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Programm „Jubilé à Paris“ in Ron-callis Apollo Varieté feiert am Don-nerstag seine offizielle Premiere.Zum 20. Geburtstag gibt es am8. und 9. September einen franzö-sischen Markt auf dem Vorplatz(Freitag 17 bis 23.30 Uhr, Samstag12 bis 23.30 Uhr).

Wagen Für Sonntag (10.9.) lädtdas Theater zum „Tag der offenenTür“ (11.30 bis 21 Uhr). BernhardPaul bringt zu diesem Wochenen-de seine Lieblings-Zirkuswagenmit.

Morgen ist Premiere desJubiläums-Programms

INFO

INTERVIEW BERNHARD PAUL

„ Perfektionisten sind arme Schweine“Das Apollo-Theater unter der Kniebrücke besteht seit 20 Jahren. Der Gründer erinnert sich an die Anfänge und großen Veränderungen.Wenn der kleine Bernhard rebel-lisch war und nicht lernen wollte,schimpfte seine Mutter: „Du endestnoch im Zirkus oder unter der Brü-cke!“ – erzählt Bernhard Paul. Bei-des traf ein. Und auf beides kann erstolz sein. 1976 erfand der Österrei-cher mit seinem Landsmann AndréHeller den Circus Roncalli und er-schuf eine Welt der Fantasie und derPoesie. Zwei Jahrzehnte spätergründete er das Apollo-Varieté undließ sich unter der Kniebrücke inDüsseldorf nieder. Mit der Jubilä-ums-Show „Jubilé à Paris“ begehtder Visionär (70) jetzt den 20. Ge-burtstag seines Theaters – Anlass fürRückschau und Ausblick.

Wie kam es 1997 zu diesem architek-tonisch ausgefallenen Bau?PAUL Ohne Johannes Rau wäre dasApollo nie denkbar gewesen. Derdamalige Ministerpräsident kanntemeinen Wunsch, nach dem BerlinerWintergarten und dem StuttgarterFriedrichsbau ein drittes Varieté zueröffnen, diesmal im Rheinland. DieIdee mit dem ungenutzten Brücken-winkel war von ihm, er hatte ihn anseinem Amtssitz täglich vor Augen.„Nimm den, dann brauchst du keinDach“, bestimmte er und fädelteruckzuck alles ein.

Konnten Sie Ihre Ideen umsetzen?PAUL Nicht alle. Reine Nostalgie, wieich sie mir wünschte, war in demNeubau nicht machbar. Das Foyermusste modern sein. Aber sobaldman die Treppe runtersteigt, daraufbestand ich, wird es plüschig. Wie es

Hat sich der Publikumsgeschmackmit den Jahren verändert?PAUL Gemächliche Nummern funk-tionieren nicht mehr. Alles musstemporeich und kurz sein. Pic, derberühmte Clown mit den Seifenbla-sen, könnte keine 13 Minuten mehrauftreten. Wenn ihnen etwas zu lan-ge dauert, gehen die Leute nichtmehr mit. Sie schalten ab und tip-pen in ihr Smartphone.

Bedauern Sie eigentlich diesen Wan-del?

Wie unterscheiden sich Apollo-Thea-ter und Roncalli?PAUL Das Apollo ist mit seinem inti-men Rahmen auch eine Art Probe-bühne, auf der sich Artisten hervor-ragend bewähren können. Im Zirkusverpflichte ich sie für zwei Jahre.Eine Nummer, die nicht gefällt,kann ich im schneller rotierendenVariete-Programm leichter austau-schen. Und manches passt einfachnicht in die Manege – wie die meis-ten Zaubertricks, die brauchen ei-nen abgeschirmten Hintergrund.

sich gehört. Viel Rot, Gold und Mes-sing.

Was fasziniert Sie am Varieté?PAUL Die wunderbare Tradition, dieprächtigen Säle in den Metropolender Welt. Das Varieté ist der kleinere,feinere und etwas dekadentere Bru-der des Zirkus. In Deutschland wares praktisch tot. Ich hatte große Lust,es aufzuwecken. Auch weil ich spür-te, welche Impulse vom Circus Ron-calli ausgingen. Schon da deutetesich eine neue Blüte an.

PAUL Ach was. Man spielt doch auchverschiedene Gesellschaftsspiele.Ist Schnelligkeit angesagt, nehmeich eben zwei Nummern mehr insProgramm. Ich bin ständig auf derSuche nach spannenden Künstlern,dabei hilft mir das Internet. Was ichda für Inspirationen finde, herrlich!Man mag die Technik verfluchen,aber ein Leben ohne Computer undHandy – unvorstellbar. Ein Klick,und ich kriege alles.

Die künstlerische Leitung im Apollohaben Sie Ihrem Sohn Adrian über-tragen. Also doch ein bisschen müde?PAUL Nein, ich habe das nicht ge-macht, um den Kopf frei zu kriegen.Ich glaube, dass wir von jungenMenschen viel lernen können – wassie mögen, was ihnen wichtig ist.Meine zwei Töchter habe ich in denCircus Roncalli eingebunden. Siebringen mir bei, Zeitströmungenund Einflüsse besser zu verstehen.Das hält mich jung.

Ein großes Glück, alle drei Kinder umsich zu haben!PAUL Sie wollten das, gedrängt habeich keinen. Ihr Leben im Zirkusempfanden sie immer als Paradies.Was auch stimmt, es ist ein Biotop,eine heile Welt. Jetzt sitzen sie zudritt in einem Fahrzeug und steuernes in eine Richtung. Steigt einer aus,fährt es trotzdem weiter.

20 Jahre Apollo, was denken Sie imRückblick?PAUL Dass die Zeit irrsinnig schnellvergeht. Mich freut das Jubiläum,

aber ich bin ein Mensch, der nie zu-frieden ist. Immer sehe ich, was ge-rade falsch ist. Perfektionisten sindarme Schweine.

Feiern werden Sie trotzdem, oder?PAUL Mit Vergnügen! Anfang Sep-tember bauen wir am Theater einenfranzösischen Markt auf, dazu stelleich einige historische Zirkuswagenaus meiner Sammlung aus. Wasschön ist: In Düsseldorf residierenwir bekanntlich am Apollo-Platz 1.Und seit August gibt es an unseremKölner Stammsitz die Roncalli-Stra-ße. Diese Adressen werden michüberleben.

REGINA GOLDLÜCKE FÜHRTEDAS INTERVIEW

Bernhard Paul, Chef des Apollo-Theaters. FOTO: DPA

D-LF-W

Düsseldorfer Kultur C3RHEINISCHE POSTMITTWOCH, 16. AUGUST 2017

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