View
219
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Deutschlandfunk
GESICHTER EUROPAS
Samstag, 15. Dezember 2012, 11.05 – 12.00 Uhr
KW 50
Das Leben ist ein Fado –
Die Portugiesen und ihre musikalische Visitenkarte
Mit Reportagen von Jochen Faget Redakteur am Mikrophon: Henning von Löwis
Musikauswahl und Regie: Babette Michel
Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.
© - unkorrigiertes Exemplar –
2
GSE INTRO MUSIK O-TON
„Im Grunde kann der Fado jede Botschaft übermitteln , an der
uns Portugiesen etwas liegt. Gesungen wird von Lieb e und Leid,
auch von aktuellen sozialen Problemen. Der Fado ist die Kunst,
Geschichten zu erzählen, die uns Portugiesen wichti g sind.“ MODERATION
Die Direktorin des Fado-Museums in Lissabon. Und de r Wirt
einer Fado-Kneipe im Bairro Alto:
O-TON
„Am wichtigsten ist, dass der Fado nicht stirbt. Un d mit all
den jungen Menschen, die jetzt singen, wird er nie sterben. Es
können Jahrzehnte vergehen und hier wird weiter Fad o gesungen
werden. Der Fado stirbt einfach nicht.“ MUSIK
MODERATION
Gesichter Europas. Heute: Das Leben ist ein Fado. D ie
Portugiesen und ihre musikalische Visitenkarte. Ein e Sendung
mit Reportagen von Jochen Faget. Am Mikrofon: Henni ng von
Löwis.
MUSIK
MODERATION
Praca de Espanha – eine gute Adresse in Lissabon. H ier
residiert eine Stiftung, die seit Jahrzehnten das k ulturelle
3
Leben in Portugal entscheidend prägt und – vor alle m –
finanziert: die Fundacao Calouste Gulbenkian.
Im Kriegsjahr 1942 wurde Portugal zur zweiten Heima t des
steinreichen britischen Ölforschers, Geschäftsmanns und
Kunstsammlers armenischer Herkunft Calouste Gulbenk ian.
Rui Vieira Nery ist in der Gulbenkian-Stiftung Dire ktor des
Programms für portugiesische Sprache und Kultur. Wi e kaum ein
anderer kennt er sich aus in Portugals Musikszene. Seinen
Doktor der Musikwissenschaft machte an der Universi tät von
Texas in Austin. Heute hält er Vorlesungen über den Fado an
der Universidade Nova. In punkto Fado kann man ihm nichts
vormachen.
Rein äußerlich sieht man ihm den Professor nicht un bedingt an.
Drei-Tage-Bart, teurer lässiger Anzug, politisch is t er eher
links.
In seinem riesigen Büro kocht Rui Vieira Nery gern mal einen
Espresso und doziert mit sichtlichemVergnügen über sein
Lieblingskind – den Fado und die Königin des Fado A mália
Rodrigues.
Musik 1: Amalia “Tudo isto é Fado”
Von armen Seelen singt sie, von verlorenen Nächten und
geheimnisvollen Schatten. Amália Rodrigues, die 199 9
verstorbene Königin des Fado. Von Liebe und Eifersu cht, von
Rui Vieira Nery
4
Schmerz und Sünde. Doch all das gibt es, schluchzt sie mit den
Gitarren um die Wette, all das ist Fado.
Klagen und leiden im Vier-Viertel-Takt. Amália Rodr igues habe
die Nationalmusik der Portugiesen nicht nur weltwei t bekannt
gemacht, sondern auch nachhaltig geprägt, stellt de r
Musikologe Rui Vieira Nery mit wissenschaftlicher N üchternheit
fest:
O-Ton 1: Rui Vieira Nery
„Das Fadobild im Ausland ist stark davon beeinflußt , wie
Amália Rodrigues diese Musik vorgetragen hat. Sie w ar die
erste große Fado-Sängerin, die internationalen Erfo lg hatte.
Und Amália war eben diese dunkelhäutige, schwarzhaa rige Dame,
ganz in schwarz gekleidet, die traurige Lieder mit vielen
‚ays’ sang. Da musste ja dieses Klischee einer trag ischen,
fatalistischen Musik entstehen.“
Auch wenn das gar nicht stimmt, doziert der Profess or weiter
und kann ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrück en. Denn
Fado, so Lektion Nummer eins, ist immer anders, als man denkt:
O-Ton 2: Rui Vieira Nery
„Es gibt viele fröhliche Fados. Und energische oder
gefühlvolle. Und sehr lebhafte. Aber da ist eben au ch dieses
leicht melancholische Element des Fado, das uns Por tugiesen
anhaftet.“
Womit Amália Rodrigues dann doch wieder Recht hätte : All das
gibt es, all das ist traurig, all das ist Fado.
