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1 Analoge und digitale Elektronik Die Begriffe „analog“ und „digital“ haben Eingang in die Umgangssprache gefunden. Das war praktisch unvermeidbar; es werden ja große Mengen von elektronischen Geräten angeboten und gekauft, die als analog oder digital bezeichnet werden, wobei „digital“ als moderner und daher bes- ser gilt. Damit wurde „digital“ zum Verkaufsargument, auch, wo es nichts Wesentliches aussagt. Der Konsument kann das selten beurteilen, aber auch unter sogenannten Fachleuten gibt es viele, die die beiden Begriffe ungenau bis falsch anwenden. Der Durchblick wird auch immer schwieri- ger, weil es oft profunderen Wissens bedarf, um eine Aussage zu treffen, und oft stiftet die Bezeich- nung „analog“ oder „digital“ Verwirrung, wo sie eigentlich nichts zu suchen hätte. „Analog“ und „digital“ sind zwar qualitative Aussagen aber keine Qualitätsmerkmale. Fotografieren ist eine analoge Angelegenheit. Aber es gibt keine Analogkameras, denn die Begriffe „ana- log“ und „digital“ unterscheiden zwei Arten elektronischer Verarbeitung, und was als „Analogkamera“ bezeichnet wird, ist keine elektronische Kamera, auch wenn in vielen davon Nebenfunktionen wie etwa Belichtungsmessung mit elektronischen Mitteln verwirklicht sind. Man hätte die „Digitalkamera“ besser als „elektronische Kamera“ bezeichnen sollen. Die Bildaufnahme erfolgt in ihr ohnehin analog, und die Informationen werden erst nachträglich digitalisiert. Das Dilemma beginnt schon beim Begriff „Elektronik“. Er kam auf, nachdem im Jahre 1927 in den USA eine Fachzeitschrift namens „electronics“ aufgelegt wurde, und es gibt bis heute keine einheitliche Defi- nition dafür. Damals beschäftigte sich dieser Zweig der Elektrotechnik vor allem mit Nachrichtenübertra- gung (heute: „Telekommunikation“) speziell mit Rundfunktechnik, und Amateure dieser Disziplin wur- den in deutschen Sprachraum noch lange als „Radiobastler“ bezeichnet, was auch zum Namen einer Zeit- schrift wurde. Wer mit einem Begriff aufwächst und ihn von klein auf verwendet, hinterfragt diesen kaum und glaubt dennoch zu wissen, was er damit meint. Es weiß doch jeder, dass eine Stereoanlage, ein Fernsehgerät, ein Computer, ein Handy, ... elektronische Geräte sind. Da sind Mikrochips drinnen, deshalb. Was ein solcher Mensch dann als „Mikrochip“ bezeichnet, ist aber im Allgemeinen keiner sondern enthält bestenfalls ei- nen. Das liegt auch daran, dass selbst in Fachzeitschriften die Bezeichnung unscharf bis falsch verwendet wird. Was ist „Elektronik“? Nachdem die Elektrizität als solche entdeckt worden war, erkannte man bald ihren Nutzen als universelle Energiequelle. Man verwendete Elektrizität vor allem für Beleuchtung, Heizung und Antriebe, und die Elektrotechnik befasste sich mit ihrer Erzeugung, Verteilung und Anwendung als Energieträger. Die Er- findung des Relais, eines elektromechanischen Schalters, ermöglichte auch Steueraufgaben, und man bau- te auch elektrisch betriebene Rechenmaschinen, die das Kurbeln zum Erhalten der Resultate ersparten. So zweigte sich das Gebiet der „Schwachstromtechnik“ ab, in der es nicht um die umgesetzten Energiemen- gen ging, nicht einmal um die Elektrizität sondern um verschiedene Aufgaben. Man erfand immer mehr, und natürlich wurde die Schwachstromtechnik auch zur Steuerung von Starkstromeinrichtungen einge- setzt. Relaistechnik funktioniert digital, auch wenn man mit Relais analoge Signale schalten kann. Aber die Kunstwörter „analog“ und „digital“ kamen erst auf, als die digitale Elektronik ihren Höhenflug begann. Wir sind aber noch nicht einmal bei der Elektronik – Relais sind keine elektronischen Bauelemente, auch wenn sie weiterhin in elektronischen Geräten eingesetzt und zum Teil durch elektronische Bauelemente und Schaltungen ersetzt werden. Sie sind sogenannte elektromechanische Bauelemente.

Analoge Und Digitale Elektronik

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Technical article about digital and analog electronics in German

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Analoge und digitale Elektronik Die Begriffe „analog“ und „digital“ haben Eingang in die Umgangssprache gefunden. Das war praktisch unvermeidbar; es werden ja große Mengen von elektronischen Geräten angeboten und gekauft, die als analog oder digital bezeichnet werden, wobei „digital“ als moderner und daher bes-ser gilt. Damit wurde „digital“ zum Verkaufsargumen t, auch, wo es nichts Wesentliches aussagt. Der Konsument kann das selten beurteilen, aber auch unter sogenannten Fachleuten gibt es viele, die die beiden Begriffe ungenau bis falsch anwenden. Der Durchblick wird auch immer schwieri-ger, weil es oft profunderen Wissens bedarf, um eine Aussage zu treffen, und oft stiftet die Bezeich-nung „analog“ oder „digital“ Verwirrung, wo sie eig entlich nichts zu suchen hätte. „Analog“ und „digital“ sind zwar qualitative Aussagen aber keine Qualitätsmerkmale.

Fotografieren ist eine analoge Angelegenheit. Aber es gibt keine Analogkameras, denn die Begriffe „ana-log“ und „digital“ unterscheiden zwei Arten elektronischer Verarbeitung, und was als „Analogkamera“ bezeichnet wird, ist keine elektronische Kamera, auch wenn in vielen davon Nebenfunktionen wie etwa Belichtungsmessung mit elektronischen Mitteln verwirklicht sind. Man hätte die „Digitalkamera“ besser als „elektronische Kamera“ bezeichnen sollen. Die Bildaufnahme erfolgt in ihr ohnehin analog, und die Informationen werden erst nachträglich digitalisiert.

Das Dilemma beginnt schon beim Begriff „Elektronik“. Er kam auf, nachdem im Jahre 1927 in den USA eine Fachzeitschrift namens „electronics“ aufgelegt wurde, und es gibt bis heute keine einheitliche Defi-nition dafür. Damals beschäftigte sich dieser Zweig der Elektrotechnik vor allem mit Nachrichtenübertra-gung (heute: „Telekommunikation“) speziell mit Rundfunktechnik, und Amateure dieser Disziplin wur-den in deutschen Sprachraum noch lange als „Radiobastler“ bezeichnet, was auch zum Namen einer Zeit-schrift wurde.

Wer mit einem Begriff aufwächst und ihn von klein auf verwendet, hinterfragt diesen kaum und glaubt dennoch zu wissen, was er damit meint. Es weiß doch jeder, dass eine Stereoanlage, ein Fernsehgerät, ein Computer, ein Handy, ... elektronische Geräte sind. Da sind Mikrochips drinnen, deshalb. Was ein solcher Mensch dann als „Mikrochip“ bezeichnet, ist aber im Allgemeinen keiner sondern enthält bestenfalls ei-nen. Das liegt auch daran, dass selbst in Fachzeitschriften die Bezeichnung unscharf bis falsch verwendet wird.

Was ist „Elektronik“?

Nachdem die Elektrizität als solche entdeckt worden war, erkannte man bald ihren Nutzen als universelle Energiequelle. Man verwendete Elektrizität vor allem für Beleuchtung, Heizung und Antriebe, und die Elektrotechnik befasste sich mit ihrer Erzeugung, Verteilung und Anwendung als Energieträger. Die Er-findung des Relais, eines elektromechanischen Schalters, ermöglichte auch Steueraufgaben, und man bau-te auch elektrisch betriebene Rechenmaschinen, die das Kurbeln zum Erhalten der Resultate ersparten. So zweigte sich das Gebiet der „Schwachstromtechnik“ ab, in der es nicht um die umgesetzten Energiemen-gen ging, nicht einmal um die Elektrizität sondern um verschiedene Aufgaben. Man erfand immer mehr, und natürlich wurde die Schwachstromtechnik auch zur Steuerung von Starkstromeinrichtungen einge-setzt.

