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RENE SCHICKELES
POLITISCHES DENKEN UND DICHTEN
by
Roman N ahre becky j
A thesis submitted to the Faculty of' Graduate Studies and Research in partial f'ullf'ilment of' the requirements !'or the degree of' Master of' Arts.
Ilepartment of' Gennan~ McGill University, Montreal. August 1964.
ABSTRACT
VORWORT
I. EINLEITUNG
INHALT
II. ZUR BIOGR~PHIE RENÉ SCHICKELES
III. PUBLIZISTISCHE SCHRIFTEN
A. Einleitung
B. Paziftsmus
c. Po1itischer Idealismus
D. Els!ssischer Patriotismus
E. Frankreich und Deutschland
F. Sozialismus Nationalismus Kammunismus
IV. DAS DICHTERISCHE WERK
A. Einleitung
B. Hans im Schnakenloch
C. Die Roman - Trilogie 11 Das Erbe am Rh.ein"
1. Maria Capponi
2. Blick auf die Vogesen
3. Der Wolf in der H'iirde
.. V. ALLGEMEINES UBER SCHICKELES DICHTUNG
VI. ABSCHLIESSENDE ZUSAMMENFASSUNG
Chrono1ogisches Verzeichnis der Werke
.Anmerkungen
Bibliographie
1
2
8
13
13
15
21
23
29
35
44
~.4
45 65
66
77
91
101
106
108
110
115
VOR~·JORT
Ich mBchte Herrn Professor Dr. Hans Reiss fiir
die Wahl des Themas, sowie f~r seine gdtigen Ratschl!ge
1
und wertvollen Hinweise, meinen besonderen Dank zum Ausdruck
bringen. Auch Herr Professor Dr. Arnim Arnold hat mir mit
gutem Rat zur LBsung verschiedener Fragen in liebanswHrdiger
Bereitschaft beigestanden. Ihm gehBrt auch mein herzlichster
Dank.
Meine Dankbarkeit mBchte ich zugleich dem
gesamten Personal der "Redpath Library",McGill University,
aussprechen. Das freundliche Entgegenkommen sowie die
st&ndige Bereitschaft und Mithilfe 1m Aufsuchen verschie
dener unentbehrlicherUnterlagen verpflichtet mich auch
ihnen ~egenHber aufs innigste.
l.
2
I. EINLEITUNG
Durch die Verbreitung demokratischer, liberaler und
sozialistischer Ideale, blieb die Gestaltung der politischen
C':reschehnisse im neunzehnten Jahrhundert, nicht mehr eine aus
schliessliche Angelegenheit der ffihrenden aristokratischen
Klasse. Obwohl in Staaten wie Deutschland, osterreich, Russ
land, die Aristokratie ihre politische Herrschaft nicht ein
gebHsst hatte, hatten auch die Intellektuellen (Schriftstel
ler, Philosophen, Journalisten, Dichter) einen weitgehenden
Einfluss auf die-Gestaltung der politischen Geschehn1sse
jener Zeit. Schon 1m achtzehnten Jahrhundert hatten die dich
terischen und philosophischen Schriften Leasings in Deutsch
land, sowie die von Voltaire, Rousseau, Montesquieu und Dide
rot in Frankreich, weitgehend zur Anderung des sozialen und
politischen Bildes Europas beigetragen. Goethes Streitbarkeit
gegen die Romantik, gegen den Kultus des Mittelalters, gegen
einen raffinierten Obskurantismus und gegen die politischen
Ideen der Romantiker, die in ihrem Bestreben eine nationale
EUltur zu f8rdern, in nationalistische Extremen verfielen,
sind Beispiele fdr den sich steigernden Einfluss des Dich
ters und Literaten auf die politischen Geschehnisse seiner
Zeit. Die Kunst beginnt immer mehr Tendenztrlgerin zu werden
und das politische Weltbild mitzubestimmen. "Seit 1789 ist
jeder Zeitwille auf die politische Wirklichkeit gerichtet.
Die Jung - Hegelianer; die grossen Sozialisten; Wienberg
3
und Nietzsche: sie alle zielen auf Anderung des Weltzustan
des, auf ein neues gesellschaftliches Dasein (oder wenigstens
auf seine Voraussetzungen oder Bruchteile)" 1, sagt Rudolf
Kayser in seinem Aufsatz 11 Aufru.f und Flamme".
Im 11 Jungen Deutschland" erkennen wir eine Gruppe
literaturrevolutionllrer Schriftsteller, die durch gleiche
Tendenzen zu einar literarischen Partei geeinigt, die Litera
tur zum Mittel geistiger und politischer Erneuerun.g machen
wollte. Man klmpfte fHr die Verwirklichung neuer sozialrefor
matorischer, politischer und ethisch-liberaler Ideen.
Der Realismus und Naturalismus haben diese
Bestrebun.gen weitergefHhrt. Man war nun bestrebt die Verflll
schung der Wirklichkeit durch die Kunst naCh MBglichkeit zu
reduzieren. In trHben sozialen Bildern hatte das naturalisti
sche Drruna die Mlngel einar bestehenden sozialen Ordnung,
sowie die llusserste sittliche Verderbnis enthHllt. Durch
diese krasse EnthHllung der sozialen Wirklichkeit wird eine
starke gesellschaftskritische Stimmung hervorgerufen und die
Frage nach sozialen Reformen in ein viel eindeutigeres Licht
gestellt. Der gesellschaftliche Raman verfolgt dieselben
Tendenzen.
Die gesellschaftskritisehe Einstellung des
deutschen Dichters beginnt splter als in anderen Llndern
Europas {"Frankreich, England, Russland). Die se passive
Einstellung des deutschen Dichters zu den sozialen und
politischen Problemen seiner Zeit bezieht sich besonders
auf den deùtschen gesellschaftskritischen Raman. Wmhrend
in den franz8sischen und russischen Ramanen die Wechselwir
kung desEinzelnen und der Gesellschaft untersucht wird,
steht der empfindsrune Held des deutschen Bildungsromans
gew8hnlich im Gegensatz zur Gesellschaft und der Schwer
punkt des Romans liegt auf seiner individuellen geistigen
Entwicklung.
Zwar gab es schon frHher in der deutschen Li
teratur starke politische und sozialkritische Tendenzen
( 11 Das Junge Deutschland"); eine entscheidende Wende bringen
jedoch erst die naturalistischen Dichtungen von Arno Holtz
und Gerhart Hauptmann.
Der Dichter, in seiner Stellung als Gésell
schaftskritiker, beginnt auch in Deutschland an den Gescheh
nissen seiner Zeit einen fmmer entscheidenderen Anteil zu
nebmen, und Thanas Mann ist vollkammen berechtigt, in seinem
Essay, "Der Dichter und die Gesellschaft ", folgende Frage zu
stellan: "warum sagt man nicht gleich •ner Ktinstler und die
Politik', da sich hinte~ dem Wort •Gesellschaftt doch das
4
5
Politische verbirgt." Die Funktionssphlre, die Thomas Mann
dem Kfinstler einrf!umt, ist tiberha.upt eine. sehr weite, da fiir
ihn die politische Tf!tigkeit des K~stlers in der moralischen
inbegri.fi'en ist. "In der Welt des Lebens und der menschlichen
Gesellscha.ft ·", sagt Thomas Mann .ferner, 11ist das Schlechte,
Dumme und Falsche auch das B8se, nilmlich das Menschenunwilr
dige und Verderbliche 1 und sobald der Kritizismus der Kunst
sich nach aussen wendet1 sobald er gesellschai'tlich wird,
wird er moralisch, wird der Kftnstler zum sozialen Mora -
listen. 11 2
Eine radikale Binstellung des Dich
ters zur Gesellschai'tsretorm verlengt der Aktivismus, eine
sozial-revolutionlre geistige Bewegung,die wlhrend des Krie
ges (1915) entstand. Das erste Manifest der vorprogrmDMati
schen Phase dieser Bewegung schrieb Heinrich Mann 1m Jahre
1910. Es heisst : "Geist und Tat". Der Glaube an die Macht
des Wortes, die politische Aufgabe des Dichters, die kultu-..
relle Bedeutung des Literaten wird hier verkftndet. Nicht
die Kunst soll als oberster Wert gelten, wie es die Anhin-
ger der Theorie "1 'art pour 1 'art n verlangten, sondern
Politik und Moral sollen tftr den Dichter die Hauptthemen
sein. Die Hauptaufgabe des Dichters soll in der Verbesse
rung der Welt bestehen. Er wird zur Stimm.e des 8ffentlichen
Gewissens, warner und Kritiker, Ankl4ger und Verteidiger,
6
Volks~rtreter im besten Sinne des Wortes.
In seinem Manif'est: "Geist werde Herr" aus dem
Jahre 1914 schreibt Kurt Hiller, einer der Hauptmitarbeiter
der "Aktionn: nwir wollen IJndern, bessern, helf'en. Wir f'f!h
len und denken nicht mehr psychologisch; wir f'Uhlen und
denken poli tisch" •••• Und an anderer Stelle desselben Ma
nif'.estes: "Das psychologische Zeitalter ist voriiber, und
das politische begann. Wir werden nicht musisch sein, wir
werden moralisch sein; nicht betrachten, sondern bewirken;
Redner, Lehrer, Auf'kllrer, AufWiegler, Bdndegrdnder, Gesetz
geber, Priester, Religionsstif'ter werden wir sein; wir werden
Propheten sein, wir werden Li teraten sein ••••• n 3
René Schickele stand zwar dem Aktivismus nahe,
geh8rte aber nicht zu KUrt Hillers Kreis. Er wurde splter
einer der :f'iihrenden Pers8n11chkeiten der "Clarté", die von
f'ranz8sischen und belgischen Literaten gegrdndet wurde und
auch aktivistische Ideen vertrat; verliess jedoch diese
Gruppe, a.ls er sa.h, da.ss sie eine a.usgesprochene pro
kommunistische Richtung einschlug. ~ Rene Schickele besass einen ~beraus scharf'en
Sinn fdr das Politische von Na.tur aus. Dazu geh8rte er einer
Volksgemeinschaf't an, die um die Erhaltung ihrer kulturge
schichtlichen werte zum politischen Kampf' prldistiniert er
s.cheint; deshalb ist er auch an den politischen Ereignissen
7
mehr interessiert als samancher seiner Zeitgenossen. Auch
muss noch dar umstand in Erwlgung gezogen werden, dass
Schickele seine literarische Lautbahn als Journalist begann,
jahrelang diese T!tigkeit, die ibm sein Lebenseinkommen
sicherte, fortsetzte, und sich erst splter der Ro.mandich
tung zuwandte. Die journalistische T!tigkeit, die far einen
weniger talentierten D1chter zur Gefahr werden konnte, er
m8glichte ibm einen tieferen psychologischen und sozio
logischen Einblick in die Zeitgeschehnisse und f8rderte
das Interesse far seine Schriften.
/ II. ZUR BIOGRAPHIE RENE SCHICKELÊS
René Schickele wurde am 4. August 1883 in
Auvernay (Oberehnheim) 1m Elsass geboren. Seinen Vater,
der Weingutsbesitzer.war, bezeichnet der Dichter in seinen
autobiographischen Notizen als "echten Els!f.sser", als
ndeutschsprachigen Alemannen"; seine Mutter, eine gabo
rene Violard aus Altm!nster, war FranzBsin, so dass auch
8
die Muttersprache dès Dichters die franz8sische war. Deutsch
war nur Schickeles Schulsprache. Wie er selbst sagt, hatte
ihn das deutsche Lied (Goethe, Novalis, Heine, Eichendorff,
MBrike, Keller} zur deutschen Sprache verfdhrt, welche
sp!f.terhin auch zur Sprache seiner Dichtungen wurde.
Uber seinen llteren Bruder und die Verhllt-
nisse der Frunilie, in welchen sich das Schicksal der el
slssischen Famille ~berhaupt, wiederspiegelt, sagt uns
Schickele f'olgendes: "Bis zu seinem viel zu :f"rfih.en Tod
hielt dagegen mein einziger Bruder, der ordentlioher Pro
fesser und Direktor der gynikologischen Universitltsklinik
in Strassburg, seine Vorlesungen in franzBsischer Sprache.
Dn Kriege hatte er als deutscher Stabsarzt unserm Vetter
Antoine, dem franzBsischen Generaloberarzt, gegen~ber ge
stand.en. So geht es in unsem Familien zu. Deutschland und
Frankreich berdhren sich so dicht, dass die Beteiligten sich
9
oft selbst nicht mehr recht auskennen. 11 1
Das Gymnasium besuchte Schickele in Zabern und
Strassburg. Schon im Jahre 1896 (Schickele war druna1s drei
zehnjib.rig} erscheinen manche seiner Gedichte und Rezensio
nen in der Strassburger Li teraturzei tschrift "Der Els!l.sser".
Zwei Jahre sp!l.ter erscheinen einige Gedichte in der Berliner
Zeitsohri!'t ttDie Heimat".
nn Jahre 1901 immatrikuliert sioh Sohiokele sn
der naturwissenschaftliohen Fakultlt der Universitlt Strass
burg. In demselben Jahr grtindet er die Zeitschri!'t nDer
Stifmer", die nur einige Monate erschien. Seine Mitarbeiter
sind: otto Flake, Ernst Stadler, Johannes Leonardus u.a.
Sein ers ter Gedichtband, nOie Sommernlchte 11 erscheint auch
in Strassburg im Jahre 1902 bei Ludolf' Beust. Nun geht
Sohiokele au!' die Wandersohaft,die er folgendermassen be
sohreibt: "Die Universitlten Mtlnchen, Paris, Berlin sahen
mich !'lifchtig in ihren Rlumen au!'tauchen, splter folgten
Reisen durch ganz Europa, nach Griechen1and, Kleinasien,
Nordafrika, Indien. Es gab Jahre in denen ich keine Zeile
sohrieb, andre, in denen ioh monatelang nicht vam Sohreib
tisch wegkam." 2
Dn Jahre 1904 heiratet Schickele Aenne Bran
denburg und wird Redak:teur der Zei tschri.ft "Das Neue
Magazin" • 11Das Neue Magazin" bringt Bei trige von August
Strindberg, stefan George, Hugo von Hor.mannsthal,Riohard
10
Dehmel, Arno Holz, Johannes Schla:f", Hermann Hesse, Otto •• Flake, Ernst Stadler u.a., sowie in Ubersetzungen Dichtun-
gen von Zola, Tsohechow, Baudelaire, Wilde u. a.
Die Naohfrage naoh dieser Zei tschrift war so
gross, dass sich Sohiokele auch finanziell an dem sichtlich
bl«henden Geschift beteiligte und sein ganzes Verm8gen darin
investierte. Aber schon im Januar des Jahres 1905 kommt es,
durch den Selbstmord des Hauptbeteiligten, zum finanziellen
Ruin dieses literarischen Unternehmens und Schickele wird
mittellos• Er erhlllt nun seine Famille durch Beitrige in
der Tagespresse, durch Theaterkritik und Übersetzungen. Um
diese Zeit beginnt auch die Freundschaft mit Heinrich Mann.
Im Jahre 1907 erscheint Schickeles erster Roman, "Der Fremde ",
und sein Stern beginnt zu steigen. Von einem Verlag nach
Paris geschickt, wird er daselbst zwei Jahre splter (1909)
Korrespondent der 11 Strassburger Neuen Zeitung" und 1m Jahre
1911 ihr Chefredakteur. Wlhrend seines Pariser Aufenthaltes
beendet Schickele den Gedichtband nweiss und Rot" und schreibt
die Erzllhlung "Meine Freundin Lo".
Die journalistische Tltigkeit wird aber Schickele
mit der Zeit zuwider und er ~bersiedelt im Jahre 1913 nach
F~rstenberg (Mecklenburg). Hier wird er Mltarbeiter der
li terarischen Zei tschrift "Die weissen Blltter", herausge-
geben von Erik Ernst Schwabaoh und Franz Blei. Am Anfang des
11
Jahres 1914 unternimmt Schickele mit einigen Freunden eine
Reise nach Indien ~ber Griechenland und Agypten. Dn Dezember
desselben Jahres Hbernimmt er in Berlin die Leitung der
"Weissen Blltter", da Schwabach und Blei eingezogen werden.
Da die "Weissen Blltter" in erster Linie die Dichtungen der
Expressionisten f8rderten, wird Schickele als eine der
fHhrenden Pers8nlichkeiten des Expressionismus angesehen
und in ganz. Deutschland bekannt. Wegen ihrer pazifistischen
Einstellung stossen die 11Weissen Blitter11 im kriegfHhrenden
Deutschland auf immer grBssere Schwierigkeiten und Schickele
sieht sich gezwungen mit ihnen im Jahre 1916 in die Schweiz
zu gehen.
In der Schweiz blieb Schickele bis 1919. Er ~ber
siedelte dann nach Uttwil am Bodensee und von da (1920) nach
Badenweiler,wo er f~r die nichsten zwBlf Jahre anslssig wurde.
Uber seine neue doppelte Eigenschaft,als franz8sischer Staats
angeh8riger und deutscher Dichter,schreibt Schickele in sei
nan autobiographischen Notizen: "Von meinem Schreibtisch
blicke ich ~ber den Rhein in meine Heimat, das Elsass, und
wenn ich hinftberfahre, zftcke ich an der Grenze, die seit
1918 wieder der Rhein bildet, einen franzBsischen Pass.
Trotz des franz8sischen Passes bin ich Mitglied der Sektion
fftr Dichtung an der Preussischen Akademie der Kftnste in
Berlin, kurz: Deutsche Dichterakademie genannt. ir 3
12
In Badenweiler schrieb Schickele die Roman-Trilogie
"Das Er be am Rhein", den Roman n Symphonie ftir Jazz 11 und das
Zei tbuch 11 Die Grenze 11 .,
Beunruhigt durch das stlndige Wachstum des National
sozialismus, beschloss Schickele Deutschland zu verlassen. Dn
Jahre 1932 Hbersiedelte er nach Sanary-sur-mar (Frankreich)~
wo er sein Meisterwerk, den Roman "Die Wi twe Bosc a" schrieb.
Nach zwei Jahren kam er nach Nizza, wo der Roman 11 Die Flaschen
postn entstand.
Im Jahre 1938 ~bersiedelte er aus gesundheitlichen
Gr-linden nach Vence (Siid:frankreich) wo er am 3l.Januar 1940
starb.
13
III PUBLIZISTISCHE SCHRIFTEN
A. EINLEITUNG
Eine umrassende Deutung von Schickeles po
litischem Denken ist nur m8glich~wenn man seine publizisti~
sche Schriften und sein dichterisches Werk als Quellen
heranzieht. Wertvolles Material liefern auch die Tagebtlcher
und die Briefe. In seiner Publizistik werden politische
Probleme der Vergangenheit und seiner eigenen Zeit kritisch
behandelt. Besonders nahe liegt Schickele die Kritik an
der Mentalitit und an der ethischen Einstellung der men -
schlichen Gesellschaft.
In den Romanen finden wir die Welt des Guten
und des B8sen veranschaulicht.Die Helden seiner Romane sind
Exponenten seiner politischen Anschauung; sie erscheinen
als Inkarnation entweder des guten, friedlichen, gerechten,
oder des von einer ~alachen Ideologie besesaenen, ehrgeizi
gen, oder politisch korrupten, Menschen. Diese auf der cha
rakterlichen Gegensitzlichkeit der Helden beruhende Betrach
tungaweise der Gesellschaft gibt dem Leser die M8glichkeit
sich eine konkrete Vorstellung von dem zu machen~ was Schickele
im idealen Sinne eine "europiische Gesellschaft" genannt
hitte.
zu den publizistischen Schrirten gehdren die
Essays, die Aursâtze und die Reden.
In den Essays, welche den grasserén Teil seines
politischen Schrirttums darstellen, berasst sich Schickele
mit vergangenen und zeitgemâssen Problemen. Sie erscheinen
in solcher chronologischen Folge:
11Schreie aur dem Boulevard" 1909
11 Die Genrer Re ise" 1916
"Wir wollen nicht sterben11 1916
"Die Grenze" 1934
11 Himrnlische Landschart" 1935
Das erste dieser Bdcher, "Schreie aur dem
Bouleward", enthllt in der Gesamtausgabe von Schickeles Wer
ken, unter dem Titel "Werke in drei Blnden", herausgegeben
1959 von Hermann Kesten, siebzehn Essays, "Die Genrer Re ise",
neun Essays, "Wir wollen nicht sterben 11, drei Essays, "Die
Grenze 11 , acht Essays, "'Himmlische Landschart", siebzehn
Essays. Die ersten dieser drei Essay-Bâcher erschienen im
Jahre 1922 zus&mmengerasst, mit einem Vorwort des DiChters.
15
B. PAZIFISMUS
Die Vielfalt der Politischen Ideen, die in den
dichterischen und auch in den essaystischen Schriften Schickeles
zum Ausdruck kommen, haben eine gemeinsrune Basis einen Gene
ralnenner. Dieser Generalnenner heisst bei Schickele :
Pazifismus oder Ausschaltung jeglicher Gewalt. Wie fHr viele
Schriftsteller seiner Zeit - Heinrich Mann, Thomas Mann,
Stefan Zweig, Romain Rolland (um nur einige zu nennen) - hat
auch fHr Schickele die Gewalt ihren primâren Ursprung in den
dunklen, triebartigen, gefHhrichen Anlagen des menschlichen
~vesens. Die Gewal t kann nach Schickele nicht geistigen Ur
sprungs sein, denn If ••• was in der Welt, kann der (}eistige
anders wollen als den Geistt Der Geist aber ist der uralte
Antipode der Materie, des dunkeln Triebes, der Gewalt. Also
kann er , natHrlicherweise, nur ein Ziel haben: dass die
Gewal t aufh8re 11• • •
1
Jade AusHbung der Gewalt, ja sogar die Absicht,
die zur Gewalt~us~bung ~t, ist gefihrlich und verderblich.
