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Sonderdruck aus: Diesseits der , Dämonischen Leinwand( Neue Perspektiven auf das späte \Teimarer Kino Herausgegeben von Thomas Koebner in Verbindung mit Norbert Grob und Bernd Kiefer Philipp Stiasny , Die *Waffen ruhen - Des lSieges Stürme schweigen . . . u Revisionen des \üTeltkriegs im frühen \Teimarer Kino . Seit längerem schon istcinstctigwactrscndcs Intercsse am Ersten'Weltkrieg, gedeutet als die ,Urkatasuophc dcs 20. Jahrhundertsr, zu bemerken, In den öeschichmwissenschaften vollzicht sich dabci rnir dem Ziel einer Erfah- rungsgeschichre des lGieges die Öffnung hin zu kuhurwissenschaftlichen Themen. Was die Weimarer Republik betrifft, treten an die Stelle der zuvor oft auf 1933 unddas Scheitern der Demokratie zielenden Fragen nun ver- mehrt solche nach der Prägung der Republik durch den Krieg und die nichtakzeptierte Niederlage. Die anhaltende Suche nach einer angemesse- nen Beschreibung dieser Zeir und der sie bestimmenden Mentalität spie- gelte sich jüngst erst wieder in der Überschrift eines Forschungsberichts: IGise als Normalität - Tiauma als Bedingung.r Auch in der Geschichte des Films, des Mediums mit der wohl größten Reichweite im letzten Jahrhundert, nimmt der \(eltkrieg eine Sonderstel- lung cin. Er wirkt nicht nur zugleich hernmend und bcschleunigcnd auf die allgemcine Envicklung cin; vielmehr muss dcr rtflcltlcricg auch ds crstcr trGieg angesehen wedcn, der von den Mineln modcrncr Propaganda' fa- runrcr dim Film, urnfassendcn Gcbrauch mecht. Bei dcm Vcrsuch, dcn IGieg in die Köpfe der Menschen, ob in der Heimat, an der Front oder im neutralen Ausland, zu bringen und ihn zu einem totalen zu machen, spielt der Film eine wichtige Rolle,2 Konfrontiert mit den viel weiter fortge- schrittenen Bemühungen der alliierten Propagandawird auch in Deutsch- land die ,Mobilmachung des Bildes, gefordert, 1917 heißt es rückblickend: oErst ganz allmählich serzte sich (in Deutschland; P S.) die Einsicht durch, daß in diesem Kampf auf Leben und Tod alle \Va[fen, auch die geistigen und mordischen, gebraucht wcrdcn müLsscn, und erst nach zwei Kriegs- j ahren begannen die ersten amdiöen Vcrsuchc, dic wichd gsten dieser'Waf- fen, Bild und Film, in den Krcis dcr Kriegsftihrung zu ziehen.n3 In der For- schung ist die Bedeutung des lfuieges ftir das Kino zwar allgemein erkannt '\ worden, doch sind bislang lediglich Teilbereiche untersucht worden, da- runter die insdrudonelle Organisation der Filmpropaganda und ihre ästhe- tischen Vermitdungsstrategien.4 Eine umfassende Darstellung der unter- schiedlichen Reaktionen des deutschen Kinos aufden Krieg steht noch aus. t7r . e:nt'd edition text + kritik w*'

\"Die Waffen ruhen – Des Krieges Stürme schweigen ...\". Revisionen des Weltkriegs im frühen Weimarer Kino

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Sonderdruck aus:

Diesseits der, Dämonischen Leinwand(

Neue Perspektiven auf das

späte \Teimarer Kino

Herausgegeben vonThomas Koebnerin Verbindung mit

Norbert Grob und Bernd Kiefer

Philipp Stiasny

, Die *Waffen ruhen - Des lSieges Stürme schweigen . . . u

Revisionen des \üTeltkriegs im frühen \Teimarer Kino

. Seit längerem schon istcinstctigwactrscndcs Intercsse am Ersten'Weltkrieg,

gedeutet als die ,Urkatasuophc dcs 20. Jahrhundertsr, zu bemerken, In den

öeschichmwissenschaften vollzicht sich dabci rnir dem Ziel einer Erfah-

rungsgeschichre des lGieges die Öffnung hin zu kuhurwissenschaftlichen

Themen. Was die Weimarer Republik betrifft, treten an die Stelle der zuvor

oft auf 1933 unddas Scheitern der Demokratie zielenden Fragen nun ver-

mehrt solche nach der Prägung der Republik durch den Krieg und die

nichtakzeptierte Niederlage. Die anhaltende Suche nach einer angemesse-

nen Beschreibung dieser Zeir und der sie bestimmenden Mentalität spie-

gelte sich jüngst erst wieder in der Überschrift eines Forschungsberichts:

IGise als Normalität - Tiauma als Bedingung.r

Auch in der Geschichte des Films, des Mediums mit der wohl größten

Reichweite im letzten Jahrhundert, nimmt der \(eltkrieg eine Sonderstel-

lung cin. Er wirkt nicht nur zugleich hernmend und bcschleunigcnd auf

die allgemcine Envicklung cin; vielmehr muss dcr rtflcltlcricg auch ds crstcr

trGieg angesehen wedcn, der von den Mineln modcrncr Propaganda' fa-runrcr dim Film, urnfassendcn Gcbrauch mecht. Bei dcm Vcrsuch, dcn

IGieg in die Köpfe der Menschen, ob in der Heimat, an der Front oder im

neutralen Ausland, zu bringen und ihn zu einem totalen zu machen, spielt

der Film eine wichtige Rolle,2 Konfrontiert mit den viel weiter fortge-

schrittenen Bemühungen der alliierten Propagandawird auch in Deutsch-

land die ,Mobilmachung des Bildes, gefordert, 1917 heißt es rückblickend:

oErst ganz allmählich serzte sich (in Deutschland; P S.) die Einsicht durch,

daß in diesem Kampf auf Leben und Tod alle \Va[fen, auch die geistigen

und mordischen, gebraucht wcrdcn müLsscn, und erst nach zwei Kriegs-

j ahren begannen die ersten amdiöen Vcrsuchc, dic wichd gsten dieser'Waf-

fen, Bild und Film, in den Krcis dcr Kriegsftihrung zu ziehen.n3 In der For-

schung ist die Bedeutung des lfuieges ftir das Kino zwar allgemein erkannt '\worden, doch sind bislang lediglich Teilbereiche untersucht worden, da-

runter die insdrudonelle Organisation der Filmpropaganda und ihre ästhe-

tischen Vermitdungsstrategien.4 Eine umfassende Darstellung der unter-

schiedlichen Reaktionen des deutschen Kinos aufden Krieg steht noch aus.

t7r

. e:nt'd

edition text + kritik

w*'

Philipp Stiasny

Vergleichsweise gut erforscht ist dagegen der Film der \Teimarer Republik,und der Frage danach, wie sich Bilder und Erfahrungen des Krieges im lVei-

marer Kino niederschlugen, Wird heute aus unterschiedlicher Perspektivenachgegangen.

Im Folgenden gilt es, nach einer Skizzierung der gegenwärtigen For-schungstendenzen zum Therna \Teimarer Kino und

'sfleltkrieg den Blickauf die unmittelbare Nachkriegszeit und damit auf eine bislang in der For-schung unterrepräsentierte P\ass zu lenken. Zunächst werden neue Beob-achtungen über den Übergang von der Kriegszeit zur Nachkriegszeir vor-gestellt, die die vorherrschende Einschärzung relativieren, der Krieg sei injenen Jahren im Spielfilm nicht thematisierbar gewesen. Eine Verbindungzwischen dem propagandistischen Spielfilm der Kriegsjahre und den spä-teren Kriegsfilmen stellt hier eine Reihe antibolschewistischer Filme her. Eswird zu zeigen sein, dass die Kriegsdarstellung im Kino ab November 1 9 l8in Filmen über den Bruderklisg srarrfindet; deutliche Zäsur.en werdendadurch aufgeweicht. Die Kqndnuität, die zwischen dem Kriegsfilm derKriegszeit und jenem der Nac\klisgszeir bestehr, soll dann eingehender amFall von lharus dargestellt werden, einem Film, der vor lGiegsende produ-ziert wurde, jedoch erst 1919 nach einigen signifikanten Anderungen indie Kinos gelangte. Am Beispiel dieses Films, mit dem nicht einem Höhen-kammfilm, sondern einem au5gs5prochenen Genrefilm Aufmerksamkeitzuteil wird, soll ein Beitrag dazu geleister werden, die Frühgeschichte des

Genres zu rekonstruieren. Es werden Deutungsmöglichkeiten verhandelt,die sich im Kern um die Zugeh<irigkeit zum Genre Melodram und denBegriff der Myrhisierung drehsn und vor dem Hintergrund einer rum-kämpften Erinnerung< stehen.t Ein Ausblick auf thematische und ästheti-sche Entwicklungen des Kriegsfilms ab Mitte der zwanziger Jahre steht amSchluss.

I Das -Weimarer Kino und der'\?'eltkrieg. Ein Forschungsbericht

In der Forschung zum'Weim41ss Kino tritt heute eine Verschiebung bis-heriger Prämissen hervor, die der Auseinanderserzung mit der Reflexion vonKriegserfahrungen offenbar vorangehen muss. Siegfried Kracauers Thesein oVon Caligari zu Hitler<, dass sich im'Weimarer Kino aus massenpsy-chologischem Blickwinkel Herrschaft und Ideologie des Nationalsozialis-mus vorausahnen ließen, bekommt Konkurrenz durch die Einschätzung,die Filme verhandelten nicht se sehr die Zukunft als vielmehr die unbe-wältigte Vergangenheit. Die Abkehr von den alten Deutungsmustern

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. Revisionen des Weltkriegs im frühen !?'eimarer Kino

scheint also nowendig, wie Klaus lGeimeier anmahnt: ,,Bei ihm (lGacau-

er; P S.) phantasieren die Filme antizipatorisch, sie träumen voraus - undin Deutschland können sie immer nur von Hitler träumen. Eine diametralentgegengesetzte Deutung (...) bestünde darin, in den Filmen der (frühen)zwanziger Jah.re die Verarbeitung ihrer Vorgeschicbte zu lesen, also die Sub-geschichte des Kaiserreichs und des lSieges, an dessen Ende es zerbrach.<6

Bemerkenswert sei ferner, ,daß nur sehr wenige Filme der \Teimarer Repu-blik den Bfuieg, als Erfahrung des rKriegers., ungefiltert reflektieren (...).

Umso näher liegt es, die Resultate des Anschauungsunterrichts, den derkieg l9l4- l8 erteilt hat, in den vordergründig ,zivilen, Sujets der Filmeauft,uspüren.<7

Auf jenen Spuren, die die Kriegspsychosen und Tlaumara in verschlüs-selter Form im \Teimarer Kino hinterließen, bewegt sich schon seit JahrenAnton Kaes. Seiner historisierenden Lesart kanonisierter 'W'erke von DasCabinet dzs Dr. Caligari (Robert Viene,1920) iber Me*opolis (FritzLang,1927) 6is M (Fritz Lang, l93l ) gelingt es, den vermeintlichen Hintergrundund gesellschaftlichen Kontext der Filme so weir in den Vordergrund, indas Rampenlicht zu stellen, dass ganz neue Zusammenhänge entstehen,Caligari vermag dann, eingebettet in die zeitgenössische Debatte um dieMethoden der Militärpsychiatrie, vom mörderischen Verhältnis zwischenMilitärarzt und lGiegsneurotiker zu erzählen und wird Teil des Diskursesüber den IGieg. Die Form des Horrorfilms, die Überseuung des Tiaumasin die Sprache des Films, erlaubt dabei Kaes zufolge eine Abbildung derFronterfahrung, die an Authentizität die naturalistischen Kriegsfilme über-trifft.8 Auch M deutet Kaes als Film, der mit Massenhysterie und roralerMobilmachung der Stadt zugleich eine Gesellschaft im Kriegszustand dar-stellt. Im Kindermörder Beckert finde schließlich die Tiagödie des Solda-ten als Massenmörder wider \Tillen Ausdruck, dessen gequälter Körper das

Thauma bezeugt, nicht vom Unsagbaren sprechen zu können.9Dass Kreimeiers Diagnose, es hätten >nur wenige Filme der'Weimarer

Republik den lGieg, als Erfahrung des ,l3iegers., ungefiltertn reflektiert,gleichwohl einer Korrektur bedarf, hat unlängst Bernadette Kesters Dis-sertation in den Blick gerückt. \üZendet sich nämlich beispielsweise Kaes derfilmischen lGiegserfahrung in ihren Verschlüsselungen zu, die allerdingsangesichts ihrer durchgehenden Gewalmätigkeit der gängigen Vorstellungeines - so lGeimeier - >,zivilen< Sujets< schwerlich entsprechen dürften, so

geht es Kester in ihrer Rekonstruktion des Genres \Teltkriegsfilm um mani-feste Inhalte.r0 Bislang geisterte durch die Forschungsliteratur eine ziem-Iich ungenaue Vorstellung vom Genre'Weltkriegsfilm. Zwar erregte mit derRemarque-Verfilmung lrn Westen nichts Neues (All Quiet on the Vestern

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Philipp Stiasny

Front,Lewis Milesrone, usA 1930) ein amerikanischer vertreter des Gen-

res durch den politischen Skandal nach der deutschen Premiere im Dezem-

ber 1930 ungeheures Aufsehen, ansonsten jedoch schien das Genre aus

kaum mehr als einer Handvoll einerseits pazifistischer, andererseits natio-

nalistisch-heroisierender Filme aus der frühen Tonfilmzeit zu bestehen' Erst

Kesters gründliche Arbeit hat sich darangemacht, ein umfassendes und prä-

zises Bild des vernachlässigten Genres zu zeichnen. Indem Kester ganz zu

Recht nicht nur die ausgesprochenen Frontfilme dem Genre zuschlägt, son-

dern eben auch jene Melodramen, Abenteuer- und Spionagegeschichten,

in denen der Krieg ds Folie fungierr, gewinnt sie ein Untersuchungskor-

pus von 26 Filmen ftir den Zeitraum 1925-1933. Dieses Korpus wird

b.ft"gt nach wiederkehrenden Themen und Motiven, nach dem U-g"ttgmir der Kriegsschulddebatte, der Darstellung der oft anmgonistisch ge-

fassten Kriegserfahrungen an der Fronr und in der Heimat und nichrzulerzt

nach geschlechtsspezifi schen W'ahrnehmungsmodi.

Da Kesters Interesse neben den einschlagi g bekannten'We rken wie'W'e s t-

font 1918 (G.10ü. Pabst, 1930), NienandskndMaor Thivas, 1931) und- Morgcnrot (Gustav Ucidcy, I 933) bcsonders euch den Niederungen des so

g.niorrt.n Trivial- oder publikumsfilms gilt, stehr sie hier vor einem Be-

ieich, dessen materielle Überlieferung von besonders großen Verlusten

bestimmt ist. In der Mehrheit sind die fur das Genre konstitutiven Filme

nicht erhalten, darunter Volh in l/ar ('Wolfgang Neff, 1925), Der Mann

aus dem Jenselrs (Manfred Noa, I 926), (Jnsere Emden (Louis Ralph, 1926),

U 9 'Veddigen (Heinz PaLul, 1927) vnd Dcatchc haten, dcunchc Trcac

(Volfgng Nefi l92S). Dass Kcster uotzdem erhebliche Defizite des bis-

herigen Forschungsstandes zu beheben vermag' liegt daran, mit welchem

Gewinn sie die Vielzahl der Sekundärtexte in Fach- und Tagespresse aus-

wertet.Bewirkt durch die Überlieferungslücken verlagert sich hier also das

Augenmerk von der am Filmmaterid selbst arbeitenden ästhetischen Ana-

lyse hin zur Rezeptionsanalyse und der Frage nach deren vielPjltigen histo-

rischen Bedingungen. Nachdrticklich widerlegen die Ergebnisse der Arbeit

die immer noch anzutreffende Ansicht, als ernst zu nehmende Quelle kom-

me die Tagespresse aufgrund ihrer politischen Befangenheit und Abhan-

gigkeit von Anzeigenkunden nicht infrage. Für eine Zeit, in der Filmkritikneben der ästhetischen Beurteilung auch Fragen des Unterhaltungsweftes

und der gesellschafrpolitischen Implikationen einschloss, erscheint die

Tägespresse bei der rnühsamen Rekonsruktion der populären Genres und

ihrer diskursiven Funkdonen - besonders mit der zunehmenden Etablie-

rung der Filmkritik ab etwa Anfang der zwanziger Jahre - als unverzicht-

174

Revisionen des ti7eltkriegs im lrühen W'eimarer Kino

bar für die filmhistorische Arbeit. Diese Arbeit allerdings ähnelt dannzunehmend der eines Archäologen.

'Wie ertragreich die Auswertung solcher sekundären Quellen sein kann,stellte Georges Sturm jüngst erst in einer Studie unter Beweis, deren beson-

derer Reiz darin besteht, dass sie einen scheinbar gut vertrauten, ja, denvielleicht prominentesten deutschen Regisseur, FritzLang, in neues Lichttaucht.rl Sturms akribisches Studium der zeitgenössischen Presse schenktLangs frühen, nur lückenhaft überlieferten Filmen eine ungeahnte Plasti-zität. Dadurch werden Erkenntnisse möglich sowohl über'Werbestrategi-en, ästhetische Konstruktionsprinzipien der Filme und deren inhaltlicheImplikationen vom Eugenik- und Rassendiskurs bis zur Exotikmode. Deut-Iich wird die Dynamik der unmittelbaren NachLniegszeit, die - so scheintes - bereits vor November I 9 I 8 anbricht und in der Altes und Neues neben-einander fortbestehen. Die Vorgeschichte des Medienlieblings Lang imfrühen Kino mit seinen Konventionen und Standards tritt zutage.

