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Bachelorarbeit
Was gibt es Neues vom Boulevard? Empirische Hochschulschriften der vergangenen 20 Jahre an der Universität
Wien zu boulevardformatigen Medien in Österreich
verfasst von
Sophie Kronberger, BA
01300431
Publizistik- und Kommunikationswissenschaften
033 641
220012 SE BAKK 2 - Bakkalaureats-Seminar (2017WS)
Mag. Dr. Stefan Weber
Wien, März 2018
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG............................................................................................................................................... 1
1.1 EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK ....................................................................................................................... 1
1.2 METHODIK UND AUFBAU ................................................................................................................................ 1
1.3 EMPIRISCHER FORSCHUNGSSTAND .................................................................................................................. 2
2 BOULEVARDJOURNALISMUS ............................................................................................................... 5
2.1 DEFINITIONEN UND HISTORIE .......................................................................................................................... 5
2.2 MERKMALE DES BOULEVARDJOURNALISMUS ................................................................................................. 8
2.3 AKTUELLE THEMEN DES BOULEVARDJOURNALISMUS .................................................................................. 11
3 CULTURAL STUDIES .............................................................................................................................. 16
3.1 ÜBERBLICK ÜBER DIE CULTURAL STUDIES ................................................................................................... 16
3.2 DAS ENCODING-DECODING-MODELL VON STUART HALL ............................................................................ 16
4 METHODENTEIL ..................................................................................................................................... 18
4.1 FORSCHUNGSFRAGEN UND HYPOTHESEN ...................................................................................................... 18
4.2 DAS UNTERSUCHUNGSMATERIAL.................................................................................................................. 19
4.3 INHALTSANALYSE ......................................................................................................................................... 20
4.4 DAS KATEGORIENSYSTEM ............................................................................................................................. 20
5 EMPIRISCHER TEIL ............................................................................................................................... 22
5.1 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE ................................................................................................................... 22
5.1.1 Forschungsfrage 1 .............................................................................................................................. 22
5.1.2 Forschungsfrage 2 .............................................................................................................................. 23
5.1.3 Forschungsfrage 3 .............................................................................................................................. 24
6 FAZIT .......................................................................................................................................................... 27
7 LITERATURVERZEICHNIS................................................................................................................... 30
7.1 SEKUNDÄRLITERATUR................................................................................................................................... 30
7.2 INTERNETQUELLEN ....................................................................................................................................... 33
7.3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................................................ 34
ABSTRACT .......................................................................................................................................................... 34
1
1 Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
Hohe Auflagen – Viel Kritik. „Boulevardmedien werden stetig populärer“, heißt es zu Beginn
von Peter A. Brucks und Günther Stockers Studie zur Rezeption von Boulevardzeitungen.1
Obwohl 1997 in erster Auflage verfasst, hat sich auch mehr als 20 Jahre danach nichts an dieser
Feststellung geändert. Immer noch sind Boulevardmedien äußerst beliebt und werden gern
gelesen, gern gehört und gern gesehen. Die Kronen Zeitung, Österreichs bekanntestes
Boulevardmedium, ist laut Österreichischer Auflagenkontrolle (ÖAK) die auflagenstärkste
Tageszeitung Österreichs. „738.191 verkaufte Auflage (davon 18.865 ePaper), 769.138
verbreitete Auflage (davon 19.361 ePaper), 817.068 Druckauflage und 637.165 Abonnements“2
sprechen für sich. Ähnlich sieht es bei anderen boulevardformatigen Medien aus, etwa Kronehit
und Ö3 als Radiosender oder boulevardeske Fernsehmagazine wie Explosiv! auf RTL. Der
Boulevard ist also in aller Munde, aber wie sieht es als Forschungsgegenstand aus? Sind
boulevardformatige Medien an der Universität Wien als Forschungsgegenstand genauso beliebt
wie bei den Rezipienten der Medien? Obwohl die Auflagen sowie Einschalt- und Hörerquoten
von Boulevardmedien konstant hoch sind, wird mit Kritik von vielen Seiten nicht gespart. Oft
wird Boulevardjournalismus in einem negativen Licht betrachtet und im binären Muster
Qualitätsjournalismus = Gut und Boulevardjournalismus = Böse gesehen.
1.2 Methodik und Aufbau
„Was gibt es Neues vom Boulevard. Empirische Hochschulschriften der vergangenen 20 Jahre
an der Universität Wien zu boulevardformatigen Medien in Österreich“ lautet der Titel dieser
Bachelorarbeit. Daraus lässt sich folgende forschungsleitende Frage ableiten, die später in
mehrere Forschungsfragen und Hypothesen untergliedert wird: „Wie wurde an der Universität
Wien zu boulevardformatigen Medien geforscht?“
Bevor untersucht wird, wie Studierende an der Universität Wien geforscht haben, soll ein Blick
auf die jüngere Forschungsgeschichte zu Boulevardmedien geworfen werden. Wie sieht der
aktuelle Forschungsstand aus und welche Forschungsschwerpunkte gibt es, sind Fragen, die im
1 Vgl. Bruck, Peter A. / Stocker, Günther: Die ganz normale Vielfältigkeit des Lesens. Zur Rezeption von
Boulevardzeitungen. 2. überarbeitete Auflage. Lit Verlag Münster: Hamburg/London, 2002. 2 APA OTS (23. Aug. 2017, 10:13) Aktuelle ÖAK bestätigt: Die „Krone“ ist erneut die mit Abstand
auflagenstärkste Tageszeitung und führt auch im ePaper-Verkauf. In:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170823_OTS0045/aktuelle-oeak-bestaetigt-die-krone-ist-erneut-
die-mit-abstand-auflagenstaerkste-tageszeitung-und-fuehrt-auch-im-epaper-verkauf-anhaenge (abgerufen am
20.02.2018)
2
Kapitel 1.3 beantwortet werden sollen. Im Anschluss daran wird im Kapitel 2 die Frage geklärt,
was man unter Boulevardjournalismus versteht. Hier wird näher auf Definitionen und
Geschichte des Boulevards eingegangen. Das nächste Kapitel widmet sich den Cultural Studies,
welche oft auf den Journalismus angewendet werden. Kapitel 4 dreht sich um die Methodik der
Bachelorarbeit. Es wurde eine Inhaltsanalyse angefertigt, deren Vorgehensweise erläutert wird.
Der empirische Teil ist im Kapitel 5 zu finden. Hier werden die Ergebnisse dargestellt und
Forschungsfragen sowie Hypothesen beantwortet. Im letzten inhaltlichen Kapitel wird ein Fazit
aufgestellt, in dem die Ergebnisse interpretiert und diskutiert werden sowie Limitationen und
ein Ausblick aufgezeigt werden.
1.3 Empirischer Forschungsstand
Zum Thema der Bachelorarbeit gibt es noch keine explizite Literatur, die sich mit diesem oder
einem ähnlichen Thema beschäftigt hat. Dadurch ergibt sich eine Forschungslücke. Die
Bachelorarbeit soll einen kleinen Teil dazu beitragen, diese zu füllen. Um sich also mit der
Literatur an das Thema anzunähern, gibt es einiges an empirischer sowie theoretischer Literatur.
Peter A. Bruck und Günther Stocker haben sich in ihrem Forschungsprojekt3 die Frage gestellt,
wie das Leseverhalten von Rezipienten von Boulevardzeitungen aussieht. Dazu haben sie sich
der Methode von qualitativen Interviews und Gruppeninterviews bedient. Boulevardmedien
sind für sie in erster Linie Zeitungen, aber auch Radio und Fernsehen (etwa Talkshows,
Dokudramen oder Sendungen mit versteckter Kamera).4 Diese Einteilung wird in der Literatur
genauso gesehen, vorwiegend wird unter Boulevardmedien aber Printzeitungen verstanden.
Eine der wenigen Forscher, die sich auch mit Boulevard im Fernsehen beschäftigt, ist Elisabeth
Klaus (2015). Sie untersuchte speziell Reality-TV-Formate und dies aus einer feministischen
Perspektive. Es interessierte sie, wie in diesen Geschlechterstereotypen umgesetzt werden.5
Ob nur Print- oder auch Fernsehformate: Für Melanie Magin und Birgit Stark (2015), die in
ihrer Studie mit einer quantitativen Inhaltsanalyse die Unterschiede im Boulevardjournalismus
zwischen Deutschland und Österreich herausgearbeitet haben, steht jedoch fest, dass es keine
exakte Definition des Boulevardbegriffs gibt. Sie konstatieren lediglich, dass in den meisten
vorangegangen Studien eine binäre Einteilung des Journalismus in Gut = Qualitätsjournalismus
3 Peter A. Bruck / Günther Stocker: Die ganz normale Vielfältigkeit des Lesens. Zur Rezeption von
Boulevardzeitungen. 2. überarbeitete Auflage. Lit Verlag Münster: Hamburg/London, 2002.
4 Vgl. Ebd, S. 9. 5 Vgl. Elisabeth Klaus: Boulevardisierung – Fernsehunterhaltung zwischen Quality und Trash? Eine feministische
Perspektive. In: Global Media Journal. 5/1. 2015.
