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430 Paul Kammerer: (Aus der biologischen Versuchsanstalt [zoologische Abteilung] in Wien) N aehweis normaler Funktion beim herangewachsenen Lichtauge des Proteus. Von Paul K&mmerer. (Mit 1 Textfigur.) Inhaltstibersicht. seiny 1. Verwandlung des embryonulen Dunkelauges in ein larvales Lichtauge . 430 2. Verwandlung der normalen negativen in positive Phototaxis ....... 432 3. Die Sehfunktion des Lichtauges .................. 435 4. Zusammenfassung .......................... 440 Eine experimentell m o r p h o 1o g i s c h e Untersuchung am Auge des Grottenolmes (Pr0teus anguineus) f0rderte nebenher Ergebnisse psychologischen Gebietes zutage, die teils deshalb, teils weil sie damals noch nicht feststanden, in der betreffende~ Abhandlung 1) nur andeutungsweise oder gar nieht enthalten sind. Ihre bestimmtere und ausfiihrliehere Mitteilung soll an dieser Stelle nachgeholt werden; um sie aber vollends verstiindlich zu machen, ist es n6tig, die morphologisehen Resultate der erwi~hnten Arbeit, soweit sit sich auf das Auge des Olmes beziehen, kurz zu wiederholen. Das Auge des neugeborenen Proteus steht auf dem Stadium der sekundaren Augenblase. Wi~hrend dasTierim Dunkeln, seinem normalen Aufenthalt, heranwi~chst, nimmt das Auge zwar noch um das 1,6fache an GrOsse zu, hiilt aber mit dem Wachstum 1) Kammerer, Experimente i~ber Fortpflanzung, Farbe, Augen und K5rper- reduktion bei Proteus anguineus Laur. (Zugleich: Vererbung erzwungener Farb- veri~nderungen. III. Mitt.) Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 33 H. 3/4, iiber das Auge ~S. 425--444. 1912. Dort mSge auch die Literatur eingesehen werden, die hier nicht wieder vollstgndig zitiert wird.

(1913h): Nachweis normaler Funktion beim herangewachsenen Lichtauge des Proteus

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430 Pau l K a m m e r e r :

(Aus der biologischen Versuchsanstalt [zoologische Abteilung] in Wien)

N a e h w e i s

n o r m a l e r F u n k t i o n b e i m h e r a n g e w a c h s e n e n

L i c h t a u g e d e s P r o t e u s .

Von

P a u l K & m m e r e r .

(Mit 1 Textfigur.)

I n h a l t s t i b e r s i c h t . seiny 1. Verwandlung des embryonulen Dunkelauges in ein larvales Lichtauge . 430 2. Verwandlung der normalen negativen in positive Phototaxis . . . . . . . 432 3. Die Sehfunktion des Lichtauges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

Eine experimentell m o r p h o 1 o g i s c h e Untersuchung am Auge des Grottenolmes (Pr0teus anguineus) f0rderte nebenher Ergebnisse p s y c h o l o g i s c h e n Gebietes zutage, die teils deshalb, teils weil sie damals noch nicht feststanden, in der betreffende~ Abhandlung 1) nur andeutungsweise oder gar nieht enthalten sind. Ihre bestimmtere und ausfiihrliehere Mitteilung soll an dieser Stelle nachgeholt werden; um sie aber vollends verstiindlich zu machen, ist es n6tig, die morphologisehen Resultate der erwi~hnten Arbeit, soweit sit sich auf das Auge des Olmes beziehen, kurz zu wiederholen.

Das Auge des neugeborenen Proteus steht auf dem Stadium der s e k u n d a r e n A u g e n b l a s e . Wi~hrend d a s T i e r i m Dunkeln, seinem normalen Aufenthalt, heranwi~chst, nimmt das Auge zwar noch um das 1,6fache an GrOsse zu, hiilt aber mit dem Wachstum

1) Kammerer , Experimente i~ber Fortpflanzung, Farbe, Augen und K5rper- reduktion bei Proteus anguineus Laur. (Zugleich: Vererbung erzwungener Farb- veri~nderungen. III. Mitt.) Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 33 H. 3/4, iiber das Auge ~S. 425--444. 1912. Dort mSge auch die Literatur eingesehen werden, die hier nicht wieder vollstgndig zitiert wird.

