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Univerzita Karlova v Praze Filozofická fakulta Ústav germánských studií Diplomová práce Bc. Barbora Baráková Autobiographisches in Comics und in Literatur Autobiography in comic books and literature 2015 Vedoucí práce: Prof. Dr. Manfred Weinberg

Autobiographisches in Comics und Literatur (Diplomarbeit)

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Univerzita Karlova v Praze

Filozofická fakulta

Ústav germánských studií

Diplomová práce

Bc. Barbora Baráková

Autobiographisches in Comics und in Literatur

Autobiography in comic books and literature

2015 Vedoucí práce: Prof. Dr. Manfred Weinberg

Dank an Prof. Dr. Manfred Weinberg für die Leitung dieser Arbeit zu stringenter

Argumentationskette und Präzisierung und für zahlreiche Korrekturen.

Děkuji mé rodině za podporu a šťastné dětství s komiksy.

Prohlašuji, že jsem diplomovou práci vypracovala samostatně, že jsem řádně citovala

všechny použité prameny a literaturu a že práce nebyla využita v rámci jiného

vysokoškolského studia či k získání jiného nebo stejného titulu.

V Praze dne 30. 11. 2015 Barbora Baráková

Abstrakt

Tato práce se zabývá literární teorií autobiografie a možností jejího využití pro komiks.

Cílem je pokusit se literární teorii pro komiks modifikovat a v praktické analýze ji

aplikovat. Základní teoretický rámec tvoří Autobiografický pakt Philippa Lejeuna

a teorie paratextů podle Gérarda Genetta. V praktické analýze vychází tato práce ze

srovnání komiksu s literárním dílem, přičemž je využito poznatků, které byly získány

v teoretické části. Důraz je kladen na konstruování autobiografického paktu a na para-

a metatexty, které se k oběma knihám vztahují.

Klíčová slova

autobiografie, autobiografické prvky, komiks, literatura, paratext, metatext

Autobiographie, autobiographische Elemente, Comic, Literatur, Paratext, Metatext

Abstract

This thesis concerns with the literary theory of autobiography and its use for comics.

The goal is to try to modify literary theory for comics and apply it in practical analysis.

The fundamental theoretical framework constitutes of The autobiographical Pact by

Philippe Lejeune and a theory of paratexts according to Gérard Genette. In practical

analysis the thesis bases on the comparison of comics with literary work and uses the

knowledge acquired in the theoretical part. The emphasis is put on designing of

autobiographical pact and on para- and metatexts which are connected to both of the

books.

Klíčová slova anglicky

Autobiography, autobiographic elements, comics, literature, paratext, metatext

Inhaltsverzeichnis 1. EINFÜHRUNG ..................................................................................................................... 7

2. THEORETISCHER TEIL ..................................................................................................... 9

2.1. Begriffe ......................................................................................................................... 9

2.1.1. Autobiographie, Memoiren, Graphic-Memoirs, Autographics und Autofiktion .. 9

2.1.2. Authentizität ........................................................................................................ 12

2.1.3. Der referentielle Anspruch an die Autobiographie und die Interpretation .......... 14

2.2. Zur Geschichte der Autorencomics ............................................................................. 16

2.2.1. Erwachsenen-Comics und Autoren-Comics in Deutschland .............................. 17

2.3. Lejeunes Der Autobiographische Pakt in Beziehung zur Autobiographie in Comics 20

2.3.1. Erzählen, Erzähler und Fokalisierung in Comics ................................................ 20

2.3.2. Identität: Erzähler = Protagonist = Autor ............................................................ 24

2.4. Was sind Paratexte und welche Funktion haben sie in Verbindung mit der

Autobiographie? ...................................................................................................................... 27

2.4.1. Wie unterschiedlich sind die Paratexte im Comic? ............................................. 30

2.4.2. Umschlag und Titelseite in Comics .................................................................... 32

3. ANALYSE .......................................................................................................................... 34

3.1. VIER AUGEN ............................................................................................................ 35

3.1.1. BUCHUMSCHLAG UND DER AUTOBIOGRAPHISCHE PAKT ................. 36

3.1.1.1. Umschlagsversionen ................................................................................... 36

3.1.1.2. Klappentexte ............................................................................................... 38

3.1.1.3. Namensidentität ........................................................................................... 40

3.1.1.4. Erzähler ....................................................................................................... 42

3.1.2. METATEXTE ..................................................................................................... 43

3.1.2.1. HALLO SASCHA ...................................................................................... 44

3.1.3. DER SPRECHENDE HUND ALS TEIL DER AUTOBIOGRAPHIE .............. 47

3.1.3.1. Titel ............................................................................................................. 52

3.2. ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH. AMERIKA .......................................................... 54

3.2.1. AUTOBIOGRAPHISCHER PAKT .................................................................... 55

3.2.2. METATEXTE ..................................................................................................... 58

3.2.3. UMSCHLAG ...................................................................................................... 60

3.3. VERGLEICH .............................................................................................................. 62

3.3.1. MYTHOS DER EIGENEN BIOGRAPHIE ....................................................... 62

3.3.2. REFERENTIELLER ANSPRUCH..................................................................... 64

3.3.3. ERZÄHLER ........................................................................................................ 65

4. FAZIT ................................................................................................................................. 68

5. QUELLENVERZEICHNIS ................................................................................................ 70

Primärquellen .......................................................................................................................... 70

Sekundärquellen ...................................................................................................................... 70

Online-Quellen ........................................................................................................................ 72

7

1. EINFÜHRUNG

Der Comic unterscheidet sich von der Literatur durch seine Multimodalität. Das

Geschehen wird nicht nur mithilfe des Textes sondern auch der Bilder dargestellt.

Lange Zeit wurden die Wege gesucht, wie mit der Multimodalität des Comics

umzugehen. Der Comic wurde mit dem Film sowie mit der Literatur verglichen, bevor

er sich als selbständige Kunstform etablierte.

Diese Arbeit versucht am Beispiel der Autobiographie zu zeigen, dass die

Literaturtheorie an Comics nur teilweise appliziert werden kann. Die Arbeit beschäftigt

sich sowohl mit den theoretischen Fragen, die sich hinsichtlich von Autobiographien

stellen, als auch mit der praktischen Analyse und dem Vergleich zweier

Autobiographien – eines Comics und eines literarischen Textes.

Der Comic wird hier im Unterschied zur Literatur behandelt, dies bedeutet aber

nicht, dass er als minderwertig gegenüber der Literatur verstanden wird. Die Literatur

wird hier im Sinne der reinen Textualität begriffen, der Comic dagegen als multimodale

Kunstform verstanden, dessen einzigartige Verbindung von Text und Bild nicht als

Literatur bezeichnet wird. In beiden Teilen dieser Arbeit steht der Comic im

Vordergrund, weil das Thema der Autobiographie in Comics noch nicht ausreichend

erforscht und systematisiert wurde. Die Grundbasis bildet die Literaturtheorie, die auch

bei der Analyse von Comics nutzbar ist, dazu aber jeweils modifiziert werden muss.

Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich der Frage der Begriffe, die für die

Beschreibung der Autobiographie in beiden Formen benutzt werden oder mit diesen in

Verbindung gesetzt werden. Dies betrifft v. a. die Authentizität und den referentiellen

Anspruch der Autobiographie. Auch hier werden die literaturtheoretischen Definitionen

auf Comic appliziert und weiterentwickelt resp. modifiziert.

Den allgemeinen theoretischen Ausgangspunkt bildet Philippe Lejeunes Der

autobiographische Pakt als grundlegende Theorie für die Untersuchung der

Autobiographie in der Literatur und seine spezifische Modifizierung für Comics. Die

drei Elemente, deren Identität als Grundlage für die Diagnose des Vorliegens einer

Autobiographie in literarischen Werken dient, das heißt der Erzähler, der Autor und der

Protagonist, müssen für Comic redefiniert werden.

Als ein weiterer Ausgangspunkt wurde das Konzept der Paratexte nach Gérard

Genette gewählt. Das Hauptgewicht wird dabei auf solche Paratexte gelegt, die das

8

autobiographische Lesen beeinflussen. Es handelt sich v. a. um den Autornamen, den

Buchumschlag mit Klappentexten und verschiedene Metatexte.

An die Diskussion der theoretischen Grundlagen knüpft sich die Analyse und der

Vergleich des Comics Vier Augen von Sascha Hommer und des literarischen Textes

Alle Toten fliegen hoch. Teil I: Amerika von Joachim Meyerhoff an. Diese Bücher

wurden aufgrund ihrer thematischen Ähnlichkeit ausgewählt. Es ist interessant zu

beobachten, wie sich die Autoren in den unterschiedlichen medialen Konstellationen

mit ähnlichen Themen auseinandersetzen. Beide Bücher werden in Bezug auf den

autobiographischen Pakt und auf die Paratexte untersucht. In der Analyse versuche ich

die Berührungspunkte beider Bücher zu finden und zu vergleichen. Es wird untersucht,

wie die Autoren mit den autobiographischen Themen umgehen und wie diese von ihnen

reflektiert werden.

9

2. THEORETISCHER TEIL

2.1. Begriffe

Im ersten Teil dieses Kapitels widme ich mich den Bezeichnungen für Autobiographie

in der Literatur und in Comics, die in der Öffentlichkeit sowie in wissenschaftlichen

Arbeiten begegnen. Obwohl die Bezeichnungen rein formal sein können, ist es wichtig,

sich mit diesen Begriffen vertraut machen. Kurz wird auch der Begriff Autofiktion

vorgestellt, der zwischen den Bezeichnungen für faktuale und fiktionale Werke steht.

Im zweiten Teil beschäftige ich mich mit dem Begriff Authentizität, der mit den

Vorstellungen über autobiographische Werke verbunden ist und mit seiner Auffassung

in Comics. In diesem Teil gehe ich von Elisabeth El Refaies Aufsatz Visual Modality

versus authenticity: the example of autobiographical comics1 aus und vergleiche die

Definitionen der Authentizität in Comics und in der Literatur.

Der dritte Teil hängt mit dieser Auffassung zusammen und befasst sich mit dem

referentiellen Anspruch an die Autobiographie und mit der Interpretation der

abgebildeten Realität, weil die Interpretation eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung

der Realität in Comics spielt.

Die Begriffe werden immer zuerst in Bezug auf die Literatur erklärt und definiert,

und dann wird versucht, sie auf Comics zu applizieren bzw. Im Bezug auf diese zu

modifizieren. So können Probleme und Unterschiede direkt angesprochen werden.

2.1.1. Autobiographie, Memoiren, Graphic-Memoirs, Autographics und

Autofiktion

Eine erste begriffliche Frage bezieht sich auf die Bezeichnungen wie Autobiographie

und Memoiren für die Bezeichnung von literarischen Werken und Graphic-Memoirs,

Autographics oder Graphic Novel für Comics. Kann man diese als Synonyme

benutzen? Als ein Oberbegriff zu Begriffen wie Autobiographie, Biographie, Memoirs

und anderen wird, v. a. im anglo-amerikanischen Diskurs, der Begriff Life Writing

benutzt.2

Der Hauptunterschied zwischen der Autobiographie und den Memoiren im

klassischen Sinne besteht darin, dass es sich in den Memoiren um „die Einordnung der

individuellen Lebensgeschichte in größere Zusammenhänge von öffentlicher oder

1 El Refaie, Elizabeth: Visual Modality versus authenticity: the example of autobiographical comics. In:

Visual Studies, Vol. 25, No. 2, September 2010. S. 162-174. 2 Mittermayer, Manfred: Die Autobiographie im Kontext der „Life-Writing“-Genres. In: Die Biographie –

Zur Grundlegung ihrer Theorie. Hrsg.: Fetz, Bernhard. Berlin, New York 2009, S. 69-101.

10

geschichtlicher Tragweite“3 handelt. „Es geht um die Darstellung der Teilhabe eines

Einzelnen, meist einer Person des öffentlichen Lebens, an solchen Ereignissen, nicht um

die Rekonstruktion einer individuellen Entwicklungsgeschichte.“4 Dagegen steht die

persönliche Lebensgeschichte in der Autobiographie. „Während die Autobiographie die

Genese des Individuums betont, hebt der Begriff Memoiren die Einordnung des

beschriebenen Lebens in seine politischen und historischen Kontexte hervor.“5 Die

Grenzen zwischen Memoiren und Autobiographie sind aber fließend.

Beide Begriffe wurden dann auch auf Comics mit der Akzentuierung der

graphischen Seite übertragen: So entstanden die Bezeichnungen Graphic Memoirs oder

einfach autobiographische Comics. Memoir muss, ähnlich wie in der Literatur, nicht

nötig die Lebensgeschichte in einer „geschichtlichen Tragweite“ behandeln, sondern hat

sich auch bei der Bezeichnung für Autobiographie im engeren Sinne etabliert.

In der Öffentlichkeit erscheint am öftesten immer noch der Begriff Graphic Novel

für die Bezeichnung der Comics mit der faktualen sowie der fiktionalen Thematik. Es

handelt sich dabei um eine lange ernsthafte Geschichte in der Comic-Form. Diese

Bezeichnung wird seit der Erscheinung Will Eisners A Contract with God and other

Tenement Stories benutzt. Dietrich Grünewald definiert Graphic Novel oder Bild-

Romane als „eine längere, in sich eigenständige und – im Unterschied zur Endlosserie –

abgeschlossene Bilderzählung.“6 Gleichzeitig aber bemerkt er, dass der Begriff Graphic

Novel immer mehr als Marketing-Begriff benutzt wird, um den „pejorativ-belasteten“7

Begriff Comic zu vermeiden.

Einen weiteren Vorschlag zur begrifflichen Fassungder Autobiographie in

Comics bietet Gillian Whitlock mit dem Begriff Autographics an:

By coining the term “autographics” for graphic memoir I mean to draw attention to the

specific conjunctions of visual and verbal text in this genre of autobiography, and also to

the subject positions that narrators negotiate in and through comics-features of discursive

frameworks that Leigh Gilmore discusses in terms of “autobiographics”.8

3 Schwalm, Helga: Memoiren. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von Dieter

Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moennighoff, Stuttgart, Weimar 2007, S. 489. 4 Ebd.

5 Schwalm, Helga: Autobiographie. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von

Dieter Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moennighoff, Stuttgart, Weimar 2007, S. 57-58. 6 Grünewald, Dietrich: Die Kraft der narrativen Bilder. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in

der Graphic Novel. Hrsg.: Hochreiter, Susanne; Klingenböck, Ursula. Bielefeld 2014, S. 17-51, hier S.

18. 7 Ebd., S. 19.

8 Whitlock, Gillian: Autographics: The Seeing "I" of the Comics. In: Modern Fiction Studies, Volume 52,

Number 4., Winter 2006, S. 965-979, hier S. 966.

11

Whitlock schlägt weiter den Begriff Autobiographical Avatar für die Bezeichnung der

Autor-Figur in autobiographischen Comics vor. Julia Watson schreibt dazu in ihrem

Aufsatz Autographic Disclosures and Genealogie sof Desire in Alison Bechdel’s Fun

Home:

Whitlock has proposed the provocative term “auto-biographical avatars” to characterize the

drawn personae of cartoonists in graphic memoirs, [...]. The term “avatars” recalls the new

popular media of unstructured, virtual role-playing environments such as SecondLife,

where game players choose visual self-representatives (called avatars), often quite different

from themselves, to play roles and interact in virtual space; as such, the avatar implies new

possibilities for forging identity in autographics.9

Autobiographical Avatar entspricht in der literarischen Autobiographie dem

Protagonisten/Autor. Hervorgehoben wird aber (ähnlich wie bei Whitlocks Begriff

Autographics) die graphische Darstellung des Protagonisten, seine bildliche

Inszenierung.

In dieser Arbeit werde ich die Begriffe autobiographischer Comic und

Autobiographie für die Bezeichnung der behandelten Bücher benutzen. Das Wort

Comic sollte ohne pejorative Bedeutung verstanden werden, es handelt sich um eine

selbständige Kunstform, die durch die Bezeichnung Comic von den literarischen

Werken unterschieden wird.

Zwischen den Bezeichnungen für literarische und Comic-Autobiographien und den

Benennungen für fiktionale Texte steht der Begriff Autofiktion. Dieser wurde von dem

französischen Autor Serge Doubrovsky zum ersten Mal im Vorwort zu seinem Roman

Fils benutzt und wird von ihm als „Fiktion von absolut wirklichen Ereignissen“

verstanden.10

Man kann die Autofiktion zusammen mit Frank Zipfel als eine

Kombination von Autobiographie und Roman verstehen.11

Ist es möglich, dass die

Autofiktion gleichzeitig den referentiellen und den fiktionalen Pakt abschließt?

Die Autofiktion kann verschiedene Formen sowie Funktionen annehmen. In Fils

erscheint die Fiktion in zwei Punkten: Die paratextuelle Bezeichnung des Werkes als

Roman und die Erzählweise, die nicht chronologisch sondern assoziativ verläuft. Nach

Doubrovsky ist nicht das Geschehen fiktional, sondern gerade die Konstruktion des

Erzählens. Diese Konstruktion ist aber nicht nötig fiktionsspezifisch, sondern kann auch

9 Watson, Julia: Autographic Disclosures and Genealogie sof Desire in Alison Bechdel’s Fun Home. In:

Graphic Subjects. Critical Essays on Autobiography and Graphic Novels. Ed: Chaney, Michael A.

Wisconsin 2011, S. 123-156, hier S. 125. 10

Zipfel, Frank: Autofiktion. Zwischen den Grenzen von Faktualität, Fiktionalität und Literarität? In:

Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen. Hrsg.: Winko, Simone; Jannidis,

Fotis; Lauer, Gerhard. Berlin 2009, S. 285-314, hier S. 285. 11

Ebd., S. 286.

