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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
1•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Erziehungsziele und Erziehungsstile in muslimischen Migrantenfamilien
Vortrag in Frankfurt
am 15.11.2012
Prof. Dr. Haci-Halil UslucanWissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung Professor für Moderne Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen
Fakultät für Geisteswissenschaften
Kontakt: haci.uslucan@uni-due.de uslucan@zfti.de ww.uslucan.de
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
2•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
• Gliederung des Vortrags
• I. Elterliche Erziehung und ihre Folgen für die Entwicklung
• II. Studie: Wertedivergenzen zwischen Deutschen, Türken und türkischen Migranten
• III. Werte und Erziehungskonzeptionen in muslimischen Migrantenfamilien
• IV. Förderung
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
3•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Elterliche Erziehung und kindliche Entwicklung
Elterliche Erziehungsziele
und -werte
Kindliche Entwicklungsmerkmal
e
Elterliches Erziehungsverhalten
Kindliche Bereitschaft sich
erziehen zu lassen
Elterliche Erziehungsstile
1
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
4•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Veränderte Rahmenbedingungen familiärer Erziehung
• Struktureller Wandel
der Haushaltsformen
• Veränderte Wert- und
Erziehungsmuster
• Prekäre Bedingungen
der innerfamiliären Beziehungsgestaltung
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
5•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Erziehungsziele
in den 1950er bis 1970er Jahren• Gehorsam• Ehrlichkeit• Ordnung• Hilfsbereitschaft• Reinlichkeit• Verträglichkeit• gute Manieren• Fehlen von Opposition
Ab den 1980er Jahren und danach• Selbständigkeit• Selbstbewusstsein• Selbstverantwortlichkeit• Kritikfähigkeit• Zuverlässigkeit• Hilfsbereitschaft
Quelle: Sturzbecher, D. & Waltz, C. (1998). Erziehungsziele und Erwartungen in der Kinderbetreuung. In D. Sturzbecher (Hrsg.), Kinderbetreuung in Deutschland(S. 86-104). Freiburg i.Br.: Lambertus.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
6•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Elterliche Erziehungsmuster
• Autoritativer Erziehungsstil
Emotionale Unterstützung/Wärme+
+
_
_
Anf
orde
rung
/Kon
trol
le
(Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an Baumrind, 1983)
• Autoritärer Erziehungsstil
• Nachgiebiger Erziehungsstil „Laisser-faire
• Ablehnend-vernachlässigender Erziehungsstil
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
7•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Entwicklungsfolgen für Kinder
Kinder ... zeigen Kognitive Selbstwirk- Prosoziales Problem- Kompetenz samkeit verhalten verhalten
vernachlässigender Eltern
nachgiebiger Eltern
autoritärer Eltern
autoritativer Eltern
höchstes
dritthöchste
zweithöchste
niedrigstes
niedrigste
mittlere
mittlere
höchste
niedrigste
mittlere
mittlere
höchste
niedrigstes
mittleres
mittleres
höchstes
Quelle: Baumrind, D. (1989). Rearing competent children. In W. Damon (Ed.), Child development today and tommorrow (pp. 349-378). San Francisco: Jossey-Bass.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
8•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Erziehungsziele
ErziehungszielRangplatz
I II III IV V
Selbstständigkeit/Verantwortung 12 5 7 14 12
Lernen/Leistungsstreben 9 8 14 11 8
Gehorsam/Ordnung 8 11 17 3 11
Rücksichtnahme/Ehrfurcht 11 10 11 12 6
Religiöse Pflichterfüllung 10 16 1 10 13
Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50
Rangreihe der Erziehungsziele türkischer Eltern (Scherberger, 1999)
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
9•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
ErziehungszieleRangreihe der Erziehungsziele deutscher Eltern (Scherberger, 1999)
Erziehungsziel Rangplatz
I II III IV V
Selbstständigkeit/Verantwortung 25 14 4 6 1
Lernen/Leistungsstreben 16 21 8 3 2
Gehorsam/Ordnung - 7 10 25 8
Rücksichtnahme/Ehrfurcht 9 8 21 7 5
Erziehung zum christlichen Glauben - - 7 9 34
Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
10•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Kinderwunsch in der Türkei ziemlich hoch: In den älteren Studien
(Kagitcibasi, 1982): 77% der Befragten, die sich ein Kind wünschen (und zwar auch als explizite Altersvorsorge)
•Erwartungen gegenüber Söhnen deutlich höher als gegenüber Töchtern;
•auch Wunsch nach einem Sohn deutlich höher: 84 % Sohn; 16 % Tochter als Kinderwunsch; deshalb auch ein stärkeres Kümmern um Söhne.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
11•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund
Häufige entwicklungspsychologische Risiken in Migrantenfamilien aus der Sicht des Kindes im jungen Alter:
•mehr als drei Geschwister (dadurch zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung dem einzelnen Kind gegenüber); bei mehr als drei Geschwistern auch ein deutlich geringeres Netz an Peer-Kontakten.
