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Hauptseminar: Ausgewählte Probleme der öffentlichen Verwaltung Datum: 03.06.09 Am Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. Hans‐Ulrich Derlien Referent : Daniel Schamburek
Sonderformen der Herrschaft Al Qaida – Hierarchie oder Netzwerk?
I Einleitung Überblick: Ziele und Mittel von Al‐Qaida II Grundlegende Begriffe II.1 Herrschaft II.2 Hierarchie und Anarchie II.3 Netzwerk III Organisationstheorie III.1 Der Organisationsbegriff III.2 Mitglieder und Personal III.3 Struktur III.4 POSDCoRB IV Al Qaida IV.1 Die Organisationsthese
IV.1.1 Finanzen IV.1.2 Mitglieder und Personal IV. 1.3 Struktur und Funktionen
IV.2 Die Netzwerkthese V Diskussion VI Schlusswort Literaturverzeichnis
2
I Einleitung The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of
the unknown.1
In vielen Situationen birgt dieser Ausspruch einen hohen Wahrheitsgehalt in sich.
Dabei muss es sich nicht alleine um die Angst vor reiner Fiktion in Form von
Horrorgeschichten und dergleichen handeln. Vielmehr ist das Spiel mit der Furcht vor
real existierenden ‐ aber dennoch wenig untersuchten ‐ Phänomenen ebenso präsent
(beispielsweise forciert durch die Medien) und um ein Vielfaches brisanter.
Unerforschte Krankheitsbilder oder andere Gegenstände sind – aufgrund des
themenbezogenen Informationsdefizits großer (im idealen Falle: aller)
Bevölkerungsteile – die Auslöser für Angst. Man denke an die erst kürzlich
aufgekommene Mexiko‐Grippe, die in der Bild‐Zeitung und anderen populären
Blättern für Schlagzeilen sorgte.
Besonders gilt Lovecrafts Ausspruch dann, wenn jenes „Unbekannte“ als Akteur
auftritt, seine Gefährlichkeit propagiert und gleichzeitig sein wahres Gesicht und
Ausmaß zu verbergen sucht. Als einen typischen Fall möchte ich die Al‐Qaida
klassifizieren. In der breiten Bevölkerung weiß man wenig über dieses Phänomen;
keineswegs Fiktion und immer wieder erfolgreich darin, die Struktur und einige
andere Merkmale einer Organisation oder eines Netzwerks (und damit essentielle
Informationen zur Einordnung der Vereinigung in theoretische Profile) zu vermeiden.
Die Unsicherheit, von welchem Gegenstand man spricht, wenn der Begriff Al‐Qaida
fällt, führt zu Angst und nicht selten spekulationsbasierten Entscheidungen, die
aufgrund dieser Angst getroffen werden.
Die Aufgabe verschiedener Disziplinen der Wissenschaft ist es, etwas mehr Licht in
das Dunkle zu bringen, um den Gegenstand „Al‐Qaida“ (nicht nur für einen kleinen
Kreis von Informierten) unter rationalen Gesichtspunkten greifbarer zu machen. Es
drängen sich einige Fragen auf, deren Beantwortung zum Versuch einer Erhellung des
Themas nötig sind: Welche Ziele verfolgt Al‐Qaida? Mit welchen Mitteln sollen diese
Ziele erreicht werden? Wie ist Al‐Qaida organisiert? Und damit: Wie beschafft und
verwaltet Al‐Qaida Personal und Sachmittel? Welcher Struktur liegt der
organisatorische Aufbau zugrunde? Handelt es sich hierbei um Hierarchie oder ein
Netzwerk2? Zentrale oder Peripherie?
1 Zitat nach: H.P. Lovecraft, englischer Schriftsteller (18.. – 1937) 2 In Anlehnung an den Aufsatz von Mayntz (2004): „Hierarchie oder Netzwerk? Zu den Organisationsformen des Terrorismus“.
3
Mit letzteren beiden Fragen soll sich in dieser Arbeit eingehend befasst werden.
Durch die Arbeitsweise können ebenso die vorangegangenen Fragen gestreift
werden, da diese zum Teil untereinander zusammenhängen. Einführend werden –
dem eigentlichen Hauptteil vorgelagert (II‐V) – die ersten beiden Fragen behandelt.
Dies kann nur überblicksartig geschehen. Anschließend folgen in einem theoretischen
Teil Begriffsklärungen (II), organisationstheoretische Überlegungen (III), die sich
hauptsächlich auf Kieser/Kubicek, Weinert und Gulick stützen. Im zweiten Part des
Hauptteils soll Al‐Qaida auf die zentrale Frage danach, ob es sich um eine
hierarchische Struktur oder ein um Netzwerk handelt, diskutiert werden (V),
nachdem der Forschungsstand zu diesem Thema dargelegt wurde (IV). Aufgrund der
Aktualität des Themas in den frühen Jahren dieses Jahrzehnts ist zeitnahe Literatur in
großer Fülle vorhanden. Neben den eher einfach gehaltenen Darstellungen Langbeins
wurden allgemeine Schriften zur Al‐Qaida von Gunaratna und Burke und spezielle
Arbeiten (die sich konkret auf die Forschungsfrage beziehen) von Mayntz, Posch und
Kepel/Milelli herangezogen.
Problematisch ist für die Untersuchung des Gegenstands, dass Nachweise
verschiedener Quellen aufgrund der Distanz zum Objekt nicht möglich sind.
Bestimmten Quellen gegenüber (insbesondere betrifft dies offizielle Reports aus den
Vereinigten Staaten) ist eine kritische Hinterfragung angebracht. Zudem beruhen
Ausführungen nicht immer auf gesicherten Fakten, sondern auf Indizien, Hinweise
und Wahrscheinlichkeiten.
Überblick: Ziele und Mittel von Al‐Qaida
Gesicherter ist dagegen die Literatur zur ideologischen Einordnung. Schon aus
eigenem Interesse heraus sind die religiös und politisch motivierten
Gedankengebäude durch Vordenker und Nahestehende der Al‐Qaida bestätigt.
