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Die Entwicklung Mitteleuropas ist in vielen Perioden der europäischen Geschichte stark von Prozessen in Südosteuropa beeinflusst. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum zwischen 6500 und 3800 v.Chr., in dem sich die wesentlichen Neolithisierungsprozesse voll- ziehen. Um die Einführung von Ackerbau und Vieh- zucht hierzulande besser zu verstehen, ist daher ein Blick in den Südosten unabdingbar: Dort ist Garten- und Landwirtschaft, Kupfertechnologie und eine deutliche Zunahme der Bevölkerung wesentlich frü- her greifbar. Im Folgenden sollen verschiedene As- pekte der Entwicklung des südosteuropäischen Raums näher betrachtet werden. Von Anatolien nach Europa Die neolithische Wirtschaftsweise und die damit ver- bundene Weltanschauung gelangt nach ihrer Entste- hung im »Fruchtbaren Halbmond« (ca. 10400– 8200 v.Chr.) zunächst nach Zypern und Anatolien, wo sich bereits ab 8400 v.Chr. bäuerliche Siedlungen entwickeln, die Gartenbau und intensive Viehhaltung betreiben. Ausgehend vom Ursprungszentrum im Norden Mesopotamiens, wo komplexe Formen ritu- eller Bräuche auch in Monumentalbauten wie Göbe- kli Tepe umgesetzt werden, lassen sich in Hačilar oder Çatalhöyük Gemeinschaften fassen, die auf einer so- liden Subsistenzbasis die neue Wirtschaftsweise und neue soziale Verhältnisse etablieren. Siedlungen auf Zypern wie Khirokitia besitzen eine eigenständige Kultur mit hohem Anteil an landwirtschaftlicher Pro- duktion. Bereits um 6500 v.Chr. erreichen Vorboten der neuen Entwicklung an der Westküste der heuti- gen Türkei den ägäischen Raum. Dort finden wir zu dieser Zeit eine Bevölkerung aus Wildbeutern und Fischern vor, die aufgrund ihrer mobilen Lebensweise kaum archäologisch greifbare Reste hinterlassen hat. Dennoch zeigt sich schon für diese spätmesolithische Zeit mit der Verbreitung des qualitätvollen Obsidians von der Insel Melos ein weit verzweigtes, über Hunderte von Kilometern reichen- des Austauschnetz. Es sind Seefahrer, die in kleinen Booten für einen regen Küstenverkehr sorgen und über die zumeist in Sichtweite liegenden Inseln eine Verbindung zwischen dem anatolischen und grie- chischen Festland herstellten. Auch auf Kreta gibt es bereits um ca. 6800 v.Chr. eine erste bäuerliche Nie- derlassung mit Anbau von Getreide, die allerdings bald wieder aufgegeben wird. Diese frühbäuerliche Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme Johannes Müller | 15 Die Neolithisierung Südosteu- ropas ist ein Prozess, in dem verschiedene Kernregionen der Ägäis und des Balkans v. a. ab 6100 v.Chr. besiedelt wer- den. Dabei spielen sowohl agrarische Gruppen als auch Wildbeuter eine Rolle. Mesoli- thische und neolithische Gruppen benutzen gemeinsa- me Netzwerke, z. B. bei der Rohstoffversorgung mit Obsi- dian aus Melos oder Tokai (blau). Tokai Melos 7200 v. Chr. 5500

Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa: Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme

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Die Entwicklung Mitteleuropas ist in vielen Periodender europäischen Geschichte stark von Prozessen inSüdosteuropa beeinflusst. Dies gilt insbesondere fürden Zeitraum zwischen 6500 und 3800 v.Chr., in demsich die wesentlichen Neolithisierungsprozesse voll-ziehen. Um die Einführung von Ackerbau und Vieh-zucht hierzulande besser zu verstehen, ist daher einBlick in den Südosten unabdingbar: Dort ist Garten-und Landwirtschaft, Kupfertechnologie und einedeutliche Zunahme der Bevölkerung wesentlich frü -

her greifbar. Im Folgenden sollen verschiedene As -pek te der Entwicklung des südosteuropäischen Raumsnäher betrachtet werden.

Von Anatolien nach Europa

Die neolithische Wirtschaftsweise und die damit ver-bundene Weltanschauung gelangt nach ihrer Entste-hung im »Fruchtbaren Halbmond« (ca. 10400–8200 v.Chr.) zunächst nach Zypern und Anatolien,wo sich bereits ab 8400 v.Chr. bäuerliche Siedlungenentwickeln, die Gartenbau und intensive Viehhaltungbetreiben. Ausgehend vom Ursprungszentrum imNorden Mesopotamiens, wo komplexe Formen ritu-eller Bräuche auch in Monumentalbauten wie Göbe-kli Tepe umgesetzt werden, lassen sich in Hačilar oderÇatalhöyük Gemeinschaften fassen, die auf einer so-liden Subsistenzbasis die neue Wirtschaftsweise undneue soziale Verhältnisse etablieren. Siedlungen aufZypern wie Khirokitia besitzen eine eigenständigeKultur mit hohem Anteil an landwirtschaftlicher Pro-duktion. Bereits um 6500 v.Chr. erreichen Vorbotender neuen Entwicklung an der Westküste der heuti-gen Türkei den ägäischen Raum.