•zu geringer Altersabstand in der Geschwisterreihe (Gefahr der Übersozialisierung und Vernachlässigung typisch kindlicher Bedürfnisse)
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
12•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund
•24% der deutschen 8-9 jährigen Kinder Altersabstände unter zwei Jahren zu einem benachbarten Geschwister;
•bei Migrantenkindern insgesamt etwa 80% (Marbach, 2006).
•Entwicklungspsychologische Studien zeigen: bei Altersabständen unter zwei Jahren steigt das Risiko der geringeren Aufmerksamkeit in der Kindheit und die Wahrscheinlichkeit für eine spannungsreichere Adoleszenz als bei Geschwistern mit größerem Altersabstand.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
13•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Wert und Stellung von Kindern anhand der Namensgebungen:
Typologie:
•Religiöse Namen:Ahmet, Mehmet, Mahmut, Nureddin, Seyfeddin, Osman, Ömer, Ali (männlich);Ayse, Fatma, Hatice, Emine (weiblich)
•Namen als Familienprogramm und familiale Positionsanzeiger: Murat, Ümit, Ilknur, Songül, Yeter
•Namen als Träger der Tradition: Namen der eigenen Eltern insbesondere bei dem ersten Kind; Generationenkette nach dem A-B-A-B Modell.
•Modische Namen, internationale Namen, ereignisbezogene Namen: Deniz, Yasmin, Cigdem, Baris, Devrim, Bülent, etc.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
14•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Versuch einer Kategorisierung der Kindheit im Islam:
Ende der Kindheit mit der sexuellen Reife; bis dahin aber folgende Phasen:
•I. Säuglingsphase bis zur Stuhlkontrolle (0 bis 2 Jahre)
•II. 2- bis 7 Jahre•III. 7-bis 15 Jahre (Strafe und Erziehbarkeit beginnt); darin noch mal zwei Phasen: 7-10 und 10 bis 15 Jahre (erstaunliche Ähnlichkeit mit Piagets Kategorien der intellektuellen Entwicklung)
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15•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
II. Kulturelle Werte
Was sind Werte?
1. Überzeugungen, die aber nicht als bloße Ideen mit nur einem kognitiven Gehalt, sondern, wenn sie aktiviert werden, emotional aufgeladen sind (Schwartz, 1999).
2. Werte verweisen auf wünschenswerte Ziele wie z.B. Gleichheit, Gerechtigkeit etc.
3. Werte gehen über konkrete Situationen hinaus und umfassen größere Handlungskontexte (bspw. soll man nicht nur in der Schule oder auf der Arbeit gerecht sein, sondern überall).