Die Verquickung von Religion und Politik ist für das Weltbild der Islamisten3
essentiell. Politik ist der moslemischen Religion nachgeordnet. Da es sich nach deren
3 Trotz der Würdigung des Umstandes, dass es sich bei der Frage nach der weltanschaulichen Einstellung Einzelner um sozialwissenschaftliche Wahrscheinlichkeiten und nicht um mathematische Absolutheiten handelt, sind in diesem Abschnitt Verallgemeinerungen unumgänglich. „Wenngleich die meisten Islamisten ähnliche Ziele verfolgen, unterscheiden sie sich doch bisweilen erheblich von der Art und Weise, wie sie diese Ziele erreichen wollen.“ Metzger 2002. Siehe dazu ausführlicher: Wentker 2008:.33‐44;
4
Ansichten um einen ständigen Konflikt auf Erden zwischen guten und bösen
Menschen (also Gläubige und Ungläubige) handelt, richtet sich die Politik danach, das
Einflussgebiet des Islams mindestens zu erhalten und wünschenswerter Weise
maximal auszudehnen. (Musharbash 2006: S. 24 ff)
Ein Dorn im Auge sind ihnen dabei insbesondere die USA. Zwei wichtige Gründe sind
anzuführen. Zum Einen haben sich amerikanische Kultur und Wirtschaft in vormals
muslimisch dominierten Gebieten breit gemacht. Prominente Beispiele sind die
Staaten Saudi‐Arabien und Kuwait. Zum Anderen empfinden viele Moslems die
militärische Dominanz der Vereinigten Staaten in der islamischen Welt als
erdrückend. Eingebunden in Allianzen oder direkt vor Ort entfesseln die Amerikaner
nicht selten Abneigungsgefühle. Eine Stellungnahme des Al‐Qaida‐Sprechers
Sulaiman Abu Ghaith kann dies deutlich machen:
Amerika ist der Kopf des Unglaubens in der modernen Welt, denn es hat ein ungläubiges, demokratisches Regime, das auf Trennung von Kirche und Staat basiert und außerdem darauf, dass das Volk durch das Volk regiert wird, und zwar, indem Gesetze verabschiedet werden, die dem Weg Gottes zuwiderlaufen und außerdem erlauben, was Gott verboten hat. (Musharbash 2006: 26 Z.21‐27)
Begünstigt durch den Umstand, dass der Prophet Mohammed den „Kampf“ gegen die
Ungläubigkeit anrät (ohne nähere Beschreibung der Vorgehensweise), sehen sich die
fundamentalistisch‐extremistischsten Kräfte unter den Islamisten4 in der Pflicht,
einen heiligen Krieg gegen die westliche Welt (insbesondere gegen die Vereinigten
Staaten, Israel und deren engste Verbündete) regional begrenzt oder international zu
führen. Diesen Kampf gegen die „Kreuzfahrer und Juden“ (Gunaratna 2002: 47, Saghi
2006: 85) ‐ oder auch „heiligen Krieg“5 ‐ nennt man „Dschihad“6.
Die Entscheidung darüber, ob es sich um einen Angriff auf die westlichen
Demokratien oder um eine Verteidigung der islamischen Welt vor imperialistischen
Bestrebungen der USA (Musharbash 2005: 25) handelt, liegt im Auge des Betrachters.
Aus Sicht von Osama Bin Laden ist dieser Krieg eindeutig als Abwehrkampf zu
verstehen: As you kill, you will be killed (Newsweek: Titelseite Nov 2002) und These
4 Über die Abgrenzung des kriegerischen vom rein politischen Islamisten herrscht Uneinigkeit. In der Literatur gibt es auch Autoren, die nur terroristische Dschihadisten als Islamisten titulieren. Auch die Bezeichnungen sind hier vielfältig, bedeuten oft wiederum Ähnliches: Fundamentalismus, Integrismus, islamischer Terrorismus, Jihadismus, Islamo‐Faschismus u.a. Vgl. hierzu: Rosiny 2008. 5 Vgl. dazu: „Kriegserklärung“ bin Ladens an die Amerikaner in Saghi 2006 S.67 ff 6 Zur ausführlichen Begriffserklärung aus Sicht eines Dschihad‐Vordenkers siehe Schriften von Abdullah Azzam in Hegghammer 2006 S.233 ff
5
actions were carried out by the zealous sons of Islam in defense of their religion and in
response to the order of their God and Prophet may God’s peace and blessings be
upon him (Hosenball u.a. 2002: 28 f).
Mit den erwähnten „Aktionen“ sind terroristische Akte (insbesondere die Anschläge
vom 11. September 2001) gemeint. Die Zerstörung des World Trade Center, das als
Wahrzeichen der wirtschaftlichen Prosperität in den Vereinigten Staaten galt, war die
bisher aufsehenerregendste Aktion der Al‐Qaida.
Dabei lagen ihre Anfänge nicht im Terrorismus sondern im Guerillakampf. Im
Gegensatz zu heute bezog sich das Hauptziel auf ein regional eingrenzbares Gebiet:
Afghanistan. Das Land war in den 80er Jahren von Sowjettruppen besetzt. Man wollte
die Eindringlinge vertreiben. Treibende Kraft waren die Mudjahedin‐Guerillas. Die Al‐
Qaida‐Vereinigung entwickelte sich in deren Dunstkreis. Nachdem sich die Russen
zurückgezogen hatten, gewannen die Amerikaner langsam an Einfluss hinzu. Es
entwickelte sich, dass die, für den Afghanistan‐Widerstand ins Leben gerufene, Al‐
Qaida überregional und schließlich weltweit weiterhin agierte und größer wurde.
Hauptfeind war nun nicht mehr die inzwischen zusammengebrochene Sowjetunion
(obwohl sich Russland nach wie vor im Fadenkreuz der Islamisten ‐ u.a. in
Tschetschenien – befindet), sondern die westliche Welt; allen voran die USA.
Die Bezeichnung Al‐Qaida kann aus dem Arabischen unterschiedlich übersetzt
werden. Geläufig sind die Basis (Langbein 2004: 119, Posch 2008: 164, Burke 2003: 7),
das Fundament (Ebd.: 7) oder die Regel (Kepel 2006: 13). Alle drei Deutungen finden
Verwendung. Verschiedene Schriften (auch in der islamistischen Literatur)
legitimieren jeweils eine, zwei oder alle drei zusammen.
Ein wichtiges Kennzeichen der Al‐Qaida ist – wie bei vielen terroristischen
Organisationen – die Inszenierung der Terrorakte in den Medien. Anschläge auf
symbolträchtige oder von Menschen stark frequentierte Objekte sorgen für
Aufmerksamkeit und Angst. Ideologie und Selbstverständnis werden so in Zeitungen,
Film und Funk verbreitet7.
Trotz dieser Propaganda weiß die breite Bevölkerung nicht genug über Al‐Qaida. Nur
wenn mediale Interaktion mit der (westlichen) Außenwelt stattfindet, können
Informationen gewonnen werden. Diese betreffen nur selten Angaben zu Struktur,
Hierarchie und Netzwerk.
7 Musharbash (2006: 132 Z 7 f): Ein Terroranschlag ist wertlos, wenn niemand erfährt, wer für die Tat verantwortlich ist.
6
II Grundlegende Begriffe
Um dennoch einen Versuch starten zu können, einige grundlegende
Strukturmerkmale dieser Sonderform der Herrschaft aufzudecken, muss zunächst
unabhängig von „Al‐Qaida“ eine Klärung wichtiger Begriffe stattfinden. Dies soll eine
– wie immer auch geartete – Gegenstandsbeschreibung möglich machen.
II.1 Herrschaft
Wer im Wörterbuch der Soziologie den Artikel über Herrschaft aufschlägt, findet
folgende Aussage vor: Herrschaft bezeichnet ein institutionalisiertes Verhältnis der
Über‐ bzw. Unterordnung, in dem Menschen – fast immer – sinnorientiert aufeinander
bezogen handeln (Vogel 1989: 273‐275). Dieser Versuch einer Definition kann sich im
Zusammenhang mit dem Begriff Hierarchie als nützlich erweisen. Trotzdem erscheint
der Satz etwas unbefriedigend. So wendet sich Vogel der gehaltvolleren Definition
von Herrschaft aus Max Webers Werk Wirtschaft und Gesellschaft (2006) zu, in dem
es heißt, dass Herrschaft die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhaltes bei
angebbaren Personen Gehorsam zu finden (Vogel 1989: 273 Z 15‐18) ist.
Ebenfalls Bezug auf Weber nimmt Oppenheimer im Artikel über Machtverhältnis im
Handwörterbuch der Soziologie (1982: 91‐101). Beide Autoren finden enge
Zusammenhänge zwischen Macht und Herrschaft; zunächst unter Berufung auf
Weber: Macht ist die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen
auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht (Ebd.:
91 Z 3‐6, Vogel 1989: 273 Z 19‐23). Vogel (Ebd.: 273) und Maurer (2008: 105) ordnen
Herrschaft als spezielleren Begriff der der Definition von Macht unter. Gewalt und
Zwang seien destruktive Formen der Macht (Vogel 1989.: 273).