Nur das .pazifistische, auf Frieden und Nachsicht gerichtete
Verhalten des Menschen wirkt aufbauend, schafft Tradition
und Kultur. Wenn die Gewalt grunds4tzlich nur durch Gewalt
anwendung beseitigt werden soll, so wird sie neue Gewalt -
taten hervorrufen. Die geschichtlichen Fehler der verschie-
16
denen VBlker sollen nach Schickele nicht durch verderbende
Strafmassnahmen geahndet werden, denn ein derartiges Vor -
gehen wdrde nur Bitternis und Rachsucht hervorrufen und
somit neue Ringe in die Kette der geschichtlichen Verge -
waltigungen schmieden. Ein Pazifismus, der s·eine zwe_cke
durch gewalttdtige Mittel verwirklicht oder sichert, ist
(obwohl er oft 11konsequenter Pazifismus 11 genannt wird) nur
Anfang eines neuen Militarismus. Als der "Amerikaner" im
Essay "Gesprl!ch mit einem Amerikaner" die Vorteile des
11konsequenten Pazifismus", der auf nlebendige Tat" (Gewalt
anwendung) eigestellt ist, hervorhebt, antwortet ibm
Schickele: "So hat der Militarismus bei allen VBlkern be
germen. 11 Und auf die Frage: "Wtirden sie einem Haufen be
waffneter Einbrecher mit blossen Hlinden entgegentreten?"
antwortet er: "Mit ihrert vlaffen n[h:me ich den Geist ihrer
Waffen an. 11 2
Der militirische Sieg, der nur durch Gewalt
erzwungene und diktierte Friede, sind ftir Schickele nicht
~ie geeigneten Mittel, um ein dauerndes, _gutes Einvernehmen
zwischen den VBlkern zu gewmlrleisten. ·Ein deratiger Friede
trigt in sich den Stachel des Resentiments und somit den
Keim zu spi!terem Ubel, denn "der mili1Lirische Sieg, j~der
militirische Sieg kann nur dasselbe sein wie der Krieg,
und eine Niederlage, statt der Entscbeidung, wiederum nur
17
eine Fortsetzung des Krieges. So gewiss ein Urwald aus
eigener Kraft keine menschliche Ordnung hervorbringt und
der Mensch nur auf dem Boden leben kann, den er dem Ur -
wald abgerungen hat, wo er den Urwald vor seinem, des
Menschen BedHrfnis, hat verschwinden lassen, ebenso kann
der Friede nur dort entstehn und gedeihen, wo der Krieg
wahrhaftig beseitigt ist und auf freiem der Mensch sich
3 behauptet. n
Kriege und Revolutionen k8nnen nach
Schickele der Gewaltanwendung kein endgtiltiges Ende brin-
gen, denn sie wenden ihrerseits Gewaltmittel an. Sie ver
wandeln den rachsHchtigen Menschen in eine Bastie, die
spgter von einer anderen rachsHchtigen Bastie angegriffen
werden wird. Die entgdltige Revolution auf die Schickele
ho.f:ft ist folgender Natur: "Ich hoffe auf eine Revolution
gegen die Bestie, und das kann keine Revolution sein, die
die Bastie gegen die Bastie losl!sst. Wer auch von den
beiden siegte, es w!re immer die Bastie. Ich hoffe auf
eine Revolution, durch keine andere Gewalt als die der
Herzen, der Uberredung und des frohen Beispiels. Icb sage:
hitten wir die paar tausend Jahre, die wir mit Massakern
zugebracht haben, auf die Vorbereitung dieser einzigen,
wirklichen, endgHltigen Revolution verwandt, wir wlren
sc hon lange iiber den Berg. " 4
18
Schiekeles Wertung seiner zeitgen8ssischen
gesellschaftlichen Ordnung und der menschlichen Beziehun
gen tiberhaupt ist eine durchaus negative. Das menschliche
Tun ist nach ibm auf Raub und Vernichtung des Mitmenschen
gerichtet. Nur eine radikale, innerlich - Hluternde Umstel
lung des Henschen ,durch Anerkennung hoher ethischer Prin-·
zipien, kann die Wendung zum Guten bringen: 11Heute und mor
gan k8nnen wir nichts besseres tun, als uns zu reinigen und
uns ftir die Zeit vorzubereiten, wo wir etwas tun k8nnen,
ohne dass es sich, tiber tausend kleinen Transmissionsridern,
in Raub und Todschlag verwandelte. Die ganze Erde ist eine
einzige auf Mord eingestellte Maschine, sie produziert nichts
anderes als Vergewaltigung, sie kann nichts anderes hervor
bringen als Gewalt. " Die Gewalt und den Mord kompromisslos
zu beklhnpfen ist ftir Schickele ein 11kategorischer Jinperativ 11,
das hBchste moralische Go bot, denn nwer nicht gegen die Hin-
richtung Ludwigs XVI. oder gar gegen die Dantons gestimmt
hat, der hat zu schweigen, wenn Robespierre gek8pft wird. 11
"Es gibt einen unverrfickbaren, einen absoluten Punkt in
unserm Lebensplan", sagt Schickele wei ter, "die Weigerung
zu t8ten. 11 5
Eines der Hauptziele seines politischen
strebens ist die Gewihrleistung elnes anhaltenden Friedens.
Nur der Friede erm8glicht dem Menschen eine freie und
19
dauernde :Entfaltung seiner geistigen KrHfte. 11 Sorgt .ftir den
Frieden. 11, mahnt Schickele. "Glaubt, es gibt wenige, die
far diese Mission in Betracht kommen, und Gott weiss, ob
man sie n8tig haben wird. Denn sie, die diesen Krieg fdh-
ren, werden ewig unfâhig sein, den Frieden herbeizurdhren.
Sie k8nnen nur einen Waf.fenstillstand schliessen." 6
Nur eine politische Weltanschauung, die au.f
Nachsicht, Verstlndnis und einer gerechten Einschitzung
der Forderungen des politischen Gegners beruht, kann zu
dauernden pazi.fistischen Zielen fHhren. Dazu geh8rt eine
au.fbauende, zielstrebige, idealistisch-positive Einstellung
des Menschen:
"Menschen mit einar nur negativen Einstellung k8nnen nicht gemeinsam handeln, weil es kein negatives Ideal gibt, das Gemeinscha.ft bil -dende Kra.ft beslsse. Die Negation gebiert neue Negationen, die einander sektiererisch abhetzen. Ich nenne das politischen Protestantismus. Der Protest kann schw!chen - das geh8rt zur Kriegs.fdhrung -, aber er bleibt un.fâhig, eine neue Gemeins&mkeit zu erzeugen, die stark genug w!re, die alten, m8rderisch verbissenen Gemeinschaften in sich au.fzunehmen und zu vers8hnen. Und da·s alle in wlire der Friede." 1
Ob eine liusserst passive Einstellung (im Sinne
des physischen Widerstandes) gegentiber jederHacht- oder
Gewal tanwendung unbedingt zweckmlissig erscheint und mit
strengster Konsequenz durchge.ftihrt werden soll (wie es
Schickele verlangt), ist eine Frage, die offen bleibt,
denn die Geschichte weist genHgend Beispiele auf,dass
gewissen Machthabern, die sich zum Ziel die Versklavung
der Menscbheit gewâhlt hatten, nur durch Gegengewalt
begegnet werden konnte. Die Ereignisse in Deutschland,
im Jahre 1933 und spiter, haben deshalb auch Schickele
20
vor ein Dilemma gestellt; er scheint seine frHhere,schein
bar unerschHtterliche Einstellung, wenn auch vielleicht
vorHberginglich, revidiert zu haben. ]m Dezember 1933
schreibt er in dem Aufsatz, "Weihnachtswunsch" ,folgendes:
"Die radikalen Pazifisten aber, die zu jedem Preise berei t wliren, so hoch er sei,. wenn er nur den Frieden erhalte, mBt;en bedenken, dass es Preise gibt, die nur genannt werden, um den Gagner zu zwingen, sie abzulehnen. Von dieser Art war das Bsterreichische Ultimatum an Serbien im Juli 1914 und das Ansinnen Deutschlands im gleichem Monat, Frankreich mBge als Beweis seiner Friedensliebe seine wichtigsten Festungen von deutschen Truppen besetzen lassen. • ••••. ~uch den Tolstojanern (wie sie sich auch nennen m8gen: Christen, Qu.Hker, Gewissensverweigerer usw. ) beginnt es zu d§.mm.ern, dass kein Recht zu bestehen vermag, wo die Macht fehlt, es zu schHtzen. Beweis: die Haltung der englischen Pazifisten (die beinahe die Volksmehrheit sind) angesichts des abessinischen Konfliktes. 11 8
C. POLITISCHER IDEALISMUS
Im Vorwort zum dritten seiner Essay-Bdcher:
"~·lir wellen nicht sterben", das in einer Gesamtausgabe
21
mit den schon erschienen Btichern "Schrei auf dem Boulevard"
und "Die C":renfer Re ise 11 herausgegeben wurde, sagt Schickele:
"Der Verfasser hâlt da:Nir, dass er mit die sem dri tten, die
Trilogie seiner ZeitbHcher abschliessenden Buch das wich
tigste Ergebnis aines jeden Seelenkampfes errungen hat:
Gewissheit und Lebensmèlglichkeit im Ideal. 11 9
Die Behandlung der sozialen und politischen
Probleme, ist bei Schickele stark idealistisch gefârbt.
In diesem Sinne muten seine Schriften fast romantisch an.
Eine Weltordnung wird angestrebt, die im realen Leben
seiner Zeit praktisch unerreichbar war, und darum nur als
angestrebtes Ideal vorstellbar ist. "Wir haben nur eine
Au:fgabe 11 , sagt Schickele, 11und die bleibt uns unter allen
umstânden: daf~r zu sorgen, dass das Ideal, und wenn auch
nur bei hundert, wenn nur bei zehn Menschen, nicht in Ver
gessenheit gerate. Die Liebe lieben1 Ho:ffen, und w!re es
nur, dami.t die Hoffnung am Leben bleibe. GlaubenJ Und wire
es nur, um nicht zu verzweifeln ••• " 10
Es handelt sich bei Schickele um das Ideal
des geistigen Menschen, denn das Ideal, die idealistische
Einstellung ist mit dem Geist unzertrennbar: 1~ir Geisti
gen k8nnen weder mit Paraden, noch mit Staatsstreichen,
mit keinem Schaust~ck irgendwelcher Art k8nnen wir aufwar
ten. Wir gehn, in tiefster Stille, den unabsehbaren Weg
der .rvrenschenverwandlung. • •• unser Schicksal wirkt im
Traum von dem, was wir, ganz, vielleicht in tausend Jah-
ren sein werden: Menschen. Wir wdrden es nie, verliessen
wir diesen Traum, vergissen wir jene lautlose, gerade
Strasse, f!nden wir nicht dort nach jeder Aktion unsre Ka-11 mer aden wieder ...• n
22
23
D. ELSASSISCHER PATRIOTISMUS
Im Elsass, das Schickele als seine eigent -
liche Heimat betrachtete - denn an Deutschland oder Frank
reich hatte er sich niemals politisch verkauft - erblickte
Schickele eine Miniatur des alleurop!ischen Staates, der
ibm wahrscheinliah als Idealstaat vorschwebte.
\venn man von einem els!ssischen Patriotismus
bei Schickele spricht, oder sprechen darf, so soll dies
mehr im Sinne einer Volkszugeh8rigkeit verstanden werden.
Seine Anh!nglichkeit an die els!ssische Heimat hat nicht
das geringste mit einer nationalistischen Einstellung,
auch der temperiertesten Art, gemeinsam. Es handelt sich
eher um einen lokalen Patriotismus, der aus einem GefÜhl
der Emp8rung gegen den, durch den Verlauf der Jahrhun -
derte ausgeübten deutschen und franz8sischen Nationalis
mus, hervorgerufen wurde.
Schickele glaubt an den els!ssischen Men -
schenschlag, an das els!ssische Land, das, im Laufe der
Geschiéhte immer wieder zum Streitgebiet zwischen Frank
reich und Deutschland wurde. Das els!ssische Volk hat
der Assimilierung widerstan.den und sein kulturpolitisches
Antlitz gewahrt. Als Motto zu seinem Essay "Das ewige Elsass,"
stellt .er die Worte von Maurice Barrès: "Die elsissische
Wurzel wird i:m:rner wieder ausschlagen. 11 , eine Behauptung,
die auf die Eigent~lichkeit und das Wiederaufleben des
elsissischen kulturellen Erbes hinweist.
24
Fdr Schickele sind die Elsisser ein Menschen-
schlag, der voller Humor und Lebenslust einer Lebensphi -
losophie huldigt, die fdr alle V8lker vorbildlich sein
k8nnte: das Verlangen nach Frieden und Lebensfreude.
Die Lebensau.ffassung des Elsissers wird uns von Schicke·le
folgendermassen beschrieben: nsie bilden eine einzige,
~rosse Schelmenzunft, maine Elsisser, und wenn man es sich
recht dberlegt, konnten sie wirklich nichts besseres tun,
als sich ihrer guten Laune zu wehren. Sie haben nie einen
eigenen staat ~ebildet, sind nie ihre eigenen Soldaten
gewesen, ihre Sonderart ist ebenso bestindig wie schwer
.fasslich für den Fremden, der als Eroberer zu ihnen kommt,
wihrend arglose Zugewanderte ihr auffallend schnell erlie-
gen. 11 12
In ergreifenden, wehmHtigen Worten wird
uns zugleich die Trag8die des els~ssischen Volkes geschil
dert: "Ich liebe sie zirtlich, maine Elsisser, von denen
jede Generation mit blutigen K8pfen von einer .fremden
Walstatt heimkehrt, und die ihre Toten auf allen Schlacht
feldern Frankreichs und Deùtschlands liegen haben. 11
l3
25
Schickele griff die T.hese des Basler Germa-
nisten Hoffmruan- Krayer au~ und behauptete, dass die el
sMssische Kultur als Synthese, als Resultante zweier Kul
turen anzusehen sei: der âlteren franz8sischen (damals
gallo-r8mischen) und der frlhlkisch-alemannischen. Es habe
immer ein Elsass bestanden, meint Schickele das niemals
ganz franz8sisch, niemals ganz deutsch war, und seine kul
turelle Eigenart, seit seiner Entstehung, bewahrt hat.
Dieser geschichtliche Vorgang wird von Schickele folgen -
dermas sen ge schildert : n Aus dem Nor den konnnen Franken
und vermischen sich mit den Alemannen, und dieser ale -
mannisch-frânkische Stgmm ist bis auf den heutigen Tag
nicht verdrMnp;t worden. Ein frânkisch-alemannischer Di.alekt
bildet die Sprache der Elsisser. Glaubt aber nun jemand,
dass die Flut der alemannischen Invasion die iltere gallo-
r8mische Kultur restlos begraben habe? Aber wie dem auch
sei - bereits rdckten von Sdden die K18ster heran, von denen
Taine so anschaulich sehildert, wie sie Schritt um Schritt
die strategischen Stellungen bezogen, die das niederbrechen-
de R8mische Reich hatte aufgeben mHssen. Was sie mitbringen,
ist, wenn auch in weltneuem Geiste, wiederum r8mische Kultur:~ So wurde eine neue Kulturgemeinschaft ge -
schaffen, die sait ihrer Entstehung den Stempel der lokalen
Eigenttimlichkeit trti.gt; die Kunstwerke, welche in dieser
Kulturgemeinschart entstanden, tragen ein unverkennbar
els!ssisches Gesicht.
Uber den elslssischen Dichter Gottfried
von Strassburg wissen wir, sagt Schickele, lldass er ein
Stutzer war, der sich gern in welscher Gesellschaft be
wegte, auch seine Dichtung wurde 8stlich des Rheins als
•arg verwelscht' empfunden- und schrieb doch ein so
herrlich schlankes Deutsch und rand T8ne von ·so leiden-
schaftlicher Innigkeit, wie wir sie erst wieder bei
Goethe vernebmen werden. u l.5
26
Am Leben und Werk dieses grossen elslssi-
schen Diehters erkennen wir also den Einfluss der beiden
Kulturen. "Die elsissische Wurzel wird immer von neuem
ausschlagen H, sagt Schickele wei ter, naber bedenkt wohl:
es ist eine doppelte wurzel." 16
Beide Kulturen (sowohl die franzBsis~he,
als auch die deutsche) sollen, nach der Ansicht Schickeles,
im Elsass auf die intellektuelle und geistige Entwicklung
der elslssischen Jugen~ einwirken. Nur auf diese Weise kann
das kulturnationale Gesicht des Elslssers erhalten werden.
Schickele sagt: "Gewiss sollen die jungen Ge schlechter
Franz8sisch sprechen, von Frankreich wissen, was die ande-
ren Franzosen wissen, sollen, mit einem Wor~ Franzosen sein.
Niemand wünscht, Elsass-Lothrigen als ein ziemlich verwahr
lostes Ghetto zu erhalten und in solcher Gestalt, wie in
. '
27
Frankreich bei edeln, aber ausser Gebrauch gekommenen Ge
b§ulichkeiten ~blich, als nationales Denkmal zu sch~tzen • . Aber es kann und soll gleichzeitig sein deutsches Erbe
wahran. u l7
Die angerdhrten Zitate stammen aus dam Essay
rrnas ewige Elsass", ain Essay, das eine Zentralstellung in
Schickeles Volkstumbekenntnis einnimmt. Es ist zugleich
ain Versuch die politische und kulturelle Eigenart sowie
die Sonderstellung seines Landes geschichtlioh zu beg~n
den und zu legitimieren.
Der Els!sser kann nach Schickeles Ansicht
keine politisch-passive Haltung einnehmen, weil der poli
tisohe Druck, der von Seiten Deutsohlands und Frankreichs
im Laure der Gesohiohte ausge~bt wurde, ihh zu einer reak
tioniren Haltung gezwungen hat. Vor dem ersten Weltkrieg
wurden die Elsisser als eine Art von abtrdnnigen Deutschen
ange.sehen. 11Nach dem Krieg n, sagt Schickele, "hiess es, die
Els!sser seien waschechte Franzosen,aus der Familie der
Kelten, ihr Dialekt ein verkdmmertes und bastardiertes
Keltisch ••••• Jeder Els!sser in der deutsohen Uniform sei
in ~iirklichkeit ain Verrl!ter und Spion gewesen, weshalb es
ganz in der Ordnung gehe, wenn die Denkml!ler ihrer Gefallenen
mit Redan rranz8sisoher Generile, ùnter der Kl!ngen der
franz8sischen Nationalhymne eingeweiht wHrden. Niemand
28
schien zu bemerken, dass eine solche Aurrassung der Infa
mierung aines ganzen Landes gleichkam. 11 l8
Der stl!ndige poli tische Druck der franzéJsi-
schen Regierung in den Nachkriegsjahren, erzeugte einen
zustand der "an Psychose grenzte "• Eine spontane Reaktion
der Elsl!sser musste folgen. Sie folgte auch, und als am
Weihnachtsabend des Jahres 1927 die franzBsische Polizei
einige elsissische Autonomisten verhaftete, verfehlte
diese drastische Massnahme ganz ihren Zweck. Dem wachsen-
den Druck der franz8sischen Regierung stellten nun die
elslssischen Autonomisten ihren festen Entschluss entge
gen, sich mit allen gesetzlich gebotenen Mitteln zur Wehr
zu setzen. Der Prozess, der den Autonomisten gemacht wur-
de, konsolidierte ihre Position.
Schickele stellte sich auf die Seita der
Autonomisten, da er die kulturpolitischen Rechte seiner
Landsleute bedroht sah. Es wAre jedoch ganz verfehlt, sei-
ne Einstellung als revolutionAr zu betrachten; ganz im
Gegenteil, es ist eher ein verzweifelter Versuch, den El
slssern eine fraie und gesicherte Existenz im Rahmen des
franzBsischen Staates zu sichem. Schickele sagt:
'tretzt muss Frankreich schon versuchen, diese Autonomisten, die gar nicht von Frankreich los wollen, sondern nur in· Frankreich ihr Leben und Gedeihen fin-
den, mit andern Mi tteln zu zllhmen als mit Ansohnauzereien und Polizeisohikanen. Dn Geriohtssaal hatten sie den Freispruch der Gesohworenen mit' 'vive 1 'Alsace und vive la Franohe-Oamté (sie sind ja Regionalisten) begrdsst.Die Folge war, dass man ihnen auf der Stelle sagte: 'Oe sont des boches, ils n'ont pas crié Vive la France. r Die Pariser Presse wiederholte es mit Lautsprecher. Ja, was soll man sagan? Sie bringen es nicht mehr ~ber die Lippent Und jetzt drdcken sie sich nicht mehr vor der Gebetm:iihle. Sie beklfmpfen sie. Sie wollen ihr ehrliches Gesicht wahran d~rfen. Sie sind es leid, in einar KomBdie mitzuspielen, in der sie nur den Hanswurst abgeben. Sie wollen loyale Franzosen sein, die ein deutschsprachiges Land bewohnen, und wei ter nichts." 19
E. FRANKREIOH UND DEUTSCHLAND
29
Die Einstellung Schickeles zu Frankreich und
Deutschland ist im allgemeinen von Geftihlen der Bitternis
und der erlittenen nationalen Dem~tigung gekennzeichnet.
Seine Ausserungen in den Essaya, Reden und Aufsitzen sind
meistens von einem starken Ressentiment gegen~ber diesen
zwei Staaten begleitet. Dieses Ressentiment lRsst sich
als "roter Faden" in der kulturgeschichtlichen Entwick -
lung des elsissischen Volkes verfolgen und nimmt m~t dem
wachstum und den imperialistischen Bestrebungen beider
Nationen (Frankreichs und Deutschlands) an IntensitHt zu.