12

im autobiographischen Schreiben erscheinen. Andere Paratexte, wie z. B. Doubrovskys

Äußerungen zu seinem Buch, weisen auf den autobiographischen Status dieses Buches

hin.12

Es werden zwei Definitionen der Autofiktion unterschieden. In der breiten

Definition wird die Autofiktion als „eine Art fiktionaler Erzählung, in der eine der

fiktiven Figuren den Namen des Autors trägt“13

verstanden. Solche Erzählungen greifen

oft in den Bereich des Phantastischen über. Die zweite Definition bestimmt den

autofiktionalen Text nach Darrieusecq als ambig: Dem Leser werden sowohl der

autobiographische als auch der Fiktionspakt angeboten und er kann nicht entscheiden,

welche der beiden gültig ist.14

Nach Zipfel wechselt der Leser während der ganzen

Lektüre von einem Pakt zum anderen.

In dem praktischen Teil dieser Arbeit versuche ich zu klären, ob das Konzept der

Autofiktion auch bei der Analyse nutzbar ist und ob es beim Vergleich der literarischen

und Comic-Autobiographien hilfreich sein könnte. Dieser Begriff kann auch als

Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen von autobiographischen oder semi-

autobiographischen Büchern dienen und ist z. B. bei Analyse eines Comics mit

phantastischen und gleichzeitig autobiographischen Zügen nutzbar.

2.1.2. Authentizität

Mit der Autobiographie wird eine Vorstellung von Authentizität verbunden. Sie ist im

Metzler Lexikon Literatur folgendermaßen definiert:

Die Echtheit bzw. Zuverlässigkeit einer überlieferten Äußerung oder eines Textes. […] Die

Wahrhaftigkeit a) des subjektiven Selbstausdrucks oder b) des objektiven Weltbezugs im

literarischen Text. Als literatur-theoretischer Begriff bezieht sich Authentizität einerseits

auf den glaubwürdigen Ausdruck der Autor-Subjektivität im literarischen Text, andererseits

auf dessen „unverfälschten“ Darstellungsbezug zur außerliterarischen Wirklichkeit. Die

Genieästhetik des 18. Jhs. prägt den A.s Begriff im Sinne eines ursprünglich-echten

Subjektausdrucks in der Dichtung. Neben diese subjektive A. tritt in der Ästhetik des 20.

Jhs. die Bedeutung einer „höheren“ objektiven („ästhetischen“) A. als Vollzug

gesellschaftlich-geschichtlicher „Wahrheit“ in der Kunst. Die neuere Forschung versteht A.

vermehrt als Darstellungseffekt und fragt anstelle der Behauptung subjektiver Autor-

Präsenz nach den Bedingungen und Verfahren ihrer textuellen Erzeugung oder

„Inszenierung“ (z. B. in Autobiographie oder Brief).15

Bei der Definition kann man nicht nur sehen, wie sich der Begriff im Laufe der Zeit

entwickelt hat, sondern auch die zwei Pole dieses Begriffes – die objektive und die

subjektive Authentizität. Die Frage nach der Authentizität in der fiktionalen Literatur

12

Autofiktion, S. 298-299. 13

Ebd., S. 302-303. 14

Ebd., S. 304-305. 15

Deupmann, Christoph: Authentizität. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Hrsg.

von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moennighoff, Stuttgart, Weimar 2007, S. 57.

13

und in der Autobiographie richtet sich nach den Autoren des Handbuch-Artikels in der

letzten Zeit mehr auf die Frage der Inszenierung als auf die Frage der objektiven

Wahrheit und der objektiven Beziehung zur Realität. Die Authentizität wird als

„Darstellungseffekt“ verstanden, authentisch ist also nicht unbedingt mit wahrhaftig

synonym.

Elizabeth El Refaie beschreibt in ihrem Aufsatz Visual modality versus

authenticity16

, wie die Authentizität bei den visuellen Medien allgemein und bei den

Comics im Besonderen, wahrgenommen wird. Sie unterscheidet zwei Auffassungen der

visuellen Authentizität. Zusammen mit den Soziologen Gunther Kress und Theo van

Leeuwen sagt sie, dass

at the moment, the dominant standard by which visual modality is judged in Western

societies is […] a form of naturalism that assesses reality on the basis of how much an

image corresponds with what one would see with the naked eye.17

Dies bezieht sich in der Literatur auf die objektive Authentizität, wie sie im Metzler

Lexikon Literatur beschrieben wird. Auf der anderen Seite handelt es sich nach

El Refaie beim Comic um einen speziellen Fall, weil die Erwartungen hinsichtlich

Realität von Comics andere sind als bei literarischen Texten:

[…] viewing of comics is partly shaped by previous experiences and expectations of how

the world will be presented in this genre. For instance speech balloons and motions lines

are such established feature of comics that their inclusion in a particular work is unlikely to

cause readers to view an artist’s style as non-naturalistic, even though they diverge so

fundamentally from ordinary perceptions.18

Die zweite Möglichkeit ist „producer-oriented forms of authenticity”, oder die

subjektive Authentizität in der Literatur:

In this case, the authenticity of an image is linked not so much to a privileged relationship

with reality, but rather to the claimed integrity of the image producer, who is very aware of

and makes no attempt to hide the fact that all representation necessarily involves selection,

perspective and interpretation.19

Dazu gehört auch die Tatsache, dass ein Autor in einem Werk mehrere visuelle Stile

verwenden kann, „to indicate the different perspectives or states of mind of

a narrator“20

. So wäre die erste Theorie nur schwer applizierbar – der Grad des

Naturalismus kann in verschiedenen Bildern eines Werkes, sogar einer Seite

unterschiedlich sein.

16

Visual modality versus authenticity. 17

Ebd., S. 164. 18

Ebd., S. 168. 19

Ebd., S. 165. 20

Ebd., S. 169.

14

Die Authentizität in autobiographischen Comics sollte daher eher als subjektive

Authentizität verstanden werden. Die Bilder müssen nicht nötig realistisch aussehen,

um als authentisch beurteilt zu werden. Damit hängt auch die subjektive Interpretation

der Realität nach dem Autor zusammen, welche in dem nächsten Teil weiter besprochen

wird.

2.1.3. Der referentielle Anspruch an die Autobiographie und die

Interpretation

Nach Lejeune erheben die Autobiographie und die Biographie

genauso wie der wissenschaftliche oder der historische Diskurs den Anspruch, eine

Information über eine außerhalb des Textes liegende „Realität“ zu bringen und sich somit

der Wahrheitsprobe zu unterwerfen. Sie streben nicht nach bloßer Wahrscheinlichkeit,

sondern nach Ähnlichkeit mit dem Wahren. Nicht nach dem „Realitätseffekt“, sondern nach

dem Bild des Wirklichen.21

Wie kann dieser referentielle Anspruch mit der bildlich dargestellten Weltrepräsentation

verbunden werden? Die dargestellte Realität ist mit der subjektiven Interpretation des

Autors verbunden. Falls der Leser dieses „subjektive Wahrnehmen“ der Realität

akzeptiert, kann er auch die dargestellte Welt als die subjektiv wahrgenommene Realität

akzeptieren. Die Bilder müssen dabei kein Hindernis bilden. Dies hebt auch El Refaie

hervor:

Autobiographical comics, for instance, never claim to offer a direct, mimetic representation

of the world, but rather an interpretation of events as they are experienced by the artist, with

aspects that are quite obviously and deliberately exaggerated, adapted or invented.22

Der Autor wird als eine vermittelnde Instanz zwischen der im Comic dargestellten

Welt und dem Leser verstanden. So ändert sich auch die Beurteilung der vermittelten

Realität: „Consequently, the reference point for the judgement of truthfulness in graphic

memoirs is not really ‘as it is’, but reality as it is subjectively perceived by the

individual artist.”23

Nach El Refaie ist gerade Comic ein Paradebeispiel für die

subjektive oder „producer-oriented“ Form von Authentizität.

Eine wichtigere Rolle als die Wahrhaftigkeit oder Verifizierbarkeit spielt nach

El Refaie in den Comics die Zuverlässigkeit, welche im Prozess des Lesens (und auch

beim Reflektieren von Paratexten bzw. von anderen bekannten Tatsachen über den

Autor) immer wieder gewonnen werden muss. Zusammen mit Charles Hatfield24

spricht

die Autorin über dem Begriff ironic authentication oder authentication through artifice:

21

Lejeune, Philippe: Der autobiographische Pakt. Frankfurt am Main 1994, S. 39-40. 22

Visual Modality versus authenticity, S. 171. 23

Ebd., S. 171. 24

Hatfield, Charles: Alternative Comics: An Emerging Literature. Jackson 2005.

15

„In brief, ironic authentication makes a show of honesty by denying the very possibility

of being honest.”25

Indem der Autor durch seine Zeichnungen eine eigene Realität

schafft und dabei mehr Aufmerksamkeit auf den Stil als auf die Beziehung zur realen

Welt richtet, schafft er paradoxerweise das Gefühl der Zuverlässigkeit.

In fact, paradoxically, a style that draws more attention to itself may actually strike the

reader as more rather than less authentic. This is because ostentation can be used to create

a new sense of truthfulness by deliberately foregrounding and calling attention to the

artificiality of all representation.26

Die Authentizität des Geschehens in Comics hängt also nach El Refaie nicht so sehr mit

der realen Welt oder mit den Vorstellungen der Leser von dieser Welt zusammen,

sondern mit dem Gefühl der Zuverlässigkeit der dargestellten Realität. Dieses Gefühl

wird nicht durch realistische Bilder hervorgebracht, sondern entsteht im Laufe der

Lektüre und hängt mit dem Stil des Autors und mit seiner subjektiven Interpretation der

Ereignisse zusammen. Die Zuverlässigkeit steht in enger Verbindung mit der

Persönlichkeit des Autors bzw. des impliziten Autors27

und seiner Erfassung der Welt.

Es ist gerade die betonte Künstlichkeit, die nach El Refaie dem Leser hilft, die

dargestellte Realität als authentisch zu akzeptieren.

25

Alternative Comics, S. 125-126. 26

Visual modality versus authenticity, S. 171. 27

Impliziter Autor wird hier nach Tilmann Köppe verstanden: „Er ist vielmehr das ‚Bild‘ eines bestimmte

Werte vertretenden Autors, wie es sich aus der Gesamtheit des Werkes ergibt.“ Mehr dazu Köppe,

Tilmann: Impliziter Autor. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von Dieter

Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moennighoff, Stuttgart, Weimar 2007, S. 344-345.

16

2.2. Zur Geschichte der Autorencomics

Bei der Auseinandersetzung mit der Autobiographie in Comics, ist es wichtig zu

verstehen, welche Stellung die Autoren in seiner Geschichte hatten und welcher Weg

zur Etablierung der Autobiographie führte. Die ersten Comics erschienen in den

Zeitungen seit Ende des 19. Jahrhunderts und in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts,

und ihre Autoren hatten fast keine Macht über ihre Herstellung. Über die Entwicklung

der Handlung entschieden in der Regel die Herausgeber und teilweise auch das

Publikum. Auch während der Zeit der Superheldencomics (in den späten 1930er Jahren)

arbeiteten die Autoren in Kollektiven oder anonym. Die Stärkung der Autorrolle kam

erst mit den Underground-Comics der 1960er Jahre in Amerika, die als Vorstufe der

heutigen autobiographischen Comics betrachtet werden.28

Die ersten Autorinszenierungen erscheinen aber schon am Anfang des

20. Jahrhunderts mit den Comics von George Herriman oder Fontaine Fox. Es tauchen

Motive wie ein Autor, der an seinem Tisch sitzt und auf Inspiration wartet, oder eine

Vermischung der Figurenwelt und der Welt des Autors auf.29

Die Selbstinszenierung

erscheint am Anfang nur in der Form von Paratexten; es gibt keine Comic-Geschichten,

die eine Autorfigur beinhalten.30

Trotzdem können die Autorinszenierungen als

Vorstufe für die Autobiographien betrachtet werden. Obwohl der Protagonist/Autor, der

seine Geschichte erzählt, noch nicht erscheint, versuchen die Autoren sich in den

Comics selbst zu inszenieren und so die Autorrolle in den Vordergrund zu stellen.

In den USA begann sich in den 1960er und 70er Jahren die Tendenz

durchzusetzen, sich von den auf dem Markt dominierenden Super-Helden Comics zu

distanzieren. Es entstand der handwerklich produzierte Underground-Comic, der sich

durch seine Themenwahl von dem Superhelden-Comic und der Massenkultur

unterschied, und dessen Begründer Robert Crumb mit seinen Comics The Many Faces

of R. Crumb und The confessions of R. Crumb ist.31

Crumb tritt in diesen Comics als

Autor und andere Figuren auf und betont die Kontrolle des Autors über das Geschehen

im Strip; er relativiert gleichzeitig die Authentizität der Autobiographie, indem er sich

28

Stein, Daniel: Was ist ein Comic-Autor? Autorinszenierung in autobiografischen Comics und

Selbstporträts. In: Comics – Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums. Hrsg. von

Stephan Ditschke, Katerina Kroucheva, Daniel Stein. Bielefeld 2009, S. 201 – 237, hier S. 205. 29

Ebd., S. 224. 30

Ebd., S. 207. 31

Becker, Thomas: Genealogie der autobiografischen Graphic Novel. Zur feldsoziologischen Analyse

intermedialer Strategien gegen ästhetische Normalisierungen. In: Comics – Zur Geschichte und Theorie

eines populärkulturellen Mediums. Hrsg. von Stephan Ditschke, Katerina Kroucheva, Daniel Stein.

Bielefeld 2009, S. 239 – 264, hier S. 245.

17

als übertriebene Cartoonfigur darstellt. Crumb inszeniert sich ironisch als Anti-Held (im

Unterschied zu den Superhelden-Comics). „Er stellt einen spielerischen Umgang mit

dem Autobiographischen, eine Selbstinszenierung des Autors mit den Mitteln der

grafischen Literatur dar.“32

In den 70er Jahren entwickelt sich der Underground-Comic auch in Europa, in

Frankreich um die Magazine Métal hurlant und À Suivre. Paul Mougin, der

Chefredakteur von À Suivre, sagte dazu: „Wir wollen eine andere Form von Comics

anbieten, wirkliche Comic-Romane, die in Kapitel unterteilt sind.“33

In den 80er Jahren kam es zur Wandlung von Themen, die sich einer

konfrontativen Gesellschaftskritik zuwandten, zu persönlichen und nachdenklichen

Geschichten. „Der bekannteste amerikanische Comic-Autor ist in diesem

Zusammenhang Art Spiegelman, dessen Maus den Übergang zwischen den

Underground-Comics und den autobiografischen Autorencomics markiert.“34

Der

Unterschied zwischen Spiegelman und Crumb besteht darin, dass Spiegelman sich

selbst nicht mehr nur ironisch abbildet, was den ersten Schritt zu den

autobiographischen, ernsthaften Selbstdarstellungen in Graphic Memoirs darstellt.35

Auf die Durchsetzung der Autorrolle in Comics in Amerika und Frankreich

reagiert auch die deutsche Comic-Szene, in der sich das autobiographische Genre

durchzusetzen beginnt.

2.2.1. Erwachsenen-Comics und Autoren-Comics in Deutschland

Joachim Kaps beschäftigt sich mit der Entwicklung der Erwachsenen-Comics in der

Bundesrepublik Deutschland.36

Er sieht die Wurzeln der Erwachsenen-Comics in der

BRD in den Satire- und Humor-Seiten der deutschen Presse.37

In den 1980er Jahren

entstanden in der BRD die Erwachsenen-Comics, die sich mehr und mehr auf

zwischenmenschliche Beziehungen oder innere Entwicklungsprozesse ohne

humoristische Brechung konzentrieren.38

Daß solche Comics, die den individuellen Bereich betonen, gerade in den 80er Jahren nach

und nach ein festes Publikum für sich gewinnen konnten, kann mit dem bei den

32

Was ist ein Comic-Autor?, S. 210-211. 33

Knigge, Andreas C.: Zeichen-Welten. Der Kosmos der Comics. In: Comics, Mangas, Graphic Novels.

Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold, München 2009, S. 5 – 34, hier S. 27. 34

Was ist ein Comic-Autor?, S. 213. 35

Ebd., S. 218. 36

Kaps, Joachim: Das Spiel mit der Realität. Erwachsenen-Comics in der Bundesrepublik Deutschland.

Marburg 1990. 37

Ebd., S. 285. 38

Ebd., S. 259.

18

humoristischen Comics bereits beobachteten Trendwechsel von der politischen Agitation

zur Auseinandersetzung mit dem Alltag kleiner überschaubarer Subkulturen in Einklang

gebracht werden.39

Mit der Etablierung des Comics in Deutschland beschäftigt sich auch Stephan Ditschke

in seinem Aufsatz Zur Etablierung des Comics als Literatur. Er betont die schwierige

Situation der Comics in Deutschland, die immer als minderwertige Literatur

wahrgenommen wurden. Anfangs des 21. Jahrhunderts begann sich die Situation zu

verändern, und der Comic bekam mehr und mehr Raum in literarischen Rezensionen.40

Ditschke setzt diese Tatsache in Zusammenhang mit den Übersetzungen der Graphic

Novels Persepolis von Marjane Satrapi und Blankets von Craig Thompson, sowie der

Comic-Reportage Palästina von Joe Sacco. So „wurde der Diskurs über Comics in

mehrfacher Weise an den Diskurs über Literatur angeschlossen“41

.

