

[1√

2(ξ + ξ∗)− 1

]f

|f |2 =ξ + ξ∗√

2also:∣∣∣∣∣∂f∂ξ

∣∣∣∣∣2

−∣∣∣∣∣ ∂f∂ξ∗

∣∣∣∣∣2

=|f |2

2

(

1√2(ξ + ξ∗)

+ 1

)2

−(

1√2(ξ + ξ∗)

− 1

)2

= 1

38 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Dies war zu zeigen. Damit ist insbesondere klar, daÿ der Potentialansatz (3.27)gültig bleibt, unabhängig davon, ob die Transformation der reellen Wirbelpoten-tiale ins Komplexe gemäÿ (3.26) oder (3.43) vorgenommen wird!

Reelle Umeichung: Arbeitet man mit den reellen Gröÿen γ, ϑ anstatt mit dem kom-plexen Feld ξ, so übertragen sich Umeichungen der Form (3.30) ins Reelle gemäÿDenition (3.26):

γ = h(ϑ, γ, t) :=√

2Re f

(γ + iϑ√

2,γ − iϑ√

2, t

)

ϑ = g(ϑ, γ, t) :=√

2Im f

(γ + iϑ√

2,γ − iϑ√

2, t

)(3.44)

Die Darstellung der Eichbedingung (3.31) mit den reellen Funktionen g, h siehtdann so aus:

g, h :=∂g

∂ϑ

∂h

∂γ− ∂h

∂ϑ

∂g

∂γ= 1 (3.45)

Dabei ist ·, · die bekannte PoissonKlammer. Auch die anderen komplexen Be-ziehungen lassen sich ins Reelle übertragen. Für den reellen Fall sind die Eichfrei-heiten der ClebschPotentiale γ, ϑ bereits von Schönberg [13] untersucht worden,der ebenfalls (3.45) als Eichbedingung angibt.

Vergleich mit dem Standardpotentialansatz: Die in der Physik vermutlich amhäugsten verwendete Darstellung eines Vektorfeldes ist der durch ein skalaresund ein Vektorpotential gegebene Potentialansatz

~v = ∇Φ +∇× ~A , (3.46)

welcher einer eindeutigen Zerlegung des Feldes in Quellen und Wirbel entspricht.Eine derartige Zuorndnung ist beim ClebschAnsatz (3.23) nicht erkennbar, wasden Nachteil hat, daÿ die physikalische Klassizierung der Potentiale wenigereinfach ist. Der Vorteil von (3.23) ist jedoch die gröÿere Flexibilität gegenüber(3.46), da hier auf die strenge Aufteilung nach Quellen und Wirbeln verzichtetwird. Die Frage, ob für die ClebschPotentiale eine spezielle Eichung existiert, sodaÿ eine Identikation γ∇ϑ = ∇× ~Amöglich ist, konnte bislang nicht beantwortetwerden. Eine Beschreibung der Eulerschen Dynamik im Lagrangeformalismus mitdem Potentialansatz (3.46) ist bis jetzt ebenfalls nicht gelungen.

Der Ansatz (3.46) könnte jedoch von Bedeutung sein, wenn man schleichendeStrömungen beschreibt, bei welchen der konvektive Anteil (~v · ∇)~v in der Be-wegungsgleichung vernachlässigbar ist. Dies ist beispielsweise auch bei plastischverformbaren Körpern der Fall.

3.5. SYMMETRISCHER POTENTIALANSATZ 39

3.5 Symmetrischer Potentialansatz

(3.23) ist nicht die einzige Möglichkeit für einen Potentialansatz. In (3.24) sieht man, daÿsich die beiden Wirbelpotentiale sich antisymmetrisch gegen Vertauschung verhalten,d.h. daÿ das Wirbelfeld ~ω seine Richtung invertiert. Im folgenden soll ein alternativerAnsatz konstruiert werden, der sich symmetrisch gegen eine Vertauschung von γ, ϑverhält. Der Ansatz

g = DtγDtϑ (3.47)

impliziert gemäÿ (3.16) die Bestimmungsgleichung

~v = ∇Φ + (Dtγ)∇ϑ+ (Dtϑ)∇γ= ∇Φ + (∂tγ)∇ϑ+ (∂tϑ)∇γ + (~v · ∇γ)∇ϑ+ (~v · ∇ϑ)∇γ= ∇Φ + (∂tγ)∇ϑ+ (∂tϑ)∇γ + ~v [∇γ ⊗∇ϑ+∇ϑ⊗∇γ]

für ~v. Dies ist ein inhomogenes lineares Gleichungssystem, dessen Lösung gegeben istper:

~v =[1−∇γ ⊗∇ϑ−∇ϑ⊗∇γ

]−1∇Φ + (∂tγ)∇ϑ+ (∂tϑ)∇γ (3.48)

Die Existenz dieser Lösung hängt mit der Existenz der inversen Matrix in (3.48) zu-sammen. Diese ist gesichert, falls das dyadische Produkt ∇γ ⊗ ∇ϑ klein ist gegen dieEinheitsmatrix. Man erkennt, daÿ die beiden Wirbelpotentiale symmetrisch in den Po-tentialansatz (3.48) eingehen. Die explizite Form der Lagrangedichte kann wiederumdurch Einsetzen von (3.48) in die durch (3.47) gegebene implizite Form

l = −%[∂tΦ + DtγDtϑ+ a(%)− 1

2~v2]

(3.49)

leicht gewonnen werden. Um aber die aus dem Hamiltonschen Prinzip folgende Dyna-mik zu bestimmen, liegt es aus Gründen der Einfachheit nahe, auf die Ergebnisse vonAbschnitt 3.2 zurückzugreifen und über die implizite Form (3.49) auf die Dynamik zuschlieÿen. Es gilt nach (3.49):

g = DtΦ + DtγDtϑ+ a(%)

Daraus ergeben sich die EulerLagrangeGleichungen gemäÿ (3.10) als:

δΦ : 0 = ∂t%+∇ · (%~v) (3.50)

δ% : 0 =l

%− %a′(%) (3.51)

δϑ : 0 = Dtγ ∂t%+∇ · (%~v)+ %D2tγ (3.52)

δγ : 0 = Dtϑ ∂t%+∇ · (%~v)+ %D2tϑ (3.53)

Die erste Gleichung ist wieder die Kontinuitätsgleichung. Die zweite ist eine der BernoulliGleichung analoge Beziehung und bestimmt die Abhängigkeit des Drucks von den Fel-dern. Es folgt unmittelbar:

lE.L. = %2a′(%) = p(%)

40 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Somit ist also auch die Barotropiebedingung p = p(%) erfüllt. Damit ist gemäÿ Ab-schnitt 3.2 auch die Gültigkeit der EulerGleichung

%Dt~v +∇p(%) = 0

bewiesen, d.h. alle durch das Hamiltonsche Prinzip ausgezeichneten Prozesse genügender Eulerschen Dynamik. Eine Aussage darüber, ob umgekehrt jede ideale barotropeStrömung durch ein solches Variationsprinzip beschrieben werden kann und ob für be-liebige Vektorfelder ~v immer eine Potentialdarstellung der Form (3.48) existiert, bleibeich leider schuldig.

Es stellt sich ferner die Frage, ob die Lagrangedichte (3.49) von grundsätzlich andererStruktur ist als (3.25), oder ob sich beide Lagrangedichten möglicherweise nur durcheine vollständige Viererdivergenz unterscheiden. Wenn letzteres der Fall wäre, müÿtensich jedoch dieselben EulerLagrangeGleichungen ergeben. Um dies zu prüfen, kannman speziell die resultierenden Gleichungen für die Wirbelpotentiale unter die Lupenehmen. Aus (3.52, 3.53) folgt unter Beachtung der Kontinuitätsgleichung:

D2tϑ = 0 (3.54)

D2tγ = 0 (3.55)

Im Gegensatz hierzu folgen aus (3.25) die beiden Gleichungen (3.64, 3.65), welche ver-schieden von obigen Gleichungen sind. Damit kann es keine Viererdivergenz geben, diedie beiden Lagrangedichten ineinander überführt.

Da die Potentialdarstellung (3.48) unverhältnismäÿig kompliziert ist im Vergleich zu(3.23), soll künftig ausschlieÿlich der ClebschAnsatz verwendet werden.

3.6 Einkopplung des Temperaturfeldes

Bislang war nur von barotropen Strömungen die Rede, welche sich durch die Formp = p(%) des Druckes auszeichnen. Aus Kapitel 1.3 ist bekannt, daÿ aus der Funktiona(%) in der Lagrangedichte (1.18) der Druckterm in der EulerGleichung hervorgeht.Es liegt also nahe, als ersten naiven Ansatz eine Ersetzung von a(%) durch die freieEnergiedichte f(%, T ) in (3.25) vorzunehmen:

l = −%[DtΦ + γDtϑ+ f(%, T )− 1

2~v2]

Damit ist aber die Gröÿe T als neues Feld ins Spiel gekommen. Die zugehörige EulerLagrangeGleichung lautet:

−%(∂f

∂T

)(%, T ) = 0

3.6. EINKOPPLUNG DES TEMPERATURFELDES 41

Das ist eine implizite Gleichung mit Lösung T = T (%), was der Phänomenologie wi-derspricht! Um stattdessen zu einer Dierentialgleichung zu gelangen, kann man imeinfachsten Fall versuchen, T durch einen Dierentialausdruck zu ersetzen, d.h. manmacht auch für die Temperatur einen Potentialansatz. Der Ansatz

T = DtΘ (3.56)

gewährleistet, daÿ der Rahmen von (3.5) beibehalten wird. Das führt zur implizitenForm:

l = −%[DtΦ + γDtϑ+ f(%,DtΘ)− 1

2~v2]

(3.57)

Daraus liest man mit (3.5) ab:

g = DtΦ + γDtϑ+ f(%,DtΘ) (3.58)

Die Geschwindigkeit genügt dann gemäÿ (3.6) der Gleichung:

~v = ∇Φ + γ∇ϑ− s (%,DtΘ)∇Θ (3.59)

Diese Bestimmungsgleichung ist nicht ohne weiteres nach ~v auösbar, da die rechteSeite von DtΘ und damit von ~v abhängt. Die Temperaturabhängigkeit der Entropie sist auÿerdem nicht festgelegt. Dennoch kann man mit Hilfe des Satzes über impliziteFunktionen eine Existenzaussage über eine Lösung von (3.59) machen: Hierzu ist dieJacobiMatrix des Ausdrucks

~v + s (%,DtΘ)∇Θ−∇Φ− γ∇ϑ

bezüglich ~v zu bilden, also:

J lk =∂ [vk + s (%, ∂tΘ + vp∂

pΘ) ∂kΘ]

∂vl

= δlk +

(∂s

∂T

)T=DtΘ

(∂pΘ)δlp(∂kΘ)

= δlk +(c

T

)T=DtΘ

∂lΘ∂kΘ

In Matrixschreibweise sieht das folgendermaÿen aus:

J = 1 +c

T∇Θ⊗∇Θ (3.60)

Behauptung: J hat die Eigenwerte 1 und 1 + cT

(∇Θ)2.

Beweis: Sei ~a1 = ∇Θ und ~a2,~a3 zwei voneinander linear unabhängige Vektoren senkrechtzu ~a1. Dann folgt:

J~a1 = ~a1 +c

T~a1 (~a1 · ~a1) =

[1 +

c

T~a2

1

]~a1

J~a2 = ~a2 +c

T~a1 (~a1 · ~a2) = ~a2

J~a3 = ~a3 +c

T~a1 (~a1 · ~a3) = ~a3

42 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Da aber sowohl c als auch T stets positiv sind, ist J positiv denit. Die Voraussetzungenfür den Satz über implizite Funktionen sind damit erfüllt, d.h. das Gleichungssystem(3.59) ist nach ~v (lokal) auösbar.

Obwohl auf eine explizite Darstellung der Lagrangedichte verzichtet wird, kann dieBerechnung der EulerLagrangeGleichungen und der NoetherBilanzen gemäÿ Ab-schnitt 3.2 vorgenommen werden:

Mit (3.58) und (3.10) lassen sich sofort die EulerLagrangeAusdrücke ermitteln:

LΦ = ∂t%+∇ · (%~v)

L% =l

%− %

(∂f

∂%

)(%,DtΘ)

Lϑ = γ ∂t%+∇ · (%~v)+ %Dtγ (3.61)

Lγ = −%Dtϑ

LΘ =

(∂f

∂T

)(%,DtΘ) ∂t%+∇ · (%~v)+ %Dt

(∂f

∂T

)(%,DtΘ)

Damit ergeben sich die EulerLagrangeGleichungen Li = 0. Man erhält nach einfachenUmformungen:

∂t%+∇ · (%~v) = 0 (3.62)

lE.L. = %2

(∂f

∂%

)(%,DtΘ) (3.63)

Dtγ = 0 (3.64)

Dtϑ = 0 (3.65)

Dts(%,DtΘ) = 0 (3.66)

Dabei ist (3.62) wieder die Kontinuitätsgleichung, während man (3.63) als verallge-meinerte BernoulliGleichung interpretieren kann. Aus (3.63) liest man auch ab, daÿlE.L. = p(%, T ) gilt. Laut Kapitel 3.2 ist damit über das NoetherTheorem bereits ge-zeigt, daÿ die EulerGleichung gelten muÿ!