~achweis notre. Funktion beim herangewachs. Lichtauge des Proteus. 431

der benachbarten Teile nicht Schritt~ erscheint a]so bei erwachsenen Tieren unverhi~]tnismiissig klein. Fast oder ganz unsichtSar wird es durch Verdickung der dariiberliegenden Haut, die in ihrer ganzen clortigen Ausdehnung Dri]sen�87 Sinnesknospen und besonders zahlreiche aneinandergedr~ngte L ey d i g ' sche Schleimzellen enthi~lt.

Ira allgemeinen p e r s i s t i e r t die sekundiire Augenblase. Zwar gehen noch einige D i f f e r e n z i e r u n g e n vor sich (Chorioidea, Membrana ]imitans externa, Knorpelgewebe in der Augenkapsel), aber auch R i1 c k b il d un g e n : Die Linse verschwindet, und ihr Platz wird durch das weiterwuchernde, zt~sammenstossende Stratum ciliare retinae ausgeftillt.

Nun legte ich mir die Frage vor, ob diese Entwicklungsbemmung nicht aufgehoben, dem Auge zu neuem Wachstum verholfen werden k5nne, wenn man die Tiere auf demjenigen Stadium, wo die Augen eben ira Begriffe stehen, den Weg der Riickbildung einzusch|agen, ihn aber noch nicht begonnen haben, kraftigen Lichtreizen aussetzt, statt sie in der ihnen heimatlichen Finsternis zu belassen. Dieses k r i t i s c h e S t a d i u m ist mit dem Augenblicke der Geburt gegeben und scheint wenige Wochen spater bereits unwiederbringlich vorfiber zu sein. Eine tiefe Zisterne, die fast vollkommen die natiirlichen Verhaltnisse der Karsttrichter kopiert, erm5glichte es, das nStige Material zu zt~chten; dabei stellte sich heraus, dass der Olm ira ~Taturzustande kein eierlegendes Tier ist, wie Aquariumzuchten bel einer Temperatur von durchschnittlich i]ber 15 o C. glauben machten, sondern dass jede Trachtigkeitsperiode mit dem Werfen von zwei bereits vierbeinigen Und 10--12 cm langen Jungen endigt, deren jedes aus einem der beiden Ovidukte entstammt.

Die in der Grottenzisterne geborenen Zwillingspi~rchen a]so waren es, die ich �9 den Versuch iiber VergrSsserung der embryonalen Augen verwenden musste. Zuerst glaubte ich alles erreichen zu kSnnen, indem ich die Neugeborenen einfach sofort dem grellen T a g e s l i c h t aussetzte. Das schadet ihnen zwar nicht, nur ver- tauschen sie ihr hel!es Fleischfarben, das sie der Abwesenheit von Pigment in ibrer Haut verdanken, binnen etlichen Monaten gegen tiefstes B]au- oder Braunschwarz. Wenn sich aber in der Haut, die ja auch die darunterliegenden Augen i]berzieht, so viel schwarzer Farbstoff ansammelt, so kommen die Augen offenbar abermals iris Dunkle, trotzdem das ganze Tier sieh ira Lichte befindet. Das Olmauge wird ungefiihr in diese]be Lage versetzt, als oh wir unser

432 Paul Kammerer:

Auge bemiihen wollten, durch ein dichtes, schwarzes Tuch zu sehen, das nur wenige oder ke�9 Strahlen durchli~sst. In der Tat war auf solche Weise niehts zu erreichen; das Tageslicht allein konnte die Verkammerung der Augen nicht aufhalten.

Inzwischen hatte ich aber die E�9 gemacht, dass r o t e s L i c h t in der Haut des Proteus keinerlei Pigment erzeugt. Einen Teil der neugeborenen Olme erzog ich jetzt in der rot erleuchteten Dunkelkammer, einen anderen Teil setzte ieh immer abwechselnd zwei Wochen in Tages-, eine Woche in rotes Licht. Erstere blieben farblos, wie sie aus dem Mutterleibe gekommen waren und in v011iger Finsternis eben�9 gebliebe n whren; letztere setzten etwas Farbstoff an, dessen Vermehrung ira Tageslicht durch die Unterbrechung, den Aufenthalt ira roten Licht, stets wieder eingeschrankt wurde. Jetzt ~ergrSsserten sich die Augen, ri]ckten an die Obertt~tche; die ganz stattlichen Bulbi quollen fSrmlich vor wie bei einem gewi~hnlichen Salamander. Die Augen der lebenslang nur rot beleuchteten Tiere erscheinen rosa wie bel einem Albino; die Augen der intermittierend sonnbeleuchteten Tiere erscheinen schwarz.

