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1 RICHARD POGATSCHNIGG Das mittelalterliche Benediktinerstift St. Lambrecht Ein kultureller und machtpolitischer Faktor im Grenzgebiet von Steiermark und Kärnten Klagenfurt 2010

Das mittelalterliche Benediktinerstift St. Lambrecht. Ein kultureller und machtpolitischer Faktor im Grenzgebiet von Steiermark und Kärnten

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RICHARD POGATSCHNIGG

Das mittelalterliche Benediktinerstift St.

Lambrecht Ein kultureller und machtpolitischer Faktor im

Grenzgebiet von Steiermark und Kärnten

Klagenfurt 2010

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Vorwort

Wie Karl-Engelhardt Klaar es in seiner Arbeit über die eppensteinische Herrschaft in Kärnten

ausdrückt, erfordert die Darstellung jeder Form von Machtausübung und Herrschaftsraum,

besonders im Mittelalter, die Schilderung des „konkreten geschichtlichen Raum[es]“ der

jeweiligen Epoche.1 In der vorliegenden Arbeit soll die länderübergreifende

Herrschaftsentwicklung des Stifts St. Lambrecht in „Kärnten“ und „Steiermark“ im

Vordergrund stehen. Besonders hinsichtlich des geographischen Kernbereiches des Stifts St.

Lambrecht, der, obwohl er kein zusammenhängendes Gebilde darstellt, in der Literatur als

„Graslupptal“ beschrieben wird, werden Besonderheiten der mittelalterlichen

Herrschaftsbereiche und ihr Ineinanderfließen deutlich.

So wird beispielsweise in einer Urkunde von 1184 die Obersteiermark als „Karinthia“

bezeichnet, obgleich in derselben Urkunde von der „terra ducis Stirensis“ die Rede ist.2

Ausgehend vom damaligen, heute völlig unbedeutenden Zentralort Graslupp begann sich ein

Herrschaftszentrum im Bereich des strategisch bedeutsamen Neumarkter Sattels zu bilden,

welches durch das bairische Herrschaftsgeschlecht der Markwarte bzw. Eppensteiner in

Form ihres Stifts St. Lambrecht ein kulturelles und religiöses Zentrum für Jahrhunderte

erhielt. Die Ausdehnung des Herrschaftsbereiches des Stifts über die jeweilige Landesgrenze

und die daraus resultierenden kulturellen Entwicklungen, die teilweise bis heute

fortbestehen, sollen nach der Entwicklung des Stifts im Mittelalter einen zweiten Fokus

bilden und werden, wo möglich, die jeweiligen Schilderungen begleiten.

1 Karl-Engelhardt KLAAR, Die Herrschaft der Eppensteiner in Kärnten (Klagenfurt 1966), S. 9.

2 Josef von ZAHN, Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark I (StUB I) (Graz 1949), n. 625; zit. n. Othmar

WONISCH, Die Zugehörigkeit des Graslupptales zu Steiermark oder Kärnten. Eine historisch-topographische Untersuchung (Graz 1956), S. 2.

3

Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Von der „ecclesia sancti Lamperti in silva“ zur mächtigen eppensteinischen

Gründung 5

1.1. Das Geschlecht der Markwarte und die Gegebenheiten in der

Frühzeit der Region 5

1.2. Das Werden eines Klosters: „Fundator“ Herzog Heinrich III.

und die „Stiftungsurkunde“ von 1103 7

1.3. Die kulturelle Entfaltung des Stifts im 12. Jahrhundert 12

2. Die Machtausdehnung des Stifts St. Lambrecht anhand des regionalen Beispiels

der Kirche „Sancta Maria in Hove“ 16

2.1. Kirchengründungen als Beweis wachsender Ausdehnung und Vernetzung 16

2.2. Die Kirche und das Kloster in „Grazluppa“/Mariahof 17

2.3. Ein Mariahofer Pfarrer zwischen Papst und Erzbischof:

Das 13. Jahrhundert als Krisenzeit 19

3. Zeiten der Blüte St. Lambrechts im Spätmittelalter 22

3.1. Abt Otto von Laa als Vermittler in der europäischen Diplomatie 22

3.2. Der Bau des gotischen Münsters und die künstlerische Entwicklung

jenes Zeitraums 23

3.3. Das Gesamturbar von 1390 als Relikt einer Stiftsreform 24

4

4. „Oh Pierer, deine Birnen sind noch nicht reif!“ Das monastische Leben

in St. Lambrecht am Übergang in die Renaissance 25

4.1. Die Melker Reform in St. Lambrecht 25

4.2. Die Feste Steinschloss: Der Klerus macht „Aderlassferien“

auf der Höhenburg 26

5. Zusammenfassung 27

6. Literaturverzeichnis 29

5

1. Von der „ecclesia sancti Lamperti in silva“ zur mächtigen eppensteinischen

Gründung

1.1. Das Geschlecht der Markwarte und die Gegebenheiten in der Frühzeit der Region

Erstmals erwähnt wurde ein Königshof („curtis“) „ad Grazulpam“ im Jahre 860 in einer

Urkunde König Ludwigs des Deutschen. Die kleine Ansiedlung westlich des heutigen

Neumarkt dürfte sich, so lässt seine Lage an der lebhaften Straßenverbindung von Friesach

über das sog. Königreich ins Murtal und weiter ins Ennstal vermuten, zu einem kleinen Markt

entwickelt haben3. Gemeinsam mit dem Edelhof des dort ansässigen Geschlechts und

dessen „Turm“ erlangte er die Bedeutung eines Zentralortes für die gesamte Region und gab

der Neumarkter Passlandschaft den Namen „vallis Graslupp.“4

Um 970 trat im baierischen Nebenland Kärnten der erste Vertreter des für die Region noch

so bedeutenden Herrschergeschlechts der Markwarte mit demselben Namen als Markgraf

auf. Im Zuge der Unruhen von 970-978 und der darauf folgenden Absetzung des baierischen

Herzogs Heinrich II. („der Zänker“) gelang es Markwart als einzigem der drei baierischen

Markgrafen, sicherlich aufgrund seiner kaisertreuen Haltung, seine Stellung zu behaupten.

Somit nahm das Geschlecht der Markwarte im 976 neu gebildeten Herzogtum Kärnten eine

besondere Position ein und es gelang, die Markgrafenwürde in der Familie weiter zu

vererben. 1012 gelang schließlich dem Sohn Markwarts, Adalbero, die Erlangung der

Herzogswürde für seine Familie. Bis zum Jahr 1028 scheinen die Beziehungen Adalberos zu

Kaiser Konrad II.5 überwiegend positiv gewesen zu sein.6 Die nächste greifbare Quelle vom

Mai 1035 jedoch stellt eine völlig gewandelte Situation dar. In der Hauptquelle, dem Bericht

eines ungenannten Schreibers an Bischof Azeko von Worms, ist als Grundlage der Anklage

Adalberos vor dem Fürstengericht in Bamberg nur vom Hervortreten alten Hasses die Rede,7

auf die genauen Hintergründe wird jedoch nicht eingegangen. Das Vergehen Adalberos war

so schwerwiegend, dass Kaiser Konrad II. vor seinem Sohn, König Heinrich III., dessen

3 Hierauf weist auch die Bezeichnung der späteren Gründung Neumarkt als „novum forum Graslupp“ hin;

WONISCH, Graslupp, S. 3. 4 Nach Walter Brunner bezeichnet das altslawische Wort „groz(u)lu(l)i bzw. Frühslowenisch „Grasulaupja“ eine

„wilde Bachschnelle“ oder einen Wasserfall; Walter BRUNNER, Mariahof. Geschichte des Lebens und Leidens der Mensch einer Kleinregion von den Anfängen bis zur Gegenwart (Mariahof 2004), S. 30. 5 Konrad II., ab 1024 deutscher König, 1027 zum römisch – deutschen Kaiser gekrönt.

6 KLAAR, Eppensteiner, S. 90.

7 Ebd., S. 91.

6

Zustimmung von den Fürsten als unerlässlich angesehen wurde, einen Ohnmachtsanfall erlitt

und den Sohn erst durch einen Fußfall von der Schuldigkeit Adalberos überzeugen konnte.

Herzog Adalbero verlor seine Ämter und seinen Lehensbesitz und musste Kärnten verlassen,

nachdem er 1036 einen seiner Gegenspieler, Markgraf Wilhelm von der Sann, den Mann der

Hemma von Gurk, angeblich eigenhändig erschlagen hatte. Sein Allodialbesitz allerdings

verblieb seiner Familie und bildete die Grundlage für deren weiteres politisches Handeln.

Adalberos ältester Sohn Markwart, der sich in seinen letzten Lebensjahren als „Carinthiensis

comes“ bezeichnete, ehelichte um 1040 Liutbirg, aller Wahrscheinlichkeit nach die Nichte

des ermordeten Wilhelm von der Sann8, und konnte so beiderlei, eine Aussöhnung mit

adeligen Rivalen und eine Verbindung zur Herrschaft des Vaters aus dem baierischen Exil,

herstellen. Ohne näher auf die zwischenliegenden Herrschaftsverhältnisse im Herzogtum

Kärnten einzugehen, scheint diese Verbindung, gemeinsam mit seinem bedeutenden Besitz

in Kärnten, Markwart dort in späten Lebensjahren eine herzogsähnliche Machtfülle verliehen

zu haben.9 Deutlich zeichnet sich um die Mitte des 11. Jahrhunderts die zunehmende

Verdichtung des Besitzes Markwarts in zwei Komplexen ab, wobei sich der erstere an der

oberen Mur in der heutigen Steiermark befand, der zweite etwa 50 km südwestlich davon,

im Gebiet der großen Seen Kärntens. Verbunden waren beide Herrschaftsschwerpunkte

durch Besitzungen im Graslupptal bei Neumarkt und Mariahof.10

Auch südlich der Alpen, in Istrien und Friaul, befanden sich Besitzungen der Markwarte,

wobei es für eine Förderung des Friauler Klosters von St. Peter in Rosazzo durch Markwart

Anhaltspunkte gibt.11 Die letztendliche Stellung Markwarts im Herzogtum Kärnten aber

bleibt strittig. Benedikt Plank merkt an, dass 1072 das Gerücht aufgekommen wäre, dass

Markwart die Herzogswürde wieder angetreten hätte.12 Dies entpuppt sich in Karl-

Engelhardt Klaars Arbeit als Bericht des Lampert von Hersfeld von 1072.13 Dort wird König

Heinrich IV. der Vorwurf gemacht, Herzog Berthold Kärnten unrechtmäßig entzogen und an

Markwart übergeben zu haben, diesen später jedoch verleugnet und als Usurpator

dargestellt zu haben. Die Haltung des Stifts St. Lambrecht gegenüber Markwart ist klar: in

den „Notae s. Lamberti in Karintia“ aus dem 15. Jahrhundert scheint er als „dux Carinthie“ 8 KLAAR, Eppensteiner, S. 99.