Ditschke nennt verschiedene Gründe dafür, warum der Comic in dem Bereich der

Literatur behandelt wird. Einer davon ist, „dass immer mehr Comics längere

abgeschlossene und für sich stehende Erzählungen sind und nicht mehr als Teil einer

Serie publiziert werden“42

. Die Form eines Buches betont den literarischen Anspruch

solcher Werke. Damit hängt auch das Behandeln des Comics im Rahmen der

Literaturseiten in Zeitungen zusammen. „Wenn Comics auf der Literaturseite

besprochen werden, umgeben von Literatur-Rezensionen, dann – so wird nahegelegt –

muss es sich bei Comics ebenfalls um eine Form von Literatur handeln“43

. In den

Rezensionen werden Comics mit den literarischen Genres benannt (wie z. B. Reportage

oder Roman). Solche Comics werden aber immer als eine Ausnahme bezeichnet und es

wird zwischen diesen „literarischen Comics“, und dem Comic-Mainstream

unterschieden. Nach Ditschke handelt es sich bei Comics um ein „erzählendes

Medium“44

. So greifen die Rezensenten nach denselben Kriterien wie bei der Literatur,

und nur selten wird der graphische Teil der Comics beschrieben.45

Mit der Etablierung des Comics im literarischen Betrieb und mit seinem

Anspruch auf Literarizität begann sich auch die Comic-Theorie zu entwickeln. Daher ist

diese von der Literaturwissenschaft nicht einfach trennbar. Der Comic gehört schon von

39

Das Spiel mit der Realität, S. 260-261. 40

Ditschke, Stephan: Comics als Literatur. Zur Etablierung des Comics im deutschsprachigen Feuilleton

seit 2003. S. 265-280, hier S. 265-267. 41

Ebd., S. 267. 42

Ebd., S. 270. 43

Ebd. S. 271. 44

Ebd. S. 272. 45

Ebd., S. 272-273.

19

seiner Form her in den literarischen Bereich, und auch die Bezeichnung (Graphic)

Novel zeigt den literarischen Anspruch. Deshalb geht auch die Comic-Theorie von den

Begriffen der Literaturtheorie – genauer: der Erzähltheorie – aus, obwohl diese nicht

immer völlig geeignet sind, wie auch weiter in dieser Arbeit gezeigt wird.

20

2.3. Lejeunes Der Autobiographische Pakt in Beziehung zur

Autobiographie in Comics

Philippe Lejeune definiert die Autobiographie als „rückblickende Prosaerzählung einer

tatsächlichen Person über ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr

persönliches Leben und insbesondere auf die Geschichte ihrer Persönlichkeit legt.“46

Er

betont den Namen des Autors, welcher entweder offenkundig auf dem Buchumschlag

steht und mit dem Namen des Protagonisten und des Erzählers identisch ist, oder die

Autobiographie wird implizit auf der Ebene der Verbindung Autor-Erzähler anlässlich

des autobiographischen Pakts festgestellt. Dieser Pakt kann zwei Formen annehmen: der

Titel lässt keinen Zweifel darüber, dass die erste Person auf den Namen des Autors

verweist (Autobiographie, Geschichte meines Lebens...), oder es tritt der Erzähler im

einleitenden Abschnitt des Textes, „in dem er dem Leser gegenüber Verpflichtungen

eingeht, dergestalt als Autor auf, dass der Leser auch dann keinen Zweifel darüber hegt,

dass das ‚ich‘ auf den Namen auf dem Umschlag verweist“.47

Inwieweit sind diese

Regeln nun auch auf Comics applizierbar?

Comics muss man immer in Bezug auf ihre Multimodalität verstehen: Sie

bestehen nicht nur aus dem verbalen, sondern auch aus dem bildlichen Teil. Deshalb

kann Lejeunes Theorie nur zum Teil appliziert werden. Um zu versuchen, den

autobiographischen Pakt in Comics festzustellen, kläre ich im Folgenden zunächst die

Spezifika des Erzählens und des Erzählers in Comics.

In den ersten Comics(-Strips) verläuft das Geschehen ausschließlich in der Form

der Dialoge, die in den Sprechblasen abgebildet sind. Wie aber im Kapitel Zur

Geschichte der Autorencomics gezeigt wurde, kommen im Laufe der Zeit auch die

Autoren mit ihren Selbstinszenierungen und die Erzähler, v. a. in Form von

Erzählblöcken, die weiter unten ausführlicher besprochen werden, in Comics vor.

2.3.1. Erzählen, Erzähler und Fokalisierung in Comics

Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist: Kann man überhaupt von einem

Erzählen in Comics ausgehen? Wenn ja, in welchem Sinne?

Dietrich Grünewald stellt sich diese Frage in seinem Aufsatz Erzähler und

Erzählen in der Bildgeschichte48

. Er betont die Tatsache, dass durch Bilder eigentlich

46

Der autobiographische Pakt, S. 14. 47

Ebd., S. 28-29. 48

Grünewald, Dietrich: Erzähler und Erzählen in der Bildgeschichte.

http://www.comicgesellschaft.de/2013/03/26/dietrich-grunewald-erzahler-und-erzahlen-in-der-

bildgeschichte/, vom 30. 8. 2013.

21

nicht erzählt, sondern gezeigt oder präsentiert werde. Gleichzeitig akzentuiert er die

Rolle des Betrachters/Lesers, der das in Sequenzen Gezeigte zu einer sinnvollen

(„narrative[n], kausal akzeptierte[n], prozessuale[n], zeitliche[n]“49

) Struktur verbindet:

„Das Bild erzählt nicht im eigentlichen Sinne, es zeigt uns etwas, das wir im Kopf

deutend verlebendigen.“50

Wie in Film „wird kein Geschehen, kein Ablauf erzählt,

sondern es werden Situationen gezeigt, die erst der Betrachter im Prozess der deutenden

Aneignung im Kopf zu einem Prozess verbindet.“51

.

In den autobiographischen Comic wird der Unterschied zwischen einem

Erzähler und einem Produzenten der Bildgeschichte als Zeichner betont:

Während der mündliche Erzähler in dieser Rolle tatsächlich präsent ist, der Schreiber

nachfühlbar und durch seine fixierten Worte als Erzähler agiert, ist der Produzent der

Bildgeschichte eigentlich kein Erzähler, sondern ein Zeiger – ein Zeiger von Bildern, die

sich von ihm völlig gelöst haben und darauf angewiesen sind, als autonomes visuelles

Angebot von einem Betrachter als Impuls für die Konstruktion einer Erzählung genutzt zu

werden.52

Dennoch kann nach Grünewald der Produzent einer Bildgeschichte mit der

Erzählerrolle in gleicher Weise spielen wie der Autor eines Textes .

Dabei wird nicht selten Text (Beitext oder in Sprechblase) als Mittel genutzt, um so zu

zeigen: hier erzählt jemand (tatsächlich – nämlich in Worten). […] Doch die Einführung

von Erzählfiguren (sei es tatsächlich der Autor selbst53

, sei es nur ein Spiel mit seiner

Person, sei es ein Außenstehender, sei es ein Protagonist) ändert nichts daran, dass das

eigentliche Geschehen visuell präsentiert, gezeigt wird und damit ein aufforderndes

Angebot an den Betrachter ist, als Co-Autor aktiv zu werden, aus dem Gezeigten und in

Schrift Gesagten eine lebendige Handlung im Kopf zu konstruieren.54

Grünewald spricht also nicht über ein Erzählen im engeren Sinne, sondern über ein

Zeigen von Geschehen. Das tatsächliche Erzählen erscheint in den Beitexten, sonst wird

die Geschichte visuell gezeigt, nicht erzählt.

Martin Schüwer versucht dagegen in seinem Buch Wie Comics erzählen. Grundriss

einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur ein weiteres Konzept des

Erzählens auch auf Comics zu applizieren, wobei er sich nach einem Vorschlag von

Ansgar und Vera Nünning richtet:

Geht man hingegen von einem weiten Begriff von Narrativität aus und beschränkt man sich

auf das Merkmal der erzählten Handlung, so zeigt sich, daß auch vermeintlich

nichtnarrative Genres wie Comics, Filme und Dramen sehr wohl eine Geschichte

49

Erzähler und Erzählen in der Bildgeschichte. 50

Ebd. 51

Ebd. 52

Ebd. 53

Hier handelt es sich eher um den impliziten Autor, oder eine Selbstinszenierung des Autors. Der Autor

selbst kann in der Geschichte selbstverständlich nicht erscheinen. 54

Erzähler und Erzählen in der Bildgeschichte.

22

„erzählen“. Folgerichtig weiten viele ErzähltheoretikerInnen den Objektbereich der

Erzähltheorie auf Erscheinungsformen des Narrativen in den visuellen Medien aus.55

Nach Schüwer muss „man auch dem bewegten Bild und der starren Bildfolge das

Potential [zubilligen], in vollem Sinne narrativ zu sein, und zwar selbst in Abwesenheit

einer Erzählstimme“56

. Er spricht also auch im Fall von Comics von einem Erzählen;

was den Erzähler betrifft, unterscheidet er aber zwischen dem verbalen (hier handelt es

sich um die Erzählblöcke) und dem bildlichen Teil: „So treten in Filmen wie Comics

häufig verbale Erzählstimmen auf, die ein Geschehen etwa im Rückblick schildern.

Diese Stimmen wären auch gemäß dem engen Konzept von Narrativität ein legitimer

Gegenstand der Erzähltheorie.“57

Auf die Erzählblöcke lässt sich somit Genettes

Konzept des Erzählers übertragen, was aber nicht für den bildlichen Teil gilt.58

Man

kann eine personalisierbare Erzählerstimme nur in dem verbalen Teil des Comics

finden, „[w]as den Bildanteil der Comics betrifft, […] ließe sich statt von einer

‚Erzählillusion‘ viel eher von einer ‚Wahrnehmungsillusion‘ sprechen, also von einer

Illusion im Bereich der Fokalisierung, nicht der Narration“59

.

Schüwer hält also auch die Wiedergabe des Geschehens in Comics für Erzählen,

obwohl „in aller Regel die Erzählstimme über weite Strecken sogar ganz zurück[tritt]

und die Wiedergabe von Ereignissen völlig dem Bild [überlässt]“60

. Das Erzählen kann

also nach Schüwer auch ohne einen Erzähler weiterlaufen.

Auch Jan-Noël Thon fragt sich in seinem Aufsatz Who’s Telling the Tale? Authors and

Narrators in Graphic Narrative nach dem Erzähler und seiner Form in den verbalen

und verbal-pictorialen/bildlichen Teilen des Comics.

Evidently, graphic narratives are representations of stories (and their worlds). Just as

evidently, not all parts of these stories (and storyworlds) are narrated verbally by a more or

less explicitly represented narrator. Still, graphic narratives in general and contemporary

graphic novels in particular use various kinds of narrators-as-narrating-characters.61

Er unterscheidet drei Typen der Vertretung des Erzählens: Narratorial representation

bezieht sich auf die verbale Narration und wird von einem „narrator-as-narrating-

55

Nünnig Ansgar, Nünnig Vera: Produktive Grenzüberschreitung: Transgenerische, intermediale und

interdisziplinare Ansätze in der Erzähltheorie. In: Erzähltheorie transgenerisch, intermedial,

interdisziplinär. Hrsg: Nünning, Ansgar, Nünning, Vera. Trier, 2002, S. 1-22, hier S. 7. 56

Schüwer, Martin: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen

Literatur. Trier 2008, S. 21. 57

Ebd., S. 21. 58

Ebd., S. 389. 59

Ebd., S. 389. 60

Wie Comics erzählen, S. 21. 61

Thon, Jan-Noël: Who’s Telling the Tale? Authors and Narrators in Graphic Narrative. In: From Comic

Strips to Graphic Novels: Contributions to the Theory and History of Graphic Narrative. Hrsg.: Stein,

Daniel, Thon, Jan-Noël. Berlin 2013, S. 67-99, hier S. 74.

23

character“ repräsentiert. Authorial representation ist die verbale Narration, die sich auf

„an authoring character that functions ‚as narrator‘“ bezieht. Und schließlich kommt die

non-narratorial representation oder die verbal-pictoriale Narration in Panels oder

Panelssequenzen vor, die evident ein Prozess des Schaffens sind, deren Quelle aber

nicht repräsentiert wird.62

Während er für die verbale Narration die Terminologie von

Genette zur Profilierung des Erzählers (gleich wie Schüwer) benutzt, sucht er für die

verbal-pictorialen Teile nach einer anderen Beschreibung. Die Quelle, aus der die

bildlichen Teile des Comics stammen, setzt Thon mit dem impliziten Autor oder einem

Kollektiv von Autoren gleich. „This has very little to do with the real author(s), but

rather with the image of these author(s) that the readers have formed in the process of

reading.“63

In den graphic memoirs versteht Thon sowohl die verbale als auch die verbal-

pictoriale Narration als authorial representation. Der Autor, falls es sich nur um einen

Autor handelt, wie es bei Autobiographien üblich ist, ist hier für beide Teile

verantwortlich.

Elisabeth El Refaie vertritt in ihrem Buch Autobiographical Comics. Life writing in

pictures64

einen ähnlichen Standpunkt. Anstatt die narratologischen Begriffe „Erzählen“

und „Erzähler“ auf Comics zu applizieren, was sie nicht funktional findet, benutzt sie

für die Effekte von visuellen Zeigen („Erzählen“) den Begriff „impliziter Autor“65

. „We

can discuss both the verbal as the visual features of a particular work in terms of a

repository of choices made by an ‚implied author/artist‘.“66

In Comics wird also der

implizite Autor sowohl in den verbalen als auch in den bildlichen Teilen gesucht, und

der Erzähler bleibt bei Seite.

Falls man trotzdem zusammen mit Schüwer und Nünning einen breiteren Begriff der

Narration akzeptiert, kann man auch im Zusammenhang mit Comics von einem

Erzählen sprechen, und die Begriffe der Erzähltheorie auf Comics applizieren.

Trotzdem muss man die Spezifika des „Erzählens“ in Comics in Betracht ziehen. Wie

gezeigt wurde, kann der Erzähler in Comics in den verbalen Teilen (in den

Erzählblöcken) gefunden werden und in diesem Fall mit den Begriffen der Narratologie

problemlos beschrieben werden.

62

Who’s Telling the Tale?, S. 70. 63

Ebd. S. 89. 64

El Refaie, Elisabeth: Autobiographical Comics. Life writing in pictures. Jackson 2012. 65

Autobiographical Comics, S. 57. 66

Ebd., S. 57.

24

Die bildlichen Teile werden dagegen mithilfe der Fokalisierung bestimmt.

Wichtig ist dabei im Falle der Autobiographie v. a. die interne Fokalisierung. Schüwer

zeigt, „dass es für die Analyse der visuellen Seite von Comics kontraproduktiv wäre,

den anhand schriftlicher Erzähltexte entwickelten Begriff der internen Fokalisierung

allzu eng auszulegen und ihn etwa auf die exakte Wiedergabe von visuellen

Wahrnehmungen und Vorstellungen der Fokalisierungsinstanz zu beschränken.“67

Er

spricht in diesem Falle (zusammen mit Gilles Deleuze68

) über ein „Mitsein“ mit der

Figur. Wie die Kamera im Film, so verschmilzt auch die Perspektive der Bilder in

Comics nicht mit der Figur, sondern „ist mit ihr“ und vermittelt dadurch die subjektive

Perspektive. Auch Jakob F. Dittmar spricht in seinem Buch Comic-Analyse bei den

bildlichen Teilen nicht von einem Erzähler, sondern von einer Ansicht. Er benutzt hier

die Begriffe der Film-Theorie und rückt dadurch den Comic näher an das Medium Film

heran.69

Zusammen Schüwer werde ich den Begriff Erzählen auch für die Wiedergabe des

Geschehens in Comics benutzen, obwohl solches Erzählen auf längere Strecken ohne

Erzähler verläuft, und sich die Wiedergabe des Geschehens nur durch Bilder und

Dialoge vollzieht. Dabei wird aber zwischen den textuellen und bildlichen Teilen

unterschieden, und ein Erzähler wird nur in den Erzählblöcken identifiziert. Die

bildlichen Teile werden dagegen dem impliziten Autor zugeschrieben.

2.3.2. Identität: Erzähler = Protagonist = Autor

Es wurde gezeigt, in welcher Weise der Erzähler und der Autor in Comics zu finden

sind. Der Erzähler erscheint in Erzählblöcken und tritt üblicherweise für mehrere Seiten

zurück. Nicht jeder Comic muss deshalb einen Erzähler beinhalten. Es gibt auch

Comics, die ganz ohne Worte oder nur in Dialogen verlaufen. Der (implizite) Autor

macht sich dagegen in den bildlichen Teilen sichtbar und führt die Geschichte mithilfe

der Bilder weiter.

Was den Protagonisten betrifft, erscheint dieser als Figur sowohl auf der

textuellen Ebene (in Form eines Dialogs oder Monologs in Sprech- bzw. Denkblasen),

als auch auf der bildlichen Ebene. Er kann als Figur im Bild als die erste Person oder

am häufigsten erscheinen, was ihn deutlich zur Hauptfigur macht. Der Leser erkennt ihn

aber vor allem durch die Verbindung von Bild und Text, welche spezifisch für Comics

67

Wie Comics erzählen, S. 392. 68

Siehe dazu Deleuze, Gilles: Das Bewegungs-Bild. Kino I. Frankfurt am Main 1997. 69

Dittmar, Jakob F.: Comic-Analyse. Konstanz 2008, S. 81.

25

ist. Die Handlung verläuft immer auf beiden Ebenen und lässt den Protagonisten im

Zentrum der Geschichte stehen.

Wie lässt sich eine Identität zwischen dem Autor, dem Erzähler und dem

Protagonisten in Comics, mit Berücksichtigung ihrer Multimodalität, feststellen?

Die Verbindung des Protagonisten und des Erzählers kommt im Text direkt vor,

wobei sich der Protagonist selbst als Erzähler bezeichnet, oder die direkte Rede kann

von einer Sprechblase in den Erzählblock übergehen. So zeigt der Comic, welche der

Figuren als Erzähler gelten kann. Im Unterschied zu anderen Figuren kann der Leser

auch seine Gedanken in den Denkblasen sehen. Die Identität zwischen dem

Protagonisten und dem Erzähler ist auch dank der bildlichen Ähnlichkeit der beiden

sichtbar, falls der Erzähler als Figur in der Handlung auftritt.