3
und Böse = Boulevardjournalismus vorgenommen wird.6 Magins und Starks Definition von
Boulevard entspricht der von Soft News. Diese beschreibt auch Andreas Wiesinger als starken
Themenschwerpunkt der Boulevardpresse. Die Soft News stehen im Gegensatz zu den harten
Nachrichten (Hard News), zu denen Politik und Wirtschaft gehören. Soft News sind unter
anderem Naturkatastrophen, Skandale und Unglücksfälle. Skandale werden besonders gerne
aus dem Leben von Prominenten herausgegriffen.7 Wiesinger gibt ein konkretes Beispiel für
die Fokussierung auf Soft News. Während über die bevorstehende Scheidung eines Promi-
Ehepaares mehrere Tage lang berichtet werden würde, würden aktuelle politische Themen
lediglich in Kurzmeldungen publiziert.8 Die stark personenzentrierte Berichterstattung nennt
Wiesinger als besonderes Merkmal der Boulevardpresse.9
Auch Plasser und Lengauer (2010) definieren den Boulevard-Medienmarkt größtenteils im
Print-Sektor angesiedelt und nennen hierbei die Kronen Zeitung und Österreich. Die Heute wird
oft nicht dazugezählt, da sie nicht in allen Bundesländern erscheint. Der Kurier gilt für sie als
Mischform zwischen Boulevardpresse und Qualitätsjournalismus.10
Udris und Lucht (2009) haben versucht, die Boulevarddichte Österreichs im Vergleich zu
Deutschland und der Schweiz zu messen und sind zu dem Fazit gekommen, dass diese in
Österreich am höchsten sei. Auch Plasser und Lengauer betonen in ihrem Artikel über die
österreichische Medienarena und ihre Eigenheiten, dass der Boulevardisierungsgrad beim
Printjournalismus in Österreich doppelt so hoch wie in Deutschland ist.11 Speziell im Fall der
Kronen Zeitung ordnen die Studienautoren die Zeitung dem „gehobenen“ Boulevard zu.12
Ulrike Dulinski (2003) beschäftigt sich in Sensationsjournalismus in Deutschland mit den
Eigenheiten der Boulevardpresse. Die vorwiegende Eigenheit besteht darin, aus allem eine
6 Vgl. Magin, Melanie / Stark, Birgit: Explaining National Differences of Tabloidisation Between Germany and
Austria, Journalism Studies, 16:4, 2015, S. 579. 7 Vgl. Wiesinger, Andreas: Boulevardzeitungen im crossmedialen Vergleich: Inhalte und Gestaltung des populären
Journalismus, 1. Auflage. Innsbruck University Press: Innsbruck 2015, S. 32. 8 Vgl. Ebd., S. 35. 9 Vgl. Ebd. 10 Vgl. Plasser, Fritz / Lengauer, Günther: Die österreichische Medienarena: Besonderheiten des politischen
Kommunikationssystems. In: Plasser, Fritz (Hg.): Politik in der Medienarena. Praxis politischer Kommunikation
in Österreich. Facultas: Wien 2010, S. 38. 11 Vgl. Udris, Linards / Lucht, Jens: Öffentliche Kommunikation im Umbruch? Wandel der Medienstrukturen und
Medieninhalte in ländervergleichender und diachroner Perspektive. In: Birgit Stark / Melanie Magin (Hg.): Die
österreichische Medienlandschaft im Umbruch 2009, S. 47.
12 Vgl. Ebd. S. 32.
4
Sensation zu machen. Diese fünf Merkmale sind auch auf österreichische Boulevardzeitungen
umzulegen:
a) (Brand-) Aktualisierung/Spektakularisierung: Einem Ereignis wird ein Neuigkeitswert und eine
Bedeutsamkeit zugewiesen, die aufgrund seines Datums und seiner Tragweite nicht gerechtfertigt sind.
b) Devianzierung: Ein Sachverhalt wird als außergewöhnlich, bizarr, unnormal dargestellt, obwohl er im
Kern diese Merkmale nicht enthält.
c) Sexualisierung: Sexuell pikante Details eines Sachverhaltes werden vor allem unter Verwendung des
entsprechenden Bildmaterials aufgebauscht.
d) Katastrophierung/Tragödisierung: Katastrophen, Unfälle, Krankheit, Tod werden in ihrer Dramatik und
Leidensinszenierung überzeichnet, um Entsetzen, Gruselschauer oder Angstlust zu bewirken.
e) Kriminalisierung: Straftäter werden in der Berichterstattung vorverurteilt, an den Pranger gestellt, die
Straftat als besonders gesellschaftsbedrohlich oder bestialisch dargestellt oder Nicht-Strafbestände als Verbrechen
propagiert. Kriminalisierung und auch Sexualisierung können einhergehen bzw. stilistisch gekoppelt werden mit
öffentlichkeitswirksamer moralischer Entrüstung.13
Auch Peter A. Bruck und Günther Stocker haben mehrere Erzählstrukturen beziehungsweise
Strategien der Boulevardjournalisten herausgearbeitet, die Sachverhalte narrativ inszenieren
sollen. Diese Strategien lauten: Familiarisierung, Simplifizierung, Personalisierung,
Melodramatisierung, Spektakularisierung, Sensationalisierung und Visualisierung.14
Heinz Pürer beschäftigt sich in seinem Handbuch über Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft in einem Kapitel ebenfalls über Boulevardjournalismus und
stellt dort fest, dass „Boulevardjournalismus in der Kommunikationswissenschaft bislang nur
wenig Beachtung zuteil [geworden ist]. Erst in jüngster Zeit gewinnt die wissenschaftliche
Beschäftigung mit ihm an Bedeutung […].“15
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, obwohl sich unterschiedlicher Definitionen von
Boulevardjournalismus bedient wurde, viel zu diesem Thema zu unterschiedlichen
Schwerpunkten geforscht wurde. Konkret in Österreich lässt sich ein Forschungsschwerpunkt
auf die Kronen Zeitung feststellen. Es wurde sowohl einiges an Forschung in den 1990ern
betrieben, als auch in den letzten fünf Jahren, hier lässt sich also kein zeitlicher Höhepunkt
feststellen, davor ist jedoch kaum eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
Boulevardjournalismus bemerkbar.
13 Vgl. Dulinski, Ulrike: Sensationsjournalismus in Deutschland. Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft 2003, S.
81–82. 14 Vgl. Bruck / Stocker: Die ganz normale Vielfältigkeit des Lesens, S. 28–31. 15 Vgl. Pürer, Heinz: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Ein Handbuch. Unter Mitarbeit von Helena
Bilanzic, Friederike Koschel, Johannes Raabe, Rudi Renger, Stefan Schirmer und Susanne Wolf. UVK
Verlagsgesellschaft: Konstanz 2003, S. 154.
5
2 Boulevardjournalismus
2.1 Definitionen und Historie
Die titelgebende Frage dieser Bachelorarbeit lautet „Was gibt es Neues vom Boulevard?“.
Dennoch soll in diesem Kapitel ein kurzer Blick auf Altes, also auf die Geschichte des
Boulevardjournalismus geworfen werden. Außerdem sollen Definitionen erläutert werden und
teils unterschiedliche, teils synonyme Begriffe von Boulevardjournalismus aufgezeigt werden.
Bereits kurz nach Erfindung des Buchdrucks wurden Nachrichtendrucke und Flugblätter
erstellt, die auch teilweise als Vorform von Sensationspresse bezeichnet werden können, da
besonders Ereignisse beschrieben wurden, die sich gut durch Illustrationen bebildern lassen
konnten, wie etwa Katastrophen oder Unfälle.16 Diese Neuen Zeitungen oder auch Newen
Zeitungen wie der Gattungsbegriff lautete, erschienen meist anonym, man wusste nicht, wer sie
herstellte und konnte es auch nicht nachvollziehen, da sie nicht periodisch erschienen. Orte, an
denen solche frühen Zeitungen sich entwickelten, waren etwa Augsburg oder Straßburg. Nach
1630 verschwanden diese illustrierten sensationalistischen Flugblätter langsam wieder, da die
periodische Presse im Aufschwung war.17 Im 18. und 19. Jahrhundert war das Pressewesen vom
Absolutismus und der Aufklärung geprägt. Im Absolutismus waren Zensuren an der
Tagesordnung und eine sensationalistische Presse war kaum möglich. In der Aufklärung
änderte sich das und Journalismus wurde zu einem Bereich, in dem sich vorwiegend
Intellektuelle und Akademiker betätigten. Durch die politischen Ereignisse dieser Zeit wurde
auch die Presse politisch und unter anderem entstanden Parteizeitungen. Zeitunglesen wurde
zur Sache der gebildeten Oberschicht.18
Der Aufschwung der Massenpresse ist im 19. Jahrhundert zu verzeichnen und auch der
Boulevardjournalismus entwickelte sich um diese Zeit. Etymologisch kommt das Wort
Boulevard von den Boulevards großer Städte, auf denen die Zeitungen verkauft wurde und auf
denen Menschenmassen täglich verkehrten. International begann die Boulevardpresse sich ab
1830 zu entwickeln. Grund dafür ist, dass das Pressewesen kommerzialisiert wurde.19 Da diese
frühen Boulevardzeitungen sich sensationalistischen Methoden bedienten, um Leser und somit
Käufer auf sich aufmerksam zu machen, wie etwa eine Berichterstattung über Kriminalität und
Sexualität, werden die Begriffe Sensationsjournalismus und Boulevardjournalismus oft
16 Vgl. Dulinski, Sensationsjournalismus, S. 104. 17 Vgl. Ebd., S. 108. 18 Vgl. Ebd., S. 111–113. 19 Vgl. Renger, Populärer Journalismus, S. 31.
6
synonym verwendet. Jedoch gibt es die zeitliche Unterscheidung, da Sensationsjournalismus
schon nach Beginn des Buchdrucks zu verzeichnen ist.20 Der heutige Boulevardjournalismus
geht auf die Penny Press in Amerika und die petite presse in Frankreich zurück, die vor allem
kleinformatige Zeitungen waren, die mit einer hohen Auflage und auch vielen Anzeigen
verkauft wurden. In Deutschland waren erste Produkte dieser Art der Berliner Lokalanzeiger
und die BZ am Mittag.21
Während die Boulevardpresse in anderen Ländern schon früh voranschritt, sind in Österreich
(aber auch in der Schweiz) laut Rudi Renger die Anfänge sehr spät zu verzeichnen.22 Der
Beginn der Boulevardpresse in Österreich kann nach mancher Ansicht auf den Tag genau mit
den 2. Jänner 1900 festgesetzt werden, dem Erscheinungstag der ersten Ausgabe der
Österreichischen Kronen Zeitung, die ihren Namen vom monatlichen Abonnementpreis
herleitet, der eine Krone betrug. Gegründet wurde sie von Gustav Davis. Die erste
wissenschaftliche Auseinandersetzung wurde 1951 von Haney geliefert, eine Dissertation
entstand auch von Drobil, die sich mit der Anfangszeit der Kronen Zeitung auseinandersetzte.
