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Moll - HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK, Köln
Wilhelm Moll
Aktuelles zur betriebsbedingten Kündigung
unter besonderer
Berücksichtigung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern
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Moll - HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK, Köln
AnknüpfungspunktGemäß
§
1 Abs. 2 KSchG
ist eine Kündigung u.a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch
dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die der Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen
Umständen (Unternehmensentscheidungen bzw.
Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche
Gründe (Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Die betrieblichen
Erfordernisse müssen „dringend“
sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.
Siehe z.B.:
BAG 30.04.1987 AP Nr. 42 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
BAG 29.03.1990 AP Nr. 50 zu § 1 KSChG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
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Darlegung im Kündigungsschutzprozess
Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen
Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit
Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis
an der
Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmer wegfällt.
Siehe z.B.:BAG 17.06.1999 AP Nr. 101 zu §
1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
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Die Kategorien der „außerbetrieblichen“
oder „innerbetrieblichen“
Ursachen sind kaum
hilfreich. Entscheidend ist, ob eine Organisationsmaßnahme bzw. Unternehmerentscheidung vorliegt, die sich auf den Beschäftigungsbedarf auswirkt und die Beschäftigungsmöglichkeit für den/die Arbeitnehmer entfallen lässt.
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Grundsatz der freien unternehmerischen Entscheidung!
Siehe z.B.:BAG 07.12.1978 AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte KündigungBAG 13.03.2008 NZA 2008, S. 878BAG 23.04.2008 NZA 2008, S. 939
Gegenposition:Kühling, AuR 2003, S. 94 ff.Stein, BB 2000, S. 461 ff.
Das Arbeitsgericht prüft nach, ob die vom Arbeitgeber geltend gemachten außerbetrieblichen oder innerbetrieblichen Gründe vorliegen und ob sich aufgrund der Organisationsmaßnahmen bzw. Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers ergibt, dass kein Bedürfnis mehr für die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern besteht. Die Arbeitsgerichte prüfen Organisationsmaßnahme und Unternehmerentscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder inhaltliche Zweckmäßigkeit.
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Mindestbestandsschutz
Das BAG trägt dem Gebot des Mindestbestandsschutzes nach Art. 12 Abs. 1 GG(BVerfGE 92, S. 140; BVerfGE 96, S. 171; BVerfGE 97, S. 169) in zweierlei HinsichtRechnung:
1.
a) Kündigungsentschluss ≠
Organisationsmaßnahme bzw. Unternehmerentscheidung
b) Anforderungen an Darlegung und Substantiierung
Siehe z.B.:
BAG 17.06.1999 AP Nr. 101 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
BAG 13.02.2008 NZA 2008, S. 8192.
Missbrauchskontrolle: Die Organisationsmaßnahme bzw. Unternehmerentscheidung ist stets daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.Siehe z. B.:BAG 30.04.1987 AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte KündigungBAG 26.09.2002 AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung
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DurchführbarkeitskontrolleDass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit
und Nachhaltigkeit
der
unternehmerischen Entscheidung vortragen muss, soll einen Missbrauch des Kündigungsrechts ausschließen. Eine rechtswidrige Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals soll vermieden werden. Ausgeschlossen werden soll auch, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen.
Vgl. BAG 22.05.2003 AP Nr. 128 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
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Personalreduzierung (Substantiierung)Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Eine solche Unternehmerentscheidung ist hinsichtlich ihrer organisatorischen
Durchführbarkeit und
hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, um dem Gericht im Hinblick auf die
gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) eine
Überprüfung zu ermöglichen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss
rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag
verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.
Vgl. BAG 17.06.1999 AP Nr. 101 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
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Entfallen einer Hierarchieebene (Substantiierung)
1. Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf eine Unternehmerentscheidung, welche lediglich in der Streichung einer Hierarchieebene besteht, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungs-
last zu stellen.
2.
Besteht die unternehmerische Entscheidung nur im Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich
unsachlich oder willkürlich ist.