9August JAKSCH, Geschichte Kärntens bis 1335, Bd. 1 (Klagenfurt 1928), 189 ff.; zit. n. KLAAR, Eppensteiner, S. 99.

10 Ebd., S. 105.

11 Ebd., S. 105-106.

12 Benedikt PLANK, Geschichte der Abtei St. Lambrecht. Festschrift zur 900. Wiederkehr des Todestages des

Gründers Markward von Eppenstein 1076-1976 (St. Lambrecht 1978), S. 10. 13

KLAAR, Eppensteiner, S. 106.

7

auf, und seine Gattin Liutbirg wird im jüngeren St. Lambrechter Nekrolog aus dem 14.

Jahrhundert als „ducissa Carinthye“ bezeichnet.14 Zu sagen bleibt, dass der Titel des Herzogs

alleine wenig aussagekräftig ist. Der Zähringer Berthold I. blieb aufgrund seines geringen

Besitzes vor Ort eine Randnotiz. Als allerdings Markwart IV. 107615 verstarb, hinterließ er

seinen vier Söhnen Liutold, Heinrich, Ulrich und Hermann die Machtbasis für künftige Größe.

Herzog Berthold unterstützte den Gegenkönig Heinrichs IV., Rudolf von Rheinfelden, womit

für Liutold, den ältesten Sohn Markwarts, nur die Seite Heinrichs verblieb. Liutold verdankte

diesem Umstand die Übernahme des Herzogtums Kärnten 1077 (?; siehe Verweis 15), jedoch

in deutlich verringerter Form. So ging die Mark an der Mur als Stammland der Steiermark an

die Traungauer und Friaul, Istrien und Krain an Aquileia, sodass vorerst nur die Mark Verona

Liutold erhalten blieb. Seltsamerweise scheint die Regierungszeit Liutolds, die 1090 mit

seinem Tod endete, weder besondere Spuren im Herzogtum noch in der Tradition des

Hausklosters St. Lambrecht hinterlassen zu haben, worüber noch näher zu sprechen sein

wird. Doch erst während seiner Regierungszeit ist die Benennung seines Geschlechts als „von

Eppenstein“, nach der bedeutenden Burganlage nächst dem Obdacher Sattel, nachweisbar.16

Sein Bruder übernahm als Herzog Heinrich III. die Macht, ist aber erst ab Mai 1093 als „dux

de Carinthia“ urkundlich nachweisbar.17 Erst Heinrich scheint sich dem Projekt seines Vaters,

der Gründung eines Hausklosters, wieder intensiv gewidmet zu haben.

1.2. Das Werden eines Klosters: „Fundator“ Herzog Heinrich III. und die „Stiftungsurkunde“ von 1103

Was Herzog Heinrich III. fehlte, um das Erreichte zu festigen und um den Aufstieg seiner

Familie gebührend darzustellen, war „die Errichtung eines ideelen und materiellen

Zentrums.“18 Die Schenkung Kaiser Ottos III. von 100 Hufen Land nach freier Wahl in seiner

Mark und Grafschaft an Markgraf Adalbero, festgehalten in einem im Jahre 1000 in

Quedlinburg ausgestellten Diplom, dürfte die Grundlage für die spätere reiche Dotation der

Stiftsgründung im Bereich um St. Lambrecht und Piber gebildet haben.19 Markwart verfügte

14

KLAAR, Eppensteiner, S. 106-107. 15 In neuerer Literatur wird 1078 als Todesjahr genannt; Benedikt PLANK, St. Lambrecht. In: Bayerische

Benediktinerakademie München/Abt-Herwegen-Institut Maria Laach (Hgg.), Germania Benedictina. Band III/2: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (München 2001), S. 319. 16

KLAAR, Eppensteiner, S. 107; S. 115. 17

Ebd., S. 117. 18

Ebd., S. 118-119. 19

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 9.

8

bereits über eine Eigenkirche im Zwickel der Mündung des Ruhrbaches in die Thaya in einem

Seitental des Graslupper Hochtales, die erstmals in einem Zehentregulierungsvertrag

zwischen ihm und Erzbischof Gebhard von Salzburg um 1066 als „ecclesia sancti Lamperti in

silva“ genannt wird.20 Markwart, der in der Tradition des Stifts St. Lambrecht als „institutor“

geführt wird, wählte für seine Gründung die einzige seiner im Vertrag genannten

Eigenkirchen aus, deren Patrozinium vor einer, mit „silva“ reichlich ungenauen

Ortsbezeichnung genannt wurde, welche die Abgelegenheit des Kirchleins noch verdeutlicht.

Keineswegs zufällig fiel die Wahl auf eine Kirche mit Lambert-Patrozinium. Lambert, Bischof

von Maastricht, fiel 705 der Blutrache zum Opfer, als ein Adeliger ihn und seine Begleiter

überfallen ließ und diese sich ohne Gegenwehr töten ließen. Dem voraus gegangen war die

Tötung von zwei Dienstmannen des Grafen ohne Wissen Lamberts.21 Lambert wurde als

Verteidiger der kirchlichen Rechte zu einem politischen Heiligen nach dem späteren Muster

Thomas Becketts stilisiert. Sein Kult fand im Maasgebiet, Nordfrankreich und, über Freising

als einem Hauptstützpunkt, den Weg in die Ostalpen und nach Kärnten,22 wo allein in der

Diözese Gurk acht Lambertuspfarren gezählt werden.23 Lambert galt als ausgesprochener

Patron des Adels,24 und die Eppensteiner versuchten, mithilfe des durch den Salierherzog

Otto I. von Kärnten eingeführten Patrons, in der Tradition des salischen Herzogtums zu

stehen bzw. an die unter Adalbero verlorene Herzogswürde anzuschließen.25

Über die weiteren Maßnahmen Markwarts zur Förderung seiner Gründung ist nichts

bekannt. In der 1482 von Johann Menestarffer verfassten Hausgeschichte von St. Lambrecht

weist nur eine typische Translationssage, die St. Lambrecht mit der Nachbarkirche St. Blasen

in Verbindung bringt, und die sagenhafte Tradition eines von Markwart nach einem

unglücklich verlaufenen Ungarnfeldzuges eingelösten Gelübdes26 in die frühe Gründungszeit,

aus der ansonsten keine schriftlichen Quellen, somit auch keine Gründungsurkunde,

erhalten sind. Selbst über die Grablege des „institutors“ weiß Menestarffer nur über ein

(unauffindbares) Frauenkloster von Greith bei Neumarkt zu berichten. Herzog Liutold scheint

20

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 318. 21

Otto WIMMER, Lexikon der Namen und Heiligen (Innsbruck 1988), S. 502. 22 Helmut Jodok MEZLER-ANDELBERG, Zur älteren Geschichte der Abtei St. Lambrecht, Carinthia I 151 (1961), S.

549. 23

Ebd., S. 550. 24

Ebd., S. 549. 25

KLAAR, Eppensteiner, S. 131. 26

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 319.

9

kaum großes Interesse am weiteren Ausbau der Stiftung gezeigt zu haben, worauf ein

auffällig unpersönliches „Livtoldus dux“ im St. Lambrechter Totenbuch hinweist.27

Erst Herzog Heinrich III. (1090-1122) zeigte wieder Initiative und ihm gelang es 1096 in einer

als „unvergleichlich“28 beschriebenen Urkunde, die Bestätigung der Familiengrablege von

Kaiser Heinrich IV. zu erreichen sowie das Stift St. Lambrecht an den Heiligen Stuhl zu

binden. Bemerkenswert ist, dass es sich um eine Herzogsurkunde handelt, welche allerdings

durch die Hinzusetzung eines kanzleimäßigen Protokolls und Eschatokolls äußerlich die Form

eines Kaiserdiploms Heinrichs IV. annimmt, wobei allerdings, bedingt durch eine fehlende

Narratio, auch nicht von einer Insertion der Herzogsurkunde gesprochen werden kann.29

Kurz wird die bisherige Geschichte der Gründung dargestellt, die bereits als „abbatia“

bezeichnet wird, ohne auf einen Abt einzugehen, und von „fratrum ibidem deo servientium“

(„daselbst Gott dienenden Brüdern“30) bereits bewohnt wird. Der weitere Inhalt der

Urkunde entspricht dem Standard einer eigentlichen Klostergründung. Jährlich soll ein

Goldbyzantiner nach Rom gezahlt werden, außerdem sollen die Brüder beim Tod des Abtes,

unbeeinflusst von außerhalb, einen neuen Abt wählen können. Schlussendlich behält sich

der Herzog die Vogtei selbst vor, die auf den ältesten Sohn übergehen oder, bei

Kinderlosigkeit, vom Abt vergeben werden soll. Einige Formulierungen bzw.

Zweideutigkeiten fallen jedoch ins Auge. So überträgt Heinrich das Stift „sub tutela Romani

principis Petro apostolorum principi“, was Karlmann Tangl zufolge die Deutung „unter dem

Schutze des römischen Papstes, dem Apostelfürsten Petrus“, zuließe31. Karl-Engelhardt Klaar

hingegen wirft die Frage auf, ob sich „Romanus princeps“ nicht auf den Kaiser selbst

beziehen könnte.32 Dies könnte ein deutliches Zeichen für die Kaisertreue der Eppensteiner

im Investiturstreit darstellen. Klaar sieht in der Urkunde von 1096 gar „ein[en] späte[n]

Abglanz jener Art reichskirchlicher Klosterpolitik von Seiten des Königtums […], [der] zuletzt

in der berühmten Urkunde für das Kloster Hirsau in Erscheinung getreten war.“33

Das Diplom weist auch darauf hin, dass die Eppensteiner hinsichtlich der Anerkennung ihrer

Stiftung vor bedeutend größere Probleme gestellt waren als etwa die Spanheimer mit St.