Relaistechnik funktioniert digital, auch wenn man mit Relais analoge Signale schalten kann. Aber die Kunstwörter „analog“ und „digital“ kamen erst auf, als die digitale Elektronik ihren Höhenflug begann. Wir sind aber noch nicht einmal bei der Elektronik – Relais sind keine elektronischen Bauelemente, auch wenn sie weiterhin in elektronischen Geräten eingesetzt und zum Teil durch elektronische Bauelemente und Schaltungen ersetzt werden. Sie sind sogenannte elektromechanische Bauelemente.

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Die breiteste Anwendung für Relais wurde die automatische Telefonie, also die, die den Teilnehmern das Wählen des Gesprächspartners ohne Vermittlungsperson ermöglicht. Was man heute oft als „analoge Te-lefonie“ bezeichnet, funktioniert also digital, nur das Sprachsignal ist analog.

Verzeihen Sie mir, wenn ich mich noch ein paar Absätze lang auf dünnem Eis bewege. Denn bis jetzt habe ich weder den Begriff „Elektronik“ noch „analog“ und „digital“ erläutert. Die Themenstellung erfordert aber ihre Verwendung, und wenn die Ausführungen die Verwirrung noch steigern, mag auch der Wunsch, eine möglichst klare Definition zu erhalten, wachsen. Zur weiteren Verwirrung: Die „analoge Telefonie“ verwendet ein eindeutig digitales Wählverfahren. Die digitale Telefonie verwendet ein eher analoges, auch wenn es im Prinzip digital bleibt. Hier deutet sich schon an, dass die Unterscheidung zwischen „a-nalog“ und „digital“ mehrere Ebenen hat.

Was später zur „Elektronik“ wurde, beruht eher auf Nebeneffekten, die zum Teil zufällig entdeckt wur-den. Inzwischen war die Naturwissenschaft weit genug zu erkennen, dass alle Vorgänge auf Energieaus-tausch beruhen und die meisten auf elektrischen Vorgängen. Die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert brachte neben der Atom- und Relativitätstheorie1 auch viele andere Einsichten.

Mit der sogenannten Elektronenröhre wurde ein (analoges) Verstärkerelement erfunden. Das bedeutet nicht, dass man mit ihr Energie dazugewinnen kann. Man kann mit ihr den Energiegehalt elektrisch (e-lektronisch) dargestellter Informationen erhöhen; die zusätzliche Energie muss elektrisch zugeführt wer-den. Man kann sie als das klassische elektronische Bauelement bezeichnen. Sie arbeitet zwar mit Energie wie alles andere auch und dient zu energetischer Manipulation, aber in einem Verstärker geht es nicht um die Energie selbst sondern um die von ihr getragenen Inhalte. Natürlich verwendet man einen Verstärker oft, um ein Signal so zu verstärken, dass ein Lautsprecher genügend Energie abgibt (die nur Bruchteile der dafür aufgewendeten ausmacht) oder um die Drehzahl oder das Drehmoment eines Antriebes zu steu-ern, aber dabei geht es nicht unbedingt um die Energie an sich sondern um den Nutzeffekt im weitesten Sinn.

Elektronik ist der Teil der Elektrotechnik, der sich nicht unmittelbar mit dem energetischen As-pekt der Elektrizität befasst.

Zur Elektronik zählen also Steuerungstechnik, Nachrichtentechnik und Datenverarbeitung. Sie wird heute aus praktischen Gründen in vielen, nicht nur elektrotechnischen Bereichen eingesetzt. Ein Computer etwa könnte auch mechanisch, elektromechanisch, oder mit Dampf oder Pressluft arbeiten, aber Aufwand, Größe, Energieverbrauch und Lärmbelästigung wären selbst bei einem leistungsschwächeren Computer als dem ersten PC enorm und die Arbeitsgeschwindigkeit für die meisten Aufgaben unbrauchbar.

Man arbeitet bereits an optischen und anderen Techniken. Das ist Zukunftsmusik, aber aus all dem geht hervor, dass Computer und andere elektronische Geräte zwar elektronisch aufgebaut sind aber es nicht um Elektrizität geht, wenn sie auch weiterhin elektrisch betrieben werden und gewisse Teile aus praktischen Gründen wohl immer elektronisch verwirklicht werden. Elektronische Geräte erfüllen irgendwelche Auf-gaben, die elektronisch am besten zu verwirklichen sind.

Davon abgesehen, dass man elektromechanische Bauteile nicht zu den elektronischen rechnet (außer Schwingquarzen und Ähnlichem), lässt sich kaum eine Grenze zwischen elektrischen und elektronischen Bauteilen ziehen. Es liegt mehr am Einsatz des jeweiligen Bauteils.

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1 Die Atomtheorie des Altertums war rein filosofisch. Weder die Wissenschaftsfilosofie noch die technischen Möglichkeiten ermöglichten damals eine zielgerichtete Forschung in dieser Richtung. Die Relativitätstheorie Einsteins widerlegt nicht die physikalischen Erkenntnisse Newtons sondern baut teilweise auf ihnen und den aus ihr erwachsenen Möglichkeiten auf. Sie erweitert die Naturwissenschaft um Bereiche, die zur Zeit Newtons nicht zugänglich waren aber zum Teil durch dessen Thesen zugänglich wurden.

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Zunächst unterschied man nicht zwischen analoger und digitaler Elektronik. Das begann so richtig, als man Computer baute, und zwar sogenannte Analogrechner und Digitalrechner. Beide hatten ihre Vor- und Nachteile. Erstere waren schneller, arbeiteten aber besonders bei höherer Geschwindigkeit weniger genau und waren Störeinflüssen stärker ausgesetzt. Letztere können mit beliebigem Aufwand beliebig genau arbeiten, waren aber damals sehr aufwendig. Mit dem Aufkommen integrierter elektronischer Bauteile wurde das anders. Digitale Schaltungen lassen sich viel höher integrieren, und gleichzeitig gelang es, ihre Arbeitsgeschwindigkeit immer weiter zu erhöhen.

Der Transistor löste die Elektronenröhre als dominierenden elektronischen Bauteil nach und nach ab. Es gibt noch Röhren für bestimmte Zwecke, einmal abgesehen von nostalgischen Röhrenverstärkern für Mu-sikgruppen, aber selbst die Bildröhre, die durch Fernsehen und Computer auch Laien weltweit zumindest von einer Seite bestens bekannt ist, wird bereits abgelöst. Hier spielten chemische Entwicklungen mit, während in der Fotografie die Chemie von der Elektronik abgelöst wird.

Der erste Transistor entstand im Jahre 1947. Diese Art von Transistor nennt man heute im Gegensatz zum Feldeffekttransistor „bipolarer Transistor“. Die Idee des Feldeffekttransistors, auf den die Bezeichnung „Transistor“ wegen eines anderen Funktionsprinzips gar nicht zutrifft, dürfte älter sein – seine Funktion hat mehr mit der der Elektronenröhre gemeinsam –, aber er wurde erst Jahre später verwirklicht. Die Be-zeichnung kommt daher, dass er äußerlich aussieht wie ein Transistor, im Grunde aus den gleichen Mate-rialien (Halbleitern) besteht und für die gleichen Aufgaben eingesetzt wird. Wäre der Transistor nur um wenige Jahre später erfunden worden, hätte er sich nicht so schnell gegen die Röhre durchgesetzt, denn damals erlebte auch diese bemerkenswerte Weiterentwicklungen. Was aus der Integration mehrerer Tran-sistoren und anderer Bauteile auf einem Mikrochip wurde, lässt sich aber mit Röhren nicht nachvollzie-hen, umgekehrt aber die Charakteristik von Verstärkerröhren mittels Feldeffekttransistoren. Die Abmes-sungen von Transistoren in manchen integrierten Schaltungen sind inzwischen kleiner als die Wellenlän-ge sichtbaren Lichtes (400 bis 800 nm), und Details darin bestehen nur mehr aus einer relativ kleinen An-zahl von Atomen. Die damit erzielten Arbeitsgeschwindigkeiten erzwingen eine kleinere Bauweise etwa von Computern, weil die Schaltzeiten bereits in der Größenordnung der Verzögerungen auf Verbindungs-leitungen von mehreren Zentimetern liegen.

