Sprachwandel
Gerrit Kentner
21. Januar 2011
1 / 33
Zur Klausur
Vier Teilbereiche
Phonetik/ Phonologie
Morphologie
Syntax
Semantik/ Pragmatik
1 / 33
Zur Klausur
Zu jedem Teilbereich gibt es 4 Aufgaben, von denen 3 bearbeitetwerden sollen.Jede korrekt gelöste Aufgabe bringt 10 Punkte (es können alsomaximal 30 P pro Teilbereich und insgesamt 120 P erreichtwerden).Die Klausur gilt als bestanden, wenn in jedem Teilbereichmindestens 10 Punkte erreicht werden.Sie können zu einer mündlichen Wiederholungsprüfung (gilt nochals Teil des Erstversuchs) antreten, wenn Sie die Klausur inhöchstens einem Teilbereich nicht bestanden haben, aber in denanderen Teilbereichen zusammen mindestens 40 Punkte erreichthaben.
2 / 33
Lektüre
Meibauer et al. (2007). Einführung in die germanistischeLinguistik. Metzler, Kap. VIII
3 / 33
In ananginne uuas uuort itni thaz uuort uuas mit gote inti gotselbo uuas thaz uuort.
4 / 33
Althochdeutsch, ca. 7. Jhd – 1050
In ananginne uuas uuort itni thaz uuort uuas mit gote inti gotselbo uuas thaz uuort.
Am Anfang war das Wort und das Wort war mit Gott und Gottselber war das Wort
5 / 33
Althochdeutsch, ca. 7. Jhd – 1050
Vater unsir. du in himile bist. din namo werde giheiliget. din richechome. din wille giskehe in erda von mennisgen. also in himile fonden engilen. Unsir tagelich prot gib uns hiuto. unde unsere sculdebelazh uns. also ouh uuir firlazhen unseren sculdenaren. unde in diachorunga neleitist du unsih. suntir irlose unsih fona demo ubile.Amen.
6 / 33
Mittelhochdeutsch, ca. 1050 – 1350
vater unser der da bist in den himeln. geheiliget wert din name.zuo kom din rich. din wille gewerde in der erden als in dem himele.unser tegelich brot gip uns hiute. unt vergip uns unser schulde, alswir vergeben unseren schuldigern. unt enleite uns nit in bekorunge,sunder verloese uns von übele.
7 / 33
Frühneuhochdeutsch, ca. 1350 – 1650
Vnser vater ynn dem hymel. Deyn name sey heylig. Deyn reychkome. Deyn wille geschehe auff erden wie ynn dem hymele. Vnserteglich brott gib vnns heutt, vnd vergib vns vnsere schulde, wie wyrvnsernn schuldigern vergeben, vnd fure vns nitt ynn versuchung,sondern erlose vns von dem vbel, denn deyn ist das reych, vnd diekrafft, vnd die herlickeyt in ewickeyt.
8 / 33
Neuhochdeutsch, ca. 1650 –
Aus einer Zeitungsmeldung vom 8.1.1863
[...] machte die Alte ihrem Mann den Vorschlag, die Dame zuermorden. Der Mann wollte davon nichts wissen, die Frau suchteihn deshalb zu entfernen und schickte ihn fort, Branntwein zuholen. Jetzt warf sich die Alte über das Mädchen und schnitt ihrdie Kehle ab. [...] Der Mann fiel in Wahnsinn, die Mörderin ist imGefängnis.
zitiert in Linke, Nussbaumer, Portmann(1996): Studienbuch Linguistik,
Niemeyer
9 / 33
Sprachwandel
Sprache ist stetigem Wandel unterworfen.
In den obigen Beispielen ist mehr oder weniger deutlich zuerkennen, dass es sich um Varianten des Deutschen handelt.Offenbar sind gewisse Aspekte dieser Texte über die Zeit stabil(nur so ist ein Wiedererkennen möglich). Andere Aspekte sind vonVeränderungen betroffen.
Was ändert sich??
10 / 33
Sprachwandel
Welche sprachlichen Aspekte sind von Wandel betroffen?
Teilsysteme von Regeln und Einheiten für die grammatischeKorrektheit von sprachlichen Ausdrücken (phonologische,morphologische, syntaktische, semantische Regeln).
Teilsysteme von Regeln der pragmatischen Angemessenheitvon Ausdrucksverwendungen (in best. Textsorten, Situationenetc.)
lexikalische Einheiten
11 / 33
Neuhochdeutsch, ca. 1650 –
Aus einer Zeitungsmeldung vom 8.1.1863
[...] machte die Alte ihrem Mann den Vorschlag, die Dame zuermorden. Der Mann wollte davon nichts wissen, die Frau suchteihn deshalb zu entfernen und schickte ihn fort, Branntwein zuholen. Jetzt warf sich die Alte über das Mädchen und schnitt ihrdie Kehle ab. [...] Der Mann fiel in Wahnsinn, die Mörderin ist imGefängnis.
zitiert in Linke, Nussbaumer, Portmann(1996): Studienbuch Linguistik,
Niemeyer
12 / 33
Neue Wörter – aussterbende Wörter
(1) email, chatten, simsen, Computer, Waschmaschine, faxen,googeln, Wiki, Blog, Internet, Web, Latte Macchiato
(2) fürbass, Aussteuer, Geschmeide, Halunke, Kartätsche,Schrapnell
http://ngrams.googlelabs.com
13 / 33
14 / 33
15 / 33
16 / 33
17 / 33
18 / 33
Lautwandel
Vereinfachungsprozesse: z.B. Assimilation
Kontaktassimilationmhd. tump – nhd. dumm;lamp – Lamm;zimber – Zimmer(kann auch als Tilgung des finalen Plosivs aufgefasst werden)
Fernassimilationmhd. altA , elt-iN – Alter;starchA, sterch-iN – StärkekraftN , kreft-igA – kräftig(Stammvokal assimiliert an Vokal des Suffix’ hinsichtlich derHöhe – vgl. Vokalviereck!!)