Die H a u t i]ber dem ,,Lichtauge" erfahrt eine ausserordentliche Verdt~nnung; Drasen, Hautsinnesorgane und Schleimzellen werden daraus verdrgtngt; die GrSsse des A u g a p f e l s hat um das 4fache, die L i n s e in der Li~nge um das 18fache, in der Breite um das 121/sfache zugenommen; die A u g e n k a p s e l ist in Sklera und Cornea, die A d e r h a u t in Chorioidea und Iris (mit Pupille) diffe- renziert; vordere und hintere A u g e n k a m m e r und G l a s k S r p e r haben sich ausgebildet. Die Linse besteht nicht mehr aus Epithel- zellen, sondern fast durchweg aus Linsenfasern, und ist mittels Zo nu l a ara vervollkommneten Corpus ciliare befestigt. Die R e t i n a ist infolge ihrer starken, fliichenhaften Ausbreitung verdtinnt; in den S e h z e 11 e n, ehedem nur aus Inneng!iedern bestehend, sind Aussen- glieder (gut unterschiedene Sti~bchen und Zapfen) hinzugekommen, weiche in den von der ausseren Schicht der Lamina pigmenti hin-

gewanderten Farbstoff eintauchen. Das embryonale Dunkelauge ist ein wohlausgebildetes, larvales Lichtauge geworden.

Die psychologische Frage, die sieh an diese morphologischen Ergebnisse anschliessen und eben�9 mit Hilfe des analytischen Experimentes gelSst werden musste, lautete : K 5 n n e n d i e P r o t e e n m i t i h r e n a r t i f i z i e l l v e r g r S s s e r t e n A u g e n w i r k l i c h

Nachweis norm. Funktion: beim herangewachs. Lichtauge des Proteus. 433

s e h e n ? In vorliegender Zeitsehrift braucht nieht weiter darauf hingewiesen zu werden, dass die seheinbar so 'selbstverstftndliche Folgerung: das Tier hat grosse, gut ausgebildete Augen, also sieht .es auch, heutzutage grundsi�9 abzulehnen ist. Ganz neuerdings wieder h aben uns die Transplantationsversuehe von U h l e n h u t h ara selben Organ, ara Auge des Salamanders, vom Triigerisehen der- artige�9 Schltisse iiberzeugt, wie sic tr0tzdem noeh �9 in der vergleichend-morphologischen Literatur eine grosse Rolle spielen.

Beim Proteus musste die Entscheidung, ob diœ Tiere mit auf- ,cliffœ Augen tatsachlieh sehen, besonders sehwer fallen, denn schon der blinde, kiimmer~tugige Olm benimmt sich, als ob er sehend wftre. Seine Hautoberfl~che ist in hohem Grad h e 11 i g k e i t s e m p fin d 1 i e h, ]~tsst ihn normalerweise grelles Lieht fliehen, dem Dunkel zustreben, und sein Geftihl, sein Sinn far leiseste Erschtltterungen des Wassers ist so fœ dass er, wie mehrere Beobaehter in T]bœ mit meinen eigenen Erfahrungen berichten, in hinlanglich gezahmtem Zustande geradeswegs auf F¨ zusehWimmt, das man ihm an irgend- einer entfernten Eeke ins Aquarium wirft. Solcher Treffsiy gegen- iiber konnte auch der gross~ugige Ohn nur wenig Fortsehritte maehen.