Hinsichtlich der Jahre 1 9 I 8 - I 920, denen als,zensurlose Zeit< gelegent-lich eine Art Scharnierfunktion zwischen dem Kino des Kaiserreichs unddem der Republik zugewiesen wurde, sind auch von Seiten der Genrefor-schung Defizite erkannt worden. Die Auseinandersetzung mit dem Auf-klärungs- und Sittenfilm hat beispielsweise die Frage nach der Periodi-sierung der \Teimarer Filmgeschichte neu aufgeworfen und - gar nichtverwunderlich - die ästhetische und diskursive Kontinuität zur Monarchiedeutlich gemacht. Das Image des Kinos wurde durch dieses Genre mitge-prägt, und an seiner Geschichte lassen sich ästhetische, wirtschaftliche undsoziale Wandlungen nachvollziehen. Der Aufklärungs- und Sigenfilm er-

scheint als das Produkt einenZwischenzeit., deren Erforschung gleicher-maßen produktiv ist im Blick zurück auf Kaiserreich und Kriegszeit undnach vorne auf die Republik.t2 Je ne rZwischenzeitu, die zusammenFällt mitden frühen Meisterwerken so unterschiedlicher Regisseure wie ErnstLubitsch, Friedrich'lTilhelm Murnau und eben auch Fritz Lang, stellt sichbei näherem Hinsehen als immer unbekannter heraus. Es öffnet sich dieSicht auf einen Forschungsbereich, der vor allem abseits der klassischen

Pfade einem weißen Feld gleicht, präziser vielleicht: einer unübersehbarenMatschwiese. Das gilt zumal ftir die Thematisierung des'Weltkrieges in,manifester. Form.

Auffallen muss schließlich, dass bislang nach übereinstimmender Mei-nung >manifeste, Kriegsfilme erst in der zweiten Hälfte der zwanziger Jah-re nachweisbar sind. Zwar ist es Bernadette Kester gelungen, einen Abstanddes Genres vom alles überragenden Film Irn Westen nichts Neues zu schaf-

fen und es durch eine Vordatierung aus dem Schatten des Remarquefilms

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Philipp Stiasny

zu lösen. Doch auch sie kann ihren Befund nicht plausibel machen, dass

erst 1925, in zeitlicher Nähe zur Vahl des Kriegshelden Hindenburg zum

zweiten Reichspräsidenren, in Deutschland wieder Kriegsfilme produziert

werden.r3 Dafür sind verschiedene Erklärungen gegeben worden.

Produktionsgeschichtlich argumentiert Thomas Saunders' Er nimmt

einen unausgesprochenen Konsens der Produzenten an, demzufolge derlVeltkrieg

"li äuß.tst polarisierender Stoff ohne Unterhaltungswert auf

Ablehnung stieß. Um das Publikum - und damit die Gewinnaussichten -nicht unnötig zu spalten; habe man den Krieg nach l9l8 in Deutschland

wie auch in anderen staaten auf der Leinwand als Tabu behandelt. Massiv

infrage gestellt wurde diese Auffassung, wie Saunders zeigt, dann ab Mitte

der iwanziger Jahre durch den internationalen Erfolg einer Reihe neu-

artiger, realistischerer Kriegsfilme aus den USA, im Zenrtum davon The

Big Paradr (King Vidor, 1925). Demnach reagierte die europäische Pro-

duktion auf das Gefuhl der Bedrohung, dass das nationale Kriegserlebnis

durch die Amerikaner kommerzialisiert, trivialisiert und monopolisiert

würde.laDagegen liefert Rainer Rother eine eher mentalitätsgeschichtliche Er-

klaru.tg ftir die )verspätete Reaktion,.rs Die Fahigkeit, die traumatischen

Kriegsereignisse mit der norwendigen Distanz darzustellen, habe in der

\Teimarer Republik erst langsam enmrickelt werden müssen' Der Kriegs-

boom schließlich, der nach dem Erfolg Remarques neben der Literarur auch

die Filmproduktion ergriffen habe, steht Rother zufolge auch im Zusam-

menhang mit der Durchsetzung des Tonfilms. Die Einbeziehung von

Granatenlärm und Menschengeschrei habe eine umfassendere ästhetische

Reproduktion der Kriegserinnerungen ermöglicht. Ahnlich wie Rother

argumentieren Knut Hickethier und Marcus Bier, um das Aussetzen in der

Produkrion der Militärschwänke zwischen Kriegsende und Mitte det zwan-

ziger Jahre zu erklären. Zwar spielen die Filme dieses Genres gewöhnlich

,ri.h. in Kriegszeiten, gleichwohl verbindet sie mit den'Weltkriegsfilmen

die Assoziationskette Uniform - Miliür - Krieg: ,Das Militär war nach

dem verlorenen Krieg im Kino nicht sujetfähig, weniger weil das Publikum

pazifistisch gesinnt war, sondern eben weil sich die Vorstellung vom Militärunauflösbar mit den Bildern des Kriegs verbunden hatte.nl6 Erwfint sei

hier auch, wie der Historiker George Mosse die Frage nach der erst spät

einsetzenden Darstellung des Krieges im'Weimarer Kino funktionalistisch

angeht. Er erblickt nämlich im Genre des nach 1925 sehr populären Berg-

films einen direkten ,Ersatz ftir lGiegsfilme<: >Die 'Welle der sogenannten

Bergfilme (,..) verfolgte dieAbsicht, die'Wunden derNiederlage durch einen

Appell an Reinheit und Männlichkeit zu heilen: Die Eroberung von Gip-

176

Revisionen des rVeltkriegs im Frühen \Teimarer Kino

feln und Gletschern symbolisierte individuelle Stärke in einer'Welt, die aus

dem Lot gera tenwar.nrT Zwar ist eine enge Verbindung von Krieg und AIpi-nismus auch anderweitig konstatiert worden,ts doch steht eine genauereAusftihrung der Thesen Mosses am filrnischen Material aus. Die jüngereForschung freilich steht dieser Deutung zumindest dorr, wo sie sich starkan Kracauer anlehnt, eher skeptisch gegenüber.le

II Vom Krieg zum Nachlaieg. Neue Beobachtungen

Gegenfiber den vorangehend referierten Erklärungen ftir die rverspäter, ein-setzende Produktion von rVeltkriegsfilmen ist Skepsis angezeigt. Denntatsächlich sind auch in jenen Jahren, die oben als ,Zwischenzeitr markiertwurden, Filme hergestellt und vorgeführt worden, die direkt auf den KriegBezug nehmen. \7ie es scheint, wurden die frühen Verrrerer des Genres bis-lang schlichweg übersehen. Gleichwohl haben sie Spuren hinterlassen, zwarnur selten in Form von archiviertem Filmmaterial, aber immerhin in gele-gentlichen Anktindigungen und Rezensionen in der Fach- und Tägespres-se sowie in Zensurunterlagen.

Neben lkarus (CarlFroelich, 1918/1919), einer später eingehender unter-suchten Spionage- und Luftkriegsgeschichte, handeln auch die nachfolgendnfr knapp dokumentierten Filme vom ßirieg. Der sofort nach der Premie-re verbotene Film Kaiser Wilhelms Glüch und Ende (Villy Achsel, l9l9),eine Biographie des letzten Kaisers von Bismarcks Entlassung bis zumZusammenbruch 1918, will zeigen, ,wie die Eigenschaften dieses Charak-ters (\X/ilhelms IL; P. S.) mit zwingender Norwendigkeit zu dem Ergebnisftihren mußten, vor dem wir heute stehen.n Der ,'üTahnsinn des Vtilker-mordensn, den das \7erk mit Bildern aus der Kriegszeir zu illustrieren ver-spricht, stellt im Leben des Kaisers einen \Tendepunkt dar. Den Schlussdes Films erklärt das Programmheft so: oDie \Tiderstandskraft des tapfers-ten Heeres wird im jahrelangen Ringen zermürbt und der unvermeidlicheZusammenbruch eines veralreten, militaristischen Systems ftihrt zur Revo-lution. Mit der Erkenntnis, daß die Armee nicht mehr hinter ihm steht,bricht die letzte Hoffnung des Kaisers zusammen,n20

\7ie durch den FGieg, durch Hass und fanatischen Patriotismus die Bezie-hung zwischen einer Amerikanerin und einem Deutschen zerstört wird,erzählt Liebe (Manfred Noa, 1919). über dem Grab des als Kriegsfliegersgefallenen Geliebten kommt es nach lGiegsende zur Versöhnung der Fraumit dem Vater des Mannes. Pathetisch gelobt der Vater am Schluss: olchhabe schwer gefehlt, aber noch ist es Zeit zur Sühne. Ich will an den Kin-

177

Philipp Stiasny

dern gutmachen, was an den Vätern gesündigt wurde' ich will sie zusam-

men tun, aus allen Nationen, daß sie lernen, Menschen zu sein und Men-

schen zu lieben, daß sie nichts mehr wissen von Völkerhaß und lirieg, weil

sie sich ehren in gegenseitiger Menschenliebe.u2L

Vom habsburgischen Thronfolger, seiner Heirat und den Verschwörern

gegen die Monarchie berichtet Der Doppelrnotd uon Sarajewo' Die Schuld

am Vehhricgc (Rolf Randolf, l9l9l1920). Der Film endet mit der Ermor-

dung Franz Ferdinands und nimmt die Entstehung der lftiegsstimmung

vorweg.22

In die Gcgenwan hinein wirken der'lfeltkrieg und die in Rückblenden

eingeftigren Erinnerungen an Tod und Zerstörungin Veh ohne Krieg(FrinBernhardt, 1920), der Geschichte eines Fanatischen, unter dem Kriegstod

seiner Frau leidenden ehem aligenLazarettarztes. Dieserwill durch die Erfin-

dung einer Apparatur, die durch Radiofunken Munitionslager auf beliebi-

ge Entfernung zünden kann, zukünftige Kriege unmöglich machen. Die

Pläne seiner Erfindung will er in aller \relt veröffentlichen, doch durch die

Gegenerfindung eines Funkenzerstörers werden die PIäne unbrauchbar. So

steht am Ende des zwischen Melodram, Spionage- und Erfindergeschich-

te schwankenden Films die Erkenntnis, dass der Krieg durch technische

Mittel nicht zu vernichten sei.z3 Zu Recht bemerkt ein Kritiker, der Titel

müsse eigendich uVelt nicht ohne Kriego heißen.2a

Die Ifticgsgefangenschaft und dic Behandlung deumcher Soldaten in

Franlueich pra n1ei_ Shhaen fus 20. tahrhan&rt' Dcr Gefangcne (CarlHeinz

Volff, 1920) an. oln eine simple, reichlich dtinne Handlung( - schrcibt

Fritz Olimsky in der oBörsen-Zeitungn - owerden hier mit oft packender

Realistik Bilder aus dem Leben unserer IGiegsgefangenen gezeigt' Großen-

teils ausgezeichnet waren im ersten Akt die Szenen aus der Schlacht um

Verdun, Bilder aus dem Schlamassel des Grabenkrieges, wie ich sie im Film

noch nicht besser gesehen habe, und doch war manches nur schwach, so

z. B. das Tiommelfeuer, inmitten dessen Unteroffizier Lehmann anfängt sei-

ne Geschicht ezu erzählen (!), dafürwaren die Bilder aus dem französischen

Gefangenenlager umso besser. Ein Tendenzfilm im besten Sinne des \7or-tes, der durch seine grausige Realistik nicht Haß erwecken will, sondern

ausklingt mit der müden Frage: wozu das alles?u2t Voll Empörung uneiltdagegen der nBörsen-Couriern: ,Diese von Statisren gcstellte Schlacht von

Arras, dieses t€te-ä-töte zwischen F3ankenschwester und Lazarettpflegling,

diese stacheldrfite, hinter denen deutlich geschminkte Statisten nach dem

Tarif bemüht sind, schmerzliche Gesichter zu ziehen, sind eine Majestäts-

beleidigung gegen die Tiagödie des deutschen Volkes, '!7ir sind den Jahren

des Leidens an sich noch zu nahe, um gern noch einmal erinnert zu wer-

178

Revisionen des'Wel tkriegs i m frühen'Weim arer Kino

den, und nur der hat das Recht, an unsere'Wunden zu rühren, der uns

menschlich erwas zu sagen hat.<26 Einwände gegen Der Gefangena, der unterdem Protektorat der Reichsvereinigung ehemaliger liriegsgefangener ent-stand, werden, aus anderen Gründen, noch vor der Zensur auch von offi-zieller Seite vorgebracht. Das Auswärtige Amt kritisiert - mit Erfolg - nichtnur die Verwendung von alten Frontaufnahmen aus den Beständen des

Reichsarchivs und die Darstellung eines deutschen Gefangenen als Verrä-

ter an seinen Kameraden, sondern auch die andfranzösische Tendenz. Nichtzuletzt nkönnten aber auch deutsche Kreise sich verletzt ftihlen von der Auf-fassung, daß ein deutscher Soldat als Sklave des lirieges bezeichnet wird.Auch innere Meinungskimpfe, die heute jedenfalls höchst unerwünschtwären, könnten die Folge sein,n27

Vom gleichen Thema wie Der Gefangene handelt auch, Kriegsgefangen

(Lüttringhaus, 1920), allerdings in heiterer und komischer 'Weise. Dieangeblich nach einer wahren Begebenheit inszenierte Geschichte erzähltdavon, wie eine junge Frau während des Krieges in französischer Uniformvon Köln nach Paris Fihrt und dort ihren Bräutigam ungehindert aus demKriegsgefangenenlager befreit. 28

Die einzige große Seeschlacht des \Teltkrieges zwischen der deutschenund der britischen Flotte ist Thema des Kompilationsfilms Die Shagerrah-

schhcht (Deulig, 1920ll92l), dem amtliches Filmmaterial zugrunde liegtdnd dessen Vorführung auch von Reichswehrminister Geßler und dem Chefder Marineleitung Admiral Behncke besucht wird.2e

Dass staatliche Stellen den ßGiegsfilmen und speziell Darstellungen des

leidenden Deutschlands in Krieg und Nachkrieg grundsätzlich mit kriti-schem Interesse gegenüberstehen, geht aus den überlieferten Regierungs-akten hervor, Dabei kollidieren nicht selten die Vorstellungen der unter-schiedlichen Behörden. Innenpolitisch opportune Klagen gegen die Entente

prallen immer wieder auf außenpolitische Deeskalationsbemühungen,denen angesichts der Exportabhängigkeit der deutschen Filmproduktionmeist Vorrang gebührt. Direkte Unterstützung ftir politisch besetzte Spiel-filmthemen dtirfte deshalb, wenn überhaupt, sehr selten vorgekommensein. So bleibt auch die Planung eines Biriegsfilms mit dem Arbeitstitel>Mars<, die von einem hochrangigen Mitarbeiter der Nachrichtenabteilungdes Auswärtigen Amtes, Kiliani, im August I 9 19 angeregt wird, eine Epi-sode. Kiliani schwebt ein deutsches Gegenstück zu Intolerance (D.V. Grif-fith, USA 1916) vor, das das Motiv der Hungerblockade und deren ent-setzliche Folgen durch die Jahrhunderte verfolgen und speziell im AuslandSympathie für Deutschland bewirken soll. Um Unterstürzung und Betei-

ligung wirbt Kiliani daher bei renommierten Künstlern wie Hugo von Hof-

179

Philipp Stiasny

mannsthal und Richard Strauss. Dem Komponisren beschreibt er seine Idee:

,Es könnte also die Schlacht, das Grausen, die Zerstörung und alle Folgen

des Krieges: Revolution, Anarchie, die Spielwut, die Tänzwut, der Hunger'

das Eroiische, das ,Mars, auslöst, in kolossalen Bildern aus der ganzen

Menschhcitsgeschichte gebracht werden.<1o Anderer Natur sind die Pro-

bleme, die den Behorden die eigcnen aken Filme dcs BUFA aus der Kriegp-

zeit bereiren, dic nach längerem Hin und Her zum großen Tcil ins fuchiv

der uFa kommen. Streir gibr es nach dem lirieg beispielw'r,eise um den so

genannten Möwe-Film, Gr4Oob"oundscinc Miiwc flüiroffi' 7917), der die

Verse.krng ausländischer Handelsschiffe durch den kleinen deutschen

IGeuzer o1löo,.n zeigr. Da die öffendiche Vorftihrung solcher Bilder nach

1918 von staatlicher Seite her als hOchst unerwtinscht gilt, rrin der Macher

des Films, Kapiünleutnant \wolfi in einen längeren Rechtsstreit mit dem

Auswärtigen Amt um entgangene Lizenzeinnahmen ein. Eine Kopie des

deutsch.i U-Boot-Films U 35. Der magischc Gürtel (Hans Brennert, I 9 I 7)

hatte es dagegen nach England verschlagen, wo der Film - umgeschnitten

und mit aniideurschem Kommenrarversehen - den unfairen U-Boot-Firieg

der Deutschen entlarv€n soll. Seine Vorftihrung in London im Herbst 1919

verursacht im Auswärtigcn Amt goße Aufregung und Verstimmung'3r Ob

es sich schlicßlich bei jenen lcicgsfilmen, deren vorftihrung in den Kin-

dervorsrcllungen gelegentlich beklagt wird, ebenfalls um kursierendes

Marerial "ur

üUFÄ-B.sränden handelr, ist nicht mehr zu klären, ist aber

nicht unwahrscheinlich.l2

III Vom \Teltkrieg zum Bruderkrieg

Für die Produktionspolitik bedeuteten die lctzren lGiegswochen und die

phasc nach der Ausrufrrng dcr Republik mit ihren Richtungsdebatten

zugleich eineT*ir der Verunsicherung und der Konjunktur. '\üie viel sich

inierhalb von kurz*r 7*ic an mitunter nur vorübergehe nden \Tandlungen

abgespielt hat, macht die Durchsichr der Fachpresse erkennbar. Pathetisch

*iid ä" ein Neuanfang verheißcn, und eine große Zahl von Titeln, von

denen viele freilich nie realisiertwerdcn, serzr aufVerbrüderung und sozia-

len Ausgleich, vor dlem ein sozialdemokradsches Publikum soll, so scheint

es, g.ktidert werden mit Titeln wie Frdinand Lassalle (Rudolf Meinert,

l9l8), htiheit, Gbichhcit, Britdcrlichkcit (Georg Victor Mendel, 1918)'

