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„Psychose-Sucht“
Fordern, Fördern, BegleitenSybille Hornung-Knobel
oFachkräfte der Psychiatrie werden in ihrem schützenden und fürsorglichen Verhalten von Suchtkranken doch über den Tisch gezogen
oPsychisch Kranke und Suchtkranke in einem Wartezimmer – das geht nicht!
oDie Psychiatrie ist so vereinnahmend, da muss die Suchthilfe aufpassen, nicht geschluckt zu werden
Psychose und SuchtVorbehalte
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Was bedeutet Suchtmittelabhängigkeit?
„Sucht ist eine chronische Erkrankung. Also medizinisch, soziologisch, ethisch, und nach manch anderen Kriterien vollständig vergleichbar etwa mit Diabetes und Bluthochdruck. Eigentlich. In entsprechenden Diskussionen, egal ob am Stammtisch oder unter Fachleuten, wird dann jedoch oft noch angemerkt, immerhin seien Süchtige mitverantwortlich für die Entstehung ihrer Krankheit und zudem entscheide auch der freie Wille des Einzelnen wesentlich darüber mit, ob der Süchtige süchtig bleibe oder aussteige. Interessanter Weise gilt all das auch für die genannten anderen chronischen Erkrankungen. … Doch ausschließlich Suchtkranke bekommen die volle Wucht einer über Jahrhunderte tradierten Moral, die sie zu irgendwie dann doch charakterlich-moralisch eher dubiosen Gesellen erklärt, die im Zweifelsfall auch die Konsequenzen ihres fahrlässigen oder verwerflichen Tuns zu tragen haben.“Newsletter 1/2012 der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren e. V.
Hornung-Knobel 2012
Psychose und Sucht
Patienten mit Psychose und Sucht sind eher die Regel als die Ausnahme
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Die Lebenszeit – Komorbidität schizophrener Patienten für Drogen- u. Alkoholmissbrauch beträgt: 47 % (40%-60%) (Regier et. al 1992;Krausz et al. 1998)
Fast jeder 5. Patient mit Schizophrenie hat eine zusätzliche Alkoholerkrankung mit ansteigender Tendenz ( Koskinen et al. 2009)
Schizophrene Patienten haben ein 8 x höheres Risiko zur Entwicklung eines Drogenkonsums als Gesunde ( Krausz & Haasen 1999)
Bei Medikamenten-Noncompliance und fortgesetztem Drogenabusus findet ein Rezidiv nach 5 Monaten statt (ohne Drogenabusus nach 10 Monaten)
Psychose und SuchtFakten
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Alter bei Ausbruch der Schizophrenie
oCannabismissbrauch 17,7 JahreoAlkoholmissbrauch 21,7 JahreoAbstinenz 25,7 Jahre
oAnnähernd gleiche Altersdifferenz bei den nachfolgenden Meilensteinen der Krankheitsentwicklung
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Vorzeitige Auslösung der Schizophrenie durch Suchtmittelkonsum
oDie häufigsten legal eingenommenenDrogen sind Alkohol und Nikotin
oDie weltweit am häufigsten
konsumierte illegale Droge ist Cannabis
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Aktuelle Prävalenz der Komorbidität
oüberwiegend männliche Patienten
ojünger als der Durchschnitt der restlichen schizophrenen Erkrankten
ogeringere Schul-und Berufsausbildung
ounverheiratet
omehr Rückfälle und stationäre Aufnahmen
osind schlechter sozial integriert
ohäufiger (auto-)aggressiv
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Psychose und Suchtpatienten
Komplikationen bei psychisch Kranken mit Suchtproblemen
oHöhere Anzahl an Suizidversuchen
oGeringere Impulskontrolle und mehr Risikoverhalten
oTeilweise mehr Kooperationsprobleme in der Behandlung
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Ätiologie
Hornung-Knobel, IAK-KMO
1.Schizophrenie Suchtverhalten
(Selbstmedikation bzw. Affektregulation)
2.Konsum (Mit)verursachung / Induktion der Psychose
3.Gemeinsame ( biologische) Grundlagen
Modell für Komorbidität Psychose / Sucht
Hornung-Knobel, IAK-KMO
o Affektregulationsmodell:Negative Affekte, psychosoz. Stress führen zu Substanzmissbrauch
(ungezielte Coping-Strategien gegen diffuse dysph. Zustände)
o Selbstmedikationshypothese:Anhedonie, Antriebsarmut aktivierende SubstanzenAnspannung, Ängste, Halluzinationen dämpfende SubstanzenLeichte Verminderung der schizophrenen Negativsymptome, jedoch deutliche Verbesserung der affektiven Verflachung