Ein Personal Computer, wie man ihn heute überall kaufen kann, ließe sich nicht mit der Technik der ers-ten Mikrocomputer (um 1970) verwirklichen, weil deren Integrationsdichte für die heutigen Geschwin-digkeiten zu niedrig war. Das gilt natürlich erst recht für einen Aufbau mit Einzeltransistoren, auch wenn diese noch so schnell wären. Der Aufwand wäre gigantisch, der Stromverbrauch ebenfalls, die Arbeitsge-schwindigkeit wegen der Größe sehr beschränkt, und dazu kämen noch Milliarden von Lötstellen, die die Hauptursache für den verfrühten Ausfall elektronischer Geräte sind. Die Zentraleinheit eines PC und manche andere Bausteine enthalten auf einem Chip bereits bis zu Milliarden Feldeffekttransistoren. Stellt man sich jeden in einem Gehäuse mit einem halben Zentimeter Platzbedarf vor, könnte man mit einer Milliarde etwa ein Achtel des Erdumfangs bestücken. Das Licht kann die Erde in einer Sekunde etwa sieben Mal umrunden, ein elektrisches Signal auf einer Leiterbahn benötigt fast die doppelte Zeit. Die absehbaren Verkleinerungen und Geschwindigkeitssteigerungen in integrierten Schaltkreisen werfen aber noch andere Probleme auf. Man peilt bereits Taktfrequenzen im Bereich von Terahertz, also tausend Gi-gahertz bzw. einer Million Megahertz an. Dabei sind nach heutigem Stand in den Transistoren höhere Leistungdichten als in einem Kernreaktor oder gar einem Raketentriebwerk zu erwarten. Das kommt zur allgemeinen Wärmeentfaltung in einem Chip aus Milliarden Transistoren noch dazu, lässt sich aber nicht allein mit am Gehäuse aufgesetzten Ventilatoren und anderen Kühlvorrichtungen beheben.

Das sind Probleme der digitalen Elektronik; die analoge erfordert nicht so hohe Bauteildichten. Digitale Schaltungstechnik ist nämlich im Detail sehr primitiv und erfordert deshalb einen hohen Bauteilaufwand. Die Ergebnisse lassen sich allerdings sehen – oder doch nicht immer? Ein modernes Handy enthält mehr Elektronik als die ersten PCs, und wer weiß, wo heute noch überall Mikrochips versteckt sind, ohne dass wir es wissen?

Und wir wissen immer noch nicht so recht, was „analog“ und „digital“ bedeuten!

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Analog und digital

Jahrhunderte lang konnte man in Mitteleuropa aus der Kleidung eines Menschen auf sein Geschlecht schließen. Heute tragen auch viele Frauen Hosen. So stellt sich unter Umständen die Frage: Welches Ge-schlecht hat dieser Mensch wirklich, welchem Geschlecht entspricht seine Kleidung und wer trägt bei ihm daheim tatsächlich die Hosen?

Analog, also ähnlich kompliziert, verhält es sich heute mit „analog“ und „digital“.

Der Begriff „analog“ machte sich in der Elektronik erst breit, als die Digitaltechnik entstand, weil man einen gegensätzlichen Ausdruck suchte. Eine Weile geisterte auch „linear“ bei Bauteilbeschreibungen herum, aber das passte nicht immer wirklich, etwa für logarithmische Verstärker.

Das griechische Fremdwort „analog“ bedeutet „ähnlich“, „entsprechend“. Das lateinische Wort „digitus“ bedeutet „Finger“ bzw. „Zehe“. Im Englischen wird das daher stammende Wort „digit“ nur mehr in der Zoologie in diesem Sinn verwendet, sonst bedeutet es „Ziffer“. „Ziffer“ ist auch nicht sinniger, es leitet sich vom arabischen Wort für „null“ ab. Im Französischen ist für „digital“ auch das Wort „numérique“ üblich.

Will man auf elektronischem Weg Zahlenwerte darstellen und verarbeiten, liegt es nahe, sie in elektrische Größen umzusetzen, vor allem Spannungswerte, und diese miteinander zu verknüpfen. Dieser Weg führt zur Analogtechnik, die deshalb so heißt, weil sich die elektrischen Größen analog den durch sie darge-stellten verhalten.

Diese Technik verliert mit größerem Wertebereich und höherer Geschwindigkeit an Genauigkeit, und Umwelteinflüsse wie Temperatur und elektromagnetische Störungen wirken relativ stark mit. Die Digital-technik umgeht diese Probleme einigermaßen, indem sie nur mit 2 Spannungswerten arbeitet, und um sie zu erläutern, gibt es einen formal logischen und einen mathematischen Ansatz, die schließlich zusammen-führen.

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Wie in dem Beispiel mit der Kleidung stellen sich drei Fragen:

Welcher Art ist die eigentliche Information, wie wird sie verarbeitet und wie wird sie übertragen? Die Antworten können beim selben Gerät verschieden sein.

Fernsehen dient wie Fotografie eindeutig dazu, Bilder analog wiederzugeben, wobei „analog“ genau das bedeutet, was es schon lange vor der Erfindung der Elektronik bedeutete. Fernsehen und Fotografie sind also von Zweck und Inhalt her analoge Verfahren. Es geht ja darum, Bilder möglichst originalgetreu wie-derzugeben, wobei die menschliche Wahrnehmung das Maß ist.

In beiden Verfahren wird das Bild zunächst mit optischen Mitteln in geeigneter Größe auf eine Fläche projiziert, die die Bildinformation speichern oder in elektrischer Form weitergeben kann. In der her-kömmlichen Fotografie bringt man auf diese Fläche, den Film, Substanzen auf, die durch Belichtung chemisch verändert werden. Man bringt sie in so feiner Verteilung auf, dass die Körnung bei der ge-wünschten Bildgröße nicht sichtbar ist. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt: Gleichgültig, ob ein Gerät analog oder digital arbeitet, es geht darum, die Daten für den angestrebten Zweck hoch genug aufzulösen. Durch die Fortschritte der Digitaltechnik im vergangenen Jahrzehnt wurde es möglich, damit Fernsehbil-der, die dem Original genauer entsprechen, wiederzugeben, also „analoger“ sind als mit der bisherigen analogen Norm. Nicht, dass das auf analogem Weg nicht möglich wäre, aber man müsste auch dafür eine neue Norm aufstellen und das System entsprechend ändern. Die Frage ist, ob man damit das gleiche Preis-Leistungsverhältnis erreichte, denn durch die Massenproduktion von Computern sind komplexe digitale Schaltungen sehr billig geworden.

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Dass das digitale Fernsehen kommt, hat aber auch andere Gründe. Einer davon sind die neuen Flachbild-schirme. Sie werden prinzipiell digital angesteuert, im Gegensatz zu den Kathodenstrahl-Bildröhren, die prinzipiell analog angesteuert werden. Sie haben die Wiedergabequalität der schweren, stromfressenden Bildröhre erreicht, und die Auflösung größerer Flachbildschirme lässt sich mit der bestehenden Fernseh-norm nicht voll nutzen. Sie arbeiten vom Prinzip her verzerrungsfrei und ohne Konvergenzfehler, geben keine Röntgenstrahlen ab und sind bloß noch teurer. Ein weiterer wichtiger Grund wird sich aus dem Vergleich von analoger und digitaler Informationsübertragung ergeben.

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Rundfunk und Fernsehen dienen also eindeutig der analogen Weitergabe von Informationen (nicht: „ana-loger Informationen“; die Wiedergabe soll möglichst analog zum Original sein.) Jetzt geht es um die Ver-arbeitung. Dabei sollte man sich als Laie nicht von einem Blick in die Innereien eines elektronischen Ge-rätes täuschen lassen. Transistoren und Feldeffekttransistoren sind die aktiven Grundbausteine für analo-ge und digitale Schaltungen. Unter den integrierten Schaltungen (Das sind meist schwarze Klötzchen mit vielen Anschlüssen, die Mikrochips enthalten.) gibt es digitale, von denen einige wenige auch analoge Funktionen erfüllen können, analoge, von denen einige auch digital eingesetzt werden können, und sol-che, die analoge und digitale Funktionen enthalten. Zu letzteren gehören auch die Chips, die in elektroni-schen Video- und Fotokameras eingesetzt sind, in letzteren an der Stelle des Films.