August Bebel. Der grosse Volhsflrn (nach \Talter Hasenclever, l9l8), Derno-

hritie (GeorgJa.iby, l9l8), Jean Jazzrls (Schuber-Stevens, l9l8) und. Du

feies drutsches Volk (1918)'

180

Revisionen des l7eltkriegs im frühen Weimarer Kino

Bereits zwei W'ochen nach dem 9. November wird die Entwicklungbeklagt. Die Filmbranche habe, heißt es am 23.11 . I 9l 8 im Leitartikel von,rDer Film<,

mit dem unverwüstlichen lJnternehmungsgeist, der sie kennzeichnet, begonnen,

die neue politische Konjunktur in Films umzusetzen. Wer heute die Ankündi-gungen unserer Filmfabriken durchblättert, sieht eine rasch wachsende Zahl vonsozialistischen, antibolschewistischen, sozialistisch-historischen, Verbrüderungs-usw. Films. Ein Teil von ihnen wird sicher ein gutes Geschäft werden, auch nach

dem Ausland. Aber nichts wäre gefährlicher als eine zügellose Produktion dieser

Richtung. Verleiher und Theaterbesitzer wehren sich heute schon mit Entsetzen

gegen den Gedanken, sich durch eine Sintflut ,roter, Films hindurchspielen zu

müssen. In der Tät wird man damit rechnen müssen, daß der Bedarf der Kinobe-sucher an Films dieser Art verhältnismäßig rasch gedeckt sein wird.33

Deutlich gegen bolschewistische Tendenzen und die oallzu Eifrigen und all-zu Dienstbeflissenenn in der Filmwirtschaft wendet sich auch die ,Licht-Bild-Bühnen im Artikel ,Die Aufgaben der Filmindustrie im politischenKampfi,. Sie mahnt, dass die angekündigten Filme ozweifellos in der nächs-

ten Zeit eine starke Auswirkung auf die öffentliche Meinung ausüben< wür-den, und fordert die Parteinahme für die derzeitige Regierung. Die Film-p,;:oduzenten ,sollten ihre politischen Films so gestalten, daß ein scharferStrich erkennbar wird zwischen der Sozialdemokratie, die den Geist derDemokratie hochhalt und ihn in der Nationalversammlung zum Ausdruckbringen will, und jenen Elementen, denen der Begriffder Demokratie Schallund Rauch geworden ist und deren Freiheitsphrasen nur darauf hinaus-laufen, an die Stelle der nun glücklich abgelaufenen Militärdiktatur die Dik-tatur des Proletariats zu setzen.u34

Der Aufforderung, eine scharfe Grenze zu den Feinden der Demokratieund damit den rVolksfeinden, zu ziehe n, kommt in der unmittelbaren Nach-kriegszeit eine Reihe von Filme nach, die die Ablehnung des Bolschewis-mus miteinander verbindet. Die andbolschewistische Nlianz dahinter, dieZüge eines Burgfriedens trägt, überdeckt dabei weitgehend die oft stark dif-ferierenden gesellschaftspolitischen Ideen: Sozialutopische Verbrüderungs-szenarien stehen neben der Polarisierung sozialdemokratisch-evolutionärerund kommunistisch-revolutionärer Zielsetzungen, Polemiken gegen eineangebliche Revolutionswirtschaft stehen neben der Verteufelung der Spar-takisten. Im Bewusstsein der problematischen Verwandtschaftsbeziehun-gen zwischen diesen Filmen wird in Anlehnung an zeitgenössische Zuord-nungen im Folgenden behelßweise von einer Reihe antibolschewistischerFilme gesprochen. Der'Waffenstillstand und das Kriegsende an den Fron-

181

Philipp Stiasny

ren markieren hier in viel geringerem Maße als in späteren Darstellungen

einen Einschnitt, denn nach den vorstellungen der Antibolschewisten -und wohl auch der Bolschewisten selbst - war ja der eine Krieg bloß durch

den anderen abgelöst worden. Von Frieden kann angesichts von,Bürgcr-

kriegsstimmu., g,r.rd der Mobilmachung von Freiwilligenverbänden zum

Schitz der Greize.r und zur Bekämpfung der ,roten Gefahr, einerseits und

einer tief sitzenden Konspirations- und Verschwörungsfurcht andererseits

kaum gesprochen werden.

RrrgJktrtipft *ird an eine Tiadition, die zurückreicht in die Kriegszeit und

das K-aiserreich mit der dauernden Anfeindung denvaterlandslosen'Gesel-

len,. AIs \Tarnung vor dem Auseinanderfallen der inneren Kampfgemein-

schaft durch das .Wirken dunkler Mächte ist beispielsweise Unsühnbar

(GeorgJacoby, 1917) gedacht.ss Dieser Film aus dem vorletzten Kricgtjahr

diffamiert die aus Antikriegs- und Hungerprotesren hervorgegangene

Streikbewegung ds eine, die durch auslandischö Kräfte organisiert und

durch jungl liicht ndikalisierbare und zudem moralisch verkommene,

vergntigungssüchtige fubeiter getragen wird. Das Schiclaal areier Brüder,

a.r;tinge.. in der Heimat, der ältere an der Front, steht ftir die leidens-

gemeinichaft und ihre Bedrohung. lndem sich der jüngerc Bruder dazuver-

Frihr.n Eisst, am Streik in der Munidonsfabrik teilzunehrnen, wird er - die

parallele Montage führt es drasrisch vor Augen - schuldig am Tod des lilte-

..rr, d.rr.., Einheit wegen des ausbleibenden Nachschubs aufgerieben

wird.36 Das in den Zwischenriteln des Films leitmotivisch wiederholte Hin-

denburgzitat, o... dass jede noch so unbedeutende Arbeitseinstellung sich

mir als eine unsuehnbare Schuld am Heer und besonders an den im Schuet-

zengraben, der dafuer bluten muesste, darstelltn, bezweckt hier zweierlei.

Es Üeschwört den Zusammenhalt von Front und Heimat, späht anderer-

seits jedoch bereits die Schuldigen einer evenruellen Niederlage aus, IJnver-

k.rr.rb". wird in (Jnsühnbar schon an der fatalen Legende vom Dolchstoß

in den Rücken des siegreichen Heeres gestrickt'

Jener Kriegsrhetorik, die der Schürung von Bürgerkriegsängsten zuar-

beitet und das Bild des Brudermordes aufruft, bedienen sich wenig später

auch die andbolschewistischen Filme. sie stehen so in einer Linie mit den

Kriegsfilmen vor und nach 1918. v'as hier durchscheint, ist das Abh:in-

gi gkJitsverhaltnis von Klassenkampf und'\üeltlricg in der Darstdlung-37" "D.n

Arrfa.,g der antibolschewistischen Reihe macht nicht ein deutscher,

sondern ein dänischer Fllm, &ihne fu Votkes (Folhcts l/er6 Holger-Madsen,

l9l 8), der- von der Nordisk seit Sommcr l9l 8 beworben-am 21 ' Novem-

ber von der ufa herausgebracht wird. ohne den lcieg als treibende FGaft

in die Handlung ausdrücklich einzubau€n, stellt der Film das Verhalmis

r82

Revisionen des Weltkriegs im frühen Weimarer Kino

dreier Brüder in einer Phase des gesellschaftlichen Umbruchs vor. Dem kon-struktiv arbeitenden Sozialdemokraten, der auf evolutionäre \7eise Ver-besserung und Versöhnung erwirkt, steht der vor Energie strotzende Hand-werker gegenüber, der durch revolutionäre Gewalt, Aufiviegelung und denAppell an Neid und Missgunst die Zerstörung des Bestehenden und dieHerrschaft der Benachteiligten erzwingen will. Erst nachdem sich schließ-lich der dritte Bruder, ein labiler und verkrüppelter, grüblerischer Einzel-gänger, zum Werkzeug der Umstürzler gemacht und ein Attentat begangen

hat, kommt der revolutionäre Bruder zur Besinnung und schwört beschämtder Gewalt ab. oAuf das Evangelium des Hasses folgt das Evangelium dervernichtenden Tät, auf den Blutrausch und das Fieber der Völkervernich-tung die zersetzenden Prozesse im Staatn, heißt es im Programmblatt zuSöhne dzs Volhes. ,Yerstehen und Duldung sind die Säulen, auf denen das

ganze Staatsgebilde lastend ruht, 'Wollte man diese Säulen zerbrechen, was

bleibt? Das blinde Hetzen des einen gegen den anderen, das Angebertum,die brutale Herrschsucht der einzelnen Klassen, Schichten, Individuen, derKrieg in der Nation, die Brandfackel in der Heimat.u Dies sei - so heißt es

weiter -

der erste große politische Film, vielleicht das erste große politische lVerk über-haupt, und er tritt in dem Augenblick vor die Rampe, wo die Menschheit sich inaufdämmerndem Schrecken bewußt wird, daß vor ihren taumelnden Füßen sich

ein Abgrund aufgetan hat. Die rUmstürzlerr, die an Hunderten von Orten der Erde

gleichzeitig geheim oder offen ihre Hände gegen die friedliche und geordnete

Gemeinschaft des arbeitenden und'Werte schaffenden Bürgertums erheben, mögensie (...) stille werden, so stille, daß das feine zarte Klingen einer fernsten Zukunkbis in ihre verblendeten Herzen dringt. \fenn dann die Hände, die zerstören woll-ten, sich in dem ersten keimenden wundersamen Instinkt des Schaffenwollens

r€gen, so hat das bewegliche Bild mit leuchtender lfuaft bewiesen, daß es wahrhafteine Veltmission und eine beglückende, herrliche, zu hohen Zielen hinweisendeDaseinsberechtigung hat. Denn in diesem Film wird auch der fubeiter zum Bür-ger, und um alle Menschen zieht sich der fernste, unverrückbare, begltickende

IGeis.38

Der erste deutsche Beitrag zur Reihe der antibolschewistischen Filmeerscheint wenig später. In deolicht-Bild-Bühnen wird der Einakter Gegen

dzn Bruderkrieg (Paul'Wegener, 1918) daftir gelobt, dass er eindringlich >die

Gefahren des Bolschewismus im Bilde gezeigt (habe; P S.), der dem VolkeHungersnot, lJnordnung, Pest und sonstige Störungen bringt.<3e Angeregtdurch das Auswärtige Amt, predige der Film zu den Massen ftir die Einig-keit und warne in allegorischen Bildern vor der Selbstzerfleischung im Bru-

183

Philipp Stiasny

derkrieg, schreibt denKinematographn: uDiesen Film in allen Kinothea-

tern Deutschlands in diesen Tagen der politischen Gärung auEuführen,

erscheint als Pflicht.uao

Der - so der ,Kinematographn - ,offenbar als Abwehrpropaganda gegen

die Greuel der bolschewistischen Gewaltdiktatur hergestellte Fr\mn DerTbd aus Osten (Martin Hartwig, 1919) wird zwar in der Fachpresse fürseine gute Absicht gelobt; die Umsetzung stößt jedoch auf Kritik'ar An-gesichts einer >enormen Häufung (...) von Schreckensszenen aller Artn

bestünde nämlich die Gefahr, dass,das Publikum den Film wegen des Über-maßes von Häßlichem (...) ablehnt.na2 Schließlich wird der Film, der offen-

bar im Baltikum spielt, verboten, Die Zensoren beanstanden die Bilder

blutiger Straßenkämpfe, der Öffnung von Gefängnissen und der Miss-

handlung von Flüchtlingen. Dies und die Darstellung des Terrorregimes

der Umsturzpartei mit Orgien, Vergewaltigungen und einem Standgericht,

dem am Ende auch das Protagonistenpaar zum Opfer fällt, würde die

öffentliche Ordnung gefährden. Obwohl er sicherlich gute Absichten ver-

folge, wirke der Film entsittlichend.a3 Beklagt wird, dass die Darstellun-

gen Dvon wüster und brutaler Gewaltherrschaft allzunah und allzu deut-

lich an Ereignisse erinnern, die im Gedächtnis jedes Lebenden bewahrt

sind.uaa

Ins Metaphysische gewendet erscheint der Bolschewismus dann in der

letzten Episode von Satanas (Friedrich '$Tilhelm Murnau, 1919), in dem

vom \Tirken Satans auf der Erde in verschiedenen Phasen der Mensch-

heitsgeschichte erzählt wird. Murnau stellt Satan ins Zentrum der bolsche-

wistischen Revolution in Russland.a5 In abgewandelter Form taucht das

Thema Bolschewismus auch in dem ,Revolutionsst'J.ck, Die uon Gottes Gna-

den (Toni Atte nberger, l9l 8) aufl das in offenbar stark sozialromantischer

'JTeise das Liebesverhältnis zwischen einer Prinzessin und einem Sozialis-

renführer schildert und darin eine Kritik am Standesdünkel des kaiserli-

chen Offizierscorps einftigt.a6 Indem er sich nicht nur gegen Linksradika-

le wendet, sondern auch gegen Großkapitalisten, stellt auch Marodeure d.er

Reaolution (Martin Berger, l9l9) eine Ergänzung der Serie da. Sozialuto-

pisch endet der Film mit der Aussöhnung von Fabrikanten und fubeiternund der Einführung des Rätesystems durch den Sohn eines Großindus-

triellen.aT In ausgesprochen komischer \feise nähert sich anscheinend nurDer letzte (Jntertan (Max Maschke, l9l9) dem Thema. Erzählt wird von

der plötzlichen \ü'andlung eines omonarchistischen Götzenanbeters( zum

eifernden rNovembersozialistenu und dann zum Liberalen.as Redakteur

Lehmann, der den Spitznamen des letzten Kaisers trägt, beginnt als Verle-

ger des vaterländisch-königstreuen olntelligenzblatts<, gründet dann die

184

Revisionen des Veltkriegs im lrühen lVeimarer Kino

,Rote Handgranate( und macht zuleat wieder ein ,Intelligenzblattu - mitdem Titelzusatz: ,Das Blatt des freien Staatsbürgers<.

Die entfesselte Menschheit (Joseph Delmont, 1920) ist vielleicht der ambi-

tionierteste Film der Serie. Nach dem gleichnamigen, hoch gelobten Roman

von Max Glass von I9l9,4e der noch ganz unter dem Eindruck derJanuar-

außtände steht, dreht der Routinier Delmont einen Monumentalfilm, der

einen Bogen schlägt vom Krieg zum Spartakusaufstand und vom russi-

schen Kriegsgefangenenlager zur brodelnden Metropole Berlin. Als Anta-

gonisten treffen der aus Gefangenschaft heimkehrende aufrechte und sich

zur sozialen Verantwortung bekennende Ingenieur mit dem sprechenden

Namen Michael Clarenbach und der unheimliche, mit geradezu hypnoti-scher Macht und ansteckendem Charisma ausgestattete, russische Beruß-revolutionär Karenow aufeinander. Einmal mehr konkurriert hier das

Prinzip des evolutionären Aufbaus und der Liebe mit jenem von Hass, Zer-störung und erbarmungsloser Reinigung. Karenows Verschwörung, die am

Ende den offenen Straßenkampf sucht, bietet ein Sammelbecken für die

Verlierer von Krieg und Frieden. Hier finden sich ein verkrüppelter Vete-

ran, der an der Gesellschaft Rache nehmen will ftir seine Versehrung, ein

degradierter adliger Offizier und Spieler, ein moralloser, ftir Geld tötenderSturmtruppsoldat und ein junger Menschheitsverbesserer, der - allerdings

nur in der Romanvorlage - Opfer antijüdischer Pogrome in Polen wurdeund sich nun als ein der Heimat beraubter Idealist der Revolution an-

schließt. 'Wie sehr die Thematisierung von Krieg und Nachkrieg und Bol-schewismus und Antibolschewismus sich zu einem lGiegsfilm fügt, einem

Film über das Fortdauern des 'Wel*rieges nach 1918, zeigr Die entfesselte

Menschheitwohl wie wenig andere.50 Gleichzeitig weist schon die Kritik aufein Dilemma des Films hin, dessen Kenntnis dazu beiträgt, das Ende der

antibolschewistischen Reihe produkdonsgeschichtlich zu erldären. ZumZeitpunkt der Premiere geraten nämlich die Aktionen der Linksradikalenzunehmend in den Schatten des um sich greifenden rechtsradikalen Ter-

rors. Vor diesem Hintergrund bemerkt der >Börsen-Courieru: ,Heute bli-cken wir skeptisch auf Spartakusrummel und Matrosenrevolten zurück,wir haben ernstere Sorgen und glauben nicht mehr, daß es mit dem ein-fachen Appell an das Arbeiten oder mit grellen Antibolschewistenplakatengetan ist. Das ganze Glaßsche Buch bietet uns heute kein Interesse mehr,

weil wir Deutsche im defsten Innern revolutionsmüde geworden sind, ge-

rade wie wir l9l8 kriegsmüde waren.n5lAuch dieser Film ist nicht er-

halten, jedoch sind Gile davon Jahre später wieder verwendet worden inEinigkeit und Recht und Freiheit (Joseph Delmont, I 926). Nun endet das

\7erk nicht mehr mit dem Appell zur Aufbauarbeit, sondern mit einem

185

Philipp Stiasny

Hoch auf Deutschland und den gerade wieder in Amt und \7ürden ge-

brachten Hindenburg.52

lY Der Adler uon Flandern und seine \Tiederkehr als Ikarus.