Als Volkszeitung konzipiert, war es ihr Anliegen, für jeden verständlich zu berichten. In der
ersten Republik Österreich war der Begriff Asphaltpresse noch geläufiger und bezeichnete
Zeitungen wie Die Stunde oder Der Tag. Die Kronen Zeitung wurde zum gehobenen Boulevard
gezählt. Je nach Ansicht soll auch Die Stunde mit Gründung im Jahr 1923 den Anfang der
Boulevardpresse in Österreich markieren.23
Nach dem Zweiten Weltkrieg war neben der Kronen Zeitung auch die Kleine Zeitung als
federführende Massenzeitung bekannt.
Peter A. Bruck war der erste, der das sogenannte Boulevardformat 1991 als „Das
österreichische Format“ beschrieb und dessen Eigenheiten analysierte. Damit meinte er
vorrangig die Kronen Zeitung.
In der Einleitung seines Sammelbandes schreibt er, dass es zu Beginn der 90er Jahre kaum
wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der am meisten gelesenen Zeitung Österreichs
gab. Er nimmt also deren Vormachtstellung und die Gründe dafür innerhalb der
Medienlandschaft Österreichs genau unter die Lupe. Selbst-Marketing nennt Bruck als
20 Vgl. Dulinski: Sensationsjournalismus, S. 91. 21 Vgl. Pürer: Kommunikationswissenschaft, S. 154. 22 Vgl. Renger: Populärer Journalismus, S. 142. 23 Vgl. Ebd., S. 114–122.
7
wichtigen Grund sowie gezielte Angriffe auf Konkurrenz-Zeitungen oder Kritiker.24 Insgesamt
sieht er die Kronen Zeitung mehr als kritisch: „Die Neue Kronen Zeitung hat als journalistisches
Produkt relativ wenig mit den Qualitäten zu tun, die international den modernen Journalismus
als Profession auszeichnen“, schreibt er.25
Roman Hummel sieht das im gleichen Sammelband jedoch nicht so kritisch und stellt fest, dass
die Kronen Zeitung als Boulevardzeitung anderen Regeln als Qualitätszeitungen folgt. Da
Boulevardzeitungen ihren Ursprung in den Sensationsblättern des 16. Jahrhunderts haben, in
denen gerne über königlich/kaiserliche Geburten, Todesfälle, Naturkatastrophen und
Raubüberfälle berichtet wurden, sieht Hummel im heutigen Boulevardjournalismus einige
Ähnlichkeiten zur damaligen Zeit.26 So lange aber wahrheitsgemäß und ethisch korrekt
berichtet wird, sieht er kein Problem damit. Hummel ist der Ansicht, dass Boulevardmedien
sehr gerne unparteilich und nicht-politisch berichten, da sie ein großes Publikum mit
unterschiedlichsten Interessen, eben aus wirtschaftlichen Gründen, erreichen wollen. Er hält
der Kronen Zeitung zu Gute, dass sie dennoch manchmal in positiver Weise von ihrer
Reichweite Gebrauch macht, beispielsweise bei der Besetzung der Hainburger Au, wo gegen
den Bau eines Donau-Kraftwerkes demonstriert wurde und dies erfolgreich durch die
Einmischung der Kronen Zeitung.27 Vor allem aber betont er, dass in der Existenz von
Boulevardjournalismus eine Notwendigkeit besteht. Er verweist auf die Pressefreiheit und auf
das Lesepublikum als Rezipienten, das sich nun mal eine bestimmte Berichterstattung wünscht.
So lange Boulevardmedien medienethische Gebote einhalten, beispielsweise nicht hetzend und
nicht beleidigend berichten und die Persönlichkeitsrechte der Menschen wahren, ist aufgrund
der Diversität der Medienlandschaft eine Legitimation da. Hummel ist auch der Ansicht, dass
der Zweck von Journalismus eine reine Informationsweitergabe übersteigt und im weiteren
Sinne auch Unterhaltung zu den Aufgaben gehört.28
24 Vgl. Bruck, Peter A.: Das österreichische Format – Eine Einleitung. In: Bruck, Peter A. (Hg.): Das
österreichische Format. Kulturkritische Beiträge zur Analyse des Medienerfolges „Neue Kronen Zeitung“, S. 8. 25 Ebd., S. 9. 26 Vgl. Hummel, Roman: Journalistische Spielarten: Zur Einordnung des Boulevardjournalismus. In: Bruck, Peter
A. (Hg.): Das österreichische Format. Kulturkritische Beiträge zur Analyse des Medienerfolges „Neue Kronen
Zeitung“, S. 190. 27 Vgl. Ebd., S.192–193. 28 Vgl. Ebd., S. 196.
8
2.2 Merkmale des Boulevardjournalismus
Bruck und Stocker (1991 und 2002) definierten mehrere wichtige und allgemeine Bestandteile
einer Boulevardzeitung. Zunächst ist der Marktauftritt wichtig. Wie früher, werden
Boulevardzeitungen auf der Straße verkauft, etwa in einer Trafik oder in einem Zeitungsständer.
Weiters ist das äußere Erscheinungsbild von großer Wichtigkeit. Es muss handlich sein, damit
die Zeitung auch nebenbei gelesen werden kann, etwa in der U-Bahn und ohne einen Tisch
verwenden zu müssen. Kleinformate dominieren daher den Markt. Besonders die Titelseite
muss eine hohe Aufmerksamkeit generieren, da sie meist über den Kauf entscheidet. Große
farbige Fotos, große und grelle Überschriften und eine ins Auge stechende Schlagzeile sind von
Bedeutung.29 Beim inhaltlichen Aufbau einer Boulevardzeitung ist der Fokus auf Unterhaltung
zu erkennen. Es gibt viele Kommentare und Kolumnen, also meinungsorientierter Journalismus
dominiert. Zusätzlich finden sich auch Cartoons und Kreuzworträtsel und eine meist nackte
oder spärlich bekleidete Frau auf eine der ersten Seiten der Zeitung.
Laut Bruck und Stocker zählen Boulevardzeitungen zu den general interest-Medien im
Gegensatz zu den special interest-Medien. Dennoch seien die behandelten Themen nicht sehr
vielfältig. Es sei wenig Politik, aber dafür sehr viel Kriminalität und Sexualität als
Themenschwerpunkte zu erkennen. Auch Prominente und bekannte Persönlichkeiten seien in
Boulevardzeitungen quantitativ mehr zu finden, als in Qualitätszeitungen.30
Zum Stil ist zu sagen, dass dieser in Boulevardzeitungen für jeden verständlich sein soll. Kurze
Sätze, ein verständlicher Wortschatz und simple Ausdrücke überwiegen, wenn doch auch mit
Ausnahmen. Auch kommen emotionale Sprache sowie eine direkte Ansprache der Leser vor.
Bruck und Stocker sind zwar der Ansicht, dass die Sprache in Boulevardzeitungen zwar eine
Mediensprache sei, aber nicht zwanghaft eine Journalistensprache. Sie betonen, dass
Quellenangaben oft fehlen und Zitate nicht mehrfach geprüft werden, denn dies würde
Journalistensprache ausmachen. Sachlichkeit würde gegenüber Emotionalität zudem immer
mehr in den Hintergrund rücken.31
Bruck und Stocker definieren nun mehrere Erzählstrukturen, die als textuelle Charakteristika
das Boulevardformat wesentlich formen. Diese Erzählstrukturen wurden bereits im
29 Vgl. Bruck/Stocker, 2002, S. 23–24. 30 Vgl. Ebd., S. 27. 31 Vgl. Ebd., S. 26–27.
9
empirischen Forschungsstand im Kapitel 1.3 erwähnt, sollen aber nun ausführlicher
beschrieben werden.
a) Familiarisierung: Die Familiarisierung soll dem Leser eine Nähe zu bestimmten Ereignissen
weismachen, etwa zu Katastrophen, mit denen er mitfühlt, weil viele private Details der
Opfer veröffentlicht werden. Aber auch Tierfotos gehören zur Familiarisierung dazu.
b) Simplifizierung: Hier werden komplizierte und komplexe Sachverhalte reduziert und
einfache Weltbilder geschaffen. Auf eine immer gleichbleibende Art werden neue
Sachverhalte beschrieben.
c) Personalisierung: Die Strategie der Personalisierung soll die Welt für die Rezipienten
verständlicher machen, vor allem bei politischen und wirtschaftlichen Problemen. Hier
werden nur die Führungspersonen in den Vordergrund gerückt, daher macht es den
Anschein, als würden nur diese Personen entscheiden. Oft wird auch die Zeitung selbst
personalisiert, die sich als Stimme oder als Akteurin in wichtigen Prozessen darstellt.
d) Melodramatisierung: Die Melodramatisierung geht stark mit der Personalisierung einher.
Bei Katastrophen oder Kriminalität wird stark die persönliche Komponente hervorgehoben,
beispielsweise durch persönliche Details der Opfer.
e) Visualisierung: Die Sprache in Boulevardmedien ist sehr oft visualisierend. Im Leser
werden dadurch lebhafte und emotionale Bilder erzeugt, damit er so mitfühlen kann.
Besonders Tathergängen von Kriminalberichterstattung werden sehr genau beschrieben.
Natürlich spielen auch Bilder eine wichtige Rolle, wobei es nicht am wichtigsten ist, dass
die Bilder informativ sind, sondern dass sie etwas in den Lesern auslösen.
f) Spektakularisierung: Hier wird eine Gegebenheit aufregender dargestellt, als sie eigentlich
ist. Alles wird zu einem Spektakel.
g) Sensationalisierung: Die Sensationalsierung ist eine Erzählstruktur, die bei
Boulevardmedien besonders stark wahrgenommen wird. Typisch für sie sind starke
Übertreibungen, besonders was Zahlen betrifft, starke Wertungen und genaue
Beschreibungen von Sachverhalten.32
Diese Erzählstrukturen werden meist in unterschiedlicher Form und Quantität angewendet. Im
Vordergrund steht für Bruck und Stocker aber, dass der Informationsgehalt eines Textes oder
eines Bildes zurückgedrängt wird und die Emotionalität einer Berichterstattung im Fokus steht.