Paul. Engelbert, der Begründer St. Pauls, hatte die Kräftegruppierungen während des

27

KLAAR, Eppensteiner, S. 115. 28

Ebd., S. 123. 29

Ebd., S. 121. 30

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 12. 31

KLAAR, Eppensteiner, S. 123 32

Ebd., S. 123-124. 33

Ebd., S. 126.

10

Investiturstreits geschickt ausgenutzt und, um sich von der kaisertreuen Herzogsfamilie der

Eppensteiner nicht in den Hintergrund drängen zu lassen, häufig für den Salzburger

Erzbischof Gebhart Partei ergriffen.34 Doch bald kam es zu einem gewissen Ausgleich der

Spanheimer mit Kaiser Heinrich IV., und Papst Urban II. bestätigte die Stiftung und nahm sie

unter seinen Schutz.35 Als 1094 Heinrich IV. jedoch abermals gebannt wurde, konnte es für

Herzog Heinrich III. in Bezug auf die Anerkennung seiner Stiftung nur eine Interimslösung

geben. Kaiser Heinrich IV. sollte darin nicht mit Papst Urban II. und der Eppensteiner selbst

nicht mit dem Gegenpapst Clemens III. in Verbindung gebracht werden, sodass für die

entstehende Stiftung alle politischen Türen geöffnet bleiben würden.

Obwohl nun bereits von einem „Stift“ St. Lambrecht die Rede war und Heinrich III. im Diplom

von 1096 „etwas von dem Seinen“36 an die Mönche vergab, erfolgte die eigentliche Stiftung

„ad altare sancti Lamperti in silva“37 erst am 7. Jänner 1103.

Die Urkunde für das Hauptstiftungsgut, später in Urkunden als „predium sancti Lamberti“

bezeichnet,38 wurde im Beisein einiger weltlicher Großer und des ersten urkundlich

erfassbaren Abts des Klosters, Hartmann, gesiegelt. Die Dotation St. Lambrechts stellte einen

starken Aderlass des eppensteinischen Besitzes dar, weswegen möglicherweise Traungauer

und Spanheimer, die wahrscheinlichsten Erben Heinrichs, der Zeremonie fernblieben.39

Benedikt Plank gliedert die Schenkungen in drei Gruppen.

Erstens die nähere Umgebung der Abtei mit der Kirche von Mariahof, dem Markt Judenburg

mit seinen Gefällen sowie der Kirche von Weißkirchen mit dem Dorf Lind und den dortigen

Mühlen und der Fischerei. Zweitens beinahe das gesamte Aflenztal mit der dortigen Kirche,

einigen Dienstmannen, Wäldern, dem Wildbann, Fischwasser, Weiden, Salzquellen,

Erzgruben, Mardern und Bibern. Nennenswert in dieser Region sind noch die Kirche St.

Marein im Mürztal und der restliche Besitz des Herzogs im Mürztal bis auf zwei Lehensträger

sowie die Pfarre Adriach. Zu guter Letzt werden die Güter in der Weststeiermark genannt.

Sie beinhalten ein Gut im Pibertal, die Pfarre Piber, die Margarethenkirche in Voitsberg

34

KLAAR, Eppensteiner, S. 120. 35

Ebd., S. 120. 36

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 13. 37

KLAAR, Eppensteiner, S. 133. 38

WONISCH, Graslupp, S. 17. 39

MEZLER-ANDELBERG, Carinthia I. 151 (1961), S. 542.

11

sowie Waldgebiete inklusive der Förster und des Wildbanns, Honignutzung und

Marderfellen, das Dorf Söding sowie den Fluss Kainach mit Fischereirecht und Biberjagd.40

Fälschlicherweise wurde dieses Dokument häufig als „Stiftungsurkunde“ von St. Lambrecht

bezeichnet, doch beschäftigt es sich nur mit der Vermehrung der Dotation des Stifts,

erwähnt jedoch mit keinem Wort den Rechtsstatus der Gründung.41 Erst 1109 gelang es, die

erstrebte Rechtsstellung durch ein Privileg des Papstes Paschalis II. zu erreichen. Die letzte

Nachricht Heinrichs III. bezüglich seiner Stiftung stammt aus dem Jahre 1114, wo Kaiser

Heinrich V. die Klostergründung bzw. die Bulle des Papstes Paschalis II. nochmals bestätigte.

Obwohl die freie Abtwahl zugesichert war, wurde der Vollzug der weiteren bischöflichen

Weihehandlungen dem Erzbischof von Salzburg zugesprochen. Dies führte zu einem

buchstäblich Jahrhunderte währenden Streit um die Exemtion des Stifts, der letztlich erst

1662 auf dem Reichstag von Regensburg zugunsten St. Lambrechts entschieden werden

konnte.42

Die Begründung für die großzügige Förderung der Klostergründung seines Vaters dürfte für

Heinrich in praktischen, dynastischen Überlegungen gelegen haben. Seine beiden Ehen mit

Beatrix und Liutgard blieben kinderlos, und das Erlöschen seiner Familie schien nur eine

Frage der Zeit. Um mit den Worten Benedikt Planks zu sprechen, sollte das Kloster „für die

Nachwelt ein Vermächtnis dieser mächtigen Dynastenfamilie darstellen, eine Stätte des

Gebetes für sie sein, einen beachtlichen Teil ihres Erbes verwalten und das Gedächtnis an

Gründer und Stifter bewahren.“43 Der Tod Herzog Heinrichs III. von Eppenstein am 4.

Dezember 1122 brachte das Ende der mächtigen eppensteinischen Dynastie. Abt Jakob, der

Heinrich in der Todesstunde beigestanden sein soll,44 ordnete die Bestattung in der

Abteikirche an, wo die Gebeine des Herzogs noch heute gemeinsam mit denen seiner Frau

Liutgard in der Stiftergruft vor dem Hochaltar ruhen. Das Herzogsamt ging an Heinrich IV.

aus dem Geschlecht der Spanheimer über, das reiche Eigengut der Eppensteiner und die

Vogteirechte über St. Lambrecht aber gingen an den Sohn des Traungauer Markgrafen

Otakar II., Leopold I., der im Todesjahr Heinrichs III. Markgraf der Steiermark wurde.

Unzählige Quellen verorten das Stift zwar weiterhin geographisch bis in die Neuzeit in

40

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 13. 41

Ebd., S. 13. 42

Ebd., S. 74. 43

Ebd., S. 14. 44

Ebd., S. 15.

12

Kärnten,45 vom rechtlichen Standpunkt allerdings waren die Abtei und das Graslupptal ab

1122 Teil der werdenden Steiermark.

1.3. Die kulturelle Entfaltung des Stifts im 12. Jahrhundert

Der erste historisch greifbare Abt des Klosters, der bereits genannte Hartmann, konnte, bis

er 1114 in der Donau ertrank, auf ein vielbewegtes Leben zurückblicken. Ausgehend von

seiner Tätigkeit als Kaplan bei Rudolf von Rheinfelden und dem Priorenamt von St. Blasien

im Schwarzwald übernahm er die Leitung der Abteien St. Nikola vor Passau, Göttweig,

Kempten, St. Ulrich zu Augsburg und schließlich St. Lambrecht.46 Obwohl sich Hartmann

wohl bald wieder aus St. Lambrecht zurückgezogen hatte,47 dürfte er als Vorkämpfer der

cluniazensischen Reformbewegung von St. Blasien im Schwarzwald48 gewissen Einfluss auf

das Stift ausgeübt haben. Zwar ist der Einfluss von St. Blasien auf St. Lambrecht deutlich

erkennbar, doch Nekrologuntersuchungen legen nur eine Umformung einer älteren Schicht

von Mönchen der Junggorzer Reformbewegung, möglicherweise von Schwarzach am Main,

nahe.49 Auch dürfte den kaisertreuen Eppensteinern diese Richtung des Reichsmönchtums

sehr zugesagt haben.50

Unabhängig von diesen Erörterungen stellte das 12. Jahrhundert für das Benediktinerstift

eine nachweisliche Blütezeit der geistlichen Dichtung und des Kirchenliedes dar, und durch

eingehende Erforschung des Baubefundes der Abtei in den 1960er Jahren konnte diese

Feststellung auch auf die Architektur erweitert werden.51 Durch den Vergleich mit den

romanischen Bauteilen des Klosters Millstatt und deren irriger Datierung ins 13. Jahrhundert

nahm der um die Erforschung des Stifts hochverdiente Pater Othmar Wonisch für St.

Lambrecht eine zweite romanische Bauphase in diesem Jahrhundert an, was sich als

45

Urkunde Friedrichs II. von 1243, worin Abt Permann („abbas monasterii s. Lamberti Permannus de Carinthia“) als Kläger auftritt, in der Bestätigungsurkunde 1250 vom Landeshauptmann der Steiermark, Meinhard von Görz, mit gleichen Worten bestätigt (!); eine 1337 vom Abt des Stiftes ausgestellte Urkunde („totumque collegium monasterii s. Lamberti in Karinthia“); anlässlich der Verleihung des Marktrechtes an St. Lambrecht 1458 durch Kaiser Friedrich III.: „(…) das gothaus und kloster zu sand Lamprecht (…) in unserem fürstentumb Kernden gelegen“; WONISCH, Graslupp, S. 58. 46

KLAAR, Eppensteiner, S. 133. 47

Im Diplom von Papst Paschalis II. wird bereits Jakob als Lambrechter Abt genannt. Benedikt Plank vermeint, den Rückzug Hartmanns nach Einführung der Blasianer Reform einordnen zu müssen; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 320. Karl-Engelhardt Klaar hingegen merkt an, dass die Blütezeit der mönchischen Reform bereits vorüber war; KLAAR, Eppensteiner, S. 133. 48

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 14. 49

Im St. Lambrechter Nekrologium wird dem 1096 verstorbenen Burkhard I. von Schwarzach gedacht; MEZLER-ANDELBERG, Carinthia I. 151 (1961), S. 543. 50

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 12. 51 Karl DINKLAGE, Zur Geschichte des Stiftes St. Lambrecht im 12. Jahrhundert, ZHVSt 59 (1968), S. 184.

13

unzutreffend erwies.52 So wird der St. Lambrechter Turmbau noch vor die Mitte des 12.