Der letzte ßiriegsfilm des Kaiserreichs und der erste der Republik

Die Praxis der Kriegsdarstellung soll im Folgenden an einem ungewöhnli-chen Fall genauer untersucht werden. Es handelt sich zugleich um den letz-

ten vor Kriegsende produzierten Kriegsfilm, damals unter dem TireI DerAdler uon Fkndern, rndum den ersten, der in der neuen Republik die Lein-wand erblickte, nun unter dem TiÄ lharus. Die Geschichte dieses Films

wirft Fragen auf nach inhaltlichen und ästhetischen Kontinuitäten des Gen-

res, Vermarktungsstrategien und Rezeptionsvarianten. In den Mittelpunktder hier vorgeschlagenen Deutung rücken dabei zwei schon im frühenKriegsfilm wesentliche Konzepte: die Melodramatisierung und die Mythi-sierung des Krieges. Für den Filmhistoriker isr lharus zudem eine glückli-che Ausnahme im Korpus der Kriegsfilme.53 Der Film ist nämlich erhal-

ten, so dass hier eine nah am Material arbeitende Analyse möglich ist.

Unter dem Titel Der Adler uon Fknd.ern wird der Film seit Sommer 191 8

in der Fachpresse beworben; zu einer Pressevorftihrung im Berliner Mozart-saal kommt es jedoch erst am 27.10.1918. Bereits der Titel, der sich mit-nichten nur an Ornithologen wendet, weckt vielfältige Assoziationen: an

die Fliegerasse des Krieges wie den oRoten Baronn und den nAdler von Lil-leu,54 an die überkommene Vorstellung von Einzelheldentum und ritterli-chem Kampf, an die Freiheit der Lüfte und den stärksten aller Raubvögel,

an die Vermählung von Romantik und Technik in der Fliegere i und schließ-

lich auch an einen der Hauptschauplärze des lSieges im \festen. Luft und

Schlamm, hier - im Titel - finden sie zusammen.

Zumindest mit dem Schlamm Flanderns hat die Filmhandlung allerdings

gar nichts zu tun. Erzählt wird von dem jungen Günther Ellinghaus, der

aus großbürgerlichem Hause stammt und sich schon als Kind leiden-schaftlich für Flugzeuge interessiert, bevor er Jahre später selbst als Flug-zeugingenieur einen speziellen Motor, den Ikarus-Motor, entwickelt. Aufdie Pläne dieses Motors haben es französische Agbnten abgesehen, die

Ellinghaus zum Verkauf bewegen wollen, Von der adligen Clemence de

Montignon bezirzr, die mit dem Baron d'Aubigny zusammenarbeitet, wirdder junge Mann zum Spiel verleitet, verliert, überwirft sich mit seinem Vater

und steht vor dem Selbstmord - nicht dagegen vor dem Verkaufder Plä-

ne. Da fordert ihn seine Cousine Erika auf, ein neues und ehrenhafteres

186

Revisionen des \üeltkriegs im frühen S7'eimarer Kino

Leben zu beginnen. Ellinghaus geht nach New York, arbeitet als Hotel-kellner und erfthrt in einem Brief von Erika, dass Clemence und d'Aubig-

ny als Geheimagenten des Landes verwiesen wurden' Vom Kriegsausbruch

überrascht, heuert er sofort auf einem neutralen Dampfer als Heizer an.

Doch wieder ist ein feindlicher Agent auf seinen Fersen. Mit List gelingt es

ihm, den Verfolger loszuwerden. Schließlich lässt er sich von einer deut-

schen Küstenpatrouille im 'Wasserflugzevg an Bord nehmen und nach

Deutschland bringen. Parallel wird nun von Ellinghaus' raschem Außtiegals Kriegsflieger berichtet und von der Spionagetätigkeit der Französin Cle-

mence, die von ihrem Schloss aus, das mittlerweile hinter den deutschen

Linien liegt, die Franzosen mit Informationen versorgt und dabei mit dem

bereits vom Anfang her bekannten Baron d'Aubigny zusammenarbeitet, Als

Ellinghaus an die \Testfront versetzt wird, wo er den Beinamen ,Der Adler

von Flandernu erhält, kommt es zum Luftkampf zwischen ihm und d'Au-

bigny, der als Flieger auf französischer Seite kampft. Ellinghaus muss in der

Nähe von Schloss Montignon notlanden, und so trifft er wieder auf die

einst geliebte Clemence. 'W'ieder erliegt Ellinghaus ihrer Verführungskunst,

kommt dann aber zu sich und distanziert sich unter Hinweis aufseine Pflichtkühl von ihr. Nachts, während Ellinghaus im Schloss schläft, trifft sich Cle-

mence draußen mit d'Aubigny, der über die feindlichen Linien geflogen ist,

um sie zu evakuieren. Bevor die beiden im Flugzeug flüchten, gehen sie

allerdings noch einmal zum Schloss zurück, überwältigen Ellinghaus, fes-

seln ihn und stecken das Schloss in Brand. Doch Ellinghaus kann sich be-

freien, nimmt die Verfolgung im Flugzeug auf und schießt die Flüchten-

den ab. Zurick in der Heimat wird Ellinghaus, dekoriert mit E.K. 1 und

dem Pour le Mirite, von seiner stolzen Mutter und seinem reumütigen Vater

freudig empfangen. Am Schluss trifft Ellinghaus seine Cousine Erika wie-

dea die jeut als lGankenschwester tätig ist. An jener Stelle, wo sie ihn damals

vom Selbstmord abhielt, verloben sie sich.

Die Fachkritik nach der Pressevorftihrung ist voll des Lobes. oThotzdem

die Bufa und die Luftstreitkräfte die Aufnahmen weitgehend unterstützt

haben,u - schreibt denKinematographu - oist (...) diesmal endlich wiedereinmal kein rPropagandafilm,, sondern nur ein echtes, rechtes Unterhal-tungsspiel entstandenn, dessen Stoff rlebhaft an Filme von Oktober 1914

erinnertn.55 Auch die ,Vossische Zeitungn betont den Abenteuercharakter

des Films: ,Im Mozartsaal wurde am Sonntag geladenen Gästen ein Flie-

gerfilm vorgeführt; aus vorkriegsüblichem Schuldenmacherschicksal, ein

bißchen Liebesabenteuerlichkeit und einigen Metern Spionagekitzel ward

eine spannende Kinohandlung zusammengestellt, die genug Lücken läßt

fur glänzende Bilder aus der fubeit unserer flandrischen Flieger' Mit aner-

t87

Philipp Stiasny

kennenswertem Geschick und liebevoller Sorgfalt sind die einzelnen Bildergestellt, von denen besonders die technisch-vollendeten Darstellungen vonFliegerkampf und Fliegerarbeit fesseln.n56 Hervorgehoben wird in der Kri-tik des Films, denzu den besten seiner Zeit gerechnet werden( könne,besonders auch der junge Hauptdarsteller Ernst Hofmann. Er stelle die,Metamorphose vom Lebejüngling zum forschen deutschen Luftheldenglaubhaftn dar und verkörpere damit den oechten, stolzen, mutigen Drauf-gänger in seiner vornehmen, rassigen Schlankheitn.5T Einen dramaturgi-schen Fehle r am Ende des Films, aufden noch zurückzukommen ist, bemän-

gelt lediglich die Zeitschrift oFilm und Kinou: oNur nach dem Abschuss

des Totenkopfflugzeuges (des Baron d'Aubigny; P S.) muss der mitgerisse-ne Zuschauer einen Sprung machen, den er nicht erwartet hat. Hat hierdas sonst vortreffliche Manuskript versagt, oder ist geschnitten worden? (...)

Die musikalische Begleitung, die der Mozartsaal stellte, war - mit Aus-nahme der Knallbomben - recht gut und dem Stück mit Geschmack ange-

passt. (58

Vielleicht ist die Thematik des Adlers uon Flandern als Produktion vonI 9 I 8 unter fi lmhistorischem Gesichtspunkt nicht sonderlich einfallsreich

und bemerkenswert, doch handelt es sich davon abgesehen um eine sehr

gediegene Arbeit. Irritieren könnte, wie veraltet das hier präsentierte Bildvom Krieg bereits zum Datum seiner Pressevorführung war: ein Bild, das

in derAuflösungsphase des Reiches, als die militärische Führung sich schon

offen erkennbar aus der Verantwortung zu stehlen begann und der neuen

Regierung unter Max von Baden die Besiegelung der Niederlage aufbür-dete, jeglichem Realitätssinn spottete. Doch damitsteht DerAdleruon Fkn-dcrn vermutlich nicht allein. Denn es dürfte eine größere Gruppe solcher

Titel gegeben haben, die sich zu lGiegsende im Endstadium der Produk-tion befande n oder auch schon fertig produziert waren. Aufgrund ihrer pro-pagandistischen Durchhaltetendenz erschien jedoch die Auswertung sol-

cher Filme nach November 191 8 ohne erhebliche Umarbeitung unmöglich.Ihnen war der Zweck abhanden gekommen.5e

Die Geschich te des Adlers uon Fhndern daeegen verläuft anders. Der Film,den I 91 8 ein größeres Publikum nicht mehr zu sehen bekommt, wird imMärz 7919 von der Herstellungsfirma Neutral-Film unter delr:-Titel lka-rutztmVerleih angeboten. Hinweise auf den früheren Titel fehlen in den

Anzeigen, als Untertitel wird Roman einer Geheimagentin genannt.60 Eini-ge Monate später findet dann am 1.7.1919 die Uraufführung des Films imBerliner Marmorhaus statt, wo lharus anschließend zwei \Tochen lang aufdem Programm steht und als okolossaler Erfolgn beworben wird.61 Das

Datum der Premiere Pillt in eine politisch äußerst gespannte Zeit. Nur weni-

188

.

Revisionen des W'eltkriegs im frühen \Weimarer Kino

geTage zuvor, am 28.6.,war nach langem Streit und dem Ultimatum der

Alliierten, dem Scheitern der Regierungskoalition und dem Rücktritt des

ersten Kanzlers Scheidemann der Friedensvertrag von Versailles unter-zeichnet worden.62 Für die größte Empörung hatte zuletzt die in der neue-

ren Geschichte präzedenzlose und ultimative Forderung der Ententegesorgt, in Artikel 231 die deutsche Urheberschaft am lGieg und damit die

Kriegsschuld anzuerkennen. o\Telche Hand müßte nicht verdorren, die sich

und uns in solche Fesseln legten, hatte Scheidemann im Mai 1919 im Pro-

test gegen die Vertragsbedingungen gerufen.63 \7as aus juristischer Sicht

den Anspruch auf Reparationen absichern sollte, erhielt so in der Debatteden Charakter eines erzwungenen moralischen Schulbekenntnisses undeiner tiefen Demütigung.

Vor diesem zeitpolitischen Hintergrund berührt lharus zusätzlich das

potentielle Reizthema Lufrwaffe. Diese'Waffengattung war nach den vieldiskutierten Bestimmungen des Versailler Vertrages, der die Stärke der

Re ichswehr auf ein Minimum reduzierte, ganz verboten worden, Doch vondiesem Streit ist in den überlieferten Rezeptionszeugnissen nichts zu spüren.

Die Filmkritik beurteilt lkarus ganz unpolitisch vor allem als spannendenActionfilm. Empörung über das hier präsentierte Bild des Krieges wird nichtgeäußert. Der noch junge oFilm-Kuriern bildet da zumindest mit seinem

Spott ftir die Ideologie eine Ausnahme:

Hier gibt's was zu sehen: Dieser Film ist eine streng konservative Angelegenheit

und hat für unsere Zeit absolut kulturhistorischen'S7ert. Es ist eine Apotheose des

,Leutnants,, Tiaum unruhiger Mädchennächte von 1914-1917. Hier gibt's

strammstehende Burschen. E.K.L, Pourlemerites, Sdonschuss, schöne Bridges und

Anrede in der dritten Person. Hier werden kühn feindliche Flieger abgeschossen

und englische Dampfer torpediert. Hier wird in romantischen Schlössern quartiertund gibtt geheime Telefonleitungen durch die feindliche Front. Und über allemschwebt der göttliche Leutnant. Dieser alte Film ist technisch gut. Die eingeftig-

ten Origina.laufnahmen von Flugkämpfen lebenswahr und interessant, Die ganze

Sache aber ist ftir uns friedliche Volkerbtindler (in Spe) etwas verstaubt und nichtmehr ganz begreiflich.6a

Recht positiv fällt dagegen die Rezension in ,Der Filmu aus, nach dessen

Meinung der ohöchst aktuelle Stoff,, durchweg mit gutem Geschmack ins-

zeniert worden sei und onicht einmal durch unvermeidliche Flugaufnah-

men Einbußen erleide. Der Haupcdarsteller Ernst Hofmann mache aus

Ellinghaus omit Meisterschaft eine sympathische, angenehm deutsche

Figur.u65 Das >8 Uhr-Abendblattn empfiehk lharus seiner Leserschaft wieirgendeinen anderen reißerischen Film, ohne eventuelle zeitpolitische Im-

189

Philipp Sriasny

plikationen auch nur anzudeuten: >'$7'er im Film Spannung und Aufregungverlangt, findet hier das Richtige. Ein gut gemachter ßlriegsfilm mit ner-venkitzelnden Sensationen, ausgez6ichnet geglückten Tiicks (ein sehr schönverfilmter Kampf in den Lüften) und überhaupt sehr schönen packendenBildern.n66 Etwas kridscher steht die ,BZ am Mittagu dem Film gegen-

über: nDas Marmorhaus steht diese \7oche im Zeichen des Zehnpfennig-romans. Milderung hierftir bedeutet es nur, daß dieserwenigstens gut illus-triert ist. Besonders der Film lharus, der geistig völlig unmotiviert dieNamensanleihe bei der Dädalussage macht, zeigt interessanre und geschicktin die kitschige Spionage- und Kriegsfabel eingeflochtene Flugkampfsze-nen.n67

IV Ein Melodram des Krieges

Geschildert wird die Spionage- und fuisgsgeschichre vo n lharus im raschen

Tempo des Detektivfilms mit zahlreichen Ortswechseln, Verfolgungen undder Verwendung moderner Technik vom Telefon bis zum Flug'zeug. Gleich-wohl bleibt neben dem Schauwert einiger beachtlicher Flugszenen vorallem das durch Blicke und Gesten inszenierte und durch eine geschicktemise-en-scöne gestaltete Verhaltrris zwischen Ellinghaus und Clemencein Erinnerung. Gespielt wird die Französin vom weiblichen Star EstherCarena, einem dunklen und dominanten Frauentyp mit erotischer Aus-strahlung und offenbar auch Erfahrung. Die blonde Erika, gespielt vonEdith Sorel, ist das ganze Gegenteil: moralisch unanfechrbar und brav undvergleichsweise langweilig. Sinnfällig wird die Macht der Französin in einerTiickfilmsequenz, die der Auswanderung von Ellinghaus nach Amerikafolgt. Sie zeigt die trickanimierte Darstellung eines Spinnennerzes, das vonCleme nce bis über den Atlantik gesponnen wird und das auch hier die Angstvor der antideutschen, international wirkenden Verschwörung aufruft. Dass

das Verhältnis zwischen Clemence lnd Ellinghaus aber mehr ist als das einerBerußagentin zu ihrem Opfer und die Geschichte einer Emanzipation, zeigtsich zum Ende hin. Zu Beginn hatte Clemence ihrem französischen Auf-traggeber, der ihrer Verftihrungskunst mit einer Mischung aus Hochach-tung und Tädel begegnete, noch in aller Kälte erwidert: ,Ein Deutscher,Herr Direktor, Und ausserdem, in Geschaftsdingen gibt es keine Geftihlel(...)" (Akt l, Titel 42). Ns Ellinghaus jedoch, vom Pflichtbewusstsein inseinem erotischen Begehren gehin{sr1, später ihre Annäherungen abweist,kränkt er sie damit nicht in ihrer professionellen Ehre, sondern in ihrenGeftihlen. In der hier offenbarten Labilität der Gefühle tut sich ein melo-

190

Revisionen des Vel*riegs im frühen'Weimarer Kino

dramatisch motivierter Konflikt auf, der auf ästhetischer Ebene durchEllinghaus' Ad-hoc-Verlobung am Schluss nur scheinbar aufgehoben wird.Bestandteil der melodramatischen Dramaturgie ist dabei auch das zwei-

malige Zirar des Liedtitels ,Quand l'amour meurt( (\7enn die Liebe stirbt)im Film, einmal in der ftir Clemence erfolgreich endenden Verführungs-szene (Akt 1, Titel 3l) und dann noch einmal in der erfolglosen (Akt 4,

Titel 3). Zuerst spielt Ellinghaus diesen langsamen 'Walzer von Octave

Crdmieux, dessen Popularität vorausgesetzt wurde und dessen Text vonGeorges Millandy auch als bekannt gelten konnte, am Flügel, beim zwei-

ten Mal spielt ihn Clemence. Das Lied von der Liebe und ihrem Verblühen,vom Schmerz und dem Absterben eines Traumes, darf hier ebenso als Ver-

weis auf das nahende Ende einer Affäre gelesen werden wie als Ausrufezei-

chen. Die Liebe verkettet die beiden, und dass gerade im Moment der Er-ftillung das Ende schon beschworen wird, grundiert die Angelegenheit miteiner melancholischen Ahnung. 68

Neben der viel sagenden Anderung des Titels sind nun auch zwei kleine,

aber bedeutsame Anderungen im letzten Akt erklärungsbedtirftig, die dieFassung der Pressevorftihrung im Oktober I 9l 8 von jener der Premiere im

Juli 1919 unterscheiden. Endete der Film vorher mit der Verlobung vonEllinghaus mit seiner Cousine Erika, so ist er nun um eine nachgedrehte