Ähnlich wie Philippe Lejeune hinsichtlich literarischer Autobiographien

hervorhebt, kann der Leser auch in Comics eine Identität zwischen dem Namen des

Autors und des Protagonisten feststellen. Dies kann auf der textuellen Ebene in

Sprechblasen durch Anrede des Protagonisten durch eine andere Figur in einem Dialog

geschehen. Wie in den literarischen Autobiographien können die Situation und die Zeit,

wann dies geschieht, sehr unterschiedlich sein. So kann die Namensidentität längere

Zeit verschleiert bleiben.

Eine weitere Möglichkeit, wie die Identität zwischen dem Autor und dem

Protagonisten festzustellen ist, ist durch verschiedene Paratexte gegeben. In Comics

findet man spezifische Paratexte auf der Ebene des Bildes und zwar unterschiedliche

Selbstinszenierungen des Autors. Diese können z. B. auf Blogs, in den privaten

Zeichnungen oder auch auf dem Umschlag eines anderen Buches erscheinen. Auf dem

Umschlag kommt es zu einer direkten Verbindung zwischen dem Namen des Autors,

seinen Lebensdaten (in der Form einer kurzen Charakteristik des Autors) und dem Bild

(seiner Selbstinszenierung). So kann eine Ähnlichkeit zwischen dem Autor in seinen

Selbstinszenierungen und dem Protagonisten in dem konkreten Buch festgestellt

werden. Üblicherweise findet sich auf der Titelseite bei Comic-Büchern neben dem

Titel und dem Namen des Autors auch ein Bild. Die Titelseite ist also mehr als in der

Literatur, wo über sie v. a. der Verleger entscheidet, von den Autoren bestimmt. Bei den

Autobiographien kann also schon hier eine Selbstinszenierung des Autors vorkommen,

oder der Umschlag kann das Autobiographische des Comics noch nicht zu erkennen

geben.

26

Schließlich kommt die Verbindung des Erzählers mit dem Autor nur indirekt

durch den Protagonisten vor. Aus der Identität zwischen dem Protagonisten und dem

Erzähler und der Identität zwischen dem Protagonisten und dem Autor konstruiert man

logisch auch die Identität zwischen dem Erzähler und dem Autor.

Für Lejeune ist die Autobiographie keine Vermutung, sondern das Feststellen der

Identität als einer Tatsache.70

Oben habe ich über die Ähnlichkeit der bildlichen

Inszenierungen geschrieben. Das Bild ist kein Foto, man kann also die Identität nicht

sicher feststellen. Die Ähnlichkeit kann dem Leser aber ein Signal geben, dass es sich

möglicherweise um eine Autobiographie handelt, gehört aber nach Lejeune in den

Bereich des autobiographischen Romans, welchen er streng von der Autobiographie

unterscheidet.71

Sollte daher zwischen der Autobiographie (Bereich des Feststellens der

Identität) und dem autobiographischen Comic (Bereich der Ähnlichkeit) unterschieden

werden? Die Ähnlichkeit der bildlichen Darstellungen als ein Signal für Autobiographie

kann eine der Modifizierungen des autobiographischen Paktes für den Comic sein.

70

Der autobiographische Pakt, S. 39. 71

Ebd., S. 26.

27

2.4. Was sind Paratexte und welche Funktion haben sie in

Verbindung mit der Autobiographie?

Gérard Genette beschäftigt sich in seinem Buch Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des

Buches mit allen Texten oder anderen Elementen, die zum Buch gehören und dadurch

die Lektüre mehr oder weniger beeinflussen.

Ein literarisches Werk besteht ausschließlich oder hauptsächlich aus einem Text, das heißt

(in einer sehr rudimentären Definition) aus einer mehr oder weniger langen Abfolge mehr

oder weniger bedeutungstragender verbaler Äußerungen. Dieser Text präsentiert sich

jedoch selten nackt, ohne Begleitschutz einiger gleichfalls verbaler oder auch nicht-verbaler

Produktionen wie einem Autorennamen, einem Titel, einem Vorwort und Illustrationen.

Von ihnen weiß man nicht immer, ob man sie dem Text zurechnen soll; sie umgeben und

verlängern ihn jedenfalls, um ihn im üblichen, aber auch vollsten Sinn des Wortes zu

präsentieren. […] Dieses unterschiedlich umfangreiche und gestaltete Beiwerk habe ich

[…] als Paratext des Werkes bezeichnet.72

Diese Paratexte können unterschiedliche Formen annehmen, aber auch unterschiedliche

Funktionen haben. Nach Genette sind die Paratexte meistens selbst Texte, können aber

auch andere Erscheinungsformen annehmen: „bildliche (Illustrationen), materielle

(alles, was zu den typographischen Entscheidungen gehört, die bei der Herstellung eines

Buches mitunter sehr bedeutsam sind) oder rein faktische. […] Etwa das Alter oder das

Geschlecht des Autors […] oder das Datum des Werkes.“73

Die Paratexte können

simple Informationen mitteilen, aber auch eine Absicht übermitteln oder eine

Interpretation anregen. Die Paratexte können auch die Gattung benennen, wobei

„manche Gattungsangaben (Autobiographie, Geschichte, Memoiren) bekanntlich einen

zwingenderen Vertragswert (‚Ich verpflichte mich, die Wahrheit zu sagen‘) als andere

[haben]“.74

Der wichtigste Paratext, der das autobiographische Lesen steuert, ist der Name des

Autors. Der Name des Autors auf dem Buchumschlag soll mit dem Namen des

Erzählers und des Protagonisten übereinstimmen, damit der autobiographische Pakt

abgeschlossen wird. Der Name erfüllt dadurch eine Vertragsfunktion:

Sie ist bei der Belletristik nicht vorhanden oder nur schwach, weitaus stärker hingegen bei

allen Arten von referentiellen Schriften, bei denen sich die Glaubwürdigkeit der Aussage

oder ihrer Weitergabe weitgehend auf die Identität des Zeugen oder Berichterstatters stützt.

Dadurch sind Pseudonyme oder Anonyme bei Werken historischen oder dokumentarischen

Charakters recht selten anzutreffen, erst recht wenn der Zeuge in seine Erzählung selber

impliziert ist. Den Höchstgrad dieser Implikation stellt natürlich die Autobiographie dar.75

72

Genette, Gérard: Paratexte: Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt/New York 1989, S. 9 – 10. 73

Ebd., S. 14. 74

Ebd., S. 17, 18. 75

Paratexte, S. 44.

28

Lejeune führt aber noch eine zweite Möglichkeit dieses Vertrags ein, und zwar, wenn

der Name des Erzählers/Protagonisten nicht genannt wird, dennoch aber das Buch von

dem Autor eine „Autobiographie“ oder „Geschichte meines Lebens“ genannt wird.76

Der Name spielt aber immer die wichtigste Rolle; falls dieser fehlt, kann der Leser von

einer Autobiographie ausgehen, deren Vorliegen aber nicht feststellen, und das Buch

gehört daher in den Bereich des autobiographischen Romans.77

Gérard Genette macht aber darauf aufmerksam, dass sich der Autorenname

irgendwo zwischen dem Text und den anderen Außentexten befindet. Der

Gattungsvertrag entsteht nicht nur durch die Beziehung zwischen dem Text und dem

Autorennamen, sondern durch die Beziehungen unter allen Paratexten, die zum Text

gehören. Es kann dadurch geschehen, dass sie „von einem längeren oder späteren

Paratext […] wohl oder übel wieder in ihr Feld zurückgeführt werden“, wie z. B. bei

„manchen verschleierten Autobiographien, in denen der Autor seinem Helden nicht den

eigenen Namen verleiht […], und die dadurch den Status der Autobiographie im

strengen Sinn einbüßen“78

.

Weitere Paratexte, die das autobiographische Lesen beeinflussen, können sowohl

vom Autor als auch vom Verleger stammen. Es geht um Vorwort, Waschzettel und

verschiedene Metatexte wie Kommentare vom Autor oder Interviews.

Der Waschzettel oder Klappentext ist eine „Drucksache, die Angaben über ein

Werk enthält. […] Ein kurzer Text (üblicherweise zwischen einer halben und einer

ganzen Seite), der durch ein Resümee oder jedes andere Mittel auf meistens lobende

Weise das Werk beschreibt.“79

Diese Waschzettel befinden sich meistens auf dem

Buchumschlag und können auch eine Gattungsangabe beinhalten. Zu unterscheiden sind

die Waschzettel, die direkt vom Autor stammen, und die, die von Journalisten oder

Verlegern stammen. Die Autorenwaschzettel können spielerisch über das Buch

informieren, oder können den Text weiterentwickeln. Die Journalistenwaschzettel

beinhalten, wie schon bei Genette eingeführt wurde, meistens ein Lob oder die

Beschreibung eigener Gefühle bei der Lektüre.

Die Vorworte können entweder vom Autor stammen, wobei er eine

Gattungsangabe machen, eine Anleitung zur Lektüre geben oder einfach

Vorbemerkungen formulieren und sich dadurch direkt an den Leser außerhalb des

76

Der autobiographische Pakt, S. 28-29. 77

Ebd., S. 26. 78

Paratexte, S. 45. 79

Ebd., S. 103.

29

eigenen Textes wenden kann. In Vorworten kann der Autor z. B. wiederholen, dass es

sich um eine „wahre Geschichte“ handelt, was nicht nur bei faktualen, sondern auch bei

den fiktionalen Werken vorkommt.80

Umgekehrt kann das Vorwort auch einen

Fiktionsvertrag beinhalten, der dem Leser versichert, dass die Ähnlichkeit mit der

Wirklichkeit nur zufällig sei.81

Das Vorwort kann dem Leser weitere Empfehlungen zur

Lektüre und „Information darüber – falls uns das interessiert – wie der Autor gelesen zu

werden wünscht“82

, geben. Im Vorwort können weiter Informationen über die

Entstehung des Werkes oder über den Kontext stehen. Bei den Autobiographien können

das z. B. die Anlässe zum Schreiben einer Autobiographie sein, die der Autor dem

Leser klar machen möchte. Genette führt weiter die Nachworte an, die im Unterschied

zu den Vorworten den Vorteil haben, dass „der Autor [bei] beiderseitiger Kenntnis der

Sache epilogieren könnte: ‚Jetzt wissen Sie genauso viel wie ich, also unterhalten wir

uns‘“.83

Sowohl Vorwort als auch Nachwort müssen nicht vom Autor stammen, sondern

können auch vom Verleger oder von einer dritten Person verfasst werden oder anonym

sein. Genette bezeichnet diese als allographe Vorworte.84

Wie ändert sich dann ihre

Funktion? Sie können über die Entstehung des Werkes oder über das Leben des Autors

informieren, wobei es sich oft um posthume Vorworte handelt. Weiter stellen die

allographen Vorworte den Text oft in den Kontext des Gesamtwerks seines Autors.

Natürlich können sie auch einfach als eine Empfehlung zur Lektüre gelten.85

Wie ändert

sich aber ihre Funktion bei den Autobiographien? Inwieweit lässt sich der Leser von

einem allographen Vorwort beim autobiographischen Lesen beeinflussen? Die

allographen (und dies betrifft am deutlichsten die posthumen) Vorworte können dem

Text etwas Fremdartiges hinzufügen. Sie legen dem Leser schon eine Interpretation

nahe und beziehen sich dabei auf eine neue Autorität, die außerhalb der Beziehung

Autor-Text-Leser steht. Indem sich der Adressat ändert, ändert sich auch die klassische

Beziehung zwischen dem Text und dem Leser.

80

Paratexte, S. 200. 81

Ebd., S. 209. 82

Ebd., S. 203. 83

Ebd., S. 228. 84

Ebd., S. 251. 85

Ebd., S. 251-263.

30

Als weitere Paratexte, die das autobiographische Lesen beeinflussen können, führt

Genette die öffentlichen Epitexte ein86

:

Ein Epitext ist jedes paratextuelle Element, das nicht materiell in ein und demselben Band

als Anhang zum Text steht, sondern gewissermaßen im freien Raum zirkuliert, in einem

virtuell unbegrenzten physikalischen oder sozialen Raum.87

Einfach gesagt ist der Ort eines Epitextes „irgendwo außerhalb des Buches“.88

Es

handelt sich um Zeitungen, Zeitschriften, Auftritte im Fernsehen, Vorträge, öffentliche

Auftritte, Interviews, Gespräche, Tagebuch oder Briefwechsel, die sowohl vom

Verleger wie auch vom Autor oder von einem autorisierten Dritten stammen können.

Besonders wichtig sind für das autobiographische Lesen die Metatexte, die vom Autor

stammen und die den Leser bei der Lektüre beeinflussen. Die Äußerungen des Autors

über sein Werk werden immer noch von den Lesern als die „wahrhaftigsten“

Äußerungen in Betracht bezogen.

Für die Autobiographie haben auch die Anmerkungen eine große Bedeutung, weil

sie oft Hinweise auf das Reale oder eine Präzisierung des schon Gesagten beinhalten

und auf den Leser sachliterarisch wirken. Die Anmerkungen sind oft ein direkter Teil

des eigentlichen Textes, trotzdem behandelt sie Genette als Paratexte, obwohl er zugibt,

dass „die Originalanmerkung89

ein lokaler Umweg oder eine momentane Verzweigung

des Textes [ist], und als solche gehört sie ihm beinahe ebenso an wie ein bloßer

Einschub. Wir befinden uns hier in einem sehr unbestimmten Randbereich zwischen

Text und Paratext.“90

In der Analyse werden die einzelnen Typen der Paratexte, die das

autobiographische Lesen beeinflussen, in Bezug auf die behandelten Werke diskutiert

und es wird ihre Rolle beim Wahrnehmen der (potenziellen) Autobiographie erörtert.

2.4.1. Wie unterschiedlich sind die Paratexte im Comic?

Die Paratexte spielen eine große Rolle in der Entwicklung der Autorrolle, der

Autorinszenierungen und schließlich auch der Autobiographie in Comics. In den

Zeitungsstrips vom Anfang des 20. Jahrhunderts erscheinen die ersten

86

Vereinfachend setze ich die öffentlichen Epitexte mit den Metatexten gleich – Kommentare, die

Genette als einen Typ der Transtextualität beschreibt. Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf

zweiter Stufe. Frankfurt am Main 1993, S. 13. 87

Paratexte, S. 328. 88

Ebd., S. 328. 89

Die auktorialen originalen Anmerkungen. Paratexte S. 311. 90

Paratexte, S. 313.

31

Autorinszenierungen (z. B. von George Herriman oder Fontaine Fox). Diese

Autorinszenierungen kommen gerade in Form von verschiedenen Paratexten vor:

Klappentexte, Nachwörter, Titelblätter von Sonntagszeitungen und eigens angefertigte

Illustrationen für Zeitschriften und Magazine, die Comic-Autoren ein öffentliches Forum

bieten, indem sie (oft implizite) ästhetisch-kulturelle Beobachtungen mit (oft expliziten)

Strategien der Selbstinszenierung als Autorfigur verbinden.91

Die Autorinszenierung bzw. die Fotos von Autoren in den Paratexten erscheinen dann

weiter in den 1930er und 40er Jahren in den Zeitungsstrips und Superhelden-Comics

und entwickeln sich weiter bis zu Art Spiegelman. Spiegelmans Titelseite der

Zeitschrift PRINT (1981), Comics as a Medium of Self Expression, beschäftigt sich

metareflexiv mit den Fragen der Selbstinszenierung und deren Entwicklung.92

Daniel Stein beschäftigt sich mit verschiedenen Paratexten in Superhelden-Comics in

seinem Aufsatz Superhero Comics and the Authorizing Functions of the Comic Book

Paratext93

. Er betont die Serienproduktion von Superhelden-Comics und ein davon

abgeleitetes Serienlesen sowie die damit verbundene enge Beziehung zwischen dem

Leser und dem Text.94

So entsteht auch das Interesse der Leser an den Autoren:

In Batman #1, Bob Kane is introduced as the “creator of THE BATMAN!” in a one-page

biography titled “Meet the Artist!”. This biography is the first of many following

paratextual projections of Batman’s authorship. The photograph of Kane that shows him at

work at the drawing board in his studio provides readers with an image of where and by

whom the stories are created. Kane looks directly at the camera and thus also at the reader,

intimating a potentially personal relationship between the author and reader: “READERS,

meet Bob Kane,” the opening sentence states.95

Hier kann man einen Topos (Autor an seinem Tisch sitzend) der Selbstinszenierung

bemerken, auf einem Foto zwar (eher also als „Inszenierung“ zu bezeichnen), später

aber erscheint die Inszenierung in einem Epitext im Bild (in The True Story of Batman

and Robin: How a Big-Time Comic Is Born!). Der selbstinszenierte Autor verwandelt

sich hier sogar in eine der Comic-Figuren.

Stein beschäftigt sich weiter mit den Briefkolumnen, die die Leser zu Batman-

Comics vom Anfang der 60er Jahren geschrieben haben und die das Geschehen des

Comics gesteuert haben. In diesem Paratext verwandeln sich die Leser in potenzielle

Autoren und die Autoren in Leser (der Fanbriefe). So entstand der Anschein, dass die

Leser gewissermaßen Macht über das Geschehen und über die Gestaltung des Comics

91

Was ist ein Comic-Autor?, S. 206. 92

Siehe dazu Was ist ein Comic-Autor?, S. 231-234. 93

Stein, Daniel: Superhero Comics and the Authorizing Functions of the Comic Book Paratext. In: From

Comic Strips to Graphic Novels. Contributions to the Theory and History of Graphic Narrative. Hrsg:

Stein, Daniel, Thon, Jan-Noël. Berlin, Boston 2013, S. 155-189. 94

Ebd., S. 160. 95

Ebd., S. 162.

