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NUTZER:effekt Das Magazin für Bedienbarkeit und Digitales Das Dickste zum Schluss! Die besten Artikel des NUTZER:effekt Magazins So funktioniert das Digital Innovation Model Auszug aus dem neuen Buch

NUTZER:effekt #14 - Letzte Ausgabe

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Das Handspiel Usability Magazin

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NUTZER:effektDas Magazin für Bedienbarkeit und Digitales

Das Dickste zum Schluss!Die besten Artikel des NUTZER:effekt Magazins

So funktioniert das Digital Innovation ModelAuszug aus dem neuen Buch

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Stephan Preuss unddie HandspielerStephan Preuss und

Editorial

Ausgabe 14 — Oktober 2014

Liebe Kunden,

das Dickste zum Schluss! In dieser Ausgabe haben wir Ihnen unsere meist gelesenen Beiträge für erfolgreiche Mensch-Technik Interaktion zusammengestellt.

Das NUTZER:effekt-Magazin hat Sie in den letzten Jahren treu begleitet. Ihre Anregungen und Themen haben wir gern aufgegriffen und in spannende Fachbeiträge verwandelt. Seitdem hat sich Handspiel weiterentwickelt, wir sind gewachsen, haben neue Werkzeuge entwickelt und neue Dienstleitungen im Angebot. Zum Beispiel entstand das Digital Innovation Model, das Unternehmen bei der Strategie erfolgreicher Software- und IT-Projekte unterstützt. Mittlerweile hat sich das Modell auch bei der Deutschen Bahn bewährt. Das Buch dazu erscheint, Sie erfahren es hier zuerst, zum Welt Usability Tag am 13. November 2014.

Mit dem neuen eBusiness Insider haben wir nun ein schnelles und interaktives Format für Ihre Themen entwickelt. Er erscheint einmal im Monat per E-Mail und beantwortet mit Ihnen gemeinsam die Frage, wie sich Business, Nutzer und digitale Transformation erfolgreich verbinden lassen.

Ich lade Sie dazu ein, mir mit der nächsten Ausgabe des eBusiness Insiders weiter zu folgen und sich an den Themen interaktiv zu beteiligen. Wenn es für Sie ok ist, erlaube ich mir Sie als Abonnent in das neue Format zu übertragen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit unserer letzten Ausgabe!

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Wearables — digitale Revolution im Anmarsch? 6

Zeitvertreib an der roten Ampel 10

So funktioniert das Digital Innovation Model 11

Ganz leicht durch München – mit bedienbaren Automaten 19

Ambient Assisted Living als Alternative zum Altersheim 22

Personas — virtuelle Anwender als Werkzeug 24

Das perfekte digitale Produkterlebenis schaffen 27

Sprachsteuerung — die einfachste Mensch-Maschine-Interaktion 31

Ausflug in die mentalen Modelle 34

Was‘n DAT? Lässt sich Anwenderakzeptanz vorhersagen? 36

InhaltDie Dienstleistungen von HANDSPIEL 4

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simplify

ITRoadmap

Die Roadmap liefert Ihnen die Basis, um alle internen Kräfte auf ein gemeinsames Ziel zu bündeln. Sie erhalten Zukunfts-Szenarios, Ziel-fi ndungs-Workshop und verbindliche Schritte aller Beteiligten.

Basisanalysen, Szenarioentwicklung, Kreati-vitätstechniken, Moderation, Workshop(s) und Dokumentation

eBusiness Konzeptstudie

Für Ihre digitalen Ideen entstehen Strategie und Konzept, die auf Praxistauglichkeit mit den Nutzern geprüft werden. Sie erhalten belast-bare Analysen, konkrete Empfehlungen und Konzeptvorschläge.

Lösungsfi ndung, Prozessgestaltung, Akzep-tanztests, Designs, interne Moderation und Dokumentation

Bewiesener Prototyp

Sie erhalten Ihr anfassbares und bewiesenes Software-Produkt als Prototyp. Dieser wird in realitätsnahen Tests mit Nutzern so lange optimiert, bis alle Abläufe intuitiv funktionieren.

Konzepte, Produktdesign, Prototyping, realisti-sche Nutzertests, technische Dokumentation, Begleitung der Umsetzung

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Erfolgversprechendste NutzerWer ist gerade bereit für die Innovation? Wer würde sie als Erster annehmen? Welche Persönlichkeit und Eigenschaften haben diese?

Umsetzung und Finanzierung

Unterstützer, Partner und KritikerWelche internen und externen Unterstützer können die Umsetzung beschleunigen? Welche Kritiker haben Sie?

Eigenschaften und FunktionenWas sind die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften für Ihre Nutzer? Welche Funktionen benötigen Sie als Innovator?

Bedürfnisse und ProblemeWelche Bedürfnisse und Probleme nehmen die Nutzer wahr? Wie lösen sie diese bisher? Gibt es alternative Lösungen?

Aufmerksamkeit und DiffusionWorüber unterhalten sich Ihre Nutzer? Welche Themen wecken Interesse? Wie machen Sie Nutzer zu “Diffusionsagenten”?

ErstnutzungserlebnisWas erlebt Ihr Anwender bei der ersten Nutzung? Was wird ihn am meisten begeistern? Wie wird er beim Erlernen unterstützt?

StammnutzenWelche dauerhaften Vorteile (persönlich, sozial, ökonomisch) bieten Sie? Wie unterstützen Sie die Integration in den Alltag?

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Killerfeature:Vorteil für Unterstützer: Produkterinnerung:

Größtes Interesse:Zielgruppe: Anzahl:Name, Alter: Nachrichtenwert:

Erste Belohnung:

Ergebnisse

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Was sind Ihre Ziele mit der Innovation?Was sind die späteren Ergebnisse?

Initialkosten: jährl. Kosten:

Ergebnisse 1. Jahr: Ergebnisse 2. Jahr:

ErgebnisseWas sind Einnahmen und Up-Selling?Was sind mögliche Einsparungen?

AufwändeWelche Aufgaben sind notwendig?Was kostet die Umsetzung?

Titel Datum

Aufgabe der Innovation:

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Warum 56% der Projekte ihre Ziele nicht erreichen.Der Branchenreport zum Scheitern von IT-Projekten47% der IT Projekte verzögern sich zeitlich, 32% werden sogar gänzlich abgebrochen. 25% der Projekte werden über die Hälfte teurer als im Vorfeld geplant. Somit wird mehr als jedes zweite IT-Projekt zum Albtraum. Die Firma HANDSPIEL hat in diesem Jahr erstmalig aus der eigenen Erfahrung und verschiedenen Studien einen Branchenreport erarbeitet, der die potentiellen Stolperfallen bei IT-Projekten beleuchtet.

Martin Seidel,Account ManagerTelefon +49 341 223872-12E-Mail [email protected] www.handspiel.net

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Wearables — digitale Revolution im Anmarsch?Autor Tino Leonhardt, 2013

Kennen Sie Dr. Martin Lawrence Cooper? Er ist Sohn ukrainischer Einwanderer und wurde 1928 in Chicago (USA) geboren. Vielleicht sagt Ihnen der Name nichts, seine Erfindung kennen Sie aber sicherlich. Herr Cooper stellte im Jahre 1973 das erste kommerzielle Mobiltelefon vor. Das damals knapp ein Kilogramm schwere DynaTAC 8000X von Motorola, dessen Akkulauf-zeit gerade einmal 20 Minuten betrug und größer als eine DIN-A4-Seite lang war, hat die moderne Kommunikation ohne Zweifel revolutioniert. Welche Tragweite seine Erfindung hatte, war zu dieser Zeit sicherlich nicht absehbar.

Vom „Stiefel-Phone“ zum MultitoolHeutige Geräte haben nicht mehr viel gemeinsam mit dem Mobiltelefon von damals, welches von Designern den Spitznamen „Stiefel-Phone“ erhielt. Ursprünglich nur zum Telefonieren gedacht, wurden im Laufe der Zeit immer mehr Funktionen ergänzt – Aufnehmen von Fotos und Videos, Austausch von Kurznachrichten, Wieder-gabe von Musik, Zugriff auf das mobile Internet – kurz: Mobiltelefone wurden zu multimedialen

Allroundern, die nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken sind. Telefonieren kann man natürlich immer noch damit.

Revolution einer Branche: das iPhoneDoch auch innerhalb des Marktes kam es zu Revolutionen, als Steve Jobs im Rahmen der „Macworld 2007“ ein Smartphone aus seiner Hosentasche hervorholte, welches nur eine Taste auf der Vorderseite besaß. Die Bedienung erfolgte fast ausschließlich per Fingergesten. Das anwesende Publikum war begeistert und die Bosse der Handyunternehmen rutschten sicher beunruhigt auf ihren Stühlen, denn ver-gleichbares war zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Markt.

Über Nacht wurde Apple zum Trendsetter in einem Segment, in welchem das Unternehmen aus Cupertino bislang nicht aktiv war. Namhafte Unternehmen wie Nokia, Motorola und RIM verloren Marktanteile und versuchen seitdem diese zurückzugewinnen – mit durchwachsenem Erfolg. Wirklich Paroli bieten konnte bisher nur

Wearables werden eng am Körper getragen und ergänzen Smartphones mit ihren Funktionen

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Samsung. Im Jahr 2014 wird es laut Prognosen auf der Welt genauso viele Mobiltelefone wie Menschen geben. In Zahlen ausgedrückt sind das sieben Milliarden Geräte, die im Umlauf sind. Der größte Wachstumsmarkt befindet sich hierbei im asiatischen Bereich.

Und die steigenden Absatzzahlen dieser Geräte haben ihren Höhepunkt noch lange nicht erreicht. Laut Prognosen sollen im Jahr 2015 rund zwei Milliarden Smartphones im Umlauf sein – Tendenz steigend. Als Gründe werden sinkende Preise und steigender Wohlstand in ärmeren Ländern dieser Welt genannt.

The next big thing! Wearables?Die mobilen Alleskönner erfahren derzeit eher eine Evolution. Die Technik ist ausgereift und wird perfektioniert. Die Geräte werden leistungs-stärker und unterscheiden sich in der Größe. Aber ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal gibt es kaum noch. Was ist also der nächste Schritt? Die nächste Generation an Smartphones wird wohl niemanden wirklich überraschen. Sie werden noch leistungsfähiger sein, weisen sicherlich ein verbessertes Display auf, haben neuere Funkstandards an Bord und variieren in der Bildschirmgröße. Auch optisch ähneln sich die Geräte immer mehr – egal ob aus dem Hause Apple oder Blackberry. Kurzum: Das Konzept

„Smartphone“ wirkt ausgereizt und bei Konsu-menten und Herstellern scheint Einigkeit darüber zu herrschen, wie ein solches Gerät auszusehen hat und welche Funktionen es mitbringen muss. Hat das Smartphone also ausgedient? Analysten beantworten diese Frage mit einem klaren Jein. Smartphones werden nach wie vor im Einsatz bleiben, aber eine andere Rolle als bisher spielen. Die nächste Revolution im Bereich der mobilen Computer wird laut aktuellen Prognosen von sogenannten Wearables eingeläutet.

Wie der Name bereits verrät, handelt es sich bei Wearables um Rechner, die man wie Kleidung oder Accessoires am Körper trägt. Im Fokus stehen hierbei zwei Konzepte: Armbanduhren und Brillen. Der Suchmaschinenbetreiber Google ist beispielsweise mit seinem Projekt „Glass“ bereits in aller Munde und löste noch vor dem eigentlichen Erscheinen der Brille heftige Diskussionen im Netz aus. Branchenkenner erwarten zudem, dass der Trendsetter Apple eine „intelligente“ Uhr namens iWatch auf den Markt bringen wird und somit den Durchbruch in diesem Segment schafft, denn neu ist das Konzept nicht. Von Sony wird seit 2012 eine SmartWatch zum Preis von rund 100 Euro ver-trieben. Doch bisher hat es das Produkt nicht aus seinem Nischendasein geschafft. Deswegen liegt die große Hoffnung nun auf Apple, die durch

innovatives Design und neuartige Funktionen den Weg für den Massenmarkt ebnen könnten, wie dies bereits durch das iPhone und das iPad geschah – beides Konzepte, die andere Herstel-ler bereits vor Apple entwickelten, aber keinen kommerziellen Durchbruch damit erzielten.

Smartwatch: eine interaktive ErgänzungJedoch werden Wearables die Smartphones nicht ersetzen, sondern als Ergänzung dienen und so eine neue Art der Interaktion ermögli-chen. Das derzeitige Problem bei Wearables ist, dass sie selbst nicht genügend Platz für einen leistungsstarken Akku bieten. Rechenintensive Prozesse sind so nicht möglich. Jedoch könnte diese Aufgabe zukünftig von Smartphones übernommen werden, die über reichlich Rechen-leistung verfügen und deren Akkus genügend Kapazität bieten.

Mit Hilfe der Bluetooth-Technologie lassen sich beide Geräte drahtlos miteinander verbinden, wie dies bereits bei Sonys SmartWatch der Fall ist. Diese benötigt ein Smartphone im Hintergrund. Die SmartWatch in der zweiten Generation von Sony bietet dem Nutzer die Möglichkeit, immer über die Ereignisse auf seinem Smartphone informiert zu sein. Egal ob eingehende E-Mails, Kalendereinträge, Anrufe oder Facebook- und Twitter-Updates – das Gerät buhlt durch ein un-

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hörbares Vibrieren am Handgelenk sofort um die Aufmerksamkeit des Nutzers. Dieser kann durch einen diskreten Blick entscheiden, ob und wie er auf die Informationen reagiert. Natürlich lässt sich der Funktionsumfang der Uhr durch Apps beliebig erweitern. Die Bedienung der Smart-watch erfolgt – wie beim Smartphone – mittels Touchscreen.

Google Glass: bahnbrechende Erfindung? Anders bei Google Glass: Hier wird überhaupt kein Smartphone als „Hilfsrechner“ benötigt – sämtliche Bauteile wie Recheneinheit (CPU), Arbeitsspeicher und Akku sind bereits in dem Brillengestell selbst integriert. Natürlich ist eine Antenne für WLAN und Bluetooth an Bord sowie Mikrofon und Kamera. Trotz allem wäre der Zugriff auf die Rechenleistung eines gekop-pelten Smartphones denkbar, um komplexere Operationen zu berechnen.

