Internationales und Europäisches Finanz und Steuerrecht 15. April 2015 Dr. Stephan Schauhoff...

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Internationales und Europäisches Finanz und Steuerrecht

15. April 2015

Dr. Stephan SchauhoffRechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

vonProf. Dr. Stephan Schauhoff

Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht

Internationales und Europäisches Steuerrecht

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Teil II: Überblick

Teil III: Nationales Recht

Teil IV: Internationales Recht

Teil I: Einführung

Teil I: Einführung

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§1 Grundlagen (Schaumburg, Kapitel 1 – Kapitel 4; Birk, § 3)

Teil I: Einführung

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I. Begriff des Internationalen und Europäischen Steuerrechts

Begriff des Internationalen Steuerrechts umstritten

Wie Internationales Privatrecht Kollisions- und Konfliktrecht mit der Funktion, Steuertatbestände voneinander abzugrenzen und Mehrfachbelastungen zu vermeiden

Heute weitergehend: Diskriminierung verhindern, Lücken schließen

Grundsatz der formellen Territorialität, aber Auslandssachverhalte bei Inländern besteuern

Alle nationalen, völker- und europarechtlichen Normen mit Steuerfolgen für den internationalen, d.h. grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr

Teil I: Einführung

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II. Das Europäische Steuerrecht

1. Primärrecht: Vertrag von LissabonVertrag über die Europäische Union (EUV)Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

(AEUV)

Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR):Island, Liechtenstein, Norwegen

Freizügigkeit Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV)

Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV)

Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV)

Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV)

Indirekte Steuern: Verbot protektionistischer Besteuerung (Art. 110 AEUV)

Teil I: Einführung

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II. Das Europäische Steuerrecht

2. Sekundär- und Tertiärrecht

Steuerharmonisierung (einstimmig)

Richtlinien (MWStSystRL, Mutter-Tochter-Richtlinie etc.)Schiedsverfahrenskonvention (Art. 293 EGV-alt: völkerrechtlicher Vertrag)Tertiärrecht: Kommission und Rat ermächtigt, vor allem Zölle

Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung: Art. 4 Abs. 3 AEUV iVm. Art. 238 Abs. 2 AEUV

Direktberufung auf klare Richtlinie ohne Umsetzungsspielraum

3. Rechtsprechung

Anwendungsvorrang für die GrundfreiheitenVorlageverpflichtung zum EuGH, aber Finanzverwaltung darf offenkundig europarechtswidrige Bestimmungen unangewendet lassen

Teil I: Einführung

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II. Das Europäische Steuerrecht

4. Beihilfeverbot im Steuerrecht

Art. 107 AEUV:

steuerliche Maßnahme schafft Unternehmen Vorteil in Gestalt einer steuerlichen Entlastung;

durch staatliche oder staatlich finanzierte Maßnahme;

Handel zwischen Mitgliedstaaten wird beeinträchtigt und schafft wettbewerbsverschärfende Wirkung, abstrakte Eignung genügt;

Steuervergünstigung weist selektive Wirkung aufSanierungsklausel des Abs. 1 Satz 4 ff. § 8c KStG: Vorschrift dient Missbrauchsbekämpfung oder Vorschrift führt generell zur Versagung von Verlusten bei Anteilseignerwechsel

Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Teil I: Einführung

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1. Verteilung der Finanzhoheit in der EU

Art. 110 – 113 AEUV, aber nur Vorschriften gegen steuerliche Diskriminierung und für Harmonisierung

Keine Befugnis zur Erhebung eigener Steuern bei der EU, aus Art. 192 Abs. 2 AEUV Kompetenz, C02/Energiesteuer einzuführen

Ertragshoheit: Eigenmittel, finanziert von Mitgliedstaaten

Verwaltungshoheit bei Mitgliedstaaten

Teil I: Einführung

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2. Auswirkungen primärrechtlicher Regelungen auf die nationalen Steuerrechtsordnungen

EuGH zieht seit 1986 Grundfreiheiten verstärkt heran, um diskriminierende bzw. beschränkende Bestimmungen für unanwendbar zu erklären. Dreistufige Prüfung

Welche Grundfreiheit anwendbar (Konkurrenzen)

Verstoß: Schlechterstellung von grenzüberschreitendem gegenüber rein inländischen Vorgängen

Rechtfertigungsgrund und dessen folgerichtige Umsetzung

Teil I: Einführung

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3. Steuerharmonisierung innerhalb der EU

a) Harmonisierung von direkten Steuern punktuell durch Richtlinien

b) MWStSystRL

EnergiesteuerRL

Harmonisierungsverpflichtung bei Verbrauchssteuern

Teil I: Einführung

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III. Das nationale Steuerrecht als Grundlage des internationalen Steuerrechts

Wer warum in welcher Höhe besteuert wird, regelt das nationale Steuerrecht

1. Wesentliche Steuerarten

Ertragsteuern: EStG KStG GewStG

Steuersätze: 20 – 45 v.H. 15 v.H. 3,5 v. H. x Hebesatznach Grundfreibetrag+ SolZ + SolZ+ KiSt

Steuerpflichtige: nat. Personen Körperschaften nat. Personen und Körpersch.