Diese Chips, die man oft als CCD (charge coupled devices) bezeichnet, arbeiten zwar digital, nehmen die Bildinformation aber in analoger Form auf und geben sie als solche weiter. Auch die herkömmliche Fern-sehtechnik verwendet sie heute an Stelle der veralteten Kameraröhren und bezieht daraus ein analoges Bildsignal. Seither gibt es handliche Videokameras. In den sogenannten Digitalkameras wird das Analog-signal gleich darauf digitalisiert, das heißt, die Analogwerte der einzelnen Bildpunkte werden digital co-diert (verschlüsselt), denn nur so können sie fast im gleichen Arbeitsgang gespeichert werden. Das ist ein großer Vorteil der Digitaltechnik. Analoge Informationen lassen sich höchstens auf Magnetband in größe-rer Menge speichern, und das hat einige Nachteile. In einem digitalen Speicher von der Größe eines Gas-feuerzeuges kann ich einige Gigabyte Information in der Hosentasche herumtragen. Entsprechende Spei-cherchips befinden sich auch in elektronischen Kameras und MP3-Playern.

In der herkömmlichen Rundfunk- und Fernsehtechnik wird die Information von der Aufnahme zur Wie-dergabe analog verarbeitet und übertragen. Digitale Funktionen beschränken sich auf Bedienung und Fernbedienung, und auch die Abstimmung (Programmwahl) erfolgt bei modernen Geräten mit digitalen Mitteln. Wer mit einem digitalen Fernsehgerät analoge Programme ansieht oder digitale Programme über einen Umsetzer einem herkömmlichen Fernsehgerät zuführt, genießt nicht die Qualität digitalen Fernse-hens. Wer Fernsehprogramme über Kabel oder Satellitenantenne empfängt, kann aber in jedem Fall we-gen der Übertragungsweise mit besserer Qualität rechnen.

Wie werden nun Informationen analog oder digital verarbeitet?

Man kann zum Beispiel eine analog dargestellte Größe mit einer festen Zahl multiplizieren. Das nennt man „verstärken“. Wenn man einen Lautstärkeregler am Gerät hat, kann man die feste Zahl auch variie-ren. Man kann analog dargestellte Größen auch miteinander multiplizieren. Das geschieht nicht nur in Analogrechnern sondern auch bei der Amplitudenmodulation. Bei letzterer ist aber einer der Faktoren eigentlich keine Größe sondern nur die sogenannte Trägerfrequenz, die zur Übertragung verwendet wird. Das Modulationssignal wird dabei oft wie ein analoges Signal behandelt, auch wenn es ein Digitalsignal ist. Das geschieht in manchen Modemtypen (MODEM ist die Abkürzung für Modulator/Demodulator.).

Schockiert Sie die Eröffnung, dass die so eindeutig digitalen Signale Ihres Computers in analoger Form ins Internet übertragen werden? Digital geschieht es nur dann, wenn eine Glasfaserleitung direkt an den Computer angeschlossen ist, aber dann geschieht es nicht elektronisch. (Über „Optoelektronik“ werde ich im Anhang ein wenig schreiben.)

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Was ist eigentlich am Computer digital?

Fast alles! Die Stromversorgung allerdings nicht, und wenn ein Modem eingebaut ist, hat dieses auch eine analoge Seite. Die Soundkarte ebenfalls; daran werden Lautsprecher und eventuell ein Mikrofon ange-schlossen. Und was ist dann „digital sound“? Das ist ein Schlagwort, das auf Freaks wirken soll. Es be-sagt aber nur, dass die Musikinformation in digitaler Form vorliegt, hoffentlich in der Qualität, die da-durch erzielbar ist. Die Wiedergabe erfolgt aber analog, sonst könnten unsere Ohren nichts damit anfan-gen. Wenn man das Digitalsignal verstärkt an die Lautsprecher legte, die ja analoge Geräte sind, hörte man etwas wie ein Rauschen, nicht einmal das Gezwitscher, das in einem Modemsignal vorkommt. Und in einem herkömmlichen Monitor mit Bildröhre wird aus dem Digitalsignal der Grafikkarte ein Analog-signal geformt.

Was tun wir eigentlich mit einem Computer?

Wir verarbeiten Daten, deshalb nennt man die Tätigkeit „EDV“ (elektronische Datenverarbeitung). Die Art der Daten ist inzwischen mannigfaltig. Oft schreiben wir wie ich eben jetzt. Schrift ist schon eine Art digitalisierter Sprache, wenn auch grob, weil nonverbale und paraverbale Informationen verloren gehen. Im Computer wird an die Stelle von Buchstaben und Zeichen ein digitaler Code gesetzt. Wird Sprache direkt digitalisiert, ergibt sich natürlich ein ganz anderer, der sogar verschieden ausfällt, wenn man genau den gleichen Ton mit verschiedenen Geräten oder mehrmals mit demselben digitalisiert.

Wir verarbeiten Töne und Bilder und sehen uns sogar Filme an, die man dann Videos nennt, und bearbei-ten diese Medien sogar – ein großer Teil der Datenverarbeitung hat also analoge Inhalte. Das geschieht einfach, weil sich das alles heute in einem Digitalrechner, wie man Computer auch nennt, einfach verar-beiten und speichern lässt, nicht einmal wegen der Qualität, die man sogar mitbestimmen kann.

Der Computer ist also eindeutig ein digitales Gerät, die Daten können vom Inhalt her analog oder digital sein, werden aber digital bearbeitet. Zur Weitergabe an den menschlichen Anwender (human interface) bedient er sich aber oft analoger Einrichtungen.

Gerade für die Elektronikkonsumenten, die man heute mit dem Reizwort „digital“ zu beeindru-cken versucht, sind die analogen Aspekte und Inhalte aktuell. Und die Techniker zerbrechen sich ihre Köpfe, ob analoge oder digitale Verarbeitung bzw. Übertragung für eine möglichst analoge Wiedergabe vorteilhafter ist.

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Im der herkömmlichen automatischen Fernsprechtechnik, die man heute gern im Gegensatz zur digitalen „analog“ nennt, ist nur das Sprachsignal analog; die Information, die Verarbeitung und die Übertragung. Vermittlung und Durchschaltung erfolgen digital gesteuert mittels Relais, und die Wahlinformation be-steht aus Impulsen, digitalen Inhalts, die digital zum Wählamt übertragen werden. Das galt auch für die ersten Tastwahlapparate. Man kann übrigens auch im digitalen Telefonnetz digital wählen und einen ural-ten Telefonapparat mit Wählscheibe verwenden oder durch Klopfen auf die Gabel (Hörerauflage), wenn es die Art der Federung zulässt.

Die Übertragung vom Telefonapparat zum Wählamt erfolgt im digitalen Telefonnetz wie früher analog. Hat man einen ISDN-Anschluss2, wird das Sprachsignal beim Teilnehmer digitalisiert und über ein Mo-dem analog übertragen. Auch zwischen den digitalen Telefonämtern erfolgt die Übertragung analog durch Modulation, wenn nicht Glasfaserkabel verwendet werden.

2 „Integrated Services Digital Network“ Das „digitale Telefonnetz“ ist kein reines Telefonnetz mehr sondern bietet allgemein Datenübertragung in digitaler Form an. Über einen ISDN-Anschluss erfolgt die Datenübertragung mit der Bitrate des Telefon-netzes, 64 kbit/s. Verwendet man ihn zum Telefonieren, wird die Sprachinformation beim Teilnehmer digitalisiert bzw. rück-verwandelt. Digitale Daten kommen darüber als solche ins Netz

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Herkömmliche Telefonnetze sind seit der Einführung der digitalen praktisch nicht mehr realisierbar. Re-laistechnik und Wartung wären zu teuer; schließlich wurden die früheren Netze über Jahrzehnte ausge-baut, und digitale Einrichtungen sind heute, vor allem nach der Umstellung, vergleichsweise billig und brauchen viel weniger Platz und Strom. Die Entscheidung für die digitale Telefonie ist also nicht mehr umkehrbar. War sie auch durch die Nachfrage nach der Übertragung digitaler Daten gefördert, schlägt diese wegen des technischen Fortschritts aber immer mehr eigene (Übertragungs)wege ein, in die sich nun die Telefonie einfädelt.