30
Immer wieder wird das els!ssische Land von diesen Staats-
kolossen, auf Grund der verschiedensten Vorwinde bean -
sprucht und abwechselnd einem starken, auf Assimilierungs
zwecke gerichteten, ku1turel1en und po1itischen Druck unter
ste11t. Die Regierung der Dautschen zwischen 1871-1918
wird von Schicke1e a1s besonders hart und 1istig geschi1-
dert. Seine Emp8rung fiber diese gewa1ttltige Herrschaft
bringt Schicke1e im 1\ufsatz nsti11e Betrachtungen nach
den Za.berner Ta.gen ", anHiss1ich der mi1i taristischen Aus
schreitungen der Deutschen in der Stadt Zabern (1913-1914),
zunAusdruck. Der Aufsa.tz erschien in der von Schicke1e ge-
1eiteten Zeitschrift 11 Die weissen· B1itter 11 in Zürich im
Ja.hre 1917.
Dia deutsche Herrschaft wird von Schickele
in a11egorischer Form dargeste11t: 11 Seit vierzig Jahren
wohnt, bis tf.ber die Augen bewaffnet, ein rothaa.riger lfoloa.s
in diesem Land, er hockt auf dem Rand der Vogesen, um sei
ne grobgestiefe1ten Beine in der Ebene, die Rebhfigel hin-
a.uf kommen und gehn die Jahreszeiten. Er drdckt auf das
kleine Land wie auf die Mitte einer riesigen Schauke1 - ja,
und das ist denn auch das berdhmte europ!ische G1eichgewicht.
Und es geschieht'wenig in der We1t und nichts Wichtiges,
ohne dass man hier, wo des Ko1osses Stiefe1 stehn, ein
1eises oder hartes Schwanken spürte." 20
31
Deutschland ist f~r Schickele als Staat rast
immer die Verk8rperung der milit§.rischen Jl.iacht, die rohe,
ungestHme Gewalt, im Gegensatz zu Frankreich, wo die Macht
in zivilisatorischer Tarnung auftri tt: 11 Fast je der bedeuten
de Politiker der Republik erlebt einmal seinen Napoleons -
tag, wo die 'Stimme des Volkes' ihn zum Staatsstreich auf-
zukitzeln scheint. So sehr die Franzosen plumpe Brutali -
t!t verabscheuen, so sehr lieben sie die schmiegsrune Hber
legene Kraft, die Kraft mit den gescheiten Augan und dem ' 21
ge lehrten Handge lenk. 11
Im Aufsatz ttLeben ohne Inquisi tian", eine
Schrift in der sich Schickele gegen einen aufkommenden
franz8sischen Natiorralismus wendet, gibt uns Schickele eine
vortreffliche Charakterisierung des stark national einge -
stellten franz8sischen Btlrgers: 11 Der franz8sische B~ger,
in vielem der legitime Abk8mmling eines Ronsard, eines
Voltaire, ebenso liebenswfirdig wie aufgekl!rt, hat eine
Vorliebe ~r die nationale Gebetmdhle. Obne das C~râusch
dieser GebetmHhle ist keine Rede zwischen Rhein und Pyren!
en denkbar. Er glaubt nicht mehr an Gott, dafHr um so hitzi
ger an die Trikolore, und er, der jeden Sarg g~sst, worin
einer dahin geht, der alles in allem seinesgleichen war,
grHsst genauso die Fahne, die von den Kriegern und ihren
Mordwaffen einhergetragen wird. 11 22
32
Schickeles hHurige Bitterkeit, sein Ressen-
timent gegenHber Deutschland und Frankreich k6nnte leicht
missverstanden werden, wenn man sie immer auf das ganze
Volk dieser Linder beziehen wollte. Schickele liebt die
Deutschen und die Franzosen, er widersetzt si ch blos s ~e~n
die politische Kurzsichtigkeit und Intoleranz, die zuwei -
len bei diesen V81ker.n zum Durchbruch kommen. Oft handelt
es sich (besonders was Frankreich anbelangt) um Tatsachen
und Massnahmen die eigentlich nur eine Angelegenheit der
jeweiligen Regierungen sind und somit nicht generalisiert
werden sollen. Hermann Kesten hat Schickeles Einstellung
gegenHber diesen zwei V81kern folgendermassen beschrieben:
11 Schickele, ein poli tisierender Romancier, liebte die Franzosen und die Deutschen auf seine weltbHrgerliche Weise, er liebte ihre eigent~liche Provinz, er malte mit gleicher Liebe und Kunst das Elsass und die Provence, aber mit demselben verliebten Witz auch die HauptstHdte Paris und Berlin. Er empfing von den Deutschen ihre schweifende Sprache und den grotesken Zug ihres Gem~ts und die sonderbar absurden phantastischen Launen. Die Franzosen gaben ibm ihre ordentliche Anmut, ihren bereiten Esprit, ihre bequeme Frivolitit und ihre heitere Vernunft. Er liebte den Frieden, ein Menschenfreund, und bewies es im Krieg und Frieden, sogar scbweigend, wenn das Niedertrlchtige zu laut trommel te. 11 23
Nach dem ersten \veltkriege war Schickeles
Isolierung von Deutschland vom stHndigen Wachstum des Natio
nal-Sozialismus bestimmt. Seine Ansicht über das Nazi -
Deutschland entspricht einer Aussage Albert Einsteins aus
dem Jahre 1933, die Schickele in sein Tagebuch eingetra
gen hat: 11 ••• Er (Einstein) wolle nicht in einem Staate
bleiben, in dem die Individuen nicht gleiches Recht vor
dem Gesetze h~tten sowie keine Freiheit des Wortes und
33
der Lehre zugestanden werde. Er halte den jetzigen Zustand
in Deutschland .fiir eine psychische Erkrankung der Massen.n24 Auf den endgtlltigen Bruch mit Deutschland
folgt die AnnAherung an Frankreich, ein Land in welchem
die individuellen Rechte des BHrgers nicht zur leeren
Phrase geworden waren. zu dieser Haltung Schickeles sagt
Hermann Kesten: 11 Wer versttfnde da nicht den physischen
und geistigen Fluchtversuch des Poeten, den die edelsten
Deutschen gebildet, die rohesten abgestossen haben?" 25
Seine Anlehnung, seine politische Zuge -
hBrigkeit an Frankreich hat Schickele im Essay 11 Le Retour"
( 11 Die Heimkehr") zum Ausdruck gebracht. Es kann als Schicke
les geistiges und politisches Bekenntnia an Frankreich
angesehen werden. Damit soll nicht gesagt werden, dass
Schickele seinen ~bernationalen, Hberpolitisohen Prinzi
pien untreu geworden ist. Seine neue Einstellung ist eher
die Folge einer politisch hoffnungslosen Lage, denn im
Grunde blieb er nur sich selbst, d.h. seinen ursprftngli-..
chen Uberzeugungen tPeu.
34
Schickeles staatspolitische Anschauungen
bewegen sich in konzentrischen Kreisen. Der weiteste Kreis ·
würde in diesem Sinne dem Weltstaat entsprechen, einem
Staat der klassenlosen Gesellsohaft in dem jede demokra
tisohe Freiheit dem Menschen garantiert wird, wo Rassen
Spraohe-und Glaubensunterschiede versohwunden sind. Der
n!chste Kreis wdrde einen alleurop!ischen staat darstel
len, wo das geschiohtlioh-kulturelle Erbe der einzelnen
VBlker erhalten bleibt, wie es der Fall (in Mlniatur) im
Elsass ist, wo auch zwei nationale Kulturen bestehen und
erhalten bleiben.
Die engsten Kreise wdrden dann die Hbri
gen Staaten darstellen, wobei die Machtanstrebung und po
litische Aspirationen als Kriterium gelten würden. Je
grBsser die Machtanstrebungen dieser einzelnen Staaten sind,
um so enger werden die Kreise gezogen, die sie darstellen
sollen.
35
F. SOZIALISMUS NATIONALISMUS KOMMUNISMUS
Schickele betrachtet die politischen Pro -
bleme und Ereignisse nicht als Ideologe oder Theoretiker,
er hat sich einer Ideologie oder Doktri~ niemals ver -
schrieben • Die politischen und ideologischen Probleme
interessieren ihn nur in ihren sozialen Auswirkungen,nur
insofern sie als Vorteil oder Geflhrdung (in der letzte
ren FUnktion treten sie viel h!ufiger auf) fHr das soziale
Leben erscheinen. Schickele war ein konsequenter Kimpfer
fffr die freie Entfaltung des menschlichen Geistes, und
es erschien ibm deshalb unmBglich diesen Geist in die
Schranken irgendeiner, sei es auch der humansten politi
schen Ideologie einzuzwlngen. Dies widerspriche schon dem
Begriffe der geistigen Freiheit an sich. Die politische
und soziologische Problematik wird von Schickele selten
einer theoretisch-fachminnischen Kritik unterworfen. Er
kritisiert vom Standpunkt des gefHhlvollen, intelligenten,
geistreichen Menschen.
Schickele war Sozialist und bekannte sich
als solcher. Seine Zugeh8rigkeit zum Sozialismus ist aber
nicht von der Disziplin eines politischen Dogmatismus be-
36
stimmt, sondern von der humanen Einstellung des Menschen.
Schickele war ~berzeugt, dass ein temperierter Sozialismus,
unter den verschiedenen politischen Str8mungen seiner Zeit,
dem Menschen noch die bek8mmlichste sei,~ und vielleicht die
einzige, die eine relative soziale Gerechtigkeit gewâhr -
leistete. Seine Auffassung Hber den Sozialismus gibt Schicke
le im Essay "Glaube, Hoffnung, Liebe", (aus dem Essay-Buch
11Wir wollen nicht sterben") folgendermassen zum Ausdruck:
"Ich bin Sozialist, aber wenn man mi ch Hberzeugte, dass der
Sozialismus nur mit der bolschewistischen Methode zu ver -
wirklichen sei, so wHrde ich, und nicht nur ich, auf seine
Verwirklichung verzichten. Denn die Erdbewohner hâtten es
nicht verdient, den Tag zu erleben, wo die Menschheit die
geordnete Menschlichkeit wâre und die freiwillige Arbeit:
und das zwanglose Recht ihre nat~rliche Function. Sie wâre
es·nicht wert, weil sie dazu gar nicht fâhig, weil dieser
Zustand, durch Gewalt hergestellt und mit Gewaltmitteln er
halten, die gr8sste Ltige wâre, in der jemals Sklaven gelebt
hitten. n 26
wHhrend des Krieges geh8rte Schickele, mit
anderen Pazifisten zur Gruppe 11 Clarté 11• Die Gr&der dieser
Gruppe (zu welchen auch Schickele angeh8rte) waren ent -
schlossen, sich und ihre geistige Welt gegen den Krieg zu
behaupten. Den Zweck, den diese Gruppe verfolgte, beschreibt
37
Schickele f'olgenderweise: 11 Die Gritnder von 'Clarté' verf'olg
ten ein doppeltes Ziel. Sie wollten Anhânger einar bestimm
ten Weltanschauung sammeln: auf'richtige und t!tige Gllubige
aines geistigen Sozialismus. Der antikapitalistische Cha -
rakter der Gruppe war scharf' betont, ein ~issverst!ndnis
~ber diesen entscheidenden Punkt ausgeschlossen. Jedoch
wurde ebenso absichtlich von einer For.mulierung abgesehn,
die ein ~itglied parteipolitisch gebunden hitte. Zum Grdn-
dungskomi tee geh6rten Pazif'isten, die keineswegs im partei-
politischen Sinne Sozialisten waren." 27
Als jedoch Henri Barbusse, der Ffthrer der
Gruppe, sie spiter dem Bolschewismus auslief'erte, verliess
Schickele und viele andere diese Gruppe.
Ein wahrer, konservativer Instinkt hat
Schickele sowohl vor dem b~rgerlichen Nationalismus, als
auch vor dem Kommunismus gewarnt. Er kennt die Versuchun
gen dieser extremen, f'anatischen Ideologien; Versuchungen,
welchen somancher junge Mensch zùm Opf'er gef'allen ist. Es
ist auch m6glich, dass Schickele selbst, in seiner f'~en
Jugend von ihnen heimgesucht wurde~ ihnen jedoch glHckli
cherweise widerstanden hatte. ln einer, am 28. Juni 1928
~ehaltenen Rede, auf der Tagung der rheinischen Dichter,
warnt er v or die sen Versuchungen, indem er sagt :
11 0h, ich weiss, wie f'aszinierend solche Maximen sein kBnnen, f'aszinierend wie aller Sadismus mit heroischer Gebirde, zumal wenn er in gute Musik gesetzt ist.Auch wir haben mit achtzehn Jahren Nietzsche gelesen und bald darauf seinan weniger profunden, dafdr um so realistischern Sch~ler Georges Sorel, der jenen Katechismus der Gewaltt!tigkeit verf'asst hat: 'Reflexions sur la violence•, den Bolschewiken ebenso teur wie den Faschisten. Und wir alle im Elsass, wir alle hltten mit sechzehn Jahren fdr Napoleon sterben m8gen. Und die wildern von uns auch f'Hr St. Just, f'Hr Robespierre-und auch, mein Gott ja: und auch f'Hr die Charlotte Corday. Dazwischen liegt eine Strecke Lebens und eine weitere, tief'ere Strecke gewaltsamen Todes: · der Krieg. Liegt die siegreiche Revolution da und dort.Liegt auch, dass in meiner Heimat die kleine Trag8die der Gewalt noch einmal anhob ••• Ganz naha haben wir es wieder gesehen, haute noch, dass man ohne Recht nur wdten, nicht leben kann, dass haute das Revolution!rste auf' der Welt nicht die Willkdr aines politischen oder wirtschaf'tlichen oder religi8sen Absoluten ist, sondern dies, die Krone und Seele der Freiheit, dies, die menschlichste aller MYthen: Gerechtigkeit. n 28
38
Schon wœhrend des ersten Weltkrieges
hat Schickele die Gefahren des Kommunismus fdr den geisti
gen, f'reiheit - und p,erecht1gke1tsliebenden EuropHer er -
kannt. Anlisslich der Revolution vom 9. November 1918, die
Schickele als Sieg des Sozialismus und der Demokratie an -
sieht, warnt er vor einar eventuellen MachtHbernahme der
Kommunisten: "Die Revolution des neunten Novem15er war der
Zusammenbruch der Autokratie. Die Autokratie erkllrte sich
selbst fdr abgetan. Sie trat, kampf'los, ab. km selben Tage
39
begann die sozialistisohe Regierung die Dekrete zu erlassen,
die der Demokratie die Tdr Bffnete. Der Demokratie. Der neun-
te November war, in allen Handlungen, eine b~gerliche Revo
lution. Hierauf, Sozialisten, wire es an der Zeit, Ernst zu
machen. Z5gern wir, so versuchen es die Spartakusleute mit
dem Dreinschlagen. Alle wissen, dabei ist viel zu verlie
ren,keiner weiss, was zu gewinnen." 29
Schon im Dezember 1918 sah Sohickele das
Bdndnis einar deutschen und russischen Diktatur voraus,als
er von der M8glichkeit einar Unterjochung Europas durch
den Bolschewismus spricht: "Dies .ftlr den Fall, dass der
Bolschewismus Europa unterjochte und damit die Welt in die
Barbare! stHrzte. Es k8nnte ibm gelingen, wenn Lenin sich
mit Ludendorff verbHndete: der verzweifelte, in seiner
Maohtstellung bedrohte Marxist mit dem verzweifelten Mann
der Revanche, der Soldaten nimm.t, wo er sie bekommt." 30
Obwohl sie oft entgegengesetzte Ziele und
Ideale anstreben, haben Fanatiker, Extremisten aines ge-
meinsam:die auf Gewalttat.und Zerst~rung gerichtete Metho
den der Duroh.ftlhrung. "Und ioh denke an die Worte 11, sagt
Schickele, "die mir, v or drei Monaten, ein preussischer
Junker ins Gesicht schrie: 1Wenn wir geschlagen werden,
gehe ich zu den Bolschewiki und steoke die Welt.an den
vier Enden an•. Worte. Verzweiflung fanatischer Naturen
k5nnte sie wahr machen. Haute, wo ich dies schreibe, be-
40
~inden die Bolschewiki sich in einer solchen Geistesver -
~assung, dass sie alle andern Sozialisten mehr hassen, sie
he~tiger bekfunp~en als die deutschen Mi li tari sten." 3l
Nicht nur als Dichter, sondern auch in seinen
Betrachtungen, die sich ausschliesslich au~ Politik und
Staatswesen beziehen, ist Schickele immer ein Idealist ge
wasen. Sein Erlebnis der sozialistischen Gemeinscha~t ist
ein vision!res Erlebnis; die Struktur und die Lebensbedin
gungen $einer ertriumten menschlichen Gesellscha~t hat uns
der Essayist Schickele als politisches Ideal dargestellt:
"Ich glaube, dass der Sozialismus kommen muss mit einer
grossen, tie~en Flut von Licht, die alle Menschen durch -
dringt, dass er wachsen muss, nach innen und aussen, in
einer Atmosphire, die alle Menschen verwandelt, dass er je
ne v8llige Erneuerung sein wird, von der die Arzte sagen,
dass der K8rper sie in bestimmten Perioden er~ahre, die
v8llige Erneuerung der Menschheit in ihrem ganzen Organis-
mus, ich glaube, dass er die Stationen aller Sch8p~ung und
jedes Lebewesens zur~cklegen wird, vom Keim zur BlHte,vom
Kind zum Mann. 11 32
Die Erneuerung,von Helcher Schickele spricht
ist eine geistige Erneuerung, denn garnichts ~rchtet Schicke
le mehr als die Verb~rgerlichung, Trivialisierung des
menschlichen Geistes und somit der menschlichen Ideale:
41
11 Eine einzige Gef'ahr droht, und ich schiitze sie nicht ge
ring ein. Der Sozialigmus k8nnte sich verb~rgerlichen.
Tut er das nicht, so ivlrd er in einigen Generationen eine
P,eistige HBhe erreicht haben, zu der das Bdrgertum nie
emporgestiegen wlre. Auch daran glaube ich, und damit ist
mein Glaubensbekenntnis beendet." 33
Diese neue idealistische politische Auf' -
f'assung soll auf' dem Wege einar inneren Erkenntnis und
Uberzeugung die Massen ergreifen und nicht als auf'gezwun
gene Pf'licht. Die Methoden der zwangsmiissigen, oder gar
gewalttiitigen Indoktrinierung werden von Schickele als
grundverfehlt und verderblich angesehen. Nur eine frei -
willig akzeptierte Ideologie kann zu gl~eklichen sozia -
len Verhiiltnissen f~ren. Schickele sagt: "Man tf.berzeugt
nicht durch Gewalt. Die Diktatur des Ideals, das ist das
sicherste Mittel zu verh~ten, dass die Idee zu Fleisch
und Blut werde, dass die theoretische Einsicht sich in
a..l{:tives Le ben verwandle, sie ist die Mauer, die Sozialis
ten vor dem sozialistischen Ziel aufrichten. n 34
Die Einstellung Schickeles zum Nationalis-
mus war immer eine negative gewesen. Die militaristische
Machtpolitik des Wilhelminischen Deutschlands hatte schon
Schickeles Reaktion und Emp8rung hervorgerufen. Ein national
·aozialistisches Deutschland wollte er auf deutschem Boden
nicht erleben. Bereits im Jahre 1932 vermietete Schickele
sein Haus in Deutschland und zog nach Frankreich um den
kommenden traurigen Ereignissen, die er mit einem wahran
politischen Instinkt voraussah, zu entgehen. Mit uner -
schHtterter zuversicht glaubte Schickele an den Endsieg
des Geistes und der Gerechtigkeit, obwohl er einsehen
musste, dass dieser Sieg nur durch Gewalt {gegen deren
Anwendung er sein Leben hindurch gek~ft hatte) erk!mpft
werden kBnnte. In seinem letzten Brief an Thomas Mann,
vam l8.Januar 1940, schreibt er:
11 Die \felt teilt sich in zwei Lager, und das ist gut. Sie werden immer deutlicher,immer kr!ftiger hervortreten, und da es nicht mehr zu leben lohnte, wenn der Ungeist siegte, so mag es denn der furchtbare Kampf auf Tod und Leben werden aber alle Begriffe hinaus, die wir uns bisher von derartigen historischen Entscheidungskimpfen zu machen pflegten. Der Kampf wird •extra mures et intra• auszufechten sein. Es ist der Welt-Bdrgerkrieg. Ich will lieber vBllig unterliegen, als nur mit halbem Herzen bei einer Partei zu sein, mit geteilten Gefahlen ihrem Sieg beizuwohnen, zur Feier eine Fahne aufzuziehn, die ~r mein innerstes Empfinden auf der Mast -hilfte steck:en bliebe. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich Konformist und fdhle mich ganz und gar auf der rechten Seite. Ich bin gllubig, wie der grosse Pasteur es zu sein wanschte: mit der Kraft und der -Ausdauer aines bretonischen Bauern. !ch glaube an unser Recht und unsern Sieg. n 35
Schickele blieb seiner politischen Auffassung
43
treu. Er war und bl1eb e1n demokrat1scher Soz1al1st. Aber
vor allem e1n Demokrat, denn der Sozial1smus an den er
glaubte, ffihrte âber die Demokrat1e.
44
IV. DAS DICHTERISCHE WERK
A. EINLEITUNG
Schickele hat sich in allen Dichtungsgat
tungen versucht. Er schrieb Hber hundert Gedichte, drei Dra
men, neun Romane und zwei Roma.nfragmente. Sein dichterisches
Hauptwerk sind seine Romane. Schickele war ein politisie -
render Romancier, und es wllre auch nicht verfehlt zu sagen,
dass er (mit Ausnahm.e der Gedichte und einiger Romane) ein
politisierender Dichter war. Fast jede seiner Dichtungen
(im Besonderen die erzihlerische Dichtung) ist irgendwie
von der politischen Thematik berdhrt. In manchen seiner
Romane oder Dramen erscheint die Politik und Sozialkritik
als Hauptthema, in anderen hat sie eine untergeordnete
Stellung, aber irgendwie ist sie immer gegenwlrtig.
