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Tilgung, Annuitat:
Werden Schulden in Teilbetragen, den sogenannten Raten zuruckgezahlt, so
spricht man von einer Tilgung, bei der die Schulden auf eine Restschuld vermin-
dert werden.
Die in einem Zeitabschnitt vom Schuldner aufzubringende Leistung wird als An-
nuitat bezeichnet. Die Annuitat A setzt sich aus der Tilgungsrate T und den
Zinsen Z fur den Zeitabschnitt zusammen: A = T + Z.
Eine Zusammenstellung der in den einzelnen Zeitabschnitten zu erbringenden An-
nuitaten, Zinsen und Tilgungsraten heißt Tilgungsplan.
Bei der Ratentilgung ist die Tilgungsrate wahrend der gesamten Tilgungsdau-
er konstant.
Bei der Annuitatentilgung erfolgt die Tilgung am Ende jeder Periode so, dass
die Annuitat uber den gesamten Zeitraum konstant bleibt. Manchmal erlaubt man
auch variierende Annuitaten, ein Fall, den wir hier aber nicht betrachten wollen.
Im Rahmen eines Tilgungsplans kann man variierende Zahlungen (Sondertilgun-
gen) problemlos berucksichtigen, die formelmaßige Behandlung wird dann aber
schwieriger bis unmoglich.
Da die Restschuld und damit die Zinsen im Laufe der Zeit sinken, wird bei der
Annuitatentilgung von Jahr zu Jahr ein großerer Betrag getilgt.
234
Soll eine Schuld K0 in n Jahren mit einer Ratentilgung getilgt werden, so betragt
die
jahrliche Tilgungsrate T =K0
n.
Da die zu verzinsende Restschuld von Jahr zu Jahr abnimmt, werden die An-
nuitaten mit der Zeit geringer.
Beispiel 4.19 (Ratentilgung) Der Tilgungsplan fur eine SchuldK0 = 100.000¤
235
bei 8% Zinsen und einer Laufzeit von 10 Jahren hat folgende Form
Jahr Tilgungsrate Zinsen Annuitat Restschuld
1 10.000 8.000 18.000 90.000
2 10.000 7.200 17.200 80.000
3 10.000 6.400 16.400 70.000
4 10.000 5.600 15.600 60.000
5 10.000 4.800 14.800 50.000
6 10.000 4.000 14.000 40.000
7 10.000 3.200 13.200 30.000
8 10.000 2.400 12.400 20.000
9 10.000 1.600 11.600 10.000
10 10.000 800 10.800 0
100.000 44.000 144.000
Wie man an der Tabelle sieht, sind die Belastungen des Schuldners ungleichmaßig
uber die Tilgungsdauer verteilt.
236
Ratentilgung:
Sei K0 die Schuld und T die Tilgungsrate, um die Schuld in n Jahren zu tilgen,
also
T =K0
n.
Bei der Ratentilgung bilden Zinsen, Annuitaten und Restschuld jeweils arithme-
tische Folgen:
Sei d der Zinssatz,Km die Restschuld am Ende derm-ten Periode, Zm die zu zah-
lenden Zinsen fur die (m+1)-te Periode und Am die Annuitat, also Am = T+Zm.
Dann ist
Km = Km−1 − T, m = 1, . . . , n
Z0 = K0 · d,Zm = Zm−1 − T · d, m = 1, . . . , n− 1,
A0 = Z0 + T,
Am = Am−1 − T · d, m = 1, . . . , n− 1,
wobei d = q − 1 (q Aufzinsungsfaktor).
Beispiel 4.20 (Annuitatentilgung) Will man nun in der gleichen Situation
wie in Beispiel 4.19 die Schuld mit der Annuitatentilgung ableisten, so benotigt
237
man diejenige konstante Annuitat A, die nach 10 Jahren zur Gesamttilgung der
Schuld mit den aufgelaufenen Zinsen fuhrt. Dieser Wert A berechnet sich wie
folgt:
In 10 Jahren wird aus der Schuld K0 = 100.000 bei nachschussigem Zinseszins
Kn = K0 · 1, 0810 = 215892, 50. Die Tilgung dieser Gesamtschuld in 10 Jah-
ren kann man sich nun als eine n-malige Rente vorstellen. Daher ist die gesuchte
Annuitat A gerade diejenige konstante Rentenzahlung, die zu einem Endwert von
215892, 50 fuhrt. Bei nachschussiger Zahlung muss also die erste Formel auf Seite
232 angewendet werden und liefert
A = Knq − 1
qn − 1= 215892, 50 · 0, 08
1, 0810 − 1≈ 14902, 95.