Die beliebteste Emotion ist dabei die Empörung, die in den Rezipienten hervorgerufen werden
32 Vgl. Bruck/Stocker: 2002, S. 28–32.
10
soll.33 Auch kann nun festgestellt werden, dass es sich bei Sensationsjournalismus nur um eine
Strategie handelt, die von Boulevardjournalismus aufgegriffen wird. Diese beiden Begriffe sind
also nicht synonym.34
Obwohl sich Boulevardjournalismus in der Sekundärliteratur größtenteils auf Printjournalismus
bezieht, kann auch Radio- und Fernsehjournalismus boulevardesk sein. Das ist besonders in
Magazinen und Talkshows im Fernsehen der Fall und auch einzelne Hörfunkprogramme sind
boulevardjournalistisch. Der populäre Journalismus hat bei Fernsehformaten seinen Ursprung
in den USA und kam in den 1970ern und 1980ern vor allem durch Privatsender in den
deutschsprachigen Raum. Diese Formate zeichnen sich laut Pürer vor allem durch das Happy
Talk Format aus sowie Augenzeugenberichte und Action-Nachrichten aus.35
André Puffert (2013) sieht mehrere Kennzeichen als typisch für Boulevard-Fernsehredaktionen
an. Allen voran die Tatsache, dass die Mitarbeiter dieser Redaktionen Infotainment-Inhalte
bevorzugen, wo Information stets mit einem Unterhaltungswert gekoppelt ist. Ein typischer
Beitrag kann etwa sein, dass vor mangelhaften Produkten gewarnt wird. Auch produzieren laut
Puffert diese Redaktionen gerne personalisierte Inhalte in der Ich-Form, auch mit prominenten
Akteuren.36 Ein weiteres Merkmal ist für ihn ein negatives Publikumsbild, das Redaktionen
aufweisen, wobei von einer niedrigen Bildung der Zuseher ausgegangen wird. Des Weiteren
würden Produktionskosten gespart werden, auf teure Bilder und Auslanddrehs verzichtet und
kritische Berichterstattung weitgehend vermieden werden, um potenzielle Werbekunden nicht
zu verschrecken. Quote und Einnahmen stünden also stets im Vordergrund, meint Puffert. Als
Beispiele für solche Vorgehensweisen nennt er RTL Explosiv, ARD Brisant und ZDF Hallo
Deutschland.37
Ulrike Dulinski, die Sensationsjournalismus in Deutschland großflächig beschreibt, nennt
Boulevardjournalismus im Fernsehen nur als Exkurs, da sie ihn als noch relativ neu ansieht. Er
wurde laut ihr noch nicht umfassend wissenschaftlich erfasst. Auch sie nennt wie Puffert und
Pürer Magazinsendungen von Privatsender als Hauptvertreter des Boulevardfernsehens.38
33 Vgl. Bruck/Stocker: 2002, S. 33. 34 Vgl. Dulinski: Sensationsjournalismus, S. 101. 35 Vgl. Pürer: Kommunikationswissenschaft, S. 164–159. 36 Puffert, André: Die Fernsehmacher. Intersubjektive Medientheorien von Fernsehjournalismus. Verlag Dr.
Kovac: Hamburg 2013, S. 319–320. 37 Vgl. Puffert: Fernsehmacher, S. 321. 38 Vgl. Dulinski: Sensationsjournalismus, S. 227.
11
2.3 Aktuelle Themen des Boulevardjournalismus
Aus der Sekundärliteratur lassen sich mehrere Themen herauslesen, die gerne im
Boulevardjournalismus behandelt werden. Diese sollen im Folgenden erläutert werden, wobei
keine spezielle Reihenfolge der Themen besteht.
Katastrophen
„Zuerst kommt die Katastrophe, dann die Journalistenmeute“ war ein Titel des Magazins Der
österreichische Journalist und soll verdeutlichen, wie wichtig Katastrophen für den
Journalismus sind, insbesondere für den Boulevardjournalismus.39 Das Interesse für
Katastrophen wird mit der Emotionalität begründet, es wird über Opfer und Schuldige berichtet
und auch über die betroffenen Familienmitglieder.40 Katastrophe ist ein sehr schwammiger,
allgemeiner Begriff, der in Bezug auf Journalismus nicht exakt definiert ist. Krisen-, Kriegs-,
und Risikojournalismus sind ebenfalls Begriffe die teilweise synonym verwendet werden
können. Ulrike Dulinski beschreibt Katastrophen als non-intentionale Gewalt und meint damit
etwa Unfälle und Naturkatastrophen.41 Waldbrände, Hochwasser, Vulkanausbrüche und
Atomreaktorunfälle sind Beispiele für non-intentionale Katastrophen.
Kriminalität/Verbrechen
Wie Dulinski beschreibt, ist die Berichterstattung über Kriminalität und Verbrechen typisch für
Boulevardmedien. Sie nennt mehrere Bestandteile eines Verbrechens, auf die Journalisten ihr
Augenmerk legen, um Kriminalität sensationalistisch zu beschreiben. Zunächst wird das
Tatgeschehen ins Zentrum gerückt. Hier ist relevant, ob es ein Verbrechen ist, bei dem ein
Mensch gestorben ist, und auch, ob die Tat mit unüblichen Mitteln verübt wurde, die
beispielsweise besonders grauenhaft waren. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist der Täter
selbst. Hat er eine auffällige Erscheinung, einen speziellen Beruf oder bestimmte
Charaktereigenschaften, die sonst nicht mit einem Täter assoziiert werden, sind Fragen, die sich
ein Boulevardjournalist stellt. Eine hübsche junge Frau als Täterin kann beispielsweise als
unüblich bezeichnet werden. Der Täter wird aber allgemein als besonders aggressiv und
unmenschlich dargestellt sowie als Bedrohung für die Gesellschaft.42 Auch der Opferbereich
39 Vgl. Ziegler, Senta: Der Medien-Knigge. Neue Wege zu erfolgreicher Pressearbeit mit Print, Funk, Fernsehen
und Internet. Mit aktuellem Medienrecht Österreich und Deutschland. Amaltheum Signum Verlag: Wien 2007. S.
207. 40 Vgl. Ebd. 41 Vgl. Dulinski, Sensationsjournalismus, S. 329. 42 Vgl. Ebd., S. 82.
12
ist in der Sensationalisierung wichtig, damit sind Kinder und Angehörige gemeint.
Schlussendlich ist auch der Prozessbereich interessant. Ist der Prozess am Gericht auffällig, gibt
es Streitigkeiten zwischen den Verteidigern, gibt es falsche Aussagen, etc.43
Laut Ulrike Dulinski haben sowohl Kriminalität (intentionale Gewalt) als auch Katastrophen
(non-intentionale Gewalt) eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie haben ein „hohes
Aufmerksamkeitsgenerierungspotenzial“44 bei den Lesern, Hörern und Zusehern. Es entwickelt
sich bei den Rezipienten zusätzlich auch der Wunsch nach mehr Rezeption, da sie wissen
wollen, wie es weitergeht, denn normalerweise zieht sich die Berichterstattung über
Kriminalität und Katastrophen über mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen hinweg, da immer
neue Erkenntnisse hinzukommen. Der Kultivierungsansatz von George Gerbner spielt hier eine
Rolle, der grundsätzlich Fernsehseher in Viel- oder Wenigseher einteilt und Vielsehern
zuschreibt, dass sie eine mean oder scary world-Ansicht bekommen. Je mehr sie also
Fernsehen, desto negativer schätzen sie die Welt ein.45
Sport
Während Siegfried Weischenberg 1976 die Sportjournalisten noch als Außenseiter der
Redaktionen bezeichnete, haben sie doch einen wichtigen Stellenwert, besonders im
Boulevardjournalismus.46 Auch Bruck und Stocker betonen, dass dem Sport viel Platz innerhalb
von Boulevardzeitungen eingeräumt wird. Dies liegt laut ihnen daran, dass Sportler für
Ablenkung und Unterhaltung sorgen.47Wie Dulinski schon erklärte, ist Prominenzierung oder
Personalisierung48 ein wichtiger Bestandteil der Boulevardberichterstattung. Personen, die sich
ideal dazu eignen, zu Prominenten gemacht zu werden, sind Sportler. Boulevardjournalismus
fokussiert sich auf idealerweise auf die allerbeliebtesten Sportarten, wie etwa Fußball oder in
Österreich das Schifahren oder Schispringen sowie auf die bekanntesten Sportler dieser
Sportarten.49 Der Handlungsspielraum von Journalisten in der Berichterstattung über Sportler
ist sehr groß. Sie können von unbekannten Personen zu Prominenten heranwachsen, die sogar
43 Vgl. Dulinski, Sensationsjournalismus, S. 273. 44 Vgl. Ebd., S. 329. 45 Vgl. Ebd., S. 331. 46 Weischenberg, Siegfried: Die Aussenseiter der Redaktion. Struktur, Funktion und Bedingungen des
Sportjournalismus. Theorie und Analyse im Rahmen eines allgemeinen Konzepts komplexer
Kommunikatorforschung. Brockmeyer: Bochum, Dissertation 1976. 47 Vgl. Bruck/Stocker, 2002, S. 27. 48 Vgl. Dulinski, Sensationsjournalismus, S. 81. 49 Vgl. Klemm, Thomas: Sportjournalismus in den Printmedien. In: Schierl, Thomas (Hg.): Handbuch Medien,
Kommunikation und Sport. Schorndorf: Hoffmann. S. 325.
13
als umjubelte Helden eines Landes dienen können. Gleichzeitig können sie aber genauso
schnell zu Sündenböcken gemacht werden, wie sie zuvor zu Helden aufgebaut wurden.50
Besonders begeisterte Leser, Zuseher oder Hörer der Sportnachrichten sind junge Männer. Ein
weiteres Merkmal ist, dass sehr gerne große und bunte Bilder verwendet werden. Bei
Sportveranstaltungen lassen sich idealerweise Emotionen abbilden, beispielsweise wenn ein
Sportler verliert, gewinnt, oder sich gar verletzt.51 Sport ist im Boulevardjournalismus also eng
mit Unterhaltung verbunden, der Leser, Hörer und Zuseher will vorrangig unterhalten statt
informiert werden.52
Politik
Auch wenn, wie bereits erwähnt, Politik im Boulevardjournalismus keine so eine große Rolle
wie in Qualitätsmedien spielt, wird dennoch darüber berichtet, wenn auch auf eine andere Art
und Weise.