Da es 1m Rahman dieser Arbei t unm.8g·li'ch
sein wird,jede dieser Dichtungen auf ihren politischen In -
halt, oder auf ihre eventuellen politis.chen und sozialkri -
tischen Tendenzen einzugehen, wird es unumgllnglich sein,
einige dieser Dichtungen, die in diesem Sinne eine paradig
matische Bedeutung haben, nllher zu betrachten.
Zwei Werke zeichnen sich in dieser Hinsicht
aus, da sie als Exponate seines politischen Denkens, seiner
45
Anschauungen ftber daa soziale Laban, Sittlichkeit, Moral, Re
ligion, Geschichte und Tradition gelten k8nnen. Diese Werke
sind:
l) Das Drama "Hans 1m Schnakenloch 11
2) Die Roman-Trilogie 11Das Erbe am Rhein"
, Die ganze Vielfalt des politischen Denkens Rene
Schickeles ist in diesen zwei Dichtungen konzentriert. In den
~brigen Dichtungen finden wir entweder die Wiederaufnahme der
selben T.hematik, oder die Auslegung mancher Gedanken, die als
Nebenerscheinungen in der Konstruktion dieser Werke auftreten,
aber schon in den angefdhrten Hauptwerken vorhanden sind.
B. HANS IM SCHNAKENLOCH
Das nrama "Hans 1m Schnakenloch" ist ein Schau -
spiel in vier Akten. Es wurde 1m Monat Oktober des Jahres 1914
in der Zeitspanne von acht Tagen geschrieben und erschien 1m
Januarheft der "Weissen Bliltter" im Jahre 1916. Nach der Frank-
furter Urauf~rung, wurde das Schauspiel in Berlin, unter
Direktor Dr. Altmann in einar vom Dichter selbst bezeichneten
"idealen Bithnenfassung" aufge:rilhrt. Über d.iese Auf:f'uhrung
schreibt Schickele in einar Vorrede aus dem Jahre 1927 folgen -
des:
"Direktor Altmahn hatte stllndig gegen die Zensur zu klhnpfen, die alle paar Tage anrflckte und neue Striche vornabm. Dabei lag die sache so, dass die Berliner Zensur das Stdck mit ihren Strichen schHtzte.Schliesslich wurde es aber auf Befehl der Obersten Heeresleitung doch verboten. Nach neunundneunzig Auff~ungen musste es abgesetzt werden, vielleicht weil es in eine Epidemie auszuarten drohte. Vielleicht aber auch nur, weil es inzwischen in Wien verboten worden war.
46
Mit einem Schlag verschwand der "Hans" von allen deutschen Spielplllnen. In Gottes NamenJ Nun konnte man ibm nicht mehr nachsagen, er trage dazu bei, den nationalen Widerstand zu schwlchen. Aber auch diese Massnabme konnte die Niederlage nicht verhindern. Vielleicht war das Verbot zu sp!t gekammen. Von der bald darauf ausgebrochenen Revolution gedachte Direktor Altmann wenigstens insofern zu profi tieren, als er seine bew!hrte "Hans im Schnakenloch"-Platte wieder auflegte. Und da geschah etwas Uberraschendes. Der Rote Soldaten-rat befahl die sofortige Absetzung des Stdckes, weil-weil es 1 geeignet sei, das Empfinden der von der Weatfront hetmkehrenden Ksmeraden zu verletzen'. n 1
Wie ungelegen dieses Schauspiel den Kriegs~enden
aller Parteien und Nationen erschien, beweist die Tatsache,
dass es von der franz5sischen Kriegskritik als bestellte Arbeit
der deutschen Propaganda angesehen wurde; nicht nur von der
deutschen und 5sterreichischen Kriegszensur, sondern auch vaœ
kammunistischen Soldatenrat, verboten wurde.
Wlhrend des Krieges wurde das Schauspiel mit durch
schlagendem Erfqlg 1m Berner Stadttheater zur Aufrührung ge
bracht. Der gesamte diplomatische Korps wohnte der Aufffihrung
bei und zum Schluss schlug die Begeisterung des PUblikums in
eine Haltung um, die als eine Art Ovation angesehen werden
47
konnte.
" 'Hans im Schnakenloch' ist in allerletzter
Linie ein Kriegsst~ck, in erster ein EhedrEma in einer be
sonderen 4andschaf'tn 2, schreibt Schickele in derselben
Vorrede von 1927. Warum Schickele diese Aussage gemacht
hat ist unerkl!rlich, denn er hat sie weder begrftndet noch
ausgeffthrt; dem auf:merkssmen Leser wird dieses Schauspiel
bestirrmlt nicht erst "in allerletzter Linie n als Kriegss~ck
erscheinen, da die Kriegs- oder vielleicht eher die Anti
Kriegsthematik, genau so stark oder wenigstens so stark
vertreten erscheint, als die Thematik des Ehedrsmas. Hans
Boulanger, der Held des Dramas, verllsst Frau und Kinder.
gegen das Ende des st~ckes, was als dramatischer HBhepunkt
dieses Scha~spiels anzusehen ist, nicht nur weil er wegen
eines inne:ren Dranges nidht anders he.ndeln kann, odè'r Frau ·
Cav:rel seiner Eh.ef'rau vorzieht, was "librigens auch nieht
ganz eindeutig aus dem Text ersichtlich ist, sonde rn weil
er aur der Seite der Schwlcheren {der Franzosen) kimpfen
will. Ausserdem hat er einem f'ranz8sischen Of'f'izier sein
Wort gegeben auf der Seite Frankreichs zu klmpf'en. Dieses
Versprechen gab er um das Leben seines Bruders, Balthasar,
der von demselben f'ranz8sischen Of'f'izier verf'olgt und wahr
seheinlieh-get8tet worden w!re, zu retten.
Also ist die Handlung vorwiegend dureh die
Kriegsereignisse, und nicht durch die Beziehungen der Ehe-
48
gatten besttmmt.
· Die beate Charak:terisierung des Helden
bringt die Wei se vom "Hans im Schnak:enloch", die mit Text
und Melodie versehen, gleich am Anfang des Schauspiels er
scheint und nachher noch zwetmal tm Stficke vorkammt und
somit die Bedeutung eines Leitmotivs anntmmt. Sie hat fol
genden Inhalt:
"Der Hans tm Schnak:enloch hat alles, was er will, und was er will, das hat er nicht ••• und was er bat, das will er nieht, der Hans im Sehnakenloch hat alles, was er will fi.
Das eigentliche wesen des. Helden ist in
diesem Lied wiedergegeben. Er ist ein Menseh von regem
Geist und Witz, intelligent und gebildet, aber vor allem
ein Mensch von schnellen Entschlfissen und einem spontanen,
ungesttimen Charakter. Eine stete Ruhelosigkeit beherrseht
ibn, die in ibm auch den Drang zum Abenteuerlichen weckt.
Er hilt Schritt mit den Neuerungen seiner Zeit und ist
ein Protagonist des Fortsehrittes, besonders 1m Bereiche
seines Sondergebietes, der Landwirtschaft. Sein Hang zur
Grosszfigigkeit ist nicht kleiner als der zum Leichtsinn.
Seine Treulosigkeit im Eheleben ist fast notorisch und
trotzdem empfindet er aufrichtige Liebe zu seiner Frau.
Diese offensichtliche Gegensltzlichkeit der Charakter-
-····--·--···---
49
.. kamponenten sind t~pisch fdr Schickeles Helden. Abnlicbe
Charakterztige wird auch der Held der Roman-Trilogie "Da.s
Erbe am Rhein", Claus Breuscbheim, haben, bloss, da.ss wir
bei ibm schon eine Abrundung, eine Ausgleichung des Cha
rakterbildes wahrnehmen,was wa.hrscheinlich der fortschrei
tenden Emanzipation des Dichters vam express1onist1schen
Stil auszulegen ist.
Bereits im. zweiten Aut'tritt erfahren wir
von der Mutter des Helden, Madame Boulanger, Hber den Skan
dal den ihr Solm im Hause herforgerufen, al.s er in den
Ferien, aus England eine Geliebte mitbrachte und darum
mit seinem Vater in Streit kam. Mutter Boulanger kermt diese
Temperamentsausbrfiche, weiss aber auch, dass: man sie niaht
zu ernst nehm.en soll, denn: 11d1e Boulangers haben das Feuer
nah am strohdach. Sieht aber !f.rger aus, als es ist 11 •••• 3
Ort der Handlung des Schauspiels ist das
Familiengut Sclmakenloch, mit Ausnahme einiger Aut'tri tte 1m
zweiten Akt, die auf dem Gut der Grlrin Sulz, in der Nlhe
von Strassburg, stattfinden. Zeit der Handlung ist das
~ahrund der Sommer des Jahres 1914.
Hans wird von seiner Frau trotz seiner
fast notorischen Treulosigkeit geliebt und verspricht ihr
auf dem Sahloss zu bleiben. Als er aber erfibrt, dass seine
50
Freunde, der Abbe Schmitt, der Leutnant Starkf'uss und der
Oberlehrer Dimpfel zur Grlfin Sulz zu einem Nachtfest fahren,
kann er rier Verlockung nicht widerstehen und flhrt mit den
Freunden mit. Bereits 1m ersten Akt finden wir in manchen
Szenen Bemerkungen, die auf eine kommende, durch einen Krieg
hervorgerufene Weltkatastrophe hinweisen. Disse Beziehungen
werden dem Leser meistens mit Hum.or oder sprtihendem, ham
los erscheinendem Witz angedeutet, aber auch der Ernst und
Schrecken aber die M8glichkeit eines Weltunglacks lassen
sioh nicht verkennen. Sa h8ren wir den Leutnant der Garnison
Strassburg, den sein Soldatenblut zu den deutschen Kolonien
nach Afrika zieht, folgendes zu seinen Freunden sagen:
"Ihr habt gut re den. Ihr habt nicht nur einen Beru.f, ihr tibt
ihn auch aus. Was wara.et ihr sagen, wenn, nach ewigen Vorbe
reitungen: du nie eine Messe lesen, du nie auf deiner Ml!h
maschine sitzen, du nie einem ar.men Jungen die unregelmlssi
gen Ver ben einblluen dtirftest? Ich hab' Kriegmachen gelernt
und vertr8dle. die besten Jahre damit, Rekruten zu drillen. 11 4 "' i ,,, 4
Es spricht da ein Mensch, der im Kriegftihren
die Erftillung seiner Pflioht erblickt, ganz fm Gegensatz zu
Hans, der seine Pflicht in der Verwaltung seines Gutes und
in der Verhtitung des Krieges sieht. Er lebt in der guten
zuversicht, dass es sich um har.mloses politisches Spiel
handelt, er. traut der Menschheit mehr Vernunft zu und glaubt
nicht, dass aus dem scheinbaren·spiel schrecklicher Ernst
51
werden kBnnte. zu Starkf'uss sagt er: "Wir machen alle nicht
Ernst. Der bereitet die Mensche auf' den Himmel, der auf' das
Examen, und du berei test sie auf' den Krieg vor. u Auf' die
· Frage: "Und was machst du?" antwortet Hans: "Ich sorge da:N!r,
dass ihr zu essen kriegt und hof'f'e, dass ihr mir datar nicht
die Scheune anztindet und die Felder zertrampelt. Der Krieg
und der Bauer, die vertragen sich nicht." 5
Der scheinbar harmlose Streit, der zwischen
Hans, Starkf'uss, dem Priester und dem Oberlehrer entstanden
ist, hat einèn viel ernsteren Hintergrund,als man es beim
ersten Lesen dieser Szene ver.muten wdrde. (dreizehnte Szene
des ersten Aktes). Die Figuren, die an dieser Szene teil -
nehmen, wurden vom Dichter sorgf'lltig und mit besonderer
Absicht gewlhlt, denn sie reprlsentieren die wichtigsten
Beruf'e der Gesellschaf't: den fortschrittlichen Grossgrund
besitzer, der :N!r die Er.nlhrung dea Volkes sorgt, in vollem
Bewusstsein der Tragweite seines Beruf'es, den Priester, der
um die moralische Einstellung des Menschen, seine Gewissen
haf'tigkeit bedacht ist, den Oberlehrer, der far die Erziehung
der jungen Generation verantwortlich ist, und den Leutnant,
den aktiven Soldaten, welcher im Kriegsfilliren seine beruf'-
liche Er:N!llung f'indet. Diese Gestalten nebmen somit eine
symbolische Bedeutung an, und die Worte des Oberlehrers
52
gegen das Ende des Auftrittes erscheinen als Synthese eines
massenpsychologischen Zustandes, in welchem die Kriegspsy
chose immer weiter um sich greift: "Die Jungens mtf.ssen
Soldaten spielen. Der eine scbwingt den S!bel, der andere
den Weihwedel und der dritte den Arbeitsvertrag, und alle
stampfen mit den Fdssen und schreien:' Kiegt KriegJ ' zu
gleich bestreitet jeder dem andern das Recht, mit seiner
Waffe zu klhnpfen. n Auf die Einwendung des Leutnants
Starkfuss: nwenn aber Ernst gemacht wird -", antwortet
Hans: " .••• scheint es nur im ersten Augenblick, als ob ihr
die St!rkeren wiret. In Wirklichkeit behaltet ihr nie das
letzte Wort. " 6
Zweierlei ist durch diese Aussage zu ver-stehen:
1) Dass niemals ein Krieg nur durch Waffen ent-
schieden wird, sondern dass auch andere, wichtigere Faktoren,
mitwirken.
2) Dass ein Krieg durch den Sieg der Waff~n nie
mals entgdltig beendet wird, sondern dass h5here Einsichten
erforderlich sind, um den Krieg entgtf.ltig zu Ende zu bringen.
Im zweiten Aufzug, der sich auf dem Schloss
der GrAtin Sulz abspielt, wohnen wir einem Nachtfest bei.
Hans Boulanger wirbt um die Liebe Louises, der Frau des
franz5sischen Abgeordneten Cavrel. Seine Liebe wird erwiedert.
53
Rans wird seiner Frau untreu, obwohl er sie liebt. Der Grund
dieser Untreue liegt in seiner Neigung zum Liebesabenteuer
und vielleicht auch darin, dass ihn Louise mehr anzieht, dass
beide einigermassen artverwandt sind, wlhrend die Charakter
eigenschaften von Hans und Klâr verschieden sind.
Im zweiten Auftritt dieses Aufzuges wohnen wir
einar Unterhaltung zwischen Hans Boulanger, Cavrel, der Grâfin
Sulz, dem Mlnister Maxime-Simon und einem alten franz8sischen
C~neral bei. Die Frage der politischen Zugeh8rigkeit des Lan
des Elsass wird hier er8rtert. zuerst bekommen wir eine Be-
schreibung der wirtschaftlichen Lage des Landes, die ein Licht
auf die Vorkriegszeit wirft und uns ein, wenn auch beschr!inktes,
so doch eindrucksvolles Bild des Wohlstandes des Landes
Elsass gibt. "Wir stecken alle bis an den Hals in Wohlleben",
sagt Hans, "Wir sind das konfortable Wirtshaus an der V81ker
strasse, die von Italien zum Nordm.eer f'i:ihrt".. • • • • • Eine
,,eststellung, typisch :rtlr Schickele, der im Krieg immer diè
Bedrohung sowohl der geistigen, als auch der 8konœn.ischen
KrM.:fte der Menschheit erblickt. Auf die Bem.erkung des Gene
rale, dass Elsass das glorreichste Schlachtfeld der Welt
sei, antwortet Hans: "Hof1'entlich nie wieder. Die die ses
Schlachtfeld bewohnen, denken anders dardber". 7
Der General erscheint als Protagonist des Krieges
von franz8sischer Seita, ain, wenn auch nicht so radikal
eingestellter, "Glaubensgenosse" des Leutnants Starkfuss,
bloss der Gegenpartei angehBrend.
Hans Boulanger ist der Typus des wahran el -
sissischen Intellektuellen: lebensfreudig, sympathisch,
54
rfir fortschrittliche Anschauungen empfinglich, aber stets
darum bedacht, das Kulturerbe des Elsissers zu bewahren
und jedem Versuch der nationalen und politischen Assimi
lierung seines Landes mutig entgegenzutreten. Obwohl mit
vielen Charakterschwlcban belastet, hat er einen ausge -
sprochenen Hang und Sinn fdr Grossherzigkeit und Gerechtig
keit. Er erkennt auch, dass ain eventueller Krieg 1n erster
Haihe den Elslssern Verderben und Uhgl~ck bringen ~rda,
dann Elsass ~de zum Kriegsschauplatz werden und als
historisch bekanntes streitgebiet, durch die Kriegser -
eignisse am meisten zu leidan haben. Auf die patriotische
Werbung des franz8sischen Ganerals : "Die wahran ElsHs-
ser wissen, daas sie ihre Zukun1't zu suchen haben, wo ihre
Vergangenheit war (zeigt nach dam wasten): dort. Wir
warden ibnen helfen, wenn die Stunda schlilgt ", hat Hans
nur eine Antwort: "Dann bin ich kain wab.rer Elslssar." 8
Die politische Anhinglichkeit an Frankreich
basteht ~ Schickele, den Publizisten, wie er as wieder
holt in seinen Essays zum Jusdruck gebracht hat, wie auch
55
f~r seinen Prtotagonisten, Hans Boulanger. Sie (diese An -
hl:f.nglichkeit) 11 Ist dumm - unverzeihlicb dumm. 11 , sagt Hans
zum Genral, ttaber sie besteht. Seien sie zuf'rieden, dass
wir sie Ihnen umsonst geben. Denn Sie, Sie holen uns nie
zurfick. n 9
Es handelt sich um die politische Anhinglich
keit an ein demokratiscbes, liberales Frankreich, in wel
chem der Elsâsser sein kulturgeschichtliches Erbe, seine
Spracbe und seine Traditionen bewahren kann.
Das politiàcbe Bekenntpis zu Frankreicb geht
Hand in Hand mit der Aversion gegen den Franzosen, der im
Elsass, ausschliesslich ein st~ck Frankreich sieht und
keinen Sinn fdr die politische Sonderstellung dieses Lan-
des hat.
Auf' die Andeutung cavrels, dass Frankreich
fdr Elsass - Lothringen jeden Preis bezahlen, ja sogar
eine volle Autonomie des Landes gewBhren wtlrde, um es nur
in den Bereich des franz6siscben politischen Einflusses
zu bringen, erwidert Hans:
"Deutschland Elsass - Lothringen umtauschen? Nie. Sie mdssten es scbon zurfickerobern. Kommt aber dieser K:rieg, was Gott verhfiten mBge, so erleben Sie eine Katastropbe, mit der vergli·chen Sedan eine ungldckliche Man6vertlbung war. Glauben sie mir doch, bitte, ich kenne Deutscblalid, und icb kanne Frankreich: dieses ganze Volk von hier bis
an die russische Grenze, Kopf an Kopf, Hand in Hand, ist eine einzige Kriegsm.aschine, die nur mit einem Hebeldruek in Gang gesetzt zu werden braucht. Sie ist fertig, nieht ein Schriubchen, das da fehlte, vollkammen bemannt und jeden Augenblick bereit, die Arbeit zu beginnen." 10
56
Die Uberzeugung, dass Deutschland als Militir -
maeht hBehsten Ranges in einem kommenden Krieg siegreieh
bleiben wird, wird sp!ter rdr die Entseheidung des Helden,
auf der Seita der Franzosen, der Sehwieheren, der Hilfsbe
d~rftigen zu kimpfen, von grundlegender Bedeutung sein.
Der franzBsisehe General ist eine der licher -
lichsten Figuren des Stdckes. Lleherlieh wirkt er vor allem
wegen seiner patriotischen Aufgeblasenheit, wie ~rigens
die maisten Figuren Sehiekeles behandelt werden, die Ibn -
liche Bestrebungen aufWeisen. Als Oberlehrer Dimpfel Hans
fragt, was der General in seiner patriotischen Rade seinen
ZuhBrer.n mitzuteilen hatte, antwortet Hans, der diese Rede
nieht einmal gehBrt hat, aber die Mentalitlt des Generals
aufs genaueste kennt, folgendes: "Ich weiss es auswendig.
'Soldaten des Elsass~ Als Giste der grossm~tigen Grlfin
und heldenhaften Elslsserin, die Sie gut kennen, haben wir
die Ehre gehabt, euch wackere SBhne dieses heiligen Bodens• •••
Nihmlieh, die Mutter der Grifin war eine Osterreieherin
und ihr Grossvater ein Engllnder, und die kriegerisehe
Gesinnung der Fwnilie rHhrt daher, dass sie vom Bdrger -
57
k8nig Louis-Philippe, der bekanntlich statt eines Degens
einen Regenschirm trug, in den Adelsstand erhoben wurde." 11
Dn dritten Aufzug wohnen wir dem Kriegsaus -
bruch bei. Hans Boulanger kann die neue schreckliche Tat
saohe des Kriegszustandes nicht fassen. Wie weit jedoch
die Kriegspsychose sohon fortgesohritten ist und weloh
pervertierte Vorstellung die meisten vam Krieg haben, geht
aus der Antwort des Oberlehrers Dimpfel hervor, aJ.s er von
Hans gefragt wird, warum der Krieg eigentlich begonnen hat:
nJa, weswegen - habe ich haute morgen auch gefragt, als ain
Junge, der Sohn aines Majors, den Finger hob und sagte:
1 Herr Doktor, morgan geht der Spektakel los.• Warum, habe
ioh gefragt. 'Damit es endlich einmal Ruhe gibt•, hat er
gesagt. Jetzt weisst du•s. - Liest du denn keine Zeitun
gen?" 12
Leutnant starkfuss, der "geborene Soldat" ver
nimmt den 11Ruf der Stunde 11 und tfihlt sich ganz in seinem
Element. In kurzen, sentenzartigen Aussprf:l.ohen gibt er sei
nan patriotisohen Gerdhlen freien Lauf: "Was heute ein rach
ter Deutscher ist, den reisst es mit einem Ruck hooh. Der
fragt nicht lange, wieso ~d warwn. Ihm genHgt zu wissen:
es gilt ftlr uns, in der Welt ein Sttlck weiter zu kommen.