Die letzte Gleichung (3.66) stimmt mit der Entropiebilanz (1.3) für den adiabatischenFall überein. Damit sind alle phänomenologischen Gleichungen (1.1 1.3) für den adia-batischen Fall λ = 0 aus dem zu (3.57) gehörigen Hamiltonschen Prinzip deduziert.

Ersetzt man in der Lagrangedichte (3.57) wieder f(%,DtΘ) durch a(%), so erhält mangerade die Lagrangedichte (3.25). Damit sind die EulerLagrangeGleichungen zu (3.25)identisch mit denen von (3.57), abgesehen davon, daÿ die Variation nach Θ (Entropiebi-lanz) entfällt und die übrigen Gleichungen unabhängig von DtΘ sind. Die Feldgleichun-gen zu (3.25) sind also gerade durch (3.62 3.65) ohne die DtΘAbhängigkeit gegeben.So erhält man den Spezialfall der barotropen Eulerschen Dynamik.

Nachdem bewiesen worden ist, daÿ alle durch das Hamiltonsche Prinzip ausgezeichnetenProzesse der Eulerschen Dynamik genügen müssen, stellt sich die umgekehrte Frage, ob

3.6. EINKOPPLUNG DES TEMPERATURFELDES 43

alle adiabatischen Strömungen durch das Variationsprinzip erfaÿt werden. Hierzu muÿinsbesondere gezeigt werden, daÿ für jede beliebige Wahl von Feldern ~v, T ein Satz vonPotentialen Φ, ϑ, γ,Θ existiert, die diese Felder darstellen.

Seien also ~v und T beliebig vorgegeben. Dann ist die Potentialgleichung DtΘ = T eineGleichung der Form (A.26) und damit lösbar! Die entsprechende Potentialgleichung fürdie Geschwindigkeit kann in folgender Weise geschrieben werden:

~v + s(%,DtΘ)∇Θ = ∇Φ + γ∇ϑ (3.67)

Während die linke Seite bis auf Eichung des Θ vorgegeben ist, steht auf der rechten Seiteder bekannte ClebschAnsatz für die drei unbekannten Potentiale Φ, ϑ, γ. Da Clebsch [6]gezeigt hat, daÿ jedes beliebige Vektorfeld durch einen solchen Ansatz lokal dargestelltwerden kann, hat auch (3.67) eine Lösung!

Insbesondere zeigt auch die Darstellung (3.67), wie man die beiden Gleichungen (3.64,3.65) für die Potentiale zu interpretieren hat: Man kann eine Art Pseudowirbelfeld ~Wdenieren per:

~W :=1

2∇× [~v + s∇Θ]

= ~ω +1

2∇s×∇Θ (3.68)

Dieses erfüllt aber gemäÿ (3.67) die Beziehung:

~W =1

2∇γ ×∇ϑ (3.69)

In Analogie zu den Strom- und Wirbellinien seien als WLinien diejenigen Kurven be-zeichnet, deren Tangenten stets parallel zu ~W sind. Aus (3.69) liest man ab, daÿ dieWLinien die Schnittlinien der Äquipotentialächen der beiden ClebschPotentiale γ, ϑsind. Die beiden Gleichungen (3.64, 3.65) bedeuten also, daÿ die WLinien substantiellmittransportiert werden. Eine physikalische Interpretation von ~W ist jedoch problema-tisch, da nach (3.68) das WFeld nicht invariant gegen eine Umeichung des PotentialsΘ ist!

Im barotropen Spezialfall (3.25) hingegen tritt nach (3.24) das Wirbelfeld ~ω an die Stelledes ~W , so daÿ hier die Potentialgleichungen (3.64, 3.65) äquivalent zum substantiellenMittransport von Wirbellinien sind. Obgleich die beiden Potentialgleichungen Erhal-tungssätze für ϑ, γ sind, kann man diese beiden Gröÿen wegen ihrer Eichfreiheiten nichtals Observablen ansehen. Diese Rolle kommt vielmehr dem aus diesen beiden Gröÿengebildeten Wirbelfeld ~ω zu, welches eichinvariant ist.

Bemerkenswert ist schlieÿlich, daÿ in der Lagrangedichte (3.57) mit den Gröÿen %,Φ, γ, ϑund Θ genau soviele Felder vorkommen, wie in den phänomenologischen Gleichungen(1.1 1.3).

44 KAPITEL 3. ALLGEMEINER ANSATZ UND BEISPIELE

Als einziges Phänomen konnte die Wärmeleitung nicht durch einen systematischen An-satz der Form (3.5) erfaÿt werden. Im nächsten Kapitel soll versucht werden, dieseheuristisch zu ergänzen.

Kapitel 4

Erweiterter Ansatz mit Wärmeleitung

Um irreversible Prozesse beschreiben zu können, muÿ man von der Form (3.5) abwei-chen. Ein geeigneter modizierter Ansatz soll durch einen Vergleich von (3.57) mit derLagrangedichte (1.26) motiviert werden.

Betrachtet man jedoch das im vorangegangenen Kapitel gewonnene Ergebnis (3.57)und vergleicht mit dem Konzept von Anthony zur Wärmeleitung im ruhenden Medi-um, so erkennt man gravierende Unterschiede: Während Anthony zur Beschreibung desthermischen Systems zwei Feldfreiheitsgrade T, ϕ ansetzt, wird in (3.57) nur ein FeldΘ benötigt, welches als Potential für T erforderlich ist. Eine direkte Verbindung zwi-schen den beiden Ansätzen ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Um aber aus beidenSpezialfällen eine verallgemeinerte Lagrangedichte zu gewinnen, welche sowohl der Strö-mung als auch der Wärmeleitung Rechnung trägt, ist es notwendig, diese konzeptionelleDiskrepanz zu beseitigen!

In zwei Schritten soll durch Umformung der Lagrangedichte (3.57) gezeigt werden, daÿsich beide Konzepte zur Deckung bringen lassen, was einen Ansatz für eine verallgemei-nerte Lagrangedichte motiviert. In diesem Zusammenhang soll auch über eine Deutungder thermischen Phase ϕ nachgedacht werden.

4.1 LegendreTransformation und Hamilton-dichte

Aufgrund des Potentialansatzes T = DtΘ wird die adiabatische Entropiebilanz (3.66)

Dts(%,DtΘ) = 0

zu einer partiellen Dierentialgleichung zweiter Ordnung in der Zeitableitung ∂t. NachÜbergang zum Hamiltonformalismus kann man genau wie in der klassischen Punkt-mechanik zu einem System von partiellen Dierentialgleichungen erster Ordnung in

45

46 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

∂t übergehen, indem man sog. Impulse als Hilfsgröÿen einführt. Zunächst sind diekanonisch konjugierten Feldimpulse für den Ansatz (3.5) zu berechnen, welche gemäÿ(3.8) folgende Form annehmen:

πi :=∂l

∂(∂tψi)= −% ∂g

∂(Dtψi)(4.1)

Es ergibt sich dann gemäÿ der aus (3.58) bekannten Form des g speziell:

πΦ = −% π% = 0

πϑ = −%γ πγ = 0 (4.2)

πΘ = −%(∂f

∂T

)T=DtΘ

= %s(%,DtΘ)

Vorausgesetzt werde, daÿ die durch (1.5) gegebene Beziehung s = s(%, T ) auflösbar seinach T = T (%, s). Dann ist in (4.2) die Gleichung für πΘ, welche nach Division durch %als

s :=πΘ

%= s(%,DtΘ) (4.3)

geschrieben werden kann, auflösbar nach DtΘ:

DtΘ = T (%, s) (4.4)

Diese Gleichung ermöglicht es, die substantielle Zeitableitung von Θ durch den kano-nisch konjugierten Impuls πΘ = %s zu ersetzen. Der Übergang zu s durch Abspaltungdes Faktors % ist reine Konvention. Ersetzt man mit (4.4) das DtΘ in der Bestimmungs-gleichung (3.59) für die Geschwindigkeit, so ergibt sich als explizite Potentialdarstellung:

~v(ψ,∇ψ, s) = ∇Φ + γ∇ϑ− s(%,DtΘ)∇ΘDtΘ=T (%,s)

= ∇Φ + γ∇ϑ− s∇Θ (4.5)

Da ~v nunmehr von keiner Zeitableitung mehr abhängt, kann man mit (4.4) folgern, daÿauch die partielle Zeitableitung ∂tΘ durch s ersetzt werden kann:

∂tΘ = F (ψ,∇ψ, s) := T (%, s)− ~v · ∇Θ (4.6)

Nach den Zeitableitungen der übrigen Felder %,Φ, γ, ϑ ist das Gleichungssystem (4.2)oensichtlich nicht auflösbar.

Die Hamiltondichte h ist deniert durch die LegendreTransformation:

h(ψ,∇ψ, s) :=πi∂tψi − l(ψ, ∂tψ,∇ψ)

∂tΘ=F (ψ,∇ψ,s)

(4.7)

Dabei wird die Zeitableitung ∂tΘ durch die Entropie s als neue Gröÿe ersetzt. Konkreterhält man:

h =1

2%~v2 + %f (%, T (%, s)) + %sT (%, s) (4.8)

4.1. LEGENDRETRANSFORMATION UND HAMILTONDICHTE 47

Dabei ist die Gröÿeu(%, s) := f + TsT=T (%,s) (4.9)

aus der Thermodynamik des lokalen Gleichgewichtes als innere Energiedichte bekannt,so daÿ man (4.8) schreiben kann als:

h =1

2%~v2 + %u(%, s) (4.10)

Man erkennt, daÿ h die Gesamtenergiedichte des Systems ist.

Aus der Hamiltondichte (4.10) kann man umgekehrt wieder eine Lagrangedichte gewin-nen durch Umkehrung von (4.7):

l(ψ, ∂ψ, s) := πi∂tψi − h(ψ,∇ψ, s) (4.11)

Dabei wird allerdings auf die Ersetzung der Entropie s durch die Zeitableitung ∂tΘverzichtet, d.h. s bleibt als neue Gröÿe in der Lagrangedichte stehen. Als Konsequenzerhält man eine neue Lagrangedichte in den sechs Feldern %,Φ, γ, ϑ, s und Θ:

l = −%[∂tΦ + γ∂tϑ− s∂tΘ +

1

2(∇Φ + γ∇ϑ− s∇Θ)2 + u(%, s)

](4.12)

Diese Lagrangedichte wurde in dieser Form 1968 von Seliger und Whitham1 [8] vorge-schlagen und beschreibt dieselbe Dynamik wie die ursprüngliche Form (3.57). DurchVariation [8] erhält man (nach einfachen Umformungen) folgenden Satz von Gleichun-gen für die Felder:

δΦ : 0 = ∂t%+∇ · (%~v) (4.13)

δ% : 0 = lE.L. − %2

(∂f

∂%

)(%, T (%, s)) (4.14)

δϑ : 0 = Dtγ (4.15)

δγ : 0 = Dtϑ (4.16)

δΘ : 0 = Dts (4.17)

δT : 0 = DtΘ− T (%, s) (4.18)

Man erkennt, daÿ man durch Einsetzen der letzten Gleichung (4.18) in die übrigen fünfdie Zusatzgröÿe s wieder eliminieren kann, so daÿ man ein System von fünf Gleichungenfür fünf Unbekannte erhält, welches identisch ist mit dem Gleichungssystem (3.62 -3.66), was zu zeigen war.

Obgleich nunmehr in die Lagrangedichte (4.12) formal sechs Felder eingehen, wird dieDynamik des Systems nach wie vor durch fünf physikalische Freiheitsgrade charakteri-siert, da das neu hinzugekommene Feld s sich nach erfolgter Variation gemäÿ (4.18) als

1Lin [7] hat bereits 1963 ein ähnliches Variationsprinzip vorgeschlagen, auf welches Seliger undWhitham Bezug nehmen.

48 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

abhängige Gröÿe herausstellt, welche durch das Potential Θ und die Dichte % dargestelltwird. Bei einer Darstellung der Observablen durch Potentiale ist es auÿerdem nicht un-gewöhnlich, daÿ die Potentiale mehr Freiheitsgrade besitzen als die Observablen, wobeidie zusätzlichen Freiheitsgrade auf Eichfreiheiten zurückzuführen sind.