Rui Vieira Nery hat mehrere Bücher über den Fado ge schrieben,
ist eine Kapazität. Er hat die Spreu vom Weizen get rennt, die
Legenden von den Tatsachen. Das ist beim Fado nicht leicht, zu
5
eng ist seine Geschichte mit der Portugals verquick t, zu oft
wurde sie geschönt. Also weg mit dem Mythos, der Fa do sei
uralt:
O-Ton 3: Rui Vieira Nery
„Fado ist portugiesische urbane Musik, die in Lissa bon um
1820, 1830 entsteht. Er ist die Fusion afro-brasili anischer
Tänze, zu denen auch gesungen wurde. Die kamen aus Brasilien,
als das Land eine portugiesische Kolonie war und ha ben sich
mit portugiesischen Elementen vermischt. Portugal l itt damals
unter den französischen Invasionen. Lissabon war vo ller
Flüchtlinge aus dem ganzen Land und in diesem Schme lztiegel
entsteht eine neue populäre Kultur.“
Populär heiße ganz nah am Volk, betont der 55jährig e
Musikologe:
O-Ton 4: Rui Vieira Nery
„Fado ist das Lied der Tavernen, der Bordelle, der armen
Viertel Lissabons, vor allem unten am Hafen. Später erreicht
der Fado dann auch andere soziale Schichten der Sta dt.“
In Portugal herrscht damals Bürgerkrieg, es geht dr unter und
drüber. Das Ende der Monarchie zeichnet sich ab, re volutionäre
Ideen machen die Runde. Irgendwann kommt der Fado z war auch in
den Häusern der feinen Bürger an. Doch zunächst ist er
rebellisch, gehört den Arbeitern:
O-Ton 5: Rui Vieira Nery
„Der Fado war mit der Arbeiterbewegung eng verbunde n. Ebenso
mit den Republikanern und den Anarchisten. Es gibt hunderte
von klassenkämpferischen Fados über Marx, die russi schen
Anarchisten oder die portugiesischen Sozialisten. S ie
6
kritisieren Privatbesitz, die herrschende Unmoral u nd sogar
die Kirche.“
Anfang des 20. Jahrhunderts setzt eine Militärdikta tur dem
anarchistischen Chaos in Portugal ein Ende, aus ihr entsteht
der ‚Estado Novo’, der ‚neue Staat’ António Oliveir a Salazars,
der mit Demokratie ebenfalls nicht viel am Hut hat. Und
anfangs auch nicht mit dem Fado:
O-Ton 6: Rui Vieira Nery
„Als die Militärdiktatur zu einem faschistischen Re gime wird,
steht dieses dem Fado sehr misstrauisch gegenüber u nd zensiert
ihn sehr stark. Nach dem 2. Weltkrieg jedoch missbr aucht das
Regime den Fado als Propagandamittel.“
Musik 2: Abandono
Radio und Fernsehen haben ihren Siegeszug durch Por tugal
angetreten. Und die senden, da wenig anderes erlaub t ist,
traurige Fados, erklärt Rui Vieira Nery. Denn die
entschärften, fatalistischen Texte passen gut ins S ystem und
eben auch zur Denkungsart der Portugiesen:
O-Ton 7: Rui Vieira Nery
„Diese Idee eines unvermeidbaren Schicksals, das un s
beherrscht, diese Idee persönlicher Machtlosigkeit, die Idee,
dass das Schicksal böse ist, steckt in unserer Kult ur.“
Dennoch lässt der Fado sich nicht besiegen, er leis tet
Widerstand. Natürlich sei es Amália Rodrigues, die
Fadokönigin, die auch regimekritische Lieder singt, erklärt
der Musikwissenschaftler. Als Beispiel nennt er ‚Ab andono’,
‚Verlassenheit’, einen Fado, der vordergründig das Schicksal
eines Seefahrers beschreibt.
7
In Wahrheit jedoch handelte das Lied vom Schicksal der
Kommunistenchefs Álvaro Cunhal, der jahrelang in ei ner
Marinefestung eingesperrt gewesen sei, stellt Vieir a Nery
richtig und zitiert sogar den Text:
O-Ton 8: Rui Vieira Nery
„Wegen deines freien Denkens haben sie dich weit we g gebracht
und eingesperrt. Aber wenigstens hörst du den Wind, hörst du
das Meer.“
O-Ton 9: Rui Vieira Nery
Fado sei eine höchstemotionale Musik, betont der
Musikwissenschaftler, weltweit verständlich und doc h
urportugiesisch. Darum habe er nicht nur bis heute überlebt,
sondern sei nach wie vor äußerst beliebt. Das bewei se auch die
neue Generation junger Fadosänger, die im In- und A usland
große Erfolge feierten.
Musik 1: Amalia – “Tudo isto é Fado”
Obwohl der Fado schon mehrmals tot gesagt worden se i, gehe es
ihm jetzt besser, als zuvor. Weil er sich den neuen Zeiten
angepasst habe, und doch der Alte geblieben sei. We il er die
Welt nicht nur schwarz-weiß, sondern in allen Farbe n male.
Weil er ‚world music’ geworden und doch so portugiesisch
geblieben sei:
O-Ton 10: Rui Vieira Nery
„Er gehört einfach zu Portugal. Portugal wäre nicht Portugal
ohne den Fado. Natürlich ist Portugal mehr als Fado , aber er
ist ein gutes Beispiel dafür, was es heißt, Portugi ese zu
sein. “
8
Und dazu gehören eben auch ein bisschen Weltschmerz und
Melancholie. Dazu gehören auch verlorene Seelen, Sc hmerz und
Sünde. All das gibt es, all das jedoch ist nicht nu r traurig,
aber all das ist Fado.