Dort finden wir zu dieser Zeit eine Bevölkerungaus Wildbeutern und Fischern vor, die aufgrund ihrermobilen Lebensweise kaum archäologisch greifbareReste hinterlassen hat. Dennoch zeigt sich schon fürdiese spätmesolithische Zeit mit der Verbreitung desqualitätvollen Obsidians von der Insel Melos ein weitverzweigtes, über Hunderte von Kilometern reichen-des Austauschnetz. Es sind Seefahrer, die in kleinenBooten für einen regen Küstenverkehr sorgen undüber die zumeist in Sichtweite liegenden Inseln eineVerbindung zwischen dem anatolischen und grie-chischen Festland herstellten. Auch auf Kreta gibt esbereits um ca. 6800 v.Chr. eine erste bäuerliche Nie-derlassung mit Anbau von Getreide, die allerdingsbald wieder aufgegeben wird. Diese frühbäuerliche

Frühe Bauern und Tellsiedlungen in SüdosteuropaNetzwerke, Bevölkerungsdichten undSiedlungssystemeJohannes Müller

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Die Neolithisierung Südosteu-ropas ist ein Prozess, in demverschiedene Kernregionender Ägäis und des Balkans v. a.ab 6100 v. Chr. besiedelt wer-den. Dabei spielen sowohlagrarische Gruppen als auchWildbeuter eine Rolle. Mesoli-thische und neolithischeGruppen benutzen gemeinsa-me Netzwerke, z. B. bei derRohstoffversorgung mit Obsi-dian aus Melos oder Tokai(blau).

Tokai

Melos

7200 v. Chr. 5500

Siedlung war noch ohne Keramik und entsprach derakeramischen Nahrungsmittelproduktion, -lagerungund -konsumption, wie sie damals für Anatolien ty-pisch war. Von der Insel Kythnos ist eine Fundstellebekannt, bei der sesshafte Jäger, Sammler und Fischerunter zeltartigen, aber mit Steinen befestigten Hüttenihre Toten bestatteten. Auch hier dürften Einflüsseaus dem neolithischen Osten sichtbar werden, diesich allerdings nicht in einer veränderten Subsistenz-wirtschaft widerspiegeln.

Ab ca. 6400 v.Chr. entstehen im ägäischen Raumdann Dörfer früher Bauern und in Thessalien – einefür Ackerbau und Viehzucht hervorragend geeigneteSiedlungskammer des griechischen Festlandes – ers-te Tellsiedlungen. Beispiele für diese schnell wach-senden Niederlassungen sind Sesklo und Achilleionsowie Argissa und Otzaki Magula. Auch in Mazedo-nien und angrenzenden Gebieten prägen kleine Sied-lungen mit rechteckigen Lehmziegelgebäuden diefrühbäuerliche Landschaft. In Nea Nikomedia weistein etwas größerer Bau mit zahlreichen Figurinen-funden auf die soziale Entwicklung hin: Die Anlageder Feldflur erfordert gemeinschaftliches Handeln inweit größerem Maß als dies bei mobilen oder sess-haften Wildbeutern notwendig war. Emmer, Einkornund Gerste wurden in einer Zweifelderwirtschaft an-gebaut; Linsen, Erbsen und gesammelte Früchte bil-deten zusammen mit Schaf/ Ziege und Rind als Haus-tiere die Ernährungsgrundlage. Die Aufteilung derLandschaft, z.B. in Thessalien, geschieht nach festge-

legten Regeln: Während frühere Forschungsansätzev.a. den Einfluss der ökologischen Grundbedingun-gen auf die Ortswahl betonen, können neuere Arbei-ten für Thessalien eine politische Aufteilung des Lan-des wahrscheinlich machen. Die Herausbildung vonBesitzverhältnissen bei der Ressourcenausnutzung istnoch wichtiger als die natürliche Umwelt.

Um 6100 v.Chr. hat die bäuerliche Wirtschafts-weise weite Teile Griechenlands erfasst, und nungreift der Neolithisierungsprozess in bemerkenswer-tem Tempo nach Norden aus. Innerhalb von wenigenGenerationen entstehen im westlichen Karpatenraumdie ersten Bauernsiedlungen.