Durch die Formulierung „auch gegen Widerstreben“ Webers zum Machtbegriff
drängt sich die Frage auf, ob es nicht Situationen gibt, in denen Herrschaft ausgeübt
wird, die immer im Einvernehmen mit dem Beherrschten geschieht. Dies könnte vor
allem dann vorkommen, wenn die Chance, für einen Befehl Gehorsam zu finden,
zeitlich begrenzt oder/und themenbezogen wäre. Man könnte sich eine
koordinierende Bürokratie vorstellen, die lediglich die Zielerreichung eines
7
„Netzwerks“8 organisiert. Das Erreichen des Ziels muss aber dann für alle Adressaten
erste Priorität haben. Außerdem muss der Glaube daran, dass diese Bürokratie oder
diese übergeordnete Stelle als bestmögliche Problemlöserin außer Frage steht, sehr
ausgeprägt sein.
Gibt es auch Machtausübung ohne Zielverfolgung; also die nur auf unbedingte
Loyalität eines Anführers aufbaut? In manchen Texten scheint es, als spräche man
einem derartigen Fall. In Wirklichkeit kann die stillschweigende Berücksichtigung der
Tatsache, dass meist ein Ziel (oder zumindest ein Grund) zwingend notwendig ist,
unterstellt werden.
Oppenheimer sieht einen Gegensatz zwischen Führerschaft und Herrschaft. Dies
begründet er mit folgenden Konträrbegriffen: der Führerschaft steht die Gefolgschaft,
der Herrschaft die Untertanenschaft oder Dienerschaft gegenüber (1982: 92 Z 57‐60).
Der idealtypische Führer sei demnach primus inter pares. (Ebd.: 92 f)
Weber dagegen integriert beide Begriffe, indem er die Führerschaft als
charismatischen Idealtypus von Herrschaft (im Rahmen seiner Definition des
Herrschaftsbegriffs) bezeichnet (Weber 2006: 8). Führerschaft kann (um die Synthese
von Oppenheimer und Weber zu schaffen) als die Autorität der außeralltäglichen
persönlichen Gnadengabe (Charisma), die ganz persönliche Hingabe und das
persönliche Vertrauen zu Offenbarungen, Heldentum oder anderen
Führereigenschaften eines Einzelnen (…) (Weber 2006: 8 Z 13‐17) 9 gedeutet werden.
Die zwei anderen Arten des Legitimationsglaubens sind die legale und die
traditionelle Herrschaft.
Weber liefert eine treffende Erklärung des Herrschaftsbegriffs in einem Satz. Die
weiterführende Literatur anderer Wissenschaftler präzisiert, formuliert um oder
verändert Details10. Am Gehalt der Definition ändert sich nicht viel. Infolgedessen
treten Webers Ausführungen nicht nur in Artikeln über Herrschaft (Vogel 1989,
Maurer 2008, Oppenheimer 1982) auf, sondern auch im Literaturverzeichnis der
Beiträge zu Netzwerken und Hierarchie (Romig 1996, Bellinger/Krieger 2008).
8 Diskussion des Begriffs unter II.3 9 Ähnliche/ausführlichere Ausführungen in: Weber 2005: A 753‐757 10 Auch Weber bezeichnet seine Definition von Herrschaft nicht als letztgültig. In einem Antwortbrief auf die Kritik an seiner Definition schreibt er: „Alles in Allem: der Begriff ´Herrschaft´ ist nicht eindeutig. Er ist fabelhaft dehnbar.“ (Weber 2005: S.4 Z 28 f)
8
II.2 Hierarchie
Im Brockhaus findet sich unter Hierarchie (soziologisch): Gliederung sozialer
Organisationen durch ein eindeutig festgelegtes System der Unter‐ und Überordnung
in überwiegend vertikaler Rangfolge der Mitglieder, deren Weisungs‐ und
Entscheidungsbefugnis bei abnehmender Zahl von unten nach oben zunimmt
(pyramidenförmiger Aufbau). (Brockhaus 1997: Sp 2 Z 6‐11)
Verquickungen mit dem Herrschaftsbegriff werden deutlich, da (in unterschiedlicher
Ausprägung) für Herrschaft Hierarchie vonnöten ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich
um eine soziale Beziehung von nur zwei Menschen handelt. An anderer Stelle (Romig
1996: 248 f) wird neben der Unter‐ und Überordnung als Merkmal der Hierarchie die
Pyramidenförmigkeit des Aufbaus genannt. Es scheint aber, als würde diesem
Charakteristikum dort eine nachrangigere Stelle gegenüber dem ersten Punkt
eingeräumt. Es deutet alles darauf hin, dass mit zunehmender Zahl der Involvierten
die Wahrscheinlichkeit steigt, eine idealtypische Pyramidenform vorzufinden.
Als gegensätzlicher Begriff zu Hierarchie ist nicht Netzwerk oder Peripherie
aufgeführt, sondern Anarchie. Im Lexikon des Konservativismus (Romig 1996: 248‐
249) mit einer negativen Wertung versehen, wird Anarchie als herrschaftslose
Gesellschaft bezeichnet. Somit kommen hier (im idealtypischen Fall) weder
Herrschaft noch (folgerichtig) Hierarchie zum Tragen.
Beim Lesen des Aufsatzes von Mayntz (2004: 252‐262) könnte der Eindruck
entstehen, dass der Konträrbegriff von Hierarchie (aufgrund des unterscheidenden
„oder“) der Ausdruck Netzwerk sei. Eine kurze Befassung mit dem Netzwerk‐Begriff,
hinsichtlich der Einordnung in ein zu bildendes Gefüge, an dieser Stelle erscheint
sinnvoll.
II.3 Netzwerk
Eine ausführliche Beschreibung, welche zwar den definitorischen Rahmen einengt
aber dafür den Begriff besser vorstellbar macht, findet sich im Lexikon Soziologie und
Sozialtheorie. Danach ist ein Netzwerk (allgemein gesprochen) eine Menge von
Knoten, die mittels Kanten, links oder ties miteinander verbunden sind
(Bellinger/Krieger 2008: 204 Z 1‐3).
9
Knoten können von anarchisch einander gegenüberstehenden Akteuren gebildet
werden; dies sind beispielsweise Individuen oder Organisationen.
In dem Artikel werden zahlreiche Eigenschaften aufgelistet:
Typische Eigenschaften: relative Autonomie der Mitglieder, Heterogenität der verbundenen Akteure, Vertrauen als Basis der Kooperation anstelle von Eigeninteresse, lose Koppelung anstelle fixer
Strukturen, horizontale anstelle von hierarchischen Beziehungen, Selbstorganisation, informelle und dezentrale Entscheidungsprozesse, Flexibilität und hohe Komplexität.(Ebd.:204 Z 11‐17)
Trotz der genannten Schwächen11 aufgrund der Fülle an Punkten, leistet diese
Auflistung zum Teil bereits eine Differenzierung zwischen Netzwerk und
beispielsweise einer Organisation.