Das Design ähnelt dem einer Brille, mit nur einem Brillenglas. Das Besondere daran: Das Glas dient als Head-Up-Display. Dieses ermög-licht, dass Informationen direkt in das Sichtfeld des Anwenders eingeblendet werden können. Kombiniert werden diese Informationen mit auf-genommenen Bildern des Gerätes, da auch eine Kamera integriert wurde, die der Blickrichtung das Trägers folgt und Aufnahmen macht. Ferner könnten Daten aus dem Internet unmittelbar bezogen und versendet werden. Man spricht hierbei von erweiterter Realität (engl. augmented reality), bei der eine computerunterstützte Erwei-terung unserer Realitätswahrnehmung erfolgt.

Den Nutzen dieser Technik sehen Experten darin, dass die Hände des Anwenders frei bleiben, während er zeitgleich Zugriff auf das

Internet oder eine andere Software hat. Bei Wartungs- und Reparaturarbeiten könnte so zum Beispiel eine Anleitung direkt in das Sichtfeld projiziert werden, während die notwendigen Arbeitsschritte mit den Händen ausgeführt werden. Die Bedienung erfolgt durch eine leichte Bewegung des Kopfes, durch Spracheingabe sowie ein integriertes Touchpad.

Bedienung: Fingerwink und MuskelzuckenBei beiden Konzepten kommen dabei bekannte Interaktionsprinzipien zum Einsatz: Touchpad, Spracheingabe oder die Neigung des Gerätes. Die Firma Microsoft gibt einen Ausblick darauf, wie man die Geräte der Zukunft noch bedienen könnte – nämlich durch bloße Muskelanspan-nung. Beim „Muscle-Computer-Interface“ werden Sensoren am Körper angebracht, zum Beispiel an den Armen. Nach der Kalibrierung der Software lassen sich so aus einer quasi nicht sichtbaren Interaktion bestimmte Gesten ableiten. Die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt verschwimmen und werden praktisch aufgelöst. Der Einsatz einer solchen Technik wäre beispielsweise dort denkbar, wo eine direkte Bedienung zu anstrengend oder gar gefährlich sein kann.

Wo Licht ist, ist auch SchattenNeuerung wecken immer Ängste und Wider-

Mit Google Glass kann alles, was der Nutzer sieht, aufgezeichnet werden.

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stände — auch im Technikbereich. Noch bevor Google Glass überhaupt auf dem Markt ist, schlagen die Wellen der Entrüstung im Internet hoch. Einige sprechen von einer Überwachungs-gesellschaft und sehen die potenziellen Träger der Brille als Cyborgs an – ein Mischwesen aus Mensch und Maschine. Das Gerät erlaubt dem Träger, das was er sieht live als Video aufzunehmen und praktisch sofort ins Internet hochzuladen — ohne dass es der Gefilmte bemerkt. Die Horrorvision, die hier gezeichnet wird, ist die einer freiwilligen Überwachungsge-sellschaft, bei der die Überwacher kaum noch merken, welche Rolle sie spielen. In Zeiten, wo die Menschen durch heimliche Überwachungs-programme (PRISM, Tempora) für das Thema Datenschutz und Datensicherheit zusätzlich sensibilisiert sind, gewinnen solche Vorhersagen an Brisanz. Klar ist, dass Menschen bereits heute gefilmt werden können, ohne dass sie es bemerken. Jedoch gibt sich der Kameramann als solcher zu erkennen, indem er die Kamera oder das Smartphone hochhält und so Umstehenden signalisiert, dass er filmt. Durch Google Glass wird die Rolle des Kameramanns aber verändert: Ein einfaches „Ok Glass, nimm ein Video auf“ reicht als Befehl aus. Die Befürchtung ist, dass dies auch in Situationen geschieht, in denen andere Menschen nicht damit rechnen.

Vorhersagekraft der Big DataMan könnte argumentieren, dass die damit gewonnenen Daten für sich genommen doch eher harmlos seien. Jedoch lassen sich aus der Fülle an gesammelten Daten sehr zuverlässige Vorhersagen ableiten, wie wir uns in Zukunft verhalten. Beispielsweise analysiert eine ame-rikanische Firma kleinste Abweichungen im Kaufverhalten und kann so darauf schließen, ob die Kundin schwanger ist. Vorhersagen lassen sich aus dem Freundeskreis auf Facebook ableiten, zum Beispiel mit welcher Wahr-scheinlichkeit jemand homosexuell oder ein Scheidungskind ist. Empirische Daten-analyse wird in einigen US-Bundesstaaten verwendet um vorherzusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Häftling, der vor der Entlassung steht, in den kommenden zwölf Monaten wieder an einer Schießerei beteiligt ist.

Doch es gibt auch diejenigen, die Google Glass neutral gegenüber stehen, denn die unbemerkte Videoaufzeichnung ist nicht nur in James Bond Filmen und für Geheimdienste Realität: bei-spielsweise mit einer Stiftkamera oder mit den allgegenwärtigen Überwachungskameras. Wer also mitfilmen will, kann das heute bereits tun. Von einigen Mitgliedern der Netzgemeinschaft wird das Tragen von Google Glass belächelt und als eher nerdig angesehen.

Nutzer 1.0: Anforderungen bleiben gleichWird das Smartphone bald ersetzt? Wird es sinnvoll ergänzt? Welche Rolle wird es in Zukunft spielen? Diese Fragen werden in absehbarer Zeit beantwortet werden können. Fakt ist jedoch, dass es eine Konstante gibt, die unabhängig von der Technikentwicklung ist: Nämlich der Nutzer – in der schlichten Version 1.0. Jeder muss für sich entscheiden, welche neue Technik er einsetzt und wie er dies tut. Sicherlich bieten neue Gerätegenerationen Vorteile, aber jeder muss und sollte für sich abwägen, ob das Mehr auch die jeweiligen Nachteile der Technik aufwiegt. Ein kriti-scher und verantwortungsvoller Einsatz wird in Zukunft wichtiger denn je, um die informationelle Selbstbestimmung zumindest zu einem Teil zu wahren. Ein Technikverbot wäre reaktionär, unumgänglich jedoch ist die weitere Diskussion um gesellschaftliche Normen und der Umgang mit Technologie. n

Weiterführende Quellenff http://bit.ly/1CnlKYX Meilensteine Han-

dy- und Mobilfunktelefon-Geschichteff http://bit.ly/1rejH78 Das iPhone und

die Smartphone-Revolutionff http://bit.ly/1peAjpE Google Glassff http://bit.ly/1rvLizF Google Glassff http://bit.ly/1rvKXgq Muscle-Computer-Interfaceff http://bit.ly/ZexUVV Die Anti-Cyborgsff http://bit.ly/1ussiUN Die Gefahr durch Prism

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Zeitvertreib an der roten AmpelAutorin Marcella Makowski, 2013

Manchmal ist es wie verhext: Ob als Auto-fahrer oder als Fußgänger — sobald man auf eine grüne Ampel zukommt, wird sie rot! Um den Fußgängern die Wartezeit zu verkürzen, haben die zwei Studenten Holger Michel und Sandro Engel das Ampelspiel „Streetpong“ entwickelt.

Bei Streetpong stehen zwei Spieler auf gegen-überliegenden Straßenseiten und bedienen ein Display, das an den Ampelmasten befestigt ist. Auf dem Display sind, angelehnt an das Com-puterspiel Pong, zwei Balken abgebildet, mit denen die Spieler einen kleinen Ball hin- und her-schießen können. Wird der Ball nicht erwischt, erhält der Gegner einen Punkt. Das Spiel ist ausschließlich in den Rotphasen bedienbar. Im Hintergrund des Displays wird die Wartezeit der Rotphase abgebildet, die die Spielzeit begrenzt.

Die Idee der beiden Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Kunst in Hildesheim hat weltweites Interesse hervorge-rufen. Innerhalb einer Woche erhielt das Video,

in dem eine Animation die Funktionsweise von Streetpong verdeutlicht, etwa zwei Millionen Klicks. Vor allem in den USA und Japan ist es populär.

Trotz des positiven Feedbacks ist es fraglich, ob die Idee tatsächlich umgesetzt werden kann. Bisher konnten die Studenten dafür nämlich keine Genehmigung bekommen. Und trotzdem: Gegen eine Möglichkeit die Wartezeit an roten Ampeln zu verkürzen, hätte wohl niemand etwas einzuwenden. n

Weiterführende QuellenVideo http://vimeo.com/48514003

Technik-Akzeptanz-Prognose

Ein netter Zeitvertreib für zwischendurch, aber nicht geeignet für die breite Masse. Zudem ist fraglich, wie lange die Touchsreens den Alltags-anforderungen (Schmutz, Wasser) standhalten.

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So funktioniert das Digital Innovation ModelAuszug aus dem neuen Buch "The Digital Innovation Model - Software planen, die Nutzer lieben"

Wie muss eine Software beschaffen sein, damit diese sich durchsetzt? Was sind die Ursachen, was die Rahmenbedingungen und wie werden Nicht-Nutzer zu Nutzern? Wie lassen sich diese abbilden, um Softwarepro-jekte damit zu modellieren?

In der Literatur und in Studien ist vieles dazu bereits untersucht und erforscht worden. Was es bisher aber noch nicht gab, war eine praktikable Methode, die diese Erkenntnisse zusammen-führt, um digitale Ideen strukturiert zu prüfen und zu modellieren. Aus dieser unbefriedigenden Situation heraus, enstand das Modell.

Im Laufe der Untersuchungen stellten wir fest, dass es nicht nur unzählige Ansätze zum Umgang mit Innovationen gibt, sondern ebenso viele Forschungsfelder der Wissenschaft. Mit Diffusionstheorie, Innovationsmanagement, Kommunikationswissenschaften oder Soziologie seien nur einige genannt. Während der Ent-wicklung haben wir mit dem „Design-Science“- Ansatz einen Weg gefunden, die wichtigsten

Erkenntnisse aus der bestehenden Forschung gepaart mit unserer Praxiserfahrung in ein Modell zu überführen. Dabei werden wissen-schaftliche Recherchen und Design-Methoden verknüpft. So lassen sich höchst abstrakte Zu-sammenhänge und eine riesige Informationsfülle mittels wiederkehrender Design-Schleifen zu einer Lösung zusammenführen.

Das Ergebnis ist eine geführte Methode, die die Komplexität von digitalen Projekten deutlich vereinfacht und die wichtigsten Erfolgskriterien zusammenführt. Damit lassen sich digitale Ideen schneller auf Relevanz prüfen, die Ent-wicklung lässt sich anhand des standardisierten Vorgehens vereinfachen und letztendlich können alle Beteiligten mit der Methode wieder über das gleiche sprechen.

Das Modell hilft dabei, die digitale Transforma-tion unserer Welt aus Sicht der Anwender zu gestalten und nützliche digitale Innovationen zu entwickeln. Wir haben es deshalb Digital Innovation Model genannt.

DiffusionsforschungDie Diffusionsforschung beschäftigt sich mit der Erklärung und der Prognose, wie sich Innovationen innerhalb einer Zielgruppe verbreiten. Dabei wird genauer betrachtet, in welchem zeitlichen Ablauf sich die Neuerun-gen ausbreiten. Die Diffusionsmodelle können für unterschiedlichste Innovationen eingesetzt werden.

AdoptionsforschungWie und warum Innovationen von jedem einzelnen Nutzer akzeptiert werden, ist Inhalt der Adoptionsforschung. Ihr Interessenschwer-punkt ist der intrapersonale Aspekt bei der Übernahme von Innovationen.

InnovationsmanagementWas braucht es, um Innovationen zu planen, zu steuern und zu kontrollieren? Moderne Ansätze wie Open Innovation oder Innovationcluster bündeln Kreativität auch außerhalb der Unternehmen und verhelfen zu neuen Strategien.

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Erfolgversprechendste NutzerWer ist gerade bereit für die Innovation? Wer würde sie als Erster annehmen? Welche Persönlichkeit und Eigenschaften haben diese?

Umsetzung und Finanzierung

Unterstützer, Partner und KritikerWelche internen und externen Unterstützer können die Umsetzung beschleunigen? Welche Kritiker haben Sie?

Eigenschaften und FunktionenWas sind die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften für Ihre Nutzer? Welche Funktionen benötigen Sie als Innovator?

Bedürfnisse und ProblemeWelche Bedürfnisse und Probleme nehmen die Nutzer wahr? Wie lösen sie diese bisher? Gibt es alternative Lösungen?

Aufmerksamkeit und DiffusionWorüber unterhalten sich Ihre Nutzer? Welche Themen wecken Interesse? Wie machen Sie Nutzer zu “Diffusionsagenten”?

ErstnutzungserlebnisWas erlebt Ihr Anwender bei der ersten Nutzung? Was wird ihn am meisten begeistern? Wie wird er beim Erlernen unterstützt?

StammnutzenWelche dauerhaften Vorteile (persönlich, sozial, ökonomisch) bieten Sie? Wie unterstützen Sie die Integration in den Alltag?

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Killerfeature:Vorteil für Unterstützer: Produkterinnerung:

Größtes Interesse:Zielgruppe: Anzahl:Name, Alter: Nachrichtenwert:

Erste Belohnung:

Ergebnisse

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Was sind Ihre Ziele mit der Innovation?Was sind die späteren Ergebnisse?

Initialkosten: jährl. Kosten:

Ergebnisse 1. Jahr: Ergebnisse 2. Jahr:

ErgebnisseWas sind Einnahmen und Up-Selling?Was sind mögliche Einsparungen?

AufwändeWelche Aufgaben sind notwendig?Was kostet die Umsetzung?