Margreth Lünenborg versteht Politik als stark von Boulevardisierung betroffen. Politik sei zur
Unterhaltung geworden. Zum einen dadurch, dass die Merkmale von Boulevardjournalismus
(Personalisierung, Skandalisierung) sich auch auf Politikberichterstattung umlegen lassen, zum
anderen dadurch, dass Politiker nicht als politisch aktive Entscheidungsträger in den Fokus
rücken, sondern als Person zu Prominenten werden.53 Die Politiker werden also nicht mehr wie
Politiker behandelt, sondern durchaus auch oberflächlich wie Promis. Das Alter der
Präsidentengattin, der Ausschnitt der Kanzlerin oder der teure Anzug des ehemaligen
Bundeskanzlers sind Beispiele für so eine Fokussierung auf das Äußere. Grundsätzlich ist
Politik ein fester Teil des Boulevardjournalismus, wenn auch nicht so ausführlich über
politische Geschehnisse berichtet wird, wie in Qualitätsmedien. Typisch für den Boulevard sei
es, Politik durch Nähe vermittelt wird, etwa durch die Strategie der Personalisierung, wodurch
es den Anschein macht, politische Prozesse würden ausschließlich von einigen wenigen
Menschen gemacht werden, die mit ihrem Bild stets in der Zeitung sind.54
50 Vgl. Bruck/Stocker, 2002, S. 27-28. 51 Vgl. Klemm: Sportjournalismus, S. 324. 52 Vgl. Weischenberg: Aussenseiter, S. 189. 53 Vgl. Lünenborg, Margreth: Politik auf dem Boulevard? Eine Einführung aus geschlechtertheoretischer
Perspektive. In: Lünenborg, Margreth (Hg.): Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der
Politik der Mediengesellschaft, S. 8. 54 Vgl. Renger: Populärer Journalismus, S. 396.
14
Gender
Die Unterhaltungsorientierung oder Boulevardisierung des Journalismus wird auch aus dem
Blick der Gender Studies betrachtet.55 Die Dualisierung des Journalismus in Information und
Unterhaltung soll dadurch verstärkt werden, dass Journalismus nun kein typischer Männerberuf
sei und sich zunehmend zu einem klassischen Frauenberuf wandelt. Der Eintritt von vermehrt
weiblichen Journalistinnen in Redaktionen soll der Grund für den verstärkten Fokus auf
Unterhaltung sein. Männer seien sachlich und faktenorientiert, Frauen seien emotional und
unterhaltungsorientiert, so die Vorurteile.56 Erweitert werden diese Gegensetze auch durch
Äußerlichkeiten. Hübsche junge Frauen würden Einzug in Unterhaltungsformate halten, was
besonders beim Fernsehen der Fall sei. Lünenborg und Maier nennen die deutschen
Moderatorinnen Frauke Ludowig und Birgit Schrowange als Beispiel. Dem gegenüber stehen
seriöse Männer, deren Aussehen irrelevant in Anbetracht ihrer „guten Arbeit“ sei. Der
wachsende Frauenanteil in Medien sei aber nur in Neuen Medien, etwa Online-Redaktionen
oder Special-Interest-Magazinen zu beobachten. In klassischen Medien, wie einer Qualitäts-
Tageszeitung ist der Frauenanteil laut Lünenborg und Maier nach wie vor sehr gering.57
Ulla Wischermann zeigt in ihrem Abriss über die Frauenpresse im 18. und 19. Jahrhundert, dass
Frauen in der Geschichte nicht nur auf Unterhaltungsmedien reduziert wurden, sondern sehr
wohl selbst politisch aktiv wurden und auch darüber schrieben. So bildete sich im 19.
Jahrhundert eine politische Frauenpresse, die etwa über Kritik der Institution Ehe, der Bildung
von Frauen und weibliche Erwerbstätigkeit im Vormärz schrieb.58 Louise Otto war einer dieser
Vorreiter-Journalistinnen, die aber dennoch teilweise unter einem männlichen Pseudonym, Otto
Stern, schreiben musste.59 Wischermann schreibt von einem Anstieg von Frauen im
Journalismus im 18. und 19. Jahrhundert, doch dieser Anstieg sei keineswegs linear. Sowohl
die Behandlung von weiblichen Journalistinnen als auch die Repräsentation von Frauen in
Medien seien Forschungsfelder, die für die Medien- und Kommunikationswissenschaft
interessant seien.60
55 Vgl. Lünenborg, Margreth / Maier, Tanja: Gender Media Studies. Eine Einführung. UVK Verlagsgesellschaft:
Konstanz 2013, S. 91. 56 Vgl. Ebd, S. 92. 57 Vgl. Ebd, S. 89–92. 58 Vgl. Wischermann, Ulla: Interaktion von Öffentlichkeiten. Zur Geschichte der Frauenpresse im 18. und 19.
Jahrhundert. In: Klaus, Elisabeth / Röser, Jutta / Wischermann, Ulla (Hg.): Kommunikationswissenschaften und
Gender Studies, S. 223. 59 Vgl. Ebd., S. 224. 60 Vgl. Ebd., S. 236.
15
Margret Lünenborg stellt zum Beispiel fest, dass Geschlecht in der Journalismusforschung in
unterschiedlicher Art und Weise für Analysen herangezogen wird. Untersucht wird etwa, wie
Journalisten und Journalistinnen handeln, oder wie über Frauen oder Männer in Medien
berichtet wird.61 Es gibt aber unterschiedliche Grundannahmen, die sich in der
Kommunikationsforschung feststellen lassen. Einerseits ist die Meinung, dass die Art wie
Journalisten und Journalistinnen recherchieren, arbeiten und schreiben nicht an das Konstrukt
Geschlecht gebunden sei. Anderseits herrscht die Ansicht, dass dies sehr wohl ein zu
berücksichtigender Faktor sei und einen Unterschied im Endprodukt ausmache.62
Die Gender Studies als Teil der Kommunikationswissenschaft und konkret der
Journalismusforschung sind nicht wegzudenken. Das wurde auch bei der
Hypothesengenerierung berücksichtigt. Die Frage, die bei Forschungsfrage 3 noch genauer
formuliert wird, lautet also: Zu welchen Themen forschen Frauen, zu welchen Themen forschen
Männer in Bezug auf Boulevardjournalismus? Da in der ersten Durchsicht der
Hochschulschriften, die noch vor der Codierung stattfand, auffiel, dass viele
Hochschulschriften zum Thema Politik geschrieben wurden, wurde die Hypothese 3.1
absichtlich nicht auf Männer hin formuliert, sondern auf Frauen. Die Hypothese lautet, dass
eher Frauen über Politik schreiben, statt Männer.
61 Vgl. Lünenborg, Margreth: Geschlecht als Analyseperspektive in der Journalismusforschung. Potenziale und
Defizite. In: Klaus, Elisabeth / Röser, Jutta / Wischermann, Ulla (Hg.): Kommunikationswissenschaften und
Gender Studies, S. 128–129. 62 Vgl. Ebd., S. 136.
16
3 Cultural Studies
3.1 Überblick über die Cultural Studies
Die Cultural Studies sind in den 1970er Jahren in Großbritannien durch das Aufkommen der
„neuen Linken“ und der Öffnung von Universitäten für Arbeiterkinder entstanden.63 Diese
konnten mit den „Gepflogenheiten der bürgerlichen Kultur“64 nichts anfangen, die Cultural
Studies formierten sich daher um die Popkultur und die Massenmedien.65 Das Birmhinghamer
Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) beschäftigte sich in seinen Anfangsjahren
vor allem mit Arbeiterkultur und den alltäglichen Medienumgang. Das Centre wurde 1964 von
Richard Hoggarts gegründet. „Das Aufkommen und der Wandel der lokalen Presse“ und
„Popmusik und Jugendkultur“ waren zwei der ersten Projekte am CCCS.66 Später in den 1980er
Jahren konzentrierten sich die Forscher vorwiegend auf das Medium Fernsehen und fertigten
Rezeptionsstudien an. Neben Rezeptionsstudien ist vor allem die Methode der Medienanalyse
federführend. Mit den beiden Methoden sollten die drei Hauptschlagwörter von Cultural
Studies: Kultur – Medien – Macht institutionalisiert werden.67
3.2 Das Encoding-Decoding-Modell von Stuart Hall
Stuart Hall war der erste aus der Reihe von Cultural Studies-Forschern, der Zeitungen
analysierte, die er als „Texte“ verstand. Sie sah er als Konstrukte, die gewissen Regeln folgen.68
Er entwickelte eines der wichtigsten Modelle der Cultural Studies, das Encoding-Decoding-
Modell. Stuart Hall hatte grundlegend die Annahme, dass ein Medientext innerhalb eines
Prozesses der Medienkommunikation immer zwischen „encoding“ (Produktion) und
„decoding“ (Rezeption) verortet ist.69 Halls Modell, das bereits 1973 zum ersten Mal vorgestellt
wurde und später in mehreren Artikel von ihm, etwa 1990, erschienen ist, ist anders als andere
kommunikationswissenschaftliche Modelle. Hall knüpft zwar an das Sender-Empfänger-
Modell an, erweitert es aber. Der Unterschied in Halls Modell und in den Cultural Studies
63 Vgl. Moebius, Stephan: Cultural Studies. In: Stephan Moebius (Hg.): Kultur. Von den Cultural Studies bis zu
den Visual Studies. Eine Einführung. Transcript: Bielefeld 2012, S. 13. 64 Mikos, Lothar: Cultural Studies. Medienanalyse und Rezeptionsästhetik. In: Udo Göttlich / Lothar Mikos /
Rainer Winter (Hg.): Die Werkzeugkiste der Cultural Studies. Perspektiven, Anschlüsse und Interventionen.
Transcript: Bielefeld 2001. S. 323. 65 Vgl. Moebius: Cultural Studies, S. 14. 66 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Opladen. 1999.
S. 86. 67 Vgl. Mikos, Medienanalyse, S. 337. 68 Renger, Rudi: John Hartley. Populärer Journalismus. In: Andreas Hepp / Friedrich Krotz / Tanja Thomas (Hg.)
