Ich habe es sehr deutlich bemerkt, dass ich eine andere Meinung habe, wenn ich liege und eine...

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Ich habe es sehr deutlich bemerkt,

dass ich eine andere Meinung habe,

wenn ich liege und eine andere,

wenn ich stehe.

Georg Christoph Lichtenberg

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

Der Prozess des Bettlägerigwerdens durch allmähliche Ortsfixierung

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

„Festgenagelt sein”

Einsicht erhalten in die Entstehung von Bettlägerigkeit

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

Hauptfragen:• Was ist Bettlägerigkeit?• Welche Ursachen für Bettlägerigkeit gibt es?• Wie ist die Karriere des Bettlägerigwerdens?• Gibt es Schlüsselmomente?• Was bedeutet es bettlägerig zu sein und wie

bewältigen die Betroffenen die Situation?

Ziele der Studie

bedrestbedriddenbedboundlay-downconfinement to bed

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

40 Nennungen: vor allem Pathophysiologie der Bettruhe

Literaturrecherche

• Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit

• Anthropologische Grundlagen

• Nomenklaturen, Konzepte

• Möbel „Bett”

• Rückzug ins Bett zur Schonung

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Schwerpunkte der Literaturrecherche

• abnehmende Muskeltätigkeit

• Verschiebung der Körperflüssigkeiten/Elektrolytänderungen

• abnehmende Herzauswurfleistung

• Atemvolumina vermindert, Sekretstau

• Inaktivitätsatrophien

• Thromboseneigung

• Hautkeratose, Dekubitusgefahr

• Obstipation, abnehmende Magensekretion

• eingeschränkte Wahrnehmung

• kognitive und psychische Veränderungen

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Liegefolgen

• gegenstandsbezogener Theoriebeitrag

• Prämisse: soziale Wirklichkeit konstituiert sich durch Interaktionen

• datenbasierte Entwicklung der Forschung

• theoriegeleitete Auswahl der Informanten

• konstanter Vergleich

• Verdichtung, Sättigung

• Zentrale Kategorie

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Forschungsansatz: Grounded Theory

(Glaser/Strauss, Strauss/Corbin)

• Interviews (halbstrukturiert)

• Beobachtungsnotizen

• Anfertigen verschiedener „Memos“

• Systematische Analyse durch offene, axiale und selektive Kodierung

• Kategorienbildung

• Anwendung von Gütekriterien qualitativer Forschung

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

Datenerhebung und -analyse

• über Mittelspersonen

• Erhebungsphase über 2 Jahre

• Betroffene sollten zu einem Zeitpunkt „optional” aufstehen können

• in der Lage sein, Auskunft zu geben

• sich an die Entwicklung erinnern können

• breites Spektrum medizinischer Diagnosen

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Feldzugang

• 32 Interviews und Beobachtungsnotizen

• 13 Männer, 19 Frauen

• Alter zwischen 61 und 98 Jahren

• 17 in der häuslichen Pflege

• 12 in Altenheimen

• 2 Krankenhaus, 1 Kurzzeitpflege

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Untersuchte Gruppe

Instabilität Ereignis Immobilität Ortsfixierung Bettlägerigkeit

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Bewegung Klinik bzw. Rollstuhl/Sessel Selbstständiger nur im Bettmit Stock Sturz evtl. wenige Wechsel nicht Windel- oder Schritte sind möglich, versorgungRollator wichtig Selbstbestimmung

ist wichtigSchlüsselereignisse

Fünf Wirkfaktoren

Phasenabfolge

• Individualität

• Liegepathologie mit verschiedenen Einbußen später/Zeitverlust

• Krankheitsfortschritt, medizinischer Verlauf, Komplikationen

• Weltsicht in der Abhängigkeit (Sinngebung, Perspektiven, Bewältigung)

• Perspektiven der Pflegenden (Engagement, Wissen, soziale Bindung)

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PhasenabfolgeFünf „durchgängige Faktoren”

„niemand sagte mir, dass ich aufstehen soll”

„man kann sich ja nur im Bett aufhalten, es ist sonst kein Platz”

„Du musst ständig verfügbar sein”

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Klinikaufenthalt

„die hatten genug zu tun”

„die haben keine Zeit mehr”

„Sonntags bleib ich im Bett, dann sind zuwenig Leute hier….”