Jahrhunderts datiert,53 was mit der Schilderung des Chronisten Menestarffer

übereinstimmen würde, dass der Abt Udalrich I. (1124-1148) die ursprüngliche Kirche

abbrechen und einen Neubau beginnen ließ.54 Die neue Stiftskirche, welche um 1160 durch

Erzbischof Eberhard I. von Salzburg konsekriert wurde, entsprach einer dreischiffigen Basilika

mit mächtigem Westwerk. Sie konnte romanische Stilelemente in Form schmaler

Fensterschlitze und Reste eines Rundbogenfrieses unter dem Dach bis heute bewahren. Die

Basilika von Gurk und die Stiftskirche von St. Lambrecht stimmen sowohl hinsichtlich ihrer

Entstehungszeit55 als auch gewisser architektonischer Merkmale überein. Zwischen den

Türmen beider Bauwerke befindet sich eine Vorhalle,56 über der sich im Falle von St.

Lambrecht eine dem Hl. Michael geweihte Kapelle befand, die später barockisiert wurde.57

Das Eingangsportal der Stiftskirche von St. Lambrecht konnte 1975 bei Restaurationsarbeiten

freigelegt und teilweise sichtbar konserviert werden. Es ist ein typisches Trichterportal mit

Tympanon, welches in seiner Schlichtheit an jenes der Stiftskirche von Seckau erinnert.58

Im Zuge derselben Maßnahmen gelang es, das ehemalige romanische Südportal freizulegen.

Das Tympanon schmückt eine Darstellung des Lammes Gottes mit Kreuzstab als Zeichen der

Erlösung. Die linke und rechte Kapitellzone wird geschmückt von löwenartigen

Darstellungen, die menschliche Wesen verschlingen, wobei sich folgender höhere

Sinnzusammenhang ergeben dürfte: Die vom Satan ergriffenen Seelen können durch

Christus im Haus Gottes gerettet werden.59

Eine weitere Analogie zu Gurk stellt die nicht über die Seitenschiffwand tretende

Außenwand des Querhauses dar, womit sich die in der Draufsicht typische Kreuzform des

Gebäudes nicht vollständig ergibt. Drei Apsiden schlossen einst, wie bei Gurk, die Ostseite

der Basilika ab, fielen jedoch der Verlängerung des Hauptschiffes zum Opfer. Die Länge der

romanischen Stiftskirche von St. Lambrecht, deren Breite aufgrund der weiter verwendeten

52

Ebd., S. 184. 53

Ebd., S. 184. 54

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 353. 55 Der Bau der Basilika von Gurk setzte um 1140 ein, die Fertigstellung der zweiten Bauphase des Bauwerkes

wird mit 1200 angegeben; Julia PÖRNBACHER, Dom zu Gurk (Passau 2011), S. 6. 56

Bei Gurk um 1340 mit einer beeindruckenden „biblia pauperum“ ausgestattet worden; PÖRNBACHER, Gurk, S. 22. 57 Die über der Westempore von Gurk gelegene Bischofskapelle verfügt noch heute über eine beeindruckende

Ausstattung mit Fresken aus der Zeit Bischofs Dietrich II. von Marburg (1253 – 1278); Waldemar POSCH, Dom zu Gurk. Die Fresken der Bischofskapelle in der Westempore (Passau 2000), S. 2. 58 Georg KODOLITSCH, Zur Restaurierung der St. Lambrechter Stiftskirche 1974/76, ÖZKD 31 (1977), S. 83. 59

Ebd., S. 80.

14

Seitenschiffmauern dem gotischen Neubau entspricht, betrug nicht ganz siebzig Meter,60 bei

Gurk etwa 65 Meter.61 In Bezug auf die weiteren, frühen Klosterbaulichkeiten liegen

genauere Belege nur für eine Marienkirche62 beim Infirmitorium,63 die 1189 konsekriert

wurde, und den Karner, der 1148 erstmals erwähnt wurde und in heutiger Form erst im 13.

Jahrhundert entstand, vor. Die Marienkirche selbst rückte am 4. September 1232 in den

Mittelpunkt, als Theodora Angela, die Herzogin von Österreich und Steiermark und Frau von

Leopold VI., sich „ad ecclesiam sancti Lamberti“ begab zur Schaffung eines Vergleichs

zwischen Abt Wolfger und den Brüdern Ulrich und Dietmar von Liechtenstein, wobei die

feierliche Beurkundung „apud ipsum cenobium in ecclesia sancte dei genitricis Marie“

stattfand.64

Von den für die feierliche Abhaltung des Gottesdienstes unerlässlichen liturgischen Geräten

und anderen Kunstwerken dieser Zeit blieb enttäuschenderweise, anders als etwa in St. Paul

im Lavanttal, nichts erhalten. Aus den Necrologien des 12. Jahrhunderts sind lediglich die

Namen einiger Handwerker, so eines Bildhauers namens Hartwig, des Malers Gerloch, des

Drechslers Adelgoz oder des Buchbinders Swiker erhalten geblieben.65

Von den etwa 350 erhaltenen Handschriften St. Lambrechter Herkunft, die vor 1600

entstanden sind und heute großteils in der Grazer Universitätsbibliothek aufbewahrt

werden, stammen etwa 40 aus dem 12. Jahrhundert.66 Quellenmäßig ist man in der

glücklichen Lage, durch zwei Bibliotheksverzeichnisse aus der zweiten Hälfte des 12.

Jahrhunderts über die Bücherschätze des Stifts in jener Zeit in Kenntnis zu sein, die neben

Standardwerken der klassischen und historischen Literatur auch gewisse, für die Lokalität

wichtige Werke beinhalten. Besonders hervorzuheben ist der Grazer Codex Hs. 325, der

ganzseitige, aufwendige Federzeichnungen aus dem Leben des Heiligen Benedikt enthält.67

Die Passionale Hs. 412 weist kunstvolle, irische Flechtwerkmuster auf. Zusammen mit zwei

anderen Handschriften, die ins 9. Jahrhundert datiert werden, wurde die Handschrift von

Mönchen ins Stift mitgebracht oder angekauft.68 Die erhaltenen Totenbücher des Stifts

60

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 17. 61

PÖRNBACHER, Gurk, S. 15. 62

Die Marienkirche musste nach Bränden zweimal (1262, nach 1287) renoviert werden und wurde nach 1421 durch die Peterskirche ersetzt und vor 1616 abgerissen; DINKLAGE, ZHVSt 59 (1968), S. 187-188. 63

Begriffserklärung: Krankenspital, Pflegeheim 64

DINKLAGE, ZHVSt 59 (1968), S. 187. 65

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 18-19. 66

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 350-351. 67

Ebd., S. 350. 68

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 19; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 350.

15

datieren von etwa 1180 bzw. aus dem 14. Jahrhundert und geben wertvolle Hinweise auf die

Stifterverehrung, aber auch, durch die Verehrung bestimmter Persönlichkeiten, einen

Einblick in die Einbindung von St. Lambrecht in das kirchenpolitische Netzwerk der

Benediktinerabteien. Durch die Nennung der beiden Schreiber Chuonradus und Timo lässt

sich außerdem der Bestand eines Skriptoriums in St. Lambrecht für das 12. Jahrhundert

nachweisen.69

Weitere Schriftquellen aus St. Lambrecht offenbaren seltene Einblicke in das Alltagsleben

der Menschen im Mittelalter und ihr Brauchtum. Im 13. Jahrhundert brachte ein anonymer

St. Lambrechter Mönch, als „Prediger von St. Lambrecht“ bekannt, seine Predigten in

lateinischer Sprache zu Papier. Dem Kampf gegen die Eitelkeit und den Luxus dürfte er sich

besonders gewidmet haben, und so wettert er gegen die von Kaufleuten angebotenen

Schminkfarben und Parfümereien, denn es sei eine Verschwendung, dass Frauen Parfüm

verwenden. Maria sollte als Vorbild dienen, denn diese hätte beim Krämer nicht solche

Sachen gekauft, „wie sie die Weiber kaufen zum Schminken des Gesichtes, wodurch sie sich

gleichsam zu Larven machen, vor denen die Kinder davonlaufen.“70

Wiederum aus dem 12. Jahrhundert stammen zwei im Kärntner Landesarchiv aufbewahrte

Pergamentdoppelblätter eines Bet-und Merkbüchleins aus St. Lambrecht. Das erste Blatt ist

verloren gegangen, und so beginnt Seite zwei mit der Aufzählung von Reliquien und

Konsekrationsdaten verschiedener Altäre, was, gemeinsam mit den bereits genannten Daten

zur Baugeschichte in St. Lambrecht, eine ebenso rege Bautätigkeit wie in Millstatt

nachweist.71 Im zweiten Teil der Handschrift (Bl. 2-4) führt der Schreiber Gebetstexte an, die

gemäß entsprechender Untersuchungen noch im 15. Jahrhundert im Stift gebräuchlich

waren.72 Auch mischen sich in den Aufzeichnungen des Anonymus monastische Traditionen

mit dem Volksaberglauben. So wird angegeben, welche Tage und Tagesteile im

dreißigtätigen Zyklus des Mondmonats zur Ausführung von Plänen günstig seien und welche

nicht. Sich auf St. Beda berufend hält der Verfasser fest, dass beispielsweise am 25. März, 1.

August und 31. Dezember keine Mensch oder Tiere zur Ader gelassen werden dürften, aber

auch keine Arznei verabreicht werden dürfte, da die Venen vollgefüllt mit Blut seien.

Außerdem werde es für denjenigen tödliche Folgen haben, der an jenen drei Tagen einen

69

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 19. 70 BRUNNER, Mariahof, S. 216. 71

DINKLAGE, ZHVSt 59 (1968), S. 186. 72

Zu nennen sind ein Gebet zum gekreuzigten Christus (De sancta cruce), zum himmlischen Vater, zu Jesus, dem Heiligen Geist und der Dreifaltigkeit; DINKLAGE, ZHVSt 59 (1968), S. 190.