Bemessungsgrundlage:Einkommen mit sieben dito ditoEinkunftsarten unter Berücksichtigung

von Hinzurechnungen undKürzungen

Teil I: Einführung

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Verkehrssteuern:

UStG

Steuersatz 0/7 v.H/19 v.H.

GrErwSt: 3,5 – 6 v.H.

Besitzsteuern:

ErbStG

Grundsteuer

Teil I: Einführung

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2. Wesentliche Begriffe

Steuererhebungsverfahren: Veranlagung durch Steuerbescheid nach Erklärung

Quellensteuerabzug durch Vergütungsschuldner, Lohnsteuer, KapErtrSt

Zeitpunkt der Einkommenserfassung:

Zufluss / Abfluss (§ 11 EStG)

Gewinnrealisation unabhängig vom Zufluss, Abfluss: Forderungsentstehung, Rückstellung (überwiegende Wahrscheinlichkeit für Inanspruchnahme (§ 2 Abs. 2 EStG) (§ 4 Abs. 1 EStG, aber § 4 Abs. 3 EStG)

Überschuss Einnahmen über Werbungskosten

Jährlichkeitsprinzip statt Totalperiode:

Kalenderjahr

Wirtschaftsjahr

Teil I: Einführung

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3. Der Steuertatbestand

a) Subjektive Steuerpflicht:unbeschränkte Steuerpflicht Welteinkommenbeschränkte Steuerpflicht nur aus Quelle

b) Objektive Steuerpflicht:Einkommen (Schenkung, Nachlass, Erwerb etc.)bestimmtes Einkommen ( § 2 EStG)Einkünfte Gewinn oder Überschuss

Einnahmen (§ 8 EStG) über die Werbungskosten (§ 9 EStG)

Beispiel:§ 19 EStG, gleichgültig ob einmalig oder laufende Bezüge oder ob Rechtsanspruch besteht, wesentlich: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, also dafür gezahlt, bzw. Ausgaben dafür aufgewendet

c) Sonderausgaben für privat veranlasste Ausgaben

d) Tarif auf gesamtes in Deutschland steuerpflichtiges, steuerbares Einkommen

Teil I: Einführung

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Internationales und Europäisches Recht schränken die Steuerpflicht nach nationalem Recht ggfs. ein, sie begründen diese aber nicht eigenständig.

Steuerhoheit liegt, auch innerhalb Europas, bei Nationalstaat.

Teil I: Einführung

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IV. Das Internationale Steuerrecht

Zielsetzung: Vermeidung von Doppel- oder Dreifachbesteuerung desselben Sachverhaltes

X ist US-Staatsangehöriger, wohnt und arbeitet in Deutschland, besitzt eine Mietwohnung in Paris und erhält Dividendenausschüttungen der Novartis AG, Schweiz

USA wegen Staatsangehörigkeit

D wegen Wohnsitz

F wegen Belegenheit Immobilie

CH wegen Quellenprinzip

Teil I: Einführung

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1. Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte

Wohnsitzprinzip/Staatsangehörigkeit als Anknüpfung für Welteinkommen

Berechtigung dieses zu besteuern wieder eingeschränkt durch

- nationale Regelungen oder

- unilateral wirkende Verträge oder

- Doppelbesteuerungsabkommen

Teil I: Einführung

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2. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Freistellungsmethode: Einkünfte von BMG ausgenommen

Anrechnungsmethode: tatsächliche Steuer wird angerechnet

Abzugsmethode: (§ 34c Abs. 2,3 EStG):

ausländische Steuern von Bemessungsgrundlage abziehen

Pauschalierungsmethode: (§ 34c Abs. 5 EStG): fiktive Steuer wird angerechnet

Erlassmethode: (§ 50 Abs. 4 EStG): Steuer wird im Einzelfall erlassen, um Anwendung praktisch zu machen

Teil I: Einführung

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a) Unilaterale nationale Maßnahmen (Steueranrechnung, Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte)

Vorrang DBA vor § 34c Abs. 1 bis 3 EStG (§ 34c Abs. 6 EStG):

Bei DBA mit Freistellung vollständig;bei DBA mit Anrechnung, ob fiktive oder tatsächliche Steuer etc.

Teileinkünfteverfahren für In- wie Ausländer (§ 3 Nr. 40 EStG)Abgeltungsteuer § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG (Verstoß wegen Nettoprinzips, ohne Veranlagung wählen zu können?)