(typischerweise begleicht man nicht gleich bei Aufnahme des Kredits eine Schuld,
sondern beginnt nach dem ersten Zeitintervall, daher nachschussige Zahlung). Da-
mit hat der Tilgungsplan fur eine Schuld von K0 = 100.000 ¤ bei 8% Zinsen und
einer Laufzeit von 10 Jahren die Form
238
Jahr Tilgung Zinsen Annuitat Restschuld
1 6.902, 95 8.000, 00 14.902, 95 93.097, 05
2 7.455, 19 7.447, 76 14.902, 95 85.641, 86
3 8.051, 60 6.851, 35 14.902, 95 77.590, 26
4 8.695, 73 6.207, 22 14.902, 95 68.894, 53
5 9.391, 39 5.511, 56 14.902, 95 59.503, 19
6 10.142, 70 4.760, 25 14.902, 95 49.360, 45
7 10.954, 11 3.948, 84 14.902, 95 38.406, 33
8 11.830, 44 3.072, 51 14.902, 95 26.575, 89
9 12.776, 88 2.126, 07 14.902, 95 13.799, 02
10 13.799, 02 1.103, 93 14.902, 95 0, 00
100.000 49.029, 50 149.029, 50
Annuitatentilgung:
Sei K0 die Schuld, d der jahrliche Zinssatz, q = 1+ d der Aufzinsungsfaktor, und
sei A die konstante Annuitat, die erforderlich ist, um die Schuld nach n Jahren
zu tilgen. Dann ist
K0 · qn = A · qn − 1
q − 1.
239
Bei der Annuitatentilgung bildet die Tilgung eine geometrische Folge.
Sei Km die Restschuld am Ende der m-ten Periode, Zm die zu zahlenden Zinsen
fur die (m+1)-te Periode und Tm die zu zahlende Tilgungsrate fur die (m+1)-te
Periode. Dann gilt
Km = K0 · qm − A · qm − 1
q − 1, m = 1, . . . , n
Z0 = K0 · (q − 1)
Zm = Zm−1 · q − A · (q − 1), m = 1, . . . , n− 1
T0 = A−K0 · (q − 1)
Tm = Tm−1 · q, m = 1, . . . , n− 1
Beispiel 4.21 Statt die Situation eines Schuldners und seiner Bank zu betrach-
ten, konnen die Rollen auch vertauscht werden, d.h. wir behandeln nun folgende
Situation:
Sei K0 ein Anfangskapital, das zu Beginn eines Jahres eingezahlt und mit dem
jahrlichen Zinssatz d verzinst wird. Innerhalb eines Jahres vermehrt sich das Ka-
pital um den Aufzinsungsfaktor q = 1 + d. Am Ende jeden Jahres wird dem
Kapital ein fester Betrag R entnommen (die “Rente”). Dieser Betrag R ent-
spricht der konstanten Annuitat in der Situation der Annuitatentilgung.
240
Wie groß ist dann das Kapital nach n Jahren? Die Formel aus dem obigen Satz
liefert unmittelbar die Antwort; dies ist die sogenannte Sparkassenformel fur
den Kapitalabbau durch Auszahlung einer festen Rente bei einem Zinssatz d:
Kn = K0qn −R · q
n − 1
q − 1
= K0(1 + d)n −R · (1 + d)n − 1
d
241
5 Differenzialrechnung fur Funktionen einerVariablen
Ist f eine okonomische Funktion, so ist oft wichtig zu wissen, wie sich die Funk-
tion bei kleinen Anderungen verhalt. Beschreibt etwa f einen Wachstumspro-
zess, so ist die Wachstumsgeschwindigkeit von Interesse oder auch die relative
Wachstumsrate. Ist f eine Steuerfunktion, so ist die Frage bedeutend, welcher
Steuerprozentsatz auf einen kleinen Zuverdienst zu zahlen ist. Fur ein Unterneh-
men ist interessant, wie sich die (relative) Nachfrage nach einem Produkt bei
(relativ) kleinen Preisanderungen andert. Wichtig ist auch die Bestimmung von
Extremwerten okonomischer Großen, etwa die Minimierung von Kosten oder die
Maximierung von Gewinnen.