16

Menschen oder ein Vieh niederschlägt. Im Kontext der erschreckenden Hilflosigkeit der

Menschen des 12. Jahrhunderts gegenüber Krankheit und Tod lässt sich die anschließende,

nicht vom heiligen Beda übernommene Auflistung sehen. So wird für einen am Vierten eines

Monats des Sonnenkalenders Erkrankten ein schwerer Krankheitsverlauf, schließlich aber

Gesundung, für einen am sechsten des Monats Erkrankten hingegen vorübergehende

Genesung, für den fünften des nächsten Monats aber der Tod prophezeit. Des Weiteren

sollte der Tod das Los eines am achten Tags Erkrankten sein, wenn er bis zum 16. des

Monats nicht genesen wäre und für einen am 13. Erkrankten brächte der 18. Tag die Krise,

die er zu überstehen hätte.73

2. Die Machtausdehnung des Stifts St. Lambrecht anhand des regionalen Beispiels der Kirche „Sancta Maria in Hove“

2.1. Kirchengründungen als Beweis wachsender Ausdehnung und Vernetzung

Wie bereits erwähnt, stellte das 12. Jahrhundert für St. Lambrecht eine Zeit des Aufstiegs

und der Blüte dar. In machtpolitischer Hinsicht manifestierte sich dies in einer Vielzahl von

Schenkungen an das Stift und Tauschgeschäften,74 aber auch in Form von etlichen

Kirchengründungen, welche die rasche Urbarmachung der umliegenden Gebiete

widerspiegeln. Den Grundstock bildeten die acht, im Vertrag von 1103 enthaltenen

eppensteinischen Eigenkirchen, und bereits 1126 wird die Weihe der Kirche in St. Blasen, der

ersten von St. Lambrecht ausgehenden Neugründung, erwähnt. Deren Patrozinium stellt

wohl eine Ehrung für das Zentrum der Reform, St. Blasien im Schwarzwald, dar, welches seit

der Gründung auch St. Lambrecht geprägt hatte.75 Ebenfalls im 12. Jahrhundert folgte

Laßnitz, wo die Reste der ehemaligen romanischen Rundkirche, die den Ort als regionales

Zentrum auswies, mit eindrucksvollen Fresken noch in der St. Nikolaus-Kirche erhalten

sind.76 Der Zeitpunkt der Kirchenweihe in Karchau wird mit 1189 überliefert, ein Jahr darauf

folgte bereits die Kirche von Zeutschach. St. Lambrecht selbst erreichte im Laufe des

73

DINKLAGE, ZHVSt 59 (1968), S. 192. 74

Einige bedeutende Beispiele: Schenkung des Gutes Gersdorf durch den Markgrafen Gunther vom Sanntal im Jahre 1144; Abt Udalrich verlegte sich auf Tauschgeschäfte. So erhielt man anstelle von Söding verschiedene steirische und niederösterreichische Besitzungen. St. Lambrecht erhielt von Admont in unmittelbarer Umgebung mehrere Zehnte überlassen und trat dafür eine Salzpfanne bei Admont und ein im Ennstal gelegenes Gut ab; PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 20. 75

Ebd., S. 20. 76

Ebd., S. 21.

17

Jahrhunderts die vollen Pfarrechte, und Streitigkeiten mit der Pfarre Pöls im 13. Jahrhundert

belegen die Entstehung der Kirchen von Scheifling77 und Scheiben im 12. Jahrhundert.

Hervorzuheben neben dem Pfarrsprengel von Aflenz, wo ein Priorat eingerichtet wurde78

und sich ebenfalls mehrere Kirchengründungen entwickelten, ist die Mutterpfarre St.

Andreas in Piber, wo 1245 bereits zehn abhängige Filialkirchen genannt werden.79

2.2. Die Kirche und das Kloster in „Grazluppa“/Mariahof

Typisch für die cluniazensische Reformbewegung war die Einrichtung von vom Mutterkloster

abhängigen Zellen bzw. Prioraten. Die bedeutendste Zellengründung des Stifts stellt

zweifelsohne Mariazell dar, als der Legende nach der Mönch Magnus 1157 vom Abt Otker

mit einer Marienstatue in die Wildnis entsandt wurde und, am Ziel angelangt, eine hölzerne

Kapelle errichtete. Wohl zur besseren Verwaltung des Gutsbesitzes um Aflenz begründet,80

wandelte sich der Ort im Verlauf des 14. Jahrhunderts zum wichtigsten Gnadenort

Österreichs.81

Im Detail besprochen werden soll aber die Entwicklung Mariahofs und seine Bedeutung in

der Region sowie seine Verbindung zum Stift St. Lambrecht. Die Endung -hof selbst verweist

auf die frühe Besiedlung von Orten in Form von Königs- oder Herrenhöfen.82 Der Gutshof im

heutigen Mariahof und die dort bereits bestehende Kirche befanden sich spätestens im 10.

Jahrhundert im Besitz der Eppensteiner, wobei die Kirche der „Mutterpfarre“ Graslupp

unterstand.83

Der 2001 erfolgte Fund eines qualitätvoll ausgestalteten Flechtwerksteins lässt nach Walter

Brunner jedoch am heutigen Ort ein „repräsentatives Bauwerk eines mächtigen Fürsten und

ein erstes regionales Zentrum für die Verbreitung des Christentums“ erkennen, dessen

77 Die Scheiflinger Pfarrkirche St. Thomas wird erstmals 1203/04 genannt; Walter BRUNNER, 1000 Jahre

Scheifling (Scheifling 1978), S. 126. 78

1154/1159 ist von fünf Brüdern die Rede; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 347. 79

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 21. 80

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 396. 81

Vor 1330 ist nichts Genaues zur Mariazeller Wallfahrtsgeschichte zu sagen; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 413. 1340 erfolge die Ausstellung eines Ablassbriefes durch neun Bischöfe in Avignon und bereits 1345 erfolgte durch Klemens VI. die erste päpstliche Ablassbulle für Mariazell; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 397-398. Am 17. August 1399 publizierte Papst Bonifaz IX. den ersten Gesamtablass für Mariazell. Der am Oktavtag der Aufnahme Mariens in den Himmel (22. August) und an den sieben folgenden Tagen zu erlangende Ablass entsprach jenem, der zu Christi Himmelfahrt im Markusdom zu Venedig erteilt wurde; PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 415. 82

BRUNNER, Mariahof, S. 33. 83 Walter BRUNNER, Geschichte von Neumarkt in der Steiermark (Neumarkt 1985), S. 327.

18

Entstehung aufgrund des späteren Erlöschens des Flechtwerkstils „bald nach 772“ datiert.84

Einen weiteren Anhaltspunkt für diese frühe Siedlungsepoche findet man im Volksglauben in

Form einer – nicht kanonisierten – „Heiligen“ Beatrix, deren Überreste in einem

Holzkästchen in der Sakristei aufbewahrt werden. Da der Stiftschronist Johannes

Menestarffer 1482 erstmals Beatrix als Eppensteinerin einordnete,85 ließen sich zwei

historische Persönlichkeiten als Wohltäterinnen Mariahofs festlegen: einerseits Beatrix von

Schwaben, die Gemahlin Herzog Adalberos, und andererseits Beatrix, die Gattin Herzog

Heinrichs III. Die Untersuchung der gut erhaltenen Überreste ergab Überraschendes: Es

handelte sich um eine zwischen 640 und 770 n. Chr. verstorbene, etwa 40-jährige Frau mit

auffallend langem Hinterkopf und einer Körpergröße von etwa 165 cm. Des Weiteren konnte

nachgewiesen werden, dass die Knochen nie in einem Erdgrab bestattet waren. Die

Interpretation der Befunde als Überreste einer durch besondere Leistungen um den Glauben

verehrten Dame, die in einem Hochgrab, umgeben von Chorschranken, ihre letzte Ruhe

fand, muss aufgrund fehlender archäologischer Nachweise als fiktiv bezeichnet werden,

kann aber als „gewichtige[s] Indiz für ein ehrwürdiges Alter des christlichen Mariahof“86

dienen.

Nachweislich erstmals erwähnt wird die Kirche von Mariahof in jenem Vertrag von 1066, in

dem auch die Kirche von St. Lambrecht erstmals erwähnt wurde. Markwart von Eppenstein

erkaufte sich darin u. a. für Mariahof die vollen Pfarrrechte über alle „homines suos et

liberos ac servos.“87 Die Pfarre von Mariahof war flächenmäßig ungleich größer als heute

und umfasste die heutigen Pfarren Neumarkt, Zeutschach, Scheifling, Scheiben, Teile von St.

Georgen ob Judenburg, Perchau und möglicherweise St. Lambrecht, St. Peter ob Judenburg

und Laßnitz.88 In Mariahof bestand zu dieser Zeit eine Doppelkirche. Die Marienkirche ging

1103 durch die eppensteinische Dotation mit allen Rechten in den Besitz des Stifts St.

Lambrecht über, wohingegen die Michaelskirche in der Hand eines kleinen, dort ansässigen

Kollegiatstifts blieb.

84 Abmessungen des Steins: 100 mal 98cm; darauf dargestellt sind der Adler als Symbol des Evangelisten

Johannes, Weintrauben als Zeichen der göttlichen Verheißungen, das Motiv des Lebensbaumes und vierblättrige Blüten; Pfarramt Mariahof (Hg.), 1103-2003. 900 Jahre Zugehörigkeit der Pfarre Mariahof zur Benediktinerabtei St. Lambrecht. Festschrift zur 900-jährigen Zugehörigkeit der Pfarre Mariahof zur Benediktinerabtei St. Lambrecht (Mariahof 2003), S. 56-58. 85

BRUNNER, Mariahof, S. 324. 86

Pfarramt Mariahof, Festschrift 1103-2003, S. 65. 87

BRUNNER, Mariahof, S. 330. 88

Othmar WONISCH, Mariahof im Mittelalter, ZHVSt 54 (1963), S. 5.

19

Ein Umschwung in den Beziehungen erfolgte 1147, als das Stift begann, in expansiver Politik

die Kleriker der Michaelskirche durch eigene Mönche zu ersetzen, worauf sich beide

Parteien nach Rom wandten. Als Schiedsrichter fungierte, begleitet von Bischof Roman von

Gurk und Dompropst Heinrich von Passau, Erzbischof Eberhard von Salzburg, der entschied,

dass die Kleriker von St. Michael von ihren kanonischen Pflichten zwar befreit seien und ihre

Pfründe ihr Leben lang genießen könnten, sie ihre Wohnungen jedoch entfernen müssten

und durch St. Lambrechter Mönche zu ersetzen wären. Am Beginn der ersten St.