Gewinne bei Hinzurechnungsbesteuerung (§ 3 Nr. 41 EStG) steuerfrei

Steueranrechnung: Drittstaateneinkünfte (§ 50 Abs. 3 EStG) § 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG

Teil I: Einführung

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Steuerfreistellung

VW AG erhält von der brasilianischen Tochtergesellschaft eine Dividende. Brasilien erhebt 25 v.H. Quellensteuer. § 8b Abs. 1 KStG, aber § 8b Abs. 5 KStG Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf deutsche Körperschaftsteuer (§ 26 Abs. 1 KStG), nicht auf Gewerbesteuer, obwohl Steuerbelastung (15 v.H.; 15 v.H.) ähnlich hoch

Steuerabzug: § 26 Abs. 6 KStG iVm § 34c Abs. 2, 3 EStG: Abzug der ausl. Steuer von der BMG

Steuererlass und Steuerpauschalierung

Teil I: Einführung

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b) Bilaterale Maßnahmen (DBA)

DBA regeln Besteuerungshoheit

Wohnsitz bei DoppelwohnsitzenWer Einkünfte besteuern darf, wie weit Recht des Quellenstaates gegenüber Ansässigkeitsstaat reicht

Anrechnungsmethode: Kapitalexportneutraliät, dt. Steuerniveau

Freistellungsmethode: Kapitalimportneutralität, ausl. Steuerniveau

OECD-MA (aus 2010) mit Musterkommentar dazu

Deutschland hat DBA zu Ertrag- und Vermögensteuer mit ca. 92 Staaten; zu KFZ-Steuern (ca. 10); zu Erbschaft- und Schenkungsteuer (ca. 8)

Treaty override möglich

Teil I: Einführung

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3. Formen grenzüberschreitender wirtschaftlicher Sachverhalte

einige Beispiele

Teil I: Einführung

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a) Direktgeschäft

Formel 1 am Nürburgring, Besteuerung Fahrer, Teams

Teil I: Einführung

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b) Betriebstätte/ständiger Vertreter

A aus Frankreich mietet Lagerhaus für Auslieferung seiner Waren in Deutschland

Teil I: Einführung

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c) Kapitalgesellschaft

X aus F bezieht Dividenden der VW AG

Beschränkte Steuerpflicht mit Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung, Ermäßigung Quellensteuersatz durch DBA, aber Erstattung erforderlich

Teil I: Einführung

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d) Personengesellschaft

Rechtliche Qualität der ausländischen Gesellschaft (Qualifikationskonflikt)

Teil I: Einführung

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e) Grenzüberschreitende Lieferung/Leistung

Wer darf Gewinn aus Verkauf Maschine, in NL hergestellt, in D ausgeliefert, besteuern?

Teil I: Einführung

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4. Einkünfteverlagerungen und staatliche Abwehrstrategien

Internationaler Steuerwettbewerb, auch innerhalb EU Steueroasen

Teil I: Einführung

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a) Verrechnungspreise

Weltkonzern erzielt hohen Gewinn, durch Gestaltung der Rechtsbeziehungen fällt dieser in Steueroasen an

Inwiefern akzeptieren?

Teil I: Einführung

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b) Hinzurechnungsbesteuerung

Deutsche Y-KG hat Irish-Ltd., die den Konzern finanziert und fortlaufend daraus hohe Gewinne erwirtschaftet. Werden im Inland nicht besteuert, in D nur, wenn Ltd. ausschüttet, was sie vermeidet (§§ 7 ff. AStG)

Teil I: Einführung

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c) Gesellschafterfremdfinanzierung

Lux Holding gibt dt. Tochter-GmbH Darlehen mit 8 % Zinsen zur Geschäfts-finanzierungDt. Tochter deswegen gewinnlos Zinsen in D unbesteuert, auch Lux Holding zahlt Zinsen an Cayman Ltd., auch gewinnlos

Zinsschranke (§§ 4h EStG, 8a KStG)

Teil I: Einführung

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d) Unternehmensverlagerung

Gewinnrealisation bei Entstrickung?

Unternehmer (Sportler / Freiberufler) zieht weg

Teil I: Einführung

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e) Grenzüberschreitende Verlustverrechnung

X-AG macht in D Gewinne, bei GB-Tochter Verluste. Verrechenbar?

Im Inland Organschaft, Marks & Spencer § 2a EStG negative Einkünfte Dritt-staaten, negativer Progressionsvorbehalt mit Steuersatz 0 unter Berücksichtigung negativer ausländischer Einkünfte

Lidl Belgium: EuGH C-414/06, Slg. 2008 I-3601

Teil I: Einführung

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f) Arbeitsausübung im Ausland

Wohnsitzstaat, 183 Tage

Quellenstaat

Freiberufler, Arbeitnehmer, Künstler /Sportler etc.

FG Ba-Wü v. 26.09.2012 2 K 776/11:

Kläger arbeitet in Deutschland, kehrt zu Zweitwohnsitz in Frankreich zurück und lebt mit Familie in Österreich. Wer darf Arbeitseinkünfte besteuern?

Teil I: Einführung

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g) Erbschaft und Schenkung

Internationaler Zugriff auf dasselbe Steuersubstrat

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