Titel

Save and share your Poster!Downloads, News and Workshops

www.digitalinnovationmodel.com/m

Datum

The Digital Innovation Model is created by Stephan Preuss. This poster is part of the model and free for any use, as long as the copyright is named.Free-Culture-License “Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International”. Version 1.3 DE – Professional consulting: www.handspiel.net

Aufgabe der Innovation:

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MediennutzungsforschungHierbei wird das Mediennutzungsverhalten erforscht. Aber nicht nur das Medienkonsum-verhalten wird untersucht, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie das Mediensystem selbst. Beides dient dazu, die Struktur des Publikums und die Verbreitung von Medien zu erklären.

Usability/BedienbarkeitWie interaktive Systeme und ihre Benutzerober-fächen gestaltet sein müssen, damit Nutzer effektiv, effzient und zufriedenstellend ihre Aufgabe lösen können, damit beschäftigen sich Informationswissenschaft und Teildisziplinen der Psychologie.

TechnikakzeptanzforschungWarum Menschen manche Technologien ablehnen und was sie bei ihrer Entscheidung bewegt, versucht in der Techniksoziologie das Technikakzeptanzmodell zu erklären. Nutzer müssen das Gefühl haben, dass neue Tech-nologien für sie relevant sind und ihnen einen subjektiven Mehrwert bieten.

Die drei Bereiche des Digital Innovation ModelsNUTZER: Der rote Bereich konzentriert sich auf die Nutzer, auf Ihre typische Zielgruppe also

und auf deren wahrgenommene Bedürfnisse. Außerdem werden Möglichkeiten betrachtet, wie die Nutzer zur Verbreitung Ihrer Software beitragen können.

Produkt: Der grüne Bereich modelliert Ihre Software und deren Nutzungserlebnis: Wie ist das Erstnutzungserlebnis der Software? Was bewegt die Anwender dazu zu Stammnutzern zu werden? Was sind die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften?

Innovator: Der blaue Hauptbereich beinhaltet die drei Aspekte, die für Sie als Software-Innovator elementar sind: Ziele, Partner und Wirtschaftlich-keit. Denn im Laufe des Projektes müssen Sie sich sicher sein: Was ist Ihre Idee konkret? Wie stellen Sie die Umsetzung sicher?

So arbeiten Sie mit dem ModellStellen Sie sich das Poster des Digital Innovation Model als eine Skizzengrundlage vor. Sie können mit wenigen Informationen und ersten Ideen starten und es immer weiter zu einem schlüs-sigen Bild entwickeln. Sie starten hierzu von Ihrer Idee. Diese besteht jedoch aus einzelnen Bausteinen, die zusammen Ihr Produkt ergeben müssen. Hakt es an einer Stelle oder gibt es einen logischen Bruch, heißt es: Kontrollieren, wo von falschen Annahmen ausgegangen

wurde. Drucken Sie das Poster aus, je größer desto besser, und hängen es zum Arbeiten an eine Wand. Die insgesamt neun Felder sind an keine spezielle Reihenfolge gekoppelt, beeinflus-sen sich jedoch gegenseitig. Wenn Sie mit einem neuen Software-Projekt oder einer Idee starten, so sollten Sie jedoch die Punkte der Reihenfolge nach durcharbeiten und danach in mehreren Schleifen optimieren. Während der Arbeit werden Ihnen neue Aspekte zu Ihrem Software-Projekt bewusst und Sie werden an verschiedenen Stellen nachsteuern. Für manche Bereiche, wie z.B. Bedürfnisse und Probleme, können Ihnen noch detaillierte Informationen fehlen, so dass Sie diese später prüfen und ergänzen müssen. Das Modell befindet sich wie gute Software auch in einer permanenten Optimierung. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf das Poster mit der Version 1.3.

Ergebnisse der InnovationWir beginnen ganz am Ende: Was soll das Ergebnis Ihrer digitalen Idee sein? Was wollen Sie als Innovator erreichen? Wenn Sie an das digitale Paradoxon denken, können Sie hier die linke Seite davon beschreiben: Ihre konkreten Ziele. Das kann zum Beispiel der digitale Verkauf von Dienstleistungen sein. Oder Sie möchten Serviceprozesse mit Kunden digital abbilden. So können Sie Reisenden eine einfache und sichere

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Erfolgversprechendste NutzerWer ist gerade bereit für die Innovation? Wer würde sie als Erster annehmen? Welche Persönlichkeit und Eigenschaften haben diese?

Umsetzung und Finanzierung

Unterstützer, Partner und KritikerWelche internen und externen Unterstützer können die Umsetzung beschleunigen? Welche Kritiker haben Sie?

Eigenschaften und FunktionenWas sind die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften für Ihre Nutzer? Welche Funktionen benötigen Sie als Innovator?

Bedürfnisse und ProblemeWelche Bedürfnisse und Probleme nehmen die Nutzer wahr? Wie lösen sie diese bisher? Gibt es alternative Lösungen?

Aufmerksamkeit und DiffusionWorüber unterhalten sich Ihre Nutzer? Welche Themen wecken Interesse? Wie machen Sie Nutzer zu “Diffusionsagenten”?

ErstnutzungserlebnisWas erlebt Ihr Anwender bei der ersten Nutzung? Was wird ihn am meisten begeistern? Wie wird er beim Erlernen unterstützt?

StammnutzenWelche dauerhaften Vorteile (persönlich, sozial, ökonomisch) bieten Sie? Wie unterstützen Sie die Integration in den Alltag?

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Killerfeature:Vorteil für Unterstützer: Produkterinnerung:

Größtes Interesse:Zielgruppe: Anzahl:Name, Alter: Nachrichtenwert:

Erste Belohnung:

Ergebnisse

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Was sind Ihre Ziele mit der Innovation?Was sind die späteren Ergebnisse?

Initialkosten: jährl. Kosten:

Ergebnisse 1. Jahr: Ergebnisse 2. Jahr:

ErgebnisseWas sind Einnahmen und Up-Selling?Was sind mögliche Einsparungen?

AufwändeWelche Aufgaben sind notwendig?Was kostet die Umsetzung?

Titel

Save and share your Poster!Downloads, News and Workshops

www.digitalinnovationmodel.com/m

Datum

The Digital Innovation Model is created by Stephan Preuss. This poster is part of the model and free for any use, as long as the copyright is named.Free-Culture-License “Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International”. Version 1.3 DE – Professional consulting: www.handspiel.net

Aufgabe der Innovation:

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Navigation von Ort A nach Ort B ermöglichen. Sie können auch Arbeitsprozesse und Abläufe innerhalb des Unternehmens digital optimieren.

Ist die Strategie in allen neun Komponenten schlüssig, sollte Ihnen das Ziel realisierbar er-scheinen. Ist dies nicht der Fall, dann erkennen Sie recht schnell, wo Sie nachsteuern müssen.

Erfolgversprechendste Zielgruppe (EZG)Sie können grundsätzlich probieren, mit Ihrer Software alle möglichen Nutzergruppen gleichzeitig zu überzeugen. Jedoch ist die Erfolgsaussicht dabei eher gering, denn einige Nutzer stehen Ihrer Software offener gegenüber als andere. Wichtig ist, dass Sie die Zielgruppe erreichen, die Ihnen dabei hilft, Ihr Produkt weiter zu verbreiten. Diese erfolgversprechendste Zielgruppe ist Ihrer Software gegenüber aufge-schlossen und kann anderen Nutzern beweisen, dass die Anwendung nützlich und auch für sie geeignet ist. Für Sie als Software-Innovator hat das den Vorteil, dass Sie sich auf konkrete Nutzer fokussieren können und nicht im Ungewissen arbeiten.

Dieser Bereich des Modells beschäftigt sich mit der Lebenswelt Ihrer Zielgruppe. Wer ist sie, wie lässt sie sich beschreiben, in welchem sozialen und ökonomischen Umfeld bewegt sie sich?

Geben Sie Ihrem typischen Nutzer am besten einen Namen. Das hilft allen Beteiligten die Wahr-nehmungsbrille des Nutzers aufzusetzen.

Bedürfnisse und ProblemeWir haben im vorherigen Kapitel beschrieben, dass eine Software, die sich durchsetzen soll, einen relativen Vorteil für den Nutzer schaffen muss, d.h. er benötigt einen Anreiz. Dieser Vorteil kann darin liegen, dass Sie ein Problem für ihn lösen, er Spaß bei der Anwendung hat oder er finanziell oder sozial davon profitiert. Als 2007 das erste iPhone auf den Markt kam, hatten die Käufer zum Beispiel sehr große soziale Vorteile, denn sie waren stolze Besitzer eines zukunftweisenden Smartphones. Überlegen Sie hierzu, welche Probleme die Nutzer wahrneh-men und welche konkreten Bedürfnisse sich daraus ergeben. Wie lösen die Nutzer bisher das Problem und welchen Aufwand haben sie damit. Es gibt sicherlich Situationen, in denen der Bedarf nach einer Lösung des Problems am größten ist. Die Suche nach einer passenden Möglich-keit, um von Ort A nach Ort B zu gelangen tritt wahrscheinlich meist unterwegs auf. Demnach muss sich das Problem mit einem mobilen Gerät lösen lassen. Bitte beachten Sie, dass Sie auch hier aus Nutzersicht denken müssen. Nicht alle Probleme, die Sie für dringend halten, sind auch für Ihre Nutzer dringend, geschweige denn

nehmen sie diese überhaupt wahr. Setzen Sie mit Ihrer digitalen Lösung genau dort an, wo der brennendste Bedarf für die Nutzer besteht.

Aufmerksamkeit und DiffusionDie beste Software ist eine, die sich von ganz allein verbreitet. Das ist also Ihr Ziel: Die Software soll sich möglichst, ohne aufwändige Werbe-maßnahmen oder Schulungen der Nutzer ver-breiten. Dazu müssen Sie dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit durch andere erzeugt wird und Sie damit „nur” einen Initialaufwand haben. Dies gelingt, indem sich die Anwender mit anderen über Ihre Software unterhalten, sich austauschen und diese weiter empfehlen. Zudem sollte die Nutzung der Software im besten Fall beobacht-bar sein.

Ein guter Anknüpfungspunkt ist zum Beispiel der brennendste Bedarf. Wenn der brennendste Bedarf nach einem Taxi dann besteht, wenn Ihre Zielgruppe das Hotel verlässt, dann könnten Sie an diesem Ort Ihre Zielgruppe ansprechen. Oder wenn Ihre Zielgruppe ein bestimmtes Magazin regelmäßig liest, dann ist dies eine Möglichkeit, um Ihre Software zu verbreiten. Suchen Sie nach Orten wo sich Ihre Zielgruppe trifft oder Themen, über die sie sich aktuell austauscht, d.h. für was interessieren sich die Nutzer. Das können Sie optimal nutzen, um die maximalste Aufmerksam-

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keit zu erlangen. Wichtig ist, dass Sie eine klare Positionierung mit Ihrer Software erreichen: Der Nutzen muss sofort erkennbar sein, sodass Ihre Anwender diesen problemlos weiter erzählen können. Vielleicht können Sie den sozialen Austausch auch noch durch Funktionen Ihrer Software unterstützen.

ErstnutzungserlebnisEs geht nichts über einen guten ersten Eindruck. Sie haben Ihre Anwender von der Nützlichkeit der Software überzeugt. Zudem haben Sie die Nutzungshürde so niedrig wie möglich gestaltet. Das Erstnutzungserlebnis beschreibt nicht nur, was der Anwender erlebt, wenn er die Software zum ersten Mal nutzt, sondern es ist sehr viel umfassender. Es beginnt bei der Entscheidung zur Nutzung der Software. Hier spielt zum Beispiel der Erwerb des Produktes eine Rolle. Wenn hierfür eine komplizierte Registrierung notwendig ist oder die Bezahlarten als Ein-schränkung empfunden werden, beeinflussen diese Faktoren das Erstnutzungserlebnis. Der nächste Schritt könnte beispielsweise die Instal-lation der Software sein, gefolgt vom erstmaligen Öffnen des Programms. Vielleicht erhält der Nutzer zunächst einen kurzen Überblick über die Funktionen des Programms und soll diese auf spielerische Art und Weise testen. Hat er diese einfachen Aufgaben erfolgreich gemeistert, hat

er bereits ein positives Erlebnis und kann mit seiner eigentlichen Aufgabe beginnen. Sie haben hier die einmalige Möglichkeit die Emotionen Ihrer Nutzer positiv zu gestalten, damit diese Ihre Software auch nach der Nutzung in guter Erinnerung behalten.

Wichtig ist hierbei, ein erstes Erfolgserlebnis zu schaffen. Verhelfen Sie den Anwendern zu einer schnellen Problemlösung. Dieses Erfolgserlebnis bewegt den Nutzer mehr als alles andere dazu, die Software auch beim nächsten Mal wieder gerne zu verwenden.

StammnutzenSofern Ihre Software nicht auf die einmalige Lösung eines Problems zielt, werden Ihre Nutzer diese demnach mindestens ein weiteres Mal verwenden. Unter der Stammnutzung ist die dau-erhafte bzw. regelmäßige Nutzung zu verstehen. Die Anwender integrieren die Software hierbei in ihre Gewohnheiten - die Nutzung wird routiniert in den Alltag eingebaut. Hierfür gilt es jedoch Anreize zu schaffen. Denkbar sind beispielswei-se finanzielle oder soziale Vorteile. Womöglich kostet die dauerhafte Nutzung Ihre Software weniger als die eines vergleichbaren Konkur-renzproduktes. Vielleicht gehört die Nutzung eines gewissen Dienstes für eine bestimmte Zielgruppe zum guten Ton und wer diesen Dienst

nicht nutzt, gehört auch nicht zur Gruppe dazu. Die Herausforderung besteht hierbei darin, die Software regelmäßig ins Gedächtnis der Nutzer zu rufen. Erinnern Sie sie daran Ihre Software zu verwenden. Dies sollte auch über einen längeren Zeitraum erfolgen, denn der Mensch benötigt etwa sechs Wochen für das Erlernen neuer Ge-wohnheiten.