Sequenz verlängert.6e Zudemwird eine Szene kurz vor Ende eingeftigt, die

sehr wahrscheinlich schon in der Fassung von I 9 I 8 enthalten und bei der

Vorauffiihrung herausgeschnitten war. Ihr Fehlen war in der oben zitiertenRezension in oFilm und Kinon zu Recht als Sprung in der Erzählung moniertworden. Die nun wieder eingeftigte Szene folgt dem Abschuss von d'Au-bigny und Clemence und zeigt, wie Ellinghaus an der Absturzstelle landet

und den schwer verletzten d'Aubigny aus dem zerstörten Flugzeug birgtund ihn den Sanitätern übergibt, Danach hilft er der unverletzt am Boden

liegenden, offenbar unter Schock stehenden Clemence auf und geleitet sie

langsam aus dem Bild. Sein Benehmen gegenüber der hilflosen Frau, die

sich jetzt an seinen Arm ldammert und die er mit seinem Körper schützt,ist nicht anders als zärtlich und besorgt zu nennen. Clemence, die ihn kurzvorher noch aus Rache für seine kühle Verweigerung im brennenden Schloss

sterben lassen wollte, schmiegt sich mit geschlossenen Augen an ihrenGeliebten - sonst war es der Blick ihrer dunklen Augen, der ihre Machtverriet. Geläutert durch den Absturz und den unzweifelhaften Sieg des Man- \nes unterwirft sie sich. Und er verzeiht. Auf der Ebene des Melodrams mitdem heftigen Ausschlagen des Geftihlspegels zrvischen Liebe und Hass

bezeichnet die Unterwerfungsgeste der Frau und derenAtzeptierung durchden Mann das Versprechen einer neuen Beziehung. Ellinghaus, anfangs ein

t9r

Philipp Stiasny

Objekt der Agentin, emanzipiert sich, indem er sich von Clemence ab-

wendet, und ist doch am Ende auf zärtliche'Weise mit ihr verbunden. DieFlachheit und Konventionalität der tatsächlichen Lösung - Ellinghaus undErika statt Ellinghaus und Clemence - wird angesichts dieses Gefühls-konflikts umso augenfälliger. Da das Melodram zwar einerseits von den

Möglichkeiten menschlicher Gefühle und vom Glücksanspruch handelt,andirerseits aber den Verzicht ,rr'-'dr"-"t,rrgischen Konzept erhebt, hierlediglich kaschiert durch ein unhappy Happy-End, gibt es der Mischungaus Spionage-, Adoleszenz- und Kriegsgeschichte eine tragische Schattie-

rung.Die Rückkehr von Günther Ellinghaus zu seinen Eltern wird in der

ergänzten Fassung durch den Hinweis im Zwischentitel eingeleitet, dass

einige Monate vergangen seien und er erst nach Erklärung des tVaffenstill-

standes heimgekommen sei. Auf das'lfiedersehen mit Erika im Garten folgtein Sprung, der den Zeitpunkt der Erzählung in den Mai 1919 verlegt: ,6Monate späte r. - Günther und Erika befinden sich auf der Hochzeitsreise

in der Schweiz. Ein seltsames Zusammentreffen im Grand-Hotel Luzern.u(Akt 4, Titel 22). In einer Totale elscheinen Ellinghaus und Erika, offen-bar im Gang eines Hotels, Sie passieren eine vollständig in schwarz gehtill-te Frau, die sich umwender, Ellinghaus erkennr und ihn anlächelt. Es ist

Clemence. Ellinghaus küsst ihre Hand, und sie sprechen miteinander,während Erika unbeachtet am Rande steht. In naher Einstellung folgt einrwo-shot, in dem Clemence ihm angeregt etwas erzählt, er wie versteinertverstummt und dann erwas fragt, woraufhin sie lacht und zustimmt. Zurickin der Totalen treten die drei in ein Zimmer ein, in dessen Vordergrundd'Aubigny sitzt und liest. Aus der Tiefe des Zimmers tritt Clemence nach

vorne, spricht mit dem abwinkenden und sich zur Seite kehrenden d'Au-bigny, beharrt und drückt seine Hand und bittet schließlich auch Elling-haus nach vorne. Der stellt sich neben den Stuhl von d'Aubigny, der steifhochsieht, der Blick beider Männer ist kühl, ihre Körper angespannt. Elling-haus streckt d'Aubigny seine Hand entgegen, und der erhebt sich langsam.

Eine nahe Einstellung zeigt beide im Profil, während sie sich mit ernstem,

angespanntem Gesicht die Hände schütteln - was nicht im Bild zu sehen

ist. Zwischentitel: >Die \(affen ruhen - des IGieges Stürme schweigen ...u.

(Akt 4, Titel 23). Noch einmal wird auf den cwo-shot beider Männerzurückgeschnitten, dann erst folgt der End-Titel.

Geschildert wird hier anscheinend der formelle Friedensschluss zweierMänner, die einander als Feinde bekämpften - eine höchst ungewöhnlicheSituation im modernen und anonymisierten Massenkrieg. Keinem der bei-

den ftillt die Geste leicht, wenn auch die Initiative eindeutig von dem Sie-

192

Revisionen des lVeltkriegs im frühen \Teimarer Kino

ger des Zweikampfes ausgeht. Von Schuld ist keine Rede. Doch derjenige,der danach fragt, wird zweifellos der Logik des Kriegsfilms von l9l8 fol-gen mit seiner Anklage der Franzosen. Deren Verschlagenheit und heimli-ches Tun führen den deutschen Helden ja erst in Versuchung, so dass demKrieg eine Notwendigkeit als individuelle Behauptung gegen antideutscheMachenschaften eingeräumtwird. Deswegen kann das Fazit des Films auchnicht im Bedauern bestehen, sondern nur in der sprachlich schwülstigenFeststellung: oDie \7affen ruhen - des IGieges Stürme schweigen ...<. Mehr,als dass gegenwärtig kein Krieg herrscht, sagt das eigentlich nicht. Dochabgesehen davon, dass damit das persönliche Verhältnis der Protagonistenuntereinander auf staatspolitisches Niveau gehievt wird, vermag ein sensi-bler Mensch hier ein Dräuen im Unterton zu vernehmen - uorkiufig ruhendie \7affen, und uorliiufgschweigen die Stürme des trftieges. Denn das Bilddes Ruhens schließt ja die Möglichkeit eines späteren Erwachens ebensomit ein wie die \Tettersymbolik des schweigenden Sturms die Möglichkeitdes späteren \Tetterumschwungs. Freilich ist auch von einer Niederlage kei-ne Rede, weder von der des Franzosen d'Aubigny gegen Ellinghaus, nochvon der, die den Sieger des Luftkampfes in der Realität des Jahres l9l9 a$die Seite der Verlierer stellt. Stattdessen also die heroische Versöhnungsges-

te des Deutschen und die Besiegelung eines Unentschieden, das nur höhe-re Gewalt erzwingen konnte. ,Im Felde unbesiegtu wäre der passende SIo-gan, hier noch ohne den Klang der dazugehörigen Dolchstoßlegende imOhr. Dass von der Niederlage geschwiegen wird, ließe sich wohl als trau-mabedingtes Beschweigen des Nicht-Sagbaren verstehen. Doch plausiblerscheint es, dass hier kalkuliert uerschwiegen wird, was ein durch den Ver-sailler Vertrag ohnehin gedemütigtes Publikum nicht hören, nicht sehenund schon gar nicht als Unterhaltung konsumieren wolhe. Die Niederlagekennt nur das Melodram in lharus, das dem Helden die im Kampf unter-worfene Frau und mit ihr die erotische Erfüllung verweigert, und ihn - fastwie zum Hohn - mit einer sexuell reizlosen Cousine und Krankenschwes-ter abspeist.

IV Die Mythisierung des Gefallenen

Der Krieg erscheint in lkarus als eine Angelegenheit unter Männern, dieschmerzhaft sein kann - aber kaum tödlich. lGiegstote sind daher im Filmüberhaupt nicht zu sehen, nicht bei der Versenkung eines englischen \7ach-schiffes und nicht beim Abschuss und der anschließenden Explosion einesFesselballons. Dass diese militärischen Aktionen Opfer fordern und dabei

193

Philipp Sriasny

Blut fließt, wird weder in Bild noch Text auch nur angedeutet, inszeniert

wird lediglich ihr Schauwert.

Anwesend ist der Tod hingegen im Mythos von Ikarus, der bereits im

Adler uon Fkndern erwähnt wird, ohne dass dort eine weitergehende sym-

bolische Deutung nahe gelegt worden wäre. Erst durch die Erhebung des

Mythos zum programmatischen und die Interpretation herausfordernden

TiÄ lharas ziehen die nachfolgenden Elemente der Erzählung aus dem

ersten Akt erhöhte Aufmerksamkeit auf sich. Der erste Haupttitel des Films

zetgt die grafische Abbildung einer nackten, männlichen Figur mit ausge-

breiteten Vogelflügeln; sie steht in engel- und erlöserhafter Haltung mitaufrechtem Kopf, dervon einem kranzartigen Licht, einem Nimbus' umge-

ben ist.70 Über dieser Figur steht der Namenszug lkarus und rechts unten

in der Ecke das Firmenlogo. Nach dem Vorspann beginnt die Geschichte

mit der Jugend von Ellinghaus, der als Preis für ein Flugzeugmodell bei

einer Schülerausstellung eineAusgabe der nSagen des klassischen Altertumsn

bekommt. Der Buchdeckel zeigt dieselbe Abbildung wie der erste Haupt-

titel. Nachfolgend wird die Erzählung von Dädalus und Ikarus, der entge-

gen der väterlichen'Warnung in thöhere Regionen. strebt und ins Meer

stürzt, durch Titel in drei Szenen aufgerufen: Einmal liest der Junge einen

Teil der Ikarus-Erzählung in dem Buch (Akt 1, Titel 5), dann der erfolg-

reiche Ingenieur des Ikarus-Motors (Akt 1, Titel 7) und schließlich der

Verzweifelte, dessen Vater die Spielschuld nicht zahlen will und der zum

Selbstmord entschlossen ist (Akt 1, Titel 35)' Danach spricht nur noch ein

feindlicher Agent vom lkarus-Motor; ab der Filmmitte, nachdem Elling-

haus selbst Kriegsflieger geworden ist, wird der Motivstrang Ikarus über-

haupt nicht mehr bemüht. Er verdörrt.

Auf den ersten Blick erscheint daher der oben schon zitierte Einwand der

Kritik nicht ganz unberech tigt, Iharus mache ,geistig völlig unmotiviert die

Namensanleihe bei der Dädalussagen.Tl Das Ikarus-Motiv und seine Ver-

wendung als Titel werden in der zeitgenössischen Rezeption nicht weiter

kommentiert und ausgedeutet. Mitnichten ist es aber deshalb unmotiviert.

Eine symbolische Deutung des Films als Kriegsfilm lässt der Anrufung des

Ikarus-Mythos im Gegenteil eine wichtige Funktion zukommen. Auszu-

gehen ist freilich von derAnnahme, dass das Verhältnis zwischen dem Publi-

Lumsfilm - hier dem Melodram - und seinen Zuschauern grundsätzlich

vom Bemühen und der Bereitschaft mitbestimmt wird, dem Mitgeteilten -darunter auch der Titel - zumindest im Rahmen der Geschichte eine ge-

wisse, gelegentlich abstruse Sinnhaftigkeit zuzubilligen. Den Irrungen von

Ellighaus zu Beginn kommt dann beispielsweise ebenso ein Sinn zu wie

dem Überleben von Clemence. Innerhalb des Prozesses der Sinnzuschrei-

194

Revisionen des lVeltkriegs irn frühen \Teimarer Kino

bung spielen die rezeptionsleitenden Instanzen wie Werbung und Presse-

kritik eine wichtige Rolle, indem sie zwischen Einzelwahrnehmung undöffentlicher'Wahrnehmung vermitteln. Dass im Fall der lGitrkvon lharusder Titel fast vollständig unberücksichtigt bleibt, hindert nicht daran, auchseiner \fahl einen Sinn zu unterstellen.

Historisch stand die Figur Ikarus z. B. als Metapher fur das Vater-Sohn-Verhälrnis des Künstlers zu seiner Schopfung, ftir die Mahnung, dass

Hochmut vor dem Fall kommt, ftir die Vorstellung, dass \Tissensdrang undLiebe, indem sie in der Erzählung fortleben, unsterblich sind, und - imZeiaker der aufkommenden Fliegerei - für die N?ihe von Selbszersrörungund erweiterter \Tahrnehmung, von Tod und Fortschritt.T2 Im frühen20. Jahrhundert eignen sich die technikbegeistertenAvantgarden die GestaltIkarus an und sehen in ihr den Tätmenschen und ihr eigenes kreatives Eben-bild. Das hohe Maß, in dem sich moderne Autoren gerade in Ikarus selbsterkannten, hat Felix Philipp Ingold eingehend untersucht. Nur Ikarus habe,zur Referenzfigur des modernen AviatikersuT3 getaugt; es sei, resümiertIngold, die ,paradoxale Dialektik des Ikarus-Fluges - Aufstieg des schöp-ferischen Ich, Absturz des körperlichen Selbst einerseits; Aufivertung des

Schaffens, Abwertung des Geschaffänen andere rseits - ftir den europäischenAvantgardismus insgesamt beispielhaft geworden.oT4 Die Beschwörung des

mythischen Namens zurAbwendung seines Schicksals sowie die Forderungan die Väter zur Anerkennung des Heroismus macht zudem den Narziss-mus deoSelbsttitulatur als lkarus< und der lSelbstangelisierungu rranspa-rent.75 Und wenn in den zwanziger Jahren eine Flug- und Kulturzeitschriftunter dem Titel ,Ikarus,, erscheint, zeigt das nur, wie Absturz und Tod auchin der populären Verwendung des Mythos vollständig von Tätendrang,Abenteuerlust und Heroismus überdeckt werden konnten.T6 Die Vaterfi-gur Dädalus spielt zudem kaum eine Rolle mehr.

Neben der avantgardistischen Praxis, die den Tod des Helden im Lob derTät beinahe vergessen lässt, findet sich vor l9l4 in der Literatur auch dieMythisierung des Todes, wenn etwa eine Generation der rlkaridenn besun-gen wird, >die sterben eh' andre leben/Und leben um zu sterbenu.TT S?'enig

später dient im \Teltkrieg die Parallelisierung gefallener Flieger mit Ikarusder Verklärung ihres Schiclaals. Nach dem Tod des Fliegerhelden Boelckebringt denrSimplicissimus< auf der Titelseite eine Zeichnung von Th. Hei-ne, die einen nackten, behelmten, roten Mann mit Flügeln auf einem Altar -\'

liegend inmitten eines Thauerhains zeigt. Ein Adler fliegt über dem Alrarund trägt im Schnabel einen Lorbeerkranz. Die klassischen Stilzitare sindüberdeutlich und verleihen der Szenerie eine Erhabenheit und Größe, derim Umfeld einer Satirezeitung allerdings auch der Beigeschmack des Kli-

195

Philipp Stiasny

schees und des falschen Pathos anhaftet.Ts Der Vergleich Boelckes mit Ika-

rus findet sich zudem in einem Nachruf; adressiert an den Gefallenen heißt

es dort: ,Dein Geist, der Geist des kühnen Opfermutes, der unwidersteh-

lichen Angrifßkraft, der unbesieglichen Zähigkeit, wirke fort in all dem

jungen Blut, das dem Vaterland freiwillig zur Verfügung steht, bis auch der

letzte Feind bezwungen ist.nTe Auch in Gefallenendenkmälern der Bild-

hauer \Tilhelm Lehmbruck und Georg Kolbe wird eine Verbindung zwi-

schen dem Ikarus-Mythos und dem lGieg hergestellt.so Anders als oDer

Gestürzte< von Lehmbruck, eine nackte, sich auf Knien und Ellenbogen

stützende, gebeugte Gestalt mit am Boden liegendem Haupt, befindet sich

Kolbes nStürzender Fliegeru in einer AuÄvärtsbewegung . rVie im oSimpli-

cissimusn zuvor weist der Helm die Figur als Soldaten aus und die Flügel

als Ikarus. Das Spannungsfeld zwischen Tiauer um die Opfer und Hero-

isierung der Gefallenen, das Sabine Behrenbeck zufolge Denkmäler vor und

nach l9l8 prägte, wird bei Kolbe durch den Bezug auf Ikarus ins Mythi-sche gewendet, was einer gängigen Praxis entspricht. So konnte auch Kol-

bes'Werk, dem dabei alles Dröhnende abgeht, der Funktion jener Nach-

kriegsdenkmäler entsprechen, die auf eine ,rmoralische Regenerationu des

Vaterlandes zielten und durch die Verwendung religiöser Motive zur Sakra-

lisierung des Kriegstodes beitrugen.sr

In dem Protagonisten Ellinghaus nun einen modernen Ikarus auszu-

machen, erfordert viel Phantasie,. denn auf der Ebene der Filmhandlung

erscheint die Zitierung des Mythos als Manierismus. Allenfalls in der Ent-

wicklungsgeschichte des Günther Ellinghaus von jugendlichem Übermutund Zerwürfnis mit dem Vater zu patriotischer Pflichterfullung und emo-

tionaler'Wiedereinbürgerung könnte, als Bildungsroman verstanden, ein

fernes Echo des übermütigen, die väterliche'Jfarnung missachtenden Ika-

rus erklingen. Die enthaltenenZitate aus dem Mythos, die ausdrücklich

von Absturz und Tod handeln, erschienen dann als Vorausdeutung. Dass

dem Sturz Ellinghaus' aus der Gesellschaft jedoch ein fast kometenhafter

Außtieg bis zum Tiäger der höchsten Täpferkeitsauszeichnung des Vater-

landes folgt, rückt solche Verknüpfungen in schiefes Licht. In einer Deu-

tung des Films als Melodram wird hier in geradezu subversiver'Weise vom

schicksalhaften Aneinandergefesseltsein des Deutschen Ellinghaus und der

Französin Clemence erzählt. Der Engftihrung der Konzepte der Melodra-

matisierung und der Mythisierung zufolge würde die Frau dann als jene

Sonne figurieren, an der Selbstbewusstsein und \Tissensdrang des Mannes

schmelzen. Der Absturz an der Geliebten und der Tod des Ertrinkens imMeer müssten dieser Lesart zufolge nicht negativ konnotiert sein, im Gegen-

teil. Für den Film hieße das, dass eine wirkliche Lösung des Mannes von

196

. Revisionen des Veltkriegs im frühen Veimarer Kino

der Frau nicht stattfindet. Die Bindung der beiden aneinander in der Sze-ne am zerstörten Flugzeug und dann noch einmal in der später angeftigtenSchlussszene wird vielmehr bekräftigt. Subversiv verstehen ließe sich dasdeshalb, weil diesem Verständnis nach die Ehe von Ellinghaus und Erikaals jene nur der Genrekonvention gehorchende Lösung bloßgestellt wür-de, die sie ist, und die nur der melodramatischen Grundregel folgt, dass amEnde nicht zusammenkommen darf,, was eigentlich zusammengehört.82

Beziehungen zwischen Film und Mythos sind auch aufsymbolischer Ebe-ne denkbar, umso mehr als die Umbenennung aus dem starken Adler einenzwar wagemutigen, aber schließlich abstürzenden Ikarus macht. Das hatunzweideutig mit der veränderten politischen Situation nach Novemberl9l8 zu tun, so wie das auch für den nachträglich angefügten Schluss gilt.Geht die Geschichte in der Fassung von I 918 noch siegreich aus, so scheintes nach Kriegsende doch norwendig, durch geringftigige Eingriffe eine ande-re \Tahrnehmung des Films zu ermöglichen. Danach kann zwar die Nie-derlage in der Handlung weiterhin ausgeblendet werden, aber zumindestsymbolisch erhalten ihre tatsächlichen und unleugbaren Effekte im Mythoseinen Platz. Ungeklärt bleibt dabei, ob der Gestalt Ikarus aus zeitgenössi-scher Sicht überhaupt noch die Konnotation Sturz und Tod anhaftet oderob - in Übernahme avantgardistischer Konzepte in die populäre Kultur -eine Bereinigung anzunehmen isr. Einerseirs adressiert ja der Titel mit demAntike-Zitat ein bildungsbtirgerliches Publikum, das über literarische Kom-petenz verftigt und die Funktion als Vorausdeutung des Heldenschicksalsversteht. DasZitat reiht sich so versranden ein in die Selbstnobilitierungs-bemühungen des neuen Mediums.s3 Andererseits wird durch das Referie-ren des Mythos in den Zwischentiteln des ersren Teils auch einem wenigervorgebildeten Publikum ein Verstehen ermöglicht. Hier werden Sturz undTod direkt angesprochen und eine Deutung, die nur die Metaebenebedenkt, relativiert.