4. Werte dienen auch als ein Standard, wie die Handlungen und Überzeugungen anderer zu bewerten sind.
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16•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
II. Wertedivergenzen zwischen Deutschen und Türken
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17•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Stichprobenkennzeichnung: Lebensort
232
210
337
Deutsche
Türkische Migranten inDeutschland
Türken i.d. Türkei
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18•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Tabelle : Stichprobenkennzeichnung (Angaben in Prozente)
Deutsche (n= 234) TürkischstämmigeMigranten inDeutschland (n = 205)
Türken in der Türkei(n= 327)
GeschlechtMännlich 20.5 50.7 59Weiblich 79.5 49.3 41
BildungshintergrundGrundschule 1.3 16.1 14.1Mittlere Reife(Mittelschule i. d.Türkei)
21.4 23.9 30.0
Gymnasium 65.8 31.7 18.3Universität 1.3 14.1 8.0Anderer Abschluß 6.4 2.9 3.4Schüler 2.6 8.3 20.8
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19•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Stichprobenkennzeichnung
Religiösität
91,6
61
15,8 8,4
84,2
39
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Ang
aben
in P
roze
nt
nichtreligiös
religiös
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20•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Tabelle : Religiosität der Befragten (Angaben in Prozente)
Deutsche TürkischstämmigeMigranten inDeutschland
Türken in der Türkei
Ja 38.9 83.4 91.1Bezeichnen Siesich als religiös? Nein 60.7 16.1 8.0
Ja 5.1 33.7 34.6Gehen Sieregelmäßig in dieMoschee (Kirche)? Nein 80.3 60.5 59.6
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21•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
6,00
7,00
Höflichkeit Achtung v.Tradition
NationaleSicherheit
Autorität FamiliäreSicherheit
Deutsche
TürkischeMigranten
Türken
Werteausprägung
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22•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Rangreihe der wichtigsten Werte
Deutsche Türkische Migranten
Türken
1. Familiäre Sicherheit
Familiäre Sicherheit
Familiäre Sicherheit
2. Freundschaft Freundschaft Freiheit
3. Freiheit Freiheit Freundschaft
Werteauffassungen: Differenziert nach der selbstberichteten Religiosität (Mittelwerte): Non-Relig: nicht religiös; Relig: religiös
Kulturelle Zugehörigkeit
Deutsche TürkischeMigranten
Türken
Non-Relig. Relig. Non-Relig. Relig. Non-Relig.
Relig.
Stichprobengröße: n= 141 n= 88 n= 33 n= 168 n= 26 N= 295
Mittelwerte
Werteauffassungen
Familiäre Sicherheit 6.25 6.42 5.88 6.49 4.77 6.39
Freundschaft 5.88 5.83 5.58 6.05 5.62 6.21
Freiheit 5.83 5.72 6.18 5.90 5.54 5.93
Anregendes Leben 5.36 5.14 3.82 3.34 4.50 4.15
Höflichkeit 4.83 4.74 4.94 5.55 4.23 5.28
Nationale Sicherheit 4.35 4.09 3.00 5.68 3.28 5.87
Reichtum 3.03 2.93 2.91 3.58 3.69 4.05
Achtung vor Tradition 2.56 3.11 3.24 5.74 1.73 4.76
Autorität 1.72 1.75 0.76 1.81 1.77 2.31
Spiritualität 0.93 2.00 1.88 4.65 1.04 4.79
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
24•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
III. Werte und Erziehungskonzeptionen in muslimischen Migrantenfamilien
Intergenerationale Transmission von Werten:
•Komplette Transmission: kein Wandel
•Keine Transmission: kein koordiniertes Handeln zwischen den Generationen
•In Migrationskontexten häufig intensivere Transmission
•Zugleich: Fertigkeiten, die ein geordnetes Familienleben garantieren, müssen unter Bedingungen erworben werden, unter denen eine bruchlose soziale Tradition nicht mehr vorliegt
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
25•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Sackmann (2001): Türkische Muslime in Deutschland – Zur Bedeutung der Religion
1/3der befragten Muslime: Keine Religionsbindung; Religion kein Integrationshindernis.
Für einen großen Teil: Religion selbstverständlicher Teil des Lebens, ohne aber Hauptbezugspunkt des Lebens zu sein
Für etwa knapp 10%: Religion ein starkes Abgrenzungskriterium; eher integrationshemmend
Integrationshemmend insbesondere dann, wenn Religiosität eher traditionale (keine individualisierende) Züge trägt und religiös orientierte Lebensführung zentral ist.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
26•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Familienpolitisch: muslimische und christliche (christdemokratische) Positionen in ihrem Familienbild nicht weit voneinander entfernt:
Muslime unterstützen eine Politik, die die Stärkung eines (konservativen) Familienbildes zum Ziel hat (Vgl. Rüschoff, 2002).
Wechselseitige Pflichten in der Familie:
Pflichten der Ehefrau: Schaffung eines harmonische Haushaltes, Haushaltsführung, Früherziehung und Wohlbefinden der Kinder;
Pflicht des Mannes: Bestreiten des Lebensunterhaltes
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
27•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Gerade in der Diaspora:
Überhöhung des Islams bzw. der Religiosität angesichts migrationsbedingter erlittener Kränkungen
stärker identitätsrelevant als in der Herkunftskultur;
Religiosität wird bewusster erlebt; Religion hat bedeutsame Ordnungsfunktion.