Eigenschaften und FunktionenMit der Analyse der Zielgruppe, deren Denkweisen und Wahrnehmung sowie dem Verlauf von Erstnutzung zur Stammnutzung haben Sie einen Eindruck, welche Funktionen Ihre Software benötigt. Sie haben somit ein Verständnis davon, welche Eigenschaften Ihre Software haben muss, damit die Nutzer bestmöglich zufrieden gestellt werden. Das könnten Design-Aspekte sein, bestimmte Funktionen oder spezielle Services. In diesem Abschnitt beschreiben Sie also die notwendigen Features der Software. Konzentrieren Sie sich auch hier wieder auf den Nutzen für die Ziel-gruppe und bedenken Sie, was diese wirklich benötigt und wahrnimmt.

Aus diesen Funktionen wählen Sie die aus, die Ihrer Software zum Durchbruch verhilft - sie von allen anderen abhebt. Wir haben das als „Killer-feature” bezeichnet, was auch als Alleinstellungs-

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merkmal betrachtet werden kann, d.h. diese Funktion gab es in der Form noch nicht und macht Ihre Software zur bestmöglichen Lösung für das Problem.

Unterstützer, Partner und KritikerSie haben Ihre Software mitsamt ihren Funkti-onen konkretisiert. Nun heißt es Unterstützer zu identifizieren, die Ihnen bei der Verbreitung innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens helfen können. Ziel dieses Feldes ist es, Sie für die zahlreichen Interessensgruppen und deren Ziele zu sensibilisieren, denn es gibt potentielle Partner, die Ihnen den Durchbruch spürbar vereinfachen können. Nachdem Sie wissen, wer Ihnen helfen kann, gilt es zu überlegen, wie Sie diese Partner als Unterstützter und Verbreiter Ihrer neuen Software gewinnen können. Dies gelingt zum Beispiel, indem Sie Vorteile für die Verbreitung der Software schaffen. Wichtig ist, die Unterstützer zu begeistern und von Ihrem Projekt zu überzeugen. Aus dieser Analyse wählen Sie den Schlüsselpartner aus. Dieser ist wichtiger als alle anderen Partner und trägt maßgeblich zum Durchbruch der Software bei. Diesen gilt es auf jeden Fall für das Projekt zu gewinnen.

Umsetzung und FinanzierungIn den letzten acht Feldern des Digital Innovation

Models wurde im wesentlichen Zeit und Geld investiert: Nutzer identifiziert, Features erarbeitet und Partner gewonnen. Doch für die erfolgreiche Realisierung des gesamten Projektes ist auch die Finanzierung zu klären. In diesem Abschnitt stellen Sie die Kosten für die Realisierung der Software den zu erwartenden Einnahmen gegenüber.

Wenn Sie die Aufwände nicht in Euro berechnen können oder wollen, können Sie hier auch mit Stunden oder Tagen arbeiten. Das gibt Ihnen ein besseres Verständnis für den benötigten Aufwand. Hier gilt es zudem auch ausreichend Budget für die Vermarktung der Software ein-zuplanen, das je nach Projekt bis zu 80% des Gesamtbudgets betragen kann.

Ebenso wird betrachtet, welchen Nutzen das Unternehmen in Form von potentiellen Einnahmen und Einsparungen hat. Wenn Sie das Produkt verkaufen, so können Sie einmalige und/oder mehrmalige Einnahmen erzielen. Vielleicht möchten Ihre Nutzer lieber monatlich einen geringen Betrag zahlen anstatt einmalig eine größere Summe. Auch hier heißt es, sich an den Gewohnheiten und Vorlieben der po-tenziellen Nutzer zu orientieren. Tipp: Im Falle einer Businessmodellierung empfehlen wir Ihnen auf passende Modelle wie das Business Model

Canvas (businessmodelgeneration.com) oder Mentorum (mentorum.de) zurückzugreifen.

Gemeinsam statt einsam – Die Nutzer-Strategie im Team erarbeitenBrüten Sie nicht allein an Ihrer Software-Idee, es ist besser die Strategie gemeinsam im Team zu entwickeln. Das Digital Innovation Model ist absolut teamfähig!

SynergieeffekteWenn mehrere Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen zusammen arbeiten, so verstärkt sich deren Wissen genauso wie die Erfahrung der einzelnen Personen. Sie sichern sich von Anfang an unterschiedliche Sichtweisen, die allesamt wichtig sind, um Ihre Idee zu verwirklichen. Heraus kommt ein Ergebnis, das viel mehr ist, als nur die Summe der einzelnen Teile.

Mehr LeistungTeamarbeit führt zu einer Steigerung der Leistung. Durch die Ideen der Einzelnen finden andere Teilnehmer neue Anregungen. Man denkt in ganz neue Richtungen und verlässt so festgefahrene Sichtweisen. Nicht zu unterschät-zen sind auch Gruppendruck und Konkurrenz. Diese Faktoren können die Leistungen des Teams positiv beeinflussen - natürlich nur bis zu einem gewissen Maße.

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Commitment Durch Teamarbeit erhalten alle Mitarbeiter ein gemeinsames Verständnis vom Gesamtziel und identifizieren sich mit diesem. Für Ihr Projekt besonders wichtig, denn Hürden kommen noch mehr als genug. Es ist jedoch einfacher diese zu nehmen, wenn auch das Team hinter der Idee steht. Sie erreichen so gleich am Anfang des Projektes ein Commitment, denn alle sitzen im selben Boot und wissen, um was es geht.

Workshop mit dem Digital Innovation Model gestaltenDer Workshop kann Ihnen helfen, Ihr Team frühzeitig ins Boot zu holen und so die komplexen Fragen gemeinsam zu beantworten. Ein Workshop mit dem Digital Innovation Model könnte wie folgt strukturiert sein:

1. Planung und VorbereitungPlanen Sie für den Workshop etwa einen halben Tag ein. Für das Modell selbst benötigen Sie im ersten Schritt maximal 2 Stunden. Was in dieser Zeit nicht geklärt werden kann, kann auch in einem Tag nicht geklärt werden. Die Zeit davor und danach dient dem „warm werden“ und der Konkretisierung von nächsten Schritten. Laden Sie die Teilnehmer rechtzeitig ein und erklären Sie ihnen, was sie in dem Workshop erwartet und was die Ziele des Termins sind.

2. Methode erläuternWenn Ihr Team bereits eingespielt ist und Workshops kennt, haben Sie natürlich leichtes Spiel und können quasi sofort loslegen. Andernfalls sollten Sie die Methode erläutern, sodass die Teilnehmer wissen, was auf sie zu kommt.

3. Start: Erwartungen klärenZu Beginn des Workshops sollten Sie die Teilnehmer beim aktuellen Kenntnisstand abholen. Was wissen sie bereits über das Projekt? Welche Erwartungen haben sie an das Projekt? Und vor allem: Welche Erwar-tungen haben sie an den Workshop? Geben Sie dem Team Raum, um die Gedanken zu äußern. Damit erhält jeder die Bestätigung, dass seine Meinung auch wirklich erwünscht und wichtig ist. Zudem können Sie auch gleich auf Aspekte eingehen, die nicht Gegenstand des Workshops sein werden und so falsche Erwartungen vermeiden.

4. Das Modell erklärenBevor Sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen, sollten Sie nicht nur sich selbst, sondern auch Ihr Team mit dem Digital Innovation Model vertraut machen. Stellen Sie es kurz vor, damit die Kollegen wissen, was auf Sie zu kommt und ggf. Fragen stellen können. Das Erklären vor dem

Team hilft zudem auch Ihnen dabei, das Modell noch ein mal richtig zu durchdenken und zu verstehen.

5. In zwei Stunden durcharbeitenSchließen Sie sich am besten mit Ihrem Team ein. Besorgen Sie vorher noch ein paar Snacks und Getränke. Drucken Sie das Poster aus. Als Größe hat sich hierbei das A2-Format bewährt, da so genügend Platz zum Ausfüllen der Felder gegeben ist. Noch ein paar Stifte und schon sind Sie startklar. Die Erfahrung hat gezeigt, dass zwei Stunden zunächst ausreichen. Stellen Sie ruhig einen für alle gut sichtbaren Wecker auf, der die Zeit herunter zählt. Danach sollten Sie noch 1-2 Stunden zur Reflexion des Erarbeiteten einplanen. Nehmen Sie sich die Zeit, noch mal alles zu durchdenken und zu hinterfragen.

6. Die Idee reifen lassenNach dem Ausfüllen sollten Sie das Poster mit Ihrer Idee gut sichtbar für alle Beteiligten aufhängen und einen Tag ruhen lassen. Nutzen Sie die Zeit um noch einmal alle Aspekte zu durchdenken. Macht das Vorgehen, so wie Sie es gemeinsam skizziert haben, Sinn? Muss irgendwo nachgesteuert oder korrigiert werden? Wir empfehlen ein kurzes Anschlussmeeting nach dieser Zeit,

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in dem das erarbeitete Ergebnis nochmals von einer Person der Gruppe präsentiert wird. Wenn die skizzierte Software immer noch stimmig erscheint, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.

Praxistipp: Workshop-ModerationWorkshops eignen sich hervorragend, um kreative Potentiale zu wecken. Es lassen sich großartige Ergebnisse entwickeln, sofern der Workshop richtig angeleitet wird. Voraus-setzung hierfür ist ein erfahrener Moderator, der das Digital Innovation Model kennt und auch über Moderationskenntnisse verfügt. Ist dies nicht der Fall, kann ein Workshop im schlimmsten Fall auch schief gehen. Damit dies nicht passiert, folgt eine kurze Anleitung, wie Sie einen Workshop strukturiert aufbauen. Die Methodik orientiert sich dabei an der Change Management- Akademie „De Vacto” von Prof. Bernd Okun. Zunächst gilt es, die entsprechenden Teilnehmer mit einer klaren Zielstellung einzuladen. Sie erklären kurz, was das Ziel des Workshops ist und wie sich die Teilnehmer am besten darauf vorbereiten können. Das spart Ihnen die Zeit, dies dann während des eigentlichen Workshops tun zu müssen. Der Workshop selbst untergliedert sich in drei Phasen:

1. PhaseSie müssen die Gruppe zunächst aufwärmen. Jeder Teilnehmer ist im Kopf mit seinen Gedanken woanders. Vielleicht kennen die Teil-nehmer sich untereinander noch nicht einmal. Aber trotz allem müssen diese Teilnehmer für eine begrenzte Zeit zusammen ein Ergebnis er-arbeiten und dafür gilt es Vertrauen zu schaffen. Besonders wichtig ist hierbei das Warm up, damit die Teilnehmer mit den Gedanken ganz im Raum sind und verstehen, dass sie hier nichts zu befürchten haben.

Ein Beispiel für das Aufwärmen einer Gruppe, wäre das Parrinterview: Zwei Teilnehmer interviewen sich kurz gegenseitig darüber wer sie sind oder befragen sich darüber, welche Erwartungen an den Workshop gestellt werden. Anschließend stellt der eine Teilnehmer den jeweils anderen vor. Im Internet finden sich weitere zahlreiche Übungen, wie eine Gruppe aufgewärmt werden kann. Diese Phase ist besonders wichtig! Wird das Warm up zu kurz oder womöglich gar nicht durchge-führt, droht das Scheitern des gesamten Workshops.

2. PhaseIn dieser Phase stellen Sie die Werkzeuge vor, mit denen Sie das Problem bearbeiten wollen.

In diesem Fall wäre es das Digital Innovation Model. Ziel ist es, dass die Teilnehmer ein gemeinsames Verständnis darüber erlangen, warum gerade dieses Modell zum Einsatz kommt und was es kann. Wenn dies nicht der Fall ist und die Beteiligten das Werkzeug nicht verstanden oder den Sinn dahinter nicht erkannt haben, werden die Ergebnisse der Zusammenarbeit nur durchschnittlich sein.

3. PhaseNachdem zwischen den Teilnehmern eine Vertrauensbasis sowie ein gemeinsames Problemverständnis geschaffen wurde, geht es nun daran, in Gruppen die Lösung zu erarbeiten. In dieser Phase ist es die Aufgabe des Moderators, bei Verständnisfragen und Unklarheiten zu helfen. Je sorgfältiger die ersten beiden Phasen durchgeführt wurden, desto besser werden die Ergebnisse, die in dieser Phase entstehen. Der Moderator legt demnach den Grundstein für den Erfolg des Workshops.

Im Nachgang werden die einzelnen Ergebnisse präsentiert und zusammengefasst. Abschließend werden die nächsten Schritte festgelegt. Diese Methodik hat sich schon mehrfach im Projektalltag bewährt und trug maßgeblich zum Erfolg der Workshops bei. n

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Ganz leicht durch München – mit bedienbaren AutomatenAutorin Irka Schneider, 2012

Die Stadtwerke München GmbH (SWM) ist aus dem Alltag der meisten Münchner nicht mehr wegzudenken. Sie ist einer der größten deutschen kommunalen Dienstleister mit verschiedenen Tochtergesellschaften.

Die ProjektausgangslageDas komplexe über viele Jahre gewachsene Tarifsystem macht es den Kunden nicht einfach, genau den für sie richtigen Tarif zu wählen. Im Rahmen einer umfangreichen Ersatzbeschaffung plante die MVG den Kauf von 292 neuen Fahrkar-tenautomaten, um das vorhandene Automaten-netz zu modernisieren. An den neuen Automaten mit Touchscreen-Monitor hat der Kunde die Möglichkeit wie gewohnt seine Fahrkarte über die Touch-Display-Oberfläche des Automaten auszuwählen, sich per Easy-Taste einen stark ver-größerten Bildschirm mit den den vier wichtigsten Tickets anzeigen zu lassen, Tickets über einen Barcode-Scanner auszuwählen und erhöhtes Beförderungsentgelt am Automaten einzuzahlen sowie dank des Einbaus eines Recyclers mit hö-herwertigen Banknoten zu zahlen. Die Stadtwer-

ke München GmbH beauftragte uns, die Bedie-nabläufe des neuen Kundendialoges der neuen Fahrkartenautomaten zu erarbeiten.