3.
Der Arbeitgeber muss insbesondere konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Es muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der
Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige
Leistungen erledigt
werden können.
Vgl. BAG 13.02.2008 NZA 2008, S. 819
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MissbrauchskontrolleFür eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt. Deshalb hat
im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer grundsätzlich die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Dabei zielt die Missbrauchskontrolle der unternehmerischen Entscheidung weder darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen, noch darf sie dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den Arbeitgeber gerade zu dem von ihm gewählten Konzept geführt haben. Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Verhinderung von Missbrauch.
Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen sollen dabei genauso verhindert, wie Diskriminierung und Umgehungsfälle vermieden werden. Deshalb ist es missbräuchlich, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen oder abstrakte Änderungen von Organisationsstrukturen ohne Änderung der realen Abläufe zu benutzen, um den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zum Nachteil von Arbeitnehmern zu ändern.
Siehe z.B.:BAG 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969BAG 26.09.2002 AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte KündigungBAG 22.05.2003 AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte KündigungBAG 22.04.2004 AP Nr. 74 zu § 2 KSchG 1969BAG 23.06.2005 AP Nr. 81 zu § 2 KSchG 1969
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Beschäftigungswegfall trotz Bestehenbleibens der Tätigkeit!
Aufgabenverlagerung/Fremdvergabe ggf. im Konzern
Vgl. BAG 23.04.2008 NZA 2008, S. 939 („Bauleitung“)
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Beschäftigungswegfall trotz Bestehenbleibens der Tätigkeit!
Änderung der Rechts- bzw. Vertragsform
Siehe z.B.:
BAG 09.05.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung („Weight
Watchers“)
BAG 13.03.2008 NZA 2008, S. 878 („Plakatanschlag“)
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Missbrauch: Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf
Vgl. BAG 26.09.2002 AP Nr. 124 zu § 1 KSchG
Betriebsbedingte
Kündigung („Rheumaklinik“)
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Missbrauch: „Austauschkündigung“
Der Entschluss, die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben, ist keine die Kündigung bedingende Unternehmerentscheidung, wenn der Unternehmer
gegenüber den Beschäftigten im Wesentlichen weiterhin selbst die für die Durchführung der Arbeit erforderlichen Weisungen
erteilt. In einem solchen Fall
entfällt nicht die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb, vielmehr sollen nur die eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer ersetzt werden.
Eine
Kündigung aus diesem Grund ist als „Austauschkündigung“ gemäß
§
1 Abs. 1 u. 2
KSchG sozial ungerechtfertigt und deshalb unwirksam.
Vgl. BAG 26.09.1996 AP Nr. 80 zu § 1 KSchG
1969 („Crewing“)
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Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung liegen - danach -
nicht vor, wenn sich
eine unternehmerische Planung darin erschöpft, eigene Arbeitnehmer durch weisungsgebunden eingesetztes Fremdpersonal zu ersetzen. Ob dem ein verändertes Beschäftigungs-
oder
Betriebskonzept zugrunde liegt, ist unerheblich. Die den Kern der Umorganisation darstellende Austauschentscheidung
ist in diesen Fällen dem bloßen Kündigungsentschluss so nahe gerückt,
dass der Kündigungsschutz leerliefe, wenn diese Austauschentscheidung als bindend hingenommen werden müsste. Diese Sichtweise wird mindestens plausibel, wenn man die Auswirkungen von Austauschkündigungen mit denen von Änderungskündigungen zur Entgeltreduzierung und den jeweils für die Wirksamkeit dieser Kündigungen aufgestellten Schranken vergleicht. In beiden Fällen bleibt die von abhängig beschäftigten Personen zu erbringende Tätigkeit (nahezu) gleich, es soll jeweils lediglich eine Kostenreduzierung herbeigeführt werden. Einziger Unterschied ist die vom Arbeitgeber getroffene Entscheidung, ob eigenes oder fremdes Personal die Arbeit -
abhängig -
verrichtet.