32

haben. Mit verschiedenen Fragen, die von einem namenlosen Editor an die Leser

gestellt wurden, bekam der Leser Gefühl, dass er durch seine Briefe die Rolle eines

Editors übernimmt.96

Ein weiterer wichtiger Paratext, der v. a. bei den Superhero-Comics erscheint, ist

das sogenannte Fanzine – eine Zeitschrift, die von Fans gemacht wird. Stein versteht die

Fanzines als Epitexte:

The fanzine thus offeres a serial public forum for those whose only outlet had been the

comic book letter columns. In that sense, in enacted the transformation from the letter

column as an officially controlled peritext to a far less controlled, and potentially

competing, space – the fanzine as epitext [...].97

Bei den Comics, die als ein Buch erscheinen,98

kann man alle Typen von Paratexten

finden, wie man sie von literarischen Büchern kennt. Obwohl sich die innere Form

unterscheidet99

, bleibt die äußere Form – die Form eines Buches – die gleiche, deshalb

können auch hier alle mit der Form des Buches verbundenen Paratexte vorkommen. Die

Paratexte (wie z. B. ein Vorwort) können dann sowohl in der rein textuellen

(literarischen) Form, als auch in der Comic- oder bildlichen Form erscheinen. Metatexte

beschränken sich üblicherweise auf die textuelle Form, vor allem dann, wenn sie in rein

textuellen Medien erscheinen. Ob in der Text- oder in der Comic-Form, die Funktionen

der Paratexten verändern sich nicht.

Das Gleiche betrifft auch die Paratexte, die sich zur Autobiographie äußern oder

das autobiographische Lesen beeinflussen oder steuern. Ihre Funktion ist die gleiche.

Bei der Analyse werde ich die Para- und Metatexte des Comics und des literarischen

Buches vergleichen, um festzustellen, inwieweit sie sich unterscheiden und inwieweit

sie das autobiographische Lesen der Bücher beeinflussen können.

2.4.2. Umschlag und Titelseite in Comics

Eine wichtige Rolle (wahrscheinlich eine wichtigere, als wenn es um literarische Werke

geht) kann im Comic der Umschlag spielen. In der Regel beeinflusst der Comic-Autor

die Gestaltung des Umschlags mehr als der literarische Autor, während der Verleger

eine geringere Rolle spielt.

Der Leser kann daher schon mithilfe des Umschlags eine Identität bzw.

Ähnlichkeit zwischen dem Autor und dem Protagonisten feststellen. Hier kommen zwei

96

Ebd., S. 168-169. 97

Superhero Comics, S. 178. 98

Es kann sich dabei auch um gesammelte Comic-Strips, die als Buch herausgegeben wurden, handeln. 99

Damit ist die Tatsache gemeint, dass bei den Comics zum Text noch die Bilder kommen.

33

Möglichkeiten in Frage: Auf dem Umschlag befindet sich ein Foto des Autors, das mit

der Selbstinszenierung auf der Titelseite verbunden ist. Oder die bildliche

Selbstinszenierung auf dem Umschlag steht in direkter Verbindung mit den

Lebensdaten des Autors (wie schon im Unterkapitel Identität: Erzähler = Protagonist =

Autor beschrieben wurde). So zeigt der Autor direkt, dass er das Bild mit sich selbst als

realem Autor verbinden will. So kann der Leser eine Ähnlichkeit zwischen dem Autor

in seinen Selbstinszenierungen und dem Protagonisten in dem konkreten Buch

feststellen.

34

3. ANALYSE

Im interpretatorische Teil dieser Arbeit werden die Züge und Probleme der

Autobiographie im Comic Vier Augen von Sascha Hommer und im Roman Alle Toten

fliegen hoch. Teil I: Amerika von Joachim Meyerhoff angesprochen und verglichen. Das

Hauptgewicht wird dabei auf den autobiographischen Pakt sowie auf Para- und

Metatexte gelegt. Es geht nicht darum, eine vollständige Interpretation der Bücher

vorzuliegen, sondern sich auf deren Umgehen mit den autobiographischen Elementen

zu konzentrieren.

Die behandelten Bücher wurden aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Geschichten

ausgewählt. Beide Protagonisten sind Jungen, die aus der Provinz stammen und die

versuchen, sich mit sich selbst und mit der Umgebung auseinanderzusetzen. Interessant

ist der Vergleich des Zugangs von beiden Autoren zum ähnlichen Material. Es wurde

nicht nur eine andere Kunstform ausgewählt, Unterschiede sind auch bei der Wahl der

Erzählsituation oder der Auseinandersetzung mit den Ansprüchen, die das Genre der

Autobiographie beiden Autoren gegenüber erhebt, zu erkennen.

Wie schon in der Einführung angedeutet wurde, liegt das Hauptgewicht auf der

Analyse des Comics, und der Vergleich mit Amerika dient hier als Grundlage zur

Hervorhebung der Unterschiede und Berührungspunkte.

35

3.1. VIER AUGEN

Sascha Hommer ist 1979 im Schwarzwald geboren und lebt als Comiczeichner und

Illustrator in Hamburg, wo er an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften bei

Anke Feuchtenberger und ATAK Illustration und Kommunikationsdesign studiert hat.

Er ist Herausgeber der Anthologie Orang und zeichnet mitverantwortlich für

verschiedene Ausgaben des Comicmagazins Strapazin.100

Vier Augen ist sein zweites Comic-Buch, er debütierte mit Insekt im Jahre 2008.

Die Hauptfigur in Insekt ist der junge Pascal, der im Laufe der Geschichte feststellt,

dass er ein Insekt ist. Unter dem Pseudonym Pascal D. Bohr publizierte Hommer

Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien.101

Mit der Verwendung des

Pseudonyms und mit der Benennung des Protagonisten in Insekt mit diesem Namen

bringt er das Autobiographische ins Spiel. Der Autor setzt sich schon hier mit Themen

wie „Identität, Andersartigkeit und Toleranz“102

auseinander. Mit Vier Augen wendet er

sich dann ganz der Autobiographie, im Sinne der Erfüllung des autobiographischen

Paktes bzw. seiner Modifizierung für Comic, zu. Die Thematik bleibt aber ähnlich – der

Protagonist, nicht mehr ein kleiner Junge, sondern ein Jugendlicher, sucht nach dem

eigenen Ich und versucht, sich mit sich selbst und mit den anderen auseinanderzusetzen.

100

http://www.reprodukt.com/kuenstler/sascha-hommer/, Stand am 23. 9. 2015. 101

http://www.reprodukt.com/produkt/deutscheautoren/insekt/, Stand am 20. 10. 2015. 102

Comickunst: Vier Augen. https://comickunst.wordpress.com/2009/10/11/vier-augen/, Stand am 21. 10.

2015.

36

3.1.1. BUCHUMSCHLAG UND DER AUTOBIOGRAPHISCHE PAKT

3.1.1.1. Umschlagsversionen

103

Im Internet104

kann man Spuren einer älteren Version des Covers von Vier Augen finden

und von daher die Veränderungen in Bezug auf die Endversion beobachten: Die

ursprüngliche Titelseite hat sich verändert, der Name von Saschas Geliebter ist ein

anderer, der Umschlagtext sowie der Titel blieben aber fast unverändert.

Die ursprüngliche Titelseite ist noch in einem anderen Stil gezeichnet, die Figuren

sind schematischer, und der Titel findet einen größeren Platz. Auch die Konfiguration

der Figuren ist anders. Sascha, der als Protagonist während der Lektüre erkennbar wird,

steht nicht im Vordergrund, sondern ganz hinten. In der Endversion wurde ein großer

Schritt in die Richtung der realistischen Zeichnung getan. Die Veränderungen betreffen

aber nicht den Inhalt selbst, da hat sich die Zeichnung in der ursprünglichen Version

nicht so dramatisch geändert, wie man an folgendem Bild, in einer noch textfreien

Version, sehen kann.

103

http://www.graphic-novel.info/?tag=sascha-hommer&paged=2, Stand am 20.10.2015. 104

z. B.: http://www.graphic-novel.info/?tag=vier-augen, Stand am 23.9.2015, oder http://www.graphic-

novel.info/?p=80, Stand am 23.9.2025.

37

105

In beiden Versionen der Titelseiten spielt die Natur eine wichtige Rolle, der

(Schwarz?)Wald und die Graslinien. Keine von beiden Titelseiten verrät die Bedeutung

des Titels, die erst in Verbindung mit dem „zweiten Ich“ von Sascha, mit dem Hund,

klarer wird, wie im Weiteren gezeigt wird.

Der Klappentext auf dem Umschlag und die erste Beschreibung des Inhaltes für

die Seiten www.graphic-novel.info sind fast identisch, das heißt, das Wesen des Inhalts

blieb gleich, obwohl die Konfiguration der Figuren auf der ursprünglichen Titelseite

etwas anderes andeutet. Der Protagonist Sascha steht zwar im Hintergrund, sein Name

wird aber in der Beschreibung hervorgehoben.106

Interessant kann für die autobiographische Analyse auch die Veränderung des

Namens einer der Figuren sein. Yasmina wird in der definitiven Version zu Julia. Die

(gemutmaßten) Gründe dafür können verschieden sein. Der Name Yasmina könnte z. B.

zu exotisch für die deutschen Leser klingen. Oder umgekehrt könnte Yasmina zu nah an

den wirklichen Namen Sascha Hommers Freundin sein und dies wollte der Autor

ändern.

105

http://www.graphic-novel.info/?p=80, Stand am 20.10.2015. 106

Vgl. Ebd.

38

3.1.1.2. Klappentexte

„Ich muss wieder ich selbst werden.“ Wie aber geht das, wenn man nicht weiß, wer man

eigentlich ist? Eine Kleinstadt im Schwarzwald, Ende der Neunzigerjahre. Sascha steht

kurz vor dem Abitur, meint, in Julia die große Liebe gefunden zu haben – alles scheint

möglich. Doch langsam verwandelt sich die Gegenwart, die von hoffnungsfrohen

Zukunftsplänen bestimmt ist, in einen Albtraum…107

Schon der Klappentext verrät den Vornamen des Protagonisten, der sich offensichtlich

mit dem Vornamen des Autors deckt. Gleichzeitig weisen die Sätze auf eine Suche nach

der eigenen Identität hin. Diese Suche kann sich sowohl auf die Diegesis als auch auf

den Prozess des Schaffens, auf die Form der Selbstdarstellung wie auf die künstlerische

Aussage über sich selbst beziehen. Das „Selbst-Werden“ kann sowohl das erzählende

Ich als auch das erzählte (erlebende) Ich108

betreffen. Der jugendliche erzählte Sascha

sucht sich selbst in Drogen, der erwachsene erzählende Sascha sucht sich selbst und

selbst, indem er seinem Hund seine Lebensgeschichte erzählen und sich von ihm

verabschieden will, und Hommer als Autor sucht das alte Ich und versucht, es

künstlerisch abzubilden. Und alle drei zweifeln an ihrem Selbstbild.

Ein anderer Buchumschlagtext ist eine schlichte Autorcharakteristik: „Sascha

Hommer, geboren 1979, lebt in Hamburg. Er ist Herausgeber der Anthologie Orang und

arbeitet als Comiczeichner und Illustrator. Seine Comics erscheinen auch in Frankreich,

Polen, Schweden und Spanien.“109

Diese Beschreibung deutet nicht an, dass der Autor

auch über sich selbst schreibt, oder dass gerade das vorliegende Buch eine

Autobiographie ist. Zu diesem Klappentext gehört auch weder ein Foto noch eine

bildliche Inszenierung des Autors.

Schließlich bezieht sich der letzte Klappentext direkt auf den Buchinhalt: „Wer

nie jung war, hat es nicht erlebt: Die Welt fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen,

aus den Schatten stürmen grausige Doppel- und Wiedergänger…“110

Der Text deutet

den Inhalt an, bezieht sich aber immer noch nicht auf autobiographische Züge des

Comics und spricht das mögliche autobiographische Lesen nicht an.

Alle Klappentexte sind genauso wie die Texte innerhalb des Buches

handschriftlich, besser gesagt in digitalisierter Handschrift, verfasst. Dies ist zwar bei

Comics nicht ganz ungewöhnlich, trotzdem aber auch nicht konventionell. Die Rolle

107

Hommer, Sascha: Vier Augen. Berlin 2009. 108

Mehr zur Unterscheidung des erzählenden und des erzählten Ichs: Lahn, Silke, Meister, Jan Christoph:

Einführung in die Erzähltextanalyse. Stuttgart, Weimar 2013, S. 70-71. 109

Vier Augen, Umschlag. 110

Ebd.

39

des Autors bei der Verfassung des Umschlags wird so noch mehr in den Vordergrund

gestellt.

Wenn man den Umschlag mit Vorkenntnissen von Hommers Werken betrachtet,

fällt die Ähnlichkeit einer der Figuren mit Hommers Selbstdarstellung auf dem

Umschlag seines ersten Buchs Insekt auf. Zu bemerken ist die Tatsache, dass der

Umschlag in dieser Form zwar auf Hommers persönlichen Internetseiten

www.saschahommer.blogspot.com zu finden ist, in der Endversion der Ausgabe fehlt

jedoch die bildliche Selbstinszenierung und es kommen nur Klappentexte vor. Auch

dies deutet ein bewusstes Spiel mit den autobiographischen Elementen an.

Falls man die Version mit der Selbstinszenierung untersucht, kann die direkte

Verbindung von Lebensdaten, Namen und dem Bild in Insekt und die Ähnlichkeit dieser

Selbstinszenierung mit der Darstellung des Protagonisten in Vier Augen den Leser zum

Ergebnis führen, dass auch der Protagonist in Vier Augen der Autor ist. Gleichzeitig

trägt die Autorinszenierung in Insekt auch die Züge des jungen Insekts Pascal – die

Gestalt der Nase und des Mundes weist auf Pascals Gesicht hin.111

Das Spiel mit dem

Autobiographischen verläuft nicht nur in Bezug auf Vier Augen – runde „augenlose“

Brille als Saschas typisches Attribut – sondern auch in Bezug auf Insekt, wozu auch die

Nennung von Hommers Pseudonyms Pascal beiträgt.

112

111

Vgl. die Titelseite: Hommer, Sascha: Insekt. Berlin 2008. Online: www.saschahommer.blogspot.cz.

Stand am 13. 11. 2015. 112

http://saschahommer.blogspot.cz/p/publications_20.html, Stand am 21. 10. 2015.

40

3.1.1.3. Namensidentität

In Vier Augen kommt es später auch zur Benennung des Protagonisten als Sascha und

dadurch zu einer möglichen Gleichsetzung mit dem Autor. Wie Pascal in Insekt trägt

auch Sascha in Vier Augen keinen Nachnamen resp. wird sein Nachname nicht genannt.

Die Verbindung des Protagonisten und des Autors ist aber nicht nur durch die

(teilweise) Namensidentität gegeben, sondern auch durch Meta- und Paratexte, was

schon auf dem Buchumschlag gezeigt wurde. Deswegen tendiert das Buch dazu, als

autobiographisch qualifiziert zu werden, obwohl die Namensidentität zwischen dem

Autor und dem Protagonisten nicht vollkommen erfüllt ist.

Der Name des Protagonisten ist nebenbei genannt und wird nicht mit einem

dramatischen Bruch in der Handlung verbunden. Es wird nicht ostentativ deklariert,

dass der Protagonist mit dem Autor gleichgesetzt sein soll. Die (Vor-)Namensidentität

wird vielmehr nur beiläufig erwähnt.

Die abgebildete Figur Sascha steht in den ersten zwei Anreden nicht in demselben

Panel, in dem sie angeredet wird. Beim ersten Mal sagt die Figur Magda: „Die

Klingel… Das ist wohl Sascha.“113

Der Leser verbindet den Namen dann implizit mit

dem zwei Panels später erscheinenden Protagonisten. Gleichzeitig ist hier die Tatsache

zu beobachten, dass Sascha in dieser Situation gar nicht anwesend ist und sie ist nur so

abgebildet, wie sie sich nach Autors Vorstellungen abspielte. Die interne Fokalisierung

als das „Mitsein“ mit der Figur überschreitet hier ihre Grenzen und es wird mehr

gezeigt, als der Protagonist sehen kann.

Auch beim zweiten Mal wird der angesprochene Sascha nicht bildlich gezeigt.114

Wichtig ist darum die Rolle des Lesers, der den Namen mit der Figur und mit dem

Vornamen des Autors verbindet und selbst die Signale für das autobiographische Lesen

sucht. Erst später wird in einem Panel Sascha sowohl angesprochen als auch gezeigt,

und die Figur wird als Sascha den anderen vorgestellt.

113

Vier Augen, S. 28. 114

Vgl. Ebd., S. 40.

41

115

116

117

115

Vier Augen, S. 28. 116

Ebd., S. 79. 117

Ebd., S. 82.

42

3.1.1.4. Erzähler

Der Comic beginnt mit zwei Blasen in direkter Rede. Zuerst ist der Sprecher nicht zu

sehen, dann aber erscheint ein Mann, der mit seinem Hund, dessen Gesicht augenlos ist,

spricht. Erst später erfährt der Leser, dass es sich um den älteren Sascha handelt, der

beginnt, seinem Hund seine Jugendgeschichte zu erzählen. Auffallend ist die Tatsache,

dass auf Seite 8 auch der Hund zu sprechen beginnt. Doch deutet nichts Weiteres darauf

hin, dass es sich um eine phantastische Welt handelt. Nach der Aufforderung des

Hundes „Egal, erzähl trotzdem!“118

beginnt der Erzähler Sascha über sein Leben vor

vierzehn Jahren zu erzählen. Die Sprechblasen enden für eine Weile und das Erzählen

verläuft in Blöcken.

