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Die Russische Bombe
Unvollständige Notizen
Dr. Sebastian Pflugbeil 2015 1
Hiroshima-Nagasaki Peace Study Course
David Holloway: Stalin and the Bomb; 1994 Rainer Karlsch: Uran für Moskau; 2007 Rainer Karlsch: Hitlers Bombe; 2005 Rainer Karlsch, H. Petermann: Für und Wider „Hitlers Bombe“, 2007 Zhores Medwedjew: Bericht und Analyse der bisher geheim gehaltenen Atomkatastrophe in der UdSSR; 1979 Zhores and Roy Medwedjew: The unknown Stalin; 2003 Wladimir Gubarew: Arsamas-16; 1992 Andreas Heinemann-Grüder: Die sowjetische Atombombe; 1990 Lew Rjabew: Atomni Projekt SSSR (12 Bände, Russisch, noch nicht erschlossen) IPPNW: Atom ohne Geheimnis, Moskau-Berlin 1992
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Barwich, Heinz und Elfi: Das rote Atom, München 1967
Henry DeWolf Smyth: Atomic Energy for Military Purposes Princeton 1945 (!)
TV: David Hankin: Die rote Bombe, 3-teilige Serie mit vielen Interviews damals aktiv beteiligter Fachleute. Auf youtube zu finden. Etwas amerikanische Sicht der Dinge.
Sebastian Pflugbeil: - Zwischen Semipalatinsk und Tschernobyl; Strahlentelex 1995 - Die erste Atomkatastrophe; 2007 - 50 Jahre Kyshtym; Strahlentelex 2007 - Zwei Exkursionen nach Semipalatinsk und eine nach Archangelsk
3 Photos von den Exkursionen: Detlev Steinberg
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1. Handelnde Personen in Stichworten 2. Chronologisches Telegramm 3. Spionage und lebendige und materielle
Reparationsleistungen 4. Das Uranproblem 5. Exkurs 1: der erste Unfall in einem KKW 6. Exkurs 2: die großen Atomwaffentestgebiete
Nowaja Semlja und Semipalatinsk 7. Exkurs 3: Gesundheitsprobleme im Bereich
Semipalatinsk 8. Friedliche Kernexplosionen
Reaktor F1 auf dem Gelände des heutigen Kurtschatow-Instituts in Moskau, läuft seit Dezember 1946
Foto: S. Schlindwein
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Der erste Kernreaktor in Europa – „F1“ im Kurtschatov-Institut in Moskau Angefahren Weihnachten 1946 mit 110 t Uran, läuft heute noch
Stellungnahme I.V. Kurtschatows zu Unterlagen „Über eine deutsche Atombombe“ 30. März 1945 Streng geheim Seite 1 (dokumentiert von R. Karlsch in „Hitlers Bombe“ S. 338ff) Reaktion auf einen Bericht der GRU (HVA des Generalstabs der Roten Armee) vom 23.3.1945 Zit. In Auszügen in R. Karlsch und H. Petermann (ed.) „Für und wieder „Hitlers Bombe““ S.25f.)
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Insgesamt wurden etwa 300 deutsche Fachleute – teilweise mit ihren Familien – zur Arbeit an der Atombombe in die Sowjetunion „eingeladen“. Etliche wurden hoch dekoriert. Ihr Anteil am Bau der „roten Bombe“ scheint erheblich.