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Elektrische Datenübertragung über mehr als einige Meter hat heutzutage immer etwas Analoges an sich. Nur auf optischem Weg, zum Beispiel über Glasfasern, überträgt man Daten digital – Glasfasern sind für analoge Übertragung nicht gut geeignet. Die Signale der 50-Baud-Fernschreiber, jener ratternden Unge-tüme, die man für die Telegrafie verwendete und die vor den Bildschirmterminals auch als Ein- und Aus-gabegeräte für Computer dienten, wurden noch digital über Telefonleitungen übertragen. Doch davon kam man ab, als es Modems gab, denn wegen der nötigen Reichweite musste man mit Signalen relativ hoher Amplitude arbeiten. Das kann unter Umständen zu Übersprechen, also Störungen auf Telefonlei-tungen führen, und für höhere Übertragungsgeschwindigkeit wird diese Methode immer weniger geeig-net. In digitalen Telefon- und Datenämtern werden Digitalsignale bis zu 200 m digital übertragen, aber die Signale werden dabei so verzerrt, dass sie auf der Empfangsseite wie analoge Signale behandelt wer-den, um wieder saubere Digitalsignale daraus zu gewinnen.

Wenn das Digitalsignal a in Abb. 3 auf der Emp-fangsseite wie b oder c aussieht, ist das nicht unge-wöhnlich; es gibt Schlimmeres. Einem normalen digitalen Schaltkreis ist so ein Signal nicht zuzumuten.

Schnittstellenkabel für Computerperipherie, z. B. Drucker, sind nur wenige Meter lang, weil sie Di-

gitalsignale übertragen. Über größere Entfernungen werden die Signale mittels Modems auf Trägerfre-quenzen moduliert und mit niedrigem Pegel übertragen. Durch Demodulation wird das Digitalsignal auf der Empfangsseite zurückgewonnen.

Für Telefonleitungen werden sogenannte Sprachbandmodems verwendet, deren Leitungssignal im Fre-quenzbereich der Telefon-Sprechfrequenz liegt. Wenn nun digital verarbeitete Daten analogen oder digi-talen Inhalts aus einem Computer über ein Modem analog ins Fernsprechnetz eingefädelt werden, werden sie wie analoge Sprachsignale behandelt und im digitalen Fernsprechnetz digitalisiert, wobei das gewon-nene Digitalsignal in keinem unmittelbarem Zusammenhang mit dem des Computers steht und mit 64 kbit/s übertragen wird. In dieser Form wird es meist mit anderen Signalen, auch Telefongesprächen, zu einem Multiplexstrom vereinigt, der entweder digital über Glasfasern oder analog über eine Trägerfre-quenzstrecke oder eine Richtfunkstrecke (auch zu Satelliten) geführt wird. Das kann auf einer Übertra-gungsstrecke mehrmals und sogar verschachtelt erfolgen. Damit ist die Datenübertragung über das Tele-fonnetz in dieser Form technisch überholt und mehr oder weniger auf die heutigen 56 kbit/s beschränkt. In einem herkömmlichen Telefonnetz mit analoger Übertragung ist diese Bitrate nicht möglich, da das Analogsignal eines solchen Modems nur für wenige Kilometer Leitung taugt.

Über einen ISDN-Anschluss mit 64 kbit/s gelangen die tatsächlichen Digitaldaten ins Netz, was technisch viel eleganter ist; man kann auch mit doppelter Geschwindigkeit arbeiten, weil ein solcher Anschluss zwei Kanäle enthält, aber auch das entspricht nicht mehr den Anforderungen der meisten Internet-Teilnehmer.

Wo Fernsehkabel vorhanden waren, ergab sich eine andere Möglichkeit. Solche Breitbandkabel, die heute immer mehr durch Glasfaserkabel ersetzt werden, bieten die Möglichkeit, auch Datenkanäle höherer Ü-

Abb. 3

a

b

c

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bertragungsgeschwindigkeit einzufädeln, von Telefonkanälen, die ins bestehende Telefonnetz übertragen werden, gar nicht zu reden. Solche Kabel gibt es aber nicht überall, und so suchte man nach anderen Möglichkeiten. Schließlich landete man wieder bei Telefonleitungen, weil die weit verbreitet sind. Gas- und Wasserleitungen sind nicht geeignet, und das bestehende Elektrizitätsnetz nur in beschränktem Maße.

In Österreich ging es dabei weniger um technische als bürokratische Schranken, die aber mit Wegfall des Fernmeldemonopols leichter überwindbar wurden. Die ADSL-Technik (Asymmetric Digital Subscriber Line) überträgt digitale Daten analog wie ein Modem, wobei das Sprachband freigehalten wird. Dadurch kann man dafür Telefonleitungen verwenden, ohne dass man damit am Fernsprechnetz hängt. Die beiden Drähte, die zu einem Telefonteilnehmer führen, werden zwar als Übertragungsmedium verwendet, das Trägersignal, auf das die Daten moduliert werden, gelangt aber nicht ins Fernsprechnetz. Ein angeschlos-senes Telefon oder Faxgerät kann gleichzeitig betrieben werden.

Dazu musste aber ein Teil der Telefonleitungen erneuert werden, was für die ISDN-Technik ohnehin nö-tig war, und die nötige Elektronik musste so weit integriert werden, dass der Teilnehmer nicht durch ein großes, teures Gerät abgeschreckt wurde. Aber das ist längst kein technisches Problem mehr; es bedarf nur ausreichender Nachfrage, um die Entwicklungskosten für einen solchen Chip zu rechtfertigen.

„Asymmetrisch“ bedeutet, dass die Daten nicht in beide Richtungen gleich schnell übertragen werden, aber das ist auch bei Sprachbandmodems nach V.90 nicht der Fall und für die meisten Internet-Teilnehmer nicht so wichtig. Während die Übertragungsrate über Breitband- und Glasfaserkabel nur durch den Stand der technischen Entwicklung beschränkt ist und in der Praxis durch wirtschaftliche Er-wägungen, hängt die erreichbare Übertragungsrate einer ADSL-Strecke von den zur Verfügung stehenden Leitungen ab. Den angebotenen Bitraten (in Österreich dzt. bis 1,5 Mbit/s) liegen auch wirtschaftliche Erwägungen zugrunde. Bei entsprechender Leitungsqualität sind 1,5 bis 8 Mbit/s Empfangsgeschwindig-keit bei 128 bis 768 kbit/s Sendegeschwindigkeit möglich. Man könnte also auch einen Rundfunk- und einen Fernsehkanal über eine solche Telefonleitung übertragen, digitalisiert aber analog. Die Reichweite nimmt aber mit der Übertragungsrate ab.

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Digitale Übertragungsmethoden analoger Signale erfordern mehr Aufwand und höhere Bandbreite der Leitungen, aber sie sind weniger empfindlich gegen elektromagnetische Störungen. Digitale Daten kön-nen heute in großen Mengen auf kleinem Raum gespeichert und mittels Computer bearbeitet werden. Das Retouchieren von Bildern und die Erzeugung von Klangeffekten sind nur Beispiele dafür. Übertragung mittels Glasfasern schließt elektromagnetische Störungen am Übertragungsweg überhaupt aus. Durch die Digitalisierung von Daten können letztlich alle Daten über ein einheitliches Kommunikationsnetz geführt und praktisch problemlos weltweit verteilt werden.

Die negativen Seiten eines weltweiten Kommunikationsnetzes liegen auf der gesellschaftspolitischen Sei-te. Der Ausbau des Netzes erfordert hohe Investitionen, die nur getätigt werden, wenn Gewinn zu erwar-ten ist. Er erfolgt immer mehr aus privater Hand, und immer mehr auf der Welt wird von Datenübertra-gung abhängig. Damit alles klaglos funktioniert, sind internationale Normen nötig, denn die Daten müs-sen richtig übertragen und notfalls regeneriert werden. Durch all das wird die Wahrung des Fernmeldege-heimnisses fast unmöglich. Hacker und Cracker beweisen das, aber was sich auf der Ebene von Organisa-tionen, besonders Geheimdiensten, diesbezüglich abspielt, bleibt geheim. Die Tatsache, dass sich nationa-le Regierungen bemühen, nicht entschlüsselbare Codes für private Teilnehmer zu verbieten, mag als Hin-weis dienen. Als Fachmann kann ich nur auf die Möglichkeiten hinweisen, die nur durch die Fülle der übertragenen Daten erschwert werden.