Auf zu »neuen Ufern« – die Ursachen der Ausbreitung

Was ist die Triebkraft dieser dynamischen Entwick-lung? Aus paläodemografischer Sicht finden sich kei-ne Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund eines hohenBevölkerungswachstums die ökologische Tragfähig-keit bestimmter Regionen überschritten war und einTeil der Menschen abwandern musste. Deutliche Un-terschiede lassen sich jedoch in der materiellen Kul-tur dieser frühen Gruppen fassen. Während zu Be-ginn der Neolithisierungsprozesse ein rechteinheitliches Dekor- und Formenspektrum der inHaushaltsproduktion hergestellten Keramik vorliegt,ändert sich der Charakter der Ware nach mehreren

| Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa – Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme16

Die Siedlungskonzepte derfrühen Bauern in der Ägäisund Mitteleuropa unterschei-den sich: In Südosteuropa er-kennen wir die Entwicklungvon planmäßig angelegtenDörfern, während in Mitteleu-ropa zur gleichen Zeit nochEinzelhöfe oder Weiler vor-herrschen.

ORGANISIERTEDÖRFER

EINZELHÖFE,WEILER UNDKREISGRÄBEN

DÖRFER MITHÖFEN

EINZELHÖFE UNDGRUPPENSIEDLUNGEN

EINZELHÖFE UNDGRUPPENSIEDLUNGEN

UPPENSIEDLUNGEN

BEFESTIGTEORGANISIERTESIEDLUNGEN

DÖRFER MITZENTRALBAU

FER MITN

20 m

WestlichesMitteleuropa

SüdöstlichesMitteleuropa

ÖstlichesKarpatenbecken WestbalkanWestliches

Karpatenbecken Ostbalkan Ägäis

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5500

5000

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4000

3500

v. Chr.cal BC

ENTW ICK LUNG NE O LIT H IS CH E R S IE D LUNG S S T R U K T U R EN

Gura Baciului

Polgar-Czőszhalom

UPUPUPUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU

ului

Petrivente

ar-Czőszhalom

400 m

Generationen: Vielfalt und regionale Differenzierungnimmt zu, was wahrscheinlich Abgrenzungsprozesseinnerhalb der Gesellschaft widerspiegelt. SozialeSpannungen (»social tension«) dürften insbesonderejüngere Mitglieder der Gemeinschaften dazu veran-lasst haben, »neue Ufer« aufzusuchen oder mit be-nachbarten Wildbeutern in Kontakt zu treten.

Der Übergang zum Neolithikum in Südosteuropawar vielfältig: von der Akkulturation einheimischerSammler- und Jägergruppen über regionale Mobili-tät »bäuerlicher« Individuen bis hin zu Familien, die

Pioniersiedlungen in neuen Gebieten errichteten. Diejeweiligen Gruppen tragen einen Teil der Traditionenund Erinnerungen mit sich. Aus ethnografischen Beispielen wissen wir, dass der Umgang mit den kul-turellen Wurzeln für Männer und Frauen sehr unter-schiedlich sein kann und auch die Verbreitungsme-chanismen des »Neuen« von Männern und Frauenganz anders gehandhabt werden.

Ab ca. 6100 v.Chr. werden einzelne Kernregionenmit hohem ackerbaulichem Potenzial in weiten Teilender Balkanhalbinsel neolithisiert, und zwar entstehen

Auf zu »neuen Ufern« – die Ursachen der Ausbreitung | 17

Neolithische Feinkeramik inSüdosteuropa war äußerstqualitätvoll. Im Bild sind einBecher aus dem thrakischenFrühneolithikum und derTheiss-Kultur zu sehen.

Menschliche Knochen in Ein-hegungen neolithischer Sied-lungen Südosteuropas kön-nen auf gewalttätige Konflik-te hinweisen, die im Zusam-menhang mit zunehmenderUngleichheit stehen (Beispiel:Graben Okolište).

die neuen Bauernsiedlungen in Regionen wie der Un-teren Donau, dem bulgarischen Hinterland, an derTheiß, in Zentralbosnien oder in Siebenbürgen, dienaturräumlich Thessalien ähnlich sind. Kaum nochetwas erinnert jetzt an die neolithischen Kulturen ausälteren Zeiten: Die Keramikdekoration, die Hausbau-und Siedlungsweise hat einen neuen, eigenständigenCharakter, und nur die weiblichen Tonfiguren sowieHaustiere, Getreide und Arbeitswerkzeuge lassennoch die Wurzeln erahnen. Kleinere Rechteckhäuser,oft giebelparallel angeordnet, prägen die Siedlungen,die noch nicht als echte »Dörfer« bezeichnet werdenkönnen. Sie sind zu klein, und es zeichnen sich keinekommunalen Aktivitäten ab. Die KeramikgruppenStarčevo, Criş und Körös in den unterschiedlichenRegionen wirken – trotz mancher Unterschiede (be-malt/ unbemalt, mit/ ohne Applikationen) – nochrecht einheitlich, und erst im Laufe der Zeit kommt eszu einer stärkeren Vielfalt und Abgrenzung, wie wirsie bereits Jahrhunderte zuvor in Griechenland beob-achten konnten. Ab ca. 5700 v.Chr. setzt dann amnordwestlichen Rand des Karpatenbeckens die nächs-te Ausbreitungswelle der neolithischen Produktions-weise ein, und in Mitteleuropa formiert sich die Li-nearbandkeramik.