Der Erzähler ist also ein autodiegetischer, der eine Geschichte aus seiner Jugend

erzählt. Dies ist sogar an seinem Aussehen erkennbar: Das ältere Ich, das erzählt, hat

einen Bart, um anzuzeigen, dass er der Erwachsene ist.

Das Erzählen in Blöcken geht fast immer von dem älteren Sascha aus und kommt

dann vor, wenn die Geschichte zurück zum Erzähler und seinem Hund, also in die

Gegenwart, kommt. Ansonsten verläuft die Fortsetzung der Geschichte in Bildern und

Sprechblasen. Obwohl die Handlung mithilfe von Bildern und Dialogen dargestellt

wird, wird auf das gesprochene Erzählen hingewiesen. Zum Beispiel kommentiert der

Hund das Erzählte auf Seite 95 mit: „Komisch… daran kann ich mich gar nicht

erinnern.“119

Das Erzählen des älteren Saschas läuft also implizit durch die Bilder

weiter, obwohl die Blöcke nicht vorkommen.

Durch die Identität des Erzählers und des Protagonisten, die nach ihrer bildlichen

Ähnlichkeit zu erkennen ist, und durch die Vornamensgleichheit des Autors und des

Protagonisten kann auch der Erzähler indirekt mit dem Autor gleichgesetzt werden.

118

Vier Augen, S. 9. 119

Ebd., S. 95.

43

3.1.2. METATEXTE

In einem Interview für die Webseite www.graphic-novel.info zu seinem geplanten Buch

Vier Augen erzählt Sascha Hommer über unvorhergesehene Probleme, in die er während

des Schaffens geriet:

Ursprünglich dachte ich, dass es sehr einfach sei, autobiografisch zu erzählen. Schliesslich

sind Geschichte und Charaktere ja schon vorhanden, und man muss eigentlich nur ein

bisschen Ordnung herstellen, um eine stringente Erzählung zu ermöglichen. Je tiefer ich

allerdings in das Material einstieg, umso komplexer wurde die Angelegenheit. Meine

Erinnerung schien mir bald nicht mehr verlässlich, eher mythologisch, unwahr. Ich brauche

wohl noch eine ganze Weile, bis ich mit dem Ergebnis meiner Arbeit zufrieden sein

kann.120

Hommer thematisiert hier das Problem des Erinnerns, des Mythologisierens seiner

eigenen Erlebnisse. Gleichzeitig bestätigt er die Tatsache, dass er autobiographisch

erzählen will. Mythologisch121

verbindet er aber mit unwahr und sucht etwas

Verlässlicheres in seinen Erinnerungen. Autobiographisch zu erzählen ist nach Hommer

nicht einfach, weil er offensichtlich nach dem Wahren sucht, nicht nach einem

autobiographisch geprägten Erzählen mit mythologischen Zügen.

In einem Vortrag in einer Buchhandlung, der auf Youtube zu finden ist122

,

beschreibt Hommer eine Seite seines Buches. Der Autor benutzt die Pronomina „mein“

und „ich“ in Bezug auf die abgebildete Figur: „Das ist meine Geliebte Julia.“ (0:58)

„Ich gehe nach draußen“ (1:06)123

Die Distanz zwischen dem abgebildeten erzählten Ich

und dem Autor thematisiert er in diesem Kommentar nicht. Er weist klar darauf hin,

dass er sich wünscht, dass das Buch als Autobiographie gelesen wird. Die abgebildete

Figur setzt er mit sich als dem realen Autor gleich und bestätigt so die von Lejeune

beanspruchte Identität zwischen dem Protagonisten und dem Autor.

Das Autobiographische seines Comics spricht er auch in einem weiteren Interview

an, das er wahrscheinlich in derselben Buchhandlug nach seinem Vortrag gegeben

hat.124

„Also das neueste Comic von mir mit dem Titel Vier Augen das ist ja, vom

Grundsatz ja eine autobiographische Erzählung.“ (2:06 – 2:15) Obwohl er sich selbst als

realen Autor mit der Figur Sascha gleichsetzt, weigert er sich Vier Augen einfach als

120

http://www.graphic-novel.info/?p=80, Stand am 23. 9. 2015. 121

Der Begriff Mythos wird bei Hommer sowie bei Meyerhoff in Bezug auf ihre eigene Auffassung

dieses Begriffs behandelt. Beide entziehen sich der üblichen Definition des Mythos, wie sie z. B. bei

Matuschek, Stefan: Mythos. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von Dieter

Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moennighoff, 3. Auflage, Stuttgart Weimar 2007 vorkommt. 122

Referat von Mawil und Sascha Hommer im „phil“. https://www.youtube.com/watch?v=OEb3B3-w-a0,

vom 3. 3. 2011. Stand am 21. 11. 2015. 123

Ebd. 124

Interview mit Sascha Hommer. https://www.youtube.com/watch?v=DZwNpi43rHc, vom 3. 3. 2011.

Stand am 21. 11. 2015.

44

„autobiographische Erzählung“ zu bezeichnen und ergänzt die Charakteristik seines

Buches um den zurückhaltenden Ausdruck „vom Grundsatz“. Er spricht so indirekt die

künstlerische und subjektive Bearbeitung der eigenen Lebensgeschichte im Modus des

Autobiographischen an.

In verschiedenen Rezensionen wird der Comic als autobiographisch bezeichnet. Es wird

aber wenig reflektiert, was die Zeichen dafür sind, das Buch als Autobiographie zu

lesen. „Die Hauptfigur in dem offensichtlich autobiographischen Band ist der knapp 20-

jährige Sascha.“125

„Diese Entwicklung erzählt Sascha Hommer in seinem

autobiographischen Comic ohne moralischen Zeigefinger und sehr subtil. […] Aber es

ist eben Autobiographie, und in der Wirklichkeit war es halt so.“126

Implizit ist immer

der Name „Sascha“ anwesend und durch diese Verbindung kommen die Rezensenten

auch zur Benennung des Genres. Die subjektive Wahrnehmung des Autors oder seine

künstlerische Intention wird von den Rezensenten nicht reflektiert. Autobiographie wird

als ein „Genre der Wahrheit“ verstanden, und in Bezug auf Rezensionen der

literarischen Texte sind keine Unterschiede zu finden.

3.1.2.1. HALLO SASCHA

Hallo Sascha, ich bin heute bei sueddeutsche.de über deinen Comic gestolpert […].

Allerdings habe ich diese Zeit doch deutlich fröhlicher in Erinnerung, auch wenn du viele

Situationen genau getroffen hast. (Meine Güte, war mein Zimmer wirklich so

unordentlich?!? ;-)) Auch bei den Personen weiß man eigentlich gleich, wer gemeint ist.

[…] Hätte ich mir ja nicht träumen lassen, daß ich mal in einem Comic „verarbeitet“ werde

– aber ich habe mich an der einen oder anderen Stelle sehr amüsiert. Das alles ist jetzt ca.15

Jahre her und es hat sich viel getan. Ich habe nicht mehr allzu viel Ähnlichkeit mit dem

damaligen Ben -vor allem ist meine Wohnung jetzt viel ordentlicher :-))) und Pflanzen

wachsen da auch keine mehr. Die Kifferzeiten gehören-zumindest bei mir-der

Vergangenheit an, aber danke an dich, daß nochmal so vor Augen geführt zu bekommen...

[…] Falls du nicht mehr in Kontakt mit Andy bist ? - ich habe ihm eine SMS geschickt, daß

er sich das auch mal anschaut. (allerdings bis jetzt noch keine Antwort-ich habe ihn auch

seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen...) […] Sag Magda einen ganz lieben Gruß von

mir !!! Ben ;-)127

Eine interessante Quelle von Paratexten bietet eine Diskussion im Forum

www.comicforum.de an, die man unter dem Thema „Vier Augen von Sascha Hommer“

finden kann. Es handelt sich um eine Diskussion, die von keinem Moderator geführt

wird; die angemeldeten Benutzer können alles, was das Thema betrifft, schreiben. Ein

125

von Steinaecker, Thomas: Spürst du was?. http://www.sueddeutsche.de/kultur/comic-vier-augen-

spuerst-du-was-1.127235, vom 20. 11. 2009. Stand am 21. 11. 2015. 126

Micha: Drogentrip in schwarz-weiß. http://www.comicradioshow.com/Article3165.html, vom

16.12.2009. Stand am 21. 11. 2015. 127

http://www.comicforum.de/showthread.php?103368-quot-Vier-Augen-quot-von-Sascha-Hommer,

vom 21. 11. 2009. Stand am 21. 11. 2015.

45

Benutzer erweist sich später als Sascha Hommer; ansonsten kann man aber kaum

erkennen, um wen es sich handelt.

Unter dem Nicknamen „Blackforest-Ben“ meldet sich ein Mann an, der sich in

Hommers Buch als eine der Figuren erkannt hat. Er bestätigt daher den

autobiographischen Charakter des Comics, erkennt nicht nur sich selbst, sondern auch

andere Figuren und trägt die Diegesis in seine reale Welt hinüber. Gleichzeitig nennt er

seinen tatsächlichen Namen nicht, sondern spielt mit dem Autor weiter und

unterschreibt sogar als Ben (mit einem wissenden Augenzwinkern „;-)“) und lässt auch

„Magda“ grüßen und schreibt „Andy“ eine SMS. Später meldet sich Sascha Hommer,

der als Nutzer unter dem Nicknamen kiki_magic erkennbar wird, nachdem Dirk Rehm

„Sascha ist übrigens kiki magic“128

bemerkt. „@Ben: Danke für Deine Rückmeldung,

den Gruß habe ich ausgerichtet, bzw. Magda hat Deinen Kommentar von selbst entdeckt

(und da sie das Buch noch nicht hat war sie sich erst nicht sicher wer Du bist).“129

Er

bestätigt daher, dass die Namen im Buch zwar verändert wurden (außer seinem

eigenen), aber dass die Figuren bzw. ihre Vorbilder auch außerhalb der Diegesis

existieren.

Reflektiert wird von Ben auch die subjektive Wahrnehmung und künstlerische

Bearbeitung des Buches von dem Autor. „Allerdings habe ich diese Zeit doch deutlich

fröhlicher in Erinnerung, auch wenn du viele Situationen genau getroffen hast.“130

Die Diskussion entwickelt sich nach dem Beitrag von Blackforest-Ben

hinsichtlich der Frage nach der Wahrheit resp. nach der Objektivität, also danach, ob die

Aussage von Blackforest-Ben „natürlich ein Fake“131

ist, wie der Benutzer Dirk Rehm

behauptet. Das Buch wird aber nicht nach dem Kriterium der Wahrheit bewertet,

sondern wird als subjektive Aussage verstanden, was so oder anders geschehen ist, was

z. B. auch im Beitrag von kittykat geschieht:

genau diese Objektivität wollte ich ja auch nur infragestellen, weil spong von der

„Wahrheit“ sprach - die es ja genau so wenig geben kann wie eine Objektivität, wenn es um

die eigene Biografie geht. Lüge oder dichterische Freiheit ist völlig irrelevant, und wer die

Ausstellung zu „Vier Augen“ in Hamburg gesehen hat, wird auch wissen, dass es Sascha

Hommer darum nicht geht. Dort waren viele Szenen aus dem Buch von ihm mit

Kommentaren versehen, die ungefähr so lauteten: „In Wahrheit war alles ganz anders...“132

128

www.comicforum.de, page 1. 129

http://www.comicforum.de/showthread.php?103368-quot-Vier-Augen-quot-von-Sascha-

Hommer/page2, vom 22. 11. 2009. Stand am 21. 11. 2015. 130

www.comicforum.de, page 1. 131

Ebd. 132

www.comicforum.de, page 2.

46

Die subjektive Wahrnehmung des Autors dessen, was geschehen ist, wird von den

Lesern mehr als von Rezensenten reflektiert. Die Diskutanten nehmen den Comic zwar

als Autobiographie wahr, fokussieren dabei aber auf die subjektive und künstlerische

Bearbeitung der Ereignisse.

47

3.1.3. DER SPRECHENDE HUND ALS TEIL DER AUTOBIOGRAPHIE

Die erste auffallende Tatsache, die sich den Vorstellungen über eine realistische

Autobiographie entzieht, ist der sprechende Hund, der gleich am Anfang der Geschichte

erscheint. Die Zuverlässigkeit des Erzählers wird erschüttert, und der Leser muss sich

mit dem sprechenden Hund auseinandersetzen, obwohl der Text keine weiteren Signale

dafür anbietet, dass es sich um eine phantastische Welt handelt.

Bald wird deutlich, dass die Hauptfigur Sascha verschiedene Halluzinogene

benutzt, der sprechende Hund kann also als eine seiner halluzinogenen Vorstellungen

verstanden werden, was sich auch später erweist, als der Hund zum ersten Mal in der

erzählten Zeitebene erscheint. Zu Beginn des Trips, an dessen Ende der Hund in

Saschas Leben tritt, taucht ein hunde-ähnlicher Schatten auf.

133

Als Sascha den Hund dann trifft, hat er eine andere Gestalt, als der Hund aus der

Zeitebene des Erzählers. Er sieht mehr wie eine Person aus, läuft bekleidet durch den

Wald und sitzt dann am Tisch bei Sascha zu Hause. Er ist aber an seinem augenlosen

Hunde-Gesicht erkennbar, das ihn mit dem Hund, mit dem der Erzähler spricht,

gleichsetzt. Die durch Drogen veränderte Realität, in der sich der Hund Sascha zum

ersten Mal zeigt, wird bildlich durch die verzerrte Schrift, im Sinne einer verzerrten

Stimme aus dem Fernseher, und durch kleine Striche im Hintergrund angedeutet. Das

133

Vier Augen, S. 84.

48

Symbol der kleinen Striche erscheint schon früher (z. B. auf Seite 20) und ist daher als

Zeichen für die durch Drogen beeinflusste Wahrnehmung der Realität verständlich.

134

135

134

Vier Augen, S. 93. 135

Ebd., S. 20.

49

Der Hund wird zum ständigen Partner von Sascha: „In der Zeit darauf wurdest du mein

ständiger Begleiter. Nachts schliefst du in meinem Bett.“136

Auf die Unterschiede

zwischen dem damaligen und gegenwärtigen (die Zeit, in der Sascha erzählt) Hund wird

auch in Dialogen zwischen dem Hund und dem erzählenden Sascha hingewiesen:

„‚Darf ich vorne sitzen?‘ ‚Hunde sitzen nicht vorne.‘“137

Auf Seite 103 sieht aber der

Leser den damaligen Hund in einem Mantel im Auto vorne sitzen und weiter sogar in

einem Zug. Gleichzeitig sagt der Hund, als Sascha träumt, dass er ein Außerirdischer

ist: „Keine Angst, ich bin ein ganz normaler Hund.“138

Zu beobachten ist der

Widerspruch zwischen den Vorstellungen von einem „normalen Hund“, den Bildern

und dem Gesagten.

Der Protagonist selbst spricht das imaginäre Wesen des Hundes an, wenn er mit

Magda im Wald redet: „In jedem von uns gibt es ein vergessenes, dämonisches Ich.“139

Er vergleicht das Benehmen des Hundes mit seinem eigenen, wenn er dem Hund auf

seine Frage, ob er früher anders war, antwortet: „Mit Artgenossen konnte man dich

nicht zusammenbringen. Das gab nur immerzu Ärger und Missverständnisse. Ehrlich

gesagt, ging es mir aber lange Zeit ähnlich.“140

Das Wahrnehmen des Hundes als eines normalen Hundes und eines imaginären

Partners schwankt nicht nur bei der Rezeption, sondern auch auf der Ebene der

Diegesis. Als der Hund in der erzählten Zeitebene zum ersten Mal auftaucht, kommt er

zu Sascha von nirgendher, er erscheint einfach mitten im Wald. Er hat zwar ein hunde-

ähnliches Gesicht, benimmt sich aber wie ein Mensch, trägt Bekleidung, sitzt am Tisch

und spricht. Es ist auch nicht klar, ob ihn die anderen sehen können. So fragt sich eine

Figur: „‚Mit wem hast du gesprochen?‘ ‚Mit einem Hund.‘“141

Obwohl der Hund neben

Sascha steht, antwortet Sascha nicht „mit meinem Hund“ oder „mit diesem Hund“. Es

wird also angedeutet, dass der Hund nur für Sascha sichtbar ist und als ein Phantom

wahrzunehmen ist.

Als er sich in einen normalen Hund zu verwandeln beginnt, fragt er Sascha, ob er

früher anders war und Sascha antwortet: „Wie ein normaler Hund.“142

Die erste

136

Vier Augen, S. 95. 137

Ebd., S. 95. 138

Ebd., S. 102. 139

Ebd., S. 108. 140

Ebd., S. 115. 141

Ebd. S. 106. 142

Ebd., S. 115.

50

Verwandlung des „normalen Hundes“ in das Phantom bleibt dem Leser aber verborgen.

Sascha wird nie von einem normalen Hund begleitet. Der Hund als sein Partner

erscheint erst in dem Gestalt eines Phantoms.

Als Sascha zu beschreiben beginnt, wie der Hund früher war, ist dies die einzige

Szene, in der der junge Sascha zu erzählen beginnt und seine Stimme sogar in

Erzählblöcken vorkommt. Die Zeitebenen des erzählenden und des erzählten Ichs

verschmelzen hier, indem der junge Sascha mit seinem Erzählen bis in die Gegenwart

kommt und sich von dem Hund verabschiedet.

Widersprüche zwischen der Vorstellung von einem „normalem Hund“ und dessen

Darstellung in der Diegesis sowie zwischen dem Hund in der erzählten Zeit und Zeit des

Erzählens.

143

143

Vier Augen, S. 103.