Von einer anderen Warte aus betrachtet der Soziologe Fuhse die Situation. Er
verknüpft in seinem Aufsatz ‐ über die Unterscheidung von Gruppen und Netzwerken
(2006: 245‐263) ‐ Identität mit Netzwerken:
Identität wird immer in Beziehung zu anderen Identitäten konstruiert – ist also relational. Kollektive Identität definiert sich in einem Netzwerk – im Gegensatz zu anderen kollektiven Identitäten. (Ebd.:
257)
Der Grundtenor ist aber ähnlich. Deshalb soll als Kurzdefinition ‐ der Einfachheit
halber ‐folgender (weit gefasster) Satz gelten:
Alle Formen sozialer Kommunikation, die weder flüchtige Interaktionen noch hierarchisch strukturierte Organisationen oder Funktionssysteme sind können als N. betrachtet werden. (Bellinger/Krieger 2008:
205 Z 12‐15)12
Es steht also fest, dass es sich bei einem Herrschaftsverhältnis um einen
hierarchischen Aufbau, welcher der Befehlskette geschuldet ist, handeln muss.
Führerschaft ist eine spezielle Form der Herrschaft – nämlich die der charismatischen.
Der Gegenbegriff zur Hierarchie ist Anarchie. Anarchische Elemente, die miteinander
dauerhaft interagieren, können unter den genannten Rahmenbedingungen als
Netzwerk bezeichnet werden. Der Konträrbegriff zum Netzwerk ist noch zu finden.
11 Hier müsste beispielsweise diskutiert werden, ob die Akteure, welche sich in einem Netzwerk aufhalten, als Mitglieder (vergleichbar zum Mitglied in einer Organisation) zu betrachten sind. Siehe dazu III.1.1 12 Dass flüchtige Interaktionen von längerfristigen Netzwerktätigkeiten zu trennen sind, betont auch Mayntz (2004: 253).
10
III Organisationstheorie
Dass es sich bei dem gesuchten Begriff (oder zumindest einem der gesuchten
Begriffe) um die Organisation13 handeln könnte, liegt nahe. Deshalb muss
festgehalten werden, welche Merkmale eine Organisation charakterisieren und
welche Aufgaben den jeweiligen Hierarchieebenen (insbesondere der oberen)
zukommen.
Auf einzelne Theorien und Ansätze kann nicht eingegangen werden. Vielmehr soll der
Organisationsbegriff so gefasst werden, dass er allgemein genug bleibt, um für den
Großteil der einzelnen Theorien (Human Realtions‐Schule / Systemtheorie /
Verhaltenswissenschaft u.a.) als Basis dienen zu können. Konkret wird anschließend
(nach einem kurzen Abschnitt über Funktionen und Struktur) das POSDCoRB‐Modell
von Gulick herausgegriffen.
III.1 Der Organisationsbegriff
Eine Organisation kann als solche klassifiziert werden, wenn eine Reihe von
Merkmalen zutreffen. Im Wesentlichen kann man sich hier auf Kieser/Kubicek (1992:
Einführung) und Weinert (1992) stützen. Dort werden schlagwortartig fünf Merkmale
genannt: Ziel, dauerhaft, Mitglieder, formale Struktur und Aktivitäten der Mitglieder
(Ebd.: 4). Dauerhaftigkeit braucht nicht weiter ausgeführt werden. Die Ziele wurden
im Falle der Al‐Qaida bereits im vorhergehenden Abschnitt dargelegt und sind (unter
theoretischen Gesichtspunkten) nicht Teil dieser Arbeit. Die übrigen drei Merkmale
werden in der Einführung des Lehrbuchs kurz zusammengefasst. Auf zwei davon wird
im Folgenden eingegangen.
III.2 Mitglieder und Personal
Die Feststellung, ob ein Individuum Mitglied einer Organisation ist, oder nicht, kann
nicht immer leicht getroffen werden. Neben der schriftlich fixierten Mitgliedschaft
gibt es andere, denkbare Formen. Als Organisationen gelten auch solche, die keine
13 Von Organisation wird in diesem Aufsatz grundsätzlich nur im definierten Sinne gesprochen. Auch Organisationsstruktur bezieht sich im Nachfolgenden auf die Struktur einer Organisation.
11
formalen Mitglieder aufweisen, sondern nur (oder größtenteils) Individuen, die sozial
eingebunden (Kieser/Kubicek 1992.: 11/12) sind. 14
Etizioni würde eine moralisch basierte Organisation, die auf normativer Gewalt
aufbaut, als normative Organisation charakterisieren. Er nennt ideologische und
religiöse Vereinigungen als Beispiele. (Ebd.: Schaubild nach Etizioni Übersicht 1‐1)
In der Zusammenfassung können deshalb die vertraglichen Beziehungen als
normative Bindungen verstanden werden:
Die Mitgliedschaft eines Individuums in einer Organisation basiert auf vertraglichen Beziehungen, die der Organisation bzw. ihren Vertretern das Recht zur weiteren Präzisierung von Anforderungen und Vorgaben einschließlich organisatorischer Regelungen für das Mitglied einräumen. (…) (Ebd.: 16)
Eine Organisation kann nicht nur auf motivierte Mitglieder, die von sich aus der
Organisation beigetreten sind, bauen und dabei hoffen, dass geeignetes Personal zur
Durchführung der Ziele und zur Bewältigung der Verwaltungsaufgaben darunter ist.
Vielmehr ist die Schnittmenge derer, die beitreten wollen (Weinert 1992: Kap 5.1)
und derer, die nachgefragt werden (Ebd.: Kap 5.3, Derlien 1984: 838 ff) entscheidend.
Eine entsprechende Schulung der Menschen in dieser Schnittmenge ist meist für
anstehende Aufgaben nötig (Weinert 1992: Kap 5.4). Eine andere Möglichkeit besteht
darin, geschultes Personal, das nicht der Ideologie wegen beitreten würde,
einzukaufen (Geldentlohnung).
III.3 Struktur
Der Systemtheoretiker Waltz (1979: Kap 5/6) gebraucht Struktur im Zusammenhang
mit einer anarchischen Umgebung15. Bedingung für Struktur in Organisationen ist
aber das Vorhandensein von Hierarchie. 16 Neben der hierarchischen Struktur ist in
der Organisationstheorie die horizontale Struktur zu nennen.
Kieser/Kubicek betonen, dass es sich nicht nur um (allgemeine) Strukturen einer
Organisation, sondern um formale ‐ das heißt institutionalisierte ‐ Regeln zum
hierarchischen und vertikalen Aufbau einer Organisation, handeln muss. Zwar wird
eingestanden, dass die Grenzen formaler Regeln zu nicht formalen Regeln fließend 14 Ebenso könnte und müsste man hier die Unterscheidung „Hauptamtlichkeit oder Ehrenamtlichkeit“ diskutieren (Derlien 2005: 117 Pkt. 4). 15 Gemeint ist das internationale System: Einheit und Struktur. 16 Mayntz kommt hier zu einem anderen Ergebnis: In der Organisationssoziologie gibt es Forscher, die darauf bedacht sind, „vertikal“ und „hierarchisch“ zu unterscheiden (2004: 254). In dieser Arbeit wird diese Feinunterscheidung (trotz Würdigung der Tatsache) aus Platzgründen nicht getroffen.
12
sein können und oft sind; eine hierarchische Grundstruktur und eine rudimentäre
Festlegung darüber, was dem „Herrschenden“ und seinen Gefolgsleuten erlaubt ist
und was nicht, muss vorhanden mindestens sein. (Ebd.: 16‐24)
Man kann also folgern, dass hierarchische Struktur ein notwendiges Merkmal ist. Die
Schwäche oder Stärke der Ausprägung lässt Schlüsse auf den Organisationsgrad zu.