MUSIK
MODERATION
Der Fado – das ist in Portugal ein Stück urbaner Fo lklore, im
wesentlichen beschränkt auf zwei Orte: die Universi tätsstadt
Coimbra und Lissabon. Auf dem flachen Land – zwisch en Minho
und Algarve – klingt Portugal ganz anders, oft viel
fröhlicher. Lissabon ist die Hauptstadt Portugals – und
zugleich die Haupt -Stadt des Fado. Lissabon zu entdecken – das
heißt auch und nicht zuletzt auf den Spuren des Fad o zu
wandeln. Aber erst einmal muss man ankommen in Liss abon.
In seinem Buch „Seefahrer, Sehnsüchte und Saudade –
Lissabonner Perspektiven“ beschreibt der Schriftsteller Rolf
Osang seine Rückkehr in eine faszinierende Metropol e am Rande
Europas.
MUSIK
LITERATUR 1
Das Flugzeug glitt absinkend Lissabon entgegen. Den Rio Tejo
überflog es bei Belém, dann kam die Brücke des Süde ns in
Sicht, majestätisch wirkte sie, auch wenn die manns dicken
Hängeseile wie zierliche Girlanden schienen. Über d en
ausgebreiteten Armen des die Brücke und Lissabon
beschützenden, in Beton gegossenen Cristo Rei legte sich der
Airbus in die Kurve, und in Nahaufnahme zogen knapp unter ihm
nun die Bilder jener auf sieben Hügeln ausgebreitet en Stadt
vorbei, die er zehn Jahre lang nicht mehr gesehen h atte. Die
9
Bilder hatten sich verändert. Lissabon hatte sich v erändert,
das wurde aus der Luft schon deutlich. Er war gespa nnt.
Diese Stadt hatte ihm einmal sehr viel bedeutet. In ihr, so
schien es vor zehn Jahren, ticken Uhren anders, lan gsamer, man
wurde nicht vorwärts gepeitscht von hechelnder Hekt ik wie zu
Hause in Europa. Hier in Portugal war er in einer a nderen Welt
gewesen.
MUSIK
MODERATION
Largo do Chafariz de Dentro – ein Platz, in dem das alte
Lissabon noch lebendig ist. Von hier führen enge Ga ssen steil
hinauf in die Alfama, Wäsche hängt vor den Fenstern , jeder
kennt jeden. An den Türen mancher Kneipen Plakate m it der
Ankündigung: ‚Hoje há Fado’ , heute gibt’s Fado.
Der Fado – das musikalische Aushängeschild Lissabon s ist hier
nicht nur zu Hause, seit 1998 hat er sogar ein eige nes Haus,
das ihm allein gewidmet ist.
Es trägt den Namen „Casa do Fado e da Guitarra Portuguesa“.
2008 wurde das Fado-Museum umgebaut und völlig neu gestaltet.
Haus-Herrin Sara Pereira ist von der ersten Stunde des Museums
mit von der Partie, sie hat es mit aufgebaut und wu rde dann
Direktorin. Sie gehörte zu den Hauptakteuren bei de r
Kandidatur des Fado zum UNESCO-Weltkulturerbe, die schließlich
im November 2011 zum Erfolg führte.
Sara Pereira
10
Atmo 1: Visita cantada Mouraria
Fado in einem Hinterhof im Lissabonner Stadtteil Mo uraria. Der
Sänger in Hemdsärmeln, die Sängerin mit einer roten Schürze.
Das Publikum lacht und klatscht, während die beiden
Geschichten aus dem Viertel improvisieren. Fado wie er leibt
und lebt – ein Bombenerfolg und eine Idee von Sara Pereira,
der Direktorin des Fado-Museums.
O-Ton 1: Sara Pereira
„In diesem Jahr haben wir mit den ‚gesungenen Besuc hen’ in den
historischen Fado-Vierteln Lissabons angefangen. Da sind
Stadtteilvereine und Amateursänger beteiligt. Die z eigen den
Besuchern ihr Viertel bei einem musikalischen Rundg ang. Zuerst
in der Mouraria und nächstes Jahr auch hier in der Alfama und
anderen Stadtteilen.“
Sara Pereira sitzt an ihrem Schreibtisch im Fado-Mu seum, legt
eine Broschüre beiseite. Das rosarote Gebäude am Ch afariz-de-
Dentro-Platz war früher eine Pumpstation der Lissab onner
Wasserwerke und liegt am unteren Rand der Alfama, e ines der
Viertel, in dem der Fado wahrscheinlich das Licht d er Welt
erblickte:
O-Ton 2: Sara Pereira
„Der Fado entstand im zweiten Viertel des 19. Jahrh underts in
den Altstadtvierteln von Lissabon. Die ersten Refer enzen
verbinden ihn mit Maria Severa Onofriana, einer Sch auspielerin
die sehr jung starb und die in allen Texten mit dem Beginn des
Fados als die Musik Lissabons in Verbindung gebrach t wird.“
Musik 1: A Severa Musik
11
‚A Severa’ aus dem Jahr 1931 war auch der erste in Portugal
produzierte Tonfilm, erfahren die Besucher des Fado -Museums.