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Wer jetzt noch nicht durchblickt, was „analog“ und „digital“ bedeutet, braucht sich dafür nicht zu schämen, wenn er keine fernmeldetechnische, elektrotechnische oder informatische Ausbildung

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genossen hat. Ich habe das auch nicht so recht. Ich bin, ursprünglich naturwissenschaftlich gebil-det, mit der Weiterentwicklung der Elektronik aufgewachsen und habe als Elektronikentwickler gearbeitet, auch am österreichischen Datennetz, und auch Modems und Ähnliches entwickelt und mich zwischendurch zum Ingenieur für Elektronik und Nachrichtentechnik zerprüfen lassen.

Ich hoffe, mit meinen Ausführungen zu bewirken, dass die Ausdrücke „analog“ und „digital“ nicht mehr so oft ohne Anlass und dabei oft nicht ganz zutreffend oder ganz falsch angewandt werden wie etwa „Analogfotografie“.

Fotografie ist und bleibt wie Fernsehen, Rundfunk und Telefonie in Zweck und Inhalt ein analoges Verfahren, in das zur Verarbeitung aus verschiedenen Gründen digitale Technik Eingang gefunden hat. Ausgangspunkt und Resultat bleiben analog. Heutige Computer wiederum arbeiten digital. Aber was sie verarbeiten und dem Menschen wiedergeben, kann auch analog sein. Große Daten-mengen lassen sich am besten in digitaler Form speichern und sind so schneller verfügbar. Die Ü-bertragung von Daten über elektrische Leitungen größerer Länge erfolgt heute fast immer in ana-loger Form, sogar im digitalen Kommunikationsnetz. Über Glasfasern wird digital übertragen, gleichgültig, welche Daten.

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ANHANG

Bits, Bytes und Baud Voraussetzungen der Datenübertragung Die bisherigen Datenübertragungswege waren für Fernschreiben und Sprachübertragung ausge-legt und stammen zum Teil aus Zeiten, in denen man die heutigen Möglichkeiten nicht erahnen konnte. Deshalb sind der Geschwindigkeit Grenzen gesetzt, denen man sich bisher nur auf Kosten der Zuverlässigkeit oder durch höheren Kostenaufwand nähern konnte. Nun entsteht auch in Ös-terreich ein Datennetz, das den heutigen technischen Möglichkeiten gerecht wird und den Neue-rungen der absehbaren Zukunft Raum lässt.

Unter den Begriffen, die in diesem Zusammenhang gebraucht werden, befinden sich unter anderem die „drei B“, Bit, Byte und Baud. Gerade diese sind es, mit deren Hilfe sich die Leistungsfähigkeit einer Da-tenverbindung beschreiben lässt. Es sind Kenngrößen, die die Techniker gebrauchen. Um die modernen Geräte verstehen, richtig auswählen und einsetzen zu können, ist es heute auch für den Anwender uner-lässlich, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Die Schwelle, die zum Verständnis dieser Begriffe führt, ist das Bit. Es ist das einfachste von den dreien und die Grundlage der Digitaltechnik. Diese agiert nicht mit kontinuierlich veränderlichen, analogen Größen, sondern beginnt dort, wo auch das Kind mit dem Rechnen beginnt (digitus, lat.: Finger, Zehe). Diese Methode erscheint nicht nur primitiv, sie ist es auch, aber sie hat den unschätzbaren Vorteil, exakt zu sein: Finger oder nicht Finger, ja oder nein, eins oder null: das ist die kleinste Informationseinheit, das Bit (binary digit). Ein Bit kann den Zustand eins (L) oder null (0) annehmen und zum Beispiel durch eine Lampe angezeigt werden, die leuchtet oder nicht leuchtet. Zwei Bits können vier Zustände aufweisen, nämlich 00, 0L, L0, LL, und mit jedem zusätzlichen Bit verdoppelt sich die Anzahl der Möglichkeiten. Acht aufeinander folgende Bits bezeichnet man als Byte. Das Byte ist somit ein achtstelliges Datenwort, enthält allerdings im Allgemeinen weniger Information als ein Wort der menschlichen Sprache, da es nur 256 (= 28) verschiedene Bytes gibt. Die Sternstunde der Digitaltechnik schlug mit der Erfindung der in-tegrierten Schaltungstechnik. Sie hatte sich zwar schon einen festen Platz erobert, aber nun wurde es möglich, diese primitive, äußerst aufwendige Methode der Datenverarbeitung in größerem Umfang an-wendbar und wirtschaftlich zu gestalten. Dadurch wird die Handhabung großer Datenmengen möglich gemacht.

Dass gerade acht Bit ein Byte ausmachen, hat nicht sosehr technische sondern praktische Gründe. Man will Schriftzeichen übertragen: 26 Großbuchstaben, 26 Kleinbuchstaben, zehn Ziffern und einige Satzzei-chen und Sonderzeichen. Das macht zusammen mehr als 64 (= 26), also kommt als kleinste Zweierpotenz 128 (= 27) in Frage. Glückszahl oder nicht – die Sieben ist unpraktisch und selbst keine Zweierpotenz. Der Computer arbeitet für sich aber auch mit Zweierpotenzen und hat mit acht Stellen nicht mehr Mühe als mit sieben. So kommt man zu acht Bits. Um aber nichts Unproduktives mitzuschleppen, hat man auch diesem Bit einen Sinn gegeben und nennt es Paritätsbit. Es dient – kurz gesagt – der Fehlererkennung. Es wird aus den übrigen sieben berechnet, und wenn es nicht passt, wird vom Datenempfänger ein Übertra-gungsfehler angenommen und das Byte ignoriert.

Aus der Einheit bit (als solche mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben) lässt sich die Einheit bit/s ableiten. Wenn eine Übertragungsstrecke 2400 bit pro Sekunde überträgt, bedeutet das, dass sie in jeder Sekunde bis zu 2400 Änderungen des logischen Zustandes (also der Aussage 0 oder L) von einer Daten-endeinrichtung (DEE) zur anderen übermittelt. Das ist für menschliche Begriffe sehr viel, entspricht es doch 300 Buchstaben. Moderne Maschinen können aber ihre Daten viel schneller abgeben. Hier muss der

von Hans Bauer Erschienen in „Die Presse“ am 13. Jänner 1982

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Anwender entscheiden: Erstens muss seine DEE (EDV-Anlage, -Außenstelle, ...) für die benötigte Über-tragungsgeschwindigkeit geeignet und programmiert sein, zweitens hängen sie Kosten der Übertragungs-strecke von der gewählten Geschwindigkeit ab, und ihr Nutzungsgrad bestimmt die Wirtschaftlichkeit mit.

Das Baud (benannt nach dem Franzosen Baudot, der 1874 einen Mehrfachtelegraphen erfand) ist die Ein-heit für die Schrittgeschwindigkeit und nur noch für den technisch interessierten Anwender von Bedeu-tung. Dennoch sollte jeder Anwender wissen: Die Bitrate ist es, die ihn angeht. Wenn eine 2400-bit-Übertragungsstrecke (gemeint sind dabei 2400 bit/s) nur mit 1200 Baud überträgt, so ist diese Information nur ein Achselzucken wert. Grundsätzlich: Die Baudrate kann gleich der Bitrate sein, muss es aber nicht.