4.2 Vergleich mit Fourierscher Wärmeleitung

Formal gehen nun in (4.12) zwei thermische Freiheitsgrade s,Θ ein, so daÿ sich dieFrage stellt, ob diese mit den beiden thermischen Feldern T, ϕ aus der Lagrangedichte(1.26) der Fourierschen Wärmeleitung korrespondieren.

Die Beziehung s = s(%, T ) zwischen Entropie und Temperatur werde gemäÿ (1.5) aus derThermodynamik des lokalen Gleichgewichts übernommen. Weniger gut erkennbar isthingegen ein Zusammenhang zwischen dem Temperaturpotential Θ und der thermischenPhase ϕ, da sich für den Fall, daÿ bei (1.26) die Wärmeleitung und bei (4.12) dieStrömung verschwindet, die beiden Gleichungen

∂tϕ = −ω0 (4.19)

∂tΘ = T (4.20)

ergeben, die oenbar wenig gemeinsam haben, obgleich sie sich auf eine gemeinsameKlasse von Prozessen beziehen. Hilfreich erweist sich hier eine Dimensionsbetrachtung:Da DtΘ eine Temperatur ist, hat Θ die Dimension Temperatur×Zeit. Da die Phase ϕhingegen dimensionslos ist, liegt es nahe, vom Temperaturpotential einen Faktor derDimension Temperatur×Zeit (oder äquivalent: Temperatur/Frequenz) abzuspalten, umso zu einer Phase zu gelangen. Es ist also der Ansatz

Θ = − T

ω(%, T )ϕ (4.21)

zu untersuchen. Dabei ist die Frequenz ω = ω(%, T ) noch oengelassen. Durch dieseSubstitution nimmt die Potentialgleichung T = DtΘ eine andere Form an:

T = Dt

[− T

ω(%, T )ϕ

]

= − T

ω(%, T )Dtϕ+

T

ω2(%, T )ϕDtω(%, T )− ϕ

ω(%, T )DtT

Ersetzt man noch mit Hilfe der Entropiebilanz 0 = TDts(%, T ) = cDtT − νTDt% dieTemperaturableitung DtT durch Dt%, so ergibt sich als Gleichung für ϕ:

Dtϕ+

[(ν

c

)(%, T )Dt%−Dt ln

(ω(%, T )

ω0

)]ϕ = −ω(%, T ) (4.22)

4.2. VERGLEICH MIT FOURIERSCHER WÄRMELEITUNG 49

Diese Gleichung hat eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit der Phasengleichung(4.19), insbesondere geht sie exakt in diese über, wenn man den Spezialfall der ruhen-den, homogenen Flüssigkeit ~v = 0, % = %0 betrachtet für die spezielle Wahl ω = ω(%).Für allgemeinere Fälle sorgt der Term in der eckigen Klammer für eine Art Phasenver-stimmung. Insbesondere ist die Gleichung nicht invariant gegen eine Verschiebung desPhasennullpunktes. Ein Verschwinden dieses Termes in (4.22) ist jedoch für geeigneteWahl des ω möglich, falls der Quotient ν/c unabhängig von T ist. Dann kann man per

ω(%) := ω0 exp∫ %

%0

ν

cd% (4.23)

erreichen, daÿ (4.22) die spezielle Gestalt

Dtϕ = −ω(%) (4.24)

annimmt. Dies wäre eine mögliche sinnvolle Wahl des ω, zumindest für eine bestimmteKlasse von Systemen. Für die Dynamik spielt die Abhängigkeit ω = ω(%, T ) jedochkeine Rolle, so daÿ diese im folgenden oengelassen wird.

Nun soll die Lagrangedichte (4.12) den Transformationen s = s(%, T ) und (4.21) unter-zogen werden. Es gilt unter Verwendung von (1.6):

−s∂αΘ = s(%, T )∂α

(T

ωϕ)

= ∂α

(sT

ωϕ)− T

ωϕ∂αs(%, T )

= ∂α

(sT

ωϕ)− T

ωϕ

[∂s

∂T∂αT +

∂s

∂%∂α%

]

= ∂α

(sT

ωϕ)− cϕ

ω∂αT + ν

ϕ

ωT∂α%

= ∂α

[(s− c)Tϕ

ω

]+ T∂α

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∂α%

Daraus gewinnt man sofort

∂αΦ + γ∂αϑ− s∂αΘ = ∂αΦ + γ∂αϑ+ T∂α

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∂α% (4.25)

mit der zusätzlichen Transformation:

Φ = Φ +(s− c)Tϕ

ω(4.26)

Somit kann man die Lagrangedichte (4.12) in den neuen Feldern ausdrücken:

l = −%[∂tΦ + γ∂tϑ+ T∂t

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∂t%

+1

2

(∇Φ + γ∇ϑ+ T∇

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∇%

)2

+ u(%, T )

](4.27)

u(%, T ) := u (%, s(%, T ))

50 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

Analog nimmt die Potentialdarstellung der Geschwindigkeit folgende Form an:

~v = ∇Φ + γ∇ϑ+ T∇(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∇% (4.28)

Bemerkenswert ist, daÿ sich die Terme nunmehr physikalisch klassizieren lassen: Termeder Form ∂αΦ + γ∂αϑ sind dem hydrodynamischen Teil des Systems zugeordnet, wasein Vergleich mit (3.25) nahelegt, solche der Form T∂α (cϕ/ω) dem thermodynamischenTeil, wohingegen νT (ϕ/ω) ∂α% als Kopplungsterm aufzufassen ist, in welchem sowohlthermische und mechanische Freiheitsgrade vorkommen als auch der charakteristischethermomechanische Kopplungskoezient ν.

Der Vergleich mit der Lagrangedichte (1.26) der Fourierschen Wärmeleitung geschiehtnun, indem für (4.27) der Spezialfall einer ruhenden (~v = 0), homogenen (% = %0)Flüssigkeit betrachtet wird mit temperaturunabhängiger Wärmekapazität c = c(%).Wegen % = %0 wird dann die Wärmekapazität sogar zu einer Konstanten c0 := c(%0).Mit den thermodynamischen Beziehungen (1.5) und (1.6) folgt auÿerdem:

∂u

∂T=∂f

∂T− s+ T

∂s

∂T= c (4.29)

Diese Gleichung läÿt sich für den Spezialfall c = c0 sofort integrieren zu u = c0T + u0.O.B.d.A. werde u0 = 0 gewählt. Die thermomechanische Kopplung ν muÿ verschwinden,da sonst thermische Veränderungen stets eine Bewegung von Materie zur Folge hätten.Die drei Potentiale Φ, γ, ϑ können ebenfalls zu Null gesetzt werden. Die Frequenz ωwerde temperaturunabhängig gewählt, so daÿ sich im homogenen Fall eine konstanteFrequenz ω0 := ω(%0) ergibt. Unter diesen Vorraussetzungen vereinfacht sich (4.27) zu:

l0(T, ∂tϕ) = −%0c01

ω0

T∂tϕ− %0c0T (4.30)

Zum Vergleich werde die Lagrangedichte (1.26) der Fourierschen Wärmeleitung betrach-tet:

l(T,∇T, ∂tϕ,∇ϕ) = −cT − c 1

ω0

T∂tϕ+λ

ω0

∇T · ∇ϕ

Abgesehen von dem Wärmeleitungsterm λ/ω0∇T · ∇ϕ, welcher in (4.30) wegen λ = 0nicht vorkommt, stimmen die beiden Lagrangedichten überein, wenn man c = %0c0

identiziert. Damit ist die konzeptionelle Diskrepanz zwischen den beiden Ansätzenvon Seliger/Whitham und Anthony oenbar beseitigt.

Zur Deutung der thermischen Phase: Aus den beiden Potentialdarstellungen (3.56)und (4.5) für Temperatur und Geschwindigkeit

T = DtΘ

~v = ∇Φ + γ∇ϑ− s∇Θ

4.3. VORSCHLAG EINER LAGRANGEDICHTE 51

geht hervor, daÿ das Potential Θ sowohl zum thermischen als auch zum materiellenTeil des Systems Beiträge liefert. Die mit dem Θ gemäÿ (4.21) direkt zusammenhän-gende thermische Phase ϕ enthält also sowohl Informationen über den thermischenals auch über den materiellen Teil des Systems. Interessant ist in diesem Zusammen-hang der degenerierte Spezialfall (4.30) der ruhenden Flüssigkeit ohne Thermostriktion.Obwohl der Zustand des Systems hier phänomenologisch allein durch die Angabe derTemperatur T (~x, t) als einzigem Feld festgelegt ist, bleibt eine Abhängigkeit des l0 vonder Phase ϕ in (4.30) bestehen. Hier liegt die Vermutung nahe, daÿ die Gröÿe ϕ u.a.auch Anteile enthält, die der unbeweglichen Flüssigkeit als Träger des Temperaturfel-des zugeordnet sind. Diese Vermutung wird bestärkt, wenn man einen Blick auf dieEulerLagrangeGleichung von (4.30) bezüglich der Variation von T wirft:

∂tϕ = −ω0 = −ω(%0) (4.31)

Eine partikuläre Lösung dieser Gleichung ist durch ϕ = −ω0t gegeben. Da der Gradientvon ϕ gemäÿ (4.28) einen Beitrag zu ~v liefert, steht die Ortsunabhängigkeit von ϕdafür, daÿ die Flüssigkeit ruht, wohingegen die Konstanz der Frequenz ω0 = ω(%0)in Zusammenhang steht mit der Homogenität der Flüssigkeit. Die Tatsache, daÿ dieϕAbhängigkeit bei der Bildung von (4.30) als Spezialfall von (4.27) mathematischnicht herausfällt, korrespondiert anscheinend mit der physikalischen Tatsache, daÿ einTemperaturfeld nicht ohne materiellen Träger existieren kann.

Damit scheint auch für die Präsenz der zusätzlichen Gröÿe ϕ in der Lagrangedichte(1.26) der Fourierschen Wärmeleitung eine natürliche Begründung zu existieren: Da eineweitgehende strukturelle Übereinstimmung von (4.30) und (1.26) besteht und in beidenFällen ϕ = −ω0 eine partikuläre Lösung ist, kann man ϕ im vorliegenden Spezialfallals Überbleibsel des zum starren Körper degenerierten materiellen Systems ansehen,welches Träger des Temperaturfeldes ist. Dies wurde auch von Anthony [4] bereitsvermutet.

Da ferner neben der partikulären Lösung ϕ0 := −ω0 noch weitere Lösungen existieren,ist zu vermuten, daÿ in allgemeineren Fällen in der Phase noch weitere Informationenenthalten sind. So könnte man beispielsweise ϕ := ϕ − ϕ0 als Auslenkung aus demlokalen Gleichgewicht deuten, wie es Anthony vorschlägt. Überlegungen hierzu wurdenbereits von Anthony, Knoppe und Fenner angestellt [5], [11]. Eigene Untersuchungenhierzu sind in Kapitel 5 zu nden.

4.3 Vorschlag einer Lagrangedichte für dennichtadiabatischen Fall

Es soll nunmehr eine verallgemeinerte Lagrangedichte konstruiert werden, aus welcher(1.26) und (4.27) als Spezialfälle hervorgehen. Dies geschieht auf einfachste Weise da-durch, daÿ die Lagrangedichte (4.27) der adiabatischen Strömung um den in (1.26)

52 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

vorhandenen Wärmeleitungsterm ergänzt wird. Dabei ist jedoch zu beachten, daÿ diecharakteristische Frequenz ω0 des starren Mediums in den temperatur- und dichteab-hängigen Ausdruck ω(%, T ) übergeht. Im Fall des starren Mediums gilt:

λ

ω0

∇T · ∇ϕ = λ∇T · ∇(ϕ

ω0

)= λ∇

(T

ω0

)· ∇ϕ (4.32)

Beim Übergang von ω0 zu ω(%, T ) aber sind die drei obigen Ausdrücke nicht mehridentisch, d.h. die Verallgemeinerung zum deformierbaren Fall ist nicht eindeutig. Esmuÿ also zuerst ein geeignetes Auswahlkriterium gefunden werden, welche Variantevon (4.32) zu bevorzugen ist. Hierzu kann die Tatsache herangezogen werden, daÿ dieFrequenz ω in den phänomenologischen Gleichungen (1.1) bis (1.3) nicht vorkommt.Diesem Faktum ist in der Lagrangedichte (4.27) dadurch Rechnung getragen, daÿ ϕund ω stets als Quotient ϕ/ω vorkommen, so daÿ ω durch die Rücksubstitution von(4.21) eliminiert werden kann. Diese Eigenschaft besitzt auch die mittlere Variante von(4.32), während bei den anderen beiden Möglichkeiten die Rücksubstitution von (4.21)stets eine ωAbhängigkeit hinterlassen würde. Damit kann man den Ansatz

l = −%[∂tΦ + γ∂tϑ+ T∂t

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∂t% (4.33)

+1

2

(∇Φ + γ∇ϑ+ T∇

(cϕ

ω

)+ νT

ϕ

ω∇%

)2

+ u(%, T )

]+ λ∇T · ∇

ω

)

probieren. Man erkennt, daÿ (4.33) nicht mehr die einfache Form des allgemeinen An-satzes (3.5) besitzt wegen des zusätzlichen Wärmeleitungsterms.