Die ProjektzieleDie SWM verband mit der Einführung der neuen Automaten verschiedene Erwartungen. Den Kunden sollte es einfacher gemacht werden, schnell und unkompliziert zu „ihren“ Fahrkarten zu kommen. Kunden, die bisher Schwierigkeiten mit den Automaten hatten, sollte die Bedienung spürbar erleichtert werden. Die schnellere Bedienabwicklung an den Geräten sollte die einzelnen Verkaufsvorgänge an den Geräten verringern und Wartezeiten minimieren. Zudem sollten Fehlkäufe verringert werden.

Die HerangehensweiseGrundsätzlich ist die Einführung eines neuen Fahrkartenautomaten bei einem Verkehrsanbie-ter mit einer Produkteinführung gleichzusetzen. Produkteinführungen bergen sowohl Risiken als auch Chancen. Ein Fahrkartenautomat kostet, je nach Hersteller, zwischen 20.000 und 50.000

Die neu entwickelte Nutzeroberfläche wurde nahezu unter realen Bedingungen mit Fahrgästen geprüft.

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Euro. Bei der Anschaffung 292 neuer Geräte sollte das Risiko einer teuren Fehlinvestition minimiert werden.

Zu Beginn des Projektes stand eine eingehen-de Analyse der Ausgangsbedingungen des Projektes. Neben der intensiven Auseinander-setzung mit dem Münchner Tarifsystem standen die Eruierung bestehender Nutzerprobleme und die Sichtung einschlägiger Gestaltungsrichtli-nien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Projektteams. Das Projektteam bestand aus einer Projektmanagerin, zwei Konzeptionern, einer Grafikerin, einem Programmierer und einer Wirtschaftspsychologin. Neben der Literatur- und Internetrecherche nutzte das Team das von der SWM zur Verfügung gestellte Daten-material und zwei Fokusgruppengespräche, um ein umfassendes Bild von der Situation in München zu erhalten. Darauf aufbauend wurden fünf Personas und verschiedene Use Cases entwickelt, die als Grundlage für die Konzeption der Bedienoberfläche dienten. Diese Recherchen und die ersten Entwürfe für die Bedienabläufe (Wireframes) deuteten eine große Komplexität der Aufgabenstellung an.

Mängel in der Informationsarchitektur eines Fahrkartenautomaten verursachen Umsatzein-bußen und Imageverluste für das Verkehrsun-

ternehmen. Eine funktionelle Gestaltung kann nicht nur zu einer Imageverbesserung führen, sondern auch zu einer verstärkten Nutzung der Automaten.

Die bisher häufig genutzte Herangehensweise bei der Planung und Entwicklung von Benutzer-oberflächen ist das Top-down-Prinzip. Dabei ent-wickeln Spezialisten Ideen und letztendlich auch die finale Version der Benutzeroberfläche. Bei dieser Herangehensweise besteht die Gefahr, dass sie aufgrund ihres umfassenden Vorwis-sens wichtige Bedürfnisse und Gewohnheiten der Nutzer aus den Augen verlieren.

Im Gegensatz dazu werden bei dem Bottom-up-Prinzip bewusst Vorschläge von Endnutzern einbezogen und entwickelt, das heißt deren Wünsche und Erfahrungen werden bei der Gestaltung auf ihre Realisierbarkeit geprüft und berücksichtigt.

Bei HANDSPIEL folgen wir diesem Prinzip und setzen in den verschiedenen Projektphasen unterschiedliche Usability-Methoden ein. Nachdem das Bedienkonzept für den neuen Kundendialog der Münchner Fahrkartenau-tomaten stand, wurde es als Softwaredummy umgesetzt. Parallel dazu wurde von einem Messebauer ein 1:1-Prototyp des später ein-

zusetzenden Fahrkartenautomaten gebaut. Mit Hilfe der Originalmaße des Automaten, den Automatenoriginalteilen (z. B. Ausgabeschale und PIN-Pad) des Herstellers sowie einem Touchscreenmonitor ähnelte er zum Verwech-seln den späteren „echten“ Automaten des Herstellers ICA.

Im Rahmen des Usability-Rapid-Prototyping wurden insgesamt fünf Nutzertests an verschie-denen U-Bahnhöfen in München durchgeführt. Im Mittelpunkt der Tests standen jeweils unter-schiedliche Fragestellungen und Nutzergruppen. Es gab extra Nutzertests mit einem Schwerpunkt auf ältere Nutzer, Mobilitätseingeschränkte und fremdsprachige Touristen. Ein wesentlicher Vorteil des Softwaredummys war es, dass an ihm Änderungen schnell und unkompliziert vorgenommen werden konnten. Dadurch war es möglich, die verschiedenen grafischen und inhaltlichen Elemente der Bedienoberfläche immer wieder auf ihre anvisierte Wirkung bzw. Akzeptanz bei den Kunden zu testen und falls erforderlich, bereits für den nächsten Nutzertest zu überarbeiten.

Ziel war es, den Kundendialog so zu struk-turieren, dass die Fahrgäste die gesuchten Informationen an den Stellen vorfinden, an denen sie diese intuitiv erwarten. Dabei

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spielen verschiedene Kriterien eine Rolle:

▪ Die Seiten müssen übersichtlich aufgebaut sein,

▪ die dargebotenen Informationen dürfen die Nutzer nicht überfordern,

▪ die Nutzer müssen eine Struktur erkennen und

▪ die Navigationselemente müssen als solche erkannt und verstanden werden.

Außerdem kommt es vor, dass zwei Nutzer nicht exakt das Gleiche unter einem Begriff verstehen, der im Kundendialog verwendet wird. Um Missverständ-nissen vorzubeugen, mussten daher Begriffe und Kategorien gefunden werden, die aus dem Sprachgebrauch der Fahrgäste stammen.

Die fünf Nutzertests lieferten wertvolle Anregungen für die Gestaltung des Kundendia-loges. Die Benutzeroberfläche wurde wiederholt verändert und damit immer besser an die Bedürfnisse und Erwartungen der Anwender angepasst.

Das ErgebnisMichael Kalenda, Leiter Verkaufsstellen- und Automatenvertrieb, MVG:„Es war keine einfache Aufgabe, so viele Anforde-rungen in eine leicht bedienbare Dialogmaske zu

integrieren. Die Berücksichtigung von speziellen Anforderungen in der Bedienbarkeit, möglichst starke Kontraste, gute Lesbarkeit sowie die Abdeckung von unterschiedlichen Bedienwege und Nutzergruppen waren teil der Herausforde-rung welche wir an Handspiel gestellt hatten.

Das Ergebnis der in Zusammenarbeit mit Handspiel entwickelten Bildschirmmasken ist hervorragend und wird durch den Kunden positiv angenommen. Ist erstmal die Zugangshürde des Touchbildschirm überwunden, so stellten die Kunden bereits nach wenigen Sekunden fest: „Das ist ja einfach!“. Erste Fahrgastbe-obachtungen zeigen bereits, dass der Kunde keine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Automatengeneration hat und der Touchscreen somit mindestens genauso schnell und einfach bedient werden kann, wie der alte stationäre Tastenautomat.

Die Entwicklung ist jedoch nicht mit dem Aufstel-len der neuen Automaten zu Ende. Unabhängig von Änderungen im Verkaufssortiment beschäf-tigen wir uns als MVG zusammen mit Handspiel laufend mit dem Finetuning der Dialoge. So fließen neue Erkenntnisse aus dem Praxisumfeld und den Rückmeldungen der Kunden mit ein, um den Kundendialog noch ein Stück besser zu machen.“ n

Die neu entwickelte Bedienoberfläche des Fahrkartenautomaten in München

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Früher oder später trifft es uns alle – das Alter. Aber nicht nur Ältere, sondern auch körperlich behinderte Menschen sind unterschiedlich stark auf Hilfe angewiesen. In „Ambient Assisted Living“ (AAL), zu Deutsch „von der Umgebung unterstütztes Wohnen“, sehen Experten eine Chance, kostengünstige und effektive Lösungen im Gesundheits- und Pflegebereich bereitzustellen. Doch noch haben die Ansätze Schwächen, die es zu beheben gilt.

Ziel von AAL-Technologien ist es, auch einer immer älteren Bevölkerung durch den Einsatz von technischen Produkten und Ferndienstleis-tungen so lange wie möglich, ein selbstbestimm-tes und unabhängiges Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Im Rahmen des EU-Projekts PERSONA (PERceptive Spaces prOmoting iNdependent Aging) zum Beispiel arbeiten Forscher an einer Softwareplattform, die als Basis für verschiedene Unterstützungs-anwendungen dient. So lässt sich die Küche mit einer Vielzahl von Sensoren ausstatten und

Ambient Assisted Living als Alternative zum AltersheimAutorin Irka Schneider, 2011

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über einen Home-Server überwachen. Vergisst der Bewohner beispielsweise, den Wasserhahn abzudrehen und Wasser fließt auf den Boden, registrieren Sensoren auf Fußboden und am Spültisch die Gefahrensituation. Über die hauseigene Computeranlage und mithilfe einer entsprechenden Mechanik wird der Wasserfluss abgestellt. Darüber hinaus werden die Bewohner über einen Lautsprecher vor der Rutschgefahr auf dem Küchenboden gewarnt.

Erste Systeme zur Überwachung des gesund-heitlichen Zustands Behinderter und chronisch Kranker werden bereits heute von Notfallorgani-sationen angeboten. Allerdings haben sie zwei gravierende Schwachstellen. Zunächst einmal handelt es sich bei den meisten Systemen um sogenannte Aktiv-Systeme. Das heißt, der Bewohner muss selbst aktiv werden, wenn ein Alarm ausgelöst wurde und innerhalb eines Zeitfensters einen Aktivitätsknopf betätigen. Geschieht dies nicht, wird eine Notfallzentrale informiert. Durch die Vergesslichkeit der Nutzer kommt es daher häufig zu Fehlalarmen, sodass solche Dienste entweder schnell wieder abge-schafft oder aus Kostengründen gar nicht erst beauftragt werden. Diese funktionellen bzw. konzeptionellen Mängel lassen sich jedoch in absehbarer Zeit lösen. Die zweite Schwachstelle, mit den AAL-Techniken zu kämpfen haben ist

die Nutzerakzeptanz. Bisher stehen ingeni-eurtechnische Lösungen im Vordergrund, bei denen beispielsweise mit unterschiedlichen Eingabeformen (z.B. Gestensteuerung) experi-mentiert wird. Dabei wird außer Acht gelassen, dass es sich bei der Hauptzielgruppe von AAL-Technologien um einen tendenziell eher technikängstlichen Personenkreis handelt, der aufgrund

▪ seiner Scheu vor Neuem: „Das will ich nicht!“,

▪ seinem negativen Selbstbild: „Das kann ich nicht!“ und

▪ mangelnder Motivation: „Das brauche ich nicht!“

schwer zu überzeugen ist. Hochbetagten lassen sich neue Technologien kaum noch vermit-teln. Auf der anderen Seite wollen agile „Best Ager“ nur ungern an ihr fortschreitendes Alter erinnert werden und fühlen sich durch spezielle Seniorenprodukte stigmatisiert. Anbieter von AAL-Technologien sollten daher ihre Lösungen so konzipieren, dass sie für Menschen möglichst vieler Altersstufen sinnvoll zu nutzen sind.

Beispiele, bei denen dieser Balanceakt bereits sehr gut gelungen ist, kommen aus dem Automo-bilbereich. Von Einparkhilfe, klimatisiertem Hand-schuhfach, niedriger Ladekante und optimierter Einstiegshöhe profitieren sowohl jüngere als

auch ältere Menschen, obwohl diese Gimmicks ursprünglich mit Blick auf eine alternde Bevölkerung entwickelt wurden. Der Ansatz tech-nische Geräte per Sensor zu überwachen und zentral über eine Steuerungseinheit zu verwalten ist daher ein guter Ansatz, den auch Jüngere zu schätzen wissen. Auch jüngere Menschen vergessen mal, das Licht auszuschalten oder sind sich beim Verlassen der Wohnung nicht sicher, ob alle Fenster und Türen verschlossen sind. Hat man sich einmal an die Sensoren und die zentrale Steuerungseinheit erst einmal gewöhnt, fällt es mit fortschreitendem Alter auch leichter, Ferndienstleistungen zu nutzen. n

Projektbeispiele und weitere Informationen:

▪ RWE SmartHome verspricht die Senkung der Energiekosten durch eine zentrale Energiesteuerung

▪ Das Fraunhofer Institut arbeitet an einer Notfallerkennung mit Ortungssystem für demenzkranke Personen zu Hause.

▪ Die österreichische BEKO Engineering & Informatik AG stellt mit ihrem HomeButler ein System zur Sensorüberwachung von Wohnungen zur Verfügung.

Weiterführende Quellen:ff AAL www.aal-deutschland.de

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Vor einiger Zeit bei einer Straßenbahnfahrt in Leipzig entdeckte ich sie - die Ankündigung des „Senioren- und Behindertentages“ der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Sie brachte mich zum Schmunzeln, denn ich fragte mich unwillkürlich, ob das auf dem Flyer abgebil-dete weißgelockte Mütterchen im deutlich fortgeschrittenen Alter, die mit Rollator und Hund den Aktionstag besucht, tatsächlich mit der anvisierten Zielgruppe übereinstimmt.

Viel zu oft höre ich aus Gesprächen mit Kunden heraus, dass die anzusprechende Zielgruppe zwar bekannt ist, aber kein klares Bild über deren Wünsche und Erwartungen existieren. In der Vorstellung der meisten Verantwortlichen taucht von irgendwo ein Nutzer auf, der dann – wie durch ein Wunder – auch genau das tut, was man von ihm erwartet. Aus welcher Motivation er heraus handelt und welche Erwartungen er damit verbindet – keine Ahnung! Aber genau dieses tiefergehende Wissen über seine Nutzer ist ausschlaggebend, wenn ein messbarer Erfolg für ein Produkt verfolgt wird.

Personas — virtuelle Anwender als WerkzeugAutorin Irka Schneider, 2012

Geben Sie Ihren Personas ein Gesicht, um sich besser in Ihre prototypischen Nutzer hineinversetzen zu können.