„da braucht man zwei Mann, nachts ist hier so eine kleine Koreanerin”

„in den Rollstuhl….das ist für die auch mehr Arbeit”

„es gibt hier noch schlimmere Leute”

„man muss sich bescheiden”

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Rücksichtnahme

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häuslicher Bereich: vieles kommt nicht zum Einsatz

Altenheim: Mangel an individuell angepassten Hilfsmitteln

Pflegebetten

dominieren die Situationscheinen die Bettlägerigkeit zu verfestigen

Hilfsmittel und Rollstühle

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Eigenschaften und Ausprägungen

• persönlich „wichtige” Dinge in die Nähe holen

• sich von „ferner” liegenden Gegenständen verabschieden

• Kontakt zur Außenwelt organisieren

• Liegestatt ausstaffieren (Komfort, Ästhetik)

sich im Bett einrichten

• Sturz

• Transfersituation

• Zeittakte

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Weitere relevante Kategorien

Allmählicher Ortsfixierung

„ich bin wie festgenagelt”

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Zentrale Kategorie

Instabilität Ereignis Immobilität OrtsfixierungSturz/Klinik

Rücksichtnahme langes unbequemes Sitzen (wenig Hilfen) Zeitverlust

zunehmender Rückzug Versorgung mit Windeln

Langeweile Verlust des persönlichen Raumes

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Wohnumfeld sich „einrichten” SchlüsselereignisseBettlägerigkeit

selbstbestimmter Wechselgeschickte Transfersgeeignete Hilfsmittel/MöbelTagesstruktur/Beschäftigungbefriedigende Beziehung

Individualität Liegepathologie

Krankheitsfortschritt Weltsicht

Perspektiven der Pflegenden

Zusammenfassung der einflussnehmenden Faktoren

• der unmittelbare Ort (Bett, Sofa)

• zeitliche Aspekte (Verlauf über Monate, tageszeitliche Mobilität)

• Hilfestellungen, Eigenbewegungen

• förderndes Umfeld (Kompetenz und Einstellung der Pflegenden)

• Soziale Bindungen

• eigene Einstellungen (Coping, Akzeptanz)

• derzeitiger Lebensort (eigenes Zuhause, Altenheim)

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Determinanten der Bettlägerigkeit

• Spezifizierung nach Gruppen

• Transfersituation

• Sichtweisen aller Beteiligten

• „Rücksichtnahme”

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Vorschläge für weitere Studien

• Wohnberatung

• „aktivierende” Pflege – umfassend verstanden

• Auftrainieren nach Liegephasen

• Prävention von Bettlägerigkeit

• Assessment, Bewegungskonzepte etablieren

• Betten, Rollstühle, Hilfsmittel

• Thematisierung in der Pflege-Bildung

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Folgerungen für die Praxis

„… sagen Sie bitte den Schwestern und Ärzten, dass sie sich nicht über die Fußenden des Bettes lehnen sollen. Es ist schlimm für den wehrlos Liegenden, wenn er bei jeder Geste, jeder Aussage „mit erschüttert” wird (im wahrsten Sinne des Wortes)…”

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Buch: „Festgenagelt sein - Der Prozess des Bettlägerigwerdens“, Huber, 2005

Artikel: Festgenagelt sein - Der Prozess des Bettlägerigwerdens durch allmähliche Ortsfixierung, Pflege,2005, 18, 281-288

©Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Institut für Pflegewissenschaft

Publikationen (Auswahl)

URL: http://www.uni-wh.de

Email: zegelin@uni-wh.de

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