Ausbreitung entlang der Küsten

Im Gegensatz zum kontinentalen, donauländischenGebiet Südosteuropas verlaufen die Neolithisie-rungsprozesse im Adriaraum anders. Ab etwa 6000 v.Chr. lassen sich hier in den fruchtbaren Flysch-Ebe-nen des Küstenlandes erste bäuerliche Siedlungennachweisen, die abweichend von der typischen mate-riellen Kultur des frühen balkanischen Neolithikumsnur die mediterran geprägte Impresso-Keramik auf-weisen. Zugleich fehlen Figurinen, und Beile bzw.Mahlsteine sind sehr selten. Der Adriaraum bildet ei-ne Ökumene, in der es zwischen italischer Ostküsteund balkanischer Westküste offenbar durch Kontak-te zur Verwendung gleicher Verzierungsmuster kam.Die Seefahrt orientiert sich wiederum an den sicht-baren Inseln und prägt die mediterranen Neolithisie-rungsprozesse.

Die letzten Wildbeuter

Wie in weiten Teilen Europas ist der Fundnieder-schlag der späten Jäger, Fischer und Sammler, die voroder gleichzeitig mit den dörflichen Gemeinschaftenlebten, eher gering. Wir kennen einige wenige meso-lithische Freilandstationen und Höhlen, jedoch nicht

aus den frühen agrarischen Kerngebieten, sondernzumeist aus den für Landwirtschaft wenig geeignetenRückzugsregionen. Als typisches Beispiel kann dasDinaridische Castelnovien dienen, das im Dinari-schen Gebirge zwischen einerseits adriatischem undandererseits donauländischem Neolithikum nochlängere Zeit existiert. Offensichtlich werden unter-schiedliche ökologische Areale mit verschiedenenRessourcen durch die jeweiligen Gruppen genutzt:fruchtbare Terra-rossa-Böden durch die Bauern unddas Karsthinterland durch die letzten Wildbeuter.Tatsächlich haben die bäuerlichen Gruppen im Rah-men einer Fernviehhaltung wohl in den Sommermo-naten Rinder, Schafe und Ziegen im Gebirge gehütet,sodass ein Kontakt entstand, der Schritt für Schrittzur Übernahme von Elementen der materiellen Kul-tur und später der gesamten Lebensweise durch dieWildbeuter geführt hat. Auch können wir feststellen,dass entlang der Adria eine frühe monochrome, po-lierte Keramik die erste Tonware ist, die aus dem Setan Gefäßen von Wildbeutern übernommen wird, wasfür eine bewusste Selektion spricht.

Im Gegensatz zum Dinaridischen Mesolithikumherrscht im Gebiet des Eisernen Tores der Donau ei-ne ganz andere Situation: Mit der Lepenski-Vir-Kul-tur erfassen wir hier ab 6500 v.Chr. Sammler, Jägerund Fischer, die aufgrund des aquatischen Reichtumsder Donau sesshaft leben und über fest installiertetrapezförmige Hütten mit organisierten »Dorfplä-nen« inklusive Dorfplatz verfügen (vgl. S. 29). Ein-drucksvoll lassen bewegliche und fest installierte,

| Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa – Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme18

Im Adriaraum wird die Inter-aktion zwischen Wildbeuternund ersten Bauern deutlich.Die Sommerweide von Haus-tieren im dinarischen Hinter-land findet dort statt, woWildbeuter ihre Siedlungs-areale haben. EntsprechendeKommunikationsbezüge füh-ren auf die Dauer zur Auswei-tung des neolithisierten Ge-biets.

Impresso, Siedlungen

Impresso, Abris und Höhlen

Dinarisches Castelnovien

fischartig skulptierte Stelen vor den jeweiligen Hüt-ten eine besondere künstlerische Ausdrucksform er-kennen. Die Lepenski-Vir-Kultur war und ist eineÜberraschung für die Archäologie, und sie zeigt, dasseine wildbeuterische Lebensweise durchaus zu einersesshaften, weitreichend organisierten Gesellschaftführen kann, die ab 6000 v.Chr. allerdings neolithi-schen Einflüssen unterliegt: Hockerbestattungen wer-den häufiger, frühneolithische Starčevo-Keramik be-ginnt zu dominieren, und spätestens nach zweiJahrhunderten lässt sich der Übergang zu einer agra-rischen Produktionsweise fest stellen.