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Städte des nuklearen Rüstungskomplexes mit besonderem Regime
Arsamas-16 Slatoust-36 Krasnojarsk-26 Krasnojarsk-45 Swerdlowsk-44 Swerdlowsk-45 Semipalatinsk-21 Tomsk-7 Tscheljabinsk-65 Tscheljabinsk 70
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Atomwaffentestgebiet bei Semipalatinsk (Polygon)
1949 – 1989 mindestens 583 Atomwaffentests Gebietshauptstadt Semipalatinsk etwa 150 km enfernt Betroffen: 395.000 Menschen im Gebiet Semipalatinsk 210.000 Menschen im Gebiet Pavlodar 260.000 Menschen im Gebiet Karaganda 100.000 Menschen in der Altai-Region
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Spezieller Grenzwert für die Bevölkerung: 500 Millisievert pro Jahr (mSv/a) Strahlenmessungen erst 1-2 Wochen nach den Tests Empfehlungen, beim Donnern der Explosion ins Freie zu gehen, damit einem keine Ballken auf den Kopf fallen. Totale Geheimhaltung / Unwissenheit über die Art der Gefahr Einsatz vieler junger Soldaten unmittelbar nach den Explosionen im Testgebiet. Dann Entlassung nach Hause ohne jeden Nachweis über die spezielle Belastung
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Gesundheitsschäden Steiler Anstieg verschiedener Infektionskrankheiten Lungenentzündung, akute Atemwegsinfekte, schwere Angina, chronische Mandelentzündung mehrfach über den Werten in Kontrollregionen In den Regionen Shanasemeisk und Beskaragai innerhalb von 30 Jahren Anstieg von Virusinfektionen der oberen Atemwege um das 14- bzw. 19-fache. Sterblichkeit an Grippe, Angina, Lungenentzündung, Blutvergiftungen deutlich erhöht Immunologie: T-Lymphozyten, T-Helferzellen, T-Suppressoren erreichen nur etwa 60% der Normwerte
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Blutveränderungen Bei Kindern strahlenbelasteter Eltern ist Leukämie doppelt so häufig wie bei den Kontrollen Anämie stieg an Herz-Kreislauf-Erkrankungen Erhöhte Sterblichkeit bei Herzinfarkt und Hypertonie In den ersten 27 Jahren nach Beginn der Tests starben 76% mehr an Herzinfarkt und 35% mehr an Hypertonie (als in den Kontrollregionen)
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Balmuchanov-Report 1958 (Streng geheim) Expertengruppe unter Leitung von Balmuchanov erstellt eine Sammlung von Berichten über die Gesundheitsschäden seit Beginn der Tests. - Funktionelle Störungen des Nervensystems Vegetative Labilität, Asthenie, ständige Müdigkeit, Kopfschmerzen - Hals-Nasen-Ohrenerkrankungen schweres und häufiges Nasenbluten schwere Angina Erstaunlich ähnliche Berichte gab es nach Tschernobyl und gibt es heute nach Fukushima
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In der Umgebung des Testgebietes bei Semipalatinsk wurde festgestellt, daß Sterblichkeit an Krebs infolge der Strahlenexposition der Atomwaffentests etwa 4fach höher ist, als man nach den Daten von Hiroshima und Nagasaki erwarten würde. (Bauer u.a.: Rad.Res. 164, 409-419 (2005) Daraus sollten die Strahlenschutzbehörden den Schluß ziehen, daß man die festgesetzten Grenzwerte auf ¼ reduzieren sollte. Diese Schlußfolgerung hat aber bisher niemand gezogen.
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Eingefettetes Pergamentpapier auf dem Kopf hilft manchmal. Medikamente sind unerreichbar, Ärzte
können sowieso nicht helfen.
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Sie wurden von Stalin nach Kasachstan verbannt und begannen, über ihre Ausreise nach Deutschland nachzudenken; am Testgebiet Semipalatinsk (1992?)
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Wachposten im unterirdischen Zugang zum Forschungsreaktor in Kurtschatow (auf dem Testgelände
Semipalatinsk)
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Mit einer (friedlichen) Kernexplosion an der Erdoberfläche erzeugter See auf dem Testgelände Semipalatinsk
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Besuch bei Anna – Symbolfigur des Protestes gegen die Deportation der Nenzen von ihrer Insel Novaja Semlja
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Kernexplosionen wurden in der UdSSR auch für eine Vielzahl von „friedlichen“
Zwecken eingesetzt
Über die Auswirkungen liegen keine Informationen vor
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Friedliche Explosionen zur Zerkleinerung von Felsgestein, zur Erzförderung und zur seismischen Erkundung
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Vorläufiges Resume: Stalin hat die eigene Bombe zunächst zögerlich angepackt. Ausgezeichnete Spionagehinweise und Wohlwollen hochrangiger westlicher Kollegen haben die Entwicklung der Bombe beschleunigt. Die wissenschaftlich/technisch/logistische Leistung der Russen unter Kriegsbedingungen (im Unterschied zu den USA) ist jedoch beeindruckend und hat in einigen Fällen zu Lösungen geführt, die besser waren als die amerikanischen. Das System Stalin hat dazu geführt, daß eine unübersehbare Schar von Häftlingen in die Arbeiten eingebunden werden konnten. Eine unbekannte – aber sicher sehr hohe Zahl der Häftlinge hat das nicht überlebt. Es sieht so aus, als ob in der Sowjetunion mehr Menschen an der Bombe gearbeitet haben und mehr daran zerbrochen sind als in den USA. Erst die Detonation der bis heute größten Wasserstoffbombe scheint einige der Spitzenphysiker nachdenklich gemacht zu haben. Der Friedensnobelpreis für Andre Sacharov, den Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe, scheint diskussionswürdig. Wahrscheinlich war die Geheimhaltung sehr viel strenger geregelt als in den USA. Bis heute sind weite Teile der Geschichte der Bombe in den USA wie in der UdSSR vernebelt.
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