Eine alternative Darstellung von (4.33) ist durch die Rücksubstitution von (4.21) gege-ben, bei welcher ϕ wieder durch Θ ersetzt wird:

l = −%[∂tΦ + γ∂tϑ− s(%, T )∂tΘ +

1

2(∇Φ + γ∇ϑ− s(%, T )∇Θ)2 + u(%, T )

]−λ∇T · ∇

T

)(4.34)

In dieser Version kommt die Frequenz ω nicht mehr vor, so daÿ die Wahl ω = ω(%, T )in der Tat beliebig ist und keinen Einuÿ auf die Dynamik hat.

Die Berechnung der EulerLagrangeGleichungen und die Auswertung der Noether-schen Bilanz für den Impuls wird in Anhang A.4 vorgenommen und liefert für dieObservablen %, T und ~v folgende Gleichungen:

0 = ∂t%+∇ · (%~v) (4.35)

0 = %TDts(%, T )− λ∆T

0 = %Dt~v +∇p(%, T )− λ∇ ·∇(ϕ

ω

)⊗∇T +∇T ⊗∇

ω

)−∇T · ∇

ω

)1− %ν

c

[T∆

ω

)−(ϕ

ω

)∆T

]1

4.4. KRITISCHE ANALYSE DER ERGEBNISSE 53

Der Vergleich mit (1.1) bis (1.3) zeigt, daÿ Kontinuitätsgleichung und Entropiebilanzkorrekt reproduziert werden. Die dritte, der Impulsbilanz entsprechende Gleichung fürdas Geschwindigkeitsfeld, besitzt jedoch gegenüber der EulerGleichung einen umfang-reichen Zusatzterm. Dieser beschreibt oenbar eine direkte Rückwirkung des Wärme-leitprozesses auf das Strömungsfeld aufgrund zusätzlicher Spannungen. Diesen Eektkönnte man auf den ersten Blick als eine Art thermischen Rückstoÿ als Folge derDiusion von Wärmeenergie interpretieren.

Insbesondere tritt in der dritten Gleichung von (4.35) die thermische Phase ϕ explizitauf. Damit verliert ϕ den Status eines Potentials, d.h. diese Gröÿe ist nicht mehr eich-bar, da jede Änderung von ϕ gemäÿ (4.35) einen Einuÿ auf das Strömungsfeld hat.Damit lieÿe sich zugleich diese Gröÿe durch die Spannungen, die sie verursacht, expe-rimentell bestimmen, bekäme also somit den Status einer Observable. Somit ist aberauch das Gleichungssystem (4.35) unterbestimmt und um eine weitere Gleichung, diedie Dynamik der Gröÿe ϕ bestimmt, zu erweitern. Diese Gleichung wird in Anhang A.4aus der EulerLagrangeGleichung zu (4.33) bezüglich der Variation von T gewonnenund lautet nach einfachen Umformungen:

Dt

ω

)+(ν

cDt%

)(ϕ

ω

)+λ

%c∆(ϕ

ω

)= −1 (4.36)

Im nächsten Abschnitt wird untersucht, ob die durch (4.35) und (4.36) beschriebene Dy-namik realistisch ist und möglicherweise einen bis jetzt experimentell nicht gefundenenphysikalischen Eekt beschreibt.

4.4 Kritische Analyse der Ergebnisse

Zunächst stellt sich die Frage, ob das Gleichungssystem (4.35) und (4.36) für gewisseSpezialfälle die bekannte Dynamik reproduziert.

Der Fall λ = 0 liefert trivialerweise die bekannte Dynamik des adiabatischen und damitauch reversiblen Falls, da die Lagrangedichte (4.33) aus (4.27) durch Verallgemeinerunggewonnen wurde.

Für λ 6= 0 hingegen müssen die Zusatzspannungen in der EulerGleichung verschwin-den. Für den barotropen Fall ν = 0 fällt zumindest der Term weg, in welchem ϕ direktvorkommt, so daÿ nur noch Terme bleiben, welche den Gradienten von ϕ/ω enthalten.Für diesen Fall vereinfacht sich die Phasengleichung (4.36) zu:

Dt

ω

)+λ

%c∆(ϕ

ω

)= −1

Der Gradient von ϕ/ω verschwindet, wenn diese Gröÿe nur von der Zeit abhängt. Manveriziert sofort, daÿ

ϕ = −ωt

54 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

eine partikuläre Lösung der Phasengleichung ist. In diesem Fall verschwinden alle Zu-satzspannungen aus der EulerGleichung. Damit ist die gesamte Dynamik der Wärme-leitung in barotropen Strömungen reproduziert. Allerdings liefert die Phasengleichungnoch weitere Lösungen, bei denen die Zusatzspannungen nicht verschwinden. Auÿerdemndet beim vorliegenden Fall wegen ν = 0 keine Dissipation statt.

Prozesse mit nichtverschwindender Energiedissipation sind durch λ 6= 0 und ν 6= 0gekennzeichnet. Es ist also zu untersuchen, ob das durch (4.35) und (4.36) beschriebenedissipative System einer realistischen Dynamik genügt, wenn man das zusätzliche Feldϕ als neue physikalische Gröÿe in Kauf nimmt. Zwei wesentliche Fakten sprechen jedochdagegen:

Instabilität der Phasengleichung: Die Gleichung (4.36) hat wie schon im Fallder Fourierschen Wärmeleitung die Merkmale einer inversen Diusionsglei-chung, d.h. die entsprechenden Phasenprole ziehen sich mit der Zeit zusammen,anstatt auseinanderzulaufen. Dies ist ein unphysikalisches Verhalten. Im Falle derFourierschen Wärmeleitung konnte noch die partikuläre Lösung ϕ(t) = −ωt ge-funden werden, welche wegen der räumlichen Konstanz von ϕ/ω nicht dem An-tidiusionsverhalten unterliegt. Anthony [4] interpretiert diese spezielle Lösungals Ausdruck eines lokalen Gleichgewichtszustandes, der allerdings labil ist, da ge-ringe Abweichungen von der räumlichen Gleichverteilung ϕ/ω = F (t) sich mit derZeit verstärken. Eine solche Gleichverteilungslösung kann aber für die Phasenglei-chung (4.36) des strömenden Mediums im Allgemeinfall nicht existieren wegen desStörgliedes (ν/cDt%) (ϕ/ω), welches aufgrund von Dichteschwankungen im Medi-um eine momentan vorhandene Gleichverteilung von ϕ/ω im nächsten Momentaufheben würde. Selbst wenn es sich dabei nur um kleine Fluktuationen handelte,käme es mit fortschreitender Zeit zu einer Verstärkung der räumlichen Gradien-ten, welche zu den Zusatzspannungen in der EulerGleichung einen Beitrag liefern.Anschaulich sorgt jede Dichteschwankung für ein Verlassen des Gleichgewichts.

Explizite Phasenabhängigkeit: Von den vier in der EulerGleichung auftretendenZusatztermen ist der letzte dadurch ausgezeichnet, daÿ er nicht nur vom Phasen-gradient abhängt, sondern sogar explizit von der Phase selbst:

−λ∇ ·%ν

c

ω

)∆T1

= −λ

ω

)∇[%ν

c∆T

]+ %

ν

c∆T∇

ω

)Obwohl eine Lösung der Form ϕ(t) = −ωt für die Phase nicht mehr möglichist, sorgt die konstante Inhomogenität −1 in der Phasengleichung (4.36) für einAnwachsen des Betrages von ϕ mit der Zeit. Damit aber nimmt auch der Einuÿder Zusatzspannungen auf die Strömung mit anwachsender Zeit zu. Auch diesesVerhalten ist unphysikalisch. Um zu einer realistischen Dynamik zu kommen, muÿman die Lagrangedichte so modizieren, daÿ obiger Term verschwindet.

Insgesamt kann man sagen, daÿ durch die Lagrangedichte (4.33) eine Dynamik beschrie-ben wird, wie sie in realen Systemen nicht vorkommen kann, da sie instabil ist, abge-

4.4. KRITISCHE ANALYSE DER ERGEBNISSE 55

sehen von wenigen nichtdissipativen Spezialfällen. Es ist jedoch nicht auszuschlieÿen,daÿ eine geeignete Modikation von (4.33) zu einer physikalisch realistischen Dynamikführt.

Trotz der auftretenden Schwierigkeiten halte ich die vorgeschlagene Lagrangedichte(4.33/4.34) für brauchbar, sofern man nicht exakte Lösungen der Gleichungen (1.1 1.3) sucht, sondern Näherungslösungen. Vor allem das Ritz'sche Verfahren ist in diesemZusammenhang zu nennen, da hierbei die Instabilitäten der durch (4.33/4.34) induzier-ten Dynamik weitgehend vermieden werden könnten durch die Vorgabe einer stabilenProzeÿführung mit wenigen Variationsparametern, welche dann zu optimieren wären.Dabei dürfte die Zahl dieser Parameter aber nicht zu groÿ gewählt werden, da sonstvermutlich wieder Instabilitäten ins Spiel kämen. So könnte man in begrenztem Maÿezu sinnvollen Ergebnissen kommen.

56 KAPITEL 4. ERWEITERTER ANSATZ MIT WÄRMELEITUNG

Kapitel 5

Ein Modell für Diusion und

Wärmeleitung

Die bei der Formulierung der Wärmeleitung in Flüssigkeiten auftretenden Problemesind, wie in Kapitel 4.4 festgestellt worden ist, auf die Instabilität der Gleichung (4.36)für die thermische Phase ϕ zurückzuführen. Dieses Problem tritt aber bereits bei derWärmeleitung im starren Körper auf (vergleiche Kapitel 1.4). Anthony [5] vermutet,daÿ die entsprechende Lagrangedichte (1.26), die Fouriersche Wärmeleitung im lokalenGleichgewicht beschreibt, nur ein verstümmelter Teil einer umfangreicheren Lagrange-dichte ist, welche stabile Prozesse auÿerhalb des lokalen Gleichgewichts beschreibt. Fen-ner und Knoppe [11] haben sich bereits mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt. MitHilfe eines hydrodynamischen Modells für Diusion und Wärmeleitung soll ein weitererZugang zu dieser Problematik vorgeschlagen werden.

5.1 Äuÿere Reibung und Diusion

In diesem Abschnitt soll zunächst versucht werden, eine Analogie zwischen einer ba-rotropen Flüssigkeit in einem porösen Medium mit äuÿerer Reibung und der Diusioneiner Substanz in einem Wirtsmedium aufzuzeigen.

Eine barotrope Flüssigkeit ströme durch einen ruhenden, porösen Körper. Man sprichtdann von äuÿerer Reibung, falls die Flüssigkeit eine geschwindigkeitsproportionale Rei-bungskraft erfährt, die dann durch einen Reibungsterm in der EulerGleichung be-schrieben werden kann:

Dt~v +∇P (%) = −η~v (5.1)

Die Druckfunktion P (%) ist dabei gemäÿ (1.21) gegeben. Um die durch (5.1) und (1.1)gegebene Dynamik im Lagrangeformalismus zu beschreiben, schlägt Wagner [10] fol-

57

58 KAPITEL 5. MODELL FÜR DIFFUSION UND WÄRMELEITUNG

gende Lagrangedichte für den Fall einer wirbelfreien Strömung vor:

l(%,Φ, ∂tΦ,∇Φ, t) = −eηt%[∂tΦ + ηΦ +

1

2(∇Φ)2 + a(%)

](5.2)

Dabei ist a(%) gewählt wie in (1.20). Die explizite Zeitabhängigkeit von l trägt demFaktum Rechnung, daÿ die Flüssigkeit allein kein abgeschlossenes System darstellt,sondern mit dem porösen Medium Impuls austauscht, wobei Energie dissipiert wird.

Durch Variation nach den beiden Feldvariablen Φ, % erhält man die beiden EulerLagrangeGleichungen, die sich nach einfacher Umformung schreiben lassen als:

∂t%+∇ · [%∇Φ] = 0 (5.3)

∂tΦ + ηΦ +1

2(∇Φ)2 + P (%) = 0 (5.4)

Dabei ist (5.3) wieder die Kontinuitätsgleichung, welche u.a. eine Identikation derGröÿe Φ als Geschwindigkeitspotential erlaubt. (5.4) ist eine der BernoulliGleichunganaloge Beziehung für äuÿere Reibung, aus welcher man durch Gradientenbildung sofortdie EulerGleichung (5.1) für äuÿere Reibung im wirbelfreien Fall erhält. Damit ist diegewünschte Dynamik reproduziert!