Lambrechter Zelle nach cluniazensischem Muster steht so die einigende Botschaft des

Erzbischofs aus der Arenga der Urkunde: „Das Band des Friedens sei mit allen Suchern des

ewigen Heils als notwendiges Rettungsmittel.“89 Schon 1148 fand die neue Zelle durch Papst

Eugen III. seine Bestätigung,90 und 1170 erwirkte Abt Wernher während eines Aufenthalts in

Friesach die Bestätigung des Kaisers Friedrich I. Barbarossa,91 der das Stift und dessen Güter,

so auch die Kirche „sancta Maria in loco Grazluppa“, in seinen besonderen Schutz nahm.92

Frieden freilich, so wie ihn sich Erzbischof Eberhard gewünscht hatte, sollte im folgenden

Jahrhundert für St. Lambrecht ein rares Gut werden.

2.3. Ein Mariahofer Pfarrer zwischen Papst und Erzbischof: Das 13. Jahrhundert als Krisenzeit

Pater Benedikt Plank stellt fest, dass „nach einem Jahrhundert der Expansion und Blüte sich

im 13. Jahrhundert [bezogen auf St. Lambrecht, Anm.] die Anzeichen von Krisen und

Stagnation häufen.“93

Die Strukturen selbst im Kerngebiet des Stifts begannen sich zu verändern. Der um 1200

angelegte Straßenmarkt Neumarkt begann schnell an Bedeutung zu gewinnen, und 1235

wird er erstmals in einer durch den durchreisenden Kaiser Friedrich II. ausgestellten Urkunde

als „Novum forum in Stiria“ bezeichnet.94 Während sich in Neumarkt ein anfangs

89 Leopold GRILL, Erzbischof Eberhard I. von Salzburg (Rein 1964), S. 40. 90

WONISCH, ZHVSt 54 (1963), S. 8. 91 Heinrich APPELT, Das Diplom Friedrich Barbarossas für St. Lambrecht vom 3. März 1170. Siedlung, Wirtschaft

und Kultur im Ostalpenraum. Festschrift zum 70. Geburtstag von Friedrich Popelka (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives 2) Graz 1960, S. 239. 92

BRUNNER, Mariahof, S. 337. 93

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 27. 94

BRUNNER, Neumarkt, S. 81; Kaiser Friedrich II. soll beim Einzug in Neumarkt durch die mitgeführte orientalische Pracht und Tiere wie Kamele und Geparden einen enormen Eindruck erzeugt haben. Der ihn empfangende Babenberger Friedrich II. tat jedoch alles, um die Gegensätze zwischen den beiden zu vertiefen, und forderte vom Kaiser 2000 Mark für seinen Krieg gegen Ungarn. Die auf die ablehnende Antwort des Kaisers

20

bescheidenes Bürgertum zu entwickeln begann, trat der Burggraf von Graslupp (der

heutigen Burg Forchtenstein über Neumarkt) häufig aggressiv gegen das Stift auf. 1275 und

1277 musste König Ottokar bzw. König Rudolf von Habsburg den „castellanus“ dazu

anhalten, keine Abgaben von St. Lambrecht einzufordern und sich keine Vogteirechte über

das Stift anzumaßen.95

Wahrlich bedrohliche Ausmaße begannen jedoch die Exemtionsstreitigkeiten zwischen St.

Lambrecht und dem Erzbischof von Salzburg anzunehmen. Als Erzbischof Eberhard II. 1205

das Patronatsrecht über die Klosterpfarre Piber beanspruchte, konnte das Stift sein Recht

durch Zeugen und Urkunden behaupten.96 Die Beziehungen zwischen dem Hochstift und St.

Lambrecht verschlechterten sich am Ende des ersten Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts, als

der erzbischöflichen Visitation in St. Lambrecht Widerstand entgegengesetzt wurde und der

Erzbischof die Widerspenstigen mit dem Kirchenbann belegte. Der von Eberhard II.

angerufene Papst Innozenz III. befahl den Äbten von Viktring und Admont sowie dem Propst

von Seckau, die Strafe auf Rechtmäßigkeit zu prüfen und ihre Einhaltung streng zu

befolgen.97

1216, nach dem Tod Abt Peringers, der durch die Verteidigung der Rechte des Stifts bereits

stark beansprucht war,98 kam es zur Eskalation zwischen dem Hochstift und St. Lambrecht

wegen seiner Nachfolge. Es kam zu einer Doppelwahl des Konvents, doch keiner der beiden

Kandidaten, weder Walther (Waltfried)99 noch der Mönch Wolfker, konnte eine

überzeugende Mehrheit auf sich vereinen. Walther wandte sich nach Rom, doch noch

während des Verfahrens wurde er und die Kirche sowie das Kloster von Mariahof durch

Erzbischof Eberhard II., der für Wolfker Partei ergriffen hatte, mit Bann und Interdikt belegt.

Walther, der das Priorat unter päpstlichem Schutz wusste, unterwarf sich nicht und

verschanzte sich mit seinen Bogenschützen in Mariahof. Eberhard brach mit einer

bewaffneten Streitmacht jedoch im Frühjahr 1216100 den Widerstand und ließ den

verwundeten Waltfried gefangennehmen. Die Mönchszelle selbst wurde zerstört und die

geäußerten Worte und die Verwendung seiner Treue als Druckmittel sollten den Herzog noch teuer zu stehen kommen; Georg SCHEIBELREITER, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren (Wien 2010), S. 317. 95

BRUNNER, Neumarkt, S. 85. 96

MEZLER-ANDELBERG, Carinthia I. 151 (1961), S. 565-566. 97

Ebd., S. 566. 98

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 25. 99

Walter oder Waltfrid ist ab 1209 der erste namentlich bekannte Pfarrer („rector monasterii s. Michaelis de Houe“; „plebanus de Houe“) von Mariahof; BRUNNER, Mariahof, S. 339. 100

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 27.

21

Pferde fortgeführt.101 Auf einer Provinzialsynode weihte Eberhard II. Wolfker zum Abt von

St. Lambrecht und ließ die Anhänger Waltfrieds hinauswerfen.102 Auf diesen drastischen

Verstoß gegen eine oftmals als exemt bestätigte Abtei reagierte Papst Honorius III. im

Februar 1217 mit der Aufforderung an Eberhard II., Waltfried freizulassen und die

Kirchenstrafe aufzuheben. Letztendlich wurden, nach einem strikten Befehl des Papstes vom

September 1217, Waltfried frei zu lassen und die Kirche von Mariahof zu entschädigen,

beide Seiten für 1218 nach Rom zitiert. Da die Gegensätze des persönlich erschienen

Waltfried und des Propstes Karl von Friesach, des Vertreters Eberhards II., unüberbrückbar

erschienen, wurde eine Kommission eingerichtet, deren Bericht als Quelle nicht verfügbar

ist. Fest steht, dass Waltfried vom Papst benediziert wurde und ab 1221 als Abt von St.

Lambrecht aufscheint.103 Die Kirche Mariahof war schon im Vorjahr durch zwei Drittel des

Zehents von drei Höfen bei Mariahof und zehn Scheffel Korn aus dem Scheiflinger Zehenthof

entschädigt worden.104

Erst der Landesfürst und Klostervogt Herzog Leopold VI., der in ganz Europa den Ruf eines

geschickten Vermittlers in diplomatischen Belangen genoss,105 brachte auf einem Tag in

Gratwein 1224 eine „amicabilis compositio“106 zustande, die den Konflikt beendete. Dem

Kloster verblieb die Freiheit der Abtwahl, musste jedoch die Konfirmation dem Salzburger

Erzbischof belassen. Die Benediktion sollte der Erwählte, je nach Konventsbeschluss, vom

Papst oder dem Erzbischof empfangen. Die Visitation sollte dem Erzbischof nur auf Beschluss

des Abts und des Konvents möglich sein, oder unter Berücksichtigung besonderer

Missstände.107 Einen Einblick in die sozialen Umstände der damaligen Zeit liefert die erste

vollständige Konventsliste von St. Lambrecht in der Zustimmungsurkunde von Gratwein, die

40 Mönche und ihre Aufgaben nennt.108

Auch die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zeichnet das Bild eines „saeculum horibilis“ für

St. Lambrecht.

101

BRUNNER, Mariahof, S. 339. 102

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 28. 103

Ebd., S. 28. 104

BRUNNER, Mariahof, S. 340. 105

SCHEIBELREITER, Babenberger, S. 306 – 307. 106

MEZLER-ANDELBERG, Carinthia I. 151 (1961), S. 570. 107

Ebd., S. 570. 108

Genannt werden: der Prior Otto, der Cellerar Permann, der Custos Haydenreich, der Kämmerer Gotschalk, der äbtliche Kaplan Rudolf und der Propst Otto. Der Spitalsmeister Luitold hat nicht unterschrieben, sehr wohl jedoch der Lambrechter Pfarrer Ulrich, der Mariahofer Prior Ilsung, der Aflenzer Pfarrer Siboto und weitere zwanzig Priester, zwei Diakone, vier Subdiakone und sechs Laienbrüder; PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 29.

22

Im Sommer 1259 erlitt die Kirche von Mariahof abermals großen Schaden („damna et

gravamina nimis magna“) durch die durchziehenden Truppen Herzog Ulrichs III. von Kärnten,

der seinen Bruder, den Erwählten Philipp von Salzburg, gegen Erzbischof Ulrich von Salzburg

unterstützen wollte.109 Die Stiftskirche fiel im Juni 1262 einem Brand zum Opfer, der, einem

Gedicht zufolge,110 jedoch nur die Decke zerstörte. Anders als die Stiftskirche, die bereits

1265 wieder geweiht wurde, zog sich der Wiederaufbau der im April 1287 abgebrannten

Klostergebäude bis etwa 1300 hin.111

Diese Schicksalsschläge scheinen nicht spurlos am Konvent vorübergegangen zu sein. In der

Urkunde zur Einführung des Fronleichnamsfestes findet sich gar eine Anmerkung zur

Knappheit der leiblichen Versorgung der Mönche und es ist von Zuständen die Rede, die der

Religiosität Abbruch getan und das Band der Liebe gelockert hätten.112 Einzig die Ernennung

Friedrichs 1288 zum Abt und die durch ihn feststellbare geistliche und wirtschaftliche

Erneuerung113 wirft einen hellen Lichtstrahl in ein für St. Lambrecht zutiefst finsteres

Jahrhundert.