Schlüsselwerke der Cultural Studies. S. 227. 69 Vgl. Hepp: Cultural Studies, S. 111–112.
17
generell liegt darin, dass das Publikum ernst genommen wird. Es agiert bei ihm nicht passiv als
Empfänger, sondern entscheidet aktiv über den Sinn von Informationen.70 Jedoch ist der Sinn
der Texte bereits vor der Rezeption durch das Publikum gegeben. Zusätzlich unterscheidet sich
Halls Modell von anderen, da es Semiotik und die marxistische Theorie miteinbezieht.
Abb. 1. Das Encoding-Decoding-Modell nach Stuart Hall71
Encodierung und Decodierung sind in Halls Modell asymmetrisch, das heißt der Rezipient kann
einen Inhalt anders decodieren, wie es etwa ein Journalist in der Produktion eines Textes
encodiert hat.72
Drei Lesearten sind beim Decodierungsprozess zu differenzieren:
1) Die Vorzugsleseart: Diese Leseart stimmt mit dem vorherrschenden ideologischen
System überein. Die Rezipienten übernehmen die konnotative Bedeutung eines Textes.
Umgelegt auf Journalismus übernimmt zum Beispiel der Rezipient den Inhalt eines
Zeitungsartikels komplett.
2) Die ausgehandelte Leseart: Die Rezipienten akzeptieren die Positionen, aber passen
oppositionelle Positionen an ihre eigenen sozialen Erfahrungen an. Rezipienten
interpretieren also etwas nach Regionalität oder persönlicher Betroffenheit.
70 Vgl. Renger, Rudi: Eine Theorie vom nächsten Donnerstag? Zum Journalismus in der Populärkultur. In: Udo
Göttlich / Rainer Winter (Hg.): Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural Studies.
S. 222. 71 Vgl. Scheidtweiler PR / Caroline Bullwinkel (19. Februar 2013): Kommunikationsmodelle für PR und Social
Media. In: http://www.scheidtweiler-pr.de/kommunikationsmodelle-fuer-pr-und-social-media/ (abgerufen am 28.
12. 2017) 72 Vgl. Winter, Rainer: Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht. Velbrück Wissenschaft,
Weilerswist 2001, S. 131.
18
3) Die oppositionelle Leseart: Bei dieser Leseart lehnen die Rezipienten die vorgegebenen
Positionen ab. Auch kann es sein, dass sie die Bedeutung eines Textes ganz anders
verstehen, als sie intendiert war 73 74
Wie Friedrich Krotz75 es formuliert, versucht eine Inhaltsanalyse zwar einen Inhalt als objektiv
zu bezeichnen, diesen gibt es aber nicht. Der Inhalt ist nur einer von vielen möglichen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass nun der Rezipient über den Sinn eines Textes entscheidet,
und dies ist auch auf den Journalismus umlegbar. Auch wenn Boulevardjournalismus, wie es
ihm oft unterstellt wird, sensationalistisch, personalisierend etc. arbeitet, heißt das noch lange
nicht, dass der Rezipient dies auch so auffasst.
4 Methodenteil
4.1 Forschungsfragen und Hypothesen
Im Folgenden werden die Hypothesen, die auf die vorangehenden Erkenntnisse der
Sekundärliteratur aufbauen, aufgeschlüsselt.
FF1: Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aktualität der Hochschulschrift und
dem Forschungsgegenstand?
H1:1: Je jünger eine Hochschulschrift zur Boulevardforschung ist, desto eher ist ein
Medienvergleich Qualität – Boulevard Forschungsgegenstand.
H1.2: Je älter die Hochschulschrift ist, desto eher beschäftigt sich der/die Studierende rein mit
Boulevardmedien.
FF2: Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aktualität der Hochschulschrift und
der methodische Vorgehensweise der Studierenden?
H2.1: Je jünger die Hochschulschrift ist, desto eher wurde mit einem Methodenmix gearbeitet.
H2.2: Je älter die Hochschulschrift ist, desto eher wurde mit einer einzigen Methode gearbeitet.
FF3: Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Studierenden und
dem Thema der Hochschulschrift über boulevardformatige Medien?
73 Vgl. Renger, Rudi: Journalismus als kultureller Diskurs. Grundlagen der Cultural Studies als
Journalismustheorie. In: Martin Löffelholz (Hg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. S. 369. 74 Vgl. Renger, Populärer Journalismus, S. 360–361. 75 Vgl. Krotz, Friedrich: Stuart Hall: Encoding/Decoding und Identität. In: Andreas Hepp / Friedrich Krotz / Tanja
Thomas (Hg.) Schlüsselwerke der Cultural Studies. S. 216.
19
H3.1: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Politik als Thema der
Hochschulschrift.
H.3.2 Wenn der Studierende männlich ist, dann wählte er eher Sport als Thema der
Hochschulschrift.
H3.3: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Sprache als Thema der
Hochschulschrift.
H3.4: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher „Ausländerdiskurs“ als Thema
der Hochschulschrift.
H3.5: Wenn der Studierende männlich ist, dann wählte er eher Kriminalität als Thema der
Hochschulschrift.
H3.6. Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Katastrophen als Thema der
Hochschulschrift.
4.2 Untersuchungsmaterial
Für die Bachelorarbeit wurden Hochschulschriften untersucht, die zwischen 1997 und 2017 an
der Universität Wien erschienen sind und boulevardformatige Medien als Gegenstand haben.
Miteinbezogen wurden Diplomarbeiten, Magister- und Masterarbeiten sowie Dissertationen.
Bachelorarbeiten wurden nicht in die Untersuchung eingebunden, da diese weder online, noch
in Bibliotheken verfügbar sind und in den meisten Fällen auch nicht veröffentlicht werden. Um
diese Hochschulschriften ausfindig zu machen, wurden sowohl u:search, das
Bibliothekssuchsystem an der Universität Wien sowie e-theses verwendet, eine Plattform auf
der Hochschulschriften der Universität Wien veröffentlicht werden. Da diese aber erst seit 2008
in digitaler Form auf e-theses vorliegen, wurde in der Recherche darauf geachtet, die
gedruckten Exemplare der Hochschulschriften ausfindig zu machen. Wichtig zu erwähnen ist,
dass nicht nur Hochschulschriften aus der Studienrichtung Publizistik- und
Kommunikationswissenschaften in die Recherche miteinbezogen wurden, wo doch diese den
Großteil ausmachen. Gesucht wurde in allen Fakultäten der Universität Wien, so gab es auch
einige Hochschulschriften der Politik- oder Geschichtswissenschaften. Dies wurde jedoch nicht
codiert, da es für die Untersuchung nicht relevant ist. Es wurde Wert auf höchste Sorgfalt in der
Recherche gelegt, um eine Vollständigkeit zu garantieren, damit möglichst alle
Hochschulschriften im Zeitraum zwischen 1997 und 2017 in der Untersuchung aufscheinen. Zu
diesem Zwecke wurde sogar eine ehemalige Studierende persönlich kontaktiert, deren
Magisterarbeit in der Bibliothek unter „verloren“ eingetragen war. Trotz aller Bemühungen
kann keine Vollständigkeit garantiert werden.
20
4.3 Inhaltsanalyse
Die Methode dieser Bachelorarbeit ist die qualitative Inhaltsanalyse. „[Eine] qualitative
Inhaltsanalyse will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit
theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet.“76 Mayring nennt also
als wichtigste Aufgabe einer Inhaltsanalyse, gewisse Aspekte oder Fakten aus einem Material
herauszuholen und diese im Anschluss zu analysieren.77 Dafür muss aber eine Codierung
erfolgen, die sich an einem Kategoriensystem orientiert.
Für Früh (2007) ist die Codierung eine Form der Rezeption eines Textes und die Textrezeption
ist eine Form der Wahrnehmung des Codierers.78 So gesehen liegt das Codieren stets im Auge
des Betrachters und es gibt keinen Anspruch auf vollständige Richtigkeit. Zwei Merkmale
müssen bei einer Codierung stets zutreffen: Validität und Reliabilität, also Gültigkeit und
Verlässlichkeit. Es muss darauf geachtet werden, dass genau das gemessen wird, was auch in
der Forschungsfrage abgefragt wird. Außerdem ist es wichtig, dass die Codierung korrekt
angewendet wird, und ein zweiter Codierer sollte auf dasselbe Ergebnis kommen, wenn er die
Codierung mit dem gleichen Material erneut durchführt.79
4.4 Kategoriensystem
Die Analyseeinheiten der Untersuchung sind die einzelnen Hochschulschriften selbst, die in
Kategorien und Unterkategorien unterteilt werden.80 Es ist anzumerken, dass bei der Codierung
für diese Bachelorarbeit sehr oberflächlich gearbeitet wurde. Die Hochschulschriften wurden
nicht zur Gänze gelesen, sondern nur überflogen, um die relevanten Informationen zu codieren.
Es war für die Kategorien schlichtweg nicht notwendig, die Hochschulschriften komplett zu
lesen, oder in eine Software einzuspeisen.
Für die Codierung wurden zunächst Name des Autors, Erscheinungsjahr, Titel der
Hochschulschrift sowie die Art der Hochschulschrift erfasst.
76 Mayring, Philipp. Einführung in die qualitative Sozialforschung: eine Anleitung zu qualitativem Denken. 5.,
Überarbeite und neu ausgestattete Auflage. Beltz: Weinheim [u.a.] 2002. S. 114. 77 Vgl. Mayring: Sozialforschung, S. 115. 78 Vgl. Früh, Werner: Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. 6., überarbeitete Auflage. UVK-Verlagsgesellschaft:
Konstanz 2007. S. 111. 79 Vgl. Früh: Inhaltsanalyse. S. 120. 80 Vgl. Früh: Inhaltsanalyse, S. 82-83.
21
Variable 1 fragte danach, ob es sich um einen Vergleich von Qualitäts- und Boulevardmedien
handelte, oder um eine Arbeit, die nur ein Medium oder mehrere boulevardformatige Medien
behandelt. Codiert wurde folgendermaßen: 1 = Vergleich, 2 = nur Boulevard.