Grenzfall der schleichenden Strömung: Für sehr langsame Strömungen kann man inder EulerGleichung (5.1) die Beschleunigung Dt~v vernachlässigen. Für (5.4) bedeutetdies den Wegfall der Zeitableitung ∂tΦ und des Geschwindigkeitsquadrates (∇Φ)2, sodaÿ näherungsweise gilt:

ηΦ + P (%) = 0 (5.5)

Diese Gleichung beschreibt ein lokales Gleichgewicht zwischen dem Druck als treiben-der Kraft und der Reibungskraft. (5.5) erlaubt es insbesondere, das Geschwindigkeits-potential Φ vollständig durch die Dichte % auszudrücken, die damit als alleinige Gröÿeden Zustand des Systems charakterisiert! Durch Einsetzen von (5.5) in die Kontinui-tätsgleichung (5.3) folgt unter Benutzung von (1.21):

∂t%−∇ ·[p′(%)

η∇%

]= 0 (5.6)

Dies ist aber nichts anderes, als eine Diusionsgleichung mit i.a. dichteabhängiger Dif-fusionskonstante:

D(%) =p′(%)

η(5.7)

Im folgenden werde ausschlieÿlich der isotherme Spezialfall p′(%) = K = const behan-delt, für welchen D eine Konstante ist.

Man kann nun die Gleichgewichtslösung Φ0 = −P (%)/η für eine Variablensubstitution

Φ = ϕ− P (%)

η(5.8)

5.1. ÄUßERE REIBUNG UND DIFFUSION 59

verwenden, bei welcher die neue Gröÿe ϕ (bzw. deren Gradient) als Maÿ für eine Abwei-chung vom lokalen Gleichgewicht Φ = Φ0 interpretiert werden kann. Mit (5.8) nimmtdie Lagrangedichte (5.2) die Form

l = −%∂t[eηtϕ

]− 1

2%eηt

[∇ϕ− D

%∇%

]2

+ ∂t

[eηt

ηp(%)

](5.9)

an. Durch eine weitere Substitution

ϕ := eηtϕ (5.10)

verschwindet die explizite Zeitabhängigkeit wenigstens aus dem ersten Term. UnterWegfall der für die Dynamik irrelevanten totalen Zeitableitung folgt:

l = −%∂tϕ−1

2%

[e−

12ηt∇ϕ− e

12ηtD

%∇%

]2

= −%∂tϕ+D∇% · ∇ϕ− 1

2%

e−ηt (∇ϕ)2 + eηt(D

%∇%

)2 (5.11)

Man kann l additiv in zwei Teile

l0(%, ∂tϕ,∇%,∇ϕ) := −%∂tϕ+D∇% · ∇ϕ

lTr(%,∇%,∇ϕ, t) := −1

2%

e−ηt (∇ϕ)2 + eηt(D

%∇%

)2 (5.12)

zerlegen, so daÿ die explizite Zeitabhängigkeit ganz in lTr zu nden ist. Man beachte, daÿ(5.11) immer noch dieselbe Dynamik beschreibt wie die ursprüngliche Lagrangedichte(5.2)! Läÿt man jedoch den zweiten Teil lTr weg und betrachtet die Dynamik der soverstümmelten Lagrangedichte l0, so erhält man durch Variation nach den Feldernϕ, %:

∂t%−∇ · [D∇%] = 0 (5.13)

−∂tϕ−∇ · [D∇ϕ] = 0 (5.14)

Die Variation nach ϕ (5.13) ergibt also die Diusionsgleichung, wohingegen die Varia-tion nach % (5.14) eine zeitumgekehrte Diusionsgleichung für ϕ liefert. Man erkennt,daÿ ϕ = 0 eine partikuläre Lösung ist, welche laut (5.8) mit der lokalen Gleichgewichts-bedingung Φ = Φ0 für die Diusion korrespondiert. Allerdings handelt es sich hierbeioenbar um ein labiles Gleichgewicht, da kleinste Abweichungen von der partikulärenLösung ϕ = 0 divergieren. Dieses Problem trat bereits in Kapitel 1.4 bei der Behandlungder Fourierschen Wärmeleitung im Lagrangeformalismus auf!

Demgegenüber wird durch die unverstümmelte Lagrangedichte l = l0 + lTr die stabileDynamik (5.3, 5.4) der Strömung mit äuÿerer Reibung induziert! Damit wird die Rolle

60 KAPITEL 5. MODELL FÜR DIFFUSION UND WÄRMELEITUNG

des zweiten Teils lTr der Lagrangedichte klar: Dieser enthält oenbar Trägheitseekte,Impulsaustausch mit dem porösen Körper und Energiedissipation, was auch die expliziteZeitabhängigkeit von lTr erklärt.

Bemerkenswert ist, daÿ man den Grenzfall der Diusion durch Bildung der EulerLagrangeGleichungen und anschlieÿende Vernachlässigung von Trägheitseffekten indiesen Gleichungen einwandfrei erhält, die umgekehrte Vorgehensweise aber mit einerKomplikation (zeitumgekehrte Diusionsgleichung 5.13) verbunden ist!

5.2 Analogie zur Fourierschen Wärmeleitung

Nunmehr wird versucht, eine Verbindung zur Theorie der Fourierschen Wärmeleitungherzustellen.

In seiner Arbeit behandelt Azirhi [12] die Wärmeleitung mit Methoden der Quanten-feldtheorie, wobei er für das thermische Feld Quasiteilchen einführt, sog. Thermionen.Diesen Thermionen ordnet er eine eektive Masse m∗ zu, deren Gröÿe er oen läÿt.Zwischen der inneren Energiedichte u = cT und der Thermionendichte n bestehe fernerfolgender Zusammenhang:

cT = hω0n (5.15)

hω0 ist also die Energie eines einzelnen Thermions!

Es stellt sich nun die Frage, ob das Problem auch mit einem klassischen Modell be-handelt werden kann, in welchem Wärme als Thermionengas behandelt wird. Diesesbewegt sich wie ein klassisches Gas im Hintergrundmedium unter der Annahme einesgeschwindigkeitsproportionalen Reibungsgesetzes mit Reibungskonstante η und eineskonstanten Kompressionsmoduls K. Auÿerdem wird eine mögliche Produktionsrate vonThermionen aufgrund von Energiedissipation als klein angenommen, so daÿ die Konti-nuitätsgleichung für die Thermionendichte gültig bleibt. Für ein solches Modell müÿtedie Lagrangedichte (5.11) einen geeigneten Rahmen liefern, wenn man die Feldgröÿengeeignet transformiert. Der Zusammenhang zwischen Massen- und Teilchendichte desThermionengases ist durch % = m∗n gegeben. Einsetzen in (5.15) liefert dann:

% =m∗

hω0

cT (5.16)

Da die Gröÿe ϕ nicht dimensionslos ist wie die Phase ϕ in (1.26), kann man in Analogiezum Fall des Schödingerschen Materiefeldes (1.13) einen Dimensionsfaktor abspalten:

ϕ =h

m∗[ϕ+ ω0t] (5.17)

In den neuen Variablen T, ϕ sieht die Lagrangedichte (5.11) gemäÿ (5.16, 5.17) folgen-dermaÿen aus:

5.3. THERMISCHER RÜCKSTOß 61

l = l0(T, ∂tϕ,∇T,∇ϕ) + lTr(T,∇T,∇ϕ, t)

l0 = −cT − c

ω0

T∂tϕ+cD

ω0

∇T · ∇ϕ (5.18)

lTr = − cT

hω0

[h2

2m∗e−ηt (∇ϕ)2 +

m∗D2

2eηt(∇TT

)2]

Dabei ist der erste Teil l0 identisch mit der von Anthony vorgeschlagenen Lagrangedichte(1.26) zur Fourierschen Wärmeleitung, sofern man λmit cD identiziert. Der zweite TeillTr berücksichtigt Trägheitseekte und Impulsaustausch mit dem Hintergrundmedium(eektive Masse m∗, explizite Zeitabhängigkeit).

Azirhi [12] benutzt ebenfalls eine erweiterte Lagrangedichte, wobei er die Wahl

lTr = − hc

2m∗ω0

∇χ∗ · ∇χ (5.19)

trit. χ ist, wie in Kapitel 1.4, das komplexe thermische Erregungsfeld. Mit (1.24, 1.25)kann man zur reellen Beschreibungsweise übergehen:

lTr = − cT

hω0

[h2

2m∗(∇ϕ)2 +

h2

8m∗∇(T0

T

)· ∇

(4ϕ+

T 20 − T 2

T0T

)](5.20)

Azirhi betrachtet in seiner Arbeit keine Wechselwirkung der Thermionen mit dem Fest-körper, so daÿ in dem Ansatz (5.20) erwartungsgemäÿ keine explizite Zeitabhängigkeitauftritt. Man erkennt aber, daÿ die jeweils ersten Terme in den eckigen Klammern von(5.18) und (5.20) bis auf den Exponentialfaktor übereinstimmen.

Es kann zwar noch nicht der Anspruch erhoben werden, daÿ (5.18) die vollständi-ge Extrapolation der Fourierschen Theorie der Wärmeleitung auÿerhalb des lokalenGleichgewichts darstellt, wohl aber der, daÿ es sich hierbei um einen Anhaltspunkt zurEntwicklung einer erweiterten Theorie handelt.

5.3 Thermischer Rückstoÿ

In der Fourierschen Theorie der Wärmeleitung schreibt man einem Wärmeleitprozeÿkeinen Impuls zu. Falls aber das Thermionenmodell mit einer nichtverschwindendenMasse dieser Teilchen zutrit, ist dem Temperaturfeld auch ein Impuls zuzuordnen. Indiesem Fall ndet insbesondere ein Impulsaustausch mit dem materiellen Hintergrundstatt, welcher im folgenden thermischer Rückstoÿ genannt wird. In der Nähe deslokalen Gleichgewichts kann eine grobe Abschätzung für diesen Eekt gegeben werden.

62 KAPITEL 5. MODELL FÜR DIFFUSION UND WÄRMELEITUNG

Zunächst werde dieser Eekt für die klassische Flüssigkeit untersucht: Aus der EulerGleichung (5.1) liest man ab, daÿ durch die strömende Flüssigkeit auf das Hintergrund-medium die Kraftdichte

~f = η%~v = η%∇Φ (5.21)

ausgeübt wird. In der Nähe des lokalen Gleichgewichts kann man (5.5) benutzen, sodaÿ folgt:

~f = −η%∇(P (%)

η

)= −p′(%)∇% (5.22)

Die Übertragung auf den Fall der Wärmeleitung geschieht wiederum mit (5.16) und derAnnahme p′(%) = K = const. Dann folgt:

~f = −m∗Kc

hω0

∇T (5.23)

Dabei sind die eektive Masse m∗, die Frequenz ω0 und der Kompressionsmodul Kdes Thermionengases unbekannte Parameter. Unter der Zusatzannahme, daÿ zwischender Thermionenmasse und der Thermionenenergie der relativistische Zusammenhanghω0 = m∗v2

c mit der Lichtgeschwindigkeit vc besteht, kann man einige unbekannteGröÿen eliminieren:

~f = − c

v2c

K∇T (5.24)

Als einziger unbekannter Parameter bleibt der Kompressionsmodul des Thermionenga-ses stehen, der von der Wechselwirkung der Thermionen untereinander abhängt.

Der das Temperaturfeld tragende Körper habe das Volumen V . Dann kann man ausder Kraftdichte die wirkende Gesamtkraft auf den Körper durch Integration berechnen:

~F = − c

v2c

K∫V∇TdV = − c

v2c

K∫∂VT · d~S (5.25)

Speziell für einen zylindrischen Stab mit Querschnittsäche A, dessen Temperatur sichnur entlang der Körperachse ändert, folgt für den Betrag der Kraft:

F =c

v2c

KA |T2 − T1| (5.26)

Dabei ist |T2 − T1| die Temperaturdierenz zwischen den beiden Stabenden.

Aufschluÿ darüber, ob das Modell eine zutreende Beschreibung darstellt, könnte mandurch eine experimentelle Überprüfung von (5.26) erhalten.

Kapitel 6

Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund der in Kapitel 2 aufgestellten lokalen Symmetrieforderungen und des einfa-chen Spezialfalls (1.18) der wirbelfreien Strömung wurde der allgemeine Ansatz (3.5)einer Lagrangedichte für die Dynamik deformierbarer Medien nahegelegt. Es konntegezeigt werden, daÿ dieser Ansatz die Eulersche Dynamik reproduziert, auf reversibleFälle beschränkt ist und daÿ ein partikulärer Fall die bekannte Lagrangedichte (4.12)für den adiabatischen Fall von Seliger und Whitham [8] liefert, wobei allerdings nochzahlreiche andere spezielle Ansätze denkbar wären, die dieselbe Dynamik reproduzieren.Für den barotropen Fall ist ein solcher alternativer Ansatz (3.49) konstruiert worden.