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Wie weit reicht der Ultima-Ratio-Grundsatz?
Anwendung von § 1 Abs. 2 S. 2 u. 3 KSchG
bei Beschäftigung von Leiharbeitnehmern:
Welche Arbeitsplätze sind als frei anzusehen?
Sind Unternehmen gehalten, vor Beendigungskündigungen die bei ihren praktizierte Leiharbeit abzubauen (§
1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) bzw. Nr. 2 Buchst. b) KSchG)?
→ Differenzierung nach Fallgruppen!
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Fallgruppe: Bewältigung von Vakanzen/Vertretungsbedarf
BAG 02.02.2006 AP Nr. 142 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
BAG 01.03.2007 AP Nr. 164 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung
LAG Hamm 05.03.2007 DB 2007, S. 1701
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BAG 02.02.2006 AP Nr. 142 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung
(1 Jahr Arbeitsunfähigkeit; Unvorhersehbarkeit der Rückkehr; Vertretungsbesetzung mit einer anderen Schulsekretärin; Prüfung einer freien Stelle)
Ein Arbeitsplatz kann, solange ein zur Erledigung der dort anfallenden Arbeit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich verpflichteter Arbeitnehmer vorhanden ist, grundsätzlich nicht als frei angesehen werden. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt ist und vorübergehend nicht zur Arbeit herangezogen werden kann. Selbst dann, wenn wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der erkrankte Arbeitnehmer nicht zurückkehren wird, ist allein dadurch der betreffende Arbeitsplatz nicht als frei anzusehen, solange der Arbeitsvertrag besteht. Es ist -
bis zur
Grenze des Missbrauchs - Sache des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidungsfreiheit), darüber
zu bestimmen, ob und ggf. wie lange er eine Krankheitsvakanz auf einem bestimmten Arbeitsplatz
hinnimmt und ob und wie er sie überbrückt. Missbrauch: Neueinstellung; Umverteilung unter Verstoß gegen Schutzvorschriften.
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BAG 01.03.2007 AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung
(Abschluss von Rahmenverträgen zu Vertretungszwecken)
Würde das Gericht Vorgaben machen, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber verpflichtet wäre, im Falle einer Krankheitsvakanz Ersatzeinstellungen vorzunehmen, so wäre der Arbeitgeber gezwungen, mehr Arbeitsverträge zu unterhalten, als er es für zweckmäßig hält. Wenn es - wie es der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht - Sache des Arbeitgebers ist, das Verhältnis der Anzahl der Arbeitskräfte zum Volumen der anfallenden Arbeit im Rahmen der rechtlichen Bindungen zu bestimmen, so muss er auch - bis zur Grenze des Missbrauchs - frei sein, darüber zu befinden, ob und ggf. wie lange er eine Krankheitsvakanz auf einem bestimmten Arbeitsplatz hinnimmt und ob und wie er sie überbrückt. Diese Grundsätze gelten auch für andere Vertretungsfälle. Deckt die Beklagte tatsächlich, wie von ihr geltend gemacht, nur den Vertretungsbedarf durch rechtlich zulässig gestaltete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern ab, denen sie durch „Rahmenverträge“verbunden ist, so ist das durch den Vertretungsbedarf beschriebene Beschäftigungsvolumen nicht „frei“. Ausgeschlossen sein muss, dass - auch - nicht vertretungsbedingter Beschäftigungsbedarf in nennenswertem Umfang durch die „Rahmenverträge“ abgedeckt wird. Denn dann entspräche die Kündigung nicht dem von der Beklagten selbst vorgetragenen und im Rahmen der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegenden Konzept.