Bei der Beantwortung dieser Fragen ist die Differenzialrechnung nutzlich.
Alle Funktionen in diesem Kapitel sind stets von der Form f : D −→ R wobei
D ⊆ R der Definitionsbereich ist. Also gibt es fur jedes x ∈ D einen Funktions-
wert f (x).
Beispiel 5.1 Angenommen, die Kostenfunktion eines Unternehmens fur die Pro-
242
duktion von x Stucken eines Gutes sei gegeben durch
K(x) = 20√x + 100.
Nun ist das Unternehmen daran interessiert, wie sich die Kosten bei kleiner Ande-
rung der Produktionsmenge verandern. Eine standardisierte Information ist hier-
bei zum Beispiel, wie sich K(x) andert, wenn man x um eine Einheit erhoht.
Die Anderung ist dann K(x + 1) − K(x). Es sollte klar sein, dass eine solche
Anderung von der Ausgangszahl x abhangt. Etwa ist
K(101)−K(100) = 20(√101−
√100) ≈ 0, 998,
K(1001)−K(1000) = 20(√1001−
√1000) ≈ 0, 361.
Zieht man auch andere Anderungen von x in Betracht, so ist es sinnvoll, die
relative Anderung der Kosten im Verhaltnis zur Anderung von x zu berechnen.
Das ist der Quotient
K(x + h)−K(x)
(x + h)− x=
K(x + h)−K(x)
h
(etwa fur die Werte h = 1, 0.1, 0.01) und gibt die durchschnittliche Kostenande-
rung pro zusatzlicher Mengeneinheit an. In der folgenden Tabelle sind diese rela-
tiven Anderungen fur einige Werte von x und h angegeben.
243
x K(x+1)−K(x)1
K(x+0,1)−K(x)0,1
K(x+0,01)−K(x)0,01
10 3,087 3,154 3,161
100 0,998 0,1 0,1
1000 0,316 0,316 0,316
Man sieht, dass sich fur kleine Werte von x die Anderung von x starker auf die
relative Anderung der Kosten auswirkt als fur große Werte. Das kann man auch
am Graphen sehen, denn die Funktionswerte unterscheiden sich in der Nahe von
x = 10 starker voneinander als etwa bei x = 100 oder x = 1000.
100
200
300
400
500
600
700
800
0 200 400 600 800 1000 1200x
Man sieht, dass die obige Situation durch die Steigung des Graphen erklart wird.
244
5.1 Differenziation
Bevor wir eine formale Definition der Ableitung einer Funktion angeben, soll
zunachst beschrieben werden, wie man die Steigung einer (krummlinigen) Funk-
tion in einem Punkt festlegen und bestimmen kann.
Steigung einer Funktion in einem Punkt
1. Ist f : R −→ R eine Gerade, so ist die Steigung des zugehorigen Graphen
an jeder Stelle gleich und lasst sich durch ein Steigungsdreieck ermitteln.
x1=5,h’=4x0=2, h=2
h’
f(x1+h’)-f(x1)
h
f(x0+h)-f(x0)
10
20
30
40
50
60
70
0 2 4 6 8 10 12x
245
Die Steigung ist definiert als Hohe durch Breite eines Steigungsdreiecks, also
f (x0 + h)− f (x0)
(x0 + h)− x0=
f (x0 + h)− f (x0)
h.
Hierbei spielt es offensichtlich keine Rolle, wo das Dreieck eingezeichnet wird
und wie weit die beiden Stellen x0 und x0+h auseinanderliegen. Sie ist also
unabhangig von x0 und h. Ist f (x) = cx + d, so ist f(x0+h)−f(x0)h = ch
h = c.