o Social Drift Hypothese:Ungünstige soziale u. finanzielle Entwicklung begünstigen den Missbrauch
Suchtverhalten als Reaktion auf direkte Symptome der Psychose
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Modell der sekundären psychischen Störung
Substanzkonsum Psychoseinduktion Konsum von Substanzen wie Cannabis, Stimulanzien etc. begünstigt den Ausbruch einer Psychose bei bestehender neurobiologischen VulnerabilitätIdentitätsstiftend in der Subkultur Hochsignifikante Häufung des simultanen Beginns von Drogenmißbrauch und des Ausbruchs der Schizophrenie im gleichen Monat
Hornung-Knobel, IAK-KMO
1.Häufiger Cannabis-Konsum erhöht das Risiko für eine schizophrene Erkrankung um das 6fache (N. Andreason 1992)
2.Regelmäßiger Cannabiskonsum verdoppelt das Risiko an einer Schizophrenie zu erkranken und senkt signifikant das Erkrankungsrisiko (Venn et al. 2004)
3.Ein 2fach höheres Risiko psychotischer Symptome zu bekommen besteht bei regelmäßigem Cannnabis-Konsum (C. Henquet 2005)
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Erkrankungsrisiko von Cannabiskonsumenten für Schizophrenie
Modell für Komorbidität
Gemeinsame ätiologische Faktoren führen zur Prädisposition für beide Störungen
Dopaminergen SystemPrimäre neurobiologische Dysfunktion im zentralen dopaminergen System„Primary Addiction Hypothesis“
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Vorgeschichte
Getrennte Entwicklung der psychiatrischen Versorgung und der Suchtkrankenhilfe
Verschiedene Behandlungs- und Betreuungsansätze
Wechselseitiger Ausschluss
Doppeldiagnoseklienten als Systemsprenger
Konzept einer Spezialeinrichtung
Hornung-Knobel 2012
Grundhaltungen
Zwei Menschen gleich behandeln, heißt einen falsch behandeln (V. Frankl)
„Erfolge“ nur sehr kleinschrittig erreichbar
Milieutherapie, leben in der Gemeinschaft
Hornung-Knobel, IAK-KMO
oIntegration der (sich zu einem großen Teil widersprechenden) sucht- und psychosespezifischen Behandlungsstrategien
oInterdisziplinäres Team mit Erfahrung in der Behandlung beider Erkrankungen
o„Individualisierte“ und abstinenzorientierte Behandlung
oBerücksichtigung der geringen Motivation
oNiederschwellig, langfristig angelegte Behandlung
o Mueser, 2000 Integratives Behandlungskonzept
Anforderung an die Behandlung
Psychose und Sucht
„Motivational Interviewing“( Milieutherapie)
Verhaltens – und soziotherapeutische Elemente
Modifizierte Psychoedukation
Anticraving - Skills
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Therapeutische Haltung und Strategien der „Integrativen bewältigungsorientierten Behandlung ( IBB)
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Integratives Behandlungskonzept im Isar-Amper Klinikum
Rahmenbedingungen Offen geführte Station (22 Betten) Arbeit mit Rückfällen (Funktion des Konsums?) Kontaktgespräch vor Aufnahme Behandlungsdauer: ca. 8 Wochen Station als „sicherer Raum“
Behandlungsanforderungen
Interdisziplinär
Kompetent
tailor-made
Kleinschrittig, realistisch
Langfristig
Aufnahmemodalitäten M/W ab dem 18. Lebensjahr
D: Psychose & Sucht
Minimalforderung = Abstinenzversuch
Ausschlußkriterien:- akute
Selbst-/Fremgefährdung- massive
Entzugssymptomatik
MultidisziplinäresTEAM
Pflegekräfte, TherapeutInnen, PsychologInnen,SozialpädagogInnen,ÄrztInnen
Integratives Behandlungskonzept
E – S - M - Gruppe
Edukation /// Skills /// Motivation
Elemente der Psychoedukation
Informationsvermittlung bei Schizophrenie- und Suchterkrankung (Symptomatik, Ursachen etc.)
Informationen über negative Interaktionen beider Störungen
Emotionale Entlastung (Erfahrungsaustausch)
Erkennen von psychotischen Frühwarnsymptomen und Risikosituationen bezüglich Sucht
Psychopharmakotherapie
Das psychoedukative Training ist in Module eingeteilt, wobei sich das Modul psychische Erkrankung und das Modul abwechseln
Skilltraining zur Verbesserung des Suchtdruck
DBT versucht unkontrollierte Prozesse für Klienten berechenbar zu machen. Skillstraining bietet spezifisches Fertigkeitentraining zur besseren Kontrolle enormer Spannungszustände, Emotionsregulation und zur Verbesserung des Craving
Erweiterung des Manuals zur Verringerung des Suchtmittelkonsums.