III.4 POSDCoRB
Im Zusammenhang mit Struktur muss auf (Leitungs‐)funktionen eingegangen werden.
Eine Ausdifferenzierung der Funktionen würde auf eine formale Organisation
hindeuten. Eine strukturierte Abgrenzung von verschiedenen, in der Verwaltung
eines Betriebs oder einer Organisation aufzuteilenden, Funktionen findet sich bei
Gulick (1977: 1‐46)17: POSDCoRB.
Planning, Organizing, Staffing, Directing, Co‐ordinating, Reporting, Budgeting
Dies ist die Antwort auf die Frage, What is the work of the chief executive? What does
he do?
Sollten sich diese sieben Funktionen rudimentär in Referaten oder Abteilungen einer
Vereinigung wiederfinden, wäre die Netzwerkthese ein bedeutendes Stück weit
entkräftet. ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐
Anmerkung: Alle Punkte im folgenden Teil einzeln zu behandeln, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, obgleich der informierte Leser einige Funktionen (im Falle, dass diese vorliegen) wiedererkennen kann. ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐
Dieser Abschnitt macht klar, dass sich zwar die Frage Hierarchie oder Netzwerk?
stellen lässt; Konträrbegriffe werden hingegen nicht gegenübergestellt.
Formulierungen wie Netzwerk oder Organisation18? oder Zentrum vs. Peripherie?
wären etwas sauberer formuliert.
17 Einordnung in die Organisationstheorie: klassische Organisationstheorie, Maschinenmodell 18 Hier handelt es sich nicht um einen (den einzigen) Gegenbegriff, sondern um einen von Netzwerk abgrenzbaren Begriff auf gleicher Logikebene.
13
IV Al Qaida
Anhand der besprochenen Begriffe und Merkmale ist (mit Hilfe der vorliegenden
Literatur) eine Analyse in Hinblick auf Deckungsgleichheiten und Unterschiede
möglich. Ausgegangen wird zunächst von den Organisationsmerkmalen.
Demgegenüber werden Argumente für die Netzwerkthese gesammelt, sodass im
Diskussionsteil folgende Kernfragen beantwortet werden können:
1. Handelt es sich bei Al‐Qaida um eine (hierarchische) Organisation oder um
ein Netzwerk?
2. Gab es Veränderungen in dieser Frage über die Zeit hinweg?
IV.1 Die Organisationsthese
Neben den bereits näher erörterten Merkmalen Mitglieder/Personal und
Struktur/Funktionen (insb. POSDCoRB) werden die Finanzen behandelt.
IV. 1.1 Finanzen
Der Grund dafür ist, dass Geldmittel für eine Organisation von nicht unerheblicher
Bedeutung sind. Man denke hier an kostenintensive Einzelprojekte, den Unterhalt
von Personal und die Ausgaben für Ausstattung. Gunaratna listet zu letztgenanntem
Punkt einige wichtige Posten auf: weapons, technology, infrastructure, camps, offices,
houses, vehicles (2002: 61 Z 23 f).
Die benötigten Gesamtmittel pro Jahr beliefen sich in der Blütezeit19 der Al‐Qaida auf
mehr als 80 Millionen Dollar20.
19 Gemeint ist die Zeit von den späten 90ern bis um die Jahrtausendwende. 20 50 Mio. Dollar für Ausstattung, 20‐30 Millionen Dollar für Gastbeiträge (die an die Taliban flossen) und anzunehmende, weitere Geldmittel für weitere Projekte und Kosten. Der Finanzbedarf war in den Anfangsjahren im Vergleich dazu sehr viel bescheidener. Hauptgeldgeber in dieser Zeit war Osama Bin Laden selbst, der ca. eine halbe Millionen Rupien (ca. 25000 Dollar) pro Monat nach Afghanistan brachte, um dort das Dienstleistungsbüro zu unterstützen. Später flossen diese Gelder nicht nur in die Verwaltung und die Gästehäuser des Büros, sondern auch in allgemeine Infrastrukturmaßnahmen, wie z.B. Straßenbau (Saghi 2006: 56; Die Informationen stammen aus „Höhle der Gefährten“, einem Text von Issam Diras, einem ägyptischen Filmemacher, der über die Krisenregion Afghanistan berichtet).
14
Der Aktionsschwerpunkt der Al‐Qaida‐Organisation verlagerte sich nach dem Ende
des Kalten Krieges in den Sudan (Lacroix 2006: 282 f, Langbein 2004: 122 ff,
Commission Report 2004: 62 f). Die Staatshilfen (indirekt von den Amerikanern,
direkt von Pakistan, Saudi‐Arabien und anderen arabischen Staaten an die Mujahedin
und später an Al‐Qaida) wurden Anfang der 90er zum großen Teil gestoppt oder stark
eingeschränkt.
Im freien, aber mittlerweile unübersichtlichen Afghanistan plagte man sich zeitweise
mit Geldproblemen (Ebd.: 62). Im Sudan hingegen gelang es, aufgrund von
Unternehmensgründungen und Investitionen, neue Geldquellen zu erschließen. Art
und Zahl der (vom Privatmann Osama Bin Laden) erschlossenen Quellen sind von
großem Ausmaß: eine Süßigkeitenfirma, ein Lederwarenhandel, ein Möbelkonzern,
ein Transportunternehmen, eine Früchtehandlung, die Bank der zoologischen
Ressourcen (einem Gentechnik‐Betrieb) und ca. 70‐80 weitere Unternehmen
(Langbein 2004: 122,130). Es folgten Beteiligungen an Großbanken,
landwirtschaftlichen Betrieben und verschiedensten Firmen. Gelder flossen in die
sudanesische Infrastruktur. (Ebd.: 122 f)
Osama Bin Laden konnte die finanziellen Bedürfnisse nicht alleine befriedigen. Auch
später, als man nach Afghanistan zurückgekehrt war, benötigte Al‐Qaida Sponsoren.
Diese fanden sich in großer Zahl unter den Islamisten. Eine nicht unbedeutende
Zuwendungssumme erhielt man von Moslems (vor allem Arabern)21 aus dem
Westen22. Banken wurden zu Transfers zwischen Sympathisanten/Geldgebern und
Al‐Qaida herangezogen. Aufgrund guter Schulung der Finanzverwalter in der Al‐Qaida
geschah dies sehr unauffällig (Gunaratna 2002: 61 ff, 81)
Zu den Spenden, finanziellen Zuwendungen und wirtschaftlichen Gewinnen kommt
laut Langbein (2004: 122 f) der Drogenhandel hinzu. Dies erscheint plausibel, wenn
man sich die Verquickungen der Al‐Qaida mit den Taliban vor Augen führt.
Bei einem Jahresumsatz von geschätzten 80 Mio. Dollar stellt sich die Frage, ob ein
Netzwerk (nahezu) ohne hierarchische und bürokratische Komponenten ein derart
hohes Budget verwalten kann. Das Ergebnis zum Aspekt Finanzen lässt eine formale
Organisationsstruktur erwarten, da den Geldgebern (trotz ausgeprägter Sympathien
21 Nicht alle Araber sind Moslems und bei weitem nicht alle Moslems sind Araber. 22 Auch Mitglieder und Personal rekrutieren sich oft aus Moslems, die in westlichen Staaten studiert haben, studieren oder sich für eine längere Dauer dort aufgehalten haben oder aufhalten.