2. Ist nun f : D → R eine Funktion mit einem krummlinigen Graphen, so
lassen sich immer noch Steigungsdreiecke zu gegebenen Stellen x0 und x0+h
zeichnen; die daraus resultierende Große
f (x0 + h)− f (x0)
h(5.1)
hangt nun aber im allgemeinen sowohl von x0 als auch von h ab (siehe
Beispiel 5.1). Sie gibt die (relative) Veranderung der Funktionswerte im
Verhaltnis zu den x-Werten an. Außerdem lasst sie sich als durchschnittliche
Steigung von f auf dem Abschnitt [x0, x0 + h] auffassen. Das ist die Stei-
gung der Geraden, die durch die Punkte (x0, f (x0)) und (x0+h, f (x0+h))
geht. In diesem Zusammenhang heißen diese Geraden auch Sekanten. Man
benutzt nun diese Steigungsdreiecke fur einen Grenzprozess: wahlt man h
246
immer kleiner, so ruckt der Punkt x0+h immer naher an x0, das Steigungs-
dreieck wird immer kleiner und die Große (5.1) liefert die Steigung auf einem
sehr kleinen Abschnitt in der Nahe von x0. Falls dieser Grenzprozess einen
Grenzwert hat, etwa
limh→0
f (x0 + h)− f (x0)
h= a,
so nennt man a die Ableitung von f an der Stelle x0. Als Grenzwert der
Sekanten erhalt man dann gerade die Tangente an den Graphen von
f an der Stelle x0. Deren Steigung ist a.
247
Differenzenquotient, Differenzialquotient, Ableitung
Sei D ein offenes Intervall, f : D → R eine Funktion und x0 ∈ D.
1. Fur h ∈ R\{0} heißt f(x0+h)−f(x0)h ein Differenzenquotient von f .
2. Die Funktion f heißt an der Stelle x0 differenzierbar, falls der Grenzwert
limh→0
f (x0 + h)− f (x0)
hexistiert.
In diesem Fall wird die Notation
f ′(x0) := limh→0
f (x0 + h)− f (x0)
hbenutzt.
Der Grenzwert f ′(x0) heißt Ableitung von f an der Stelle x0.
Ist f an jeder Stelle x ∈ D differenzierbar, dann heißt f differenzierbar auf
D, und die Funktion f ′ : D → R heißt Ableitung von f .
Beachte, dass das Symbol limh→0 fur den beidseitigen Grenzwert steht. Man muss
also sowohl positive als auch negative Werte fur h betrachten!
248
Die Große h wird in der Literatur oft als ∆x geschrieben. Sie steht fur eine (kleine)
Anderung der Argumente x. Fur die zugehorige Anderung der Funktionswerte
f (x + h)− f (x) wird dann ∆f geschrieben.
Bemerkung:
Oft werden statt der Bezeichnungen x0 und x0 + h fur die zwei Stellen auch x0und x gewahlt. Setzt man h := x − x0, also x = x0 + h, so lautet dann der
Differenzenquotientf (x)− f (x0)
x− x0und die Ableitung, falls sie existiert, ist der Grenzwert
limx→x0
f (x)− f (x0)
x− x0.
Fur kleine Werte von h (oder fur x nahe bei x0) ist der Differenzenquotient eine
Annaherung an die Ableitung:
f ′(x0) ≈f (x0 + h)− f (x0)
h=
f (x)− f (x0)
x− x0.
249
Geometrisch bedeutet diese Approximation, dass die Funktion in der Nahe von
x0 durch die Tangente an der Stelle x0 angenahert wird. Denn
f (x) ≈ f (x0) + f ′(x0) · (x− x0)
und der Ausdruck auf der rechten Seite ist die Gleichung der Geraden mit Steigung
f ′(x0) durch den Punkt (x0, f (x0)).
Beispiel 5.2 1. Lineare Funktion:
Eine Funktion der Form f : R → R, f (x) = c x+d ist eine lineare Funktion.
Der Funktionsgraph ist die Gerade
{(x, c x + d) | x ∈ R}
mit Steigung c. Sei nun x0 ∈ R, dann ist fur alle h ∈ R \ {0} der Differen-
zenquotient gegeben durch
c(x0 + h) + d− (cx0 + d)
h=
ch
h= c.
