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Zuverlässigkeit und Sicherheit bei der Bemessung in der Geotechnik

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Bautechnik 89 (2012), Heft 9 629

DOI: 10.1002 / bate.201201561

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KOMMENTAR

Am 1. Juli 2012 wurden die Eurocodes bauaufsichtlich eingeführt. In sämtlichenFachbereichen des konstruktiven Bauingenieurwesens muss spätestens seit diesem Zeitpunkt das Teilsicherheitskonzept angewandt werden. Über dasSicher heitskonzept bestehen bei den praktisch arbeitenden Ingenieuren vielfachnoch erhebliche Informationslücken und Verständnisprobleme. Aufbauend aufeiner kurzen Vorstellung des probabilistischen Sicherheitskonzepts, welches ursprünglich das Globalsicherheitskonzept mit der Einführung der Euro codes ersetzen sollte, und der Beschreibung der Entwicklung des Sicherheitskonzeptswird gezeigt, wie die wichtigsten Festlegungen im Eurocode 7-1 und in der DIN 1054:2010 entstanden sind.

Das Teilsicherheitskonzept erweckt den Eindruck, dass die Einwirkungen bzw.Beanspruchungen und die Widerstände entsprechend ihrer Unsicherheit mitwahrscheinlichkeitstheoretisch begründeten Teilsicherheitsbeiwerten beauf-schlagt werden. Dies ist in der Geotechnik nicht möglich. Aus Gründen der Einheitlichkeit im Bauwesen haben sich die Geotechniker Europas vielmehr entschlossen, für die ständigen und veränderlichen Einwirkungen aus dem Baugrund die gleichen Teilsicherheitsbeiwerte zu verwenden wie der übrigekonstruktive Ingenieurbau. Die Teilsicherheitsbeiwerte für die Widerstände ausdem Baugrund wurden so gewählt, dass das Sicherheitsniveau des bewährtenGlobalsicherheitsniveaus weitgehend erhalten blieb, sich also bei Anwendungdes Teilsicherheitskonzepts etwa die gleichen Abmessungen für Gründungenund geotechnische Bauwerke ergeben wie zuvor beim Global sicher heitskonzept.Das Teilsicherheitskonzept in seiner heutigen Form ist daher zumindest in derGeotechnik bei Licht besehen ein modifiziertes Globalsicherheitskonzept. DemAnwender wird damit ein teilweise neues und komplizierteres Konzept zugemu-tet. Dies ist allerdings eine vertretbare Zumutung, wenn man sich vergegen -wärtigt, dass wir damit zur dringend erforderlichen Vereinheitlichung der euro-päischen Baunormen und damit auch zur Einigung Europas beitragen.

Bernd Schuppener, Anton Weißenbach

Zuverlässigkeit und Sicherheit beider Bemessung in der Geotechnik

1 Das probabilistische Sicherheitskonzept

Zu Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts begannen Fachleute desBauingenieurwesens, sich auf internationaler Ebene mit der Frage zu befassen,ob das bisherige Globalsicherheitskonzept den Ansprüchen an die raschetechnische Entwicklung im Bauwesen noch gerecht wird. Man kam zu derFeststellung, dass die Forderung nach einer Vergleichmäßigung des Sicher-heitsniveaus und nach einer Vergleichbarkeit von Sicherheitsanforderungenin den verschiedenen Fachgebieten des Bauwesens eine Abkehr von rein deterministischen, nur auf Erfahrung beruhenden Sicherheitsfestlegungen er-forderte. 1976 wurde dann vom Joint Committee on Structural Safety, einemgemeinsamen internationalen Ausschuss für Tragwerkssicherheit, die Anwen-dung der probabilistischen Sicherheitstheorie als gemeinsames Sicherheits-konzept für die zukünftigen Eurocodes beschlossen. In Deutschland wurdediese Absicht vom Arbeitsausschuss „Sicherheit im Bauwesen“ des Normen -aussschusses Bauwesen (NABau) aufgegriffen und in Form der „Grundlagenfür die Festlegung von Sicherheitsanforderungen für bauliche Anlagen“ [1] ver-öffentlicht.

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Dem probabilistischen, d. h. dem wahrscheinlichkeitstheoretischen Sicher-heitskonzept, das mit der Einführung der Eurocodes europaweit das Global -sicherheitskonzept ersetzen sollte, liegt folgende Überlegung zugrunde:

– Wenn man davon ausgeht, dass sowohl die Einwirkungen auf ein Bauwerkals auch die Widerstände eines Bauwerks zufällig streuende Größen sindund sowohl die Einwirkungen auf ein Bauwerk als auch die Widerständevon Konstruktionen und Bauelementen statistisch auf rationale Weise be-schrieben werden können,

– dann muss es auch möglich sein, mit der Probabilistik ein einheitlichesSicher heits niveau zu definieren, das unabhängig von der Konstruktion unddem Baumaterial ist.