Höhere Übertragungsgeschwindigkeiten stellen höhere Anforderungen an die Übertragungsleitungen, und das kostet Geld. Telefonkabel sind vergleichsweise billig, häufig vorhanden aber nicht sehr leitungsfähig. Würde man für höhere Bitraten höherwertige Kabel verlegen, wären zwar viele Arbeitplätze gesichert, aber so mancher Anwender würde durch hohe Kosten und lange Wartezeiten abgeschreckt werden. Des-halb mussten die Techniker wirtschaftlichere Lösungen finden, um in einem Baud mehrere bit/s unterzu-bringen. Ein Baud bedeutet – anders ausgedrückt – eine Zustandsänderung pro Sekunde. Gibt es mehr als zwei mögliche Zustände – etwa vier –, so kann man mit einem Baud zwei Bits (also wieder vier logische Zustände) gleichzeitig übertragen. Die technische Grenze liegt dort, wo so viele Zustände nötig sind, dass sie der Empfänger eben noch eindeutig unterscheiden kann – darüber wird die Übertragung wieder kost-spieliger, bei entsprechender Nutzung jedoch nicht weniger wirtschaftlich.

Die Begriffe Bit, Byte und Baud sind, wie man sieht, längst nicht mehr technisches Fachlatein. Eine Ge-sellschaft, die sich so sehr auf technische Errungenschaften stützt wie die unsere, muss immer wieder Begriffe aus Fachsprachen in den täglichen Sprachgebrauch übernehmen, um die Errungenschaften be-wusst nutzen zu können und nicht von ihnen beherrscht zu werden.

Anmerkungen des Verfassers vom 22. August 2003:

An den grundsätzlichen Aussagen hat sich in 21 ½ Jahren nichts geändert, an den gegebenen Vorausset-zungen umso mehr. Computer waren damals zwar keine unerschwinglichen Ungetüme mehr, die ganze Räume füllten, aber Personal Computer, die sich Menschen mit normalem Einkommen leisten können, mit anwenderfreundlicher Software, die den Umgang mit den Geräten auch ohne tiefere EDV-Kenntnisse ermöglicht, standen noch in den Startlöchern.

Glauben Sie etwa, alle Trainer, die Sie mit EDV-Anwendungen quälen, um Ihre Chancen auf dem Ar-beitsmarkt zu verbessern, wären Computerfachleute? Glauben Sie, der Heimcomputer hätte sich schneller verbreitet als der Fernsehapparat, müsste man etwas davon verstehen, um damit zu arbeiten? Was heute ein fabriksneuer PC kostet, kostete damals noch ein Modem.

Die Fernmeldeanbieter, in Österreich und Deutschland die Postbehörden, arbeiteten noch am Ausbau der Netze für sichere Datenübertragung, und von den damaligen Konzepten, an denen ich von der Privatwirt-schaft aus mitarbeitete, blieb nur ein Teil übrig. Die billigen Kleincomputer und das Internet änderten in kurzer Zeit die Quantität der Nachfrage, die Qualität hängt auch mit dem technischen Fortschritt zusam-men. Die Globalisierung und die Liberalisierung der Wirtschaft sorgten für billige Produktionsstandorte, und die Automatisierung und die Hungerlöhne in der Dritten Welt ermöglichen die Massenproduktion von Einrichtungen. Der erzwungene Fall von Fernmeldemonopolen räumte bürokratische Schranken bei-seite, zusammen mit deren Schutzfunktion. Damit wurde auch hierzulande die Errichtung privater Netze möglich, wie in den USA, und durch die Privatisierung der Fernmeldebehörde schwindet ihr Vorsprung gegenüber anderen Unternehmen immer mehr.

Die Digitalisierung der Telefonnetze war Voraussetzung für die Teilnahme am technischen Fortschritt, aber eine normale Telefonleitung genügt heute den Ansprüchen vieler Internet-Teilnehmer nicht mehr. Als ich den Artikel schrieb, hätte es mindestens sieben Stunden gedauert, etwas in der Größe eines Mp3-

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Musikstückes herunterzuladen, und selbst bei Ortsgebühr hätte man sich darum einige CDs kaufen kön-nen. Aber damals waren Computer noch nicht zum Musikspielen ausgerüstet, und selbst ein Musikstück in einem komprimierten Format, das es noch gar nicht gab, hätte nur in einem größeren Computer Platz gefunden. Daran lässt sich der technische Fortschritt seit damals einigermaßen abschätzen. Was man frei zu kaufen bekommt, ist allerdings nicht der letzte Stand der Technik; der steht zunächst Wissenschaft und Militär zur Verfügung. Erst wenn er überholt ist, wird er auf dem freien Markt erhältlich, nach wirt-schaftsstrategischen Gesichtspunkten.

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Digitalisierung und Rückwandlung

In der Digitaltechnik wechselt ein Signal zwischen 2 Zuständen, die man mit „0“ und „1“ bezeichnet, wobei „1“ üblicherweise durch ein „L“ dargestellt wird, um Verwechslungen zu vermeiden. Im engli-schen Sprachraum sind auch „low“ (L) und „high“ (H) gebräuchlich, was die Verwirrung weiter fördert. Diese Zustände kann man „aus“ und „ein“ zuordnen oder „nein“ und „ja“ oder was immer sonst durch genau 2 Zustände beschreibbar ist. Das ist die kleinstmögliche Information, für die man die Bezeichnung 1 bit gewählt hat, was eine Abkürzung für „ binary digit“ (Binärzahl) ist. Mit 2 Bits (als Wert: 2 bit) las-sen sich vier verschiedene Zustände beschreiben, und mit jedem zusätzlichen Bit verdoppelt sich die An-zahl der Möglichkeiten. Hier ergibt sich der Bezug zur Zahlenmathematik. Das heute übliche Dezimalsystem (Zehnersystem) hat sich wohl in den meisten Kulturen eingebürgert, weil ein Mensch insgesamt 10 Finger hat. In manchen Kulturen gab es aber ein Zwölfersystem (Duodezimalsystem), das sich nicht nur in der britischen Wäh-rung lange gehalten hat. Warum spricht man von einem Dutzend, wenn dem Wort selbst auch schon das Zehnersystem zugrunde liegt? Man kann auch ein Zweiersystem (Dualsystem, Binärsystem) zur Zahlendarstellung verwenden, nur wäre das für den menschlichen Gebrauch sehr umständlich. Da bewährt sich besonders das Zehnersystem, weil man dafür notfalls die Finger als Zwischenspeicher verwenden kann, und zwar mit bester Nutzung, auch zur optischen Kommunikation. (Bei Verwendung eines einzelnen Fingers ist dabei, jenseits numerischer Aspekte, auf die Wahl des Fingers bzw. dessen Haltung zu achten.) Für digitale Computer hat man aber das Dualsystem eingeführt. Dass sie den Menschen Dezimalzahlen präsentieren, ist nett – einstweilen schreiben noch Menschen die Programme, die das bewirken. Im Zehnersystem verwenden wir die Ziffern „1“ bis „9“ zur Zahlendarstellung, und die „0“, um zwischen „nichts“ (kein Stück) und „nichts“ (Abstand) zu unterscheiden. Im Zweiersystem genügen die Ziffern „1“ und „0“. Die Stellenwerte entsprechen dann nicht den Zehnerpotenzen „1“, „10“, „100“, „1000“,… son-dern den Zweierpotenzen „1“, „2“, „4“, „8“, …. Anders ausgedrückt: statt „100“, „101“, „102“, „103“, … entsprechen sie „20“, „21“, „22“, „23“, …. Die Zahlen von 0 bis 16 werden daher wie folgt geschrieben:

0, 1, 10, 11, 100, 101, 110, 111, 1000, 1001, 1010, 1011, 1100, 1101, 1110, 1111, 10000. Da man einer Dualzahl nicht ansieht, dass sie eine solche ist, pflegt man statt „1“ „L“ zu verwenden. Mit solchen Zahlen kann man ebenso rechnen wie mit Dezimalzahlen, man muss nur berücksichtigen, dass es schon bei 2 (L0) einen Übertrag gibt, nicht erst bei 10. Man sieht aber, dass dieses System für den menschlichen Gebrauch sehr unpraktisch ist. 1000 entspricht LLLLL0L000, 1024 (210) entspricht L0000000000.

In der Digitaltechnik werden die Stellen als Bits bezeichnet, weil sie im formal logischen Sinn genau die-se kleinste Informationseinheit beinhalten. Ob ihnen ein Stellenwert zugeordnet wird, hängt davon ab, ob ein solches „Datenwort“ eine Zahl darstellt oder nicht. Man kann den Zahlenwert ja auch als Ergebnis von Ja-Nein-Entscheidungen betrachten, etwa: 23: ja, 22: nein, 21: ja, 20: nein, das ergibt zusammen 10. Dem Computer ist das gleichgültig wie alles andere auch. Die Software bestimmt, was die Bits bedeuten.