Wir mtlssen unseren Weg machen, friedlich ging es nicht, '
also denn mit GewaJ.t. n Auf die Frage von Hans Boulanger:
58
·"Uns h!iltst du also nicht ftir rechte neutsche?" gibt teut
nant Stark.f'u.ss folgende Antwort: 11 •••• Alle jungen Bauern,
die wir gedrillt haben, ja. Dich und die meisten andern
sogenannten FmniliensBhne nicht. Balthasar ist eine Aus-
nahm.e. 11 13
Als guter Deutscher wird also von starkfuss
nur der angesehen, welcher mit Waffengewalt die Interessen
des deutschen Volkes zu vertreten weiss.
Auch Balthasar, Hansens Bruder, und sein st!in-
diger Widersacher in Familienangelegenheiten, der auch
preussischer Leutnant ist, begrdsst die herangekommene Zeit
· als eine Art von Befreiung. "Ich mBchte am. liebsten mit
gehobenen H!inden laufen und HU.rra rufen", sagt er. Hans
weiss aber1welcher Beschaffenheit dieses Gerdhl der Be
freiung ist. Es ist die Befreiung der gef!hrlichen, dunk-
len Krlifte des Menschen, darum. lautet seine skeptische
Frage: "Befreiung •••• Nicht auch etwas wie - Rache?"
"Vielleicht auch das", antwortet Balthasar. 14
All die verborgenen, zerstBrenden Krifte und
Instinkte des Kriegsenthusiasten, der somit zum. Exponaten
eines falschen Heroismus wird, 'tverden vom Dichter aufs
minuti5seste analysiert, wobei jedoch der Kriegsenthusiast
nicht zur typischen Figur im vollsten Sinne des Wortes
wird. Jeder der Helden Schickeles geht zuweilen einen
59
inneren Kœmpf durch. Auch der Kriegsenthusiast erscheint
nicht als ein ganz willenloses Instrument einer extremis
tischen Weltanschauung, der er blind gehorcht und die in
seiner Denkart einen anti thetischen Gedanken nicht zulilsst.
Balthasar gibt zu, dass ausser Begeisterung und dem Verlan
gan nach innerer Befreiung auch das Gerdhl des Hasses in
seiner Seele Platz gerunden hat.Leutnant Starkfuss, der ge
borene Krieger, hat doch Vers~lndnis rdr die antikriegeri -
ache Einstellung seines Freundes Hans Boulanger und ist sich
der verhehr~nden Folgen des Krieges vollkammen bewusst,
als er von Hans Abschied nimmt: "Hans, wenn ich dir sage:
von jetzt bis zum Ende dieses Krieges, der wahrscheinlich
das furchtbarste Wagnis ist, das je ein Volk aur sich ge
nommen hat, kennen wir einander nicht mehr, so kdndige ich
dir nicht die Freundschaft, sondern spreche nur aus, was
du aicher auch schon gerdhlt hast. Wir stebn einander im
Weg. Der Gang heute zu dir fiel mir so schwer wie noch
keiner. Trotzdem musste ioh her, um - ja, du wirst laohen,
ich daohte, ioh konnte dir irgendwie ~ber die erste Stunde
h lf n 15 weg e en •••
Diese Figuren (Starkfuss und Balthasar) sind
also keine einfache Kriegsmarionetten, Lente, die blindlings
ihrem Krie·gsenthusiasmus nachgehen und eine ganz kompromiss
lose Einstellung vertreten. Ein bestimmter innerer Konflikt
60
geht in ihnen vor, so dass sie auch Verstlndnis ~r eine
Gesinnung, die ihrer eigenen entgegengesetzt ist, haben.
Die Begeisterung ~r den Krieg bleibt jedoch in diesem
Konflikt siegreich. Eine vollkammen kampromisslose und
weltanschaulich-einseitige EinsœQlung dieser F1guren ~r
de sie zu einfachen Kriegshanùwerkern degradieren und
somit uninteressant erscheinen lassen.
Auch im franz8sischen Volk gil:t es vie le, die
den Krieg begrdssen und ihre Begeisterung fdr die neue
Situation kundgeben, eine Tatsache, die Hans zu folgen -
der Ausserung veranllsst: " ••• Die se Zebranation - deren
eine Hâlfte als gute WeltbHrger an der Spitze der Mensch
heit marschieren will, indes die andere noah immer bei 16 Napoleon I. hllt. n
Der vierte Aufzug findet auch auf dem Familien
gut Schnakenloch statt. Die Kriegsgeschebnisse sind nun
in vollem Gange. Das Schloss der Famille Boulanger trlgt
schon Spuren de.r Bombardlerung und wird abwechselnd von
Franzosen und Deutschen besetzt, die nach Belieben hausen.
Elne depr~mierte Simmung herrscht ftberall. In einer deu
tschen Abteilung, die auf ihrem Durcbmarsch das Schloss
vorübergehend besetzt, befindet sich Balthasar. Er liebt
seine Schwlgerin Kllr (Hansens Frau) und sucht sie zu
dberzeugen, dass Hans ihre Liebe und Treue nicht verdient.
61
Kllr bleibt jedoch ihrem Gatten treu und teilt, obwohl sie
Deutsche ist, auch seine politischen Ansichten. Auf ihre
Behauptung, dass die Deutschen, durch die Kriegsereignisse
ihre kulturelle Mission vernachllssigen, antwortet Baltha
sar: "Mit \vitzen macht man keine Weltgeschichte. unsere
grossen Mlnner geh8ren geradesogut den Engllndern, wie sie
uns die ihrigen nicht vorenthalten kl:Snnen. Aber ihre Kolo
nien, die behalten sie fdr sich allain, und die F.ranzosen
bezahlen fdr den ganzen Goethe nioht mehr als den Laden
preis. Geschwltz \ Zugegeben, die F.ranzosen und die Engllin
der seien kultiviertere Vl:Slker als die Deutschen, so hat
ihre Kul tur sie doch nicht gehindert, Kriege zu fdhren,
wenn sie sich Vorteile davon versprachen.l-Ticht wahr?" 17
Das obange~rte Zitat (aines von vielen die
man ~ren kl:Snnte) zeugt von der BemHhung Schickeles in
Polemiken, die einen politischen oder kulturwissensehaft
lichen Inhalt haben, eine m8glichst objektive Einstellung
zu bewahren. Als eine von Grund aus subjektiv eigestellte
Pers8nlichkeit (welcher Dichter ist es nicht?) ist Sohicke
le immer bemfiht in der Beurteilung geschichtlicher und
zeitgen6ssisoher Geschebnisse eine m8glichst objektive,
den Tatsachen entsprechende Haltung einzunehmen. Sogar
wenn er .ftl.r eine bestimmte Partei Stellung ninm:tt und seine
pers8nlichen Sympathien nicht verhehlt, werden doch alle
62
~r~umente pro und contra in Erwlgung gezogen, um dem Leser
ein getreues Bild der geschichtlichen oder zeitgen8ssi -
achen Wirklichkeit zu geben. Eine rabrende Anerkennung
dieser Bestrebungen finden wir im Brief, den Kasimir
Edschmid an Schickele im Jahre 1917 scgrieb, nachdem er
der Erstaufrdhrung des Schauspiels, am 16. Dezember 1916
beigewohil.t hatte. Edschmid schreibt: "Sie haben, da.ftf.r
weiss ich Ihnen Dank, umgangen, was hitte tendenzi8s sich
wenden k8nnen, Sie haben klug und bewundernd und nicht
ohne Liebe .ftlr Deùtschland weise gesprochen, und Sie haben
Liebe gezeigt .ftf.r jenes Frankreich, das in der eigentlichen
Tiefe seiner Seele sch8n ist. Sie haben auf der Bfihne zuerst
jene Er8rterung mit dem Kriege begonnen; die nach ibm in
schweren TendenzstHcken anklagend die Stimme gegen diesen 18 Ja:mmer .Europas erheben wird ••• "
Nach dem Dialog zwischen Klir und Balthasar,
der ihr Hansens Absicht, das Schloss zu verlassen, mitteilt,
erscheint ein franz8sischer Offizier, der Balthasar ver-
folgen will. Hans rettet seinen Bruder, indem er dem Offi-
zier verspricht, in das franz8sische Heer einzutreten. Den
Entschluss auf der Seite Frankreichs in den Krieg zu zie -
hen hat jedoch Hans schon frfiher gefasst. Er kann nu~ auf
der Seite des Schwlcheren klmpfen, und nur darum weil der
Schwlchere hilfsbedHrftig ist. Klir missversteht seine
63
Absicht. Sie hat kein Verstlndnis fdr sein Vorgehen. Die
Tatsache, dass Deutschland die militlrisch stlrkere Macht
ist, recht:f'ertigt seine Entscheidung in ihren Augan nicht.
:Elnpart iiber seinen Entschluss, sagt sie ibm: "Du schwltzt,
wie du immer geschwitzt hast - und wenn du dich endlich zu
einar Tat aui'rai':f'st, so llui'st du zu denen, die untergehen.
Du :rtf.rchtest dich vor den Starken. n 19
K.lir hat mit ihrer Behauptung recht gehabt.
Hans tdrchtet die starken, weil sie 1m vollen Bewusstsein
ihrer Stlrke, weder Mitgerdhl nooh Verstlndnis :f'dr die
Schwachen aui'bringen k8nnen. Diese FUrcht ist aber nicht
als Feigheit auszulegen, 1m Gegenteil, sie zeugt vam per
s8nlichen Mut des Helden, der die Reihen des Schwicheren
au:rsuoht und somit in den sicheren Tod gehen wird. Mit -
wirkend in dieser Entscheidung ist auch die Zuneigung des
Helden i'dr Frau Cavrel, deren Mann in der Zwisohe~eit
gestorben ist. Kasimir Edschmid hat die Endsituation :f'ol
gendermassen beschrieben: "Er will sich entscheiden. Seine
Frau ist eine neutsche. Dennoch verlisst er sie um jane
:f'ranz8sische Frau, die ibm so wenig Erfilllung bedeutet
wie Frankreich, es ist eine grosse Laune seines stiir.mi -
achen Herzens, es ist die spielerische Liebe zum Rama -
nischen in seinem Blut, es ist die tolle Kaprice seines
Temperamentes, es ist ein Kreislaui', er kehrt zu seiner
Frau zurdck, die ibn auslacht. So sind die Menschen im
Schnakenloch. 11 20
64
Wie viele Dramen dieser Epoche ist auch
Schickeles Schauspiel, "Hans im Schnakenlochr', ein Drama
das gegen den Krieg gerichtet ist. Es ist nicht ein Drama
das den Defaitismus propagiert, das aber die Sinnlosig -
keit des Krieges dem Leser vor Augen hllt. zugleich ist
es ein Ehedrama und das Drama des elslssischen Volkes
und der elsissischen Famille, denn es veranschaulicht die
durch den Krieg hervorgerufene innere Zerissenheit dieser
Famille, in welcher ein Bruder als deutscher Offizier,
der andere 1m franz8sischen Heer klmpft und sich dadurch
entfremden. Wir sehen wie der Krieg das mfthevoll erwor -
bene Gut eines friedlichen und friedenliebenden Volkes
zerst8rt, denn die Kriegsstifter sind nicht Elsisser, es
sind Deutsche und. Franzosen.
Obwoh1 das Drama 1m Geiste aines lokalen Pa
triotismus geschrieben wurde, ist es von einem Gerdhl der
echten Menschlichkeit durchzogen. Auch diese Tatsache hat
Kasimir Edschmid mit vortrefflicher Richtigkeit zum Aus -
druck gebracht: "Man wir.d ·Ib.nen, verhehlen sie sich das
nicht, sagan, und man wird es, Sie wissen auch dies, nicht
ohne Berechtigung sagen, dies seien kleine Sentiments in
diesem ungeheueren Leid. Aber Sie haben dies Leid menschlich,
Sie haben das Laid Hberirdisch gegeben, und darum bleibt Ihr
Sttick eine s.Ch8ne Tat, •••• 11 21
65
C. DIE ROMAN-TRILOGIE rrDAS ERBE A.M RHEIN 11
Das dichterische Werk, welches Schickeles poli -
tisches Denken in seiner weitesten Entfaltung wiederspie -
gelt, ist die Roman-Trilogie "Das Erbe am Rhein". Die ses
Werk wurde nach dem UMzug der Familie Schickele nach Baden
weiler im Schwarzwald (1922) geschrieben. Mit diesem umzug
beginnt die produktivste Zeit im Leben Schickeles. Es ent -
standen hier: die Trilogie "Das Erbe am Rhein", der Roman
"Symphonie :Nir Jazz 11, Hunderte von Artikeln, Re den und V or
trige. Die Zeit zwischen 1922 und 1932 ist auch als die
gl~cklichste im Leben Schickeles anzusehen. Er unternimmt
oft Ausfl~ge und Vortragsreisen. Sein dichterisches Talent
und seine dichterische Entfaltung erreichen nun ihren H6he
punkt. Proeminente Vertreter der geistigen Welt wie Thomas
Mann, Heinrich Mann, Kasimir Edschmid u. a. besuehen ibn
oft.
In dieser Atmosph!re der geistigen Produktivi
tiit entstand die Roman-Trilogie "Das Erbe am Rhein". Der
er ste Roman der Trilogie, 11Maria Capponi 11, ers chien im Ver
lag Kurt Wolff, in Mdnchen, im Jahre 1926; der zweite,
"Blick auf die Vogesen 11, in demselben Verlag, im Jahre 1927;
66
der dritte, "Der Wol.f in der Htirde", im s. Fischer Verlag,
in Berlin, im Jahre 1931.
1. MARIA CAPPONI
"Maria Capponi rr ist der Roman einer Jugend -
liebe. Die politische Thematik ist in diesem Roman nicht
von so grundlegender Bedeutung wie in den zwei .folgenden
Romanen der Trilogie. Das Milieu dieses Romans ist, wenn
man es mit einem gemeinsamen geschichtlioh-geographischen
Begri.f.f bezeichnen darf, ( denn im engeren Sinne ist es
Nord - Italien und Stid - West - Deutschland) das sorglose
Europa am Anf'ang des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Erweiterung des geographisch begrenzten
Gebietes in welchem sich die Handlung des Romans abspielt,
erscheint dadurch recht.fertigt, dass die im Roman vor -
kommenden Figuren den verschiedensten Lindern Europas
(England, Deutschland, Italien, Schweden, Russland) an-
gehBren und durch ihre Lebenseinstellung, ihre Anschauungen,
ihre Charakteranlagen, zur Erweiterung des Milieu-Begriffes
beitragen. Die witzigen, o.ft bis zum Zynismus getriebe -
nen Bemerkungen des geistreichen Lord Berrick, die un -
gewBhnliche Ersoheinung des niemals ntichternen schwedi-
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schen Malers Kaspar, der p18tzliche Tod des imposanten rus
sischen Admirals, der sein gsnzes Verm8gen verspielt und
Selbstmord begeht, die leidenschaftlich Liebe Maria Cap -
ponis, die vielen unkonventionellen Liebesbeziehungen ver
schiedener Figuren, verleihen dem Roman eine Atmosphlre
der Sorglosigkeit, des Wohlstandas, der Uppigkeit, aber
zugleich der Frivolitlt und der moralischen Dekadenz. Es
ist das Milieu und die Atmosphlre des Vorkriegs-Europas,
einer Zeit, deren psychologischen Hintergrund Schickele
schon in seinem Schauspiel "Hans im Schnakenloch" au.fge
zeichnet hat, die er (und hier handelt es sich un die
Vorkriegszeit des zweiten Weltkrieges) ganz meisterhaf't
und mit wahrer dramatischer 'Wtlcht in seinem Meisterwerk
"Die Wi twe Bosca" beschreiben wird.
Der Irihalt des Romans ist f'olgender: Claus
Breuschheim (der eigentliche Held der Roman-Trilogie) ,ein .
vierzehnjihriger Jtingling, aristokratischer Herkunf't, im
Elsass wohnhaft, ùnternimmt mit seiner jungen, htibschen
Tante, Sidonia, eine Lustreise nach Italien, wo er die
zw8lfjlhrige Maria capponi, eine italienische Marchesa,
kennenlernt. Claus verehrt heimlich seine h~bsche Tante;
diese liebt aber einen russischen Admiral, der infolge
grosser Verluste beim Spiel, die ihn finanziell und ge -
sellschaf'tlich ruinieren, Selbstmord begeht. Da Claus die
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Aussichtslosigkeit seiner Liebe zu seiner Tante einsieht,
vertraut er sèine Liebesgeheimnisse der kleinen Maria, und
eine Freundschaft, die sp!ter in Liebe ~bergeht, verbindet
die jungen Leute. Sie begegnen noch einigemal in sp!teren
Jahren, da Claus nach Italien wiederkomm.t. Maria, wenn auch
in leidenschaftlicher Liebe zu Claus entflammt, ist ein
eigensinniges und chimirisch ver&nlagtes Midchen. Sie isteine
nbraunh!utige .Amazone, eine Fremde, die m&n im Wald fand,
und die man im Walde verliess."
Obwohl sie Claus liebt, ist Maria entschlossen
einen Mann von hohem Rang mit heroischen Eigenschaften,zu
heiraten. Das tut sie dann auch und wird die Frau eines .. Generals. Auch Claus ist zur Uberzeugung gekommen, dass es
sich in ihren Beziehungen mehr um Leidenschaft als um wahre
Liebe handelte und er heiratet Doris, ein M!dchen das ibn
vollkommen gl~cklich macht. So vergehen die Jahre. Der Welt
krieg ist unterdessen zu Ende gegangen und bei einem Aus-1
flug, den Claus und Doris in die Berge unternehmen, verun
gl~cken beide. Doris stirbt, Claus bleibt am Leben und geht
mit seinem S8hnchen Jacquot in die Waldeinsamkeit. Da Claus
die Einsamkei t nicht auf die Dauer ertragen kann, bi ttet er
Maria, die auch Witwe geworden ist, zu ihm zu kommen. Maria
komm.t nicht und Claus bleibt in seiner Einssmkeit. Das BUch
endet in einar Atmosphire der Nostalgie und der Resignation.
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Die ersten acht Kapitel des Romans kBnnen als
Einlaitung betrachtet werden. In dieser Pseudo-Einleitung
macht uns der Dichter mit der Person des Helden und mit
einigen Ereignissen aus der Familiengeschichte desselben
bekannt. Erst mit dem neunten Kapitel beginnt die eigent
liche Handlung des Romans. Sie wird uns vom Helden selbst,
auf retrospektive weise vorgetragen, nachdem wir schon
einiger.massen mit der Endsituation vertraut sind.
Die ersten Kapitel bringen auch einen Einblick
in die Geschehnisse der Zeit, sowie einen retrospektiven
Blick in die kulturgeschichtlichen Ereignisse des Landes
Elsass. Als Prototypus des kultivierten und klugen Els!s
sers wird uns der Urgrossvater des Helden (m~tterlicher
seits) vorgestellt. Es ist der Reichsfreiherr Ulricus von
Rheinweiler, ~ber den Claus Breuschheim folgendes sagt:
"Mein Urgrossvater war Revolution!r aus Vernunft gewesen
und wurde infolgedessen ein Anhinger Napoleons. Er setzte
sich seinerseits in die Geschichte, indem er den badischen
staat grttnden half. Napoleon, der einmal im SchlBsschen ~ber
nachtete, erhob ihn beim Morgenkaffee in den Grafenstand.
Urgrossvater sah sprachlos zu, wie der Kaiser ein nutzend
Mllchwecken schlang und dazu, in einar Minute, die Kaffee
kanne leerte. Er fand keine Zeit zu antworten. •schade, dass
Sie nicht Soldat sind', spraCh der Kaiser, da stand er aber
schon unter der Ttf.r~ 'Vous. auriez gagné une bataille et je
vous aurais fait prince'." 22
70
Als der Kaiser dem soeben in den Grafenstand er-
hobenen Ulricus zum Abschied die Rand reichte, fiel sein
Blick auf das Familienwappen, auf welchem die Worte 11nec
ultra" standen. Napoleon, der selbst seinen fast legend~-:
ren Aufstieg nicht zuletzt seinem Ehrgeiz verdankte, war
tlber diesen Wappenspruch verwundert und sagte: "warum nicht?
\>J'ir le ben dochJ Heisst nicht leben - fortschreiten? n 23
Dieser Wappenspruch hat eine symbolische Bedeu
ttmg fiir die weitere Entwicklung der Familie. nNec ultra"
(nicht weiter) soll gar nicht bedeuten, dass Ulricus dem
Fortschritt feindlich gesinnt ist; auch fiir Ulricus heisst
leben, fortschreiten. Er ist aber gegen den Fbrtschritt der
im Zeichen des falschen Ehrgeizes steht, der die Zierde aller
TUgenden, die Bescheidenheit, zerst8rt. Er hat wihrend der
franz8sischen Revolution die Proklamation der Mensehenrechte
mit eigener Hand am Schlosstor angesahlagen. Fdr ibn ist
diese Proklamation zum modernen politischen Evangelium ge
worden. Als aber das Verhlltnis der neuen Regierung der
Revolution und der katholischen Kirche ungekllrt bleibt,
und der erste Fèlhrer dieser Regierung gesttlrzt wird, sieht
er auch das Ende der anderen voraus.Seine anflngliche Be
geisterung fiir die Revolution ist weg. Napoleon erscheint
71
als'willkommener Retter aus einar chaotisohen Situation.