3. Zeiten der Blüte St. Lambrechts im Spätmittelalter

3.1. Abt Otto von Laa als Vermittler in der europäischen Diplomatie Nach dem Tod Abt Heinrichs I. in Avignon 1311 ernannte Papst Clemens V., unter Berufung

auf das päpstliche Ernennungsrecht nach dem Tod seines Vorgängers an der Kurie, Otto von

Laa zum Abt des Stifts St. Lambrecht, wodurch, zum Vorteil beider Seiten, dass

Konfirmationsrecht des Salzburger Erzbischofs umgangen werden konnte.114 Der vom

Bischof von Ostia geweihte Otto musste jedoch eine Abgabe von 1000 Gulden („servitium

commune“) an die apostolische Kammer entrichten.

Bald nach der Heimkehr aus Avignon fiel Otto die ehrenvolle Aufgabe zu, die Delegation

Friedrichs des Schönen zum König Jakob von Aragonien anzuführen, bei dem man um die

Hand seiner Tochter Isabella anhalten wollte. Im Frühsommer 1312 hatte er durch den

109

WONISCH, ZHVSt 54 (1963), S. 14. 110

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 35. 111

Ebd., S. 35. 112

Ebd., S. 32-33. 113

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 322; Nach einem Bericht von Johann von Viktring hat Abt Friedrich 1299 auf dem Hoftag zu St. Veit die Schwerter der jungen Herzöge geweiht; PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 33. 114

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 34.

23

erfolgreichen Verhandlungsabschluss großes diplomatisches Geschick bewiesen. Nach der

zweiten Reise nach Spanien im Sommer 1313 wurde die Braut schließlich nach Österreich

eskortiert und im Jänner 1314 in Judenburg die Hochzeit gefeiert. 1328 erhielt Otto durch

Papst Johannes XXII. den bedeutend unerfreulicheren Auftrag, den Bann gegen Ludwig den

Bayern und die ihn unterstützenden Marsilius von Padua und Johann von Jadun auf seinen

Besitzungen und den umliegenden Gebieten zu verkünden. Dies tat er, mit den Worten des

Johann von Viktring, an einigen Orten nur mit „Furcht und Zittern.“115

3.2. Der Bau des gotischen Münsters und die künstlerische Entwicklung jenes Zeitraums

Als im Jahr 1327 die romanische Stiftskirche einstürzte, begann noch unter der Ägide Abt

Ottos der Wiederaufbau im gotischen Stil, der seine Nachfolger bis ins erste Viertel des 15.

Jahrhunderts beschäftigen sollte.

Begonnen wurde mit der Errichtung des Lettners und der beiden Joche östlich des

Triumphbogens, aber erst 1366 erhielt der Lettneraltar, dessen Altarbild, eine dreiteilige

Passionsretabel, sich bis heute erhalten hat,116 seine Weihe. Bei der Einwölbung des

Langhauses wurden die romanischen Seitenschiffmauern weiterverwendet, und für 1375 ist

eine Stiftung bei der gotisch erneuerten Michaelskapelle zwischen den Türmen nachweisbar.

Den Bau des 1386 begonnen Chors übernahm Abt Rudolf Lichtenegger von seinem

verstorbenen Vorgänger David Krall. Er ließ für die Gebeine des Stifters Herzog Heinrich III.

und seiner Frau eine würdigere Gruft errichten. Erst Abt Heinrich II. Moyker war es 1421

vergönnt, den Hochaltar zu weihen und das Werk damit abzuschließen. Entstanden war eine

beeindruckende, dreischiffige Hallenkirche mit 12 Jochen und 7/12 Chorschluß mit einer

Länge von 78 m, was sie zu einem der größten Kirchenräume der Steiermark macht.117

Während dieser massiven Umbaumaßnahmen band das Stift viele Handwerker und Künstler

an sich. Dies schlug sich in den qualitativ hochstehenden Fresken im gotischen Neubau

nieder, die zum Großteil erst 1974 im Zuge einer Innenrestaurierung entdeckt wurden.118

115

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 34. 116 Benedikt PLANK, Das Stift St. Lambrecht im Zeitalter der Gotik unter besonderer Berücksichtigung der

Kunstentwicklung. In: Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung (Hg.), Ausstellungskatalog der Landessaustellung „Gotik in der Steiermark“, Stift St. Lambrecht, 28. Mai bis 8. Oktober 1978, Abbildungsverzeichnis S. 2. 117

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 37. 118 Ulrich OCHERBAUER, Neuentdeckte gotische Wandmalerien in der Stiftskirche von St. Lambrecht, ÖZKD

(Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege) 31 (1977), S. 84.

24

An der Nordwand ist eine monumentale Darstellung des Throns Salomos hervorzuheben

(Höhe 8,60 m, Breite 3,20 m; datiert auf das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts), dessen

Besonderheit in der Darstellung dreier übereinander angeordneter Throne besteht, „worin

auch ein besonderes theologisches Konzept der Aufeinander-Bezogenheit Salomo-Maria-

Christus bildhaften Ausdruck findet.“119

An der Südwand, interessanterweise im Kircheninneren, konnte eine monumentale, im

Originalzustand etwa 12 m hohe Christophorus-Darstellung konserviert werden, dem

insbesondere in den Zügen des Jesus-Kinds mittelitalienische Stilelemente anhaften und die

als bisher ältester Christophorus der Steiermark angesehen wird.120

Auch die Tafelmalerei begann zu prosperieren. Hervorragende Beispiele aus St. Lambrecht,

die heute im Stiftsmuseum bzw. im Landesmuseum Joanneum aufbewahrt werden, sind die

„Strahlenkranzmadonna“ vom „Meister des Londoner Gnadenstuhls“ (um 1420) und die „St.

Lambrechter Votivtafel“ (etwa 1430) mit der Darstellung des Sieges des ungarischen Königs

Ludwigs des Großen über die Türken.121

3.3. Das Gesamturbar von 1390 als Relikt einer Stiftsreform

Offen bleibt die Frage, wie solch ein wirtschaftlicher Aufschwung und die daraus

resultierende Phase der künstlerischen Blüte bewerkstelligt wurde.

Von zentraler Bedeutung war sicherlich, wie Benedikt Plank es ausdrückt, dass St. Lambrecht

„in jener Epoche das Glück hatte, hervorragende Äbte zu besitzen, deren Persönlichkeit in

gegenseitiger Wechselwirkung zur Größe des stiftischen Einfluß- und Aufgabenbereiches

stand.“122 Dies traf zwar auf Abt Heinrich II. Moyker (1419-1455), Johann II. Schachner (1455-

1478) und Johann III. Sachs (1478-1518) zu, doch die materielle Grundlage war bereits 1390

durch Abt Rudolf Lichtenegger in Form eines Gesamturbars der Lambrechter Besitzungen

geschaffen worden. In diesem ältesten erhaltenen Urbar des Stifts sind sämtliche

Dienstbarkeiten und Untertanen, beginnend mit den Zentren Aflenz, Mariazell und Veitsch

bis zu den Besitzungen in Kärnten, Salzburg, dem Murtal und Piber, verzeichnet. Ergänzt

119

OCHERBAUER, Wandmalerien, S. 88-89. 120

Ebd., S. 91. 121

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 355. 122

PLANK, Gotik Steiermark, S. 32.

25

wurde das Werk durch ein Kopialbuch, welches insgesamt 300 Stiftsurkunden enthält und

diese „Revision der stiftischen Verwaltung“123 vervollkommnete.

Diese Maßnahmen scheinen auch den von Plank als „typisch“124 bezeichneten

katastrophalen Bildungsstand des Klerus aufgewogen zu haben, der sich darin manifestiert,

dass im Wahlakt des Abtes Rudolf von 26 Mönchen nur drei (!) selbst unterschreiben

konnten, während die übrigen jemand anderen damit betrauen mussten.125

4. „Oh Pierer, deine Birnen sind noch nicht reif!“ Das monastische Leben in St.

Lambrecht am Übergang in die Renaissance

4.1. Die Melker Reform in St. Lambrecht

St. Lambrecht kam schon um 1400, hauptsächlich durch Kontakte zum italienischen

Reformzentrum Subiaco,126 aber auch durch Abt Heinrich II. Moyker, der in Wien studiert

hatte, in Berührung mit den klösterlichen Reformbewegungen jener Zeit. So erließ Moyker

bald nach seiner Rückkehr vom Baseler Konzil 1435 eigene Reformstatuten bestehend aus 23

Artikeln.

Der Visitation des Nikolaus Cusanus in Begleitung der führenden Köpfe der Melker Reform

jedoch bereitete man 1451 einen frostigen Empfang in St. Lambrecht. Abt Moyker bezahlte

sogar die Kosten der achttägigen Reise nach Salzburg, um die Kommission los zu werden,

welche die Zustände in St. Lambrecht prompt als „ungenügend“127 rügte.

Die Animosität des Konvents erklärt sich nicht aus der Ablehnung der Reform, die in der

zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts festen Halt in St. Lambrecht fand, sondern weil man die

Visitation als Einmischung in die Rechte des exemten Stifts ansah.128

123

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 324. 124

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 43. 125

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 324. 126

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 51. 127

PLANK, Germania Benedictina Bd. III/2, S. 324. 128

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 51.

26

4.2. Die Feste Steinschloss: Der Klerus macht „Aderlassferien“ auf der Höhenburg

Die Einfälle der Türken betrafen im Jahr 1480 auch obersteirisches Gebiet. Das Stift selbst

befand sich nicht in Gefahr, doch die Lambrechter Pfarrkirchen Weißkirchen und Obdach

sowie deren Filialen wurden verbrannt.129 Die jahrzehntelangen Kämpfe Kaiser Friedrichs III.

mit dem ungarischen König Matthias Corvinus begannen sich im selben Jahr auf die

Obersteiermark auszubreiten, als der ungarische Feldhauptmann Hans Haugwitz mit 1500

Mann, wie Jakob Unrest in seiner „Österreichischen Chronik“ berichtet, Neumarkt belagerte.