15
für den Islamismus) zu unterstellen ist, dass diese ihr Geld gut verwaltet wissen
wollen.
IV.1.2 Mitglieder und Personal
Grundsätzlich kommen mehrere Motive in Frage, die einen Menschen dazu bewegen,
Teil der Al‐Qaida zu werden: bisherige Erfolglosigkeit, Arbeitslosigkeit, Ehelosigkeit,
Suche nach sozialen Kontakten und Anerkennung in der Gesellschaft, Hang zur
Gewalttätigkeit, familienbezogene und verwandtschaftliche Gründe oder ein Gefühl
der Ohnmacht gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen, die der Dominanz der
importierten USA‐Kultur geschuldet sind (Berlinger 2005: 133 ff). Diese intrinsischen
Motive treten oft in Kombination auf und können meist im Bereich der
Unzufriedenheit des Betroffenen mit dem status quo lokalisiert werden. Andere
Eintrittsargumente sind Ideologie, islamistische Überzeugung und
organisationsinterne – und externe Sozialisation (Ebd.: 128, Mayntz 2004: 256).
Geldentlohnung und Versorgung der Verwandten – vor allem im Todesfall oder bei
Gefangennahme – spielen eine wichtige Rolle. Der Sold für Al‐Qaida‐Kämpfer liegt
zwischen 500 und 1200 Dollar (Langbein 2004: 123, Commission Report 2004: 62).
Besonders anreizend ist dies in den Augen von Freiwilligen aus armen Ländern wie
Sudan (Langbein 2004: 123 f), Algerien oder Somalia.
Alternative und zusätzliche Einnahmequellen sind möglich (Berlinger 2005: 133).
Freiwillige (angespornt aufgrund eben genannter Motive) und Fachpersonal werden
aktiv geworben. Als Mittel zur Rekrutierung von Mitglieder und Personal dienen
Videos und Zeitungen (Grieb 2005: 107), das Internet (Musharbash 2006: Kap 3),
Moscheen, Gebetshäuser und persönliche Anwerbung in ärmlichen Gebieten (Posch
2008: 173).
Für die Eignung zum Kampf an der Front und zur Durchführung von Terroranschlägen
und sogar zur Entscheidung, ob ein Anwärter eine Spezialausbildung in einem Camp
erhält, wurden Auswahlkriterien an die Bewerber angelegt. Es fand ein
Selektionsprozess statt, im Zuge dessen Merkmale wie Fähigkeiten und
Leistungsbereitschaft abgefragt wurden (Posch 2008: 170). Musharbash (2006: 83)
schätzt, dass ca. 20 000 Absolventen die Ausbildungscamps weltweit durchlaufen
haben.
16
Für die großen Terroranschläge (besonders für 9/11) wurde sehr sorgfältig
ausgewählt. Fragenkataloge wurden erstellt, Lebensläufe wurden geprüft und
persönliche Gespräche fanden statt. (Baumann 2005: 77 ff)
Sowohl das ehrenamtliche Mitglied23 als auch das fachgeschulte Personal ist
empirisch beobachtbar. Während das Fachpersonal seinen festen Platz in der
Hierarchie zu haben scheint (Organisationsthese), sind Sympathisanten, Geldgeber
und Ehrenamtliche nicht immer zweifelsfrei einzuordnen. Die Netzwerkthese kann ‐
bei gleichzeitiger Annahme der Organisationsthese ‐ in diesem Punkt nicht völlig
ausgeblendet werden.24
IV.1.3 Struktur und Funktionen
Eines ist unbestritten: Osama Bin Laden ist der Kopf der Al‐Qaida. 25 Dieser Umstand
wird auch von denjenigen nicht geleugnet, die der Netzwerkthese den Vortritt lassen.
Langbein26 (2004: 125) und Gunaratna wollen eine Formalstruktur erkannt haben,
die dem Aufbau einer Regierung mit Ministerien (Langbein 2004: 126) ähnelt.
Danach gebe es vier (oder fünf) „Ministerien“, die zuständig seien für: Militär,
Religion und Recht, Finanzen und Propaganda. Diesen Komitees seien Abteilungen
oder behördenähnliche Auslagerungen untergeordnet (Langbein2004, Gunaratna
2002). Gunaratna spricht von einer vertical leadership structure (2002: 54 Z 22).
Das sogenannte Dienstleistungsbüro27 existierte schon vor Al‐Qaida und war im
Afghanistan‐Krieg gegen die Sowjets das zentrale Koordinationselement. Aufgaben
des chief executive wurden dort wahrgenommen (Saghi 2006: 56 ff28 , Posch 2008:
162‐164, Langbein 2004: 119 f). Später wurde das Dienstleistungsbüro in die Struktur
der Al‐Qaida entweder aufgenommen (als ‐ auf Afghanistan bezogener ‐
Regionalstützpunkt) oder – je nach Sichtweise – zur Al‐Qaida‐Vereinigung ausgebaut.
23 Ehrenamtliche: vgl. dazu Musharbash 2006 am Beispiel der Medienpräsenz von Ehrenamtlichen S.132 ff; vgl. Fußnote 14 24 In einer ausführlicheren Befassung mit dem Thema Mitglieder und Personal wären die Weber´schen personalbezogenen Bürokratiemerkmale zu untersuchen (Derlien 2005: 144 f) 25 Dies gilt, sofern er noch am Leben ist. 26 Langbein stützt sich in seinen Ausführungen oft auf Gunaratna. 27 Auch: Büro der Dienste oder später Dienstleistungsgesellschaft (Langbein 2004: 119 f) 28 Bei dieser Textstelle handelt es sich um beglaubigte Ausführungen von Osama Bin Laden persönlich.
17
Mögliche Formalstrukturen und Organigramme hat Raiko Grieb im Seminarbericht
„Terrorismus und Terrorismusbekämpfung“ (Derlien 2005) ausgearbeitet.
Hier eine Darstellung für die Jahre 1996‐2001 (Abbildung 1):
Das Organigramm zeigt eine hierarchische Gliederung mit mehreren vertikalen
Ebenen29. Ein Stab, eine Verwaltung oder ein Gremium, der/die/das sich nach den
POSDCoRB‐Kriterien gliedert (vergleichbar mit dem Dienstleistungsbüro), lässt sich
nicht offensichtlich lokalisieren. Vermutungen lassen sich anstellen; dass etwa das
Finanz‐Komitee für budgeting, das Militärkomitee für staffing (zumindest im Bereich
des geschulten Kampfpersonals), der beratende Ausschuss und die Führungsspitze
für die anderen Punkte zuständig sind/waren30. Es wäre auch denkbar, dass
innerhalb der Führungsspitze jeweils eine Person (mit Verwaltungseinheit) für eine
der Merkmale zuständig war oder ist. In der Literatur werden hierzu meist nur vage
Vermutungen angestellt.
29 Grieb spricht (entgegen seiner eigenen graphischen Darstellung) von zwei Ebenen – einer Führungs‐ und einer Komitee‐Ebene (2005: 108). 30 Dies würde dann aber heißen, dass die Funktionen (POSDCoRB) nicht im Sinne Gulicks innerhalb einer Ebene verteilt sind.
18
Posch redet von einem zentralen Führungsgremium mit 32 Mitgliedern (aus den
verschiedenen Unterorganisationen der Al‐Qaida, vielleicht zusätzlich auch funktional
gegliedert) und schreibt über einen Rat (Schura), ist aber (trotz dem Umstand, dass er
von formaler Organisationsstruktur spricht) nur bedingt von Organisation und
hierarchischer Struktur überzeugt (Posch 2008: 172 ff).