Orientierung am Islam hilft mit Blick auf den Erziehungskontext, die in der Moderne – auch für deutsche Eltern - immer schwerer gewordene Frage nach angemessenen Erziehungsinhalten zu vermeiden bzw. zu umgehen oder sie individuell beantworten zu müssen.
Klare Regeln und Orientierung: Reduktion von Komplexität
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
28•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Wirkung religiöser Sozialisation:
Angstbesetzte religiöse Sozialisation (Gott als strafende Instanz): bei sensiblen Personen auch zu einem Bruch mit der Religion (Oser, Di Loreto, & Reich, 1996), also keine Festigung der religiösen Identität, sondern eher kontraproduktive Effekte
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
29•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Wirkung religiöser Sozialisation:
Dagegen: Vermittlung eines Gottesbildes, bei dem Gott als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht wahrgenommen wird, selbstwertstabilisierend für Kinder sein (Grom, 1982).
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
30•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Mensch eingefasst in eine umfassende Gehorsamsstruktur der Natur gegenüber Gott; wie alle Geschöpfe hat er auch im islamischen Selbstverständnis seinem Schöpfer dankbar und gehorsam zu sein.[1]
Gehorsam eine ethische Dimension, die vielen Kulturkreisen gemeinsam ist und ein essenzielles Erziehungsziel darstellt (Vgl. Uslucan & Fuhrer, 2003).
Auch in der bayerischen Verfassung ist die „Ehrfurcht vor Gott“ als ein oberstes Bildungsziel formuliert (Art. 131).
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
31•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen:
einfache Frömmigkeit:
Ziel: Nachkommen in die elementaren Inhalte islamischen Lebens unterweisen (z.B. die fünf Säulen des Islam) und Rituale wie Gebetsuren, Waschungen lehren,
aber auch die Unterscheidungen zwischen dem, was „rein“ und „unrein“ ist, zu kennen.
Seite 32
Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
32•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen:
Das andere Extrem:
fundamentalistische Positionen, die in den koranischen Inhalten sämtliches Wissen vorgeformt und kryptisch vorformuliert betrachten und sich ganz offen gegen eine (natur-)wissenschaftliche kognitive Bildung stellen.
Seite 33
Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
33•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Orientierung ausschließlich an der koranischen Offenbarung:
in erster Linie an der Tradition fixiert; keine Anweisung für die Lösung moderner Alltagsprobleme, überlässt den Einzelnen hilflos der Gegenwart, die er dann nicht bewältigen kann.
rigide Fixierung auf klare erzieherische Leitsätze, die aus dem Koran abgeleitet werden: Ausdruck massiver Verunsicherung muslimischer Eltern;
Ziel: Klarheit und Orientierung, jedoch vielfach nicht zeitgemäß (bspw. Orientierung an Gehorsam).
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Werte- und Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
34•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Exemplarische Ressourcen von Familien mit (muslimischer) Zuwanderungsgeschichte:
• gesundheitsfördernde kulturelle Muster der Lebensführung wie bspw. ein günstigeres Stillverhalten von Müttern;
• niedrigerer Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Robert-Koch-Institut 2008).
• Muslimische Migrantenfamilien in ähnlichen widrigen Umständen wie Einheimische (Armut, Arbeitslosigkeit, Deprivation etc.): durch eine stärkere Kohäsion ihrer verwandtschaftlicher und familialer Netzwerke bessere Verarbeitung sozialer Benachteiligungen als Einheimische (Thiessen 2007).
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
35•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Folgende problematische Charakteristika (Auernheimer, 2006) :
• Barsche Forderung nach Assimilation („Es ist durchaus notwendig, dass man diesen Eltern mal ganz rabiat bewusst macht, rabiat in Anführungszeichen, was ich von ihnen erwarte, was sie gefälligst zu tun haben und was ihre Pflicht ist“ (Marburger, 1997)
• Aber auch: Folgenlose bzw. ausgrenzende „Toleranz“; Anerkennen, dass Migranteneltern andere Erwartungen und Wünsche haben, aber keine Bereitschaft, in irgendeiner Weise diese Wünsche in Erfüllung zu bringen.