Ulrious sieht aber in Napoleon vor allem "den jungen Mann
mit GesohUtsbliok", das wirtschaftliohe Genie. Die mili -
tirisohen Ftihigkeiten des Kaisers intereasieren ibn wenig,
denn er sieht in Napoleon nioht das Militirgenie, den Er
oberer, sonder.n.den genialen Verwalter, den administrati
ven Reformator Eu.ropas. Ulrieus ist "ein Humanist, der sei
nan Nrunen iœmer late1n1soh sohreibt, jedoch Katholik in
einar protestantisohen Enklave" ••• Als seine gesellsehaft
liehe Geltung duroh den Besuoh und die pers8nliohe Zuneigung
w!ohst, bleibt er dooh beseheiden und beherzigt die Mahnung
der alten K8ch1n des Hauaes. Die se Mahnung lau tet: "Dass du
mir aber demtf.tig bleibsch vor dem Herm t n 24 lm charakterlichen Gegensatz zu Ulricus, steht
sein Vetter, der General Breisach. Breisach feiert in Napo
leon den grdssten Soldaten aller Zeiten (hatte er dooh eine
Kavalleriebrigade unter dem Oberkommando des Kaisers geffihrt).
Wlhrend Ulricus an einem Kommentar zum Code Napoleon, der ~
Grossherzogtum Baden eingefdbrt werden sollte, arbeitet,
schreibt der General ein Buch tf.ber die "Artillerie als Hilf's-
waffe ftf.r die Kavallerie ". Die Grundlage des Staatswe sens
liegt ~r den General in einar guten Kavallerie. Es kammt
fast zum entgdltigen Bruch zwischen den beiden Vettern
(nach einigen Streitigkeiten, die vom Dichter mit kdstlichem
72
Humor geschildert werden} indem Ulricus rolgende, far den
General beleidigende, ·:semerkung macht: "Was k8nnten meine
Gründa dir bedeuten! Man braucht dich nur einmal in deiner
sch8nen Unirorm gesehen zu haben - die ist ein Grund, gegen
den ich mit allen den meinen nicht aurkamme, nicht nur bei
den Damen. n
Ulricus und Breisach sind Repr!sentanten zweier
antipodischen politischen Einstellungen. Es sind symbolische
Figuren rdr die politische Aurrassung Schickeles, denn Ulri
cus repr!sentiert den klugen, gewissenharten, rriedelieben
den, rortschri tt lichen Mens chen, wllhrend Breisach (der Gene
ral) den ehrgeizigen orfizier, der durch Krieg und watren
gewalt den staatswillen aufzwingen will, darstellt. Dieser
Gegensatz der Aurrassung wird in den folgenden Worten Ulri
cus1 zum. Ausdruck gebracht: 11 Mein geliebter Vetter glaubt
nur an das Gesetz des Kavalleriesllbels., mir scheint elnes
rdr die Richter besser ••• n 26
Das Schicksal, die g8ttliche Vorsehung, beh!lt
jedoch die Oberhand im Leben des Menschen. Die grossen Plitne
der beiden Vetter sollten nicht in Erffillung gehen, denn
Napoleon wurde gestttrzt, der General rand den Tod an der
Spitze seiner Brigade und fdr Ulricus blieb nur die Erin
nerung an einen grossen Mann, dem zu Ehren er das Buch
"In Memoriamn schrieb. Es ist ein kleines, sp!ter beriihmt
~ewordenes Buch Hber Napoleon, den Verwalter~ nicht den
Eroberer oder Strategen.
73
Eine der interessantesten Figuren des Romans
ist Lord Berrick, ein Mann der sich durch Geist und Witz
auszeichnet. Die Baronin Breuschheim hl!lt ibn :Nir ngeschei t
wie einen Teufel", wlhrend die Marches a Capponi ihn 11keok
in der Art die Wah:rheit zu sagen", findet. Auch bei Claus
steht er in grosser Achtung. Als Claus auf seiner zweiten
Reise nach Italien den Lord wiedersieht, sagt er: "Wie
hRtte ich ibn vergessen haben k8nnen, wusste er doch Be -
scheid in der Mythologie und hatte Maria und mich gegen
die Barbaren beschHtzt, vor allem war mir sein warmes, et
was trauriges Llcheln gegenwlrtig geblieben, ja, ich hatte
es selbst hin und wieder bei grossen Gelegenheiten nachzu-
a.bmen versucht.rr 27
Lord Berrick wird fHr Schickele zum Hauptprota
gonisten seiner Anschauung und Deutung der geschichtlichen
Geschehnisse. Bei jeder Gelegenheit ist Lord Berrick bemHht
der Geschichte den Schleier und den Nt.bus der Idealisierung,
der Illusion zu entfernen. Gew8hnlich ist der Léser (beson- "
dèrs der mit einem Sinn oder Rang zum Romantischen behaftete
Leser) g~neigt, in der geschichtlichen Vergangenheit eine
Âra zu suchen, die ibm in Vergleich mit der Gegenwart als
wertvoller, h8her, erscheint. Far Schickele sind die geschicht
lichen Ereignisse, weder ausschliesslich Auswirkungen der
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g8ttlichen Vorsehung, wie ftlr Bossuet, noah sind sie nur dem
Zufall oder ganz belanglosen Dingen oder Geschehnissen unter
stellt, wie f'dr Voltaire, oder Tolstoi; sie sind eine Reihe
von Gewalttaten, die meistens von gewissenlosen Menschen
vertibt verden.
So sehen wir Lord Berrick bemtih.t den wahran
Grund der geschichtlichen Ereignisse zu erkennen und die
wahren Absichten der Handelnden blosszustellen. Über die
Genealogie seiner Familie weiss er folgendes zu berichten:
11 Ich entstamm.e nifmlich der puritanischsten Familie Schott-
lands, ich weiss nicht, Claus, ob Sie er.messen, was das heisst.
Einer stolzen Fam~lie. Einer blutigen Famille. Ich versichere .
Ihnen, meine fromm.en Vorfahren marschierten nur so durch
Blut. Als es in England spirlicher zu fliessen begann, machten
sie sich in die Kolonien auf, die fromme~ Berricks ••• Und den
ken sie nur: ihr Verm8gen nahm nicht ab, obwohl dies doch
sonst die Regel ist, wenn jemand verschwenderisch reist, gro
ssen Aufwand treibt, ausserdem noch die TUgend belohnt, wie
schwachsinnige Greise das Laster, und das alles, ohne viel
zu arbeiten ••• 11 28
Noch viel eindrucksvoller und realistischer
wird uns von demselben Lord Berrick die Entstehung und der
geschichtliche Auf'stieg der Stadt Venedig geschildert: "Da
waren eines Tages einige hundert Pferdehirten in Venetien
15
vor den Goten ins Lauren gekommen, sie liefen Tage und Nlch
te, und eines Morgens standen sie am Meer. Sie warren si oh
mit ihren Pferden ins wasser und sohwammen ums Leben. Stiessen
auf lnseln, und auf der gr8ssten, dem Rialto, grdndeten sie
ein Gemeinwesen. Schon 697 gabes einen Dogen". Die Venetiani-. '
schen Kaufleute gehen dann eifrig ihren Gesohlften nach und
siechern den Erfolg dieser Gesohifte und ihren Wohlstand
durch "Fe uer und Sohwert, solange sie die Stlirkeren waren,
als die unehrlichsten Hindler der Welt, wenn sie Hberlege
nen Krlilften gegentlberstanden". Sie erscheinen aber auch in
der Rolle der "Pazifisten mit gespickter B8rse, wenn es galt
aus dem Strei t anderer grosser Herren Gewinn zu ziehen; "
"Es war nicht ihre Schuld", erz§h.lt weiter Lord Berriok,
"wenn sie spiter noch kb.pfen mussten, sondern der primi
tiven Sultane, mit denen ein fortgeschrittener Kaufmann
sich unm8glioh verstindigen konnte. Schon 735 wurde der
erste Doge, weil er sich mausig machte, er.mordet, wenn
auch nicht so feierlich wie seine NacMolger, deren Kopf
vor einer glinzender Versaœmlung und unter prunkvollen
Zeremonien die Gigantentreppe des Dogenpalastes hinab -
rollte. Und schon der nlichste Doge bekam. zwei Aufseher,
deren Zahl im Laur der Jahrhunderte dauernd wuchs,weil sich
die Notwendigkeit herausstellte, die Aufseher zu beaufsich-
tigen •••• li 29 '
76
Das gewaltt~tige und unmenschliche Walten der Macht
haber ist auch bei Schickele manches mal von einer gBttlichen
Vorsehung, nicht im Sinne elnes vollkommenen Determinismus,
wie bei Bossuet, beeinflusst. Die Nichtachtung von Tradition
und gBttlich-moralischèm Gesetz, die Uberhebung des Menschen
gegen das gBttliche Gesetz bringt o~t verherende Folgen oder
Verderben. Obwohl Ulricus, der Urgrossvater von Claus Breusdh-
heim, die von der ~ranzBsischen Revolution proklamierten
Freiheiten und Rechte begrdsst, erkennt er doch, dass die
Fdhrer der Revolution den Weg der christlichen Tradition
ignorieren und ihrem Verderben entgegengehn:
"Als der ers te Ffihrer stttrzte, verstand er so~ort, dass die andern ~olgen wdrden •.••.•• Und alle die geliebten K8p~e ~ielen,Danton, Desmoulins, Wester.mann, einer nach dem ander.n1 Der Frtihling der Welt erso~~ in Blut t Wildgewordene Schulfdchse regierten an Stalle der geborenen Herran. Regierten? Sie r~chten sich. Das Tintenfass speiste die Guillotine, der Bakel ~Hhrte Krieg. Schon hatten sie die GBttin der 'Vernun~t fdr Spiesser 1 aus dem Bordell geholt, wohin sie von je gehBrte, wo sie zu Hause und an ihrem Platze war, und suchten nach einem Felsen Petri fdr sie, die naseweisen Kinder, denen die Kommunion zu albern war, und liessen neue Liturgien fdr sie dichten und Symbole malan, gottesjimmerliche Plagiate der alten, nur schlecht geschrieben •••••• Schulfdchse, die sich ~~r gottdhnlich hielten, weil sie Hber die Bajonette und Kanonen im Land geboten und jeden umbringen konnten, der widersprach oder auch nur ein~ach den Mund hieltl "30
•
77
'. 2. BLICK AUF DIE VOGESEN
Der zweite Roman der Trilogie, "Blick auf die
Vogesen 11 , ist der Roman des elslssischen Landes, des el -
slssischen Menschen. In keinem seiner Romane ist Schickeles
Liebe zu seiner Heimat, sein lokaler Patriotismus mit sol
cher Hratt, Leidenschaft und Webmut zum Ausdruck gekommen,
wie in diesem. Schon der Titel des ersten Kapitels: "Vive
l 1Alsace 11 , erscheint wie ein patriotisches Schlagwort.
Die herrlichen Naturbeschreibungen mit welchen der Dich
ter dieses Buch in verschwende,rischer Fdlle bedacht hat,
tragen dazu bei das "erkorene Land", des Dichters Heimat,
dem Leser umso liebenswdrdiger erscheinen zu lassen.
was sahon bei der Behandl~ der publizisti
schen Werke Schickeles er8rtert wurde, soll hier nochmals
hervorgehoben werden: dass die politische Einstellung
Schickeles in Bezug auf seine Heimat nicht das Geringste
mit dem, was man 1m allgemeinen unter Nationalismus ver
steht, gemeinsam. hat. Sogar wenn seine Emp8rung einen
polemisch-aggressiven Charakter annimmt und er .ftir ein
autonomes Elsass spricht, wird Schickele niemals zum
feindseligen oder gehlissigen Politiker. Als hervorragen
der Kenner der politischen Problematik des zentralen und
westlichen Europas, ist Schickele mit jedem Aspekt dieser
Problematik bekannt.
Der Roman "Blick auf die Vogesen" ist mit po
litischer Thematik durchsetzt. Es ist eine politische Dich
tung im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Handlung des Romans ~!llt in die Nacbkriegs
jahre des ersten Weltkrieges. Eines der Themen in dem Kom
plex der politischen Thematik ist der Adaptierungsversuch
des elslssischen Volkes an die politische Neuordnung, die
durch die Integrierung des Landes an Frankreich, begonnen
hat. Obwohl diese neue ûrdnung im Prinzip demokratisch ist,
tr!gt sie doch die Merkmale aines traditionellen franz8si
schen Nationalismus, welchen zu bekimp~en Schickele st!ndig
bemtiht war. Ein anderes Thema ist der Kamp.f des elsissischen
Volkes um sein kulturpolitisches Erbe.
Rein handlungsmlssig erscheint der Rcman "Blick
au~ die Vogesen" als Verll.ngerung des ersten Rom~s, "Maria
Capponi n. Ernst Breuschheim kann die Einsamkeit seines
Waldexils nicht linger ertragen und beschliesst in Beglei
tung seines S8hnchens Jacquot zu seinen Eltern ins Elsass
zu reisen, wo er sich eine Besserung seines deprimierten
seelischen zustandee verspricht. Schon bei dem Uberschrei
ten der Rheinbrdcke âberkammt ihn ein sonderbares Gefdhl
des Wohlseins, das vam Dichter folgender.massen beschrieben
wird: "Immer h!~iger blieb Claus stehen, reckte si ch, tief
79
atmend, spreizte die blossen H!nde, warf den Kopf in den
Nacken, senkte ibn llchelnd. Da klopfte sein Harz in der
Schwebe zwischen Deutschland und Frankreich, mitten auf dem
Rhein,der ein heiliger strom war, •••• und ihm war, als kreis
te ein haller Schimmer davon auch ausserhalb seiner Leiblich
keit, viel, viel welter, als die waagerecht ost- und westwlrts
ausgestreckten Arme - von einen Gebirgszug run Horizont zum
ande rn 1 " 3l ·
Als sich Claus seinem Vaterhause nlhert, nimmt
dieses Geffthl an WHrme zu, und wir sehen ibn voller Begeiste
rung und Andacht in der Nlhe des Vaterhauses, a~f heimatlichem
Boden stehn: n Da .lag der innere Hof seines Landes und sah
ihn gross an. Links am Horizont, im vollen Licht, strahlten
die Voge sen. Gegentlber der Schwarzwald: ein Rauch. V or ibm,
nur wenige hundert Mater entfernt, erhob sich die hohe, gelb
liche Stldwand des Breuschhe~r Srihlosses und stellte nichts
anderes vor, als was es sein sollte: ein ger!umiges, wetter
festes Haus. u32
Als Claus nach Hause kommt, findet er das hlussli
che Leben verlndert. Der patriarchale Frieden, die Eintracht
im Familienleben sind gestBrt. Vater und Mutter sind ·nicht
mehr frohen Sinns, wie er sie in seiner Erinerung behalten
hatte. Sie sind zwar beide bemtlht vor dem Sohn ihre wahran
Geffihle zu verbergen um ihn nicht zu betrtlben, aber Clausf~lt,
80
dass der Familienfrieden gest8rt ist. Nachdem er sich in die
neue Verhlltnisse einlebt, erfihrt er auch den Grund dieser
Verinderung.Schuld daran sind die gespannten Beziehungen
zwischen seinem Bruder Ernst (ein adoptierter Sohn der Fa
mili~und den Eltern. Ernst hat Anne-Marie Hartmann, die
Tochter des elslssischen Grossindustriellen Charles Hart
mann, ~eheiratet welche in erster Linie rfir die entstande-
nan Missverst!ndnisse und gegenseitige Entfremdung verant
wortlich ist. Uber Anne-l-faria, die Claus noch aus Venedig
kennt, sagt uns der Dichter folgendes:
"Statt aber, wie damais in Venedig, mit dam Aquarellkasten herumzulaufen und eine Sonne abzumalen, wie sie nur auf den Ansichtspostkarten den Dogenpalast beschien, jagte sie jetzt auf Geltung ffir ihren Gatten.Kein Tag ohne Sonne, hiess es im venezianischen Ne be 1. Kain Tag ohne irgendeine Befriedigung des Ehrgeizes, so war es haute. Ihr Ehrgeiz war gross, das Elsass ein kleines Land - da galt es, die Ellenbogen zusammenzunehmen und spitzfindig zu wHhlen wie in einem Nihtisch. Der Wille bebte durch ihre straff gehaltenen Gebirden, sprdhte ihr aus den Augan. Ein kluges, aunmerksames Mldchen, einer satten Bourgeoisie entsprungen, wie die Jungfrau von Orleans dem Frankreich des schlifrigen Dauphin, so ungeflhr sah sie sich selbst im Bild (und es konnte rdr lhnlich gelten, obwohl sie die Dreissig ~berschritten hatte}. Entschlossen ihrem Ernst die rechtm!ssige Krone zu erfechten, wo es auch sei, sprang sie mit entfalteter Fahne in jeden neuen Tag." 33
Auch Ernst steht ihr "in puncto" Ehrgeiz und Gel-
tungssucht nicht viel nach. Schon als Quartaner weigert er
81
sich an einem Kinderrest teilzunehmen, weil er die anderen
Kinder f~r zu gering hilt. Ernst wurde ain vorzHglicher
Student, trat einer Burschenschart bei, wurde Offizier der
deutschen Armee und zeichnete sich in den Klmpfen des ersten
Weltkrieges aus. Nach dem Kriege sehen wir ihn bemHht, seine
deutsche Vergangenheit zu verwischen; er verscharrt seine
Offiziersunifor.m in der Ecke des Friedhofes und wird in
kurzer Zeit Reserveoffizier der franz8sischenArmee. Nur ein
Schmiss in seinem Gesicht bleibt als dauerndes, wenn auch
unerwdnschtes Merkmal, als Beweis ~iner Vergangenheit die
er gerne austilgen m5chte. Sein p18tzlicher Diensteifer
als Mitglied der Rheingarde - eine sehr national einge
stellte franz5sische Organisation - scheint die Hbrigen
Fam.ilienmitglieder (mit Ausnahm.e seiner Frau) noch mehr
zu befremden. Claus sucht seinen Bruder zu rechtfertigen
indem er sagt: " Doch ich begreife Ernst. Er war von gan-
zem Herzen bei den Deutschen. na er sich zu den Franzosen
schlug, wollte er ebenfalls ungeteilten Herzens dabei sein.
Es ist unser Schicksal, fremden Herren zu dienen. Ein
ehrlicher Karl legt wert darauf, es aufrichtig zu tun. Er
versucht es wenigstens." 34
Der neue Titigkeitseifer Ernsts hat aber, ausser
einem angeborenenDrang zur Geltungsentfaltung, auch einen
verbor~enen, psychologischen Hintergrund, der fdr sein Leben
82
von schicksalhafter, fataler Bedeutung sein wird. Ernst wird,
wie es Hans Boulanger in bescnr!nkterem Ausmasse war, ein
psycholgisches epfer des Krieges. Durch seine umstellung,
seine neue Anhlnglichkeit zu einem Patriotismus, der ibm
im Grunde fremd ist, sucht Ernst seine Gefdhle fdr eine Ver
gangenheit, die so viele Erinnerungen in ibm wachruft, ge
waltsam zu tBten. Dieser Versuch, wennauch anfllnglich Erfolg
versprechend, wird seine Seele zermarben und zerstdren, er
wird ibm zum Verhlngnis werden.
Claus und seine Eltern werden uns von Schickele
als die wahran Elsilsser dargestellt. Es sind Menschen mit
Vorztlgen und Fehlern, gew8hnlich in ihren Ansprtlchen, aber
keine Durchschnittsmenschen, denn sie haben Phantasie und
Sinn rdr Kunst. Ihre Charakteranlagen werden uns von Schickele
folgenderm.assen beschrieben: " 'Wir', das waren Vater, Mutter
und Claus, drei gutartige, etwas bequeme, etwas veiWBhnte
M&nschen, die Mlnner phantastisch, die Mutter fromm, vom
Gebet umhegt, liebenswdrdige Naturen alle drei, die in gleich
grosser Scheu vor fremder wie eigener Empfindlichkeit jeder
andern Art von Krieg, als den lustigen Feldztigen und Uber
filllen im Haus, auf h8flichen Sohlen aus dem Weg traten -
und ziemlich unerfahren in den Notlagen des Lebens, mit
Ausnahme von Geburt, Liebe und Tod. Alle andern Zufllle zlhl-
te man in der Famille zu den kleinlichen Miseren ••• " 35
83
Es werden uns da Menschen vorgestellt, die ein
patriarchales, religiBses Leben fdhren, ohne auf geselschaft
liche Geltung oder Aufstieg bedacht zu sein, Charakteranlagen,
die uns schon von Ulricus her, dem Ahnen und Prototypus des
gebildeten Elslssers, bekannt sind. 1m charakterlichen Gegen
satz zu ihnen steht Ernst und seine Frau Anne-Marie, die nur
auf gesellschaftliche Geltung bedacht sind und zu Sklaven
ihres Ehrgeizes werden.
A.ls 11nucleus 11 des els!tssischen Volkes und als
Trlger des els!tssischen kUlturgeschichtlichen Erbes wird von
Schickele die elsls~ische Familie angesehn. Der Lebenswille
von Generationen, die Tradition und Kultur eines Volkes
werden von ihr erhalten. Durch gemeinsame Entbehrungen,
Schicksalsschllge sowie Momente der Freude und Zufrieden-, heit wird das Familienleben zementiert und unter.mauert, und
so wird diese kleinste soziale Institution zur Hauptst~tze
des gesellschaftlichen Lebens. Dies sind Schickeles Ansich
ten ~ber die Famille. "So verh!lt es sich mit einar Famille,
die den Nam.en verdient", sagt Schickele, ."verhllt sich zu
mindest im Elsass noch so, dieses und das 'nlchste Jahrhundert.