Zusammenfasst deuten die meisten Merkmale (hier als Indikatoren benutzt) darauf
hin, dass es sich um eine Organisation mit einem dauerhaften Personalbestand, mit
(zu verwaltenden) Geldmitteln und einer formal‐hierarchischen Struktur handelt. Die
Herrschaft wird in Person des Osama Bin Laden ausgeführt. Diese Herrschaft ist als
charismatisch zu bezeichnen (Messingschlager 2005: 66‐68)31 und beschränkt sich
(direkt) auf wenige Lebensbereiche des Beherrschten. Der POSDCoRB‐Ansatz von
Gulick lässt sich zwar in der Struktur vermuten; einzelne Funktionen können nicht
konkret zugeordnet werden.
IV. 2 Die Netzwerkthese
Wenn man von einem Netzwerk spricht, so kann nicht von der Abwesenheit jeglicher
Verwaltungstätigkeit32 die Rede sein. Es ist möglich, den Netzwerk‐Begriff sehr weit
zu dehnen, sodass eine Über‐ und Unterordnung (zum Zwecke der Verbesserung der
Netzwerkstrukturen oder zur Beschleunigung der Kommunikationswege) in
schwacher Ausprägung als zulässig interpretiert werden kann.
Posch sieht im Führungsgremium33 eine Art Koordinations‐ und
Grundsatzfragenversammlung. Es ist nicht von regionalen Unterorganisationen,
sondern von Clustern34 oder Gruppenbildungen die Rede. Diese Gruppierungen
entsenden (je nach Einfluss und Größe des Clusters) „Abgeordnete“ in das
Koordinationselement. (Posch 2008: 172 ff)
31 Was nicht vorliegt: rational‐legale Herrschaft (Derlien 2005: 117 Pkt. 1); zu diskutieren wären Einflüsse traditionaler Herrschaft. 32 Obwohl sich aufgrund der Ethymologie von Bürokratie (kratein (griech): Herrschaft) ein Über‐ und Unterordnungsverhältnis vermuten lässt. Der Zusammenhang von Bürokratie und Verwaltung ist bekannt. 33 Siehe dazu: IV.1.3 34 Aus dem Englischen entliehen: Punktwolke, Haufen, Bündel, Schwarm
19
Entfernt man sich von der strukturellen Dimension eines angeblichen Al‐Qaida‐
Netzwerks und betrachtet die handelnden Einheiten, findet man weitere
Behauptungen und Fakten vor, welche die Netzwerkthese stützen.
Oft bewegen sich Sympathisanten, Geldgeber, Kontaktleute, Ehrenamtliche oder
Gastgeber für Terroristen nicht innerhalb eines hierarchischen Systems. Osama Bin
Laden selbst macht dies deutlich (Saghi 2006: 55 ff). Es werden verfolgte Al‐Qaida‐
Anhänger in Islamismus‐freundlichen Regionen (z.B. im Sudan oder in Afghanistan)
bei Nichtmitgliedern aufgenommen, versteckt und bewirtet.
Finanzielle Zuwendungen machen den wohlhabenden Moslem aus dem Westen, der
Sympathien für Al‐Qaida hegt, zum Teil des Netzwerks.
Sageman geht noch weiter: Selbstmordattentäter und Terroristen rekrutieren sich
selbst und durchlaufen eine „religiöse“ und/oder kampftechnische Ausbildung über
das Internet oder andere Medien. Dabei handeln sie völlig unabhängig von jedweder
Organisationsstruktur. Al‐Qaida hat in diesem Fall die Funktion eines
Inspirationsgebers, der einem beliebigen Willigen die Informationen zur Verfügung
stellt, die er braucht. Diese Informationen werden vorzugsweise im Internet zur
Verfügung gestellt und nicht konkret den Anforderungen von einzelnen Anwärtern
angepasst. Ganz im Gegenteil: eingestellt werden Massenprodukte. (Sageman 2009:
164, Musharbash 2006: Kap 3)
V Diskussion und Ergebnis
Die Positionen der Wissenschaftler, ob Netzwerkthese oder Organisationsthese
zutreffen, sind unterschiedlich. Die beiden Extrempositionen nehmen Gunaratna
(und Langbein) für die Organisationsthese und Sageman für die Netzwerkthese ein.
Die meisten anderen Wissenschaftler sind in einem aufgespannten Kontinuum
anhand dieser Postionen irgendwo dazwischen anzutreffen.
Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass Definitionen oft nicht präzise genug
getroffen werden und die vorhandenen Umschreibungen und Definitionen von
Forscher zu Forscher variieren. Mayntz (2004: 254 Sp 2) und Derlien (2005: 117 Pkt.
3) kritisieren, dass falsche oder ungenaue Interpretationen bei der Unterscheidung
zwischen Organisationen und Netzwerken hinderlich sein können35. Mayntz (2004:
254 Sp 1) unterscheidet eine „Organisation mit Netzwerkmerkmalen“, in der
35 Dies kann auch für diese Arbeit gelten, muss aber aufgrund der Allgemeinhaltung in Kauf genommen werden.
20
Untereinheiten der Organisation relativ selbstständig handelten, aber dennoch
formale Mitglieder seien und ein „interorganisatorisches) Netzwerk“, das mehrere
Einzelorganisationen netzwerkartig verknüpfe. Die Graphik von Schweitzer/Shay
(Derlien 2005: 119) zeigt eine Über‐ und Unterordnung vom Kopf der Al‐Qaida (einem
Führungsgremium) und den regionalen Jihad‐Organisationen (nachgeordnet) und
klassifiziert Al‐Qaida deshalb als Organisation.
Langbein greift die Formalstruktur von Gunaratna auf (2004: 125‐133). Dieser
wiederum spricht (sogar im Titel) von einem Netzwerk des Terrors (2002: Titel, 54,
60), obwohl er ein Vertreter der „Organisationsthese“ ist36.
Posch orientiert sich an Sageman (2008: 173) und spricht von einem (losen,) globalen
Netzwerk (Ebd.: 161). Burke wehrt sich vehement gegen die Vorstellung, dass Al‐
Qaida eine Organisation sei (2003: 4 f). Wie Posch37 (2008: 172) räumt Burke (2003:
127, 207) ein, dass wohl ein Personenkreis, den er als den Stamm der hardcore
members bezeichnet, existieren muss. Außerhalb dieser Rumpfmannschaft spricht er
von einem „Netzwerk von Netzwerken“ und von einer Vielzahl von Militanten und
Sympathisanten (Ebd.: 127).
Die aufsehenerregendste Kontroverse wurde zwischen Hoffmann und Sageman
ausgetragen. Begleitet von nichtwissenschaftlichen Anschuldigungen fand in der
Zeitschrift Foreign Affairs ein Schlagabtausch über Sagemans These, dass es sich
(heute) in Sachen Al‐Qaida um Grass‐Roots Terrorism (Hoffmann 2009: 133) handele,
statt. Auf den Angriff Hoffmanns auf die Ausführungen Sagemans – der stark zur
Netzwerkthese tendiert – folgte eine erboste Rückantwort, in der Sageman seinem
Kritiker vorwarf, absichtlich missinterpretiert zu haben.