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Zielgruppenbeschreibungen sind zu ungenau!Der Zielgruppen-Begriff stammt aus der Marke-tinglehre. Manfred Bruhn definiert Zielgruppen der Kommunikation als “[…] die mittels des Einsatzes des kommunikationspolitischen Ins-trumentariums anzusprechenden Adressaten (Rezipienten) der Unternehmenskommunikati-on.” (Bruhn (2005), S. 5 - Bruhn, Manfred (2005), Unternehmens- und Marketingkommunikation, München, 2005). In der Praxis werden Zielgrup-pen durch soziodemographische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand etc. beschrieben. Für eine zielgerichtete Ansprache diese grobe Klassifizierung jedoch absolut unzureichend. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass es sogenannte soziodemografische Zwillinge gibt. Darunter versteht man Menschen, die trotz vergleichbarer objektiver Merkmale grund-verschieden sind. Ihre Lebenseinstellung und Lebenssituation ist vollkommen unterschiedlich. Ein prominentes Beispiel: Vergleicht man das schauspielernde Fotomodel Elle Macpherson und die schauspielernde Rocksängerin Courtney Love - beide 47 Jahre alt – wird schnell klar, dass sie trotz gleicher soziodemographischer Eigen-schaften völlig gegensätzliche Persönlichkeiten sind und deutlich unterschiedliche Lebensstile pflegen. Soziodemographischen Zwillingen begegnen Sie jedoch nicht nur auf dem roten

Teppich, sondern auch in ihrem Alltag. Besuchen Sie einfach mal das Jahrgangstreffen ihrer Abi-turklasse!

Personas und Zielgruppen: der UnterschiedPersonas versuchen die Mängel der Zielgrup-pendefinition auszugleichen, in dem sie die soziodemografischen Merkmale der Zielgruppen um weitere Dimensionen wie motivationale, ver-haltensbezogene und psychografische Variablen ergänzt. Personas sind prototypische Nutzer, die den Nutzer in seiner Vielschichtigkeit abbilden. Diese 360°-Ansicht der Kunden gibt den Pro-jektbeteiligten wertvolle Einblicke und Erkennt-nisse in das Verhalten ihrer Nutzer. Mithilfe von Personas haben Projektbeteiligte nicht mehr nur ein vages, unspezifisches Bild vor Augen, wenn sie Funktionen oder Produkte entwickeln. Durch diese „Greifbarkeit“ der Nutzer lässt sich bei-spielsweise deutlich einfacher abschätzen, wer

welche Information zu welchem Zeitpunkt benötigt,

ob eine bestimmte Funktion auch aus Nutzersicht

hilfreich ist und ob Hilfestellungen ausreichen.

Was bewirken Personas?Personas helfen den Projektbeteiligten ein tieferes Verständnis für die Verhaltensweisen der künftigen Anwender zu entwickeln. Mit dem Einsatz von Personas gelingt es:

Distanz aufzubauen.Die Entwickler fragen sich nicht: „Wie würde ich selbst die Aufgabe lösen?“, sondern: „Wie würde Benno Buchhalter die Aufgabe lösen?“

Den Benutzer im Fokus zu behalten.Die Ziele der Nutzer und deren Bedürfnisse werden zum Zentrum der Aufmerksamkeit für das Projektteam.

Sich reale Personen statt einer anonymen Masse vorzustellen.Das Projektteam kann sich auf einige wenige „reale“ Charaktere konzentrieren und deren An-forderungen erfüllen, statt sich über die Bedürf-nisse einer anonymen Masse von Anwendern Gedanken machen zu müssen.

Sich auf Anforderungen zu konzentrieren und nicht von Wünschen in die Irre führen zu lassen.Der Einsatz von Personas verhindert, dass etwas entwickelt wird, nach dem Nutzer fragen, dessen spätere Nutzung aber bezweifelt werden darf. Benötigt wird nämlich nur das, was von den Personen tatsächlich auch genutzt wird.

Funktionalitäten besser zu gewichten.Entwicklungsarbeiten könnten auf die Personas bezogen und besser priorisiert werden.

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Mehr Identifikation mit den Kunden zu schaffen.Personas erhöhen das Einfühlungsvermögen und die Empathie der Projektbeteiligten gegenüber den späteren Nutzern.

Ein allgemeines Verständnis zu schaffen.Personas versteht jeder Beteiligte. Sie sind für Projektmanager, Konzeptioner, Designer, Programmierer sowie für das Top- Management gut anwendbar und vereinen das Verständnis der Anwendungsziele im gesamten Projektteam. Dies alles macht Personas zu einem mächtigen Werkzeug, das den Erfolg einer Anwendung maßgeblich beeinflussen und seine Effizienz steigern kann. Vor allem führen sie dem Team jedoch immer wieder vor Augen, für wen es eine Anwendung eigentlich erarbeitet.

Erfolgsfaktoren für Persona-ProjekteProjektbezogene Personas zu entwickeln ist nur der erste Schritt in die richtige Entwicklung. Die entwickelten Personas können noch so gut ausgearbeitet sein, nur wenn sie während des Projektes richtig eingesetzt werden, können sie ihr wahres Potential entfalten. Einflussfaktoren, die den Erfolg von Personas nachhaltig beeinflussen sind folgende:

Bauen Sie auf eine fundierte Nutzerforschung.Es reicht nicht, sich seine Personas einfach zusammen zu phantasieren. Klischees und Wunschvorstellungen würden das Ergebnis deutlich verfälschen. Deshalb ist es wichtig, „seinen“ Personas durch entsprechende Unter-suchungen und Studien ein solides Fundament zu geben.

Personas sind für alle da!Jeder Projektbeteiligte, sei es der pixelschubsen-de Grafiker, der quellcodeversierte Entwickler oder der verantwortliche Projektleiter auf Kun-denseite muss die Personas kennen und vor allem verstehen. Sie können ihr Potential nicht entfalten, wenn Entscheidungen aufgrund sub-jektiver Annahmen und Wünsche der Schwieger-mutter des Geschäftsführers beruhen.

Verwenden Sie eine Allzweck-Personas.Personas sollten projektbezogen entwickelt werden. Nur so können sie detailliert Aufschluss darüber geben, wie ein bestimmter Nutzer in einer sehr speziellen Situation so handelt wie er eben handelt. Es kann sogar Sinn machen, die einmal entwickelte Persona auf spezielle Projektaspekte anzupassen und zu modifizieren. Wie viele andere Methoden sind Personas kein statisches Instrument, sondern entfalten ihr

Potential erst durch eine kontinuierliche Arbeit und Weiterentwicklung.

Entwickeln Sie realistische Handlungsszenarien.Um Personas in einem Projekt erfolgreich einzusetzen ist es wichtig, ihnen realistische Handlungsszenarien zuzuordnen. Schließlich sind Nutzer nicht einfach da, sondern verfolgen mithilfe einer digitalen Anwendung konkrete Handlungsziele. Diese Handlungsziele werden durch Szenarien transparent und nachvollzieh-bar.

FazitPersonas sind ein probates Werkzeug, um die Vielschichtigkeit verschiedener Nutzergruppen verständlich zu machen. Sie tragen dazu bei, dass wichtige Entscheidungen nicht auf Basis von Klischees und subjektiven Vermutungen gefällt werden und schärfen das Verständnis für die tatsächlichen Bedürfnisse und Erwar-tungen der Nutzer. Im Falle des Senioren- und Behindertentages der LVB hätten Personas vielleicht ergeben, den zentral veranstalteten Senioren- und Behindertentag in eine Roadshow durch verschiedene Alten- und Pflegeheime umzugestalten, wenn das denn tatsächlich die anvisierte Zielgruppe ist und die Kosten für das Youtube-Video ganz einzusparen. n

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Softwareanwendungen haben den Sprung vom ursprünglich funktionalen Werkzeug zum alltäglichen Begleiter längst geschafft. Doch je präsenter digitale Anwendungen in unserem Alltag sind, desto mehr verwischen sich auch die Grenzen zwischen privaten und geschäftlich genutzten Anwendungen. Die Nutzer sind immer weniger dazu bereit hinsichtlich der Qualität und Ästhetik einer Anwendung Kompromisse einzugehen. Und sie haben Recht! Warum soll ich privat mit ästhetischer, gut durchdachter Software arbeiten und mich im Job mit einer vielleicht funktionalen, aber unansehnlichen Softwarelösung herumplagen, die mich im schlimmsten Fall ausbremst? Wie hängt die Bedienbarkeit mit dem Produkterlebnis zusammen und was ist überhaupt unter dem Begriff „Produkterlebnis“ zu verstehen?

Das digitale Produkterlebnis, was ist das?Nach dem Zwei-Komponentenmodell von Marc Hassenzahl setzt sich das Produkterleb-

nis aus pragmatischen und hedonistischen Qualitätsmerkmalen zusammen. Erst im Zusammenspiel entsteht das Produkterleb-nis, dass der Anwender wahrnimmt. Zu den pragmatischen Qualitätsmerkmalen eines Produktes zählen die Bedienbarkeit (Usability), aber auch der wahrgenommene Nutzen (Utility) für den Anwender. Kennzeichnend für die pragmatischen Qualitätsmerkmale ist, dass sie aufgabenbezogen sind. Das macht sie auch vergleichsweise leicht mess- bzw. erfassbar. Allerdings stellen sie auch nur die Vermei-dung von Stress, Belastungen und negativen Emotionen in den Vordergrund, in dem sie Sicherheit, Kontrolle und Vertrauen vermitteln. Zu den hedonistischen Qualitätsmerkma-len zählen alle nicht aufgabenbezogenen Merkmale. Diese vermitteln einem Produkt also seinen individuellen Charakter. Um es an einem Beispiel festzumachen: Ein Telefon erfüllt alle pragmatischen Qualitätsmerkmale, wenn der Nutzer damit telefonieren kann. Wenn also das Aufgabenspektrum abgedeckt wird, für das der Nutzer die Anwendung einsetzen möchte und die

Anwendung gleichzeitig den Nutzer nicht daran hindert seine Aufgaben zu erfüllen. Solange das Produkt Leistungsmerkmale aufweist, die kein anderer Mitbewerber anbietet und die gleichzei-tig von den Anwendern als essentiell empfunden werden, reicht die Erfüllung dieser pragmati-schen Qualitätsmerkmale auch vollkommen aus. In den meisten Fällen gibt es dieses zwingende Alleinstellungsmerkmal jedoch nicht, so dass auch hedonistische Qualitätsmerkmale wie grafische Gestaltung und die Bedienfreude bzw. die Erzeugung eines gewissen Flow-Erlebnisses zum Tragen kommen. Welchen Stellenwert die Komponenten

▪ Nutzen (Utility)

▪ Bedienbarkeit (Usability) und

▪ Look and Feel

einnehmen, ist nämlich stark vom jeweiligen Nutzungskontext abhängig. Um bei dem Telefon-Beispiel zu bleiben: Wenn der Nutzer sich gerade in einer stürmischen Nacht auf einer einsamen Landstraße befindet, er einen Wildunfall hatte und nun die Polizei informieren möchte, spielen

Das perfekte digitale Produkterlebenis schaffenAutorin Irka Schneider, 2013

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für ihn Nutzen und Bedienbarkeit eine deutlich zentralere Rolle als wenn er sich gerade bei Sonnenschein auf einer Bergtour befindet und nur ein Urlaubsvideo an Freunde verschicken möchte. Einflussfaktoren des Nutzungskontex-tes umfassen:

▪ Eigenschaften des Nutzers (Alter, individuelle Einschränkungen, Ausbildung, Vorerfahrun-gen mit vergleichbaren Anwendungen)

▪ Eigenschaften der Aufgabe (Aufgabenziel, Unteraufgaben, Dauer, Häufigkeit)

▪ technische Einflussfaktoren (Art des Ein- bzw. Ausgabegerätes)

▪ physikalische Einflussfaktoren (Lärm, Temperatur) oder auch

▪ psychologische Einflussfaktoren (Stress).

Wie lässt sich ein Produkterlebnis gestalten?Von dem gezielten Design eines in sich stimmigen Produkterlebnisses profitieren Software-Verkäufer, Software-Einkäufer und Endanwender gleichermaßen. Bietet ein Produkt mehr als nur reine Funktionalität, ist dies ein überzeugendes Verkaufsargument. Ein positives Produkterlebnis wirkt sich auf die

1. Akzeptanz,

2. Zufriedenheit,

3. Motivation,

4. Qualität der Arbeit und auch auf die

5. Lernzeiten aus.

Akzeptanz, Zufriedenheit und MotivationWird eine neue Softwarelösung in ein Unter-nehmen eingeführt, muss sie auch von den Anwendern angenommen und in ihre Arbeits-abläufe integriert werden. Selbstverständlich lässt sich die Nutzung per Dienstanweisung anordnen, doch dies ist selten erfolgverspre-chend. Vielmehr ist in der Praxis häufig zu be-obachten, dass Mitarbeiter Bypässe bilden und eine Reihe von Gründen anführen, warum sie die neue Softwarelösung nicht einsetzen wollen oder können. Werden bei der Entwicklung von Softwarelösungen jedoch auch hedonistische Qualitätsmerkmale angemessen berücksichtigt, motiviert das die Nutzer bei der Arbeit und es ist auch eine verstärkte Softwarenutzung denkbar.

LernzeitenBei der Einführung neuer Software-Lösungen in einem Unternehmen fließt auch ein erheblicher Anteil der Kosten in Schulungen und Support-Leistungen während der Einführungsphase ein. Aber auch nach der Einführungsphase entstehen immer wieder Kosten durch Wieder-Erlernzeiten nach längeren Nutzungspausen oder durch Peer-Support (Kollegen helfen Kollegen z.B. beim Auffinden von Funktionen). Sowohl die ur-

Der Einfluss der Faktoren Nutzen, Bedienbarkeit und Look and Feel ist vom Nutzungskontext abhängig.

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sprünglichen Lernzeiten als auch die verdeckten Folgekosten lassen sich durch Softwarelösungen vermeiden, die die Neugier des Nutzers wecken und ihm die Möglichkeit geben, die Anwendung auf eigene Faust zu erkunden.