Tellsiedlungen als neue Lebensweise

Während sich also ab ca. 6100 v.Chr. in verschiede-nen Kernregionen Südosteuropas die neolithische Le-bensweise etabliert hat und die Akkulturation be-nachbarter Wildbeuter beginnt, ist ab 5700 v.Chr.eine verstärkte Neolithisierung des Inlandes zu beob-achten. So erfolgt z.B. eine intensivere Besiedlung desBosnischen Berglandes oder die Neuanlage von Sied-lungen in Transdanubien. Zu einer Zeit, als sich inMitteleuropa ab ca. 5500 v.Chr. die Linearbandkera-mik voll entfaltet, kommt es im südlichen Balkan zuneuen Prozessen: Die Kupfertechnologie entwickeltsich, und mit der Vinca-Kultur entstehen neue sozia-le Verhältnisse (vgl. S. 48). Grundsätzlich beobachtenwir zu dieser Zeit weiträumige Keramikstilgruppen(z.B. Vinča, Kakanj), die im Nordwesten auch denÜbergang zur Linearbandkeramik einleiten.

In den von der neuen Kupfertechnologie gepräg-ten Gebieten Südosteuropas markieren Tellsiedlun-gen nun die neue Lebensweise, die auf die mitteleu-ropäische Entwicklung vermutlich größeren Einflusshatte. So zeigt sich in den bulgarischen Siedlungshü-geln von Karanovo oder Poljanica eine Organisationmit rechtwinklig geplanten Raumkonzepten, beste-hend aus Quartieren, Häusern und Befestigungsan-lagen. Auch in Vinca selbst und im südlichen Karpa-tenbecken lässt sich eine ausgeprägte Siedlungs-organisation erkennen. Doch ab ca. 4500 v.Chr. ist einZusammenbrechen dieser Tellsiedlungen in weitenTeilen des Balkans zu bemerken, und es setzt sich wie-der eine dispersere Siedlungsweise durch. Als Ursa-che können u.a. soziale Spannungen in den sich un-gleich entwickelnden Gemeinschaften angeführtwerden. Im Karpatenraum ist die neu entstehende,disperse Siedlungsweise mit der Einführung der Kup-fertechnologie und der Anlage neuer Gräberfelder(Bodrogkeresztur/ Tiszapolgar) verbunden. In denehemaligen Zentren der kupferzeitlichen Entwicklung(z.B. Bulgarien, Serbien) ist mit dem beschriebenen

Wandel hingegen eher von einem Bevölkerungsrück-gang auszugehen. Während wir also im südlichenMitteleuropa nach 4500 v.Chr. einen weiteren Ent-wicklungsschub beobachten, sehen wir in Südosteu-ropa eine umgekehrte Tendenz. Spiegeln sich hier un-terschiedliche demografische Prozesse wider?

Bevölkerungsentwicklung

Entscheidend für die kulturelle Dynamik von Gesell-schaften ist neben der Wirtschaftsweise v.a. auch de-ren Populationsdynamik. Lange Zeit war es äußerstspekulativ, die absolute Größe der handelnden Grup-pen und der realen Bevölkerungsdichte zu rekon-struieren. Doch in den letzten Jahren haben sich mitdem methodischen Fortschritt in der Archäologieneue Möglichkeiten ergeben, die Bevölkerungsgrö-ßen von Siedlungen, Kleinregionen und ganzenLandschaften mit höherer Verlässlichkeit abzuschät-zen. Dazu gehört etwa die Hochrechnung ausgehendvon gleichzeitig existierenden Wohnbefunden oderdie Kalkulation von Sterbewahrscheinlichkeiten an-hand der Bestattungen. Aber auch induktive Metho-den wie die Tragfähigkeitsberechnung erlauben imZusammenspiel mit völkerkundlichen Analogien, aufPopulationsdichten zurückzuschließen.

In einer neuen vergleichenden Studie konntenModelle für die Bevölkerungszunahme im Nahen Os-ten, in Südosteuropa und in Mitteleuropa ermitteltwerden. Nach diesen Berechnungen erhöhte sich imNahen Osten zwischen 6500 und 2000 v.Chr. die ab-solute Bevölkerungsgröße von einer Million (0,5 Per-sonen/km2) auf 14 Millionen Einwohner (6 Perso-nen/km2). Schübe lassen sich jeweils bei technischenund sozialen Innovationen, wie z.B. der Einführungdes Bewässerungsfeldbaus oder der Urbanisierung,erkennen. Dabei konzentrieren sich die Menschenimmer stärker in eng besiedelten Kernzonen.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich für Mitteleuropaund Südskandinavien. In den Lösszonen geht mit derNeolithisierung ein steiler Bevölkerungsanstieg ein-her, der mit einer Konzentration der Menschen inKernzonen verbunden ist. Mit der »bandkeramischenKrise« ist ein Bevölkerungsrückgang in diesen Kern-zonen zu beobachten, und erst ab 4500 v.Chr. undnach 3800 v.Chr. lässt sich ein erneutes starkes undkontinuierliches Wachstum feststellen. Diese Bevöl-kerungsdynamik steht in Verbindung mit sekundä-ren Landnahmeprozessen und neuen Neolithisie-rungsschüben, die zum Ende des 5. Jt. v.Chr. denNorden Mitteleuropas erreichen.