Da der Ansatz (3.5) nicht für irreversible Prozesse geeignet ist, muÿte eine Lagrange-dichte, die Strömungen mit Wärmeleitung beschreibt, auf anderem Wege konstruiertwerden. Nachdem gezeigt werden konnte, daÿ nach einer geeigneten Umformung diebeiden Lagrangedichten für adiabatische Strömung (3.57) und Fouriersche Wärmelei-tung (1.26) strukturelle Gemeinsamkeiten besitzen, wurde die spezielle Erweiterung zurgemeinsamen Lagrangedichte (4.33) nahegelegt. Allerdings ist die Dynamik, die durch(4.33) impliziert wird, in Frage zu stellen und zwar nicht in erster Linie deshalb, weil essich dabei nicht exakt um die Eulersche Dynamik handelt, sondern weil diese Dynamikinstabil ist, wobei partikuläre stabile Lösungen nur für nichtdissipative Fälle gefundenwerden konnten. Insofern ist die vorgeschlagene Lagrangedichte noch als unzureichendzu beurteilen, obgleich es berechtigte Honungen gibt, daÿ es sich um einen erstenSchritt in die richtige Richtung handelt.

In Kapitel 5 konnten Diusion und Wärmeleitung als Grenzfall einer schleichendenStrömung unter äuÿerer Reibung beschrieben werden. Dies legt eine Erweiterung derFourierschen Theorie um Trägheitseekte nahe, welche künftig eine Rolle spielen kön-nen. Darüberhinaus sind folgende künftige Strategien denkbar:

Angepaÿter Potentialansatz: Das in Kapitel 3 erarbeitete Konzept beinhaltete u.a.,daÿ der durch (3.6) gegebene Potentialansatz für die Geschwindigkeit auf dieStruktur der Lagrangedichte (3.5) abgestimmt war. Insofern ist es nicht verwun-

63

64 KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

derlich, daÿ eine Erweiterung der Lagrangedichte, welche nicht die Form des An-satzes (3.5) hat, die Eulersche Dynamik nicht mehr reproduziert. Allem Anscheinnach müssen die Struktur der Lagrangedichte und die Potentialdarstellungen fürdie Observablen auch für dissipative Systeme aufeinander abgestimmt sein. Bisjetzt fehlen aber konkrete Kriterien, nach denen ein solcher der physikalischenSituation angepaÿter Potentialansatz, abgesehen davon, daÿ er für den nicht-dissipativen Grenzfall wieder den alten Ansatz (3.6) liefern sollte, zu konstruierenist.

Nichtlokale Theorie: Obgleich die phänomenologischen Gleichungen (1.1 1.3) lokalsind, kann man im allgemeinen Fall nicht davon ausgehen, daÿ dies auch für dieGleichungen für die Potentiale gilt. Erste Versuche mit nichtlokalen Variations-prinzipien wurden bereits unter Anwendung des HamiltonJacobiFormalismusder Felder ausprobiert. Dieser Zweig ist jedoch noch zu wenig ausgereift, als daÿich ihn für veröentlichungsreif halte.

Nichtgleichgewichtsthermodynamik: Die Instabilität der Dynamik tritt bereits beider Fourierschen Wärmeleitung im starren Medium auf, wenn man die Lagrange-dichte (1.26) zugrunde legt. Nur ist es in diesem Fall möglich, das Problem zu um-gehen, da eine physikalisch vertretbare partikuläre Lösung für die Phase gefundenwerden kann. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daÿ kleinste Abweichungenvon dieser Lösung zeitlich divergieren. Anthony selbst beurteilt seine Lagrange-dichte als verstümmelt, d.h. als Teil einer umfangreicheren Lagrangedichte [5],die zusätzliche Terme enthält, die die Dynamik des Systems stabilisieren. Diesemodizierte Dynamik könne dann als eine Thermodynamik des lokalen Nicht-gleichgewichts interpretiert werden, in welcher die thermische Phase ϕ dann dieRolle der Abweichung des Systems vom lokalen Gleichgewicht einnähme. DieseMöglichkeit ist von Knoppe [11], Fenner und mir selbst (siehe Kapitel 5) unter-sucht worden.

Es wäre in der Tat denkbar, auch im Fall eines deformierbaren Trägers des Tem-peraturfeldes über eine Erweiterung der Lagrangedichte zu einer stabilen Dy-namik zu kommen, die zwar in erster Linie nicht mit der Eulerschen Dynamikmit Wärmeleitung übereinstimmt, jedoch für einen bestimmten Grenzfall in dieseübergeht.

Auch heute, 135 Jahre nach der Arbeit von A. Clebsch [6], kann man das Problem derFormulierung der Hydrodynamik im Lagrangeformalismus noch nicht als vollständiggelöst betrachten!

Anhang A

Mathematische Herleitungen

A.1 Zur schwachen Symmetrie

Für den folgenden Beweis wird neben den Denitionen (2.9 2.10) von φ, s, ω auch vonder Tatsache Gebrauch gemacht, daÿ die vorliegende Transformation für ε = 0 in dieIdentitätstransformation übergeht. Das hat folgende wichtige Regeln als Konsequenzen:

[fα(x, εχ)]ε=0 = xα

[Ti [ψ, x, εχ]]ε=0 = ψi[A]ε=0

= 1 (A.1)[A−1

]ε=0

= 1

[A]ε=0 = 1

Die JacobiMatrix A aus Kapitel 2.2 geht per Denition für den Fall ε = 0 in die Ein-heitsmatrix über. Das bedeutet, daÿ die Nichtdiagonalelemente in führender Ordnungdas ε in einer Potenz ≥ 1 enthalten. Unter diesen Umständen gilt die mathematischeBeziehung:

d

dεdetA

ε=0

= Sp

d

dεA

ε=0

Speziell für die JacobiMatrix gilt:(d

dεAαβ

)ε=0

=

[d

∂xβfα]ε=0

=∂

∂xβ

(dfα

)ε=0

= ∂βsα (A.2)

Aus beiden Beziehungen folgt:(dA

)ε=0

= ∂αsα = Div s (A.3)

65

66 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

Auÿerdem ist noch die Dierentationsregel

d

dεA−1 = −A−1

(d

dεA

)A−1

zu beachten, die wiederum sofort mit (A.2) die Beziehung(dA−1β

α

)ε=0

= −∂αsβ (A.4)

ergibt. Das Symmetriekriterium (2.6) lautet:

A · l(T [ψ, x, εχ] , A−1∂T [ψ, x, εχ] , f(x, εχ)

)+ Div Ω− l (ψ, ∂ψ, x) = 0

Dierentation nach ε an der Stelle ε = 0 ergibt:

0 =d

A · l

(T [ψ, x, εχ] , A−1∂T [ψ, x, εχ] , f(x, εχ)

)+ Div Ω− l (ψ, ∂ψ, x)

ε=0

=

[dA

dεl(· · ·) + A

d

dεl(T [ψ, x, εχ] , A−1∂T [ψ, x, εχ] , f(x, εχ)

)+ Div

]ε=0

= l(ψ, ∂ψ, x)Div s+d

l(T [ψ, x, εχ] , A−1∂T [ψ, x, εχ] , f(x, εχ)

)ε=0

+Div ω (A.5)

Nun steht noch die Berechnung des mittleren Terms aus:

d

l(T [ψ, x, εχ] , A−1∂T [ψ, x, εχ] , f(x, εχ)

)ε=0

=

∂l

∂ψi

(dTi [· · ·]dε

)+

∂l

∂(∂αψi)

d

[A−1βα ∂βTi [· · ·]

]+∂exl

∂xα

(dfα

)ε=0

=∂l

∂ψiφi +

∂l

∂(∂αψi)

[−∂αsβ∂βψi + δβα∂βφi

]+ sα∂exα l

Einsetzen in (A.5) liefert

0 = l(ψ, ∂ψ, x)Div s+∂l

∂ψiφi +

∂l

∂(∂αψi)

[∂αφi − (∂αs

β)(∂βψi)]

+ sα∂exα l+Div ω (A.6)

und damit die Behauptung (2.8). Weitere Umformung erlaubt es dann, (A.6) auf andereArt zu schreiben. Es gilt

lDiv s = Div (ls)− sα[∂l

∂ψi∂αψi +

∂l

∂(∂βψi)∂α∂βψi + ∂exα l

]

und somit für (A.6):

∂l

∂ψi[φi − sα∂αψi] +

∂l

∂(∂αψi)

[∂αφi − (∂αs

β)(∂βψi)− sβ∂β∂αψi]

+ Div [ω + ls] = 0

A.2. TRANSFORMATIONSEIGENSCHAFTEN 67

Aus dem Term in der zweiten eckigen Klammer kann man noch eine Dierentationherausziehen und erhält so das schwache Symmetriekriterium in seiner zweiten Fassung:(

∂l

∂ψi

) [φi − sβ∂βψi

]+

(∂l

∂(∂αψi)

)∂α[φi − sβ∂βψi

]+ ∂α [ωα + lsα] = 0 (A.7)

Eine weitere Variante ist möglich mit der Umformung:

∂l

∂(∂αψi)∂α [· · ·] = ∂α

∂l

∂(∂αψi)[· · ·]

− [· · ·] ∂α

(∂l

∂(∂αψi)

)

Setzt man dies in (A.7) ein, so erhält man die dritte Fassung des schwachen Symme-triekriteriums:

0 =[φi − sβ∂βψi

] ∂l

∂ψi− ∂α

(∂l

∂(∂αψi)

)

+∂α

[ωα + θαβs

β +∂l

∂(∂αψi)φi

](A.8)

θαβ := lδαβ −∂l

∂(∂αψi)∂βψi

Hieraus kann man sofort das Noethertheorem gewinnen: Ist das Kriterium (A.8) erfüllt,so nimmt (A.8) für wahre Prozesse aufgrund der EulerLagrangeGleichungen

∂l

∂ψi− ∂α

(∂l

∂(∂αψi)

)= 0

die Gestalt eines Erhaltungssatzes

Div Λ = 0

an mit:

Λα = θαβsβ +

∂l

∂(∂αψi)φi + ωα

Damit ist alles gezeigt.

A.2 Transformation der Kontinuitätsgleichung und spe-zieller Operatoren

Mit Hilfe der Beziehungen

∂′t = ∂t − ε∂t~s · ∇+O(ε2)

∇′ = ∇− ε (∇⊗ ~s)∇+O(ε2)

%′ = %+ ε%κ+O(ε2)

~v′ = ~v + ε~u+O(ε2)

68 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

aus Kapitel 2.4 kann man die transformierte Kontinuitätsgleichung nach Potenzen vonε ordnen:

0 = ∂′t%′ +∇′ · (%′~v′)

= ∂t%+∇ · (%~v)+ε −∂t~s · ∇%+ ∂t (%κ)− [(∇⊗ ~s)∇] · [%~v] +∇ · [%κ~v + %~u]+O

(ε2)

Da der erste Term verschwindet, ist der Ausdruck erster Ordnung in ε führend. DerTerm in der geschweiften Klammer muÿ also verschwinden. Unter Beachtung von

[∇⊗ ~s]∇ · [%~v] = ∂isj∂j

(%vi)

= ∂j[(∂is

j)%vi]−(∂i∂js

j)%vi

= ∇ · [% (~v · ∇)~s]− % (~v · ∇)∇ · ~s

folgt nunmehr:

0 = ∂t (%κ)− ∂t~s · ∇%−∇ · [% (~v · ∇)~s]

+% (~v · ∇)∇ · ~s+∇ · [%κ~v + %~u]

Schlieÿlich kann man noch

−∂t~s · ∇%+ % (~v · ∇)∇ · ~s= −∇ · [%∂t~s] + %∂t∇ · ~s+ % (~v · ∇)∇ · ~s= −∇ · [%∂t~s] + %Dt∇ · ~s+∇ · ~s ∂t%+∇ · (%~v)= ∂t (%∇ · ~s) +∇ · (%~v∇ · ~s− %∂t~s)

benutzen und erhält somit insgesamt:

0 = ∂t [% (κ+∇ · ~s)] +∇ · [%~v (κ+∇ · ~s) + % (~u−Dt~s)]

Wegen κ = −∇ · ~s nach (2.22) folgt die Behauptung (2.24):

∇ · [% (~u−Dt~s)] = 0

Die einfachste Lösung dieser Gleichung ist oenbar durch ~u = Dt~s gegeben, aber esexistieren noch weitere Lösungen, die allgemein durch % (~u−Dt~s) = ∇× ~A für beliebigesVektorfeld ~A gegeben sind.