Einige Beobachtungen, welehe die n e g a t i v e P h 0 t o t a x i s (den negativen Phototropismus) des noeh nicht experimentœ be- einflussten Olmes und deren Umkehr durch assoziative Einflf~sse dartun, teilte ieh in meiner ei~~gangs zitierten; vorwiegend morpho- ;logisehen Arbeit nur nebenher (im Abschnitt ,Tecbnik" S. 366/367) mit; da sie von physiologisehem Interesse sind und neuere Dressur- ergebnisse und Gedachtnisversuche an niederen Tieren (nur beispiels- weise diejenigen von S z y m a n s k i , P f l i ~ g e r ' s Arch. Bd. 144 S. 132--134. 1912), an einem bislang ungeprti�9 Objekt best~tigen, so will ich ihnen hier etwas Raum gewahren. Es wurde schon gesagt, dass der Olm normalerweise iiberaus liehtscheu ist; bieten hellstehende Aquarien Sehlupfwinkel, so wird tagstiber stets dav0n Gebrauch gemacht, wobei alle Mittel zur Anwendung gelangen, um

.den angestrebten Zweck zu erreiehen: Yerkri• unter Steinen, ,die erst unter bedeutende�9 Kraftanstrengung emporgestemmt werden mtissen; Einwtihlen in Pflanzenti)pfe, selbst wenn deren weieher, erdiger Inhalt dureh eine starke Kiessehicht von der Oberflache

: getrennt wird. Betritt man den finsteren Zisternenraum, vr sich das Zueht-

beeken der Olme befindet, mit der elektrisehen Suehlampe, so P f l i i g e r ' s Archiv s Physiologie. Bd. 153, 29

434 Paul Kammerer:

f l i~ch ten frischgefangene Olme stets in die dunkelsten Ecken; veri~ndert man die Stellung der Lampe, so dass der Lichtschein jetzt dorthin trifft, wo sich die Tiere endlich zut Ruhe gelagert hatten, so fliehen sie neuerlich in die i]brigbleibenden Schattenfelder. Das geschieht oft mit grosser Schnelligkeit und Heftigkeit; wiihrend man vermuten konnte, dass an der erstmaligen Flucht B o d e n - e r s c h i i t t e r u n g e n , die das Herannahen des Beobachters, seine Schritte beim Auftreten hervorrufen, vielleicht ebensosehr Schuld tragen wie der ungewohnte Lichtschein, kann dies beim Stellungs- wechsel der Lampe, zu der ein Ausstrecken des Armes gentigt, und .bel der ihr folgenden zweiten Flucht nicht gut der Fall sein.

Schon im Laufe etlicher Wochen beginnt aber das Benehmen der Olme ein weniger wildes zu werden, und nach Ablauf mehrerer Monate werden sie durch den Lampenschimmer tiberhaupt n i c h t m e h r i f r i t i e r t; sie verharren dann, wie es ihre sonstige Gewohn- heit ist, d i f f u s durch das Becken verteilt, falls nicht Liebesspiele, Futterneid oder dergleichen sie an bestimmten Stellen, die jetzt zur Lichtquelle in keiner besonderen Beziehung stehen, paarweise oder in ~r5sseren Mengen zusammentreiben.

Die Ableuchtung des unterirdischen Olmbeckens verfolgt - - ausser der Versuchskontrol le- den Zweck, den Tieren das aus kleinen BachrShrenwtirmern (Tubifex) bestehende F u t t e r zuzuwerfen. Diese regelmi~ssig in Verbindung mit dem Lichteinfall vor sich gehende

ManipulatiOn hat nun nach dem Verstreichen von 1--2 Jahren bel einigen Exemplaren - - durchaus nicht bel a l l e n - eine weitere .ii.nderung ihres Verhaltens gegeni~ber der Beleuchtung angebahnt. Solche Tiere haben sich gewShnt, beim Erscheinen der L a m p e a u f die Lichtquelle loszuschwimmen, also p o s i t i v p h o t o t a k t i s c h (phototropisch) zu reagieren, und wieder spielen die mit dem Be- treten des Raumes einhergehenden Bodenschwingungen gewiss nicht die Hauptrolle. Denn ruhig ara Rande des Beckens stehend und nur eine Hand, die die Lampe hi~lt, langsam vorwi~rts schiebend, kann man .die positiv phototaktisch gewordenen Tiere dem Licht- schein folgen lassen, beliebig von einer Ecke in die andere locken. Besonders prompt reagierte ein riesiges, 30,5 cm langes Weibchen, das sich meinen Versuchen auch schon durch wiederholt bewiesene Fruchtbarkeit giinstig gezeigt hat und das ich darum besonders gut aus der gesamten, etwa 40 Exemplare zi~hlenden OlmbevSlkerung