51

144

Eine Verbindung der Persönlichkeit des Hundes mit Sascha wird am Ende des Buches

im bildlichen Paratext dargestellt. Nach einer Danksagung folgt ein kleines Bild mit

dem schwarz-weißen Logo des Verlags Reprodukt, welches üblicherweise bei den

Büchern, die in diesem Verlag erscheinen, von den Autoren gezeichnet wird. Hier sieht

man die Figur Saschas und den Hund. Das Bild hat entsprechend dem Logo einen

schwarz-weißen Hintergrund und erinnert an Karten, auf denen die Figur gespiegelt

vorkommt. Hier wird auf der einen Seite der Protagonist, auf der anderen der Hund

gezeigt, die somit als die zwei Seiten der Persönlichkeit des Protagonisten erscheinen.

145

Das Spiegelmotiv taucht schon früher auf. In einer Szene, in der Saschas Erzählen von

dem Hund unterbrochen wird, beobachtet sich der Hund in einem kleinen See im Wald.

„‚Was zum Teufel machst du denn da?‘ ‚Ach, ich hab nur mein Spiegelbild betrachtet.‘

144

Vier Augen, S. 95. 145

Ebd., S. 124.

52

‚Soll ich weiter erzählen?‘“146

Dieses banale Gespräch gewinnt im Laufe der Lektüre an

Bedeutung, wenn sich der Hund als Saschas imaginärer Begleiter erweist. Es kommen

auch weitere „Spiegelszenen“ vor, wobei in den Spiegeln immer nur das augenlose

Gesicht des Hundes zu sehen ist.

Die letztliche Verwandlung des Hundes in den „normalen“, trotzdem aber noch

sprechenden und augenlosen Hund, kann als Saschas Befreiung von Drogen und als ein

Zurückkehren in die „gesunde“ Welt interpretiert werden. Die Verwandlung ist in der

Handlung mit einem Lauftraining verbunden. Als Sascha beginnt zu joggen,

verwandeln sich sein Körper und auch der Körper des Hundes, der sich mehr und mehr

dem normalen Hund annähert. Der Hund als ein ihn verfolgender Schatten wird bald zu

einem wirklichen Hund, den der erzählende Sascha gehen lässt.

147

Obwohl sich also eine Erklärung für den sprechenden Hund finden lässt, weist der Text,

wie gezeigt wurde, mehrere Widersprüche auf. Die Zuverlässigkeit, die Elisabeth El

Refaie in Bezug zur Authentizität in Comics hervorhebt, ist dadurch gestört. Die

Tatsache, dass der Erzähler, als er jünger war, Drogen genommen hat und dass er immer

noch mit einem sprechenden Hund, dessen Wesen nicht ganz klar ist, kommuniziert,

erschüttert die Zuverlässigkeit seines Erzählens. Die kann dann wieder durch Para- und

Metatexte gewonnen werden.

3.1.3.1. Titel

Wie festgestellt wurde, kam es im Vergleich zu früheren Version des Buches zu einigen

Veränderungen. Der Titel ist dabei unverändert geblieben. „Vier Augen“ kann hier die

146

Vier Augen, S.45. 147

Ebd., S. 111.

53

oben besprochene Doppeldeutigkeit des Protagonisten und seines Hundes andeuten. Der

Protagonist ist nie allein, der Hund begleitet ihn ständig, hilft ihm bei Entscheidungen

und kommentiert sein Benehmen.

Gleichzeitig wirken die vier Augen im Titel verwirrend, weil sowohl die

Abbildung von Sascha (in der Mehrheit der Panels), als auch der Hund keine Augen

haben. Bei dem einen sind sie hinter seiner Brille versteckt, beim anderen sieht man

statt des Gesichts nur einen Schatten, seine Augen sind nie zu erkennen. Obwohl der

Protagonist die Welt durch vier Augen sieht, bleiben die Augen versteckt, als ob sie nur

ein Phantom wären, genau wie die Welt unter Drogen zur Phantomwelt wird.

Unter dem Titel kann auch ein „Gespräch unter vier Augen“ verstanden werden.

Sascha ist ein Jugendlicher, der versucht, nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen

zu verstehen. Sowohl mit seiner Freundin Julia als auch mit Magda und anderen

Figuren führt er Gespräche über dem Zweck des Lebens oder über Beziehungen.

Gleichzeitig ist das ganze Erzählen ein Gespräch mit dem Hund, in dem ihm Sascha

erklärt, was passiert ist und warum sie sich jetzt verabschieden müssen.

54

3.2. ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH. AMERIKA

Joachim Meyerhoff wurde im Jahre 1967 in Homburg geboren, aufgewachsen ist er in

Schleswig, wo sich auch Mehrheit seiner Romane abspielt. Zurzeit ist Meyerhoff als

Schauspieler des Burgtheaters Wien tätig. Zwischen den Jahren 2007 – 2009 führte er

hier als Regisseur den sechsteiligen Zyklus Alle Toten fliegen hoch auf, in dem er „aus

seinem Leben erzählt“148

. Diese Stücke wurden von Meyerhoff zu drei Romanen

verarbeitet – Alle Toten fliegen hoch. Teil 1: Amerika erschien im 2011, Wann wird es

endlich wieder so, wie es nie war. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 im Jahre 2013 und

schließlich Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke. Alle Toten fliegen hoch, Teil 3

aus dem Jahre 2015.

Amerika erzählt die Geschichte des jungen Joachims, der für ein Jahr nach

Amerika fliegt, um dort zu studieren und in einer Gastfamilie zu leben. Von einer

deutschen fliegt er in eine amerikanische Kleinstadt, um hier ein Jahr in einer streng

religiösen Familie zu verbringen. Sein Abenteuer wird durch den tödlichen Unfall

seines Bruders unterbrochen, er fliegt nach Deutschland, um dann wieder nach Amerika

zurückzukehren und hier diesen Verlust zu bewältigen.

148

Joachim Meyerhoff, „Alle Toten fliegen hoch 1-3“.

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=1333144,

Stand am 29. 9. 2015.

55

3.2.1. AUTOBIOGRAPHISCHER PAKT

Mit achtzehn ging ich für ein Jahr nach Amerika. Noch heute erzähle ich oft, dass es ein

Basketballstipendium war, aber das stimmt nicht. Meine Großeltern haben den Austausch

bezahlt.149

Mit diesen Worten beginnt das Erzählen. Der Ich-Erzähler gibt zu, er habe im Alltag oft

falsch über dem Amerika-Aufenthalt berichtet, diesmal aber verspricht er, die Wahrheit

zu erzählen. Mit diesem Bekenntnis weckt der Erzähler beim Leser das Gefühl, dass

man ihm vertrauen kann und dass er wahrheitsgetreuer als gewöhnlich erzählen werde.

Schon am Anfang des Buches wird angedeutet, dass die Persönlichkeiten des

Autors und des Erzählers gleichgesetzt werden können. In einer kurzen Charakteristik

des Autors auf der ersten Seite des Buches liest man: „Joachim Meyerhoff, geboren

1967 in Homburg/Saar, aufgewachsen in Schleswig.“150

Dieselben Angaben stehen

dann auch im ersten Kapitel des Romans: „Geboren bin ich seltsamerweise in Homburg

im Saarland, von wo aus wir nach drei Jahren nach Norddeutschland umgezogen

waren.“151

Von Anfang an präsentiert sich der Erzähler dem Leser also als

autodiegetischer152

Erzähler, im Laufe der Lektüre wird dann klar, dass der Erzähler als

Protagonist in der Geschichte auftritt.

Zu einer direkten Verbindung des Vornamens des Autors und des Protagonisten

bzw. des Erzählers kommt es erst später. Obwohl es während des Erzählens mehrere

Gelegenheiten dazu gibt, den Namen des Protagonisten zu nennen, kommt es dazu erst

ganz am Ende des Romans, an dem sich der Name in einem Brief als Anrede findet. Die

autobiographischen Züge sind schon vom Anfang des Buches an erkennbar resp.

vermutet, die Namensidentität zwischen dem Protagonisten und dem Autor erscheint

aber erst gegen Ende.

Wie benannt, gibt es im Erzählen mehrere Gelegenheiten dazu, den Namen des

Protagonisten zu verraten. Zum Beispiel werden, als sich der Protagonist um eine Stelle

in Amerika bewirbt, alle Bewerber ausgerufen. „Ich war so beschäftigt mit ‚Hier‘-

denken und -flüstern, dass ich meinen Namen überhörte und erst beim dritten Anruf

begriff, dass dieser Name mein Name war.“153

Es wird also von der Nennung des

Namens erzählt, der Name selbst wird aber nicht genannt. Und auch in den Situationen,

149

Meyerhoff, Joachim: Alle Toten fliegen hoch. Teil 1: Amerika. Köln 2015, S. 7. 150

Ebd., S. 1. 151

Ebd., S. 7. 152

Vgl. dazu Martinez, Matias, Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. München 2007, 7.

Auflage, S. 80-82. 153

Alle Toten fliegen hoch, S. 39.

56

in denen der Protagonist nach Amerika kommt, dort ihm unbekannte Menschen

kennenlernt und ihnen vorgestellt wird, wird sein Name nie genannt. Wenn er angeredet

wird, sogar von seiner amerikanischen Freundin, dann als „the German“.

Wie in Vier Augen wird auch in Amerika nur der Vorname des Protagonisten

angeführt, der nur in zwei Briefen von Randy Hart, einem Häftling aus dem Gefängnis

in Wyoming, steht. Im Kontrast zur Nennung des Vornamens „Joachim“ wird mehrmals

der ganze Name „Randy Hart“ genannt. „Dies ist Randy Harts erster Brief an mich:

Wyoming State Prison. Lieber Joachim, vielen Dank für Deinen Brief. […] Ich

schüttelte den Briefumschlag, und ein Passbild fiel heraus. Auf der Rückseite stand

‚Randy Hart‘.“154

Zu einer Bestätigung des Realitätsbezuges, der bei Lejeune als ein Merkmal der

Autobiographie genannt wird, dient auch die dem Roman beigelegte Karte von

Wyoming. Auf dieser Karte sind die im Text genannten Orte zu finden, wie Laramie,

die Stadt, in der Joachim lebt, oder Rawlins, wohin Joachim mit Coach Kaltenbach zum

Besuch in einem Gefängnis fährt. Die Karte dient nicht nur zur Bestätigung des

referentiellen Bezugs, sondern auch zur Orientierung, weil der Autor voraussetzt, dass

die Leser, genauso wie der Protagonist, Laramie und Umgebung nicht kennen. „Ich

nahm den amerikanischen Straßenatlas, den mein Vater mir geschenkt hatte. War

Laramie oder Wyoming die Stadt?“155

Das fragt sich Joachim, als ihm der Ort seines

Aufenthalts zum ersten Mal mitgeteilt wird.

Im Buch wird sogar die genaue Adresse von Joachims Gasteltern angeführt, was

im Leser das Gefühl der Vertraulichkeit noch vertieft und die Verbindung mit der realen

Welt direkter macht. In einer aktuellen Karte findet man die Adresse aber nicht. Es

bieten sich somit zwei Erklärungen: Die Straße wurde im Laufe der Zeit umbenannt,

oder der Autor hat den Namen der Straße verändert, was in Autobiographien kein

ungewöhnliches Verfahren ist.

Dem entgegen steht aber der Klappentext: „Joachim Meyerhoff erzählt von der

Sehnsucht eines Teenagers nach einem Neuanfang […].“156

Die Tatsache des

autobiographischen Schreibens wird hier noch nicht benannt, der Protagonist ist ein

Teenager, wird mit dem Autor nicht gleichgesetzt und bleibt anonym. Das Buch wird

in diesem Text weiter als Entwicklungsroman in Übereinstimmung mit der Nennung des

154

Alle Toten fliegen hoch, S. 238-240. 155

Ebd., S. 81. 156

Ebd., S. 1.

57

Genres unter dem Titel bezeichnet. Erst bei der Lektüre des eigentlichen Textes kommt

es zur Vermutung seitens des Lesers, dass es sich um eine Autobiographie handelt.

58

3.2.2. METATEXTE

Wenn Sie so sagen die eigene Geschichte, dann setzt man eigentlich schon bewusst voraus,

dass man die hat. Aber die hab ich gar nicht gehabt. […] Was ist diese Geschichte? Ich

komm nämlich nicht aus Irland aus einer Arbeiterfamilie und wurde geschlagen. Und

würde aber trotzdem gerne 'was erzählen. […] Die eigene Biographie. Was das denn ist?

Trotzdem hat man natürlich furchtbar viel Schmerz und Verwirrung und ist genauso

verloren mit vielen Dingen und im Grunde ist das so eine Selbstermächtigung dieses Buch,

um eigentlich zu sagen: Ich hab überhaupt eine Biographie und vielleicht kann es sogar

weiter gehen. Das ist so die Sehnsucht nach einem eigenen Mythos. […] Dass man

eigentlich irgendwo herkommt […].“157

An diesem Ausschnitt aus einem Interview ist zu beobachten, wie mit der Bearbeitung

der Ereignisse umgegangen wird. „Eine eigene Geschichte“ existiert nach dem Autor

nicht von sich aus, sie muss zuerst erfunden werden. Der Autor will „etwas erzählen“,

und zwar das eigene Leben, beschreibt dabei aber die Suche nach dem eigenen Mythos,

danach, dass diese Biographie überhaupt existiert und dass er etwas zu erzählen hat.

Den Mythos versteht Meyerhoff nicht als etwas Unwahres oder Fiktionales, wie

Hommer, sondern als Erfassen der eigenen Biographie und der Geschichte, die daraus

gemacht werden kann.

Nach Meyerhoff existiert bei ihm keine Spannung, sich von etwas

freizuschreiben, sondern eher eine Sehnsucht autobiographisch zu schreiben, obwohl er

nicht genau weiß, worüber in diesem Modus zu schreiben wäre. Amerika behandelt

außer der Jugendgeschichte und neuen Abenteuern in Amerika auch den Tod von

Joachims Bruder. Dies war aber, wie Meyerhoff im Interview für Kurier158

sagt, kein

Anlass zum Schreiben, sondern ein Teil der entdeckten eigenen Biographie, die man

bearbeiten könnte.

Und es geht mir ja nicht darum, mich zu therapieren. Das wäre das Letzte! Es geht um die

Schärfung der Wahrnehmung. Und um die Lust zu erzählen. […] Es kommt einem ja

immer alles so normal vor: bürgerliches Elternhaus, Zivildienst, klassische Dinge. Und

dann draufzukommen: Mein Gott, mein Vater war Direktor einer Riesenpsychiatrie! Oder,

wie in meinem ersten Buch, der Verlust des Bruders: Was für eine schlimme Zeit! Sich

klarzumachen, dass in dieser uniformen Welt des Nachkriegsdeutschland das Eigene so

speziell sein kann.159

Weiter führt Meyerhoff in diesem Interview sein Verständnis der Autobiographie und

Wahrhaftigkeit aus.

Doch eine klare Einteilung in „fiktiv“ und „erlebt“ wäre das Gegenteil von dem, was diese

Arbeit für mich bedeutet. Je mehr man in die angeblich autobiografische Welt eindringt,

157

„Alle Toten fliegen hoch“ von Joachim Meyerhof. http://www.srf.ch/play/tv/literaturclub/video/alle-

toten-fliegen-hoch-von-joachim-meyerhoff?id=05a3fca0-ce4e-43db-a035-987142fd9d85, vom 24. 5.

2011, 2:36-3:50. Stand am 21. 11. 2015. 158

Mader, Barbara: Blutsbrüderschaft mit einem Hund. Der Schauspieler über seinen neuen

autobiografischen Roman. Online: http://www.lyrikwelt.de/hintergrund/meyerhoff-gespraech-h.htm, vom

8. 2. 2013. Stand am 8. 10. 2015. 159

Ebd.

59

desto mehr merkt man, dass das auch nur eine subjektive Sicht einer bestimmten Welt ist.

Die per se unterfüttert ist mit fiktiven Elementen. Nichts anderes ist ja Erinnerung. Genau

so bezweifle ich, dass Fiktion etwas ist, das aus dem Nichts kommt. Jede Fiktion speist sich

aus den Eigenheiten jenes Menschen, dem sie begegnet. Auch sie hat autobiografische

Elemente. Sowohl Fiktion als auch Autobiografie sind wackelige Elemente.160

So spricht er indirekt auch den Begriff der Autofiktion an. Alle drei Bücher dieser

Trilogie sind als Romane bezeichnet, dennoch spricht er immer von einem

autobiographischen Erzählen, von einer Autobiographie. Das Fiktive und das Faktische

werden von dem Autor reflektiert und nicht streng unterschieden. Daher muss nicht die

Bezeichnung Roman als ein Merkmal für Fiktion bzw. mit der Erfüllung des

autobiographischen Paktes als Autofiktion verstanden werden.

160

Blutsbrüderschaft mit einem Hund.

60

3.2.3. UMSCHLAG

161

162

Wie bei Vier Augen gibt es auch bei Amerika zwei Versionen der Umschläge. Auf dem

Hardcover des Originalausgabe sind Fotografien wie aus einem amerikanischen

Schulalbum der 1980er Jahre zu sehen. „Ganz der Authentizität verpflichtet, zeigt es

Fotos damaliger MitschülerInnen.“163

Die Fotos aus den 1980er Jahren können in den

Lesern das Gefühl der Authentizität wecken. Obwohl keine der Personen der

Beschreibung des Protagonisten entspricht, kann die Zeit, in der sich das Erzählen

abspielt, mit der Zeit der Entstehung des Fotos in Verbindung gebracht werden.

Der zweite Umschlag, der für das Paperback gewählt wurde, zeigt ein kleines

Foto von zwei Leuten auf einer Wiese. Beide haben der Kamera den Rücken zugedreht.