Eine unglückliche Liebesgeschichte zwischen einem A deligen und
einer Lebedame, die so schaurig-schön den damals ve rruchten
Fado schluchzt. - Jaja, ganz am Anfang war Fado una nständig,
das niedrigste Volk sang ihn, rauchte und trank bil ligen
Rotwein dabei. Es heißt sogar, die Severa sei eine Nutte
gewesen. Aber das hat der Film natürlich geschönt.
Musik 2: A Severa Lied
Weine nicht, sing, sagt ein Mann zur traurigen Seve ra. Singen
vertreibt das Leid. Und Severa singt. Was für ein F ado!
Viel Multimedia führt den Besucher durch das Museum , Sara
Pereira und ihre Kollegen haben den Trip zu den wic htigsten
Stationen der Fado-Geschichte sehr interessant gema cht. Auch
die Versuche, den Fado an die Kandare zu nehmen, fe hlen nicht.
Während der Salazar-Diktatur, die in den 1930er Jah ren begann,
war Sozialkritik durch aufmüpfige Fado-Sänger verbo ten.
Reproduktionen zensierter Liedtexte belegen das. Di e
Museumsmitarbeiterin Rita Oliveira erklärt:
O-Ton 3: Rita Oliveira
„Das Zensurgesetz hat auch alle künstlerischen Akti vitäten
reglementiert. Alle Veröffentlichungen wurden zensi ert, auch
die Fados mussten zuerst den Zensoren vorgelegt wer den.“
Atmo 2: Schritte Museum
Doch diese Zeiten sind vorbei. Seit einem Jahr gehö rt der Fado
jetzt zum Weltkulturerbe der UNESCO, Unter anderem auch das
Verdienst der dynamischen Museumsdirektorin Ende 30 , die stolz
12
durch die Ausstellungsräume geht. Gerade wegen der
Auszeichnung gebe es viel zu tun:
O-Ton 4: Sara Pereira
„Auch ein lebendiges Weltkulturerbe wie der Fado mu ss
geschützt werden. Er wird zwar ständig gesungen, is t sogar
sehr dynamisch. Es gibt eine neue Generation sehr t alentierter
Interpreten und all das. Aber seine Geschichte, die Dokumente
über ihn, all das, was diese Geschichte belegt, mus s erhalten,
studiert und verbreitet werden.“
In modernen Zeiten auch mit modernen Mitteln. Darum lässt Sara
Pereira gerade den Internetauftritt des Fado-Museum s
überarbeiten:
O-Ton 5: Sara Pereira
„Bis zum Jahresschluss wird es möglich sein, einen virtuellen
Museumsrundgang zu machen und die Amália-Rodrigues- Stiftung zu
besuchen. Auch ein Fado-Lokal und eine Fadogruppe m it großer
Tradition. Gleichzeitig arbeiten wir an einer Versi on für
tablet-Computer und smartphones, die Anfang nächste n Jahres
fertig sein wird.“
Natürlich werde jedoch auch die alte Tradition des Fado nicht
vergessen, versichert Rita Oliveira, die Mitarbeite rin der
Museumsdirektorin:
O-Ton 6: Rita Oliveira
„Hier haben wir ein typisches Fado-Lokal und sein A mbiente
nachempfunden. Die Besucher können hier Filme aus L okalen mit
Fado-Interpreten aus verschiedenen Epochen sehen.“
Atmo 3: Gitarrenmusik Museum
13
Sara Pereira erzählt derweil die Erfolgsstory des F ado: Vom
Revue-Theater führt ihn sein Siegeszug Anfang des 2 0.
Jahrhunderts zum Radio, dann ins Fernsehen. Mitte d er 1970er
Jahre der große Rückschlag – nach der Nelkenrevolut ion war der
Fado eine Zeit lang als reaktionär verrufen. Dann k am der
weltweite Durchbruch:
O-Ton 7: Sara Pereira
„In den 80er Jahren wurde der Fado eine Art Markenz eichen für
Portugal. In der sogenannten world-music behauptet er einen
herausragenden Platz.“
Fado sei inzwischen sogar zu einem richtigen Geschä ft für das
dauerkrisengeschüttelte Portugal geworden:
O-Ton 8: Sara Pereira
„Der Fado ist, wenn man das so sagen will, ein wich tiges
kulturelles Produkt im Exportbereich. Ein rettender Strohhalm
für die Musikindustrie. Wegen der Krise bricht der Binnenmarkt
weg, in den vergangenen zwei Jahren wurden 40 Proze nt weniger
verkauft. Fado macht bereits 60 Prozent unserer Mus ikexporte
aus, wird also immer wichtiger.“
Musik: Fado
Übrigens auch für die Portugiesen, selbst wenn die immer
weniger CDs kaufen, meint Sara Pereira. Denn natürl ich sei
Fado ein Mittel, Gefühle zu kanalisieren. Wenn nöti g, ein
Ventil für Leid und Frust und an beidem fehle es ge rade nicht.