Der Differenzenquotient hangt weder von x0 noch von h ab. Insbesondere
ist f ′(x0) = c fur alle x0 ∈ R. Die Funktion hat uberall die gleiche Steigung.
Die Ableitung f ′ : R → R ist somit die konstante Funktion f ′(x) = c fur
alle x ∈ R.
250
2. f (x) = x3:
Mithilfe des binomischen Lehrsatzes erhalt man fur den Differenzenquoti-
enten an der Stelle x
f (x + h)− f (x)
h=
(x + h)3 − x3
h
=x3 + 3x2h + 3xh2 + h3 − x3
h
=h(3x2 + 3xh + h2)
h= 3x2 + 3xh + h2
Damit ist der Grenzwert
limh→0
f (x + h)− f (x)
h= 3x2 = f ′(x).
Ahnlich lasst sich zeigen:
f (x) = xn, dann ist f ′(x) = nxn−1.
3. f (x) = |x|:Die Betragsfunktion f : R −→ R mit f (x) = |x| ist an der Stelle x0 = 0
nicht differenzierbar.
251
1
2
3
4
5
–4 –2 2 4x
Offensichtlich lasst sich an der Stelle x0 = 0 keine eindeutige Tangente
einzeichnen. Die Steigung “springt” hier abrupt von −1 auf 1.
Genauer gesagt: Steigungsdreiecke, die links von x0 = 0 liegen, liefern alle
die Steigung −1, die, die rechts liegen, die Steigung 1. Daher existiert der
beidseitige Grenzwert des Differenzenquotienten an der Stelle x0 = 0 nicht
und die Funktion ist dort nicht differenzierbar. Etwas genauer:
limhր0
|0 + h| − |0|h
= limhր0
|h|h
= limhր0
−h
h= −1,
weil |h| = −h fur h < 0 gilt. Entsprechend gilt
limhց0
|0 + h| − |0|h
= limhց0
|h|h
= limhց0
h
h= 1,
252
weil |h| = h fur h > 0 gilt.
Hat eine Funktion eine Sprungstelle an der Stelle x0, so hat sie dort sicherlich
keine Tangente. Genauer:
Ist die Funktion f : D → R in x0 ∈ D differenzierbar, dann ist f auch stetig im
Punkt x0.
Aber nicht jede stetige Funktion ist auch differenzierbar, wie die Betragsfunktion
in Beispiel 5.2.3 zeigt.
Beispiel 5.3 (Ableitung einiger Grundfunktionen)
Die Definitionsbereiche der unten stehenden Funktionen haben wir bereits in
253
Kapitel 2 untersucht.
f (x) c xn xα (α ∈ R) ex
f ′(x) 0 n · xn−1 α · xα−1 ex
f (x) ax (a > 0) ln(|x|) loga(|x|) (a > 0, a 6= 1)
f ′(x) ln(a) · ax 1
x
1
x ln(a)
f (x) sin(x) cos(x) tan(x) cot(x)
f ′(x) cos(x) − sin(x)1
cos2(x)
−1
sin2(x)
Speziell ist fur f (x) = 1x = x−1 die Ableitung f ′(x) = −x−2 = − 1
x2und allgemein
f (x) =1
xn= x−n, dann f ′(x) = −nx−n−1 =
−n
xn+1.
Mit den obigen Grundfunktionen und folgenden Rechenregeln lassen sich leicht
die Ableitungen vieler Funktionen berechnen.
254
Seien f, g : D → R in einem Punkt x ∈ D differenzierbar. Dann sind auch die
Funktionen f + g, f · g : D → R in x differenzierbar, und es gilt:Summenregel:
(f + g)′ (x) = f ′(x) + g′(x),
Produktregel:
(fg)′ (x) = f ′(x) g(x) + f (x) g′(x)
Als Spezialfall der Produktregel ergibt sich
(λ · f )′(x) = λ · f ′(x)
fur jede differenzierbare Funktion f und jede Zahl λ ∈ R.