Die elslssische Famille ~erdauert viele Katastrophen, aufge
baut wie sie ist im Sturm der Menschen und Elemente, viel -
erfahren zwischen dem Feuer des Kreuzes und dem Feuer des
Schwertes, von der Wechselflut der fremden Eroberer umschau-
84
kelt,woraus das Erbe ~er wiedèr auftaucht, geheimnisvoll
fruchtbar und funkelnd wie ein ganz junges Midchen. n 36
Der Roman bringt auch eine Schilderung der po
litischen Situation nach dem ersten Weltkriege und gewilhrt
einen E~blick hinter die Kulissen der dmnaligen Weltpolitik,
wo das Schicksal verschiedener Nationen entsohieden wird.
Und wieder sehen wir in Schickele den grossen Kenner auf
dem Gebiete der Politik, den erfahrenen Politiker, der stets
bereit ist auf intelligente und gewissenhafte Weise die ver
sèhiedensten und schwierigsten Probleme zu lasen. Es ist dies
mal das besiegte Deutschland,dem Schickeles Sympathie angeh8rt.
In der festen Uberzeugung, dass eine geschichtliehe Unge -
rechti~keit ungest8rt ihren Weg n~t, gibt uns Schickele
zuerst die Darstellung der politischen Spannung die auch
nach dem Kriege zwisehen Frankreich, dem Sieger, und Deutsch
land, dem Besiegten, besteht. In kurzen, pritgnanten Sitzen
wird der Leser zuerst mit den Hauptgrdnden dieser Situation
in Kenntnis gesetzt: "Frankreioh brauohte dringend Geld.
Viel Geld. Es batte einen Schuldner: Deutschland. zur Siche
rung seines Anspruohs hielt Frankreichs Rheinarmee grosse
Streeken deùtschen Landes besetzt. Frankreich wollte von
Deutschland bezahlt sein. t-Ticht nur juristisch, sondern auch
moralisch konnte es hoffen, bei seinen ehemaligen VerbHnde
ten Untersttitzung zu finden." 37
85
Wir sehen wie Ministerpr!sident Sarcarot ent-
schlossen ist das zahlungsunf!hige Deutschland zur Beglei -
chung seiner Kriegsschulden zu zwingen, was nur durch die
v8llige Lahmlegung der deutschen Industrie geschehen kann.
Schickele sieht in diesem Entschluss eine Fehlauslegung des
Versailler Vertrages. Um diese Situation zu retten, ent -
schliessen sich England und Amerika Deutschland beizustehen,
indem sie ihm die Stundung der laufenden Zahlungen und eine
Anleihe gewRhren. Um einer, von franz8sischer Seita geplanten
Besetzung deutscher Gebiete, vorzubeugen, wurde ein inter -
nationaler Ausschuss von Fachleuten einberufen, der Frank-
reich eine akzeptable Ldsung vorlegen sollte. Die Aussichts
losigkeit dieser Bemfthungen, welche durch Einsehen und Ver
stândnis fdr die kritische finanzielle Lage Deutschlands,
zu einer positiven L8sung gerdhrt hitten, werden von Schickele
mit feinem Spott persifliert:
"Die Herran tagten haute zum zehntenmal. Sie waren mit ihrer Arbeit zufrieden. Den Umstânden angemessen, ging es gut, ~ber alles Erwarten gut, ging es vorz~glich. Die Finanzminner sassen im Saal an einem Tisch und waren so weit, dass ihre Uhterkommission einen brauchbaren Plan ausgearbeitet hatte. Er fand allgemeine Zustimmung, und die Angelsachsen zwinkerten sich schon mit einem Wimpernhaar zu, da erhob sich Charles Hartmann, der ausgezeichnete Industrielle aus Mfilhausen im Elsass, und erklRrte mit heiterer Miene, Frankreich halte es fdr selbstverstindlich, dass der Haupterl8s aus der Anleihe •••• zugunsten Frankreichs und Belgiens in die Reparationskasse fliesse. u 38
86
Mit unwiderstehlichem Humor wird die Szene der
Besprechungen zwischen den Vertretern, der an der Konfe
renz teilnehmenden Nationen, geschildert. Der deutsche und
englische Vertreter sind bemtiht eine "ret tende Formel" zu
rinden, was durch die Unnachgiebigkeit des rranz8siscben
Vertreters vereitelt wird. Schickeles LBsung wdrde im na
tHrlichen Vernunftsverh!ltnis zwischen den humanen Sieger.n
und den hilrsbedHrrtigen.Besiegten liegen, eine LBsung,
die nach einem Krieg praktisch niemals in Wirkung tritt,
weil die Menschen ~r diese zu wenig Verstlndnis haben.
Die horfuungslose .finanzielle Lage Deutschlands komm.t in
den .folgenden Worten Kurt Kiepers, des deutschen Vertre
ters, zum Ausdruck : "t:rnaere Kassenschrlnke kBnnen Sie nicht
gut ausplündern. Sie rinden auch nur Papier darin. Nicht
wir Industriellen sind Frankreich Geld schuldig, sondern
das deutsche Volk, die deutsche Regierung. Die haben be
kanntlich nichts. " 39
Die Nachkriegspolitik Frankreichs ist jedoch
darauf gerichtet, die LBsung des Rheinlands von Deutschland,
vielleicht auch dessen Zerrall, zu verwirklichen. Dies war
der Traum der .franz8sischen Mi li tlirkreise. Aus die sem Grunde
wurde der Minister Maxime-Simon, der diese politische Linie
nicht folo:en wollte, gesttirzt, aus demselben Grunde bestand
der neue Ministerpr§sident Sarcarot auf die sofortige oder
87
teilweise Begleiohung einar Kriegsschuld, deren GrBsse man
nicht einm.al ange ben wollte, um demit Deutschland zum "ewigen
Schuldner" zu machen. Die \tJ"elt ftirchtete aber nicht mehr
die Deutschen, sie rdrchtete die immar stlrker aufkommende
soziale Unordnung und die proletarische Diktatur. England
f~rchtete zugleich ein ~ber.mlchtiges Frankreich, das den
europlischen Kontinent beherrschen wollte.
Aus der Vielfalt der politischen Anschauungen,
die in den C~sprlchen zwischen den Wirtschaftsmagnaten der
verschiedenen Nationen erBrtErt werden, sind es zwei, die
das besondere Interesse des Lasers erwecken, weil sie auch
haute von basonderer Aktualitlt sind:
1) Es gibt kaina politische C~pgraphie, kaine
politische Kunst mehr, alle heutige Wirklichkeit ist
wirtschaftlicher Natur.
2) Ein Volk geht infolge einar politischen
Katastrophe (Krieg, Revolution) nicht zugrunde, es stirbt
nicht aus, es kann nur bankrott machen. Darum ist der Wieder
aufbau der Industrie fHr einen zus&romengebrochenen Staat
von so grosser Wichtigkeit. Wenn gegen die zweite dieser
Anschauungen von Seiten des Autors kein Widerspruch erho-
ben wird, so wird die erste kritisiert. Der deutsche Gross
industrielle Kurt von Kieper, der als Protagonist des Dich
ters in Fragen der Wirtschaftspolitik angesehen werden kann,
lussert folgende Meinung: " •••• !ch glaube auch nicht, dass
alles in der Welt nur mehr Wirtschaft ist, halte die An
sicht ftf.r einen modischen Wahn.... 11 Es gibt aber einen
noch geflhrlicheren Wahn, und Sarcarot ist der Trlger
die ses· Wahns, denn "Denn Herr Sarcarot glaubt nur an die
88
Politik, er meint •••• er kann uns mit seiner Politik alle
niedertrampeln und schickte sich an, es zu tun." 4° Es ist also der blinde Glàube- an die Politik, der
unerschdtterliche Wille bestimmte politisvhe Ziele zu ver
wirklichen, der dém Menschen .am schldlichsten ist und ihn
geflhrlich macht.
Die Besetzung des Ruhrgebietes durch die ~ran
z8sische Ar.mee wird von Schickele als grosser politischer
Fehlzug, von Kriegslustigen Generllen und rdcksichtslosen
Politikern inspiriert, angesehen. Er nennt die Besetzung
des Ruhrgebietes "eine Stra~expedition gegen ein ent -
waffuetes Volkn und weiss nur zu gut, dass durch solche
Methoden ein Krie·g zu keinem entgtlltigen Ende gebracht
werden karm, denn er enthillt in sich schon den Keim eines
neuen Krie ge s.
Die ~etzten Kapitel des Romans brin~en die
Trag8die Ernsts. Er und seine Frau Anne-Marie sin~wie
schon vorher erw!hnt, nur auf gesellschaftliche Geltung
bedacht. Besonders Anne-Marie, eine moderne (obwohl nicht
verbrecherisch veranlagte) Lady Macbeth, geht es darum,
89
ihren M~~ in einar ffihrenden gesellschaftlichen Stellung
zu sehen. Ernst, der gewesene deutsohe Offizier, muas sich
nun umstellen, um sioh den neuen politischen Verhiltnissen
anzupassen. Die Vergangenheit lisst sioh aber nioht aus -
18schen und der innere Kmnpf beginnt sich bei Ernst immer
stirker auszuwirken. Dieser K~pf zermHrbt seinen schon in
frdheren Jahren angegriffenen Geist.
Eine zusHtzliche seelische Ersch~tterung
erlebt Ernst durch den Tod der Mutter, die er sehr geliebt
und verehrt hatte. Er wird, geisteskrank, in eine Heilan
stalt gebracht, dann fiir kurze Zeit entlassen; kann jedoch
der Krankheit keinen weiteren Widerstand leisten. In einem
Moment der seelisohenDepression begeht er Selbstmord.
Die Bestattung Ernsts bringt dem Leser noah
einmal die Sinnlosigkeit der politischen Differenzen, so
typisch fUr den Els!sser, vor Augan. Die franz8sischen Be
h8rden (im besonderen die Rheingarde) sehn in Ernsts Tod
einen Verlust fiir die franz8sische nationale Sache, das
Hingehen eines Patrioten, wlhrend Ernst selbst in einem
Abschiedsbrief den WUnsch lussert in Deutschland bestat-
tet zu werden, im Lande wo er seine Jugend verbracht, an 1
welches ihn die sch8nsten Erinnerungen binden. Als Claus
Breuschheim, gegen das Ende des Romans, die Vogesen, die·
Berge seiner Heimat, anruft,und den Verlust seines Bruders
90
bekl~gt, wird uns nochmals die Tragddie des elsHssischen
Vol}:t:es veranschaulicht: nwenn auch alle noch schlafen und
euch nicht hdren, ihr seid der lange, stumme Schrei, daes
Deutschland und Frankreich in Unfrieden leben, die Toten
klage seid ihr dber den dauernden Brudermord, in allen
Jahreszeitenl In allen Jahreszeiten erhebt sich die stumme
Totenklage aus euerem gemeinsamen Dasein, das dieses Land
ist, mit einem LHcheln fast, weil das Land so sch8n ist,
das Le id so al t, und strdmt in taus end Adern durch Ddrfer
St!dte. Dieser Mann starb nicht wie andre sterben. Euer
Hass hat ihn gemordet. 11 41
Wie im Schauspie 1 "Hans im Schnakenloch", und
in vi elen seiner Essays, bringt Schickele im Roman "Blick ·
auf die Vogesen" das Bild der inneren Zerrissenhei t der
elsHssischen Famille. Mit tiefem und aufrichtigem è~rahl
wird die Tragik dieser Famille und des ganzen elsHssischen
Volkes dargestellt. Die Verantwortung fdr diesen Zustand
fHllt auch dieses mal auf Deutschland und Frankreich, die
zwei grossen Nachbarvdlker, die durch ihre machtstreberische
Politik das els!ssische Volk in Verwirrung bringen.
91
.. 3. DER WOLF IN DER HURDE
Der dritte Roman der Trilogie ist der Roman
des politischen und gesellschaftlichen Parvenu, des ge -
wissenlosen Karrieristen, der keine Mittel scheut, um nur
seine Pline und Absichten durchzuffthren. Schickele selbst
gibt uns im ersten Kapitel des Buches einige aufschluss -
reiche Hinweise ~ber den Irihalt des Buches un die chara-
kterlicl:e Beschaffenhei t des Helden: nDagegen beginnt hier
eine andre Geschichte. Bei der geht es hauptsHchlich um
C~ld, persBnliche wreiheit und Macht, aber auch um andre
gute Dinge, wie den Besitz einer Frau, die Eroberung,den
Genuss, die hemmungslose Ausbeutung einer Frau, weshalb
die Geschichte Üblicher Weise die Bezeichnung einer Liebes-
geschichte verdient •. Erobert, genossen, ausgebeutet wird
-das soll sich erst zeigen. . •.. Der Held oder Banditi,wie
man es nennen will, heisst Silvio Wolf, gebürtig aus dem
Mtinstertal, Oberelsass, jetzt: Département du Haut-Rhin,
Familie unbekannt, langjHhriger Sekretlr Sir Ronald
Gu rd ons. 11 42
Silvio kammt aus dem Balkan (einer Gegend
Europas, aus welcher die meisten Schriftsteller Westeuro-
pas ihre dunkeln Fi~uren, wie Hochstapler, Diebe oder son
stige Verbrecher -mit Vorliebe beziehen). Eines Tages
92
~berkommt ibn die Luet zum Wandern, und er beschliesst der
"Sonne nachzugehen". Er nimmt alle Gefahren und Entbehrun
gen in Kauf, um nur an sein, diegmal rein geographisches
Ziel zu kommen. Im Alter von sechzehn Jahren ist er schon
verheiratet, verlisst aber seine Frau und gelangt endlich
ins Elsass, wo er das Gymnasium als Unterprimaner besucht.
Seine Grossmutter, die im Mdnstertal ein Milchgeschift
hat, sorgt f~r ibn. Eines Tages erkennt er auf einar der
Strassen Strassburgs seine Frau und flieht. Er wird Sekre
t!r bei Sir Ronald Gurdon, dem englischen Kautschukmagna
ten. Silvio ist ain Mann von sehr einnehmenden Aussern,'
sehr intelligent, ein Sprachengenie{erlernt die westeuro
piischen Sprachen mit Leichtigkeit),was ibn aber von an
dern Leuten seines Altera am meisten unterscheidet, ist
seine Zielstrebigkeit. Er ist fest entschlossen auch die
R:eringste seiner Begabungen zu seinem Vorteil auszuwerten.
Silvio ist ~berzeugter Kammunist. Seine
Auffassung vom Kammunismus ist aber keine idealistische.
Der Kammunismus ist ~r ibn nicht eine Ideologie, welche
die menschliche Gesellschaft verbessern und um moralische
Werte bereichern wird, sondern ein unumgingliches Stadium
der sozialen Entwioklung, eine gesohichtliche Notwendig
keit, die er erkannt hat und rdr seine pers8nliohen Zweoke
auszuniitzen entsohlossen ist. "Egoismus ist die sohonste
93
Sache der Welt", sagt Silvio, "unter der Bedingung, dass
er zum Ziehl ftihre. " 43
Silvio versteht zugleich die Menschen sei-
nes Bekanntenkreises fHr seine Zwecke dienstbar zu machen. ,
So gelingt es ibm die junge Dichterin Aggie Ruf fdr den
M~rxismus zu interessieren. Schickele zeigt uns hier, und
er erweist sich auch als grosser Kenner der dichterischen
Seele, wieso die reine Mentalit§t des Dichters (in unserem
Falle der Dichterin), dùrch politische Ideologien der geisti
gen Korruption und Zersetzung unterliegt. Mit wahrer Begei
sterung stdrzt sich Aggie in das Studium der marxistischen
Doktrine, wodurch sie Ideen und Anschauungen aufnimmt, von
welchen ihre Denkweise ~er unberdhrt war:
Im Sturmschritt nahte sie den Emp8rern der letzten hundert Jahre ••••• Aus dem Widerspruch der Urteile entstand eine Vorstellug, die sich mit dem k8rperlichen Bild verband, und daran glaubte sie mit Selbstverstindlichkeit, was weiter nicht zu verwundern braucht, wenn man bedenkt, dass die Einftihlung in einen Menschen, das Erraten hdherer Art, ein Leben lang gedbt, Aggies einziges brauchbares Fuhrwerk durchs Leben war. Sie hielt sich den aufgerufenen Gestalten mit allen ihren suchenden und vergleichenden, ihren instindig werbenden Gedanken zugewandt, bis die Bilder T~ben gewannen. So geschah es, dass aus Gesichten Gesichter wurden und die Ztige .eines Lassalle, eines Engels, e1nes Marx, eines Lenin sie ansprachen und Aggie die Toten als faszinierende, geflhrliche Freunde um sich versammeln konnte. Die Schdsse in den Kellern der GPU verloren allm!hlich fdr sie ihre Schrecken." 44
94
Der faste Boden einar ethisch-traditionellen
Einstellung beginnt allm§hlich in Aggies Weltanschauung
unsicher zu werden. Neue werte dialektischer Herkunft
beginnen die alten, absoluten Werte zu verdringen:
11 In ihren Unterhaltungen kam nun das Wort Dialektik
ebenso oft vor wie frdher die Worte Wahrheit, Gerechtig
keit, Freihei t, Harz, Gtite, Geduld zusammengenommen." 45
Dieses Zitat illustriert vielleicht am besten
Schickeles Glauben an absolute Werte, deren Verwirkli -
chung als erstes Gebot fdr jades politische Regime gel
tan sollte. Von der praktischen Verwirklichung dieser
Werte ist das Wohlsein der menschlichen Gesellschaft ab-
h!ngig. Weder die strukturelle lussere For.m der politi -
schen Macht, d.h. die For.m der Souverlnitlt, noch die
besten politischen Programme und Doktrinen tragen in
sich die Bdrgschaft ftir das allgemeine Wohlsein, wenn
das C~wissen der Regierenden von diesen absoluten Werten
absieht.
Silvio verstrickt Ada Hartmann, Schwester
Anne-Maries und geschiedene Grlfin Breisach, in eine
Liebesaffaire, die ibm ermdglicht, sie zu heiraten. Als
Schwiegersohn des Grossindustriellen Charles Hartmann,
des überall anerkannten franzdsischen Patrioten, hat nun
Silvio Zugang zu den hdchsten gesellschaftlichen Kreisen
95
und verfdgt Hber grosse finanzielle Reserven. Er ist nun
rest entsehlossen im Elsass seine politisehen ~bitionen
zu verwirkliehen. Um die Sympathien der Elslsser zu ge -
winnen, sehllgt er vorllufig eine Politik ein, die eigent
li.eh mit seinem Endziel, der Weltrevolution, 1m Gegensatz
steht. Silvio sieht aber ein, dass dies der einzige Weg
ist, um Hberhaupt in diesem Lande politische Karriere zu
maehen und setzt sich far ein autonomes Elsass ein. Er
trlgt die Maske des patriotisehen, gebildeten, h8flichen
Bdrgers, des Trlgers der demokratisehen Ideen Voltaires
und der rranz8sisehen Revolution. Sein vorlluriges Ziel
ist franz8s1scher Deputierter zu werden, um somit das
politisehe Geschiek des Landes Elsass mitbestimmen zu
k8nnen und einen strategisehen StHtzpunkt in seinem po
litisehen Angrirrskrieg zu gewinnen. Seine rege Tltigkeit
und das angestrebte Am.t eines Abgeordneten sind nur eine
Phase die zum Endziel, der Weltrevolution, fHhren sollen.
zu diesem Zweek macht Silvio die Dichterin Aggie Ruf, die
seiner dimonischen Pers8nlichkeit und seinen mlnnliohen
Reizen nieht widerstehen kann, zu seiner Geliebten. Aggie,
unter seinem verderblichen Einfluss zur Hberzeugten Kammu
nistin geworden, setzt ihr schriftstellerisehes Talent und
ihre geistigen Flhigkeiten ein, um Silvi~ in seinem poli
tisohen Kœnpf beizustehen. Es seheint ihr, die frdher reli-
gi8s eingestellt und praktizierende Katholikin war, dass
sie in der marxistischen Doktrin eine neue Wahrheit ent-
96
deckt hat. Ihre Freundin Ada glaubt nicht an diese Bekeh
rung. In ihren Austahrungen, die den Zweck haben, Aggie
vom Kammunismus loszureissen, wiederspiegelt sich die Men
talitlt des Europlers ~berhaupt. In der Antwort, die sie
Aggie gibt, finden wir das kulturgeschichtlich bedingte,
politische "nec ultra" des europiiischen Biirgers, des euro
plischen Demokraten. "Glaube doch nicht", sagt Ada, 11dass
du je eine anstlndige Revolutionlrin wirst •••• Du bleibst
ewig eine Bdrgerin, Aggie, und wenn du in die Fabrik gin
gast und als Proletarierin lebtest, alle und du selbst
wdrden dich als eine verkleidete Person empfinden. Daine
Revolution ist 1789· gemacht worden, und welter kommst du
nicht in deinem innersten Wesen, und wenn du dich noch so
anstrengst. Welter als zum Uberllufer oder Gastdirigenten
in der Unterwelt, wie Claus Breuschheim sagt, welter
bringst du es einf'aeh nicht. 11 46
Ada hat Recht, denn Aggie wird zu ihrer
f~eren Lebensauf'fassung zu~ckkehren, aber die Folgen
dieser Rdekkehr werden f'Hr sie fatal sein.
Schickele sieht im Individuum, und nicht in
der Masse, im sozialen Kollektiv,die grundsltzliche, treiben
de Kraft 1m Aspekte der kulturgeschichtlichen und zivili -
97
satorischen Entwicklung der Menschheit. Nur als, in seiner
Freiheit unbeschrinktes Individuum, bringt der Mensch sei
ne Fihigkeiten und geistigen KrA~te zu voller Ent~altung.