Gleichwohl könnte vereinfachend danach gefragt werden, welche Bezie-hung ewa zwischen den Schiclaalen von Ellinghaus, Ikarus und Deutsch-land besteht. In dieser Perspektive träte die ambivalent gedeutete Geschich-te des Protagonisten in den Hintergrund zugunsten einer zunächst nurpostulierten Gemeinsamkeit von Ikarus und Deutschland. \fenn es zurGeschichte der historischen lkarus-Rezeprion gehört, dass im unbeding-ten, auch selbstzerstörerischen Aufivärtsdrang eine Erftillung und in derjugendlichen Todesverachtung ein Sieg gesehen wird, dann zeigen sich da-rin jene fatalisdschen und vernunftfeindlichen Ztige des Alles-oder-Nichts,die in Kriegs- und Krisenzeiten Konjunktur haben und denen sich auchTeile der dsthetischen Avantgarde öffneten. Das gilt zumal fur den Krieg

r97

Philipp Stiasny

der Ideologien und Kulturen, als der der Erste weltkrieg auch in Deutsch-

land propagiert worden war. Neue Nahrung fand dieser Geist im sommer

1g 11in der in allen politischen Lagern verbreireten untergngsstimmung,

die in hisrorisch gewachsener Realitätsblindheit die Ablehnung des Ver-

sailler rschandfriedensu forderte. Der symbolwert heroischen Handelns

war so hoch, dass hinrer der so geschaffenen neuen Realität die Resultate

verblassten. Auf diese \reise ließen sich selbst Niederlagen in ruhmreiche

siege des Geistes umdeuren, wie das ja symbolhaft nach der selbswersen-

kuig de r deuachen Kriegpflone in Scapa Flow im Juni I 9l 9 geschah. Inde m

der ikarus-Mythos den Blick vom Effekr der Tär auf deren Idee lenkt, ver-

mag er dann das Bcispielhafte auch eincr Niedcrlage positiv zu besetzcn

unJ verschließt - vor dem zeitlichen Hinrergrund des Sommers l9l9betrachtet - dieAugen vor ihren Konsequenzen. Die symbolische Tat rückt

Ikarus in die Nahe der Märryrergestalten und gibt seinem Leid als Schritt

zur Erlösung S inn. Iharus erscheint dann als Geschichte einer Auferstehung

auf der Handlungsebene und als verheißung einer \Tiederauferstehung in

der Deutung des Mythos'

V Zusammenfassung und Ausblick

Ausgehend von der Annahme, dass in der filmischen Darstellung des \rclt-krieges vor und nach 19 18 starke Kontinuitärcn ästhedscher und inhaltli-

cheiArt wirksam waren, sollten hier am Fall von /äarul Deutungsvarian-

ten und deren Beschränkungen aufgezeigt werden. Die Fokussierung auf

die fupekte Metodram und Mphos machrcn dabei im Kern zwei Gcschich-

,n n,i, durchaus asynchronem Gehalt erkennbar. Auf der einen Seite, die

der inneren, genrespezifischen Dramaturgie des Films folgt, steht dann die

Mctodramarisierung des Krieges. Geftihlskon0il* und oationaler Konflikt

überlagern sich hier, wobei doch Figurenkonstellation und Handlungpauf-

bau die Privarheir des gcschildencn Kampfes in dcn vordergrund stellen.

Jencm ,privaren, Konflikt, dessen lösung durchaus ambivalent verstehbar

ist, st.hi ein kollekdver gegenüber, dessen Deutung um den Begriff des

Mythos t<reist. lndem durch geringftigige Ergänzungen aus dem,Adlcr a-on

Fündcn nach Kriepe nde lharus wtrd, indem der auf der Handlungsebe-

ne nach wie vorsiegreiche Held mit dcm mchrdeudgcn Mythos des Jugend-

lichen, der für eini Idee sein kben gibt, vcrbunden wird, erhält der Film

eine ganz neue Ebene. vor dem Hintergrund der nichtakzeptierten Nie-

de.la[e und des demütigenden Friedenwerrrages erscheinr lhants als ein

Nachtiegsfilm, der den Bezug auf die symbolische Tät zur Mphisierung

198

Revisionen des Veltkriegs im frühen Weimarer Kino

von Heldentod und Niederlage verwendet, Iharuswird aus diesem Blick-winkel zu einem Gefallenendenkmal. Verwiesen sei darauf, dass lharus dieDenkmalhaftigkeit mit anderen Mythisierungen im \Teimarer Kino teilt,die ebenso aufAktualisierung zielen und das Verhältnis von Vergangenheit

und Gegenwart verhandeln. Die Aufregung, die beispielsweise Fridericus

Rex (Arzön von Csirepy, 4 Teile, 1922-1923)84 verursachte, ging ja gera-

de von der Vermutung aus, hier werde im historischen Gewand versucht,oan der Jetztzeit bösartige lGitik zu übenn und Gründe für den Zusam-menbruch 1918 zu liefern.s5 Bekannt sind daneben auch Die Nibelungen(Fritz Lang, 2Teile, 1924);kau,m oder gar nicht bekannt sind dagegen dieVerfilmungen der Mythen um Arminiuss6 und den heimkehrenden Odys-seus. Im Odysseus-Motiv mit dem rotgeglaubten Kriegsheimkehrer, litera-risch weitergesponnen u. a. in Honord de Balzacs Erzählung oOberst Cha-bert< (1832) und Alfred Tennysons Ballade ,Enoch Ardenu (1864), findetsich die Anbindung der mythischen Erzählung an den zeitgenössischen

Erfahrungshorizont und die Problematik des unbekannten Soldaten.8T

Dass im Fall von lkarus die melodramatische und die auf den Mythosabhebende Deutung nicht übereinander passen und - zumindest aus heu-tiger Sicht - Reibungen entstehen, macht den Film zu einem weiterenbemerkenswerten Dokument des Unvermögens, die deutsche Niederlageoffen zu thematisieren. Sie wird verschwiegen und von jener individuellenErfolgsgeschichte überdeckt, die ganz auf der Linie des Films von 1918liegt. In welchem Maße es hier zudem um brüchig gewordene Vorstellun-g€n von Männlichkeit geht und um einen hohen Grad von taumatisie-rung, kann hier nicht weiter ausgeführt werden und bleibt als Frage offen.Ins Positive gewendet machen freilich erst die \Tidersprüchlichkeiten aus

Iharus ein vielleicht unfreiwillig vieldeutiges, interessantes \7erk.88 DenFilmhistoriker erinnert das daran, dass Film in den meisten Fiillen Publi-kumsfilm bedeutet und Eingriffe in das Material - in lharus erkennbar inder Ergänzung und der Titeländerung - keine Ausnahmen waren. Ein sta-

tischer \Terkbegriffstößt hier an seine Grenzen.'\7'as den Anspruch einer Forschung betrifft, die auch auf die Rekon-

struktion zeitgenössischer Rezeptionen zielt, ist lharus ein schwieriges Bei-spiel, da l9l9 die Pressekritik noch recht sporadisch verfuhr und sich das

erst in den folgenden Jahren änderte, \Telchen Sinn die sorgfältige Aus-

wertung der Presse und der Zensurunterlagen dennoch hat, um dieGeschichte eines von großen Verlusten gekennzeichneten Genres zu schrei-ben und zur Revision überkommener Einschätzungen beizutragen, wirddurch die Auflistung von Filmen mit manifester Kriegsthematik einmalmehr dokumentiert. Keiner der genannten acht Filme, die zwischen Juli

r99

Philipp Stiasny

1919 und Januar l92l in deutschen Kinos liefen, war zwa\ den überlie-

ferten Quellen nach zu schließen, ein Kriegsfilm, der sich etwa mit dem

schlammfarbenen Realismusvon ril'estfont 1918 (G.'!?l Pabst, 1930) oder

Die andere Seite (Heinz Paul, l93l) messen könnte. Nirgendwo scheint es

dort um das anonyme Massensterben, den Horror der Mate rialschlacht oder

auch nur die Infragestellung des bürgerlichen Subjekts im ßirieg gegangen

zu sein. In \üiderspruch zu dem Paradigma, die Thematisierung des Krie-ges in manifester Form werde erst Mitte der zwanziger Jahre möglich, sinddiese Filme aus der oZwischenzeitn gleichwohl Bestandteile eines sich noch

formierenden Genres, das sich über gemeinsame Inhaltspartikel und nichtüber seinen eklektizistischen Gebrauch erprobter Erzählweisen bestimmenldsst. 'Wenn die \7erke in Klaus Kreimeiers \Torten zwar nicht oden Krieg,als Erfahrung des ,Kriegers,, ungefiltert reflektierenn,se so lässt sich doch

ganz sicher eine ,gefilterte Reflexionn transparent machen. Der Deutungs-ansatz zu lharus sollte das anhand der Konzepte der Melodramatisierungeinerseits und der Mythisierung andererseits zeigen.e0

An Asthetik, Inhalt und Ausdeutbarkeit von Iharus können die \Welt-

kriegsfilme ab Mitte der zwanzigerJahre in unterschiedlicher'W'eise anknüp-fen. Sie verweisen damit nachdrücklich auf ungebrochene Kontinuitäten,Die Vorliebe einer Reihe von Filmen fur Luftkrieg und Seekrieg betrifftdabei zwei Vaffengattungen von zwar vergleichsweise untergeordneter, aber

stark verklärter Bedeutung. Solche Filme boten Gelegenheit, das Bild des

anonymen Massensterbens in den Gräben durch Bilder individuellen undsymbolhaften Heldentums zu kontrastieren. Ihre Beschwörung der Ritter-lichkeit machen sie dabei, wie George Mosse über die Kriegsflieger schreibt,

zu ,Symbolen des Kampfes gegen die Moderneu.er Erhöht werden sollte

die Glaubwürdigkeit der Filme und ihr Charakter von Gefallenendenk-mälern durch direkten Bezug auf bekannte Personen und Ereignisse. Zunennen sind hier Unsere Emden (Louis Ralph, 1926), ein Film über den

legendären Kreuzer, in dem gar die Aktualisierung des Nibelungenstoffesgesehen wurde,e2 U 9 Weddigen (Heinz Paul, 1927) über Kameraden des

populären U-Boot-Kapitäns Otto \Weddigen und Richthofen, der rote Rit-ter der Lufi (Desider KertCsz, 1927) nber den berühmtesten aller Kriegs-

flieger.e3 Von eine m IGiegsflieger handelte arch Ein Thg der Rosen im August

... da hat die Gard.e fortgenußt (Max Mack, 1927), bevor das Thema vonden großen Produktionen des Auslands - Vings (\Tilliam '$7ellman, USA1927) und L'Cquipage (dt. Karneradez, Maurice Tourneur, FR 1928) - auf-

gegriffen wird. In der Erzählweise machten auch diese modernen Mythi-sierungen häufig starke Anleihen beim Melodram und beim Abenteuer-film. Für ,kinomäßiges< Spektakel boten Luft- und Seekrieg bessere Kulissen

200

Revisionen des li7eltkiegs im frühen Veimarer Kino

als Gräben, Unterstände und Etappen. Dies mag ein Grund dafür sein, wes-halb Filme, in denen Heer und Front im Zentrum stehen, in der Phase

unmittelbar nach dem Krieg in Deutschland nicht produzierr wurden, undsie auch später nicht überwogen. Der in der Forschung heute vergleichs-weise hohe Bekanntheitsgrad der \festfrontfilme rVestfont 191 8, Die ande-re Seite, Douaumont (Heinz Paul, l93l) und Niemandsland (Yictor Tiivas,l93l) hat damit zu tun, dass sie oft im Kontext von Im Westen nichtsNeues genannt werden und dass sie durch gltickliche Fügungen erhaltenblieben. Sie erweitern das Genre ebenso durch die Beronung angeblich natu-ralistischer Oberflächen, die Ersezung des Einzelhelden durch die Grup-pe und die Dominanz des Kameradschaftsmotivs. Zudem bieten sie in vielhöherem Maße als die übrigen Filme Stoffftir die dauernde Frage nach dem\7esen medialerAuthentizität. Das Bild des Genres haben sie bis heute mit-geprägt und ihr genregeschichtliches Umfeld in den Schatten gestellt. Her-vorzuheben ist die diskursive Funktionalisierung der Frontfilme, die inDeutschland etwa zehn Jahre nach Kriegsende erscheinen. Sie sind Teiljener oft mit Jubiläen verknüpften Bemühungen, Geschichtsbilder, ja, Ge-schichtsfiktionen zu vermifteln und - hier ganz unabhängig von gesell-schaftspolitischen Ideen - Sinnstiftungen vorzunehmen. Dass die Front-filme geschichtsmächtig wurden, die früheren lGiegsfilme aber offenbarnicht, sollte nicht die Erkenntnis verstellen, dass in beiden Fällen ein vonErzählkonventionen abhängiges, fiktionales Bild des Krieges enrworfenwurde. Freilich haben sich die Fiktionen gewandelt ebenso wie ihr histori-sches Verständnis. Heute vermag deshalb sogar die verborgene sarkastischePointe in einem Film wie lkarus, ungeachtet seiner melodramatischen undmythisierenden Verweise, zu entzücken: Denn in einem Land, das geradeerst mit Schrecken aus dem Tiaum seines letzten Kaisers vom Platz an derSonne geweckt worden wat sind die Fiktionen mehrdeutig. Ikarus zumin-dest bekam die Sonne nicht gut.

Für Hinweise und Kritik danke ich Gundula Avenarius, Jürgen Dittrich, Ralf Klausnitzer,Jacob Klingner, Johannes Ortmann, Rainer Rother, Jörg Vollmer und Erhard Schütz.

I Vgl. Thomas J. Saunders: \Teimar Germany: Crisis as Normalcy - Tiauma as Condition.In: Neue Politische Literatur, 45. Jg., Nr. 2,2000, 5.208-228.

- 2 Die einschneidende

Bedeutung des rüTeltkrieges für die Geschichre des Kinos und ftir das BildgedEchtnis im20. Jahrhundert beleuchtet knapp Pierre Sorlin: Cinema and the Memory of the Great \(/ar.

201

Philipp Stiasny

In: Michael Paris (Hrsg.): The First lVorld Var and Popular Cinema. 1914 ro the Present.

Edinburgh 1999,5.5 -26. - 3 My; Die Mobilmachung des Bildes' In: Vossische Zeitung,

Nr. D4,28.04.1917. - 4 Dazu u. a. Hans Barkhausen: Filmpropaganda ftir Deutschland

im Erstcn und Zwcitcn \(elrkricg. Hildcsheim 1982; Reiner Rothcn Vom olGiegssofan zum

,Flug an dic Fmnr*. Anmerkungen zum dcutschen Film im Ersrcn Veltkrieg.-In: ders.