Mayntz (2004: 255) dagegen wägt ab und findet folgende Hierarchiemerkmale:
1. Es gibt klar definierte Führungsgremien 2. Es besteht eine erkennbare Differenzierung nach Rängen und nach Funktionen 3. Es dominiert die vertikale Kommunikation
Folgende Argumente für ein Netzwerk werden aufgeführt:
1. Die Organisation hat eine relativ offene und zugleich fließende Grenze 2. Die Organisation reagiert flexibel auf Veränderungen in den äußeren Umständen
36 Dies liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit daran, dass Ausdrücke und Definitionen nicht deckungsgleich sind oder nicht im strengen Sinne aufzufassen sind. Vgl. dazu vorheriger Abschnitt und Fußnote 33. 37 Posch spricht an dieser Stelle von einer Stammmannschaft von ca. 200 Leuten.
21
Der Allgemeinplatz Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen kann an dieser
Stelle die tatsächliche Überzeugung vieler Wissenschaftler widerspiegeln. Es muss
aber unterschieden werden zwischen fließenden Grenzen (Mayntz 2004: 254 Sp 1)
und ein Gemisch aus Organisation und Netzwerk. Denn es deutet vieles darauf hin,
dass man sowohl vom Al‐Qaida‐Netzwerk, als auch von der Al‐Qaida‐Organisation
sprechen kann. Diese beiden Teile bilden gemeinsam die Al‐Qaida.
Demnach wäre folgendes Organigramm denkbar (Abbildung 2, Draufsicht):
Eigene Darstellung
Die Rahmensetzung ‐ als Grenze zwischen Mitgliedern und Sympathisanten ‐ darf
nicht als absolut wahrgenommen werden, soll aber doch eine grundsätzliche
Unterscheidung zwischen in und out vermitteln.
Die Graphik soll (unter anderem) die Behauptung von Mayntz stützen, dass es
gerechtfertigt sei, von Hybridstrukturen (Mayntz 2004: 254) zu sprechen. Die Frage,
ob es sich bei Al‐Qaida um eine Organisation oder ein Netzwerk handelt soll in
diesem Sinne als beantwortet gelten.
22
In der zweiten Frage, die in Teil IV formuliert wurde, ist der Meinungskonsens unter
den Wissenschaftlern etwas breiter. Nahezu alle Autoren der gesichteten Texte sind
sich einig, dass nach dem 11. September der Einfluss der Führung massiv
nachgelassen hat. (Posch 2008: 177 ff, Burke 2003: 5, Sageman 2008: 163 f,
Hoffmann 2008:
Burke und Sageman bestreiten nicht, dass vor 2001 vieles auf Hierarchie hindeutete
(Burke 2003: 5, Sageman 2008: 163 f). Zudem kann Gunaratna unterstellt werden,
dass er die Entwicklungen in diese Richtung nicht absehen konnte, da sein Buch
bereits 2002 erschienen war38.
Aufgrund massiver Verfolgung und Inhaftierung (die u.a. dadurch möglich wurden,
dass Kommunikations‐ und Befehlswege nachverfolgt wurden)der Mitglieder und
Sympathisanten, ist das hierarchische (und damit auch das horizontale Netz)
empfindlich getroffen worden.
Über die Zeit hat sich somit eine Verschiebung eingestellt, die weg von der
Organisation und hin zum Netzwerk stattfindet39.
38 In 2002: 54 f behauptet er das Gegenteil: die Al‐Qaida hätte keinen Schaden genommen und bleibe stabil. 39 Posch (2008: 177 ff) erkennt ab 2004 Tendenzen, die wieder in die Gegenrichtung weisen. Dies konnte aber Gunaratna im Jahr 2002 noch nicht vorhersehen.
23
VI Schlusswort
Es wurde in diesem Text versucht, die Existenz zweier Teile der Al‐Qaida aufzuzeigen.
Auf der einen Seite stehen hierarchische Strukturen, die neben anderen Merkmalen
auf eine Organisation hindeuten. Auf der anderen Seite bewegen sich außerhalb des
hierarchischen Systems Netzwerke, die mit der Al‐Qaida‐Organisation verknüpft sind.
Der Einfluss und die Macht der Zentrale sind gegenüber der Peripherie in den Jahren
nach 9/11 zurückgegangen. Es ist nicht genau bestimmbar, welches Ausmaß diese
Verschiebungen hatten und ob sich seit den Jahren 2003 und 2004 ein entgegen
gerichteter Trend abzeichnet.
In Hinblick auf die den Zwang, die Arbeit möglichst knapp zu fassen, ist das
Forschungsfeld ist sehr groß. Es konnte zwar eine Schneise in den unübersichtlichen
Urwald „Al‐Qaida“ geschlagen werden; dennoch bleibt Vieles offen. Am Ende dieser
Arbeit ist eine reizvolle Frage noch nicht abschließend beantwortet:
In der Verwaltungssoziologie klingen die drei Modalitäten der Kooperation (Derlien
1984: 814) – Einvernehmen, Benehmen und die schlichte Unterrichtung – noch sehr
theoretisch. Doch gerade anhand dieser Modalitäten stellt sich der
Verwaltungswissenschaftler im Falle der Al‐Qaida folgende Frage:
Does Osama Still Call the Shots? (Sageman 2008: 163)
24
Literaturverzeichnis: Bücher: Burke, Jason: Al‐Qaeda – Casting a Shadow of Terror. London. 2003. Gunaratna, Rohan: Inside Al Qaeda – Global Network of Terror. London. 2002. Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: Organisation. Berlin. 1992. Langbein, Walter‐Jörg: Al Quaida und andere geheime Gesllschaften – Von den Assassinen bis Al Quaida. Rastatt. 2004. Musharbash, Yassin: Die neue al‐Qaida – Innenansichten eines lernenden Terrornetzwerks. Bonn. 2006. Waltz Kenneth: Theory of International Politics. Reading. 1979. Weber, Max: Politik als Beruf. Stuttgart. 2006. Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft – Herrschaft (Hg. Hanke Edith) Teilband 4; In: Max Weber Gesamtausgabe (Hg. Baier Horst, Hübinger Gangolf, et al) Abteilung 1: Schriften und Reden. Band 22‐4. Tübingen. 2005. Weinert, Ansgar B.: Lehrbuch der Organisationspsychologie. Weinheim. 1992. Aufsätze: Derlien, Hans‐Ulrich: Verwaltungssoziologie; In: Handbuch für die öffentliche Verwaltung (Hg. von Mutius, Albert) Band 1. Neuwied. 1984. Fuhse, Jan: Gruppe und Netzwerk – eine begriffsgeschichtliche Konstruktion; In: Berliner Journal für Soziologie (Hg. Müller, Hans‐Peter / Eder, Klaus et al) Band 16. Berlin. 2006. Gulick, Luther: Notes on the Theory of Organization; In: Papers on the Science of Administration (Hg. Gulick, Luther / Urwick, L.). Fairfield. 1977. Hegghammer, Thomas: Abdullah Azzam; In: Al Qaida – Texte des Terrors (Hg. Kepel, Gilles / Milelli Jean‐Pierre). München. 2006. Kepel, Gilles: Der Kern von Al‐Qaida; In: Al Qaida – Texte des Terrors (Hg. Kepel, Gilles / Milelli Jean‐Pierre). München. 2006. Lacroix, Stéphane: Ayman al‐Zawahiri; In: Al Qaida – Texte des Terrors (Hg. Kepel, Gilles / Milelli Jean‐Pierre). München. 2006.
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26
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