In Südosteuropa verläuft die Entwicklung wieder-um anders: Auch hier ist der Beginn der Neolithisie-

Bevölkerungsentwicklung | 19

rung zunächst von einem rasanten Bevölkerungs-wachstum begleitet, sodass ab 6000 v.Chr. eine Dich-te von etwa einer Person pro Quadratkilometer er-reicht wird, was insgesamt ungefähr einer MillionMenschen entspricht. Dabei nimmt die Konzentrati-on v.a. in den Kernzonen erheblich zu, was auf dieTellsiedlungen zurückzuführen ist. In dieser Zeit rei-chen die südosteuropäischen Bevölkerungsdichten andie in Vorderasien heran. Das Populationswachstumsetzt sich fort, bis es um ca. 4500 v.Chr. schließlich zu

einem Einbruch um etwa eine halbe Million Men-schen kommt. Erst nach Jahrhunderten lässt sichdann wieder ein Anstieg erkennen.

Insgesamt zeichnet sich für Europa eine kontinu-ierliche Bevölkerungszunahme ab, wobei technischeund soziale Veränderungen zu leichten Schwankun-gen führen. Eine Ausnahme bildet der extreme Be-völkerungseinbruch in Südosteuropa um 4500 v.Chr.Was sind die Ursachen für diesen Sonderfall?

| Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa – Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme20

Okolište entwickelte sich voneiner offensichtlich planmäßigbefestigten Großsiedlung(7,5 ha, 3000 Einwohner) um5200 v. Chr. zu einer normalgroßen Siedlung ab 4800 v. Chr.(2,5 ha, 300 Einwohner), dienicht mehr befestigt war. Dar-gestellt sind die Entwicklung in Fläche und Musterprofil.

Die Rekonstruktion der abso-luten Bevölkerungszahlen fürEuropa zeigt neben grundle-genden Tendenzen einer Ver-größerung v. a. auch Fluktua-tionen und regionale Unter-schiede. Die Veränderungenkönnen mit verschiedenentechnologischen und sozialenNeuerungen in Verbindunggebracht werden: 1 Ackerbau und Viehwirt-

schaft; 2 Beginn Tell-Gesellschaften;3 Ende Tell-Gesellschaften; 4 Brandfeldbau im nördlichen

Europa; 5 Hakenpflug und Rad; 6 Paneuropäische Netzwerke;7 Bronzetechnologie.

0 50 100m 0 50 100m 0 50 100m1 32

350m300250200150100500

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e ü.

NN

(m)

SW NO3

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0

Europa Bevölkerungsentwicklunginsgesamt agrarisch

Südosteuropa

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Relative BevölkerungsdichteEuropa/ Naher Osten

p/km

2v. Chr.

Europa

SüdosteuropaNaher Osten

Mitteleuropa/Südskandinavien

Balkan und Anatolien

Der Bezug zwischen balkanischem und anatolischemNeolithikum ist ein lang diskutiertes Thema der For-schung. Vor allem südosteuropäische Archäologensehen enge Beziehungen und sprechen von einem»balkanisch-anatolischen Kulturkreis« des Neolithi-kums. Die zuvor erläuterten Kalkulationen zu den Be-völkerungsdichten scheinen zu bestätigen, dass dieVerhältnisse zwischen Anatolien und Südosteuropasehr ähnlich sind, und auch in der materiellen Kulturund Architektur gibt es erhebliche Gemeinsamkeiten.Neben technologischen Übereinstimmungen, wiez.B. Benutzung von Löffeln, Anbau gleicher Getrei-desorten oder aber auch Nutzung gleicher Haustier-arten sowie ähnlicher Bauweise der Häuser, lassensich zugleich auch kulturelle Kongruenzen feststellen.Dazu gehören v.a. die häufig genutzten weiblichenTonfiguren, gleiche Verzierungsmuster (»PhantasticStyle«), identische Kleidungs- und Schmuckelemen-te wie z.B. Gürtelschnallen aus Knochen oder Oh-renknöpfe, und auch im Hinblick auf die Hockerbe-stattungen innerhalb der Siedlungen bestehenGemeinsamkeiten. Somit deutet vieles darauf hin,dass sehr enge Netzwerke zwischen den genanntenRegionen existierten, die im Laufe der Zeit mit zu-nehmender Regionalisierung an Bedeutung verloren.

Häuser und Vererbung

Im Rahmen solcher Regionalisierungen erkennen wirerhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen bal-kanischen Gebieten. So entwickeln sich etwa in Thes-

salien Siedlungen, die um 4900 v.Chr. eine starke Innengliederung aufweisen: Mit Mauern und Durch-gängen werden Räume geschaffen, die eine klare Se-parierung in unterschiedliche Bereiche markieren.Ein Beispiel für eine solche Siedlung ist Dimini, daszwar nur ca. 1,5 ha groß ist, aber als Verarbeitungsortder Spondylus-Muscheln eine wichtige Rolle bei derProduktion und Distribution seltener Güter spielt.Dichte Siedlungen finden wir z.B. auch in Bulgarien,wo die Strukturen sogar eine regelrechte Planung na-he legen und die regelmäßigen Bestattungsplätze au-ßerhalb der Ortschaften eine Inbesitznahme des Ge-ländes andeuten.