So hdren wi r Claus Breuscbhe im zu Aggie Ru.f sagen:
11- immer, Aggie, ist mit Individualismus der freie Mens ch
gemeint, der Mensch, der sich weder danach sehnt, zu kom
mandieren, noch, kammaridiert zu werden, der weder Sklave
sein noch ~ber Sklaven gebieten will. Das ist nimlich
heute das une~nschte Exemplar von einem Menschen. 11 47
Nach einer Unterredung mit Claus, der ihr
klarlegt, dass ihr Glaube an die Weltrevolution nur eine
Flucht vor ihrer Verzweiflung sei, sieht Aggie ein, dass
sie einen falschen Weg gegangen ist. Ausserdem hat sie
die wahren Absichten Silvios erkannt. Sie sieht ein, dass
sie einem schlechten Menschen verfallen und zum Instrument,
zum Hel~er in der Verwirklichung seiner verderblichen Pli
ne geworden ist. Ihre Angst und Empdrung bringt sie in
folgenden Worten zum. Ausdruck: "Claus, er ist das Genie
der Lfige, der Verderb des Landes. Schon hat er alle und
alles auseinandergebracht, und ich habe ihm nach Krl~ten
geholfen. Ich m8chte nicht, dass er gewllli.lt wird." 48
Als Aggie die wirklichen.Absichten Sil
vios erkennt, mdchte sie ibn in der Verwirklichung seiner
Pline hindern. Da sie ein weiteres Dasein als Silvios
Geliebte nicht rdr lebenswert hllt, ihm aber als Frau ver
rallen ist, gerlt sie in Verzweiflung. Beide unternehmen
eine Reise auf einem kleinen Schiff, und als ein grosser
Stunn einsetzt, wird Aggie, die sich mit Silvio auf dem
Deck befindet, von einer Welle weggeschwimmt und ertrinkt.
Silvio, der sie durch eine verdichtige Bewegung zu "retten"
versucht, wird zuerst wegen Mordversuchs angeklagt, nach
her, obwohl ein deutscher Jurist gegen ihn Zeugenschaft
ablegt, freigesprochen, da man anniebmt, er habe in Not
wehr gehandelt. Unterdessen wird Silvio zum Abgeordneten
der rranz8sischen Kœmmer gewlhlt und kann nun seinen
dunklen PlRnen nachgehen.
Der ers te Roman der Trilogie, "Maria
capponi 11 , brachte das Gesellschaft~bild des Vorkriegs -
Europas. Der zweite Roman, "Blick aur die Vogesen", ist
der Raman des Landes Elsass, in dem das politische Drama
des elsissischen Menschen als Hauptthema erscheint. "Der
Wolr in der Htirde" ist der Roman des gewissenlosen Poli
tikers, der in einar Welt lebt, wo die nattirlichen,
geistigen Krlrte des Menschen nicht mehr ausreichen
um s ich dem Einsickern schidlicher poli tischer Ein -
fltisse wirksam entgegenzustellen. Es ist eine Welt die
sich durch Demagogie und falschen Doktrinismus tiberwll
tigen lisst, die die verhehrungen des Weltkrieges schon
99
zu vergessen beginnt, die durch grosse politische Fehler,
durch Mangel an Gdte und Vernunft schon den Keim zu neuen
schrecklichen Gewalttaten in sich trigt. Dieser progressi
ve Abfall der europlischen Gesellschaft von bestimmten
Grundprinzipien, die einar h8heren Gesetzmlssigkeit unter
stellt sind (wie etwa das Naturrecht bei den Stoikern), wo
die HUmanitlt als Emanation aller Gesetzgebung erscheint,
wird dann von Schickele in seinem Roman nnie Wi twe Bosc an
weitergeffthrt. Es ist sein Haupt-und Meisterwerk, das sti
listische und sprachliche Vorztige aufweist~ welchen nur
wenige Romane der deutschen modernen Literatur gleichkom-
men.
In einem Brief an Schickele schreibt Thomas
Mann tiber trDie Wi twe Boscan : 11 Die a.:nmutigste deutsche Pro
sa von heute, Crème, Bltite, Spitze, das Ausserste an heite
rer und gesunder Verfeinerung - geflhrlich nicht 1m Sinne
der Verweichlichung, aber des AnspruchB, denn andre deut-
sche Bticher nachher zu lesen, wird schwer sein. n 49
Obwohl dieser Roman von der politischen
Thematik kaum bertihrt ist, bringt er doch dem Leser das
Bild des seelischen und moralischen Verfalls Europas in
den Dreissiger Jahren, wenn Entscheidungen reiften, die
splter das tragische Schicksal Europas bestimmen sollten.
In einem Brief an Stefan Zweig, vom 11. September 1934,
100
schreibt Schickele ~ber diesen Roman folgendes: 11Ich schrieb
ibn voriges Jahr in Sanary, in der Zeit schwerster Depres -
sion, und ich ~bertreibe kaum, wenn ich sage, dass er mir
das Leben rettete. Er ist eine (etwas her.metische) Aus -
einandersetzung mit dem in Mord und Tod verstrickten Euro
pa." 5o
Mit prophetischem Auge sah Schickele die
.kammende, schreckliche TragBdie Europas voraus. Fdr ihn
wird sie nicht die Fblge einer ungl~cklichen politischen
Konjunktur, oder einar schlecht ge~rten internationalen
Politik sein. Schickele sah tiefer und er sah richtigl
Er sah in der neuen Situation die Katastrophe des Men -
achen, der sein Gewissen verloren hat, der die alten meta-
physischen Bindungen abgelegt hat, ohne neue zu finden.
101
V. ALLGEMEINES UBER SCHICKELES DICHTUNG
Die Natur spielt in der Dichtung Schickeles
eine hervorragende Rolle. Die Figuren seiner Romane schei-
nen Abbildungen oder Ausgeburten der Natu~ in welcher sie
leben, zu sein. In keinem seiner Werke hat Schickele die
Sch8nheit der Natur so meisterhaft geschildert wie in der
"Wi twe Bosca", wo ein, die Natur beschreibendes Leitmotiv
mit welchem der Roman beginnt und endet, von struktureller
Bedeutung erschèint. Der ganze Roman IDmelt einar syrnpho
nischen Dichtung, in der die Leidenschaft der Natur und
der in ihr lebender Menschen von Pan selbst in Musik ge-
setzt wurde. Hemmungslos wie diese Natur, erscheinen auch
die Helden des Romans • • • Uber die Helden der Schickeleschen Dichtungen
kann man tm Allgemeinen sagen, dass sie sehr spontan ver-
anlagt sind. Fast ein jeder seiner Romanhelden bietet ein
Charakterbild, das aus einem Conglomerat der verschieden
sten Gefdhle, wie: Leidenschaft, Begierde, Sehnsucht,GHte,
Uberschwlnglicbkeit, Nostalgie, besteht, das in der Syn
these dem Leser meistens als ein unl8sbares R!tsel dieses
102
Charakterbildes erscheint. Benkal, Paul Merkel, Maria
Capponi, Hans Boulanger, Claus Breuschheim, Silvio Wolf,
John van Maray und die Witwe Bosca sind Erscheinungen
deren innerstes Seelenleben uns meistens unergrdndet
bleibt. Sie handeln oft spontan, ohne besonderen Anlass,
vielmals unter dem Drang einer plBtzlichen Anwandlung,
die eigentlich unerklHrlich bleibt. Ein innerer DHmon
scheint sie anzutreiben.
Obwohl ein hervorragender Kenner der
menschlichen Seele, hat Schickeles dichterisches Werk
mit dem Psychologismus des realistischen und naturali
stischen Romans Weniges gemeinsmn. Der innere psycholo
gische Vorgang wird uns fast niemals geschildert, psycho
analitische Betrachtungen sind Husserst selten. Seiten -
lange Beschreibungen elnes inneren, seelischen Vorganges,
wie wir sie in den Romanen Zolas, Tolstojs, Dostojewskis
oder Thomas Manus vorfinden, kammen bei Schickele nicht
vor. Nur die Handlungen und persBnlichen Aussagen der
Helden, erlauben einen indirekten Blick in ihre Seele,
ein Vorgang, der den literarischen Wert dieser Dichtun
gen garnicht vermindert, 1m Gegenteil, die einzelnen Fi
guran umso interessanter (weil sie einar bestimmten
Enigmatik nicht entbehren) erscheinen 14sst.
Ein bestimmter Zug ins Idealistische, die
103
Tendenz zu idealisieren, ist 1m werke Schickeles unver -
kennbar. wenn Hber Dostojewskis Helden gesagt wurde, dass
auch die schlechtesten unter ihnen einen Hang zum Guten
haben, so kann man dasselbe Hber Schickeles Helden sagen.
Sie besitzen nicht die passiv - naive Gutmütigkeit der
Helden Fontanes, sind aber bestimmter Affekte oder seeli
schen Rdhrungen flhig. Obwohl ein skrupelloser Karrierist,
erscheint hie und zu lm Auge Silvios eine Trine, die auf
seine innere Rdhrung hinweist; und auch die Witwe Bosea,
von Thomas Mann als 11 eine richtige Pans - Hexe" bezeich
net, empfindet eine fast leidenschaftliche Mutterliebe
fHr ihre Toehter. Die meisten Helden der Romandichtun
gen Schiekeles sind aber Trlger elnes komplizierten Cha-
. rakterbildes, sie sind zugleich gut und schlecht, keuseh
und sinnlieh, zurHckhaltend und frivol.
Vor allem ist Schickele als Dichter seiner
Heimat, des Elsass und des elsissisehen Volkes, bekannt.
Die Tragddie seiner Heimat sieht er im politisehen Anta
gonismus zwischen Deutschland und Frankreich, darum war
er stets bemHht diesen Antagonismus zu 18sen, die politi
schen Differenzen der beiden Linder auszugleichen und die
nationalistisch - aggressiven Tendenzen dieser Staaten
zu bekimpfen. Ein neuer Menschentypus wird angestrebt,
der Merkmale beider Nationen trlgt (wie Claus Breusch -
104
heim, der Held seiner Roman -·Trilogie), und eine aut -
fallende Charakterliche Ahnlichkeit mit somanchen Helden
seiner Dichtungen aufweist. Es ist der Typus von dem
Schickele sagt: "Das Herz franz8sisch, der Kopf deutsch.
Nebenbei: das gleiche Lied haben alle els!ssischen Dich-
ter, grosse wie kleine, von jeher gesungen). Der Kopf
reformiere, aber daa Herz revolutioniere. Nur wo Bewe-
gung, Leidenschaft, Blut, Sinnlichkeit sei, da sei auch
Geist. n 1
Schickeles journalistische Laufbahn er -
innert in mancher Hinsicht an Heine, den er sehr hoch
schHtzte. Die Worte, die er ~ber Heine in einem Vortrag
aus dem Jahre 1910 sagte, treffen weitgehend auch auf
ihn zu: "Heine war weder Aristokrat noch Demokrat, er
war eine eigene Natur. Er kAmpfte mit den besten geisti
gen Waffen des Jahrhunderts rdr jede Freiheit des Men-
h Il 2 sc en •••
Mit Heine liessen sich auch andere ana-
logische Betrachtungen aufstellen. Beide, sowohl Heine
ala auch Schickele, waren Dichter mit einem ausgeprig -
ten Sinn und Interesse rür die politischen Geschehnisse
ihrer Zeit, beide hatten sich als Journalisten betitigt,
beide bekimpften den chauvenistischen Nationalismua unter
all seinen Formen, beide waren aber zuerst Dichter und
105
dann Publizisten und keiner von ihnen war ain konsequenter
politischer Denker oder Theoretiker. was beiden vor allem
gemeinsam ist, ist der volle Einsatz im publizistischen
und dichterischen Werk rdr die geistige Freiheit des Men-
achen, die Angst vor der Trivialisierung des Geistes und
die FUrcht vor einem allgemeinen politischen Terror durch
die Herrschaft des Proletariats.
In einem Brief aus dem Jahre 1841 an Gustav
Kolb, den Redakteur der 11Allgemeinen Zeitung", schreibt
Heine, dass die Angst vor den Greueln einar proletarischen
Herrschaft ihn zum Konservativen gemacht hat. 3
Auch rfir Schickele wird mit der Herrschaft
des Proletariats der Komplex der Gewalt nicht aufgehoben,
sondern gef!hrlicher, denn es ist nun die Klasse die aus
einer Mehrheit besteht und im Regieren nicht kundig ist,
die sich an einar Minderheit r~chen will. Es ist eine
neue Phase der Liquidation, ein rdcksichtsloser Kampf um
die Macht und Behauptung der Macht.
Wie Thomas Mann hat auch Schickele die poli
tischen Ereignisse in Deutschland vor dem zweiten Welt
krieg als eine Auflehnung gegen eine hergebrachte, tradi
tionelle Ordnung, einem statua quo, und besonders gegen
den humanitdren r~ist des europ~ischen Humanismus ange
sehen. Daher auch bei beiden eine negative Einstellung
gegen~ber dem Protestantismus und die Rechtfertigung des
Katholizismus, als einer Institution die als Trigerin von
traditionellen positiven Werten und somit von Kultur er
scheint, wHhrertd jeder Protest das kulturelle Erbe des
Menschen in seiner Weiterentwicklung hemmt.
VI. ABSCHLIESSENDE ZUSAMMENFASSUNG
Seine literarische Laufbahn hat Schickele als
Expressionist begonnen. Als er im Jahre 1914 die Heraus
gabe der Zei tschrift "Die weissen BHI.tter" tibernahm,
wurde er auch zum geistigen Fdhrer dieser literarischen
Richtung. Die politische Hauptdoktrin der Schule war
die Untrennbarkeit von Politik und Literatur. Die Zeit
schrift bedeutete die Mobilisierung des Geistes !tir die
Politik, und zwar ftir eine antimilitaristische und pa
zifistische. Schickele wurde einar der Hauptexponenten
dieser politischen Ideale.
Nur in seinen ersten Romanen wie 11 Benkal
der Frauentr8ster" oder "Der Fremde" blieb er dem Expres
sionismus treu. Eine so starke Pers8nlichkeit konnte sich
f~r die Dauer nicht in den Rahman aines literarischen
106
Programma einrdgen, seinen politischen Idealen blieb er
jedoch treu sein Leben lang.
Schickele war ein politischer Idealist.
107
Er war fest ~berzeugt, dass die menschliche Gesellschaft
nur dann verlndert werden k8nnte, wenn sich der Einzelne
veriridere, durch eine lang andauernde Revolution des
Menschenherzens, durch Lluterung der Lebens~rung • Eine
goldene Ara der Menschheit erblickte er in einer klassen
losen Gesellschaft, in der nicht eine bestimmte Klasse,
sei es auch die wdrdigste, herrscht, einer Gesellschaft,
in der Humanitit, Verst!ndnis und G~te zur Quelle jeder
Rechtssaatzung werden.
Sein innigster Wunsch war die Nationen
Europas in Eintracht und Frieden leben zu sehen. Ein
alleuropiischer Staat, der in erster Linie auf der fried
lichen Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs fussen
sollte, war sein ersehnter politischer Traum, den ·er
leider nicht erleben sollte, der aber haute zur brennen-·
den Aktualitlt geworden ist und zum wiederholten Mal sein
politisches Genie und seine prophetische Gabe rechtfertigt.
lOS
Chronologisches Verzeichnis der Werke Rene Schickeles
Jahr der Verélff'entlichung
19o2
1902
1906
1907
1911
1911
1913
1913
1913
1914
1914
191.5
191.5
1915
1919
1919
1920
1920
1922
1925
1927
Ti tel
Sommernichte (Gedichte)
Pan ( Gedichte)
Ritt ins Leben (Gedichte)
Der Fremde {Roman)
Weiss und Rot {Gedichte)
Me ine Freundin Lo (Roman)
Benkal der Frauentrélster (Roman)
Das Gl~ck (Novelle)
Schreie auf' dem Boulevard {Essaya)
Trimpopp und Manasse ·(Novella)
Die Leibwache (Gedichte)
Mein Herz, mein Land (Gedichte) ;
Ais se (Novelle)
Hans im Schnakenloch (Schauspiel)
Die Genfer Reise {Essaya)
Der neunte November (Essays)
Am Glockentur.m {Schauspiel)
Die neuen Kerle (Kom8die)
vlir wellen nicht sterben (Essaya)
Maria Capponi (Roman)
Blick auf' die Vogesen (Roman)
Jahr der Ver8ffent1ichung
1929
1931
1932
1933
1935
1937
T1te1
Symphonie fiir Jazz (Roman)
Der Wolf in der Hl'irde (Roman)
Die Grenze (Essaya)
Die Witwe Bosca (Roman)
Himm1ische Landschaft (Essays)
Die F1aschenpost (Roman)
109
110
ANMERKUNGEN
I. EINLEITUNG
1. Rudolf Kayser, "Aufru.f und Fla:nnne", Literatur-Revolution 1910-1925 (Paul P8rtner), Hermann Luchterhand Verlag, Mainz,l961, Band II, S.465
2. Thomas Mann, n Al tes und Neues", s. Fischer Verlag, Ftank.furt/Main, 1953
3. Kurt Hiller, "Geist werde Herr 11, Literatur-Revolution
1910-1925 {Paul Pdrtner), Hermann Luchterhand Verlag, Mainz, 1961, Band II, s. 392/393
1
II. ZUR BIOGRAPHIE RENE SCHIGKELES
III.
1. René Schickele, "Werke in drei Blinden", Verlag Kiepenheuer & Witsch, K8ln/Berlin, 1959, Band III, S. 837
2. Band III s. 838
3. ebenda s. 837
PUBLIZISTISCHE SCHRIFTEN
1. René Schickele, nwerke in drei Biinden 11, Verlag Kiepen-
hauer & Witsch, K81n/Berlin, 1959~ Band III, S. 438
2. Band III s. 431
3. ebenda s. 437/438
4. ebenda s. 446/447
5. eben da s. 444 6. ebenda s. 439
7. ebenda s. 437
8. ebenda s. 1008
9. ebenda s. 458
10. ebenda s. 489
111
11. René Schicke1e, nwerke in drei Biinden n, Ver1ag Kiepen-heuer & Witscn, KB1n/Ber1in,1959, Bd. III, S. 489-490
12. Band III s. 590
13. ebenda s. 590
14. ebenda s. 591
15. ebenda. s. 593
16. ebenda s. 593
17. ebenda s. 620
18. ebenda s. 993
19. ebenda s. 994/995
20. ebenda s. 988
21. ebenda s. 410
22. ebenda s. 994
23. Band I s. 11
24. Band III s. 1047
25. Band I s. 10
26. Band III s. 486/487
27. ebenda. s. 499/500
28. ebenda s. 1007
29. ebenda s. 463
30. ebenda s. 488
31. ebenda s. 489
32. ebenda. s. 471
e 112
, '!Werke in drei Binden", Verla.g Kiepen-33. Rene Schicke1e, heuer & Witsch, KB1n/Ber1in, 1959, Bd. III, S. 472
34. Band III s. 477/478
35. ~benda s. 1263
IV. DAS DICHTERISCHE WERK
1. René Schicke1e, 11 Werke in drei Biinden 11, Ver1ag Kiepen-
heuer & Witsch, K81n/Ber1in, 1959, Bd. III, s. 12
2. Band III s. 13
3. ebenda s. 24
4. eben da s. 33
5. ebenda s. 34
6. ebenda s. 35
7. ebenda s. 40
8. ebenda s. 41
9. ebenda s. 41
10. ebenda . s. 42
11. ebenda s. 50
12. ebenda s. 70
13. ebenda s. 74
14. ebenda s. 78/79
15. ebenda s. 76
16. ebenda s. 71
17. ebenda s. 93
113
lB. René Schicke1e, "Werke in drei Bltnden", Ver1ag Kiepen-heuer & Witsch, K81n/Ber1in, 1959, Band III, S.105/106
19. Band III s. 101
20. a benda s. 106
21. eben da s. 105
22. Band I s. 60/61
23. a benda s. 61
24. a benda s. 65
25. a benda s. .69
26. a benda s. 69
27. a benda s. 156
28. eben da s. 159
29. a benda s. 171/172
30. ebenda s. 67/68
31. a benda s. 339
32. ehenda s. 357
33. a benda s. 383
34. a benda s. 361
35. a benda s. 359
36. a benda s. 402/403
37. a benda s. 414
38. ebenda ...., ,). 417/418
39. a benda s. 443
v.
114
40. René Schickele, "\verke in drei Bilnden11 , Verlag Kiepenheuer & Witsch, K8ln/Berlin, 1959, Band I, S. 440/441
41. Band I s. 631
42. ebenda s. 6.59
43. ebenda s. 709
44. ebenda s. 707/708
45. ebenda s. 708
46. ebenda s. 80.5
lt-7. ebenda s. 844
48. ebenda s. 970
49. Band III s. 1064
5o. ebenda s. 1208
ALLGEMEINES UBER SCHICKELES DICHTUNG
1. René Schickele, "Werke in drei Bilnden", Verlag Kiepen-heuer & Witsch, K81n/Berlin, 19.59 Band III, s. 1038
2. Band III s. 848
3. tiilliam Rose, "Heinrich Heine 11, The Clarendon
Oxford, 19.56, s. 61/62 Press,
Bertaux, Felix
Bi thell, Jethro
Du.we, Willi
Horst, K.A.
Kesten, Hermann
Lion, Ferdinand
Mann, Thomas
, Mosse, Fernànd
Nadler, Josef'
115
BIBLIOGRAPHIE
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11Einlei tung 11 , René Schicke1e, Wer.ke in drei Biinden, KBln/Berlin, 1959.
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Sokel, Walter H. "The wri ter in extremis'; Exp re ssionism in Twentieth-Century German Literature, Stanford University Press, Stanford, Ca1ifornia
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Stadler, Ernst "René Schickele", Die Aktion - Wochenschrift f~r Politik, Literatur und Kunst, Dezember 1912, Berlin/Wilmersdorf.
"Über ein Essaybuch 11, Rezension,
Die Aktion, 19. Ju1y 1913.
"Benkal der Frauentrê:Jster", Rezension, Die Aktion, 29. August 1914.
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