herauszuerkennen imstande bim Neben dem rein phototaktischen

Nachweis norm. Funktion beim herangewachs. Lichtauge des Proteus. 435

Verhalten �9 es, obwohl durch letzteres akzentuiert, wissenschaftlich nicht so sehr in die Wagschale, dass einige wenige Tiere sich mit dem blossen ~Nachschwimmen nicht begntigen, sondern im Brennpunkt unter der Lampe direkt um Futter betteln, d. h. den Rumpf im Wasser senkrecht aufstellen, die Schnauze t~ber Wasser strecken~ mit den Kicfern schnalzen, die dargereichte bTahrung gierig aus der Hand reissen, ja, auch in Abwesenheit von Nahrung ohne jede Scheu in die hohle Hand kriechen und mit der spatelf(}rmigen Schnauze zwischen den Fingern nach Futter suchen.

Die G e w S h n u n g an L i c h t r e i z e , so dass sie dann nicht mehr Flucht- und Versteckreaktionen ausl5sen, ist auch in den oberirdischen, s t i~ n d i g t a g e s b e I e u c h t e t e n Becken eingetreten ; und der Prozentsatz der bis zur Aufdringlichkeit gezi~hmten Exemp]are ist dort sogar noch ein hSherer geworden. Doch muss sich die Anwesenheit des Pflegers bei den hellen Becken immer erst durch Erschiltterungsreize, du�9 Klopfen an den Scheiben, Pl~ttschern ira Wasser und dergleichen kundtun, wahrend hierzu in der Dunkel- zisterne, die ja nur anlasslich der Kontrolle und Ft~tterung erleuchtet ist, der Eintritt des Lichtes selbst gentlgt bzw. s~mtliche Reaktionen hervorruft, die an der Oberwelt, wo das Licht gar keine Erregung mehr, weder eine positive noch eine negative, zu erzeugen vermag, erst mit Hilfe andersartiger Reize erweckt werden mtissen.

Diese V e r s c h i e d e n h e i t im B e n e h m e n der standig und der nur ganz vortibergehend belichteten Proteen gelegent]ich ihrer Ftitteraug musste die Entscheidur.g, ob grossgeaugte Exemplare wirklich sehen, erleichtern. Immerhin blieb die Exaktheit und Zie]- sicherheit, mit der kt~mmeri~ugige Olme, wenn sie gesund, zahm und hungrig sind, das ins Wasser geworfene Futter erhaschen, als ernste Schwierigkeit weiter bestehen.

Ein Versuch, als Kontrollen nicht die normalen Olme, sondern wieder solche mit grossen Augen zu verwenden, welch letztere durch U b e r s t o l p e n e i n e r s c h w a r z e n K a p p e aus K a u t s c h u k verdeckt worden waren, scheiterte, und zwar aus folgenden Gr!inden: Die Gummikappe hielt nicht zuverlassig, und die Tiere gaben .nicht eher Ruhe, als bis sie sie durch Reiben an Steinen entfernt hatten. Gelang ihnen das nicht, so reagierten sie eben in keiner Weise normal, verweigerten vor allem die als Kriterium dienende Futter- aufnahlne. Das~naheliegendste w~ire es gewesen, Statt der Kappen

29 *"

436 Paul Kammerš

od› eines ahnlichen, e�9 unVerltisslichen Mittels (wie z . B. Firaiss• (las kiinstl~ich emporgekommene Auge ein�9231 wiederuu~ zt�9 :en tferneni Zu exstirpier› das 4iess aber �9 die Kost- barkeit und Selt• des Materials nicht zu; ieh hotte ja ira ganzen nur vier grossaugige Exemplare zut Verfiigung, die zum Teil auch noch Spi~tel~š KonservierUng als Belegexemplare und histologisctmr Untersuchung dienen mussten.