Am Fado könne man sich festhalten, wenn das sein mu ss:
O-Ton 9: Sara Pereira
„Im Grunde kann der Fado jede Botschaft übermitteln , an der
uns Portugiesen etwas liegt. Gesungen wird von Lieb e und Leid,
14
auch von aktuellen sozialen Problemen. Der Fado ist die Kuns t,
Geschichten zu erzählen, die uns Portugiesen wichti g sind.“
Darauf, dass ihr und ihren Kollegen das im Lissabon ner Fado-
Museum immer wieder gelingt, kann Sara Pereira stol z sein.
MUSIK
LITERATUR
Den Lissabonner Geist wollte er neu entdecken. In e ine seiner
ehemaligen Stammkneipen ging er ein Bier trinken. H ochbetrieb
schon auf der Straße, Menschentrauben davor, Musik quoll mit
dem Rauch zahlloser Zigaretten heraus. Eine Fado- Kneipe. Eine
echte, kein für Touristen auf »typisch« getrimmtes, lausig
teures Fado -Lokal. Jeder, der will, kann hier singen. Er
zwängte sich hinein. Zehn Jahre? Er sah alte Gesich ter. Die
Frau hinter dem Tresen, Dona Maria de Lourdes, erka nnte ihn,
nickte kurz, aber kein Wort fiel; denn beim Fado herrscht
eisernes Schweigen, nur Schluchzen und Mitsingen is t erlaubt.
Mehr Touristen gab es jetzt auch hier. Nichts blieb denen
verborgen. In einer anderen Kneipe saß er in der Ec ke und
lauschte den Mitternachtsgesprächen. Er hörte Worte , die ihm
vertraut waren: Neue Menschheitsmodelle. Aber jetzt mit
Cyberspace und Gigaspeed. Hatte er gehofft, Europas
Südwestkante bliebe- verschont, würde in alten Mode llen
steckenbleiben? Nun war er beruhigt. Lissabon hatte sich
gemausert, war modern geworden, war nicht mehr bett elarm - und
das war auch gut so.
MUSIK
MODERATION
Als kleinen Jungen hat es ihn aus der tiefsten
nordportugiesischen Provinz nach Lissabon gezogen, weil er die
15
Welt kennenlernen wollte. Die Welt des Fado, die ih n immer
fasziniert hat. Also wurde er Tellerwäscher in eine m Fado-
Lokal, diente sich hoch und hat sich zuletzt den Tr aum seines
Lebens erfüllt und eine Fado-Kneipe eröffnet. In de r
altehrwürdigen Rua do Diário de Notícias in seinem geliebten
Viertel, wo er auch immer gewohnt hat, dem Bairro A lto.
Allerdings genau zu dem Zeitpunkt, als im Bairro A lto die
letzten alten Kneipen, in denen Rotwein getrunken u nd Fado
gesungen wurde, gerade geschlossen hatten. Denn ‚Ch ico’ ist
ein Dickschädel. Er wollte einfach nicht glauben, w as alle
damals sagten: dass der Fado stürbe, niemand mehr d iese Musik
hören wolle, es mit der alten Kneipen-Herrlichkeit vorbei sei
und die Zukunft modernen Bars mit lauter Musik gehö re. Der
Erfolg gab ihm Recht, der Fado feierte seine
Wiederauferstehung und ist groß in Mode. Und Chico’ s Tasca ist
ein beliebter Treffpunkt vor allem junger Fado-Fans geworden,
eine typische alte Kneipe zwischen vielen lauten, m odernen
Bars.
Musik 1: A tasca do Chico
‚Chico’s Kneipe im Bairro Alto ist die beste’, sing t einer der
Gäste und Chico, der Besitzer sitzt fast verschämt auf einem
Hocker neben dem Holztresen. Er hält ein Glas Rotwe in in der
Hand, raucht eine Zigarette. Irgendwie ist ihm die Lobhudelei
Francisco Gonçalves
16
in Fado-Form peinlich und irgendwie macht es ihm au ch
fürchterlich Spaß. Chico, eigentlich Francisco Gonç alves, hat
sich den Traum seines Lebens erfüllt:
O-Ton 1: Francisco Gonçalves
„Ich wollte immer eine Fado-Kneipe haben. 1996 habe ich sie
dann endlich eröffnet. Ich habe alles so gelassen, wie es
früher war. Jetzt kann hier jeder Fado singen, der will. Alte
und junge Leute. Ich habe etwas aufgebaut, das mir gefällt und
wichtiger noch, auch den Gästen.“
Atmo 1: Tasca do Chico
Schwarzes Hand, schwarze Hose, graue Haare, fast im mer eine
Zigarette in der Hand. Der 55jährige Chico mit sein em Drei-
Tage-Bart sieht eigentlich aus wie ein Bilderbuch- Fadosänger,
ein echter Fadista. Doch singen sei nichts für ihn, meint er
ganz bescheiden:
O-Ton 2: Francisco Gonçalves
„Aus Respekt vor dem Fado singe ich nicht. Ich habe eine
fürchterliche Stimme. Dabei kenne ich die Lieder un d die
Texte, die die Leute hier singen, alle. Ausnahmslos alle. Und
oft fragen mich die Gäste, warum ich eigentlich nic ht singe.