Für Variable 2 ist die Methode interessant. Da gezielt nach empirischen Hochschulschriften
gesucht wurde, enthält jede Arbeit mindestens eine Methode, oder aber es wurde ein
Methodenmix verwendet. Ein beliebter Methodenmix ist eine Inhaltsanalyse und zusätzlich
Interviews, etwa Experteninterviews. Wenn keine Methode verwendet wurde, weil es etwa eine
reine Literaturarbeit war, dann wurde die Hochschulschrift aus dem Sample gestrichen. Wichtig
zu erwähnen ist, dass eine gleichzeitige Verwendung von qualitativer und quantitativer
Inhaltsanalyse als nur eine Methode gewertet wurde. Es wurde nicht codiert, um welche
Methode(n) es sich handelte, sondern lediglich, ob eine oder mehrere Methoden verwendet
wurden. 1 = Eine Methode, 2 = Methodenmix.
Variable 3 meint die Aktualität der Hochschulschrift. 1 = aktuell (2010 bis 2017), 2 = nicht
aktuell (1997 bis 2009). Die Bezeichnungen jünger und älter beziehen sich in der Hypothesen-
bzw. in der Forschungsfragenformulierung auf die Aktualität der Hochschulschrift.
Variable 4 ist das Geschlecht des Autors beziehungsweise der Autorin. 1 = weiblich, 2 =
männlich. Das Geschlecht des Autors wurde anhand des Namens sowie dem in den meisten
Fällen angefügten Lebenslauf herausgelesen. Es gab während dieser Codierung keinen Fall, wo
die Zuordnung des Geschlechts nicht eindeutig war.
Variable 5 interessiert sich für das Thema der Hochschulschrift. 1 = Politik, 2 = Sport, 3 =
Sprache, 4 = Ausländerdiskurs, 5 = Kriminalität, 6 = Katastrophen, 7 = Sonstiges. In vielen
Fällen ließ sich bereits am Titel der Hochschulschrift erkennen, um welches Thema es sich
handelte, wo bei ein kurzer Blick über den Inhalt diese Annahme meist bestätigte. Nicole
Fennes forschte in ihrer Magisterarbeit mit dem Titel „Betrieb die Kronen Zeitung
Kampagnenjournalismus für Hans-Peter Martin im Rahmen der EU-Wahl 2009?“ ganz klar
über Politik. Aus Martina Koths Diplomarbeit „Von der Katastrophe zur Sensation
Inhaltsanalytische Untersuchung der Berichterstattung über die Waldbrände in Griechenland
2007 in Kronen Zeitung und Der Standard“ lässt sich sehr viel herauslesen, unter anderem dass
ihr Thema vorwiegend Katastrophen ist. In vielen Fällen war es nicht eindeutig codierbar, um
welches Thema es sich handelte, daher wurden diese Hochschulschriften unter 7 = Sonstiges
codiert.
22
5 Empirischer Teil
5.1 Darstellung der Ergebnisse
Um die Forschungsfragen zu beantworten und die Hypothesen zu verifizieren beziehungsweise
zu falsifizieren, wurden die Daten in SPSS (Statistical Package for the Social Sciences)
ausgewertet und anhand von Tabellen und Grafiken präsentiert und interpretiert.
Zunächst gibt es Allgemeines zur Auswertung zu sagen, das unabhängig von den
Forschungsfragen und Hypothesen relevant ist.
Das Sample hatte einen Umfang von 73 Hochschulschriften (n = 73). 64,4 % der Arbeiten sind
von Frauen verfasst worden (47 Hochschulschriften) und 35,6 % von Männern (26
Hochschulschriften). Untersucht wurden Hochschulschriften zwischen 1997 und 2017 verfasst
wurden. Auffällig ist hier, dass ganze zwölf Hochschulschriften im Jahr 2009 verfasst wurden,
die sich mit boulevardformatigen Medien beschäftigen, das sind 16,4 % aller untersuchten
Hochschulschriften.
5.1.1 Forschungsfrage 1
FF1: Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aktualität der Hochschulschrift und
dem Forschungsgegenstand?
H1:1: Je jünger eine Hochschulschrift zur Boulevardforschung ist, desto eher ist ein
Medienvergleich Qualität – Boulevard Forschungsgegenstand.
34 Hochschulschriften können als jünger, also aktuell definiert werden. Von diesen 34 haben
64,7 % (22 Hochschulschriften) einen Vergleich als Gegenstand und 35,3 % (12
Hochschulschriften) beschäftigen sich rein mit Boulevardmedien. Diese Hypothese kann
verifiziert werden.
H1.2: Je älter die Hochschulschrift ist, desto eher beschäftigt sich der/die Studierende rein mit
Boulevardmedien.
39 Hochschulschriften können als älter, also als nicht aktuell definiert werden. Von diesen 39
Hochschulschriften haben 64,1 % (25 Hochschulschriften) einen Vergleich als
Forschungsgegenstand und nur 35,9 % (14 Hochschulschriften) beschäftigen sich mit
Boulevardmedien alleine. Damit ist diese Hypothese falsifiziert.
23
Abb. 2: Boulevard oder Vergleich, Balkendiagramm. Eigene Darstellung (SPSS)
Dieses Balkendiagramm zeigt, dass nur ein minimaler Unterschied zwischen aktuell und nicht
aktuell besteht. Es kann also festgestellt werden, dass die Verteilung des
Forschungsgegenstandes sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat. Es ist immer noch
attraktiver für Studierende, Qualitätsmedien mit Printmedien zu vergleichen.
5.1.2 Forschungsfrage 2
FF2: Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aktualität der Hochschulschrift und
der methodische Vorgehensweise der Studierenden?
H2.1: Je jünger die Hochschulschrift ist, desto eher wurde mit einem Methodenmix gearbeitet.
34 Hochschulschriften sind aktuell, sprich sie wurden zwischen 2010 und 2017 verfasst. Von
diesen 34 Hochschulschriften haben 73,5 % (25 Hochschulschriften) eine Methode benützt und
26,6 % (neun Stück) haben einen Medienmix verwendet. Die Hypothese kann also ganz klar
falsifiziert werden.
H2.2: Je älter die Hochschulschrift ist, desto eher wurde mit einer einzigen Methode gearbeitet.
39 Hochschulschriften sind nicht aktuell, also „älter“, sie wurden zwischen 1997 und 2009
verfasst. Von diesen 39 Hochschulschriften haben 89,7 % (35 Hochschulschriften) eine
Methode und 10,3 % (vier Hochschulschriften) einen Methodenmix. Diese Hypothese lässt sich
also verifizieren.
24
Abb. 3: Methode oder Methodenmix, Balkendiagramm. Eigene Darstellung (SPSS)
Dieses Balkendiagramm zeigt, dass die Verwendung eines Methodenmixes in den letzten
Jahren ein wenig beliebter geworden ist. Dennoch ist nach wie vor eindeutig zu beobachten,
dass Studierende lieber eine einzelne Methode verwenden, als sich den Mehraufwand eines
Methodenmixes zu machen.
5.1.3 Forschungsfrage 3
FF3: Inwiefern es einen Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Studierenden und dem
Thema der Hochschulschrift über boulevardformatige Medien?
H3.1: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Politik als Thema der
Hochschulschrift.
26,3 % (19 Hochschulschriften) wurden zum Thema Politik geschrieben. 68,4 % (13
Hochschulschriften) davon fielen auf weibliche Studierende, 31,6 % (sechs
Hochschulschriften) wurden von Männern zu Politik geschrieben. Die Hypothese ist verifiziert,
da eher Frauen sich innerhalb des Samples mit Politik beschäftigten.
H3.2: Wenn der Studierende männlich ist, dann wählte er eher Sport als Thema der
Hochschulschrift.
25
10,96 % (acht Stück) der Hochschulschriften sind zum Thema Sport verfasst worden. Mit
diesem Thema beschäftigten sich 25 % Frauen (zwei Hochschulschriften) und 75 % Männer
(sechs Hochschulschriften). Somit kann gesagt werden, dass die Hypothese verifiziert ist, da
der Großteil der Verfasser Männer sind.
H3.3: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Sprache als Thema der
Hochschulschrift.
Insgesamt vier Hochschulschriften wurden über das Thema Sprache verfasst, das macht 5,48
% am Gesamtanteil aus. 100 % der Hochschulschriften, die das Thema Sprache haben, wurden
von Frauen verfasst. Diese Hypothese lässt sich somit voll und ganz verifizieren.
H3.4: Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher „Ausländerdiskurs“ als Thema
der Hochschulschrift.
8,22 % der Hochschulschriften beschäftigen sich mit „Ausländerdiskurs“ in unterschiedlichster
Form, das sind sechs Stück. 66,7 % (vier Hochschulschriften) davon sind Frauen zu zuordnen,
33,3 % (zwei Stück) wurden von Männern verfasst. Somit wurde die Hypothese korrekt
angenommen und kann verifiziert werden.
H3.5: Wenn der Studierende männlich ist, dann wählte er eher Kriminalität als Thema der
Hochschulschrift.
8,22 % der untersuchen Hochschulschriften hatten das Thema Kriminalität, das waren acht
Stück. Sieben davon, also 87,5 % wurden von Frauen verfasst, nur ein Stück, also 12,5 Prozent
hatte einen männlichen Verfasser. Diese Hypothese stimmt nicht und wird daher falsifiziert.
H3.6. Wenn die Studierende weiblich ist, dann wählte sie eher Katastrophen als Thema der
Hochschulschrift.
Katastrophen sind das Thema von insgesamt sechs Hochschulschriften der untersuchten 73
Stück. Damit machen diese sechs Hochschulschriften 8,22 % am Gesamtanteil aus. Alle sechs
Stück wurden von Frauen verfasst, daher ist diese Hypothese richtig.
26
Abb. 4: Themen der Hochschulschrift, Tortendiagramm. Eigene Darstellung (SPSS)
Dieses Tortendiagramm zeigt, dass die Rubrik Sonstiges mit 30,14 % den größten Teil
ausmacht. Diese Hochschulschriften konnten nicht eindeutig codiert werden. Darunter fielen
beispielsweise die Magisterarbeit „Kultivierende Wirkung der Kronen Zeitung. Eine Cross-
Lagged Panel Analyse“ von Florian Arendt oder auch die Diplomarbeit „Die Repräsentation
des Canis Familiaris in den österreichischen Printmedien“ von Martina Wiesinger.