Als nächstes wird das Transformationsverhalten der substantiellen Zeitableitung Dt

untersucht:

D′t = ∂′t + ~v′ · ∇′

= ∂t − ε∂t~s · ∇+ ~v · ∇+ ε~u · ∇ − ε~v · (∇⊗ ~s) · ∇+O(ε2)

= Dt + ε ~u− ∂t~s− ~v (∇⊗ ~s) · ∇+O(ε2)

A.3. ZUR VERIFIKATION DES SYMMETRIEKRITERIUMS 69

Der innitesimale Generator der Transformation von Dt ist wiederum der in ε lineareTerm. Wegen

~v (∇⊗ ~s) = vi∂isj = (~v · ∇)~s

kann man obige Beziehung zusammenfassen als:

D′t = Dt + ε ~u−Dt~s · ∇+O(ε2)

Man erkennt, daÿ Dt unter der Annahme ~u = Dt~s der schwachen Invarianzbedingunggenügt und daÿ diese Invarianz für keine andere Wahl des ~u gegeben ist. Damit ist einesolche Wahl des ~u vor allen anderen Möglichkeiten ausgezeichnet.

Schlieÿlich soll noch das Transformationsverhalten des LaplaceOperators untersuchtwerden:

∆′ = ∇′ · ∇′

=∇− ε (∇⊗ ~s)∇+O

(ε2)·∇− ε (∇⊗ ~s)∇+O

(ε2)

= ∇ · ∇ − ε [(∇⊗ ~s)∇] · ∇+∇ · [(∇⊗ ~s)∇]+O(ε2)

Mit[(∇⊗ ~s)∇] · ∇ = ∇ ·

[(∇⊗ ~s)T ∇

]− [∇ (∇ · ~s)] · ∇

kann man schreiben:

∆′ = ∆ + ε

[∇ (∇ · ~s)] · ∇ −∇ ·[(∇⊗ ~s)T + (∇⊗ ~s)

]∇

+O(ε2)

(A.9)

Man erkennt, daÿ der innitesimale Generator nicht verschwindet, auÿer für spezielleVerschiebungsfelder mit (∇⊗ ~s)T + (∇⊗ ~s) = 0, also scherungs- und dehnungsfreieVerzerrungen.

A.3 Zur Verikation des Symmetriekriteriums

Das Symmetriekriterium (2.21) soll speziell für den Ansatz (3.5, 3.6) aufgestellt undfür den einfachen Spezialfall der barotropen Flüssigkeit auf Lösbarkeit hin untersuchtwerden.

Das Transformationsverhalten der Felder ψ ist zwar unbekannt, aber gemäÿ Kapitel 2.4können zumindest über die Observablen physikalisch motivierte Aussagen gemacht wer-den:

%′ = %− ε%∇ · ~s+O(ε2)

~v′ = ~v + εDt~s+O(ε2)

T ′ = T − ενc% (∇ · ~s)T +O

(ε2)

(A.10)

70 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

Da diese Gröÿen aus den Feldern ψ abgeleitet sind, bedeuten obige Zusatzforderungeneinschränkende Bedingungen an die Transformationen der ψ. Mit (A.10) treten alsoNebenbedingungen zu dem reduzierten Symmetriekriterium (2.21) hinzu. Eine wichtigeKonsequenz ergibt sich aus der Bestimmungsgleichung (3.6) für die Geschwindigkeitund (A.10). Mit der Abkürzung

λi(ψ,Dtψ) :=∂g

∂ (Dtψi)(A.11)

folgt:

Dt~s =

(d~v′

)ε=0

=d

λi(ψ′,Dtψ

′)∇′ψ′iε=0

=

[∂λi

∂ψjφj +

∂λi

∂ (Dtψj)Dtφj

]∇ψi − λi (∇⊗ ~s)∇ψi + λi∇φi

Mit der Abkürzung

µi(ψ,Dtψ, φ,Dtφ) :=∂λi

∂ψjφj +

∂λi

∂ (Dtψj)Dtφj

=∂

∂ (Dtψi)

[∂g

∂ψjφj +

∂g

∂ (Dtψj)Dtφj

](A.12)

kann man zusammenfassend schreiben:

Dt~s = λi∇φi + µi∇ψi − (∇⊗ ~s)~v (A.13)

Nun zum Symmetriekriterium (2.21). Mit der Beziehung(dK′

)ε=0

=d

1

2~v′2ε=0

= ~v ·Dt~s

steht auch das Transformationsverhalten von K fest. Damit folgt unmittelbar für denAnsatz (3.5):

d

l (ψ′,D′tψ

′,K′)ε=0

=∂l

∂ψiφi +

∂l

∂(Dtψi)Dtφi +

∂l

∂K~v ·Dt~s

=∂g

∂ψiφi +

∂g

∂(Dtψi)Dtφi − ~v ·Dt~s

A.3. ZUR VERIFIKATION DES SYMMETRIEKRITERIUMS 71

Das reduzierte Symmetriekriterium (2.21) soll nun auf schwache Symmetrie beschränktwerden, d.h. man fordert lediglich das Verschwinden der in ε linearen Terme. Diesgeschieht durch Dierentation nach ε und Einsetzen von ε = 0:

0 =d

%[l (ψ,Dtψ,K)− l (ψ′,D′tψ′,K′)

]+ Div Ω

ε=0

= %

[0− d

l (ψ′,D′tψ

′,K′)ε=0

]+ Div

(dΩ

)ε=0

= −%[∂g

∂ψiφi +

∂g

∂(Dtψi)Dtφi − ~v ·Dt~s

]+ Div ω

Zusammengefaÿt ergibt sich also:

∂g

∂ψiφi + λiDtφi − ~v ·Dt~s−

1

%Div ω = 0 (A.14)

Dieses skalare Symmetriekriterium ist also zu erfüllen unter den Nebenbedingungen(A.10) und (A.13). Durch Eliminierung von Dt~s mit (A.13) kann man auch schreiben:

∂g

∂ψiφi + λi∂tφi − µi~v · ∇ψi + ~v (∇⊗ ~s)~v − 1

%Div ω = 0 (A.15)

In dieser vollen Allgemeinheit ist es problematisch, Aussagen über die Lösbarkeit derGleichungen zu machen. Dies soll weiter unten für zwei Spezialfälle untersucht werden.Allerdings läÿt sich zeigen, daÿ das Kriterium im allgemeinen nicht für alle Verzerrungen~s erfüllbar ist, sondern nur für eine Unterklasse, wie es auch in Kapitel 2.5 aus physi-kalischen Gründen gefordert wird. Hierzu benötigt man zunächst folgenden Hilfssatz:Für beliebige α, β gilt:

Dt [α∂kβ] = (Dtα) ∂kβ + αDt∂kβ

= (Dtα) ∂kβ + α∂t + vl∂l

∂kβ

= (Dtα) ∂kβ + α∂k∂t + vl∂l

β − α

(∂kv

l)∂lβ

= (Dtα) ∂kβ + α∂k (Dtβ)−(∂kv

l)

[α∂lβ]

= ∂k [αDtβ] + (Dtα) ∂kβ − (Dtβ) ∂kα−(∂kv

l)

[α∂lβ]

Damit kann man mit Hilfe von (A.13) folgende Gleichung gewinnen:D2t~sk

= Dt

[λi∇φi + µi∇ψi − (∇⊗ ~s)~v

]k

= Dt

[λi∂kφi + µi∂kψi − vp∂ksp

]= ∂k

[λiDtφi + µiDtψi − vpDts

p]

+(Dtλ

i)∂kφi − (Dtφi) ∂kλ

i +(Dtµ

i)∂kψi − (Dtψi) ∂kµ

i

− (Dtvp) ∂ksp + (Dts

p) ∂kvp

−(∂kv

l) [λi∂lφi + µi∂lψi − vp∂lsp

]

72 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

Nach Einsetzen von (A.13) gelangt man dann zu:D2t~sk

= ∂k[λiDtφi + µiDtψi − vpDts

p]

+(Dtλ

i)∂kφi − (Dtφi) ∂kλ

i

+(Dtµ

i)∂kψi − (Dtψi) ∂kµ

i

− (Dtvp) ∂ksp

Durch Einsetzen des Symmetrikriteriums (A.14) kann man den ersten Term noch er-setzen. Man erhält insgesamt:

D2t~s = ∇

[µiDtψi −

∂g

∂ψiφi +

1

%Div ω

]+(Dtλ

i)∇φi − (Dtφi)∇λi

+(Dtµ

i)∇ψi − (Dtψi)∇µi

− (∇⊗ ~s) (Dt~v) (A.16)

Diese Gleichung entspricht der Zeitenwicklungsgleichung (2.32) aus Kapitel 2.5 für dasVerzerrungsfeld ~s. Dies bedeutet, daÿ für jede Wahl von Transformationen zum An-fangszeitpunkt t = t0 die weitere zeitliche Entwicklung von ~s festlegt ist. Da es sichum eine partielle Dierentialgleichung zweiter Ordnung in der Zeitableitung handelt,kann man die Anfangsverzerrung und deren erste zeitliche Ableitung frei wählen. Ob dieZeitentwicklung mit der Eulerschen Dynamik kompatibel ist, muÿ im Einzelfall geklärtwerden.

Es soll nun der barotrope Spezialfall (3.22/3.23) untersucht werden:

g = DtΦ + γDtϑ+ a(%) (A.17)

~v = ∇Φ + γ∇ϑ (A.18)

Die innitesimalen Generatoren zu den Transformationen der Potentiale Φ, ϑ, γ werdenmit Φ, ϑ, γ bezeichnet. Der innitesimale Generator bezüglich % ist gemäÿ (A.10) festvorgegeben. Die Berechnung der Koezienten ergibt:

λΦ = 1

λϑ = γ

µϑ = γ∂g

∂γ= Dtϑ

∂g

∂%= a′(%)

Alle übrigen Ausdrücke λi, µi, ∂g/∂ψi verschwinden. Das Symmetriekriterium (A.14)und die Nebenbedingung (A.13) lauten nunmehr:

0 = DtΦ + γDtϑ+ γDtϑ− %a′(%)∇ · ~s− ~v ·Dt~s−1

%Div ω

Dt~s = ∇Φ + γ∇ϑ+ γ∇ϑ− (∇⊗ ~s)~v (A.19)

A.3. ZUR VERIFIKATION DES SYMMETRIEKRITERIUMS 73

Dies sind vier partielle Dierentialgleichungen für sechs zu bestimmende Gröÿen Φ, ϑ, γ, ~s.An dieser Stelle erkennt man erneut die Einschränkung der möglichen Verzerrungen:Würde man die Erfüllung des Symmetriekriteriums für beliebig vorgegebenes ~s fordern,so hätte man vier Gleichungen für drei Unbekannte und damit ein überbestimmtes Glei-chungssystem, dessen Lösbarkeit dann in Frage stünde. Die Zeitentwicklungsgleichungfür ~s ergibt sich gemäÿ (A.16) zu:

D2t~s = ∇

[%a′(%)∇ · ~s+

1

%Div ω

]− (∇⊗ ~s) (Dt~v)

+

(Dtγ)∇ϑ−(Dtϑ

)∇γ

+ (Dtγ)∇ϑ− (Dtϑ)∇γ (A.20)

Es ist zu überprüfen, unter welchen Bedingungen diese Gleichung mit der EulerschenDynamik des barotropen Falls kompatibel ist. Dann muÿ gelten:

Dt~v = −1

%∇p(%)

Dtϑ = 0

Dtγ = 0 (A.21)

Die beiden letzten Gleichungen von (A.21) für die Monge/ClebschPotentiale ϑ, γ wur-den von Clebsch [6] aus der Eulerschen Dynamik gefolgert. Einsetzen dieser Gleichungenführt zu:

D2t~s = ∇

[%a′(%)∇ · ~s+

1

%Div ω

]+

1

%(∇⊗ ~s)∇p(%)

+

(Dtγ)∇ϑ−(Dtϑ

)∇γ

(A.22)

Vergleicht man mit der aus der EulerGleichung gewonnenen Zeitentwicklung (2.33),

D2t~s = ∇ [p′(%)∇ · ~s] +

1

%(∇⊗ ~s)∇p(%)

so zeigt sich, daÿ Kompatibilität gewährleistet ist für:

Dtϑ = 0

Dtγ = 0

%a′(%)∇ · ~s+1

%Div ω = p′(%)∇ · ~s (A.23)

Die dritte Gleichung legt den Vierervektor ω aus dem Symmetriektriterium fest. Mit%a′(%) = p/% folgt:

[%p′(%)− p(%)]∇ · ~s = Div ω

Eine allgemeine Lösung dieser Bestimmungsgleichung ist nicht erkennbar. Für den Fall,daÿ die eckige Klammer konstant wird, kann man jedoch

p(%) = K%+ p0

ω0 = 0

ωl = −p0sl (A.24)

74 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

als partikuläre Lösung angeben. Man spricht bei einem dichteproportionalen Druckauch vom isothermen Fall.