ArbeitsqualitätUntersuchungen zum Zusammenhang zwischen Arbeitsqualität und „joy of use“ konnten z.B. zeigen, dass die Arbeitsqualität von Emotions-arbeitern durch eine Benutzeroberfläche, die Spaß vermittelt, zunimmt. Zu Emotionsarbeitern gehören z.B. Call-Center-Agenten und Rezeptio-nisten, also Menschen die bei ihrer Arbeit positive Emotionen an Kunden weitergeben sollen.

Hedonistische Qualitätsmerkmale gezielt erzeugenHedonistische Qualitätsmerkmale können ästhetischer, akustischer, haptischer oder auch symbolischer Natur sein. Sie sprechen die menschlichen Bedürfnisse nach Schönheit, Exklusivität, Zugehörigkeit und Freude an oder wecken Neugier und Stolz. In der praktischen Produktentwicklung ist es akzeptiert, dass gute Bedienbarkeit kein Zufallsprodukt ist. Interak-tive Produkte, die eine gute Bedienbarkeit als Qualitätsmerkmal aufweisen, werden anhand eines strukturierten aufeinander abgestimmten Prozesses entwickelt. Ähnlich verhält es sich

auch mit der gezielten Entwicklung hedonisti-scher Qualitätsmerkmale. Grundsätzlich gelten auch hier die drei goldenen Regeln von Gould und Lewis (1985):

1. Fokus auf die Benutzer und deren Aufgaben bereits in frühen Phasen der Pro-duktkonzeption

2. Anwendung empirischer Bewertungen

3. iterativer Gestaltungsprozess

Hedonistische Qualitätsmerkmale lassen sich praktisch durch die passende Integration von

▪ Geräuschen und Klängen,

▪ Animationen bei Seitenwechseln,

▪ Verwendung eines emotionalen, in sich stimmigen Designs (Vermittlung von Vertrauen, Exklusivität, Originalität oder auch Modernität) und

▪ Gamification-Elementen

erzeugen. Allerdings sind all diese Elemente wie das Salz in der Suppe. Werden sie nicht mit Bedacht und Umsicht eingesetzt, können Sie auch die gut gemeinten Absichten konterkarie-ren.

Gamification„Gamification“ ist ein Kunstbegriff und meint die Übertragung von Computerspielmechanismen

auf Prozesse, die normalerweise nichts mit Spiel und Spaß zu tun haben, zu denen man aber trotzdem motivieren will. Alle sogenannten „Game Mechanics“ basieren auf Theorien, die versuchen das menschliche Verhalten zu erklären und zu beeinflussen. Dabei soll die Motivation einer Person, sich langanhaltend und intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen an ein bestimmtes Handlungsziel gebunden werden. Zu den wichtigsten Theorien zählen neben der Maslowschen Bedürfnispyramide (Maslow, 1943), die E-R-G-Theorie von (Alderfer 1969), die Zielsetzungstheorie von (Locke und Latham 1990), die Flow-Theorie von (Csikszentmihalyi 1975), die Balance-Theorie von (Adams 1965) und die Selbstbestimmungstheorie von (Deci und Ryan 1993). Zu den am häufigsten genutzten “Game Mechanics” zählen:

1. Sichtbarer Status bzw. RanglisteDer Nutzer erhält nachvollziehbare Information über das Voranschreiten der eigenen Arbeit und kann sich mit anderen vergleichen.

2. QuestsDabei handelt es sich üblicherweise um eine Aufgabe, die der Benutzer in einer bestimmten Zeit absolvieren muss. Dies sind meist Fragen, Rätsel oder einfache Fleißarbeiten. Oft bauen

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Quests aufeinander auf, um bestimmte Qualifika-tionen oder Erfahrungen zu trainieren.

3. ResultattransparenzDies sind beispielsweise Erfahrungspunkte, Preise oder andere Belobigungen, die hinter der Abarbeitung einer Aufgabe etc. warten.

4. RückmeldungDamit verbergen sich alle Spielmechanismen die eine Aktivität des Nutzers sichtbar bewerten. Diese Bewertung wird meist unmittelbar nach der eigentlichen Handlung des Spielers vor-genommen. Dadurch soll eine intensive „actio et reactio“-Erfahrung vermittelt werden. Der Anwender kann nun durch die im Feedback gewonnene Erfahrung selbst entscheiden, ob er seine Handlungsweise anpasst oder sogar neu wählt. Ziel ist es, für den Nutzer negatives Feedback seiner Umwelt zu vermeiden und positive Rückmeldungen zu erhalten.

5. Epic MeaningDas Element „Epic Meaning“ meint das Arbeiten des Anwenders an besonders erstrebenswerten Zielen. Dabei geht es für den Anwender nicht nur um das Ziel, sondern auch um das Teilwerden der vollbringenden Gruppe. Denn etwas wirklich bedeutsames lässt sich oft nur in Form einer Gruppenarbeit durchführen.

6. FortschrittsanzeigeDie Fortschrittsanzeige ist ein zentrales Element der Motivation und bringt Transparenz in die Erfüllung einer Teilaufgabe bzw. Gesamtaufgabe.

7. Cascading InformationDieses Element wird häufig zur Erlernung komplexerer Sachverhalte verwendet. Es sieht eine portionierte Informationsversorgung des Anwenders vor. Ziel ist es, dem Anwender bei der aktuell zu lösenden Aufgabe, nur die für ihn wichtigen Informationen mitzuteilen. Der Nutzer soll nur mit einem geringen Umfang von Informa-tionen konfrontiert werden, um ihn nicht zu über-fordern. So können Lerninhalte kontinuierlich und aufeinander aufbauend vermittelt werden.

FazitDie Wahrnehmung sowohl der pragmatischen als auch hedonistischen Qualitätsmerkmale beeinfluss letztendlich das Gesamturteil der Nutzer. Dabei ist darauf zu achten in welchem „Modus“ sich der Anwender in der jeweiligen Nutzungssituation befindet. Im zielorientierten Modus dominieren die pragmatischen Qua-litätsmerkmale die Gesamtbeurteilung, im aktivitätsbezogenen Modus sind es hingegen die hedonistischen Qualitätsmerkmale. Um es an einem Beispiel festzumachen: Beim Aufruf eines Online-Shops befindet sich der Nutzer

in der Regel im zielorientierten Modus, denn er möchte ein konkretes Produkt finden. Ist er dann auf der gesuchten Produktseite angekom-men dominiert der aktivitätsbezogene Modus, denn hier muss er Vertrauen in den Anbieter entwickeln und vom Produktkauf überzeugt werden. Entsprechend dieser Überlegungen sollte bei der Gestaltung der Interaktionsarchi-tektur besonderes Augenmerk auf pragmatische Qualitätsmerkmale gelegt werden, während auf den Produktseiten hedonistische Qualitätsmerk-male dominieren sollten. n

Um das perfekte Produkterlebnis zu schaffen, sollte die Nutzungssituation des Anwenders berücksichtigt werden

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Seit Apple sein iPhone 4S mit Siri auf den Markt brachte, ist die Sprachsteuerung in aller Munde. Doch wohin geht die Reise? Bleibt es ein kurzer Trend oder stehen wir am Anfang einer völlig neuen Art der Interaktion mit Maschinen? Nicht wie bisher über Tastatur, Maus oder berührungsemp-findliche Displays, sondern via kontaktloser, räumlicher Kommunikation. Wo steht die Technologie der Sprachsteuerung heute, welche Vor- und Nachteile bietet dieses neue Bedienkonzept und was erwartet uns in Zukunft?

Status quoErste „einfache“ Interaktionen sind bereits mit Hilfe der Sprachsteuerung möglich. Mit Smart-phones lassen sich z.B. mit Hilfe entsprechender Software Anrufe tätigen, Termine verwalten und Textnachrichten diktieren, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Das hört sich bereits sehr vielversprechend an, doch zeigen häufig ergeb-nislose Anfragen und die begrenzten Einsatz-möglichkeiten, dass diese junge Technologie

Sprachsteuerung — die einfachste Mensch-Maschine-InteraktionAutor Jörg Neuss, 2013

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noch einen weiten Weg in der kommerziellen Nutzung zu gehen hat.

Die 6 wichtigsten Vorteile1. Intuitive SteuerungDie Sprache ist unter uns Menschen die na-türlichste Art der Kommunikation, wir müssen nicht erst noch eine bestimmte Technik erlernen. Wir teilen dem Gerät, egal ob es sich um einen Computer, die Herdplatte oder das Navigationsgerät handelt, auf natürliche Weise mit was wir tun möchten und das Gerät führt die gewünschte Funktion im Idealfall korrekt aus.

2. ZeitersparnisKomplexe Befehle und lange Sätze lassen sich mit Sprache schneller und leichter formatieren. Ganz nach dem Motto: „Zweimal Pizza Marghe-rita mit doppelt Käse für heute Mittag 13 Uhr zu uns ins Büro liefern“. Wie lange dauert das wohl in einem klassischen Onlineshop? Außerdem lassen sich zum Beispiel Texte via Speech-to-Text schnell verfassen. Das gesprochene Wort wird dabei direkt in geschriebenen Text umgewandelt. Tief ver-zweigte Menüs würden uns das Auffinden gewünschter Funktionen nicht mehr erschweren, wir rufen sie einfach auf, den Rest erledigt die Anwendung von selbst.

3. Individuelle EinstellungenPersonalisierte Einstellungen an Geräten können automatisch abgerufen werden, sobald wir uns zu Wort melden, da die Software unser Stimmen-profil erkennen kann.

4. Kontaktlose KommunikationBetrachten wir ein paar Beispiele im Haushalt, so kann bequem vom Sofa aus die Temperatur reguliert, das Licht, die Musik oder das Fern-sehprogramm mit Hilfe der Sprache gesteuert werden.

Durch die kontaktlose Kommunikation erhöht sich beim Autofahren auch die Sicherheit. Die Hände müssen nicht vom Lenkrad genommen werden und die Augen müssen nicht die Fahrbahn verlassen um das Navigationsgerät oder Radio bedienen zu können. Gewisse Wegstrecken lassen sich ebenfalls einsparen.

5. EkelfaktorEin weiterer Aspekt betrifft den Ekelfaktor. Touchscreens in der Öffentlichkeit wimmeln von Bakterien. Vielen Menschen ist es unangenehm diese zu bedienen. Allerdings sei an dieser Stelle erwähnt, dass eine Studie des Competence Center für Mikrobiologie und Biotechnologie (CCMB) der Hochschule Niederrhein kein un-

mittelbares Gesundheitsrisiko für die Benutzer feststellen konnte.

6. BarrierefreheitZuletzt sei noch das Thema Barrierefreiheit erwähnt. Auch Sprachsteuerung bietet nicht die ultimative Lösung, doch erweitert sie das Repertoire in Kombination mit anderen Techniken, um Hürden in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine abzubauen.

Risiken und Grenzen der TechnikOrtsbezogene ProblemstellungStellen Sie sich vor, Sie sind gerade auf einer längeren Zugfahrt und alle unterhalten sich — mit ihren Geräten. Ein Fahrgast will wissen „Brauche ich einen Regenschirm in Berlin?“, ein anderer „Welche Termine habe ich morgen?“. Ein dritter, er ist Journalist von Beruf und schreibt gerade einen Artikel über Bahnreisen und die sonder-baren Menschen, die alle scheinbar mit sich selbst reden. Ich korrigiere, er schreibt nicht, er diktiert — laut!

Zwei Probleme lassen sich dabei beobachten. Zum einen wollen wir nicht, dass alle Menschen um uns herum mitbekommen, was wir gerade tun und zum anderen, die Befremdung, die man verspürt, wenn man andere Menschen genau dabei beobachtet.

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Technische KomplexitätKommen wir zur technischen Seite. In der Forschung erreicht man bereits nahezu 100% in der Spracherkennung. Auch bei Erkältungen lassen sich Stimmenprofile noch genau einer

Person zuordnen. Hier liegt also nicht die Schwierigkeit. Die Komplexität liegt darin, den Maschinen beizubringen bestimmte Zusammen-hänge und Situationen zu erkennen. Begriffe, die ähnlich oder gleich klingen wie „Arm“ und „arm“, aber in unterschiedlichen Situationen eine andere Bedeutung haben, sind die große Herausforderung. Ironie oder lange verschach-telte Sätze, sowie Dialekte stellen ebenfalls noch eine Hürde dar. Viele dieser Hürden werden aller Voraussicht nach aus dem Weg geräumt werden können, aber ob jemals ein Sprach-Verständnis wie unter uns Menschen zustande kommen kann ist fraglich.

Probleme im DatenschutzEin weiterer kritischer Punkt ist das heikle Thema Datenschutz. Die beste Spracherken-nung läuft über große Online-Server, d.h. Apple und Co. erhalten sämtliche Sprache digital. Personen können, wie bereits erwähnt, an ihrem Stimmenprofil identifiziert werden. Doch wer kann oder darf all die im verborgenen verwal-teten Daten einsehen? Auch um Kontexte und Situationen zu erfassen und somit richtige und gute Antworten liefern zu können, spielen bei-spielsweise Ort und Zeit eine wichtige Rolle, die wir also ständig an die Systeme im Hintergrund übermitteln sollten — was wir bereits heute über GPS schon tun. Hier muss sich also jeder

selbst die Frage stellen, wie viel Komfort gegen die Speicherung privater Daten eingetauscht werden soll.