Als die türkischen Truppen heranzogen, ließen die gutgläubigen Neumarkter Bürger die

Ungarn ein, in der Hoffnung, sich mit diesen gemeinsam besser verteidigen zu können. Die

Ungarn aber besetzten den Markt und die Burg Forchtenstein und setzten sich bis 1490 in

der Obersteiermark fest. Trotz eines temporären Sieges eines steirischen Adelsaufgebots

gelang den ungarischen Truppen 1482 auch die Zerstörung des Tabors und der Kirche von

Mariahof.130 Das Stift hatte in mancher Hinsicht vorgesorgt. Abt Johann II. Schachner

errichtete ab 1471 in Thörl bei Aflenz die letzte Höhenburg der Steiermark, Schachenstein.131

Sein Nachfolger, Johann III. Sachs, verstärkte die Befestigungsanlagen des Stifts und verhalf

der Adelsfamilie Liechtenstein 1503 durch den Ankauf ihrer Höhenburg Stein, auf 1190 m die

höchstgelegene steirische Burg, aus einer schwierigen Finanzlage.132 Die Burg war von Niklas

von Liechtenstein, der sich ohne kaiserliche Hilfe gegenüber den Ungarn in einer

hoffnungslosen Situation befand, 1482 zusammen mit Stadt und Burg Murau den Truppen

des Ungarnkönigs geöffnet worden, was seine Gefangennahme 1490 durch Kaiserliche zur

Folge hatte.133

Unter der Ägide einer besonderen Persönlichkeit sollte es zwischen 1525 und 1542 zum

großangelegten Ausbau der Burg zur Renaissancefestung kommen. Abt Valentin Pierer

(1518-1541) trat prunkvoll und selbstbewusst auf und wurde dem Fürstentitel, den die St.

Lambrechter Äbte seit Johann I. von Laa trugen,134 voll gerecht. Mit fünfzig Pferden soll er

bei Hofe erschienen sein, und in Anspielung auf seinen Talar wurde er von den Höflingen als

129

PLANK, St. Lambrecht 1076-1076, S. 54. 130

BRUNNER, Mariahof, S. 292. 131

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 46. 132

BRUNNER, Mariahof, S. 568. 133

Ebd., S. 567. 134

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 40.

27

„Pfaff in der samtenen Kutte“ bezeichnet.135 Sein Vorgänger Sachs machte keinen Hehl aus

seiner Ablehnung des Betragens seines damals noch jungen Koadjutors und soll ihn, in

Bezugnahme auf die Birnen in Pierers Wappen, mit folgenden Worten getadelt haben: „Oh

Pierer, Pierer, deine Birnen sind noch nicht reif!“136

Ungeachtet der Kommentare seiner Zeitgenossen gelangte Pierer nicht nur als Kunstmäzen

und Mitglied des steirischen Landtages zu großem Einfluss137 und Bekanntheit, er konnte

seinem Konvent das durch italienische Baumeister umgestaltete und auf 6400 m² erweiterte

Steinschloss als Sommersitz während der „Aderlassferien“138 zur Verfügung stellen.

Unter Abt Valentin Pierers Führung trat das Stift St. Lambrecht in eine neue, bewegte

Epoche ein, die den Niedergang des Stifts in der Reformationszeit und sein Wiedererblühen

in barocker Pracht sah. Ein steiniger Weg zwar, doch schon der heilige Benedikt rief seinen

Glaubensbrüdern zu: „Schreiten wir voran auf den Wegen des Herrn, unter der Führung des

Evangeliums, damit wir Ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat."139

5. Zusammenfassung

Abschließend kann gesagt werden, dass, nach Meinung des Autors, die selbst gestellte

Zielsetzung der Arbeit erreicht werden konnte. Vordergründig war dies die Darstellung der

Entwicklung des Stifts St. Lambrecht innerhalb eines beinahe 500 Jahre währenden

Zeitraumes. Der Untersuchungszeitraum spannte sich von den in weiten Teilen im Dunkeln

liegenden Anfangsjahren im 11. Jahrhundert zur ersten kulturellen und architektonischen

Blüte im 12. Jahrhundert, den krisenhaften Exemtionsstreitigkeiten im 13. Jahrhundert bis zu

den Äbten des Spätmittelalters und dem „Renaissancemenschen“ Valentin Pierer. Zur

Freude des Verfassers gelang die Einbindung seiner Heimatregion im Sinne des Begriffs

„Graslupptal“ und, daran angelehnt, die Darstellung des Stifts als das Zentrum in diesem

noch heute strukturschwachen Gebiet. Hierbei traten Themenkomplexe wie etwa die

Frühgeschichte Mariahofs oder die Burganlage Steinschloss hervor, die noch viel Raum für

135

PLANK, St. Lambrecht 1076-1976, S. 47. 136

Ebd., S. 47. 137

Ebd., S. 47. 138

BRUNNER, Mariahof, S. 569. 139

Georg HOLZHERR, Die Benediktsregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben. Der vollständige Text der Regel übersetzt und erklärt von Georg Holzherr, em. Abt von Einsiedeln (Freiburg 2005), S. 43; aus dem Prolog zur „Regula Benedicti.“

28

zukünftige Forschungsarbeit bieten würden, letzteres vor allem im Kontext mit den von 2003

bis 2010 erfolgten Grabungen.140

In deutlich größerem Umfang als erwartet fanden sich in der Literatur Quellen und Hinweise

zur bis heute währenden Verbundenheit der Regionen Oberes Murtal und Zentral-Kärnten.

Dem Verfasser war es ein Anliegen, im Zuge dieser Arbeit etwas Licht auf die ansonsten

weitgehend vernachlässigte Geschichte der Neumarkter Passlandschaft, das verbindende

Element der beiden Regionen, und die umliegenden Gebiete fallen zu lassen, und hofft auf

neue Forschungsergebnisse in diesem Gebiet.

140

http://www.fiale.at; Grabungsbericht einsehbar unter „Projekte und Aufträge“, abgerufen am 21.12.2011.

29

6. Literaturverzeichnis

Heinrich APPELT, Das Diplom Friedrich Barbarossas für St. Lambrecht vom 3. März 1170. Siedlung, Wirtschaft und Kultur im Ostalpenraum. In: Festschrift zum 70. Geburtstag von Friedrich Popelka (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives 2) Graz 1960, S. 235 – 244. Walter BRUNNER, 1000 Jahre Scheifling, Scheifling 1978. Walter BRUNNER, Geschichte von Neumarkt in der Steiermark, Neumarkt 1985. Walter BRUNNER, Mariahof. Geschichte des Lebens und Leidens der Mensch einer Kleinregion von den Anfängen bis zur Gegenwart, Mariahof 2004. Karl DINKLAGE, Zur Geschichte des Stiftes St. Lambrecht im 12. Jahrhundert, ZHVSt 59 (1968) S. 183-197. Gemeinde Mariahof (Hg.), 900 Jahre Pfarre Mariahof. Ecclesia Grazluppa 1066-1966. Festschrift herausgegeben von der Gemeinde Mariahof, Mariahof 1966. Leopold GRILL, Erzbischof Eberhard I. von Salzburg, Rein 1964. Georg HOLZHERR, Die Benediktsregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben. Der vollständige Text der Regel übersetzt und erklärt von Georg Holzherr, em. Abt von Einsiedeln, Freiburg 2005. Karl – Engelhardt KLAAR, Die Herrschaft der Eppensteiner in Kärnten. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau (Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie, herausgegeben vom Geschichtsverein für Kärnten, 61. Band), Klagenfurt 1966. Georg KODOLITSCH, Zur Restaurierung der St. Lambrechter Stiftskirche 1974/76, ÖZKD 31 (1977) S. 73-84. Helmut Jodok MEZLER – ANDELBERG, Zur älteren Geschichte der Abtei St. Lambrecht, Carinthia I 151 (1961) S. 534-571. Ulrich OCHERBAUER, Neuentdeckte gotische Wandmalerien in der Stiftskirche von St. Lambrecht, ÖZKD (Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege) 31 (1977) S. 84-93. Pfarramt Mariahof (Hg.), 1103-2003. 900 Jahre Zugehörigkeit der Pfarre Mariahof zur Benediktinerabtei St. Lambrecht. Festschrift zur 900-jährigen Zugehörigkeit der Pfarre Mariahof zur Benediktinerabtei St. Lambrecht, Mariahof 2003.

30

Benedikt PLANK, Geschichte der Abtei St. Lambrecht. Festschrift zur 900. Wiederkehr des Todestages des Gründers Markward von Eppenstein 1076-1976, St. Lambrecht 1978. Benedikt PLANK, Das Stift St. Lambrecht im Zeitalter der Gotik unter besonderer Berücksichtigung der Kunstentwicklung. In: Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung (Hg.), Ausstellungskatalog der Landessaustellung „Gotik in der Steiermark“, Stift St. Lambrecht, 28. Mai bis 8. Oktober 1978, S. 29-34. Benedikt PLANK, St. Lambrecht. In: Bayerische Benediktinerakademie München/Abt-Herwegen-Institut Maria Laach (Hgg.), Germania Benedictina. Band III/2: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Veröffentlichungen des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg. Neue Folge Band 80) München 2001, S. 318-380. Waldemar POSCH, Dom zu Gurk. Die Fresken der Bischofskapelle in der Westempore, Passau 2000. Julia PÖRNBACHER, Dom zu Gurk, Passau 2011. Georg SCHEIBELREITER, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren, Wien 2010. Othmar WONISCH, Die Zugehörigkeit des Graslupptales zu Steiermark oder Kärnten. Eine historisch-topographische Untersuchung (Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark 14), Graz 1956. Otto WIMMER, Lexikon der Namen und Heiligen, Innsbruck 1988. Othmar WONISCH, Kleine Beiträge zur Kirchengeschichte Steiermarks. I. Die ecclesia ad Undrimas. II. Die ecclesia ad Grazluppa von c. 1066 – Mariahof oder St. Marein bei Neumarkt? ZHVSt 17 (1919) S. 1-9. Othmar WONISCH, Die St. Lambrecht-Grazer Handschriften, ZfB 35 (1918) S. 64-73. Othmar WONISCH, Wer war Johann von St. Lambrecht? Aus Archiv und Chronik. Blätter für Seckauer Diözesangeschichte 3 (1950) S. 137-145. Othmar WONISCH, Mariahof im Mittelalter, ZHVSt 54 (1963) S. 3-29. Othmar WONISCH, Kärntner Besitz des Stiftes St. Lambrecht im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte und Kulturgeschichte Kärntens. Festgabe für Martin Wutte zum 60. Geburtstag (AVGT 24/25) Klagenfurt 1936, S. 75-86.