Aus Respekt, sage ich dann, aus Respekt vor dem Fad o.“
Also ist Chico statt Sänger Wirt geworden. Er hat s einen Beruf
von der Pieke auf gelernt. Und dabei seine Liebe zu m Fado
entdeckt:
O-Ton 3: Francisco Gonçalves
„Als kleiner Junge habe ich in einem Fadolokal als
Tellerwäscher angefangen und mich hoch gearbeitet. Dabei hatte
ich die Ehre, alle großen Fadosänger kennenzulernen , unter
ihnen auch Amália Rodrigues. Das war ein großes Glü ck und hat
17
meine Liebe zum Fado noch vertieft. Sie waren alle sehr gute
Menschen und sie haben alle in den Fadolokalen des Bairro Alto
gesungen.“
In den 1980er Jahren jedoch ging es dann bergab mit dem Bairro
Alto, Lissabons altem Bohéme-Viertel. In die altehr würdigen
Fadolokale kamen bestenfalls noch Busladungen japan ischer und
koreanischer Touristen. Die traditionellen Weinknei pen, die
‚Tascas’, schlossen; es war die Zeit, in der alle s agten, das
Ende des Fado sei gekommen:
O-Ton 4: Francisco Gonçalves
„Dabei war das so schön: Man rauchte, einer spielte Gitarre,
einer anderer sang und los ging’s mit dem Fado. All es
Amateure, aber man traf sich gern. Die einen sangen gut, die
anderen weniger gut, aber es machte allen Spaß. Und damit
sollte es vorbei sein.“
Unmöglich, sagte sich Chico. Und während überall im Bairro
Alto moderne Bars aufmachten, schwamm Chico gegen d em Strom,
eröffnete seine ‚Tasca’. Trotz großer Probleme:
O-Ton 5: Francisco Gonçalves
„Ich kochte Schnitzel und Grünkohlsuppe, wie das fr üher üblich
war. Da kam eine Inspekteurin von der Stadt und sag te, das sei
verboten. Auch meine guten Stockfischküchlein musst en weg.“
Musik 1
Jetzt gibt es all das wieder, Chico hat lange genug
durchgehalten. Als der Fado in den 1990ern wieder i n Mode kam,
durfte er nicht nur seine typisch Lissabonner Snack s wieder
verkaufen, seine Kneipe wurde sogar zur absoluten A ttraktion.
18
Zehn Holztische stehen in der engen ‚Tasca do Chico ’, an den
Wänden hängen Fotos alter Fadostars. Die Zeiten mög en sich
ändern, der Fado und seine Interpreten seien sich j edoch immer
treu geblieben, stellt Chico fest und zählt die gro ßen Namen
auf. Die Damen ehrfurchtsvoll mit dem Titel ‚Dona’, auf
Deutsch ‚Gnädige Frau’:
O-Ton 6: Francisco Gonçalves
Die Sängerinnen der neuen Generation nennt Chico li ebevoll
kleine Mädchen, ‚miudas’. Denn er kennt auch sie al le
persönlich. Viele von ihnen haben in seiner Tasca g esungen,
bevor sie Karriere machten:
O-Ton 7: Francisco Gonçalves
„Inzwischen gibt es wieder so viele gute Sängerinne n. Carminho
zum Beispiel, die hat schon als Kind hier gesungen. Nun ist
sie berühmt, aber ihre ersten Schritte als Fadosäng erin hat
sie hier in meiner tasca gemacht.“
Jetzt strahlt Chico übers ganze Gesicht. Die Kneipe ist voll,
junge Portugiesen sind hier, aber auch viele Auslän der.
Touristen und Fado-Liebhaber aus aller Welt. Die ei nen hören
nur zu, die anderen wollen auch singen. Einen hat C hico bis
heute nicht vergessen:
O-Ton 8: Fancisco Gonçalves
„Vor vier, fünf Jahren kam ein Japaner, Tako hieß e r. Zuerst
stand er ein paar Tage hinten am Fenster und hat di e Musik
aufgenommen. Dann kam er zu mir und sagte, er wolle einen Fado
singen.“
Tako habe sogar gut gesungen, schmunzelt Chico sich tlich
zufrieden. Denn der ach so typisch portugiesische F ado gehe
19
eben jedem ans Herz. Auch den Ausländern. Am wichti gsten
jedoch sei, dass die ‚Tasca do Chico’ jungen Mensch en die
Chance biete, vor Publikum zu singen:
O-Ton 9: Francisco Gonçalves
„Die Tasca ist gut für Anfänger. Schließlich beginn t niemand
seine Karriere gleich auf einer großen Bühne, wird niemand als
Star geboren. Und hier können die Jugendlichen auft reten und
lernen. Es müsste viel mehr solcher Kneipen geben, damit neue
Talente sich entwickeln können.“
Neue, junge Talente gibt es derweil immer mehr. Fad o ist groß
in Mode, nicht zuletzt dank Chico und seiner Tasca. Er sei
schon zufrieden, wenn er nur ein kleines bisschen z um
Überleben seiner Lieblingsmusik beigetragen habe, v ersichert
der Fado-Wirt bescheiden wie immer und freut sich:
O-Ton 10: Francisco Gonçalves
„Am wichtigsten ist, dass der Fado nicht stirbt. Un d mit all
den jungen Menschen, die jetzt singen, wird er nie sterben. Es
können Jahrzehnte vergehen und hier wird weiter Fad o gesungen
werden. Der Fado stirbt einfach nicht.“
Dann dreht Chico sich um, drängt sich durch die Gäs te zum
Eingang. Carminho, die Fadista ist gerade gekommen und begrüßt
den Wirt mit Umarmung und Küsschen. Singen wird sie heute
Abend wohl nicht, sondern nur ein bisschen abhängen unter
Freunden in der ‚Tasca do Chico’. Dort, wo die eine n rauchen
und trinken, die anderen Gitarre spielen. Und wer L ust hat
singt. Beim Fado eben.