AusblickIm Geschäftsalltag werden sich viele organisa-torische Aufgaben bewerkstelligen lassen. Die Terminverwaltung ist eine davon. Im Haushalt könnten zukünftig Fernseher, Heizungen, Rollläden und viele andere Bereiche mit Sprachanweisungen gesteuert werden. Auch ist vorstellbar, dass öffentliche Automaten wie Fahrscheinautomaten per Sprache zu benutzen sind. Die Automobilindustrie steht bereits in den Startlöchern. In den nächsten Jahren werden mehrere Hersteller die Sprachsteuerung in einigen Modellen zur Verfügung stellen. Die Sprachsteuerung birgt das Potential viele Maschinen intuitiv und zeitsparender zu bedienen. Technisch wird es mit der Zeit immer weniger Einschränkungen geben und immer bessere Ergebnisse zu Tage fördern. Skepsis ist angebracht in Situationen bei denen wir von Menschen umgeben sind, beispielsweise auch in Großraumbüros. Es würde das Arbeiten nahezu unmöglich machen, in jeglicher Hinsicht. Außerdem steht im Raum, wie viel Vertrauen wir den Wächtern der Systeme im Verborgenen schenken wollen und welche Macht wir ihnen damit geben. n

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Ausflug in die mentalen ModelleAutorin Sina Piepjahn, 2012

Haben Sie schon einmal ein Autorennspiel auf dem iPhone gespielt? Wenn ja, denken Sie nochmal an die Steuerung des Autos zurück. Vor allem Spiele-Apps für mobile Geräte bedienen sich bei der Steuerung an Bedienkonzepte aus der Realität. Ihr eigenes Auto steuern Sie über das Lenkrad. Wenn Sie es nach rechts drehen, fährt es auch nach rechts und umgekehrt. Genauso können Sie z.B. auch Ihr Rennauto virtuell steuern: drehen Sie das Smartphone nach links, fährt das virtuelle Auto auch nach links.

Jeder Mensch verfügt über mentale Modelle und nutzt sie täglich ‒ unbewusst. Wie im genannten Beispiel bilden mentale Modelle Interaktions-konzepte aus der Realität ab. Aber nicht nur bei Spielen leiten uns diese mentalen Modelle. Sie beeinflussen z.B. auch, wie wir mit einer Webseite interagieren und ob wir überhaupt unser angestrebtes Ziel erreichen.

Was sind mentale Modelle?Mentale Modelle sind individuelle Denkmodelle,

die bei jedem Menschen anders ausgeprägt sind. Sie spiegeln bestimmte Erfahrungen wieder und sind im Gedächtnis verankert. Jeder Mensch verfügt über eine Vielzahl an mentalen Modellen, die zu unterschiedlichen Ereignissen abgerufen werden. Deshalb verfügen verschie-dene Nutzer einer digitalen Anwendung über unterschiedliche mentale Modelle. Mit Abrufen eines mentalen Modells muss nicht immer erst ein Lernprozess durchlaufen werden, wenn der Nutzer sich vor einer ihm scheinbar bekannten Bedienoberfläche wiederfindet.

Bestes Beispiel hierfür ist z.B. der Papierkorb auf unserem Desktop. In unserem realen Papierkorb sammeln wir Dokumente, die wir nicht mehr benötigen. Später werden diese Dokumente entsorgt. Genauso verhält es sich mit dem virtuellen Papierkorb. Zu löschende Dokumente werden zunächst im Papierkorb gelagert, bevor sie dann endgültig von der Festplatte gelöscht werden. Dieses mentale Modell ist wahr-scheinlich bei vielen PC-Nutzern ausgeprägt. Die Benutzung des virtuellen Papierkorbs ist

Bei Autorennspielen haben sich die Entwickler an die Steuerung eines realen Autos orientiert.

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dadurch selbstverständlich geworden und wird bei vielen Anwendungen genauso oder ähnlich gehandhabt.

Die Rolle für die BedienbarkeitFür die Bedienbarkeit einer Benutzeroberfläche spielen mentale Modelle eine bedeutende Rolle. Schließlich möchte der Interaktionsdesigner, dass seine Anwender ihre angestrebten Ziele erreichen. Das Fatale dabei ist jedoch, dass sich der Designer sehr intensiv mit der Benut-zeroberfläche und dessen Funktionalitäten auseinandersetzt. Er kennt sie sozusagen in- und auswendig. Er weiß genau, welchen Bedienweg er wählen und welchen Button er drücken muss, damit ein gewünschtes Ereignis eintritt. Dadurch besitzt der Interaktionsdesigner ein genau auf die Bedienoberfläche abgestimmtes mentales Modell, das natürlich wunderbar funktioniert. Nicht so bei dem späteren Anwender. Er weiß ausschließlich, was er von der Bedienoberfläche erwartet und mit welchem Ziel er sie nutzen will. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob er das Ziel überhaupt erreichen wird, da mögli-cherweise Bedienkonzepte gewählt wurden, die dem Nutzer nicht eindeutig sagen „Hier musst du klicken!“. Sein mentales Modell entspricht wahr-scheinlich nicht einmal zu einem Viertel dem des Interaktionsdesigners. Da ist es auch nicht sehr unwahrscheinlich, dass das eigentliche Ziel total

verfehlt wird. Dies geschieht häufig, wenn der eigentliche Nutzer der neuen Bedienoberfläche völlig außer Acht gelassen wird. Dabei sollte bei der Entwicklung einer Benutzeroberfläche der Nutzer im Mittelpunkt des Designprozesses stehen.

Wie können mentale Modelle genutzt werden?Zunächst ist es sinnvoll, sich den Anwender der Bedienoberfläche vorzustellen, und damit ist nicht gemeint, grob die Zielgruppe zu definieren. Hierfür sind Personas genau das richtige Werkzeug. Dadurch kann sich der Inter-aktionsdesigner ein genaues Bild vom späteren Nutzer machen. Da man keine detaillierten Informationen über die mentalen Modelle der Nutzer erhält, sie sind schließlich nicht wie auf einer Festplatte abrufbar, ist es sinnvoll, auf weit verbreitete mentale Modelle zurückzugreifen. Auf Webseiten werden Links häufig markiert ‒ fett, farbig oder unterstrichen. Dadurch werden sie vom normalen Fließtext deutlich hervorge-hoben und animieren den Nutzer zum Klicken. Außerdem können Interaktionsmetaphern behilflich sein. Sie unterstützen das Abrufen mentaler Modelle. Im Beispiel weiter oben wurde bereits das Papierkorb-Icon angesprochen, das eine Metapher für den realen Papierkorb ist. Auch bei Onlineshops finden sich genügend

dieser Interaktionsmetaphern wieder. Oftmals wird der Warenkorb als Einkaufswagen-Icon dargestellt. Produkte, die dem Nutzer gefallen und die er kaufen möchte, wandern vor dem Kauf zunächst in den Einkaufswagen, genau wie es in der Realität üblich ist. Das Icon für den virtuellen Einkaufswagen suggeriert dem Nutzer, dass dort seine ausgewählten Produkte gesammelt werden und er anschließend den Kauf abschlie-ßen kann. Dabei ist auch entscheidend, dass das Icon eindeutig und nicht zu abstrakt dargestellt ist.

FazitMentale Modelle sind individuelle Denkmodelle, die sich in unseren Köpfen etablieren und ständig anpassen, sobald wir Neues erlernen. Sie beeinflussen tagtäglich unseren Umgang mit digitalen Anwendungen. Deshalb ist es wichtig, bei der Entwicklung einer Benutzeroberfläche ein genaues Bild des späteren Anwenders vor Augen zu haben. Dies gelingt z.B. mit Personas, Fokusgruppen oder in direkten Gesprächen mit den Nutzern. Dadurch ergibt sich ein grobes Abbild der mentalen Modelle der Nutzer, und die Erwartungen und Kennzeichen der Nutzer werden klar. Damit lassen sich Bedienober-flächen entwickeln, die genau diese mentalen Modelle aufgreift und den Nutzern ein gewisses Maß an Vertrautheit und Sicherheit vermitteln. n

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Zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. war der Erfolg des Automobils noch nicht abzusehen. Heute ist das Auto als Fortbewegungsmittel nicht mehr weg-zudenken. Doch in der Welt der Technik führen gute Ideen nicht immer zum Erfolg. Der Markt wird von vielen Faktoren bestimmt, der Preis ist in manchen Fällen nur einer davon.

Nicht jede Idee setzt sich durchKennen Sie DAT? Das Digital Audio Tape sieht der Audio-Kassette ähnlich und wollte diese ersetzen. Das Magnetband lief stundenlang, jedoch kostete der Rekorder in den 1980ern zu viel und wurde letztendlich von der CD überholt.

Oder ist Ihnen EMS noch ein Begriff? EMS steht für Enhanced Messaging System, eine Weiter-entwicklung der SMS. Der Handy-Nutzer konnte Textnachrichten durch Bilder, Töne und Anima-tionen ansprechender gestalten. EMS scheiterte letztendlich aufgrund des umständlichen Forma-tierens der Schrift, des schlechten Sounds und eines unansprechenden Designs. Zwar war es preisgünstiger als MMS; jedoch setzte sich der

Was‘n DAT? Lässt sich Anwenderakzeptanz vorhersagen?Autoren Matthias Kolar und Anja Katzbeck, 2013

„Ich glaube an das Pferd.Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“— Kaiser Wilhelm II.

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Multimedia Messaging Service bei den Herstel-lern und Nutzern durch.

Gut Ding will Weile haben Manche Technologie beginnt als Flop und braucht Jahre der Entwicklung bis sie vom Nutzer akzeptiert und verwendet wird. Bereits in den 1960er Jahren wurde an tragbaren Computern gearbeitet. Das sogannnte Dynabook, mit Tastatur und Bildschirm integriert, führte intuitive Benutzbarkeit und Programmierung mit einer damalig hochwertigen grafischen Ausgabe zusammen und wurde als Lerncomputer für Kinder entwickelt. Es bekam jedoch kaum Aner-kennung.

In den 1980er Jahren, nachdem Software zur Handschrifterkennung entwickelt worden war, verzichtete man auf die Tastatur zugunsten eines Eingabestifts. 1993 brachte Apple das Newton MessagePad auf den Markt. Doch es floppte: Zu teuer, klobiges Design und „verkrakelte“ Handschrifterkennungssoftware. Wieder schien die Zeit nicht reif genug und die Entwicklung schlug eine andere Richtung ein, über PDA hin zum Smartphone.

Seit zwei Jahren nun erobern Tablet-PCs den Massenmarkt. Die Grundidee zu intuitiver und sensomotorischer Bedienung über Touchpad

ist jahrzehntealt, doch erst jetzt, nachdem sie technisch weiterentwickelt wurde, wird diese Technologie vom Nutzer angenommen.

Funktionalität und Usability = Nutzung? Gründe, warum eine Technologie sich nicht am Markt etabliert, sind in vielen Bereichen zu suchen: Marktmacht, gezielte Behinderung, Kon-kurrenzsituation, falsche Firmenpolitik, fehlendes Image, schlechtes Timing aber auch fehlendes

Interesse und geringe Akzeptanz der Kunden. Warum nun Menschen manche Technologien ablehnen und was sie bei ihrer Entscheidung bewegt, versucht in den Wirtschafts- und Sozial-wissenschaften das Technologieakzeptanzmo-dell (TAM) von Fred D. Davis (1985) zu erklären.

Demnach ist die Techniknutzung von der per-sönlichen Einstellung gegenüber der jeweiligen Technik abhängig. Das heißt, um so nützlicher

Das Technologieakzeptanzmodell von Fred D. Davis (1985)

pers

önlic

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Erf

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Verhaltens- absicht

(eigentliches)Nutzverhalten

Aufgabenrelevanz & Qualität

Effizienz mit ...Angst vor ...Freude an ...

... Computern

Spaß objektive Usability

soziale Aspekte

wahrgenommene Nützlichkeit

wahrgenommene Bedienbarkeit

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und benutzerfreundlicher die Technik erlebt wird, umso eher wird sie auch tatsächlich genutzt.

Wie nützlich ist die Technik? Anwender müssen das Gefühl haben, dass die neue Technologie relevant ist und einen

subjektiven Mehrwert bringt. So setzte sich der Computer in Verbindung mit Druckern gegenüber Schreibmaschinen durch. Schreib-fehler lassen sich schneller korrigieren und durch neue Drucktechnologien ist die Qualität der Dokumente höher. Aber auch soziale Faktoren spielen eine Rolle: Wird beispielsweise eine Technik von Kollegen oder Bekannten als wichtig erachtet, wird diese auch positiver eingeschätzt.

Wie benutzerfreundlich ist die Technik?Als einfach zu nutzen wird eine Technologie wahrgenommen, wenn dafür wenig Aufwand an Zeit und Denkleistung investiert werden muss. Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit wird auch durch die subjektive Kontrolle über eine Technologie oder ein System entschieden. Oder würden Sie ein Auto fahren, das Sie nicht kontrollieren können? Ein Gefühl von Sicherheit kann die Hemmungen abbauen eine Technik zu benutzen, sei es durch die eigene Fähigkeit

das System zu kontrollieren oder durch vor-handene Hilfeleistungen wie Online-Hilfe oder direkte Einweisung durch Fachpersonal. Ein Beispiel hierfür ist die Einstellung vieler Rentner zu Computern: Sie sehen Computer als etwas Unkontrollierbares, trauen sich deshalb nicht mit ihnen umzugehen und lehnen deren Nutzung ab. iPads sind hier die ersten Geräte, die von der Zielgruppe positiver wahrgenommen werden.

Auch subjektive Kriterien entscheiden Ob eine Technologie akzeptiert wird, ist nicht nur von objektiven Faktoren der Funktionalität und Usability abhängig, sondern auch von der subjektiven Wahrnehmung des Nutzers. Persönliche Erfahrungen, soziale Aspekte, erfahrene Relevanz, Angst vor der Technik oder „Joy of Use“ beeinflussen, wie nützlich und bedienbar eine Person die Technologie wahrnimmt.

All diese Teilaspekte können meist mithilfe von Fragebögen erfasst werden. Bezieht man diesen Ermittlungsprozess in die Entwicklung von Produkten mit ein, so lassen sich problematische Bereiche identifizieren und im weiteren Entwicklungsprozess modellie-ren. D.h. wenn Sie eine neue Technologie einführen wollen, denken Sie an: Nützlichkeit + Bedienbarkeit + Wahrnehmung = Nutzung. n

Der Nutzer bildet sich seine Einstellung über die wahrgenommene Nützlichkeit und Nutzerfreundlichkeit.

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Stephan Preuss - Kontaktmöglichkeiten s.o.ISSN Printausgabe: 2195-3279Oktober Ausgabe 2014

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