Ist zusatzlich g(x) 6= 0 fur alle x ∈ D, dann ist die Funktion fg : D → R in x
differenzierbar mit
Quotientenregel:(f
g
)′(x) = f ′(x) g(x)−f(x) g′(x)
g(x)2
255
Etwas komplizierter ist die folgende Regel:
Seien f : D → R und g : E → R Funktionen mit f (D) ⊆ E, d.h. f (x) ∈ E fur
alle x ∈ D). Sei f in x ∈ D differenzierbar, und sei g in f (x) ∈ E differenzierbar.
Dann ist auch g ◦ f an der Stelle x differenzierbar und es gilt
Kettenregel: (g ◦ f )′ (x) = g′ (f (x)) f ′(x).
Beispiel 5.4 1. Fur f (x) = 3x5 − 10x4 + 2x3 − 7x2 + 2 ist
f ′(x) = 15x4 − 40x3 + 6x2 − 14x.
2. Sei f (x) =3x2 − 2x + 1
7x− 5. Dann ist
f ′(x) =(6x− 2)(7x− 5)− 7(3x2 − 2x + 1)
(7x− 5)2
=21x2 − 30x + 3
(7x− 5)2
256
3. Fur S(x) = sin2(x) konnen wir schreiben S = g ◦ f mit f (x) = sin(x) und
g(x) = x2. Daher ist
S ′(x) = 2 · sin(x) · cos(x)
Allgemein ist fur eine Funktion f (x) = g(x)n
f ′(x) = ng(x)n−1g′(x).
4. Fur f (x) = e(ax2+bx+c)2 ist mit der Kettenregel
f ′(x) = e(ax2+bx+c)2 · 2 · (ax2 + bx + c) · (2ax + b)
Als letzte Differenziationsregel betrachten wir
Ableitung der Umkehrfunktion:
Sei f : D → R eine injektive stetige Abbildung, und sei f−1 : f (D) → R die
Umkehrfunktion von f . Ist f in einem Punkt x ∈ D differenzierbar mit f ′(x) 6= 0,
dann ist f−1 im Punkt y = f (x) differenzierbar, und es gilt
(f−1)′(y) =1
f ′ (f−1(y))=
1
f ′(x).
257
Beispiel 5.5 Sei f (x) = ex. Die Funktion ist injektiv. Die Umkehrfunktion ist
gegeben durch g(x) = f−1(x) = ln(x). Nach Beispiel 5.3 ist f ′(x) = ex und daher
f ′(x) 6= 0 fur alle x ∈ R. Die obige Rechenregel liefert
g′(y) =1
f ′(g(y))=
1
eln(y)=
1
y,
wie es auch schon in Beipiel 5.3 angegeben ist. Es gilt sogar g′(|y|) = 1y .
Als neue Ableitungen erhalt man die der trigonometrischen Umkehrfunktionen.
Beispiel 5.6 (Ableitung der Arcusfunktionen)
f sin(x) cos(x) tan(x) cot(x)
D(f )[− π
2 ,π2
][0, π]
(− π
2 ,π2
)(0, π)
W (f ) [−1, 1] [−1, 1] R R
f−1 arcsin(x) arccos(x) arctan(x) arccot(x)
(f−1)′ 1√1−x2
−1√1−x2
11+x2
−11+x2
258
Wir wollen uns dies fur den Tangens etwas genauer anschauen. Die Rechenregel
fur die Ableitung der Umkehrfunktion zeigt
arctan′(y) =1
tan′(x),
wobei y = tan(x), also x = arctan(y). Wir erhalten mittels der Quotientenregel
und tan(x) = sin(x)cos(x)
tan′(x) =cos2(x) + sin2(x)
cos2(x)= 1 + tan2(x) = 1 + y2,
weil x = arctan(y) und somit tan(x) = y. Das liefert
arctan′(y) =1
1 + y2.
Die anderen Falle sind ahnlich.
Man kann den Differenziationsprozess unter Umstanden auch auf die Ableitung
anwenden.
259
Ableitungen hoherer Ordnung:
Sei f : D → R eine differenzierbare Funktion. Ist die Ableitung f ′ : D → R
ihrerseits in jedem Punkt x ∈ D differenzierbar, dann heißt
f ′′(x) = (f ′)′(x)
die zweite Ableitung von f im Punkt x und die Funktion f ′′ : D → R
heißt zweite Ableitung von f .