In Bosnien existiert zu dieser Zeit mit Okolište ei-ne sehr große Siedlung (vgl. S. 22), die sich deutlichvon denen in Mittelserbien unterscheidet: Hier findetsich eine giebelparallele Reihenhausbauweise eng ge-stellter, kleiner Rechteckbauten, die im Gegensatz zuOrtschaften mit größeren Gebäuden und Anbautensteht (z.B. in Divostin). Diese beiden unterschiedli-chen Bau- und Flächenprinzipien bäuerlicher Sied-lungen verdeutlichen eine Entwicklung, die im Laufedes 5. Jt. v.Chr. zu einer Vergrößerung der Häuser mitzunehmendem Abstand dazwischen führt. Wie lässtsich diese Tendenz erklären?

Ein plausibles Modell geht davon aus, dass die engbebauten Siedlungen mit kleinen Einzelhäusern aufeine Vererbungsregel durch »Erbteilung« zurückge-hen. Aus mittelalterlichen und neuzeitlichen Beispie-len wissen wir, dass Erbteilungen zu einer dichterenund zugleich ärmeren Bevölkerung führen können.Große Gebäude mit Anbauten, die in gewissem Ab-stand zueinander stehen, lassen sich hingegen als Hö-fe auffassen und sind wohl als eine Art »Anerbe«(Vererbung des Hofs an einen einzigen Erben) wei-tergegeben worden. Hier ist mit einer weniger dichtenBesiedlung bei grundsätzlich reicherer Grundbevöl-kerung zu rechnen. Zugleich müssen allerdings nichterbberechtigte Personen woanders »unterkommen«.

Neben einer zunehmenden sozialen Ungleichheitinnerhalb der spätneolithischen und frühkupferzeit-lichen Gesellschaften Südosteuropas könnte der erhebliche Bevölkerungsrückgang mit den hier skiz-zierten Prozessen verbunden sein, da die lange dis-kutierten klimatischen Bedingungen als Ursache fürdiese Entwicklungen ausgeschlossen werden können.

Mitteleuropa als »melting pot«

Neben den Einflüssen, die auch aus West- auf Mittel-europa festzustellen sind (Weizenarten, Mohn, Kera-mikgruppe La Hoguette), hängen insbesondere dieNeolithisierungs- und Konsolidierungsprozesse von

Mitteleuropa als »meltingpot« | 21

Differenzen zwischen dengrößten Siedlungen des Neo-lithikums in den verschiede-nen Regionen Süd- und Mit-teleuropas.

| Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa – Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme22

Eines der wichtigsten Archive für das südosteuro-päische, aber auch vorderasiatische Neolithikum undChalkolithikum sind Siedlungshügel: Durch Ortskon-stanz von Bauwerken und klimatische Bedingungenentstehen Siedlungsschicht für Siedlungsschicht »Tells«,– also Siedlungshügel, auf denen sich die Bevölkerung»nach oben wohnt«.

Oft sind sie eingebettet in Siedlungskammern undnehmen manchmal zentralörtliche Positionen ein.Nördlich von Sarajewo wurden an der Bosna mehrereTells mit einer Schichtmächtigkeit von mehr als 1 m aus-gegraben. Besonders eindrücklich ist die Siedlung Oko-lište: Ihre Größe von über 7 ha entspricht in etwa 15 Fuß-ballfeldern. Die Siedlungsanlage war um 5200 v.Chr.geplant und bestand bis ca. 4600 v.Chr. Bis zu3000 Menschen lebten hier in giebelparallel angeord-neten Häusern an rechtwinklig angelegten Gassen. DasDorf kontrollierte die wichtige Neretva-Bosna-Routedurch das Gebirge, einen der wenigen Verbindungswe-ge zwischen Adria und mittlerer Donau. Kleinere Nach-

Okolište: eine Großsiedlung des bosnischen Spätneolithikums

Die Siedlung Okolište bestandvon 5200 bis 4600 v. Chr. undzählte bis zu 3000 Einwohner.Geomagnetik und Ausgra-bungsergebnisse lassen einegeplante Anlage aus kleine-ren Häusern (5 m x 12 m) er-kennen. Möglicherweise wirddas Erbteilungssystem sicht-bar, bei dem der Familienbe-sitz aufgeteilt wird.