(Hrsg.): Die leeten Tagc dcr Menschheir. Bildü des Ersten !9'cltkriegcs. Bcrlin 19.94,

S. 197-206i Wolfong Mühl-Benninghaus: Exemplifikationen dcs Militärischcn zwischen

l9l4 und 19t8. Die Darstellung dcs Ersten Weltkricges im Nonfiction-Film. In: CorinnaMtillcr/ Harro Scgebcrg (Hrsg.): Die Modellicrungdcs Kinofilms. ZurGcschichtcdcs Kino-programmszwischen Kuzfilm und Langfilm I905/06-1918. Münchcn 1998' S.273-3001

b"iid !f.kh' Gcrmany, Propaganda end Total Var, l9l4-19t8. London 2000; tllrikcOppclc Film und Propag3nda im Ersrcn'Veltkrieg. Propaganda als MedielnalitätimAkrualiräten- und Dokumenarfilm. Stucgan 20021 zusammeofassend Raincr Rother: DieErfahrungdes Erncn Wbl*riegs und derdcutschc Film. ln: BrunoThoß/Hans'Erich Volk-mann (Hrsg.): Erster\Tcltkrieg- ZwciterVeltkrieg. IGieg' Kricgscrlcbnis, Kriegserhhrungin Dcutschland, Ein Vergleich. Paderborn u. a. 2002, S' 822-838. - 5 Dazu Bernd Ulrich:Die umkämpftc Erinnerung. Übcrlqungen zur Vahrnehmung dcs Ercrcn Vcltkrieges indcr'Wcimarer Republik. In: Jörg Duppler/Gerhard P. Groß (Hrsg.): Kriegcnde l9l8: Er-

eignis, Wirkung Nachwirkung. Mitnchcn 1999,5,367-375 sowic B. Ulrich/BcniaminZi,-cmann (Hrs[.): lGieg im Fiicdcn. Dic umkämpftc Erinncrung en den Ersren \(elt-krieg. Quellen und Dokumente. Frankfurt/M. 1997. - 6 Klaus Kreimeier: Trennungen.

G..s(. P"bst und seine Filme. In: Vollgang Jacobsen (Hrsg'): G'V. Pabst' Berlin 1997,

S. I I-124, hier: S. I5. -7 Ebd., S. 17. - 8 Vgl. Anton Kaes: War - Film - Tiauma. In:

lnka Mülder-Bach (Hrsg.): Modernität und Tiauma. Beiträge zum Zeircnbruch dcs Ersren

\?clrkrieges. '!üien 2000; S. I 2 I - I 30. Zur Deutung vo n &ligarivot dcm Hinrcrgrund des

Krieges auch: Rolf Aurich/WolfgangJacobsen: Hypnor & IGieg, llord t* Kokain' In:\VolfgngJacobscn u.a. (Hrsg.): Filmmuscurn Berlin' Bcrlin 2000, 5.35-52'

=.9 Vgl:

Anron Ges: M. bndon 2000. Eine breit angclcge Arbcit von Kaes zum Thcma Film und

Trauma in der'Weimarer Republik ist angekündigt. - f0 Vgl' Bernadette Kester: FilmFront \0eimar. Representations of the First World 'War in German Films of the '\?eimar

Period (1919-1933). Amsterdam 2003. (Zuerct auf niederländisch, Hilversum 1998). -1l Vgl. Georges Sturm: Die Circe, der Pfau und das Halbblut. Die Filme von Frie Lang

1916-1921. Tiier 2001. - 12Ygl. Malte Hagener/Jan Hans: Von \iTilhelm zu \7eimar.Der Aufldärungs- und Sittenfilm zwischen Zensur und Markt. In: Malte Hagener (Hrsg.):

Geschlechr in Fesseln: Sexualität zwischen Aufldärung und Ausbeutung im W'eimarer Kino1918-1933. München 2000,5.7 -22. Zum Begriffder Zwischenzeit ebd. S.7' - 13 Vor

Minc dcr zwanziger Jahrc strcifte Kester zufolge lcdigliclr dcr nicht erheltenc Film D.r D?Ppclmord m Saijeun. Dic SchtrU am Vthkrhg (Rolf Randolf' D l9l9/20) die liriegsthe-

marilc A.llerdings urtcilr Kcstec dass des rwahricheiqlich nicht mehr als ein rcledv unschul-

digpr hisrorischig fil6r gcwcscn sei. Vgt. Kcst*: Filmfmn, V9T.I: 5.66._- f4 Vgl.

ThomasJ. Saundcn: Politics, the cinema, and carly rcrisitadons of the W'ar in Wcimar Ger-many. In: Canadian Joumal of His:ory, Bd. 23, 1988, S.25-48, zum Kelkiil dcr dcutschcn

Filmwirtschaft bcs. S,29. - 15 R:incrRothc: Gumanis Douaaazr (1931): Verdun and

thedepictionof World $VarI. In: HistoricalJournal-of Film, RadioandTelevision, Bd. 19,

Nr. 2, 1999, 5.217-238, hier bes. S.218. Einen Überblick über die filmische Auseinan-

derserzung mit dem W'eltkrieg bis 1945 bietet Rainer Rother: The Experience of the First'\Torld War and the German Film. In: Paris: The First rVorld \W'ar and Popular Cinema,

S.216-246. Darin bezieht sich Rother auf \?'alter Benjamins Ausführungen über Erfah-

rung und Erzählung zur Erklärung des jahrelangen Schweigens nach 1 9 I 8. Vgl. S. 2 I 8 f. -16 Knut Hickerhier/Marcus Bier: Das Unterhaltungskino I: Militärschwänke im Kino der

zwanzigerJahre. In: Harro Segeberg (Hrsg.): Die Perfektionierung des Scheins. Das Kinoder \Teimarer Republik im Kontext der Künste. München 2000' S'67 -93' hier: S' 78. An

202

Revisionen des \Teltkriegs im frühen Weimarer Kino

die Stelle der Militärschwänke seien ,ironisch-kritische Lustspieleu und Antikriegsfilmegetreten wie Liebe (Manfred Noa, I 919) - dazu mehr unter II. - und Misericordia - Tötet

nicht mehr! (Lupu Pick, 1919). Letzterer Film hat allerdings mit dem Krieg nichts zu tun,sondern plädiert gegen die Todesstrafe.

- 17 George L. Mosse: Gefallen [ür das Vaterland.

Nationales Heldenrum und namenloses Sterben. Stuttgart 1993, S.184. Siehe auch ebd.

S. 141 - 147 und S. 228 f. Mosse liegt daran, über den personellen Zusammenhang zwischen

Bergfilm und Faschismus hinaus den ideologischen zu betonen. Genauere Analysen der Fil-me unternimmt er nicht.

- fS Vgl. Christian Rapp: Höhenrausch. Der deutsche Berg-

film. \)üien 1997 ,bes. S. 33-39. - f 9 Vgl. die Beiträge in: Jan-Christopher Horak (Hrsg'):

Berge, Licht und Tiaum. Dr. Arnold Fanck und der dcutschc Bcrgfilm' München 1997 . -20 Programmhcft dcr Völkcrbund-Filmgcscllschaft zu lCaiso Wilheltns Glüch und Ende,

undatieit. Archiv dcs Filmmuseums Bcrlin-Dcutschc Kinemathels Berci* im Februar 1919

hatte fuchard Oswald die Produktion von Der lente Kaiser. Eine menschliche Tiagödie

angekündigt, sie aber zurückgezogen, nachdem die Alliierten im Versailler Vertrag die Ankla-geerhebunggegen $Tilhelm II. geforderthatten. Siehedazu: DerFilm, Nr,27,05'07.1919,S,37 und S.g4.ZurYorgeschichte, dem Verbot und dem Gerichtsurteil gegen den Kaiser-

film, das dem Kleger'\Tilhelm II. Recht gab und die Vernichrung aller Filmkopien anord-

nete, siehe Lichr-Bild-Bthne, Nr. 31, 02.08.1919, S.34, Film-Kurier, Nr. 61, 16'08'1919,Der Film, Nr.41, 12.10.19r9,5.241. und ebd., Nr,42, 19.10.1919,5.34, Film-Kurier,Nr. 40, 17.02.1920.

- 2l Zensurkarte Berlin Nr. 1684 vom 04.04.192L (Nachzensur),

hierAkt 5, Titel 10, Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. Siehe auch die Rezensionen in: DerFilm, Nr. 51,21.12.1919, S.39 und Film-Kurier, Nr. 127, 15.06.1920.

- 22 Siehe Pro-

grammheft der Rolf Randoll-Film, undatiert. Archiv des Bundesarchiv-Filmarchiu Berlin.Zur Premiere in München siehe Oskar Geller. In: Film-Kurier, Nr' 17, 21.01.1920. Obwohlder Film die Kriegszeit selbst gar nicht berührt, dürften Thematik und Titel die Zuordnungzu den \Teltkriegsfilmen rechtfertigen. Siehe auch Anm. 13.

-23 \Yeh ohne KriegPro'

duktion: Majestic-Film, Regie: Fritz Bernhardt, Darsteller: Alf Blütecher, Magda Rössler,

Grete Reinwald, Magnus Stifter, Marion AIma, Georg Steinhäuser, Karl Morvilius, Länge:

6 Akte, 1664 m, Kopie: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek, 657 m (16 mm). -24Oly. (= Fria Olimsky) in: Berliner Börsen-Zeitung,18.02.1920, hier zit. n. der Zusam-

menstellung von Pressestimmen in: Der Film, Nr. 9, 28.02.1920, S. l2 L Bemängelt wird,dass die Idee der Fernzündung von Munit.ion bereits im kurz zuvor herausgebrachten sieb-

ten Teil von Die Henin der Welt. Die lhhhäterin der Mensehheit (Joe May, 1919) verwen-

det worden sei. Der Sensationswert leide darunter. -

25 Oly. (= Fritz Olimsky) in: Berli-ner Börsen-Zeitung,20.05.1920.

- 26 C. in: Berliner Börsen-Courier, 13'06.1920, hier

zit. n. der Zusarnmenstellung der Pressestimmen in Film und Presse, Nr. 2, 10.06.1920,

S.2l f. Angemerkt sei, dass der hier geäußerte \7unsch, nicht auf so triviale 'S7eise an das

Leid erinnlrt zu werden, eine Ahnlichkeit mit den Verdrängungs- oder Beschweigungs-

verfahren des Tiaumas aufireist. -

27 lntene Aufteichnung des Relerenten Dr' Volzvom 09.06.1920 zur Vorauffiihrungvor Der Gefangene im Polizeipräsidium Berlin, Bun-desarchiv, Berlin, Bestand R 901 (Auswärtiges Amt. Zentralstelle für Auslandsdienst)/1088, Bl. 141. Siehe auch den vergleichsweise umfangreichen Schrifrwechsel und die Un-terlagen zu diesem Film in R I09/ 1088, Bl. 129-143 und R 109/1089, Bl. 63tr.

-28 Siehe die Rezension zur Dresdner Pressevorführung von Esah. In: Film-Kurier, Nr' 181'

17.08.1920. -29

Siehe Film-Kurier, Nr.25,29.01.1921.-30 BrieFvon Kiliani an Ri-chard Strauss vom 21.08.1919, Bundesarchiv Berlin, Bestand R 901 /943,.81. 224-226.Eine Anrwort von Strauss isc nicht überliefert; das Projekt kam nicht zustande. -3l Zum Möwe-Film und zu U 35 siehe Bundesarchiv Berlin, Bestand R 9011944'Bl. 135 ff.

- 32 Siehe dazu: Der Film, Nr. 14,02.04.1921, S.63, wo unter Hinweis aufeinen Beschwerdebrief in der sozialistischen Zeiasng uFreiheitn darüber berichret wird,dass Kinobesitzer in Kindervorstellungen Kriegsfilme zeigen. Die Kinder, so die Kinobe-siuer, interessierten sich nämlich nicht für Natur- und Märchenfilme.

- 33 Der Film,

203

Philipp Stiasny

Nn 47,23.11.1918, S. 1. - 34 Lichr-Bild-Btihne, Nr. 47,23.11.1918, S'37,42'

-35 Llnsühnbar, Produktion: Projektions-AG Union (PAGU) 1917, Regie: GeorgJacoby,

Buch: Hans Brennert, Darsteller: Adele Sandrock (die Mutter), Toni Zimrnerer (der ältere

Sohn), Gerhard Thndar (de r jüngere Sobn), Grete Dierks (die Magd), Johannes Mueller (der

Fremde), Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. Mag.-Nr.: M 15166, Länge:3Akte, 1063 m

(35 mm). - 36 Das Motiv der ungleichen Brüder, des Vaterlandsverrats und - was hin-sichtlich Unsiihnbar nichr ausgeführt wurde - die Figur der sich aufopfernden, der vater-

ländischen Pflicht gehorchenden Mutter tauchen spärer wieder auf in Das deutsche Muner-herz (Geza von Bolvary-Zahn, 1926), dazu Kester: Film Front Veimar, S. 194-200' Das

Motiv des Verrats der Front durch die Heimat stellt Kester auch in ihren Ausführungen zu

IYestfont lglSherats, siehe Bernadette Kester: Looking for the Enemy in German W'ar

Films of the ri7eimar Republic. In: Krieg und Literatur/ S7'ar and Liierature. Internationa-les Jahrbuch zur Kriegs- und Antikriegsliteraturforschung. Bd.3-4 (1997-1998),S. 991 - t 000. Zumindest erwähnt sei, dass in Unsühnbar der Fremde, der die Arbeiter zum

Streik auÄviegelt, sich der Hilfe einer jungen und naiven Magd bedient, die er sexuell an

sich bindet. Die Verführbarkeit der Frau erscheint als Voraussetzung des weiteren Unheils.

-37 Angemerkt sei, dass die hier vorgestellte antibolschewistische Reihe im weiteren pro-

duktionsgeschichtlichen Kontext einer verstärkten Hersqellung so genannter Tendenzfilme

mit ausgesprochenem Propagandagehalt steht. Propagianda wird beispielsweise gemacht

gegen die Todesstrale in Mhericordia - Tötet nicht mehr! (Lupu Pick, 1919), fir die Zt-lassung der ärztlichen Euthanasie in Herr über Leben und Tbd (Lupu Pick, I 9 I 9) und gegen

den Antisemitismus in Die Geächteten (Der Rinalmord) (Joseph Delmont, 1919)' -

38 Programmheftzu Söhne des Volhes (1918), o. S., Archiv des Filmmuseums Berlin - Deut-sche Kinemathek. Folkeß uen, Produktion: Nordisk 1918, R: Holger-Madsen, Buch: Sophus

Michaelis, Ole Olsen, Kopie: Danske Filmmuseum, Kopenhagen. Länge: 2109 m (35 mm). -39 Licht-Bild-Bühne, Nr. 50, 14.12.1918, S.50. - 40 Kinemacograph, Nr. 623,

11.12.1918. Siehe auch Der Film, Nr.49,07.12.1918, S.69. - 4l Kinematograph;

Nr.675, 10.12.1919.-42DerFi[m,Nr.49,07.12.1919,5.51.-43Vgl.dieEntschei-dungen der FilmprüFstelle BerlinB.43693 vom 21.08.1920 und8.264vom25.10.1920,veröffentlicht unter www.deutsches-filminstitut.de/filme/f024480.htm (19.03'03).

-44Ygl. ebd., Entscheid 8.264 vom25.10.1920,5.4. - 45 Dass Murnaus Film, entstan-

den nach einem Drehbuch von Robert Viene, auch im Kontext einer internationalen Pro-

duktion antibolschewistischer Filme in der Nachkriegszeit steht, erhellt der Außatz über

Bkde afsatans Bog (C.T. Dreyer, DK 1919) von Casper Tybjerg: Red Satan: Carl TheodorDreyeiand the Bolshevik Threat. In: John Fullerton und Jan Olsson (Hrsg'): Nordic Explo-rations: Film Belore 1930, Sydney 1999, S. 19-40. Einige zeitgenössische Materialien undRezensionenzu Satanassindveröffentlichtunterwww.filmgeschichte,de/films/satanas.htm(19.03.03).

- 46 Siehe die Rezensionen in: Der Film, Nr. 1 5, 12.04.19 19,S. 30 und Licht-

Bild-Btihne, Nr. 16, 19.04.1919,5.42. Die Münchener Uraufführung der Produktion mitdemUntertitel DerFilmderZeit.EinDramaausunserenTagenfindetschonimJanuarl9l9statt. Vgi. Der Film, Nr. 8, 22.02.1919, S.87. Dieselbc Fhma bringt mit Desperadol DerSensationsflm aw snt€ftr, Thgm (Toni Artenberger, l9l8/19) cincn weiteren Revolutions-

film heraus. Vgl. dic Anzeige ebd., S,88 f. Da,s Mtuchcnmotiv der Versöhnung der Klassen

findet sich u.a. wicdcr in Dat Tor dn Fmilair ($fdtcr Schmidthaßlec l9l9). Hier sreht am

Ende nach Srreik und Aufstand die Heirat der Tochter eines Fabrikbesipers mit dem Sohn

eines Fabrikarbeiters. Siehe die Rezension in Der Film, Nr. 26,28.06.1919,S' 38. Die Über-windung der K.lassenschranken predigt auch der Film Hungerndz Millionäre (Villiam\ü'auer, 1920).

- 47 Siehe die Rezension von Margot Meyec In: Film-Kurier, Nr. 21,

25.01.1920. -

48 Der Film, Nr. 50, 14.12.1919, S.38. Von allen hier genannten deut-

schen Filmen mit antibolschewistischer Stoßrichcung ist m.W'. nur von Der letzte Unteltdneine allerdings unvollständige ausländische Verleihkopie erhalten. Kopie: Deutsches Histo-risches Museum, Berlin. Länge: 4 Akte, 1310 m (35 mm), viragiert, niederländische ZT

204

. Revisionen des'lTeltkriegs im Frühen !ü'eimarer Kino

(ursprünglich 5 Alte, 1800 m). Das Motiv des bolschewistischen Aufruhrs kommt auchin 'Virbel des Wrd.erbens (Siegfried Dessauer, 1920) vor, dem zweiten Teil von Dämon d.er

Veh. -

49 Max Glass: Die entFesselte Menschheit. Leipzig 1979. Siehe u.a. die Rezen-sionen in: Der Täg, Nr. 573, 28.11.1919 (Franz Servaes), Vossische Zeitung, Nr. 58,01.02.1920 (Gabriele Reuter), Das Literarische Echo, 22. Jg., Heft 18, 15.06.1920,Sp. 1 134- 1 136 (H. Friedeberger).

- 50 Siehe Zensurkarte Berlin Nr. 20 vom 29.06.1920,Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. Für eine Zusammenstellung der überwiegend positivenRezensionen aus der Thgepresse siehe Film und Presse, I . Jg., Nr. 1, 01 .07 .1920, S. 20 undebd., Nr. 21,04.12.1920,5.491F.

- 51 cr. in: Berliner Börsen-Courier, Nr. 545, 21.11.1920.