MUSIK
20
LITERATUR
Die Burg Sao Jorge hebt sich mit ihrem Zinnenkranz markant vom
stahlblauen Nachthimmel ab. Am stimmungsvollen Plat z Pátio de
Dom Fradique steht ein Fadosänger unter einem Torbo gen, er ist
jung, aber des Lebens Weisheit und der Schmerz ist ihm in die
leidenden Züge geschrieben. Hinter ihm sitzt ein
Gitarrespieler am Boden, ein zweiter lehnt an der b röckelnden
Wand. Es klingen des Sängers Töne suchend durch die Nacht und
erinnern an arabische Klänge mit fremden Harmonien. Sie singen
über die Liebe, denn Liebe vergehet, ach, alles ver gehet, nur
Saudade, Saudade vergehet keinem ... Jubel! Rasender Beifall!
Leute stehen von ihren Sitzen auf, vergessen sogar die
sardinhas. Glückliche Gesichter. Bis des Sängers Züge mit
einem Mal fast versteinern. Er hebt die Hand. Ruhe kehrt ein.
Eine Gitarre schlägt an, und gleich die zweite meis terhaft,
dazu besingt der Sänger die Liebe zu Lissabon, Cheira Lisboa.
Die Leute singen mit, einige ergreifen die Hand des Nachbarn,
und schon fließen wieder die Tränen. Noch eine Kann e Wein!
MODERATION
Carminho ist einer der aufsteigenden Sterne am Fado -Himmel.
Dabei gehört sie eigentlich schon zur ersten Genera tion nach
den neuen Stars, die den Fado wieder in Mode gebrac ht haben:
Marisa, Dulce Pontes, Ana Moura, Camané.
Mit 22 Jahren, nachdem sie fast ein Jahr um die Wel t gereist
ist, beschließt sie, den Fado zu ihrem Beruf zu mac hen.
Carminhos Mutter Tereza Siqueira war nicht nur eben falls
Fadista, sie betrieb auch ein Fado-Restaurant, in d em die
kleine Carminho alle namhaften Fado-Stars kennenler nte. Fado
singen sei ihr ein Bedürfnis, sagt sie, ein Mittel um zu
Überleben. Denn durch den Fado könne sie alles ausd rücken.
Fado sei das pure Leben, das jetzt obendrein auch n och cool
21
sei. Denn heutzutage würden die jungen Portugiesen sich und
ihre Erfahrungen im Fado wiedererkennen.
Musik 1: Carminho Alfama
Stimme hat sie satt, selbst ohne Gitarrenbegleitung . Im sexy
roten Kleid steht sie auf der Bühne der Lissabonner
Nobeldiscothek Lux und singt über die Alfama, ein h eute eher
heruntergekommenes Stadtviertel. Sie singt über den Geruch von
Schmerz, Trauer und Einsamkeit, leidet sichtlich da bei. So ist
der Fado eben und das Publikum – ausschließlich jun ge Leute –
klatscht begeistert, als ihr die Musiker zu Hilfe k ommen.
Gitarren
Dabei ist Carminho gar kein Kind von Traurigkeit, b ehauptet
sie zumindest:
O-Ton 1: Carminho
„Ich bin eher fröhlich, sieht man das nicht? Aber i ch bin auch
traurig, manchmal sehr traurig. Ach Quatsch. Ich bi n nicht
traurig, ich bin nostalgisch. Aber ich werde leicht traurig,
bin leicht betroffen.“
28 Jahre jung, lange braune Haare, große, dunkle Au gen,
verschmitzte Grübchen an den Mundwinkeln. Schwer zu sagen, was
Carminho
22
Carmo Rebelo de Andrade – so heißt sie mit vollen N amen –
wirklich ist. Zurückhaltend und unnahbar, so wie ma n sich eine
Fado-Sängerin, eine „Fadista“, vorstellt, ist sie a uf keinen
Fall:
O-Ton 2: Carminho
„Ich gehöre auch zur Facebook-Generation, zu den ju ngen
Menschen, die gern reisen. Zur Generation der schne lllebigen
Information, der social media, der grellen Bilder. Denn das
alles beeinflusst schließlich urbane Musik.“
Atmo 1: Café
Fado sei Lissabon, also urbane Musik, sagt die Säng erin. Und
die ändere sich und bleibe trotzdem gleich. Jetzt l ehnt
Carminho sich über den Tisch, spielt mit ihrer ries igen
Luxusuhr. Nein, mit der Unnahbarkeit der Fado-König in Amalia
Rodrigues hat das absolut nichts zu tun. Auch nicht mit
billigem Rotwein und all den alten Fado-Klischees. Da sitzt
die selbstbewusste Vertreterin einer neuen Generati on, fährt
sich eben mal locker mit der Hand durch die Haare, atmet tief
durch, bevor sie noch einmal klar stellt:
O-Ton 3: Carminho
„Fado ist cool. Fadotexte sind Poesie und darum coo l, die
Musik ist cool. Und die alte Trennung zwischen Popm usik und
Fado ist verschwunden.“
Musik 1
Gitarren
Verantwortlich dafür sind coole Interpreten wie Car minho und
all die anderen neuen Fado-Sänger und -Sängerinnen. Die haben
23
neue Themen gefunden, bringen alte Texte in moderne Fassungen.