1050 m1000 m950 m900 m850 m800 m750 m700 m

1050 m1000 m950 m900 m850 m800 m750 m700 m

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Grabungsflächen

Im spätneolithischen Bosnienwie hier in Okolište ist eineSpezialisierung unterschiedli-cher Haushalte auf verschie-dene Aktivitäten und auch ei-ne Überproduktion z. B. im Be-reich der Getreideverarbei-tung erkennbar. ReichereHaushalte enstehen. Mögli-cherweise führten soziale Un-gleichheiten zu Konflikten,die das Siedlungssystem ver-änderten.

Mitteleuropa als »meltingpot« | 23

Flächenverzierung

EE

CC

BB

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FF

DD

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Geräte-produktion

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WebenebenWeben

Ritus

RitusRitusRitus

Jagd

JagdJagdJagd

Fell

Geräteproduktion

GeräteproduktionGeräteproduktionGeräteproduktion

Geräteproduktion

Holz

Holz

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Jagd

Getreideverarbeitung

Fell

Spiral- und

Leistenverzierung

Unterproduktion Überproduktion Getreide

Phase

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1

Hauptphase

2

3

17*

47

46

555512

27*

36*

36*

* unsicherer Wert

65

28*

500-650

550-750

100-

120

75

4850

4700

5000

5200

v. u. Z

Siedlungsgrö

ße (ha)

Bebauungsdich

te (%)

Anzahl g

leichze

itiger G

räben

Anzahl g

leichze

itiger H

äuser

durchsch

nittlic

he Hausg

röße (m

²)

durchsch

nittlic

he

Brandhorizonte

30°

37°

50°

Haus-Ausri

chtu

ng (Grad)

5,6

7,0

1,2

?

33

11

1mK

1

1

mK menschliche Knochen

16

80

38

40

38

?

?

?

?

Vermehrte Brandhorizonte ab 4900 v. Chr.im bosnischen Okolište verdeutlichen dieZunahme sozialer Konflikte, was mit einerVeränderung des Siedlungsmusters ein-hergeht.

barsiedlungen im Visoko-Becken waren sicherlich abhän-gig. Angebaut wurden im Hackfruchtbau die Getreide Em-mer, Einkorn und Gerste – auch Linse und Lein (als Ölfrucht)spielten eine wichtige Rolle. Die Bevölkerungsdichte in deragrarischen Kernzone betrug 30 Einwohner pro Quadrat-kilometer, was unter Einbeziehung der nicht besiedeltenGebiete durchschnittlich zwei bis drei Einwohnern proQuadratkilometer entspricht. Ähnliche Werte kennen wirnicht nur für thrakische Siedlungskammern aus der glei-chen Zeit, sondern auch aus völkerkundlichen Vergleichs-beispielen.

In Okolište lässt sich eine Spezialisierung einzelnerHaushalte feststellen. Offensichtlich haben bestimmte Per-sonen andere mit Getreide beliefert. Die internen Konflik-te führten immer wieder zu Bränden und wechselndenSiedlungsgrößen. Dabei veränderten sich die Bebauungs-dichte und die Anzahl gleichzeitiger Häuser.

den »Rhythmen« der südosteuropäischen Entwick-lung ab. Die existierenden Netzwerke werden schlag-lichtartig an der weiträumigen Verteilung wertvollerGegenstände erkennbar. Hier sei an die Spondylus-Muscheln aus bandkeramischen Zusammenhängenoder die kupferzeitlichen Schwergeräte erinnert. Überpaläogenetische Analysen (aDNA) wissen wir, dassdie frühen mitteleuropäischen Rinder und Schweineanatolischen Rassen entsprechen, diese daher als do-mestizierte Tiere über Südosteuropa nach Mitteleu-ropa eingeführt wurden. Trotz dieser weit reichendenVerbindungen bleibt herauszustellen, dass die Inno-

vationen der Bandkeramik wie z.B. Langhäuser undGräberfelder außerhalb der Siedlungen keine »Vor-bilder« in Südosteuropa haben und die östlichen Ele-mente wahrscheinlich von einer Mischung verschie-dener Gruppen übernommen worden sind. Die hohegenetische Variabilität der Population bei einer er-staunlichen kulturellen Einheitlichkeit lässt das großelinearbandkeramische Gebiet eher als einen »meltingpot« erscheinen. Nach der »bandkeramischen« Krisesind es dann im 5. Jt. v.Chr. andere Elemente wie diekleineren Häuser, die möglicherweise auf Anregungaus dem südosteuropäischen übernommen werden.

| Frühe Bauern und Tellsiedlungen in Südosteuropa – Netzwerke, Bevölkerungsdichten und Siedlungssysteme24

In der Siedlung Divostin ste-hen um 4800 v. Chr. Häuser ingrößerem Abstand zueinan-der. Im Laufe von Generatio-nen kommen Anbauten hinzu.Möglicherweise zeigt sichhierbei das Prinzip eines An-erbes, bei dem der Hof an nureinen Nachkommen weiterge-geben wird, und zumindestein Teil der Bevölkerung dielokale Umgebung verlassenmuss.