Das Foto scheint anonym, unbestimmt zu sein, es beinhaltet keine Hinweise auf einen

konkreten Ort oder reale Personen. Es sieht aber so aus, als ob es von einer Wand oder

161

http://www.kiwi-verlag.de/buch/alle-toten-fliegen-hoch/978-3-462-04292-4/, Stand am 20.10.2015. 162

http://www.kiwi-verlag.de/buch/alle-toten-fliegen-hoch/978-3-462-04436-2/, Stand am 21.11.2015. 163

Schickel, Katja: Coming of age: Joachim Meyerhoffs autobiografischer Roman „Alle Toten fliegen

hoch“ ist mit außergewöhnlichem Humor geschrieben. Online:

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=15844, vom September 2011. Stand am

8.10.2015.

61

Wandzeitung abgenommen wurde. Deswegen wird es personalisiert und bekommt eine

Kulisse, eine eigene Geschichte, die mit der Familie im Buch verbunden werden kann.

Wenn man den Paperback-Umschlag mit den Umschlägen der zwei weiteren

Büchern der Trilogie Alle Toten fliegen hoch vergleicht, sieht man, dass diese eine

Reihe bilden: Alle Umschläge beinhalten ein kleines Foto, das wie aus einem

Familienalbum genommen aussieht. Obwohl nicht genau klar ist, wer sich auf diesen

Fotos befindet, scheint die Reihe der Fotos nicht zufällig zu sein, sondern kann

konkreter mit den Figuren aus den Büchern verbunden werden. Das Aussehen der Fotos

wie aus einem Familienalbum kann das (Auto)Biographische des Textes andeuten.

62

3.3. VERGLEICH

3.3.1. MYTHOS DER EIGENEN BIOGRAPHIE

Wie bereits an den Metatexten der beiden untersuchten Bücher gezeigt wurde,

versuchen die Autoren die Ansprüche zu reflektieren, die das Genre der Autobiographie

erhebt. Beide verwenden dabei die Begriffe Mythos und Mythologisierung. Hommer

verbindet den Mythos mit dem Wort unwahr und möchte ihn eher vermeiden. Seine

Erinnerungen scheinen ihm als zu mythologisiert, das heißt für ihn nicht wahrhaftig

genug. Dagegen sucht Meyerhoff nach seinen Worten absichtlich nach „dem eigenen

Mythos“, den er erzählen könnte. Er verbindet den Mythos mit dem Erzählen und fragt

sich dabei nicht nach Wahrhaftigkeit oder Faktualität dieses Erzählens. Beim

autobiographischen Erzählen stören den Autor die fiktionalen bzw. mythologisierten

Züge nicht. Den Mythos versteht er als Selbstermächtigung, die eigene Biographie

erzählenswert zu finden.

Meyerhoff thematisiert die fiktionalen Züge in der autobiographischen Literatur,

indem er sagt, dass die subjektiven Erinnerungen „per se mit fiktiven Elementen

[unterfüttert sind]“164

. Obwohl der Leser auf den ersten Blick in Amerika die fiktionalen

Elemente nicht erkennen kann, werden diese vom Autor reflektiert. Dagegen kommt

dieses Thema in Interviews mit Hommer kaum vor. Wie gezeigt wurde, setzt er den

Protagonisten dem eigenen Ich (als Autor) gleich. Zu fiktionalen Zügen bekennt er sich

in Interviews nicht, obwohl, im Gegensatz zu Meyerhoff, der Leser von Anfang an auf

Fiktionales bzw. Unnatürliches v. a. in Gestalt des sprechenden Hundes verwiesen wird.

Hommer erklärt den Lesern nicht, wie sie mit diesen Elementen umgehen sollen.

Vielleicht sind die Leser beim Comic darauf vorbereitet, dass sie es nicht mit einer

typischen Autobiographie zu tun haben (wie schon im Kapitel Authentizität erwähnt

wurde), sondern dass die künstlerische Verarbeitung hier in den Vordergrund tritt. Und

damit rechnet auch der Autor.

Auf der anderen Seite kann die Tatsche eine Rolle spielen, dass sich

Autobiographie in Comics in letzter Zeit etabliert hat. Die Leser setzen nicht notwendig

voraus, dass es sich bei Comics um eine fiktionale (Super-Helden) Geschichte handeln

muss. Nach einigen Rezensenten165

hat sich das Genre sogar zu sehr etabliert und die

gegenwärtigen Comic-Zeichner können keine anderen als autobiographische 164

Blutsbrüderschaft mit einem Hund. 165

Vgl. z. B. Helbling, Brigitte: Kein Superheld. Nirgends.

http://titelmagazin.com/artikel/35/6517/sascha-hommer-vier-augen.html, vom 9. 11. 2009., Stand am 22.

10. 2015.

63

Geschichten mehr erzählen. Deswegen findet es wohl auch der Autor nicht notwendig,

die fiktionalen Züge seines Buches in Interviews anzusprechen.

64

3.3.2. REFERENTIELLER ANSPRUCH

Zum Vergleich bietet sich auch der referentielle Anspruch einer Autobiographie an. Wie

gezeigt wurde, reflektiert Meyerhoff diesen Anspruch mit den genauen Realien,

geographischen Angaben und mit der beigelegten Karte. Daher kann die Geschichte

präziser in Vorstellungen von der realen Welt verankert werden.

Dagegen bleiben die Kulissen in Vier Augen eher anonym. Eine gewisse

Orientierung bieten die Klappentexte an, daher kann der abgebildete Ort als „eine

Kleinstadt im Schwarzwald“166

wahrgenommen werden; im Text selbst kommen aber

keine Angaben des Ortes vor. Dank des sprechenden Hundes kann die Landschaft am

Anfang sogar als eine Traumlandschaft wirken. Einige geographische Angaben sind

jedoch im Text zu finden: Sascha verbringt einen kurzen Aufenthalt am Bodensee und

zieht später in „die schwäbische Provinz“167

um. Es werden aber keine Realien

abgebildet, an denen der Bodensee oder die schwäbische Provinz zu erkennen wären.

Die Stadt und v. a. die Natur, die eine wichtige Rolle im Hintergrund der Geschichte

spielt, könnten sich überall befinden.

Der reine Text in der Literatur bietet genug Platz für Vorstellungen des Lesers in

dem Sinne, dass er die beschriebene Welt mit den Vorstellungen über seine „reale“ Welt

verbinden und die Bilder nach diesen Vorstellungen ergänzen kann. Der Comic dagegen

zeigt die Vorstellung des Autors von der Welt und zwar in Form von Zeichnungen. Es

hängt von dem Autor ab, wie viele Verbindungen mit einer „realen“ Welt er dem Leser

anbietet. Im Falle von Vier Augen werden diese vom Autor nicht in einem besonders

großen Umfang angeboten. Man muss sich v. a. an den Para- und Metatexten

orientieren. In der Text/Bild-Konstellation des Comics selbst findet man nur geringe

Hinweise, die dabei helfen würden, die Geschichte in der realen Welt zu verankern.

166

Vier Augen. 167

Ebd., S. 115.

65

3.3.3. ERZÄHLER

In Vier Augen ist der Erzähler abgebildet und wird so zum Teil der erzählten Welt. Er

ist als Figur anwesend, führt Dialoge mit dem Hund und erzählt die Geschichte über

sein jüngeres Ich. Für mehrere Seiten verschwindet er aber, um dann wieder als Figur

aufzutauchen und das Erzählen fortzusetzen. Sein Erzählen ist auf ein Ziel gerichtet:

den Abschied von dem Hund. Er versucht dem Hund zu erklären, was ihm früher

passiert ist, wann dieser aufgetaucht ist und warum sie sich jetzt trennen müssen. Dank

der bildlichen Darstellung des erzählten Ichs ist es einfach, zwischen ihm und dem

erzählenden Ich zu unterscheiden. Folgt man auch beim Comic den narratologischen

Begriffen, handelt es sich in Vier Augen um eine intradiegetische Sprechsituation168

, das

heißt, die Erzählsituation und auch die Figur des Erzählers und des Zuhörers sind

bestimmt: Der ältere Sascha erzählt im Wald seinem Hund die Geschichte seiner

Jugend.

Dagegen verrät der Erzähler in Amerika kein Ziel seines Erzählens. Die Trennung

zwischen dem erzählten und dem erzählenden Ich ist nicht so sichtbar wie in Vier

Augen, obwohl es gleich am Anfang einen kurzen Prolog in Kursivschrift gibt, in dem

der Erzähler die Aufmerksamkeit auf sich richtet: „Noch heute erzähle ich oft […]“169

.

Mit der Verwendung des Präsens und des Adverbs heute weist der Text klar darauf hin,

auf welcher Zeitebene sich das erzählende Ich befindet und von welcher Zeitebene aus

jetzt die Geschichte erzählt wird. Auch in weiteren Teilen taucht die Sicht des

erzählendes Ichs dann auf, wenn es etwas mit Abstand beschreibt, z. B. auch sich selbst,

was noch weiter kommentiert wird, oder wenn der zeitliche Abstand wie am Anfang des

ganzen Erzählens akzentuiert wird. Ein Beispiel, in dem sich das erzählende Ich

bemerkbar macht, ist die Situation, als er von dem von den Großeltern geliehenen Geld

für die Reise nach Amerika spricht: „Es gab noch irgendeine Abmachung, dass ich

einen Teil davon später einmal wieder zurückzahlen solle. Doch davon war dann nie

mehr die Rede gewesen.“170

Gleich danach springt das Erzählen in die erzählte

Zeitebene zurück: „Jetzt, da das Finanzielle geklärt war […].“171

Wichtig sind in beiden

Aussagen die Adverbien dann und jetzt, mittels derer sich der Leser in den beiden

Zeitebenen orientieren kann. Aus dem Gesagten ist klar, dass es sich bei Amerika im

Unterschied zu Vier Augen um eine extradiegetische Situation handelt – der Erzähler

168

Einführung in die Erzähltheorie, S. 84. 169

Alle Toten fliegen hoch, S. 7. 170

Ebd., S. 23. 171

Ebd., S. 23.

66

und sein Adressat sind nicht genau bestimmt, das erzählende Ich bleibt gewissermaßen

„körperlos“172

und auch die Erzählsituation ist nicht genauer definiert.

Die Selbst-Beschreibung des Erzählers verläuft auch auf verschiedene Arten und

Weisen. In Vier Augen wird er von dem Autor bildlich gezeigt, wird aber auch durch

Dialoge und das Erzählen weiter charakterisiert. Wie festgestellt wurde, unterscheidet

sich die Figur des erzählendes Ichs von dem erzählten vor allem dank des Bartes, der

den erzählenden Sascha deutlich älter macht. Wenn das Geschehen fortschreitet,

bekommt auch das erzählte Ich die Andeutung eines Bartes, damit klar wird, dass die

Zeit weiterläuft und dass sich der junge Sascha dem älteren (dem erzählenden) immer

weiter annähert.173

Dank der Bildlichkeit und der intradiegetischen Erzählsituation muss die

Ähnlichkeit des Erzählers mit dem Protagonisten nicht wörtlich beschrieben werden.

Auch die Charakteristik des Protagonisten (des erzählten Ichs) verläuft vor allem durch

die Bilder und durch das Benehmen dieser Figur in der Interaktion mit den anderen.

Es ist gerade die Bildlichkeit in Comics, die die Identität zwischen dem

Protagonisten und dem Erzähler bestimmt. Aufgrund der bildlichen Ähnlichkeit der

beiden, können diese gleichgesetzt werden. Im Unterschied dazu ist die körperliche

Ähnlichkeit etwas, was in rein textuellen Büchern keine Rolle spielen kann. Die

Identität zwischen dem Protagonisten und dem Erzähler verläuft auf der rein textuellen

Ebene, indem in der Ich-Form erzählt wird und der Erzähler im Zentrum der Geschichte

steht.

In Amerika bleibt dem Leser längere Zeit dafür, sich den Protagonisten ohne

jegliche körperliche Charakteristik vorzustellen. Die körperliche Ähnlichkeit spielt im

Text keine Rolle dabei, dass der Protagonist mit dem Erzähler gleichgesetzt wird.

Als dann Joachim für die Bewerbung um die Stelle in Amerika nach Hamburg

kommt, vergleicht er sich mit den anderen Kandidaten und es kommt zu einer

Beschreibung seines Körpers. „In den letzten Monaten war ich noch einmal gewachsen,

hatte endlich breitere Schultern und festere Beine bekommen, riesige Füße. […]

Anstelle eine Charakterkopfes hatte ich unter den wuscheligen blonden Locken ein

ovales, dicklippiges Kindergesicht.“174

Erst damit bekommt der Protagonist klarere

Züge, im Vergleich zur bildlichen Darstellung des Protagonisten in Vier Augen (und in

172

Einführung in die Erzähltheorie, S. 85. 173

Vgl. Vier Augen S. 113. 174

Alle Toten fliegen hoch, S. 35.

67

Comics allgemein) ist die Beschreibung aber immer noch nicht zu präzis und es bleibt

ein großer Raum für die Phantasie des Lesers. Dagegen aber kann der Protagonist durch

die wörtliche Beschreibung direkt mit der Vorstellung eines „realen Menschen“

verbunden werden. Die bildliche Darstellung weist mehr auf ihre künstlerische

Abbildung hin, welche auch mit der Authentizität zusammenhängt.

Die innere Charakteristik des Protagonisten Joachim wird ähnlich wie in Vier

Augen in der Interaktion mit anderen Figuren entwickelt. Dies verläuft aber (der

Charakteristik des Mediums entsprechend) ausschließlich auf der Textebene, in

Dialogen aber auch in schlichten Beschreibungen, die vom Erzähler stammen. Dabei

sind zwei Typen der Charakteristik zu unterscheiden – die, die von dem erzählenden Ich

stammt und bei der ein Abstand zu fühlen ist, und die von dem erzählten Ich, wie z. B.

die oben zitierte Beschreibung seines Aussehens. Den zeitlichen Abstand kann der

Leser etwa in folgender Szene merken: „Ich möchte an dieser Stelle kurz etwas

klarstellen: Ich war kein verschreckter, armer Außenseiter, der von seinen Mitschülern

gequält, mit dem Hintern in den Mülleimer gestopft und aufs Lehrerpult gehievt

wurde.“175

An dieser Stelle tritt das erzählende Ich in den Vordergrund, um

klarzustellen, wie er als Junge (nicht) war. Er bringt so eine Ordnung in die

Wahrnehmung des Protagonisten durch den Leser, ändert es ab, damit das Gesagte eine

klare Bedeutung hat.

175

Alle Toten fliegen hoch, S. 37.

68

4. FAZIT

Die Comic-Theorie geht von der literarischen Theorie aus und nutzt ihre Begriffe und

Definitionen. Beim Umgehen mit diesen Begriffen muss man aber vorsichtig sein und

die Multimodalität des Comics immer berücksichtigen. Dies gilt auch für die Theorie

der Autobiographie, wie ich in dieser Arbeit zu zeigen versucht habe. Ich bin zwar von

Lejeunes Theorie der Autobiographie ausgegangen, habe aber die Spezifika des Comics

berücksichtigt und die Theorie hinsichtlich der besonderen medialen Konstellation von

Comics modifiziert. Dabei mussten zuerst das Erzählen selbst und seine Akteure in

Comics redefiniert werden.

Die Identität zwischen dem Erzähler, dem Protagonisten und dem Autor findet in

Comics vor allem dank der Bildlichkeit statt, und eine wichtige Rolle spielt dabei die

Ähnlichkeit – die Ähnlichkeit zwischen dem Protagonisten und dem Erzähler sowie die

Ähnlichkeit zwischen den Selbstinszenierungen des Autors und der Darstellung des

Protagonisten. Falls Lejeunes Theorie appliziert wurde, musste die Ähnlichkeit dem

Bereich eines Romans (das heißt keiner Autobiographie) angehören. Für das Feststellen

der Autobiographie in Comics ist sie aber von großer Bedeutung. Dies kann als der

Hauptpunkt der Modifizierung der Theorie der Autobiographie für Comics bezeichnet

werden.

In der Arbeit wurden weiter die Paratexte behandelt. Der größte Unterschied

zwischen den Paratexten in Comics und in der Literatur besteht wieder in der

Bildlichkeit der Paratexte. Große Bedeutung haben in Comics die Titelseite und

verschiedene Selbstinszenierungen der Autoren. Die Metatexte unterscheiden sich

dagegen nur wenig, weil sie auch in Comics oft an den Text gebunden erscheinen. Der

Comic wird sowohl von den Autoren als auch von den Rezensenten im Rahmen des

Literatur-Bereiches besprochen. Wie in der Analyse gezeigt wurde, ist das Reflektieren

der Autobiographie und ihrer Ansprüche mehr vom Autor als von der Kunstform

abhängig.

In der Analyse von Vier Augen und der „unnatürlichen“ Elemente der

Autobiographie, hier durch den sprechenden Hund vertreten, erwies sich die Definition

der Authentizität nach Elisabeth El Refaie als nützlich, die im theoretischen Teil

vorgestellt wurde. Sie hebt die subjektive Wahrnehmung der Realität durch den Autor

und die Interpretation der dargestellten Realität hervor. Durch die Interpretation kann

auch der sprechende Hund als ein Teil der Autobiographie akzeptiert werden.

69

Gleichzeitig haben sich auch Widersprüche beim Darstellen und Wahrnehmen des

Hundes gezeigt, welche die Zuverlässigkeit des Erzählens stören.

Als Weiterführung der Auseinandersetzung mit einer Theorie der Autobiographie

in Comics wäre es nützlich, weitere Comics auf die benannten Punkte hin zu

untersuchen, wobei das Hauptinteresse auf das Umgehen mit den drei Elementen des

Protagonisten, des Erzählers und des Autors zu legen wäre. Dabei können sich durchaus

auch noch weitere Wege zum Feststellen der Identität zwischen den drei Elementen

finden lassen.

70

5. QUELLENVERZEICHNIS

Primärquellen

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