- 52 Siehe Zensurkarte Berlin Nr. 12871 vorn 10,05.1926, Bundesarchiv-Film-archiv,Berlin.DerFilmträgtdenUntertitel SechsAhteausderLeidenszeitdesdeutschenVolkesund ist nichc zu verwechseln mit dem gleichnamigen einaktigen dokumenrarischen \fer-befilm ftir die Harzburger Front von 1931.

- 53 lkarus, Produktion: Neutral-Film, Regie:Carl Froelich, Buch: Erhardt Breitner, Darsteiler: Ernst Hofmann (Gtinrher Ellinghaus),Esther Carena (Clemence de Montignon), Heinz Sarnow (Baron d?ubigny), Edith Sorel(Erika), Gustav Botz (derVater, Geheimrat Ellinghaus), Olga Engl (die Mutter), Ernsr Renn-spiess (französischer Agen$, L'änge; 6 Akte, 2000 m (nach: Der Film, Nr. 28, 12.07. I 919,S. 45), (NeujZensur: Prüf-Nr. B. 2268 vom 0 1.06.1 92 1, 1744 m (nach Kürzung 1739 m),Jugendverbot, Kopie: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek, 4 Akte, 1953 m (35mm). Der Nachweis von Zwischentiteln im Text beziehr sich im Folgenden auf die Film-kopie und nicht auf die Nummerierung in der Zensurkarte.

- 54 Als Mitglieder der wohlpopulärsten und publizistisch am srärksten herausgehobenen \Taffengattung genossen dieFlieger, deren jugendliches Alter von selten mehr als 25 Jahren die Mythenbildung sehrbeförderte, einen Sonderstatus. Am Beispiel der Laufbahn Richthofens wird dabei die Nähevon Rittertum und Fliegerei deutlich; Richthofen war nichr nur adlig und ein leiden-schaftlicher Jager, sondern hielt auch den Rang eines Rittmeisters, was seine Herkunft ausder Kavallerie, der Vaffengattung der Ritter, untersrrich. Der 1917 veröffentlichte, über-aus populäre und vorgeblich autobiographische Berichr des ,roten Baronsn erreichte bisKriegsende eine Auflage von 400.000 (Manfred von fuchthofen: Der rore KampFflieger.Berlin 1917). Berühmtheit erlangten auch die Flieger Max Immelmann und Oswald Boelcke.Dazu R. von Zolling: Immelmann, der Adler von Lille. Ein Heldenleben. Berlin 1916 undOswald Boelcke: Hauptmann Bölckes Feldberichte. Gorha 1916. Zum Einsarz und Imageder lliegsflieger allgemein siehe das Kapitel uThe Image of the War Acen. In: Peter Fritz-sche: A Nation oIFliers. German Aviation and the Popular Imagination. Cambridge/Mass.u.a. 1992, S.59-101.

- 55 Eugen Jacobsohn in: Kinematograph, Nr. 617, 30.10.1918.Hier findet sich auch ein als Prolog zur Vorführung vorgerragenes dreistrophiges Gedichtvon Leo Heller abgedruckt, das die IGiegsflieger in ihrer jugendlichen Kühnheit als neuesGeschlecht besingr.

- 56 VossischeZeitung, Nr. 553, 29.10.1918. - 57 Licht-Bild-Btih-

ne,Nr.44,02.11.1918,S. 112.-5SFilmundKino, I.Jg.,Nr.6,03.11.1918,S.33.-59 Zu diesen (Spiel-) Filmen zäÄlt beispielsweise der Kriegsanleihe-Werbefilm Die bren-nende Wunde (Franz Seitz, 1918), dessen Handlung erst Ende Oktober l9l8 endet. Kopie:Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. Mag.-Nr.:M2097, Länge: 3 Akte, 793 m (35 mm). Eherungewöhnlich waren dagegen die Aaträge, Propagandafilme aus der lGiegszeit nach 1918wieder zuzulassen. Dies passierte beispielsweise im Fall des Spielfilms Dem Licht entgegen(Georg Jacoby, l9l7), der - eingebaut in das Schicksal eines im Unterstand verschüttetenund erblindeten Soldaten - ftir den Einsatz von Sanitätshunden im Krieg warb und der1925 zu'V/erbezwecken für den Deutschen Verein für Sanitätshunde wiederzugelassen wur-de. Dazu die Enrscheidung der Filmoberprüfstelle Berlin O. 181 vom 22.04.7925, veröf-Fendicht unter wwwdeutsches-filminstitut.de/filme/f0226l6.htm (19.03.03). Ein Frag-ment des Films liegt im Filmmuseum München.

- 60 Vgl. Der Film, Nr. 13, 29.03.1919,

S.5-10. Über die Neutral-Film sind kaum Informationin bekannt; die Durchsicht ihrerFilmographie ergibt zumindest, dass ihre Produktionspalette vor allem aus Melodramen

205

Philipp Stiasny

besrand und Il<arus3ils ßiriegsfilm cinc Ausnahme war. - 6l Vgl. die Anzcige in: Deursche

Allgemeine zlrirung, Nr.33t, 13.07.1919.-62Zum VersaillerVcftragdieBeiträgeinGcid lirumcich (Hrsg.): Versaillcs l9l9: Ziele -Virkung - \flahrnehmung. Bscn 2001' -63 Vgl. Gerrd Krumcich: Vcrsaillcs 1919. Dcr Krieg in _de1

Kiryfcn..l1: EM,' S:23--U,hiec 5. 6l . - 64 Film-Kurie r, Nr. 26, 05.07.1919. - 65 Der Film' Nr' 2E' 12.47 .1919'5.42. - 66 8 Uhr Abendblan, Nr. 147, 04.07.1919. - 67 e-e.in: BZ am Mittag, Nr.

147,07.07.1919. -68 Bekannter ist die Verwendungvon oQuand l'amour meurtn in Mar-

lene Die trichs erstcm Holtywood-Film Morucco (Jo*f von sternberg usA 1930); hidr lei-

ter das Lied programmatisch die Beziehung der Sängerin mit Gary Cooper ein' - 69 Du-rch

das Fehlen von z.nsurkarren fur die im oktobcr l918 und die im Juli l919 gezeigren Fas-

sungcn, bleiben die folgendcn Ausführungcn thcsenhaft und unbewcisbar, Dass die erhd-

,.n."F"rrung nichr mir?er Fassungvon dkrober l918 identisch scin kaon, geht dabeiaus

dcr schlussequenz hcrvor, Dass sie auch nicht mit der ncuzcnsicrtcn Fassung.von l92lidendsch ist, ziigt dagcgen dic Längendifferenz; dic crhdtene Fassung ist immcrhin 214.m

längcr als icnc vön I 92i und wird daher ats älrer gdtcn könncn.,Die einzige 192 I von der

Zen-sur beanstandctc und herausgeschnincnc Srcne isr in dcr crhaltenen Fassung vorhan-

den (Darin wird clemcnce' schwalzer Diener wegcn abfilligen Benehmcns von einem deut-

schen Soldaren übers Knie gelegr und verhauen; jetzt Akt 3, nach Titel 2). Vgl. Zensurk-ar-

te Berlin B.2268 vom 01.06.1921, Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin. - 70 Vgl. die sehr

:ihnlichc Abbildung in dcr ri?erbung in Der Film, Nr. l3' 29.03'1919' S' 5' - 7l g-g. in:

B. Z. am Mittag, Nr. 147, 07 .07 .1919. -72 Fur einc knappe Einftihrung in die literari-

schc Rczcprion des lkarus-Mythos siehe Achim Aurnhammer/Dietcr Martin: Nachwon.

In: dies. (Hrsg.): Mythos lkarus. Tcxte von Ovid bis Wolf Biermann' lcipzig 1998'

5.244-267. - 73 Felix Philipp lngold: Ikarus novus. Zum Selbswcrständnis des Autoren

in dcr Moderne. In: Haffo Scg.b.tg (Hrsg.): Technik in der Litcratur: ein Forschungs'

tibcrblick und zwölf Aufsätze. Frankfurt/M' 1987, S.269-350, hier: S.307. - 74 Ebd'S.336. Im Original kursiv. - 75 Erhard Schütz: Abstürze-Außchwünge. Die Unriskanz

der Bilder im ufuarischen Zeiralrern. In: Norbert Bolz u.a. (Hrsg.): Riskante Bilder: Kunst,

Literatur, Medien. München 1996,5.203-217,hier:3'209.- 76Die Zeitschrift 'DieLuftreiseu erschien 1925-1929 unter dem Tirel nlkarus. Im Fluge durch die große \7eltn.

Vgl. ebd. Ironisch wirkt die Anverwandl ung, als 1 9 I 9 ausgerechnet der Bei träger der Luft-faFrtberichte v6n ,Hansa. Deursche nautische Zeitschriftn mit dem Pseudonym Icarus

zeichnet. Siehe z. B. Hansa, 56. Jg., Nr. 23, 07.06' 1919' S' 399 f' und Nr. 25, 21.06.1919'

5.437 f. - 77 Hellmuth \Tetzel: Ikariden. In: Die Altion, 2' Jg., 1912, Sp' 1109f" hier

zir. n.: Aurnhammer/ Martin: Mythos Ikarus, S. I 17. Dazu auch ebd.5.257 f . -78

Th.Th.Heine: Auf eincn roren Flicgcr. In: Simplicissimus,2l.Jg.' Nr' l5' 11.07.1916, S. l8l.Reproduzicrt in Frieschc A Narion of Fliers, s.81. -79 Nachruf vom November 1916,

zit, n Orro \feddigen: Dcuachlands Luftkricg und Flieger-Hcldcn. Rqcnsburg l9l8'-S-' 70-

Boelckc wind dori ebenhlls mit Jung.Siegfricd, Thcodor Körner und dcm U-Boor-Kom-

mandanten Otto Veddigen verglichcn. - 80 Siehe Dietrich Schubcrtr Vilhdm lrhm-bruck. Catatogue raisonnC dcr Skulpruren 1898-1918. \(/orms 2001, bcs. S'37-39 und

ursula BcrgsriGcorg Kolbe - I"eben und \?erk mit dcm Kacrlog der Kolbc-Plastiken imGcorg-Kol6c-Museum Bcrlin. Berlin 1990, 5.239-24L' - 8l Sabine Behrenbeck: Zwi-schcriTraucr und Heroisierung. Vom Umgang mit Kricgsrod und Niederlage nach 1918.

In: Duppler/ Groß: Kriegsende 1918, S.315-339, hier bes. 5.321. - 82 Einzuräumen ist

freilich, dass die \7'ahrscheinlichkeit einer medienreflexiven und dadurch vielleicht ,sub-

versivenu l,csar beim zeitgenössischen Publikurn gering cinzuschätzen ist. Die ironische,

oben zirienc Rczcnsion dis Film-Kuricrs bezeugt immerhin cinc unrerschiedlichc Vahr-nehmung. Dic Suche nach Paraltclen zwischen Fil-h"ttdlung un{ M4h9s lasst im Übri-g"o

"u.licl"nl"nce als mögliches tkarus-Aquivalenr kurzzeitig in den Blick geratcn. sic ist

äie weibliche Hauprdarsteilerin, dic cincm wciblichcn Publikum trotz ihrcs ungchörigen

Benchmens als poicnriclle ldenrifikationsfigur dienen kann und dic kurz vor Endc ab-

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Revisionen des rVeltkriegs im frühen \Teimarer Kino

stürzt. - 83 Ttile dicscr Bemühungcn sind auch der Hinweis im Vorspann, dass ErnsrHofmann vom Dcurschcn Theater Berlin kommt, und die Verwendung ei.r.r großbürger-lichen Arnbienres mit Ausritt zu Pferde. Spielbankbcsuch und Zugehörigkeii zum Offi-zierssmnd. - 84 Zu Fridti&s R* lnd den Fridericus-Filmen siehä Axel Marquardr undHeinz Rathsack (Hrsg.): Preußen im Film. Reinbek 1981 sowie Solveig Cornelisen:Geschichtsdarstellung im Film. Vergleichende Analyse zweier ,Preußenfilmeu der'lJ?'eima-rer Republik. Unveröffentlichte Magisterarbeit: HU Berlin 1998. - S5 Vgl . dazu denZen-surstreit um Schicksalswende, dem letzten Teil von Fridericus Rex, der von der gegen großeinnere und äußere \üTiderstände gewonnenen Schlacht von Leuthen erzählt, Es könne odieweitere Tendenz nicht unterstellt werden, dass der Film den Zusammenbruch des Jahresl9l8 als ein vom Volk gegen das kämpfende Heer begangenes Verbrechen, Dolchstossle-gende, vergleichsweise hinstellen will. Der Beschauer wird vielmehr die Wirkung in sichauFnehmen, dass ein Gegensatz zur Jetztzeit wohl geschildert werden sollte, dass äer Filmsich aber davon lernhält, an derJetztzeir böswillige Kritik zu üben.n Vgl. Entscheid der Film-oberprüßtelle 8.V.17.29 vom 12.O3.1923, hier S. 4, veröflentlicht unter wwwdeutsches-filminstitut.de/filme/f01 8 55 8.htm ( 19.03.03). Die lavierende S prache der Zensoren legt es

na-he, dass der Film von Teilen des Publikums genau umgekehrt wahrgenommen wur.de. -86 Zu Die Hermannschkcht (I*o Koenig, 1922-1924) siehe Volfgang Müller: Die Her-mannsschlacht. Ein Kolossalfilm aus den lippischen'lfäldern. In: deri./Bernd Wiesener(Hrsg.): Schlachten und Stätten der Liebe: Zur Geschichte von Kino und Film in Ost-rt/estfalen und Lippe. Detmold 1996,5.42-62.

- 87 Siehe dazt Die Tbten kehren wieder(Enoch Arden) (Rudolf Walrher-Fein, 1919), Oberst Chabert (Eugen Burg, 1920), DieHeimhehr des Odysseus (Max Obal, 1922), Graf Chagron, Die Tragödie eines Totgeglaubten(Hansjürgen Völcker, 1924).Mi ausdrücklichem Bezug zum Wel&rieg auch

-Dir Mann

ausdemJenseits (ManfredNoa, 1926), Heinhehr (JoeMay, 1928)und-DerMenscltohncNamen (Gwrav Ucicl<y, 1932). - 88 Etwas irreftihrend ascheinr dahcr ein so knappesUrteil wie das aus einem Artikel über den Rcgisseur Carl Froelich (1875- 1953): ,\Zährenddes Ersten Veltkriegs setzre F. das Medium Film ds Kampfinstrumenr ein: Persönlichvom deutschen Sieg überzeugt, drehre er noch l9l8 dcn Durchhalrefilm Dr A/lo vonFhndcrn.n Vgl, Jutta Ncupert Froelich, Carl. In: lVolfgang Benz (Hrsg.): BiographischesLcxikon der Veimarer Republik München 1988. S.97. - 89 Kreimeier: Tiennungcn,

!.17. - 90 Jay !?inter, einer der profilicrtesten Hisroriker do ErFehrungsgcschiihtedcs Veltkricges, har mehrfach auf dic Vcrfahren der Mythisierung - Wnteispricht lronMythologisicrung - insbesondcrc in populärcn Medien wie dem Film hingcwicsen, Dieglcichzcitige oVermcnschlichug" des Firieges, a B. in Romanzcn, und seine Monumenta-lisierung im Mythos vcrfolge dabei das Zicl, cinc neue Bcdeurung des Krieges zu findcn, dieerträglichcr war als seine fudität, Das Verhandeln ,ewigcr Themeno in mythisierendcnKriegsfilmcnwieJaca*sc(AbelGancc,FRlglg)und ThcfuarHoncmnofthcApocaQpsc

lRex Ingram, USA l 92l) rcflektiere das Bedürfnis nach Tiauer, Klage und Vergesscn. Vgl.Jay M. Mnter: lGiegsbilder: Dic bildcnde Kunsr und der Mythos der Siricgsbegeisrerung.In: Mercel van dcr Linden/Gortfried Mcrgncr (Hrsg.): Kriegsbegeisrerung und mcntalcKriegworbcreirung: intendisziplinärc Srudicn. Bcrlin t99t, S.89-l 12, hicr bcs. S. 104f,ltfinter untersuchr dics in brcitercr Perspekdve in ders.: Sircs ofMemory Sires olMour-ning. Thc Grcar Var in European Cultural History. Cambridgc u. a. t 995, bcs. S. I lg-144.Für einen poinderrcn überblick zum lfuicgsfilm siche ders,: The Expoicncc of \florld War I.New York 1989, S. 238-2 46. - 9t Vgl. Mosse: Gcfallcn fi,ir das Varcrland, S. 150. Frci-lich findet der symbolische Kampf gegcn die Moderne selbsr in Symbolen jcncr Modernesatr, - 92 Siehe -e- in: Film-Kurier, Nr. 300, 23,12,1926 und Der Montag, Nr. 50,27.12.1926. - 93 Die Fenigsrcllung dicscs Films dcr FPG (Film-Produktions-Gcmcin-schaft) wurde durch diverse Schwierigkeiten Verzögerr: Proteste der Familie Richthofen,Streit um Verfilmungsrechte mit der Arthur-Ziehm-Filmproduktion, die auch einen Richt-hofen-Film drehte, und Beschwerden des Auswärtigen Amtes. Dazu Der Film, Nr. 21,

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Philipp Stiasny

15.11,1927, S. 16 d. Einen Uraufführungstermin in Berlin gab cs daher ebenso wenig wieein größeres Presseecho, was vermutlich der Grund dafür ist, dass Kester: Film Front Vei-mar den Film nicht nennt. Zur gleichen 7.eitbeFand, sich bei der Tiianon dcr Richthofen-Film Du Erbc dcs lhnpfiiegers (Das Kreuz am Himnal) in Produktion, bei dem bereits derTitel im \7ort oErben dieAktualisierung und im \7ort rKreuzn die Sakralisierung beschreibt.Dazu: Der Film, Nr. 15,15.08.1927,5.45.

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