Die ersten beiden Gleichungen in (A.23) sind die Bestimmungsgleichungen für die beidenMonge/ClebschPotentiale ϑ, γ. Zusammen mit (A.19), der Eulerschen Dynamik (A.21)und (A.24) ergibt sich folgendes Gleichungssystem:

Dtϑ = 0

Dtγ = 0

DtΦ = K%∇ · ~s+ ~v ·Dt~s

Dt~s = ∇Φ + γ∇ϑ+ γ∇ϑ− (∇⊗ ~s)~v (A.25)

Jetzt liegen sechs Gleichungen für die sechs Bestimmungsgröÿen Φ, ϑ, γ, ~s vor bei festvorgegebenem Referenzprozeÿ %,~v. Die Theorie der partiellen Dierentialgleichungen[9] sagt aus, daÿ eine Gleichung der Form

∂t + ~v · ∇ ξ = σ (A.26)

für fest vorgegebene ~v, σ und unbekanntes ξ lösbar ist. Die ersten beiden Gleichungenvon (A.25) haben diese Form. Die dritte Gleichung ist für festes ~s ebenfalls von dieserForm und hat damit stets eine Lösung Φ, sogar für beliebiges ~s. Die letzte, vektorielleGleichung schränkt schlieÿlich die möglichen Verzerrungen ~s ein. Diese Gleichung hatzwar nicht die Gestalt von (A.26), aber über die entsprechende Zeitentwicklungsglei-chung (2.33) kann man sich das Verzerrungsfeld ~s auf anderem Wege verschaen. Obenwurde aber bereits festgestellt, daÿ die sich hieraus ergebende Klasse von Lösungen mitder Eulerschen Dynamik kompatibel ist. Damit ist obiges Gleichungssystem lösbar.

Zum Schluÿ soll auch noch der ursprüngliche Fall der wirbelfreien Strömung gemäÿ (3.1)

g = DtΦ + a(%) (A.27)

untersucht werden. Dieser ergibt sich einfach dadurch, daÿ die Monge/ClebschPotentialezu Null gesetzt werden. Die vektorielle Gleichung in (A.25) nimmt dann die Form

Dt~s = ∇Φ− (∇⊗ ~s)~v

an. Durch Rotationsbildung erhält man:

∇× [Dt~s+ (∇⊗ ~s)~v] = 0

Dies ist eine zusätzliche Einschränkung an das Verzerrungsfeld ~s, d.h. das Symmetrie-kriterium ist hier nur für eine Unterklasse der zur Eulerschen Dynamik kompatiblenVerzerrungen erfüllt.

Die beiden Beispiele (A.27, A.17) zeigen, daÿ für den allgemeinen Ansatz (3.5) keineallgemeingültige Aussage bezüglich der Erfüllung des Symmetriekriteriums möglich ist.Der behandelte Spezialfall legt jedoch nahe, daÿ (3.5) einen sinnvollen Ansatz für eineLagrangedichte darstellt.

A.4. DYNAMIK DES NICHTADIABATISCHEN FALLS 75

A.4 Dynamik des nichtadiabatischen Falls

Die Lagrangedichte (4.34) kann als

l = l0 + λl

geschrieben werden, wobei l0 die Lagrangedichte (4.12) für den adiabatischen Fall istund

l := −∇T · ∇(

Θ

T

)= − 1

T∇T · ∇Θ +

Θ

T 2(∇T )2

dem diusiven Eekt der Wärmeleitung Rechnung trägt. Man erkennt, daÿ l nicht mehrdie Form des Ansatzes (3.5) hat, d.h. man kann nicht mehr garantieren, daÿ obigeLagrangedichte die Eulersche Dynamik reproduziert. Demgegenüber kann auf die aus(4.13 4.18) bekannte Dynamik des l0 zurückgegrien werden, um den allgemeinerenFall zu untersuchen. Für die EulerLagrangeAusdrücke

Li :=∂l

∂ψi− ∂t

(∂l

∂(∂tψi)

)−∇ ·

(∂l

∂(∇ψi)

)

folgt oensichtlich:Li = Li0 + λLi (A.28)

Dabei sind L0, L die entsprechenden EulerLagrangeAusdrücke für l0, l. Da l nur vonden thermischen Variablen T,Θ abhängt, werden auch nur die beiden zugehörigenEulerLagrangeGleichungen beeinuÿt. Die übrigen bleiben unverändert. Es gilt:

LΘ =1

T∆T

LT = ∆(

Θ

T

)− Θ

T 2∆T

Die entsprechenden adiabatischen EulerLagrange Ausdrücke werden gemäÿ Kapitel 3.2berechnet, nachdem man sich das entspechende g durch Vergleich von (4.12) mit (3.5)verschat hat:

g = DtΦ + γDtϑ− s(%, T )DtΘ + f(%, T ) + Ts(%, T )

Mit (3.10) folgt dann:

LΦ0 = ∂t%+∇ · (%~v)

L%0 =l0%− %

−∂s∂%

DtΘ +∂f

∂%+ T

∂s

∂%

=l0%− %

∂f

∂%+ ν [DtΘ− T ]

Lϑ0 = %Dtγ + γ ∂t%+∇ · (%~v)Lγ0 = −%Dtϑ

LΘ0 = −%Dts(%, T )− s(%, T ) ∂t%+∇ · (%~v)

LT0 = −%− ∂s∂T

DtΘ +∂f

∂T+ s+ T

∂s

∂T

=%c

T[DtΘ− T ]

76 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

Gemäÿ (A.28) können nun die zusammengesetzten Ausdrücke gebildet werden. Diedaraus resultierende Dynamik ist zu untersuchen:

Die erste Gleichung LΦ = 0 ergibt die gewohnte Kontinuitätsgleichung. Die Variationnach Θ liefert

%TDts(%, T )− λ∆T = 0 ,

und damit die gewünschte Entropiebilanz mit Wärmeleitung. Die Variation nach Tergibt:

DtΘ− T +λ

%c

[T∆

T

)− Θ

T∆T

]= 0 (A.29)

Damit hat Θ oenbar seinen Status als Temperaturpotential verloren. Es scheint nunnicht mehr möglich zu sein, die Temperatur explizit als Ausdruck von Θ und anderenGröÿen zu schreiben und per Eliminierung zu einer Lagrangedichte in fünf Freiheits-graden überzugehen, wie es im adiabatischen Fall möglich war. Obige Gleichung für Θläÿt sich aber auch umschreiben in eine Gleichung für die thermische Phase ϕ. Divisionvon (A.29) durch T und Benutzung der Entropiebilanz in der Form (1.7) ergibt:

0 =DtΘ

T− 1 +

λ

%c∆(

Θ

T

)− Θ

T 2

λ

%c∆T

= Dt

T

)− 1 +

λ

%c∆(

Θ

T

)+

Θ

T 2

DtT −

λ

%c∆T

= Dt

T

)− 1 +

λ

%c∆(

Θ

T

)+

Θ

T

ν

cDt%

Mit der Substitution (4.21) erhält man die gesuchte Gleichung für die thermische Phase:

Dt

ω

)+λ

%c∆(ϕ

ω

)+(ϕ

ω

cDt% = −1 (A.30)

Nunmehr soll untersucht werden, welche Konsequenzen sich aus obigen Gleichungen fürdie Impulsbilanz ergeben. Der kanonische Noethersche Impuls stimmt dabei nach wievor mit dem dynamischen überein, da in l keine Zeitableitungen vorkommen. Es giltalso ~p = %~v. Anders sieht dies beim Impulsstrom aus. Es wird zunächst lE.L. ermittelt:

p := lE.L.

=

%2∂f

∂%+ ν%2 [DtΘ− T ]− λ∇T · ∇

T

)E.L.

= %2∂f

∂%− ν%2 λ

%c

[T∆

T

)− Θ

T∆T

]− λ∇T · ∇

T

)= %2∂f

∂%− λ

c

[T∆

T

)+

Θ

T∆T

]−∇T · ∇

T

)=: p0 + λp

A.4. DYNAMIK DES NICHTADIABATISCHEN FALLS 77

Dabei ist p0 genau der Druck, wie er gemäÿ (1.5) zu erwarten ist. Jedoch treten nochZusatzterme λp auf! Der Impulsstromtensor ergibt sich nunmehr zu:

π = p1− ∂l

∂∇ψi⊗∇ψi

= [p0 + λp] 1− ∂l0∂∇ψi

⊗∇ψi − λ∂l

∂∇ψi⊗∇ψi

= p01 + %~v ⊗ ~v + λp1 +∇T ⊗∇

T

)+∇

T

)⊗∇T

=: π0 + λπ

Hierbei entspricht π0 genau dem Stromtensor der Eulerschen Dynamik. In der Impuls-bilanz

∂t (%~v) +∇ ·[p01 + %~v ⊗ ~v

]+ λ∇ · π = 0

tauchen also zusätzliche Stromanteile auf, so daÿ hier die Eulersche Dynamik nichtmehr gilt. Die EulerGleichung erhält infolgedessen Zusatzterme:

0 = %Dt~v +∇po + λ∇ · π

mit:

π = ∇T ⊗∇(

Θ

T

)+∇

T

)⊗∇T −∇T · ∇

T

)1− %ν

c

[T∆

T

)− Θ

T∆T

]1

= −∇T ⊗∇(ϕ

ω

)−∇

ω

)⊗∇T +∇T · ∇

ω

)1 +

c

[T∆

ω

)− ϕ

ω∆T

]1

78 ANHANG A. MATHEMATISCHE HERLEITUNGEN

Literaturverzeichnis

[1] L. D. Landau, E. M. LifschitzHydrodynamikLehrbuch der Theoretischen Physik VIAkademieVerlag Berlin, 1981.

[2] C. B. MillikanOn the Steady Motion of Viscous, Incompressible Fluids;with particular reference to a Variation PrinciplePhil. Mag. 7, April 1929, p. 641 .

[3] W. Greiner, J. ReinhardtFeldquantisierungTheoretische Physik 7AVerlag Harri Deutsch, 1993.

[4] K.H. Anthony:- A new approch describing irreversible processesIn: Continuum Models of Discrete Systems 4Eds.: O. Brulin and R. K. T. HsiehNorth-Holland Publishing Company, 1981, p. 481 .- A new approch to thermodynamics of irreversible processesby means of Lagrange-FormalismIn: Disequilibrium and Self-OrganisationEd.: W. KilmisterD. Reidel Publishing Company, 1986, p. 75 .

[5] K.H. Anthony/H. KnoppePhenomenological thermodynamics of irreversible processesand LagrangeFormalismHyperbolic equations for heat transportIn: Kinetic Theory and Extended ThermodynamicsEds.: I. Müller and T. RuggeriPitagora Editrice Bologna, 1987, p. 15 .

79

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[7] C. C. LinHydrodynamics of Helium IIProc. Int. school of Physics Enrico Fermi 21, 1963, p. 93 .

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[9] W. I. SmirnovLehrgang der höheren Mathematik IIVEB Deutscher Verlag der WissenschaftenBerlin 1972.

[10] H.J. WagnerSchrödinger quantization and variational principlesin dissipative quantum theoryZ. Phys. B 95, 1994, p. 261 .

[11] H. KnoppeUntersuchungen aus dem Bereich der Thermodynamikder irreversiblen Prozessemit feldtheoretischen MethodenDiplomarbeit Univ. Paderborn 1987.

[12] A. AzirhiThermodynamik und QuantenfeldtheorieEin quantenfeldtheoretisches Modell der WärmeleitungDiplomarbeit Univ. Paderborn 1993.

[13] M. SchönbergVortex Motions of the Madelung FluidNuovo Cimento 1, 1955, p. 543 .

DanksagungMein Dank gilt allen, die mich im vergangenen Jahr tatkräftig unterstützt haben beider Erstellung meiner Arbeit.

Ganz besonders möchte ich Herrn Prof. Dr. K.H. Anthony danken für die stete Dis-kussionsbereitschaft bei schwierigen theoretischen Fragen und für die zahlreichen An-regungen zu meinem Thema.

Ebenso danke ich Herrn Dr. H.J. Wagner für zahlreiche interessante Gespräche undwertvolle Hinweise.

Ferner danke ich (fast) allen Mitarbeitern der Theoretischen Physik der Univ. Pader-born für das angenehme Arbeitsklima.

Nicht zuletzt möchte ich den anderen beiden von der Tankstelle danken für ihre Hilfebei Fragen des Layouts, ihre Geduld und die seelischen Aufbaueinheiten.

Und schlieÿlich sei auch Thomas gedankt für die Bereitstellung des Diplomarbeitome-ters.

Hiermit versichere ich, daÿ ich diese Diplomarbeit selbständig verfaÿt und nur die an-gegebenen Hilfsmittel und Quellen benutzt habe.

Paderborn, 07. April 1994