Wobei Carminho eigentlich zur alten Schule gehört:
O-Ton 4: Carminho
„Meine Mutter hatte ein Fado-Lokal. Da habe ich nat ürlich
viele Künstler getroffen und das hat mich stark bee influsst.
Ich habe den Fado sozusagen mit der Muttermilch get runken.“
Während ihrer Schulzeit habe sie sich dafür noch ge schämt,
damals habe Fado als altmodisch gegolten, sei verpö nt gewesen.
O-Ton 5: Carminho
„Und ich war damals wohl auch zu jung, hatte noch n icht genug
Persönlichkeit, mich zum Fado zu bekennen. Aber sei t ich
erwachsen wurde, weiß ich, was ich will. Jetzt ist mir egal,
ob das den Leuten passt, oder nicht.“
Musik 2: Ende Fado, Applaus
Kokettieren kann Carminho durchaus auch. Denn natür lich passt
es den Leuten, immer mehr sogar. Ihre Konzerte sind
ausverkauft, Carminho hat erfolgreiche Tourneen in der ganzen
Welt hinter sich. Sang schon in Korea, in Polen und auch in
Deutschland.
Wie der ganze Fado-Hipe angefangen habe? Ein Lächel n, ein
Augenaufschlag und ein Bekenntnis: keine Ahnung!
O-Ton 6: Carminho
„Ich weiß nicht, wie das angefangen hat. Ich habe m ittwochs in
einer Kneipe gesungen, in einer coolen Kneipe im St adtteil
Alfama. Da fing diese ganze Vintage-Mode an und auf einmal war
es cool, durch die alten Viertel zu ziehen. In der Kneipe, wo
24
ich sang, gab es keinen Mindestkonsum und darum wur de sie
immer voller. Plötzlich war die Hölle los.“
Atmo 2: Café
‚Und ich war plötzlich berühmt’, sagt Carminho dann doch
nicht, während sie wieder lächelt und wieder mit de r Luxusuhr
spielt. Schließlich singt eine Fadista nicht wegen der
Karriere, sondern weil sie singen muss, sprudelt es aus ihr
heraus:
O-Ton 7: Carminho
„Wer Fado singt, muss sehr emotionell sein. Wir Fad osänger
lieben Gefühle. Ich bin ein Opfer meiner Gefühle...
Spaß beiseite, ich bin wirklich ein Opfer meiner Ge fühle. Sie
zwingen mich, zu reagieren. Ich muss sie irgendwie
kanalisieren, damit es mir gut geht. Sonst könnte i ch nicht
überleben. Also singe ich, um zu überleben.“
Musik : Carminho singt
Ob singen um zu überleben das Geheimnis des Fados s ei? Ob Fado
wieder so sehr unter die Haut gehe, weil die leidig e Krise in
Portugal immer größer werde? Carminho hört die Frag en
aufmerksam, wird sehr ernst, fast traurig. Kann sei n,
antwortet sie:
O-Ton 8: Carminho
„In Krisenzeiten suchen die Menschen nach neuen Pri oritäten
und echten Werten. Der Fado hilft uns vielleicht da bei, denn
er ist urportugiesisch, kommt aus der Seele. Er erz ählt unser
Leben, das Leben eines jeden von uns.“
Gitarren
25
Und das sei ja bekanntlich nicht nur Sonnenschein, schließt
Carminho dieses Thema ab, lächelt wieder. Denn so b etrübt sie
manchmal auch sein mag, Carminho ist definitiv kein Kind von
Traurigkeit. Sie sei nur eine der vielen Fado-Sänge rinnen der
neuen Generation. Nicht mehr und nicht weniger. Mit allen
Tugenden und Untugenden, die diese Generation habe, lacht sie,
steht vom Tisch auf und verschwindet. Das allerding s mit der
Klasse und dem Hüftschwung einer ganz, ganz großen Fadista.
MUSIK
MODERATION
Im DEUTSCHLANDFUNK hörten Sie: GESICHTER EUROPAS: Das Leben
ist ein Fado. Die Portugiesen und ihre musikalische
Visitenkarte. Eine Sendung mit Reportagen von Joche n Faget.
Musik & Regie: Babette Michel. Ton & Technik: Anna Dhein und
Hendrik Manook. Am Mikrofon war Henning von Löwis.
MUSIK
Recommended