Abb. 1 zeigt, wie die Digitalisierung eines anlogen Sig-nals, etwa eines Tones, im Prinzip abläuft. Wenn die schwarze Sinuskurve die analoge Abbildung eines To-nes ist, zeigen die roten, strichlierten Linien die Zeit-punkte, zu denen die momentane Amplitude abgetastet und in Form einer Binärzahl dargestellt wird, die dann

als Digitalsignal weitergegeben wird. Dabei hat man das sogenannte Abtasttheorem zu beachten, das aus-sagt, dass die Abtastfrequenz höher sein muss als zweimal die höchste Frequenzkomponente des Nutzsig-

Abb. 1

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nals, damit dieses reproduzierbar bleibt. Eine höhere Abtastfrequenz verbessert die Wiedergabe. Die in-tegrierten Schaltkreise, welche die Umwandlung in beiden Richtungen durchführen, nennt man CODECs (Coder-Decoder).

In Abb. 2 kann man sehen, wie aus einem digitalisierten Signal wieder ein Analogsignal gewonnen wird. Die Abbildung ist einem Programm zur Tonbearbeitung entnommen und zeigt einen ungefilterten Kur-

venzug aus einem Musikstück, wie er aus den binären Werten zusam-mengesetzt wird. Die Abstände der Stufen werden im nachfolgenden Analogteil ausgefiltert und liegen

bei den Verfahren, die für CD-Musik angewendet werden, jenseits des menschlichen Hörbereichs. Die verbleibenden Abweichungen vom Originalton nennt man „Quantisierungsrauschen“.

Erkennen Sie in Abb. 2 die Stimme von Adriano Celentano wieder? Ich nicht! Aus dem Lautsprecher kommt sie aber deutlich.

*

Diese Vorgehensweise nennt man Analog-Digital-Wandlung bzw. Digital-Analog-Wandlung. Dabei wer-den Größen durch Binärzahlen dargestellt bzw. wieder zurückgewonnen. Das kann, wie etwa in der digi-talen Telefonie, auch nach einer logarithmischen Funktion erfolgen, was der menschlichen Wahrnehmung eher entspricht (psychotechnisches Grundgesetz).

Wenn es zweckmäßig ist, Digitalsignale in Form analoger Signale zu übertragen, wendet man im Allge-meinen Modulation an. Die üblichsten Arten sind Amplituden- Frequenz- bzw. Phasenmodulation. Für Digitalsignale wendet man aber auch Mischungen aus diesen Arten an, besonders in Sprachbandmodems, um die nötige geringe Bandbreite zu erzielen.

Optoelektronik

Fotozellen gibt es schon seit Jahrzehnten. Sie bestanden ursprünglich aus Selen, dessen elektrischer Wi-derstand durch Belichtung abnimmt. Andere Fotozellen, die man heute fotovoltaische Zellen nennt, er-zeugen bei Lichteinfall sogar elektrische Spannung, wandeln also Licht in elektrische Energie um.

Dioden sind elektronische Bauteile, die Strom nur in einer Richtung durchlassen, weshalb man sie unter anderem als Gleichrichter verwendet. Halbleiterdioden, die heute aus Silizium hergestellt werden, sind ebenfalls lichtempfindlich. Bei Lichteinfall lassen sie auch in Sperrrichtung Strom durch und können sich sogar wie fotovoltaische Zellen verhalten. Beide Effekte werden heute genutzt.

Es gelang, fotovoltaische Zellen so sehr zu verbessern, dass sie mit Erfolg zur Energiegewinnung einge-setzt werden können. Und sogenannte Fotodioden und Fototransistoren haben große Bedeutung im Be-reich der Elektronik erlangt. Schließlich entdeckte man vor mehr als dreißig Jahren, dass stromdurchflos-sene Halbleiterdioden aus bestimmten Halbleitermaterialen auch Licht abgeben können, sogenannte Leuchtdioden (light emitting diodes, LEDs). Seither spricht man von „Optoelektronik“.

Genau genommen ist Optoelektronik kein Teil der Elektronik, aber die Anwendung optoelektronischer Bauteile ist so tief in die Elektronik eingedrungen, dass man darüber hinwegsehen kann.

Zuerst wurden Leuchtdioden für Anzeigezwecke eingesetzt. Gegenüber Lämpchen haben sie den Vorteil höherer Lebensdauer, weil sie nicht zum Glühen gebracht werden, um zu leuchten, sondern sich nur durch den durchfließenden Strom etwas erwärmen wie andere Dioden auch. Zuerst stellte man nur rote Leuchtdioden her, dann gelangen auch grüne und gelbe. Blaue, die man herbeisehnte, um durch Mi-schung praktisch alle Lichtfarben einschließlich Weiß erzeugen zu können, ließen auf sich warten und

Abb. 2

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waren zunächst viel teurer als die anderer Farben. Das änderte sich gegen Ende des vergangenen Jahrtau-sends, was wir vor allem an riesigen Werbetafeln aus Millionen Leuchtdioden sehen konnten, die farbige, bewegte Bilder zeigten. Und seit einigen Jahren gibt es Leuchtdioden, die ultraviolettes Licht abgeben.

Doch auch in die elektronische Schaltungstechnik, besonders die digitale, zogen Fotodioden, Fototransis-toren und Leuchtdioden ein. Ein sogenannter Optokoppler sieht aus wie eine integrierte Schaltung und enthält meistens eine Infrarot-Leuchtdiode und einen Fototransistor. Man kann ihn wie einen Transistor in eine Schaltung einsetzen, nur dass der Ausgang vom Eingang galvanisch getrennt (isoliert) ist wie bei einem Transformator. Das ist besonders in der Datenübertragung oft willkommen. Mit zunehmender Mi-niaturisierung und höherer Geschwindigkeit von Computerschaltungen erwägt man sogar schon, diese optisch miteinander zu verknüpfen statt mit vielen von Leiterbahnen, was bei höherer Arbeitsgeschwin-digkeit immer größere Nachteile hat. (Das hat nichts mit sogenannten Quantencomputern zu tun, die mit Licht funktionieren und vielleicht einmal elektronisch aufgebaute Computer ersetzen werden!)

Es gibt auch Halbleiterlaser. Sie beruhen auf dem gleichen Effekt wie Leuchtdioden, geben aber kohären-tes Licht ab wie Laser. Sie geben monochromatisches (einfärbiges) Licht hoher Intensität ab. Dieses Licht lässt sich bündeln und ist kohärent, das heißt, die abgegebenen Lichtquanten haben die gleiche Phasenla-ge. Die ersten Laser enthielten einen Rubinkristall und gaben rotes Licht ab. Später verwendete man auch andere Materialien, auch Gase. Die höchste Leistung erreicht man mit Kohlendioxidlasern im Infrarotbe-reich.

Die Erfindung des Lasers beflügelte die Fantasie vieler Menschen, und man dachte besonders an Strah-lenwaffen, wie man sie aus utopischen Romanen kannte. Aber in eine Patrone passt immer noch mehr Energie als in eine Batterie gleicher Größe, und auch sonst hätte ein Laser als Waffe noch viele Nachteile. Dennoch wurden Laser schließlich für Waffen eingesetzt, und zwar zum thermischen Markieren von Zie-len für Bomben und Halbleiterlaser zum optischen Markieren von Zielen für Schusswaffen. Daher kom-men die roten Punkte in Actionfilmen.

Halbleiterlaser unterscheiden sich von herkömmlichen vor allem dadurch, dass sie nicht von Lichtblitzen sondern von elektrischem Strom gespeist werden. Durch sie hat man kleine, kompakte, billige Laser ge-ringerer Leistung zur Verfügung. Ein wichtiges Einsatzgebiet dafür ist die Datenübertragung mittels Glas-fasern.

Elektronik ist der Teil der Elektrotechnik, der sich nicht unmittelbar mit dem energetischen As-pekt der Elektrizität befasst. Optoelektronik sprengt zwar den Rahmen der reinen Elektronik, ist aber aus der Sicht der Aufgabenstellung ein Teil davon.

Ing. Hans Bauer