Anticraving – Skillgruppe
6-8 Patienten in einer Gruppe
Patient soll kognitiv in der Lage sein, den Hintergrund der Skills- Anwendung zu erfassen
Inhalt der Gruppe: 2x Achtsamkeit – 2x kurzfristige Anti – Craving Skills- 3X langfristige Skills und 1x Wiederholung
Motivationsgruppe
Einmal wöchentliche Gruppe
- Für Patienten, die keine Einsicht in ihr Suchtproblem haben oder eine starke Ambivalenz zeigen
Inhalt
- Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung
- Motivation zur Veränderung der Lebensgestaltung
- Förderung der Introspektionsfähigkeit
- Aufzeigen einer Zukunftsperspektive mit und ohne Suchtmittel
- Anerkennen der eigenen Hilfsbedürftigkeit und aktives Hilfesuchverhalten
Respektvoller Umgang untereinander
Empathische und nicht moralisierende Grundhaltung
Transparenz und Offenheit
Engagierte Gelassenheit
Intensive und fachkompetente Bezugspflege
Milieutherapeutisches Setting
Hornung-Knobel, IAK-KMO
„ Motivierende Gesprächsführng“( MI)
Patient ist nicht änderungsresistent, sondern ambivalent Keine Defizite aufdecken, sondern Änderungsbereitschaft wecken.
Suchtkranke Menschen durchlaufen verschiedene Stadien ihrer Motivationslage bis zur Erreichung einer endgültigen Abstinenz
Suchtkranke Menschen durchlaufen verschiedene Stadien oder Stufen ihrer Motivationslage bis zur Abstinenz
Hornung-Knobel, IAK-KMO 2010
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Kurzfristige Ziele unserer Behandlung
Psychische Stabilität und Suchtmittelkarenz
Verbesserung der Behandlungs- und Medikamentencompliance
Förderung der Abstinenzmotivation und –einsicht
Verbesserung des sozialen Funktionsniveaus
Verringerung der Drop-out-Rate
Schaffen einer Vertrauensbasis
Erarbeitung einer Zukunftsperspektive/Freizeitgestaltung
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Längerfristig:
Schadensbegrenzung
Überlebenssicherung
Verhinderung gesetzlicher und strafrechtlicher Unterbringungen
Integration in das soziale Versorgungsnetz
Anbindung an die ambulante Nachsorge
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Behandlungsziele
oNebenwirkungsarmut der Neuroleptikaatypische Neuroleptika (oral)atypische Depot-Neuroleptika
oStützende BehandlungAntidepressivumMood-StabilizerAnti-Craving
Vitamin B12 und Folsäure Hornung-Knobel, IAK-KMO
Anforderungen an Pharmakotherapie
oUmsetzen eines Abstinenzmilieus
Systematisches Überwachen
Thematisieren des Suchtmittelkonsums
Craving- Protokoll, Skill-Liste, -Vertag Ausrutscher
oSorgfältige Rückfallanalyse(Hochrisikosituation, Funktion des Suchtmittels)
oKonsequenzen bei Rückfall
Rückfallbericht
5 Tage Craving-Protokoll
3 Tage Ausgangssperre
oWochenendbeurlaubung nach 7 abstinenten Tagen
Suchtmittelbezogene Rückfallprävention
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Familieninterventionen
oFrühzeitiges Einbeziehen der Angehörigen
oRegelmäßige Treffen/Absprachen (falls erwünscht)
oPsychoedukation für Angehörige
oEvtl. Hausbesuche
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Psychosoziale Maßnahmen
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Psychosoziale Maßnahmen
oEntlassung in „konsumsensitives“ Umfeld
oAbsprache mit Patienten und Bezugspersonen
oWenn möglich, Entlassung über Tagklinikstatus
oSelbsthilfegruppe
oFeststehender ambulanter Termin beim Arzt/Therapeuten
Besondere Anforderungen an die Mitarbeiter
Bereitschaft und Bewusstsein sich auf schwieriges Klientel einzulassenprofessionelles Verständnis von Nähe und Distanzhohes Maß an Selbstreflektion gegenüber Abwertung oder Idealisierung oder Gefühle wie Hilflosigkeit, Wut und Aggressiondas Zur-Verfügung-stellen eines schützenden Lebensraumes und offene Aussprache über schädliches und suchtspezifisches Verhalten und Konsum (Co-Abhängigkeit)Unterstützung anbieten und Überforderungen vermeidenlangfristigen Perspektive für den einzelnen berücksichtigen
Die Effektivität der integrierten Behandlung
Abnahme der Komplikationen durch den Konsum (z.B. Beschaffungskriminalität)Rückgänge der Frequenz der stationären AufnahmenBesserung des Gesundheitszustandes insgesamtBesserung der sozialen LageVerbesserung der WohnsituationReduktion der Konsummengen bis hin zur AbstinenzWiedereingliederungEinschränkung illegaler Aktivitäten
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Integrative Versorgung bewirkt:
1.Weniger Hospitalisierungen (Detrick Stiebock, 1992; Godley et al., 1994)
2.Reduktion von Konsummengen (Drake et al., 1993)
3.Niedrige Drop-out-Raten (Drake et al., 1993; Bartels et al., 1995)
www.DFPS.de
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Hornung-Knobel, IAK-KMO
Danke fürs lange Zuhören!!!
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