Schon war ich nahe daran, auf eine physiologisch einwandfreie Beantwortung der Frage, oh meine ,Lichtolme" ein normal funktio- nierendes Auge besitzen, zu ,y235 da erinnerte ich mich einer Beobachtung, die man an anderen, hinlanglich gezl�9 Wassor-: �9 haufig machen kann, beispielsweise T r i t o n e n (Mo]~e) und A x o l o t l n (Amblystoma): nis dass sie durch die Glas- platte des Aquariums hindurch nach beweglichen Gegeastanden schnappen~ die sie aussen erblicken oder die man ihnen absichtlich vorhalt. Es muss nicht notwendigerweise etwas Geniessbares sein, sondera nur etwas, was sie dafiir halten: so schnappen sie ebens0- gern nach aussen vorbeikriechenden Mehl- und Regenwtirmern wie~ nach Schlangen, ja nach verschiedenstell--Tieren, die Sich in einem dicht danebenstehenden" anderen Beh~Iter befinden, wie Fischen, SchildkrSten, Fr0schen; besonders schSn ltisst sich zeigen, wie der- artig gierige und zutrauliehe Molche und Axolotl dem Finger folgen, der unmittelbar an der Glaswand entlang fahrt, bis sie endlich die Geduld i, erlieren und~ zuschnappend, sich die Schnauze heftig an der Glaswand anstossen. Aus derartigen Beobachtungen, die jedermann sehr teicht beliebige Maie wiederholen kann, geht hervor, dass H a e c k e r ~) nicht ganz recht hat, wenn er dem Gesichtssinn des Axolotls bei der Nahrungsaufnahme nur eine sehr geringe oder gar keine Rolle zuschreibt und ihn fast oder ganz ausschliessiich durch die Funktion des ,,Or a l si n n e s", wahl'~cheinlicb dureh Rezeption teiser Wassererschiltterungen, geleitet werden li~Sst. Ich selbst bin auch der Meinung, dass der Oral- und Tastsinn den Gesichtssinn an Schi~rfe bei weitem 0bertrifit; wenn es sich darum handelt, eine ira Wasser zappelnde Beute zu erselinappen, sowie, dass alle'Urodelen/ selbst di› Erdmoichel s e h l e c / ” sehen; aber das Ersp~hen einer Beute durch die g�9 Trennungswand izwischen Wohngewi~sser

1) Haecker, Uber Lerffversuche bel Axolotln. Arch. f. d. ges. Psyctit,l/ Bcl..25 H. 1/2 $. 4 u. 5: 1912.

Nachweis norm. Funktion beim herangš Lichtauge des Proteus. 437

ulid, Luft�87 sowie das Bewaltigen einer Beute durch dieselben Uro- delen, wenn sie Landtracht ange]egt haben (metamorphosierte Axolotl, Tritonen ira Sommerkleid), verbietet uns dennocb, den Gesichtssinn so weit zu untersch~itzen, dass wi�9 ihn v011ig vernachl~ssigen.

Es galt mithin, zu probieren, ob nicht auch grossaugige Licht- olme, g]e].ch den erw~thnten Axo]otln und Wassermolcben, d u r c h d ie A q u a r i u m s c h e i b e nach F, u t t e r s c h n a p p e n warden. Zu solchem Zwecke befestigte ich einen mittelgrossen Regenwurm an einem Bindfaden und liess ibn, das obere freie B]ndfadenende in der Hand, nahe der Scheibe, aber ohne ]etztere zu berahren, ausserhalb des Aquariums herabgleiten uncl zappeln. Das gew5hn- liche ~ut ter des Proteus, die Tubifex-Wtirmchen, waren hierffir nicht zu gebrauchen, da sie s�9 schlecht anknapfen lassen~ sogar wenn man gleich einen ~anzen Klumpen nimmt, und da sie ausserhalb des Wassers fast jede Bewegung, die doch den wichtigsten Anreiz bilden musste, einstellen. Ara tauglichsten erwies sich der in Mist- beeten vorhorrschende stinkende Regenwurm (Eisenia foetida) wegen seines kr~ftigen und ausdauernden Hin- und Hersch]agens, welcbe Eigenschaft ibn, nebst seiner Obelriechenden und offenbar auch tibel- schmeckenden Coe]omfl~ssigkoit far wirkliche, ernstgemeinte Futter- verabreichung ebenso untauglicb wie for rien in Rede stehenden Versuch tauglich macht.