Abb. 5: Themen der Hochschulschrift nach Geschlecht, Balkendiagramm. Eigene Darstellung (SPSS)
27
Abbildung 5 zeigt sehr deutlich, dass weibliche Studierende eine höhere Themendiversität
hatten. Sprache und Katastrophen waren Themen, die in der Untersuchung in keinem einzigen
Fall von Männern behandelt wurden. Auffällig ist in dieser Graphik auch, dass bei beiden
Geschlechtern die gleiche Anzahl von Hochschulschriften unter „Sonstiges“ codiert wurden.
6. Fazit
Rudi Renger formulierte eine sehr drastische These: „Die Analyse von Boulevardjournalismus
genießt ebensowenig Prestige wie der Boulevardjournalismus selbst.“81 Die Untersuchung der
insgesamt 73 Hochschulschriften, die an der Universität Wien in den letzten 20 Jahren über
boulevardformatige Medien verfasst wurden, beweist aber das Gegenteil. Es ist ein beliebter
Forschungsgegenstand bei Studierende. Alleine im Jahr 2009 wurden zwölf Hochschulschriften
zu diesen Thema verfasst. Durch die Untersuchung für diese Bachelorarbeit wurden sehr
unterschiedliche Ergebnisse zu Tage gefördert, die im Folgenden angeführt und diskutiert
werden sollen.
Zum Geschlecht ist zu sagen, dass rund zwei Drittel der untersuchten Hochschulschriften von
Frauen verfasst wurden und zirka ein Drittel von Männern. Das korreliert mit der Aussage von
Margreth Lüneborg, dass immer mehr Frauen im Journalismus tätig sind und umgelegt auf diese
Bachelorarbeit, mehr Frauen sich für das Thema Journalismus interessieren und darüber ihre
Abschlussarbeit schreiben. Das Ergebnis kann aber auch damit zusammenhängen, dass gerade
in der Studienrichtung Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, aus die der Großteil der
untersuchten Hochschulschriften stammten, mehr Frauen als Männer studieren.
Forschungsfrage 1 wollte einen Zusammenhang zwischen Aktualität der Hochschulschrift und
dem Forschungsgegenstand wissen, also ob Studierende sich rein mit Boulevardmedien
beschäftigen oder einen Vergleich zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien vornahmen.
Diese Frage konnte nicht eindeutig beantwortet werden, da, wie Abbildung 2 zeigte, kein
Unterschied zwischen aktuell und nicht aktuell bestand. Unabhängig vom Erscheinungsjahr der
Hochschulschrift haben mehr Studierende einen Vergleich durchgeführt, statt sich nur mit
Boulevardmedien zu beschäftigen. Die Prozente haben sich nur minimal verändert.
Forschungsfrage 2 fragte nach einem Zusammenhang der Aktualität und der Methode. Auch
hier kann die Forschungsfrage nicht eindeutig beantwortet werden. Unabhängig von der
81 Vgl. Renger: Populärer Journalismus, S. 365.
28
Aktualität der Hochschulschrift ist es immer noch beliebter eine einzige Methode zu
verwenden. Dennoch kann gesagt werden, dass die Verwendung eines Methodenmixes in den
letzten Jahren ein wenig beliebter geworden ist.
Ein großes Problem waren bei Forschungsfrage 3 die Hochschulschriften, die thematisch nicht
eingeordnet werden konnten und somit bei SPSS unter „Sonstiges“ codiert wurden. Deren
Anteil war mit 30,14 % äußerst hoch. Es kann gesagt werden, dass fast ein Drittel der
Hochschulschriften thematisch nicht codiert werden konnten und das obwohl die ursprüngliche
Codierung um die Variablen „Kriminalität“ und „Katastrophen“ erweitert wurde.
Mehr als ein Viertel, nämlich 26,03 % der untersuchten Hochschulschriften beschäftigten sich
in der einen oder anderen Form mit Politik. Das unterstreicht die Wichtigkeit dieses Themas in
Bezug auf Boulevardjournalismus, auch wenn in der Forschungsliteratur immer wieder betont
wird, wie gering die Rolle von Politik im Boulevardjournalismus ist. Die Hypothese 3.3 zum
Thema Sprache konnte zwar verifiziert werden, jedoch ist die Anzahl der Hochschulschriften
mit vier Stück eindeutig zu gering, um eine validierte Aussage machen zu können. Das war
auch bei anderen Hypothesen ein großes Problem, etwa bei Hypothese 3.6 zu Katastrophen, zu
denen nur sechs Hochschulschriften gefunden werden konnten.
Grundsätzlich kratzte diese Bachelorarbeit nur an der Oberfläche und schaffte einen groben
Überblick über Hochschulschriften über boulevardformatige Medien. Es gibt vieles, das
zusätzlich noch erhoben werden hätte können, da die Codierung nur wenige Punkte umfasste.
Zum Beispiel wäre es interessant gewesen, wie viele Hochschulschriften aus dem Fachbereich
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft stammen und wie viele aus anderen
Studiengängen der Universität Wien. Auch wurde nur erhoben, ob die Studierenden eine
Methode verwendeten oder mehrere. Aber um welche Methode es sich jeweils handelte, wurde
nicht codiert. Der Zeitraum 1997 bis 2017 schien angebracht für die Untersuchung, da davor
nur vereinzelt über Boulevardmedien geforscht wurde. Man hätte den Zeitraum maximal auf
25 Jahre statt 20 Jahre ausdehnen können. Dies hätte das Sample von 73 Hochschulschriften
aber auch nicht stark erhöht. Es stellt sich die Frage, wie aussagekräftig so ein kleines Sample
ist. Dennoch wurde größte Sorgfalt darauf gelegt, das Sample zu vergrößern, sprich jede
Hochschulschrift über boulevardformatige Medien ausfindig zu machen. Daher war ein
größeres Sample nicht möglich. Ein weiterer Aspekt, um den diese Bachelorarbeit, im
Nachhinein betrachtet, ergänzt werden hätte können, ist eine zeitliche Untersuchung der
Themen. Dazu wären Fragen wie etwa „Seit wann beschäftigen sich Studierende mit dem
Thema Katastrophen im Boulevardjournalismus?“ relevant. Mit solchen Fragestellungen
29
könnte auch die titelgebende Frage: „Was gibt es Neues vom Boulevard“ besser beantwortet
werden.
Für die Zukunft wäre es interessant, wie wertend über Boulevardjournalismus in
Hochschulschriften geschrieben wird und wie intensiv die Dualität Boulevardjournalismus =
Böse, Qualitätsjournalismus = Gut innerhalb der Hochschulschriften ist. Das könnte für eine
größere Arbeit, wie eine Masterarbeit, durchaus relevant sein.
Mehrere Ergänzungen und weitere Fragestellungen sind darüber hinaus noch anzudenken. Es
wäre beispielsweise möglich, konkreter auf Hypothese 3, die nach den Themen der
Hochschulschriften im Zusammenhang mit Geschlecht fragt, einzugehen. Hier bietet sich die
Frage nach dem Warum an. Warum haben sich die Studierenden für ein bestimmtes Thema
entschieden, was waren die Beweggründe und was interessierte sie daran, könnten mögliche
Fragestellungen sein. Qualitative Experteninterviews mit den Studierenden selbst, verbunden
mit einer Inhaltsanalyse, wäre eine Möglichkeit, dies herauszufinden.
Schlussendlich kann gesagt werden, dass die eingangs gestellte Frage „Was gibt es Neues vom
Boulevard?“ nicht eindeutig beantwortet werden kann. Dennoch bringt diese Bachelorarbeit
einige Erkenntnisse über Hochschulschriften über boulevardformatige Medien an der
Universität Wien.
30
7 Literaturverzeichnis
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https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170823_OTS0045/aktuelle-oeak-bestaetigt-die-
krone-ist-erneut-die-mit-abstand-auflagenstaerkste-tageszeitung-und-fuehrt-auch-im-epaper-
verkauf-anhaenge (abgerufen am 20. 02. 2018)
Scheidtweiler PR / Caroline Bullwinkel (19. Februar 2013): Kommunikationsmodelle für PR
und Social Media. In: http://www.scheidtweiler-pr.de/kommunikationsmodelle-fuer-pr-und-
social-media/ (abgerufen am 28. 12. 2017)
34
7.3 Abbildungsverzeichnis
ABB. 1 DAS ENCODING-DECODING-MODELL NACH STUART HALL ........................................... 17
ABB. 2 BOULEVARD ODER VERGLEICH, BALKENDIAGRAMM. EIGENE DARSTELLUNG (SPSS) .. 23
ABB. 3 METHODE ODER METHODENMIX, BALKENDIAGRAMM. EIGENE DARSTELLUNG (SPSS) 24
ABB. 4 THEMEN DER HOCHSCHULSCHRIFT, TORTENDIAGRAMM. EIGENE DARSTELLUNG
(SPSS) ...................................................................................................................................... 26
ABB. 5 THEMEN DER HOCHSCHULSCHRIFT NACH GESCHLECHT, BALKENDIAGRAMM. EIGENE
DARSTELLUNG (SPSS) .............................................................................................................. 26
Abstract
Die Bachelorarbeit beschäftigt sich mit Hochschulschriften, die an der Universität Wien zu
boulevardformatigen Medien verfasst wurden. Die forschungsleitende Frage lautet: „Wie
wurde an der Universität Wien zu boulevardformatigen Medien geforscht?“ Genauer
eingegrenzt wird die Fragestellung durch den Zeitraum 1997 bis 2017, in denen die
Hochschulschriften verfasst wurden. Bevor diese Frage mittels einer Inhaltsanalyse versucht
wurde zu beantworten, wurden zunächst anhand der bisherigen Forschungsliteratur ein
geschichtlicher Abriss sowie Definitionen von Boulevardjournalismus erstellt und aktuelle
Themen des Boulevardjournalismus betrachtet. Weiters wurden die Theorie der Cultural
Studies genauer beleuchtet. Insgesamt 73 Hochschulschriften wurden im empirischen Teil der
Bachelorarbeit nach bestimmten Kriterien analysiert, um anschließend die Forschungsfragen
und Hypothesen zu beantworten.
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