Allgemein heißt eine Funktion f : D → R n-mal differenzierbar, n ∈ N,
wenn die (n − 1)-te Ableitung differenzierbar ist. Die n-te Ableitung wird auch
mit f (n) : D → R bezeichnet. Insbesondere wird f (0) = f gesetzt und es ist
f (1) = f ′ und f (2) = f ′′.Die Funktion f heißt ∞ oft differenzierbar, wenn alle Ableitungen f (n), n ∈N, existieren.
Die geometrische Bedeutung der zweiten Ableitung wird im nachsten Abschnitt
erklart.
Beispiel 5.7 Mithilfe von Beispiel 5.3 und den ublichen Rechenregeln lassen
sich folgende Ableitungen berechnen.
260
1. f (x) = ln(x):
f ′(x) = 1x, f ′′(x) = − 1
x2,
f (3)(x) = 2x3
= 2x−3, f (4)(x) = −6x4, . . .
f (n)(x) = (−1)n−1 · (n− 1)!
xn
2. f (x) = x5 − 2x3 + x2 − 10:
f ′(x) = 5x4 − 6x2 + 2x, f ′′(x) = 20x3 − 12x + 2,
f (3)(x) = 60x2 − 12, f (4)(x) = 120x,
f (5)(x) = 120,
f (6)(x) = 0 = f (n)(x), fur n ≥ 6
3. f (x) = 3ex:
f ′(x) = 3ex, f ′′(x) = 3ex, . . . , f (n)(x) = 3ex.
Polynome, rationale Funktionen, die Exponentialfunktion und die trigonometri-
schen Funktionen sind auf ihrem Definitionsbereich unendlich oft differenzierbar.
261
Es folgt nun noch ein Nachtrag zum Thema Grenzwerte von Funktionen. Wir
hatten in Abschnitt 2.6 Beispiele von Funktionen gesehen, bei denen die ubli-
chen Grenzwertregeln nicht weiterhelfen, etwa bei Quotienten von Funktionen,
wo Zahler und Nenner fur x → x0 beide gegen Null (oder beide gegen unendlich)
konvergieren. Mithilfe der Differentiation ist es nun moglich, weitere Grenzwert-
regeln aufzustellen, mit denen sich etwa
limx→0
sin(x)
xoder lim
x→∞x3
ex
bestimmen lassen.
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Regeln von de L’Hospital:
Seien D = (a, b)\{x0} mit a < x0 < b und f, g : D → R differenzierbare
Funktion, sowie g′(x) 6= 0 auf D. Außerdem gelte
limx→x0
f (x) = limx→x0
g(x) = 0 (5.2)
oderlimx→x0
f (x) = ±∞, limx→x0
g(x) = ±∞. (5.3)
Dann giltlimx→x0
f ′(x)
g′(x)= α ∈ R ⇒ lim
x→x0
f (x)
g(x)= α. (5.4)
Die gleichen Aussagen gelten auch fur Grenzwerte der Form limxցx0f(x)g(x) ,
limxրx0f(x)g(x) und limx→±∞
f(x)g(x) .
Man beachte, dass die Implikation (5.4) auch beinhaltet, dass im Falle der Kon-
vergenz von limx→x0
f ′(x)
g′(x)der Grenzwert lim
x→x0
f (x)
g(x)uberhaupt existiert.
Es ist ganz wichtig, dass die Voraussetzungen (5.2) oder (5.3) erfullt sind. Andern-
falls liefert die Implikation (5.4) ein falsches Ergebnis. Das wird in Beispiel 5.8.8
illustriert. Wenn (5.2) und (5.3) beide nicht gelten, lasst sich der Grenzwert so-
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wieso direkt bestimmen.
Beispiel 5.81. 0
0 Seien f (x) = sin(x), g(x) = x und x0 = 0.
Dann ist (5.2) erfullt und wegen
limx→0
f ′(x)
g′(x)= lim
x→0
cos x
1= 1
ist mit (5.4): limx→0
sin(x)
x= lim
x→0
f (x)
g(x)= 1.