Das Ergebnis des Versuches lautete b ej ah e n d : <in einzelnen Fallen wurde das Zuschnappen nach dem Wurm durch die Glas: scheibe hindurch, verbunden mit dem SchnaUzenstoss an letztere, genau wie beim, Axolotl beobachtet. Dagegen brachte es kein kiimmer~tugiger,, wenn auch noch so sehr.gezahmter Olm je so weit, auf ein nicht bel ihm ira Wasser befindliches und darin sich be- wegendes~ Beutestiick zu reagieren. Diese Verschiedenheit der Re- aktionsweise sowie das zielbewssste Schnappen, welches nicht (wie ja bei gierigen Amphibien zuweilen wabrzunebmen) blindlings erfolgte, sondern in strenger raumlicher Beziehung auf das vorgehaltene bew› Objekt~ begegnen dem sonst etwa m5glichen Einwand, es seien auch: diesmal keine optischen~ sondern nur die so ~tusserst rein reziplerten taktilen Reize daffir verantwortlich: etwa zuerst das Herantreten des Experimentators ans Glas, dann die Bewegung seiner Hanit und die des KSders, die sich in Luftbewegungen, letztere ihrerseits in lš Wasserbewegungen umsetzten. Ein derartiger Einwand ist dem geschilderten Verfahren gegentlber wohl ganz

438 Paul Kammerer:

ausgeschlossen, jede andere als die photische Reizart ficher aus- geschaltet.

Immerhin war die Methode noch verbesserungsfi~hig: nicht so sehr in bezug auf den exklusiven Lichtreiz als in bezug auf die Z a h 1 p o s i t i v g e l u n g e n e r Z u s c h n a p p b e w e g u n g e n , die bisher recht gering geblieben war. Freilich ist e in deutlicher™ positiver Ausfall entscheidend gegen noch so viele negative; aber befriedigender musste das Gesamtresultat aussehen, wenn in der Verkettung von ™ (Vorhalten des Wurmes) und Wirkung (Losfahren des Olmes und Stoss auf die Glasplatte) eine grSssere Priizision ein- getreten sein wtirde. Die Seltenheit des Gelingens im bisher ge- schilderten Verfahren schreibe ich folgenden Umsti~nden zu: 1. Der Versuch war an demselben Becken vorgenommen, das dem be- treffenden Versuchstier auch sonst als Wohnort diente, hier konnte aber nicht erwartet werden, dass das Tier stets eine geeignete Lage, ni~mlich mit dem Kopf nahe der Glaswand, einnehmen werde~ dass es aber aus grSsserer Entfernung, etwa gar aus seinem Schlupf- winkel, nus dem es �9 gewShnlich hervorlugt, herbeieilen und die Beute erblicken werde, war denn doch ein zu unbilliges Verlangen. Es vorher gewaltsam in geeignete Lage zu bringen, hiRte nur um so ungest[lmeres Einwtihlen nach sich gezogen und den Versuch, selbst abgesehen von daraus entstehenden Fehlerquellen, nur um so gewisser vereitelt. 2. An der Grenze zwischen Wasser und Luft, genauer zwischen Glas und Luft einerseits, Wasser und Glas anderseits, musste viel�9 eine Totalreflexion der Lichtstrahlen Plaoe greifen, die den Ausblick erschwert oder unmi)glich macht.

Die anfi~ngliche primitive Methode wurde daher, namentlich zu- foige einer dankenswerten brieflicheu Anregung R . S e m o n ' s , in der Weise vervollkommnet, wie es die Figur (S. 439) zeigt. In eine grosse Glaswanne a wird eine kleine b hineingestellt. Letztere, bis nahe zum oberen Rand mit Wasser gefiillt, ist nicht der gewShnliche Wohnbehalter des Olmes, sondern dieser (c) wird nus seinem Aquarium herausgefangen und nach Bereitstellung der ganzen Vor- richtung in die kleine, innen befindliche Wanne gegebš dann ab- gewartet, b i s er sich vollsti~ndig beruhigt hat. Da diese Wanne nicht riel li~nger ist als der Olm selbst, stellt er sich schliesslich meist so ein, dass sein Kopf nach einer der Schmalseiten sieht; aber selbst wenn er in gekri]mmter Lage mit dem Kopf nach einer der Li~ngsseiten gewendet verharren sollte, entst~nde daraus keine

:Nachweis norm. Funktion beim herangewachs. Lichtauge des Proteus. 439

Verlegenheit. Die i~ussere Wanne wird bis etwa 1 cm weit unter- halb des Randes der kleineren (bis e) ebenfalls mit Wasser gefi~llt, also so, dass die WasSersiiule zwar mSglichst hoch ist, aber mit dem Wasserstand der k]einen Wanne in keiner Weise kommunizieren kann; eine Bewegung, dem Wasservorrat der ausseren Wanne mit- geteilt, vermag sich also nicht in denjenigen der inneren Wanne fortzupflanzen.