• Tendenz zu zivilisatorischer Mission
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
36•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
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Was motiviert Menschen?
• Maslows Bedürfnispyramide: Ohne Befriedigung elementarer Bedürfnisse keine kulturellen Bedürfnisse (Selbstverwirklichung) möglich
• Bsp. Hausfrauenexperiment mit Fleischsorten
• Migranten: „Was von den kulturellen Angeboten kann ich auch für mich nutzen?“
• Wie viel von den präsentierten Kulturangeboten sprechen auch meine „Herkunftskultur“ an?
• Sind Räume so gestaltet, dass dort Migranten sich wohlfühlen, das Eigene wieder erkennen?
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
37•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
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Stolpersteine und Ressourcen
• Einerseits: Forderung nach Mitarbeitern mit gleichem ethnischem Hintergrund
• Andererseits: Problem der sozialen Differenz innerhalb etwa der türkischen Community nicht zu übersehen:
• Türkische Mittelschichtsangehörige, die auch in Deutschland Bildungsgewinner sind und heute viele sozialpädagogische und psychologische Beratungsfunktionen inne haben, eine hohe Distanz gegenüber Landsleuten aus ländlichen Regionen auf und sind eher kritisch gegenüber der traditionalistisch-muslimischen Landsleuten
• Deshalb: interkulturelle Öffnung des Personals kann manchmal auch ungeahnte neue Probleme bereiten.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
38•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
38
Stolpersteine und RessourcenFür die interkulturelle Beratung: nicht nur methodisches Know-how, sondern auch:
• Selbstreflexion,• Empathie und Ambiguitätstoleranz: Generelle soziale Kompetenzen, jenseits von Migration
und Integration.
• Wie weit wird die ungleiche Machtverteilung thematisiert?
• Wie weit wird die Machtposition der Mehrheit gegenüber Migranten reflektiert?
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
39•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
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Stolpersteine und Ressourcen
Als typische Stolpersteine, die auch in anderer Form der Sozialarbeit auftauchen:
• direkt mit dem Problem zu beginnen bzw. konfrontativ zu arbeiten,
• Schuldzuweisungen,
• eine Verurteilung des Verhaltens des Kindes oder Vorurteile ins Spiel zu bringen.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
40•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
•Ressourcen und Fördermöglichkeiten
Niedrigschwellige Ansprache durch unbelastete Themen:
•Gesundheit
•Lernen: Welche Vorstellungen vom Lernen gibt es?•Spiel als Lernen darstellen/erklären
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
41•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
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•Ressourcen und Fördermöglichkeiten
Verbesserungen durch:
•Qualitativ bessere Bildung im vorschulischen Bereich (Ganztagsbetreuung, bessere sprachliche Förderung etc.)
•Keine frühe Selektion
• Ganztagsschulen: Hausaufgabenbetreuung soll nicht von den Eltern abhängig sein (auch andere „bildungsferne“ Schichten profitieren davon).
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
42•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
In Schulkontexten:
1. Individuelle Bezugsnorm statt soziale Bezugsnorm zur Lernmotivation einsetzen
2. Erfahrungen mit Tutorensystemen in der Lehr-Lern-Forschung einsetzen
3. stärker handlungsorientierte Formen des Unterrichts (nicht nur Frontalunterricht) praktizieren, in denen Jugendliche partizipieren können; Schule nicht nur als Ort des Versagens und Ohnmachtserfahrungen
4. Ethnische Diskriminierung als Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein bringen: Änderung des gesellschaftlichen Klimas, der medialen Berichterstattung etc.
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
43•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
• Kompetenzen und Potenziale junger Migranten stärker entdecken, herausstellen, wahrnehmen, fördern (keine Abwertung der Muttersprache).
• In Schulkontexten (Migranten-)Jugendliche noch stärker in verantwortungsvolle Positionen – ungeachtet möglicherweise geringerer sprachlicher Kompetenzen – einbinden
• Keine scheinbar sozial/pädagogisch motivierten Überlegungen in der Schule dulden („Für Migrantenkinder ohne elterliche Unterstützungspotenziale reicht auch eine Hauptschule/Realschule“).
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Erziehungsvorstellungen muslimischer Migrantenfamilien
44•Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit !
Kontakt: haci.uslucan@uni-due.de uslucan@zfti.de ww.uslucan.de
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