Tilgung / Abschwächung alth. gibirgi – Gebirge
enti – Endelobon – lobenaus Vollvokal wird schwa
19 / 33
1. Lautverschiebung (ab 500 v. Chr.)
Übergang vom Proto-Indoeuropäischen zum Proto-Germanischen
stimmlose Plosive >stimmlose Frikative (p >f, t >T, k >h)
stimmhafte Plosive >stimmlose Plosive ( b >p, d >t, g >k)
stimmhafte behauchte Plosive >stimmhafte Plosive (bh >b,dh >d, gh >g)
Romanische vs. Germanische Sprachen
padre, père – Vaterpor, pour – fürciento, cent – Hundertcorazon, coeur – Herzgrano, grain – Korn
20 / 33
2. Lautverschiebung (ab 500 n. Chr.)
niederdeutsch, englisch – oberdeutsch
Appel – Apfel; peper, pepper – Pfefferdat, wat, eten – das, was, essenTid – ZeitDag – Tagmaken – machen, ik – ichthorn, thistle – Dorn, Distel
21 / 33
22 / 33
Morpho-Phonologischer Wandel
Ein besonderer Vogel: GrasmückeEine morphologische Analyse des Wortes Grasmücke:
synchron: Gras – mücke
diachron: gra – smuckaein grau geschmückter Vogel
23 / 33
Morphologischer Wandel
Althochdeutsch NeuhochdeutschSingular Plural Singular Plural
Nom/Akk tag tag-a Tag Tag-eGen tag-es tag-o Tag-(e)s Tag-eDat tag-e tag-um Tag(e) Tag-e-nInstr tag-u
Wegfall von Morphemen – Zunahme von Synkretismen
24 / 33
Morphologischer Wandel
Wegfall von Morphemen – Zunahme von Synkretismen
Wegfall des Instrumental-Kasus hat syntaktische Folgen.
Nutzung von Präpositionalphrasen
Hans haut mit der Hand auf den Tisch
25 / 33
Morphologischer Wandel
‘Verdunkelte’ Komposita
*alja - landja (‘ausser Landes seiend’) >ahd.: elilenti >Elend
mhd.: kirch-mess >Kirmes
mhd.: junc-herre >Junker
26 / 33
Morphologischer Wandel
WortbildungswandelFreie Morpheme im Althochdeutschen:
heit – ‘Person, Persönlichkeit’scaf – ‘Beschaffenheit’scaft – ‘Schöpfung’tuom – ‘Urteil’
Grammatikalisierung dieser Morpheme zu Wortbildungssuffixen(-heit, -schaft, -tum)
27 / 33
Syntaktischer Wandel
weil-V2-Sätze im heutigen Deutsch
Peter ist nach Hause gegangen, weil er müde war.
Peter ist nach Hause gegangen, weil er war müde.
Peter ist nach Hause gegangen, weil seine Jacke hängt nichtmehr an der Garderobe.
?Peter ist nach Hause gegangen, weil seine Jacke nicht mehran der Garderobe hängt.
Ñ Voranstellung nicht möglich!!*Weil er war müde ist Peter nach Hause gegangen.
28 / 33
Syntaktischer Wandel
(3) Gegenwartsdeutsch
a. Das Haus der Freunde.b. *Der Freunde Haus.c. Annas Haus.
(4) Althochdeutsch
a. thaz uuirdit ginennit gotes barndas (dieses Kind) wird Gottes Sohn genannt
b. fona paradises bliidhnissavon der Freude auf das Paradies
29 / 33
Semantischer Wandel
Ein Waldgebiet in der Nähe von Oldenburg (i.O.) heisst
Barneführer Holz
Welche Bedeutung (im Vergleich zum Gegenwartsdeutsch) hat‘Holz’ in diesem Namen?
30 / 33
Semantischer Wandel
Marschall
Althochdt.: Pferdeknecht
Mhd.: höherer städt. Beamter
Nhd.: hoher milit. Rang
ñ Bedeutungsverbesserung
31 / 33
Knecht
mhd.: Knabe, junger Mann
nhd.: dienende männliche Person (körperliche Arbeit)
ñ Bedeutungsverschlechterung
Vergleiche englisch: knight
32 / 33
geil
mhd.: lebensfroh
später Bedeutungsverengung: sexuell attraktiv
in jüngerer Zeit: Bedeutungserweiterung: allgemein attraktiv
33 / 33
OrganisatorischesSprachwandelLexikalischer WandelLautwandelMorphologischer WandelSyntaktischer WandelBedeutungswandel