2. ∞∞ Seien f (x) = x3 und g(x) = ex. Dann ist (5.3) fur x → ∞ erfullt und
iterative Anwendung der Regel von de L’Hospital liefert:
limx→∞
x3
ex= lim
x→∞f (x)
g(x)= lim
x→∞f ′(x)
g′(x)= lim
x→∞3x2
ex
= limx→∞
f ′′(x)
g′′(x)= lim
x→∞6x
ex
= limx→∞
f (3)(x)
g(3)(x)= lim
x→∞6
ex= 0.
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3. ∞∞ Seien f (x) = ex + 2 und g(x) = e2x − 2. Dann ist (5.3) fur x → ∞erfullt und daher
limx→∞
ex + 2
e2x − 2= lim
x→∞ex
2e2x= lim
x→∞1
2ex= 0.
4. 0 · ∞ Seien f (x) = ln(x), g(x) = x und x0 = 0. Es soll limxց0
ln(x)x
bestimmt werden. Dies ist zwar kein Quotient, aber durch Umformen erhalt
man
limxց0
ln(x) · x = limxց0
ln(x)1x
= −∞∞
= limxց0
1x
− 1x2
= limxց0
(−x) = 0.
5. 1∞ Seien f (x) = 1 + ax und g(x) = x. Dann ist
limx→∞
(1 +
a
x
)x= lim
x→∞f (x)g(x) = lim
x→∞eln(f(x))·g(x)
= limx→∞
eln(1+ax)·x.
265
Nun ist der Exponent fur x → ∞ vom Typ 0 · ∞ und daher ist wie in 3.
limx→∞
ln(1 +
a
x
)· x = lim
x→∞ln(1 + a
x
)
1x
=
limx→∞
−a
x2
1+ax
−1x2
= limx→∞
a
1 + ax
= a.
Also ist limx→∞
(1 +
a
x
)x= ea.
6. ∞0 Seien f (x) = x + 1 und g(x) = 2ln(x). Dann gilt
limx→∞
(x + 1)2
ln(x) = limx→∞
f (x)g(x) = limx→∞
eln(f(x))·g(x)
= limx→∞
eln(x+1)· 2
ln(x) .
Der Exponent ist fur x → ∞ vom Typ ∞∞ . Somit ist
limx→∞
2 ln(x + 1)
ln(x)= lim
x→∞2 ·
1x+11x
= limx→∞
2 · x
x + 1= 2.
Also ist limx→∞
(x + 1)2
ln(x) = e2.
266
7. 00 Fur f (x) =√x · 3x und g(x) = 1
ln(x) gilt
limxց0
(√x3x) 1ln(x) = lim
xց0f (x)g(x) = lim
xց0eln(f(x))·g(x)
= limxց0
eln(
√x3x) 1
ln(x) = limxց0
e
12 ln(x)+x ln(3)
ln(x) .
Der Exponent ist fur x ց 0 vom Typ ∞∞ , also
limxց0
12 ln(x) + x ln(3)
ln(x)= lim
xց0
12x + ln(3)
1x
= limxց0
(1
2+ x ln(3)
)=
1
2.
Damit ist limxց0
(√x3x) 1ln(x) =
√e.
8. Abschließend noch ein Beispiel, das die Notwendigkeit der Voraussetzung (5.2)
oder (5.3) zeigt. Betrachte f (x) = e2x − 2 und g(x) = ex + 2. Es soll
limx→−∞
f (x)
g(x)(5.5)
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bestimmt werden. Allein die Regel (5.4) “wurde” wegen
limx→−∞
f ′(x)
g′(x)= lim
x→−∞2e2x
ex= lim
x→−∞2ex = 0
den Grenzwert 0 fur (5.5) liefern. Das ist aber falsch, denn wegen limx→−∞
ex =
0 ist limx→−∞
f (x) = −2 und limx→−∞
g(x) = 2, folglich erhalten wir den kor-
rekten Grenzwertlim
x→−∞f (x)
g(x)= −1.
Offensichtlich sind weder (5.2) noch (5.3) erfullt, deshalb darf man (5.4)
nicht anwenden.
5.2 Kurvendiskussion
Viele okonomischen Zusammenhange werden durch Funktionen beschrieben. Da-
her ist es wichtig, das Verhalten der Funktionen bestimmen zu konnen. Hierzu
gehoren
1. Definitionsbereich,
2. Nullstellen,
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