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Fallgruppe: Arbeitsschwankungen/Auftragsspitzen/Saisonbedarf
Bedarfsermittlung und Dauerhaftigkeitsprognose
Einsatzmöglichkeit lediglich im Weihnachtsgeschäft ohne Prognose eines dauerhaften Beschäftigungsbedarfs bei Ablauf der Kündigungsfrist
BAG 17.03.2005 AP Nr. 71 zu § 1 KSchG
1969 Soziale Auswahl [B.IV.2.d)]
LAG Hamm 31.07.2003 LAGE § 1 KSchG
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66b
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Fallgruppe: Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern
I. Meinungsstand1. BAG 17.03.2005 AP Nr. 71 zu §
1 KSchG
1969 Soziale Auswahl
2. LAG Hamm und LAG Rheinland-PfalzAPS/Kiel; Düwell/Dahl; ErfK/Oetker; Kiel/Koch; Stahlhacke/Preis/Vossen
3. LAG KölnFeudner; Gaul/Kühnreich; Horscher; v. Hoyningen-Huene/Linck; KPK/Schiefer/Meisel;KR-Griebeling; Löwisch/Spinner; Moll/Ulrich; Simon/Greßlin
II.
Ultima-Ratio-Grundsatz vs. UnternehmenskonzeptAbwesenheit von RechtsmissbrauchWiderspruchsfreiheitsgesichtspunkt
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Relevanz: Unternehmenskonzept
→
Leiharbeitnehmereinsatz für bestimmte Betriebe, Betriebsteile, Tätigkeiten
→
Dauer-Personalreserve
→
Belegschaftsanteil aus Kostengründen (Prozentsatz)
→
Belegschaftsanteil aus Flexibilitätsgründen
→
Schwankungen/Unregelmäßigkeiten/Zufälligkeiten
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Arbeitgeberpflicht bei außerordentlicher betriebsbedingter Kündigung
Arbeitnehmerüberlassung nach Betriebsübergang im Konzern
Siehe z.B.:
BAG 17.09.1998 AP Nr. 148 zu § 626 BGB
BAG 29.03.2007 AP Nr. 4 zu § 613a BGB Widerspruch
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Änderungskündigung mit dem Angebot der Arbeitnehmerüberlassung
BAG 29.03.2007 - 2 AZR 31/06
BAG 29.03.2007 - 2 AZR 103/06
BAG 29.03.2007 - 2 AZR 614/06
BAG 29.03.2007 - 2 AZR 667/06
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Arbeitnehmerüberlassung nicht als Ultima Ratio bei betriebsbedingter Kündigung jedenfalls bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmern
Dem Arbeitgeber würde bei Bejahung einer Pflicht zur Arbeitnehmerüberlassung die Verpflichtung auferlegt, im Vorfeld der Kündigung die Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung zu schaffen, und damit im Ergebnis veranlasst, sein Beschäftigungskonzept abzuändern, d.h. auf Arbeitnehmerüberlassung zu erstrecken, um bei Wegfall von Beschäftigungsbedarf Personalkosten senken zu können. Der Arbeitgeber muss keine „Verleih“-Stellen
schaffen. Der Arbeitgeber kann nicht
zu anderen Personalkonzepten gezwungen werden und damit z.B. nicht dazu, sich als Entleiher mit den damit verbundenen Fragestellungen zu betätigten bzw. sich mit den damit einhergehenden Problemstellungen auseinanderzusetzen. Dies müsste unvereinbar damit erscheinen, dass der Arbeitgeber im Rahmen von §
1 Abs. 2 KSchG
keine neuen Arbeitsstellen für betriebsbedingt zu
kündigende Arbeitnehmer schaffen muss. Die Kontrollbefugnis der Arbeitsgerichte ist darauf beschränkt, unternehmerische Konzepte auf Willkürfreiheit und deren Ursächlichkeit für den Wegfall eines Arbeitsplatzes zu überprüfen. Dazu gehört nicht, den Arbeitgeber zur Durchführung möglichst beschäftigungsintensiver Unternehmenskonzepte unter Einschluss von Verleih-Konzepten anzuhalten.
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