Wird nun in die i~ussere Wanne an einem Faden das L o c k - ob j e k t ci (Regenwurm) langsam hinabgelassen, so, dass es dem An-

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Fig. 1.

gesicht des in der inneren Wanne befindlichen Olmes zugewendet ist, go erfolgt ein Vorstossen des Versuchstieres in der Richtung des Pfeiles, verbunden mit Offnen des Maules, also dem Bestreben, mit den Kiefern zuzufassen.

Dieser, die positive Reaktion auf den optisehen Eindruck des Reizobjektes darstellende Bewegungskomplex wurde an ein und dem- selben Vœ162 beobachtet ara 20. Februar, 3., 15, 22. und 29. M~rz, am 4., 14, 21. und 28. April, am 5, 13., 28. und 31. Mai sowie am 7. Juni 1912, ira ganzen v i e r z e h n m a l , wobei noch zu betonen ist, dass dieselbe Reaktion oft an ein und demselben Tage, sogar unmittelbar nacheinander, mehrmals erfolgte, da das Tier sieh von der Unerreichbarkeit der Beute nach erstmaligem Anstossen ge- wfihnlich noch nicht soglœ aberzeugen liess.

440 P- K a m m e r e r: Nachweis norm. Funktion b. herangew.Lichtauge d. Proteus.

Negativ war die Beobachtung ara 21. Februar, 2, 4 , 23. und 30. Mi~rz sowie ara 2. April 1912, ira ganzen nur s e c h s m a l , und immer aus leicht erkenntlicher sekundi~r• Ursache" meist wegen allzu knapp vo�9 wirklicher Ffitterung, so dass nicht gentigend Huuger vorhanden war; zuweilen wohl auch infolge d er aI]zu rasch aufeinanderfotgenden Experimente, von denen das Tier sich in .~eringem Grade schlicsslich be]ehren ]iess, i~hulich wie rH a e d k e r ' s (l. c,) Ax01otl, die mit Holzsti~ckchen statt Flelsch ge- fiittert worden waren. Der sehende Proteus, den m�9 gar zu oft nacheinander sich an der Glasplatte anschlagen liisst, wird schliesslich voriibergehend selbst einer dicht vor ihm und bei ihm~ d. h. ira selben Wasser und Aquarium, zappelnden, also wirklich leicht er- reichbaI'en Beute iiberdrt~ssig. Dass von Anfang April begonnen kein negativer Versuchsausfall mehr zu verzeichnen war, ist wesentlich dem Umstande zuzuschreiben, dass ich mich von jenem Datum an mit ein- oder zweimaligem Fehlschnappen begniigt hatte, also ohne die Zahl der Einzelreaktionen ira Laufe des Versuchstages zu forcieren.

Zusammenfassung der in vorliegender Arbeit mitgeteilten Resultate ergibt folgende Shtze :

1. Das Auge des unterirdisch lebenden Proteus kann durch ge- eignete Lichtwirkungen ara Stationi~rbleiben und Involutionsprozess ~erhindert werden, an dessert Stelle energische Weiterdifferenzierung einsetzt bis zum Ausbildungsgrad eines normalen Larvenauges ober- irdisch lebender, sehender Amphibien.

2. Dieses gross gewordene und ausdifferenzierte Lichtauge t~bt aber auch tats~chlich die Funktion des Sehens aus, wie durch.das Zeigen von Reizobjekten, die die Raubgie�9 ~ des~Tieres erregen, er~ wiesen wird, indem man aile. anderen als optischen Reize, ins- besondere die taktilen Reize~ fernhMt.

3. Die sehenden wie die nichtsehenden" Olme besitzen Ans~ttze eines assoziativen Ged~tcbtnisses:

a) Die sehenden Olme lernen nach wiederholtem , in kurzen Pausen erfolgendem Anstossen an der Glasscheibe, dass sie der jens› befi�9 Beute unm0glich habhaft wœ kSnnen~ und schnappen eine Zeit!ang gar nicht mehr.

'b) Die blinden Olme verwandeln ihre negative Phototaxis in positive, wenn sich das :Erscheinen des sie urspri]nglich sehr e~:- schreckenden Lampenlichtes mit jedesmaliger Ft'~tterung verkniipft.