Das probabilistische Sicherheitskonzept geht also von der Annahme aus, dassdie Einwirkungen und die Widerstände, z. B. durch eine Normalverteilung inForm von Glockenkurven, statistisch beschrieben werden können. Da in derRegel nicht die Einwirkungen selbst, sondern die von den Einwirkungen ver-ursachten Auswirkungen in Form von Schnittgrößen oder Spannungen maß-gebend sind, wird nachfolgend anstelle des Begriffs „Einwirkungen“ der in denheutigen Normen festgelegte Begriff „Beanspruchungen“ verwendet.

Wenn sich nach Bild 1 die Glockenkurven der Verteilungsdichten der Be -anspruchungen S und der Widerstände R überschneiden, sind Fälle möglich,in denen der zufällig vorhandene Widerstand R kleiner ist als die gleichzeitigvorhandene Beanspruchung S und somit das Erreichen eines Versagens -zustands zu erwarten ist. Bildet man die Differenz Z aus dem Widerstand Rund der Beanspruchung S, dann erhält man wieder eine Glockenkurve für diesogenannte Zufallsvariable Z. Wird Z negativ, dann versagt die Konstruktion,bei positivem Z ist sie standsicher.

Die Versagenswahrscheinlichkeit pf, bei welcher der Widerstand R kleiner istals die Beanspruchung S, ergibt sich aus der schraffierten Fläche links von derOrdinate. Sie ist ein Maß für die Unsicherheit der Konstruktion. Die Flächerechts von der Ordinate (ps = 1 – pf), wo der Widerstand R größer ist als dieBeanspruchung S, ist ein Maß für seine Zuverlässigkeit.

Je größer der Mittelwert mz und je kleiner die Standardabweichung σz der Zu-fallsvariablen ist, umso größer ist die Zuverlässigkeit der Konstruktion. AlsMaß für die Zuverlässigkeit wurde daher ein Sicherheitsindex β = mz/σz de -finiert. Für den Bezugszeitraum von einem Jahr wurde damals ein Sicherheits -index β = 4,7 angestrebt. Dies entspricht einer Versagenswahrscheinlichkeitvon etwa 10–6 für den Bezugszeitraum von einem Jahr, d.h. ein Versagensfallbezogen auf eine Million gleichartiger Bauwerke in einem einzigen Jahr.

Soweit die reine, für Bauingenieure sehr ungewohnte Theorie. Aber auch denüberzeugten Statistikern war damals klar, dass man bei der Bemessung in derPraxis keine so aufwändigen und komplexen statistischen Standsicherheits-nachweise führen konnte. Um die Theorie praktisch handhabbar zu machen,musste man sie daher radikal vereinfachen.

f f m fZfR, fS

RS

mzfZ

ββ⋅σzVersagens-wahrschein- Zuverlässig-RS wahrschein-

lichkeit: 0

Zuverlässigkeit: ps= 1- pf

Zdzfp0

Zf ⋅= ∫∞−

σzσzpf

ms mr r, s

S Ei i k R Wid dmz z

S Einwirkung, R Widerstand Zufallsvariable Z = R - S Bild 1 Verteilungsdichten von Beanspruchungen und Widerständen

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Dazu eignete sich sehr gut das Teilsicherheitskonzept, bei dem nachgewiesenwird, dass bei einer Konstruktion oder einem Bauteil der Bemessungswert derBeanspruchungen nicht größer ist als der Bemessungswert der Widerstände.Den Bemessungswert Ed der Beanspruchungen erhält man, indem man

− entweder den charakteristischen Wert Fk der Einwirkungen mit dem Teilsi-cherheitsbeiwert γF multipliziert und mit dem so gewonnenen Bemessungs-wert Fd der Einwirkungen den Bemessungswert Ed der Beanspruchungenermittelt („E“ abgeleitet vom englischen „effects“)

− oder mit dem charakteristischen Wert Fk der Einwirkungen den charakte-ristischen Wert Ek der Beanspruchungen ermittelt und dann diesen durchMultiplikation mit dem Teilsicherheitsbeiwert γ F in den BemessungswertEd der Beanspruchungen umrechnet.

Den Bemessungswert Rd der Widerstände erhält man, indem man den charak-teristischen Wert Rk der Widerstände durch den Teilsicherheitsbeiwert γR teilt.Damit ergibt sich die Grenzzustandsbedingung zu

Ed ≤ Rd = Rk/γ R

Die Grundlage des vereinfachten, von etlichen Autoren semi-probabilistischgenannten Verfahrens bestand nun darin, in umfassenden statistischen Unter-suchungen mit den üblichen bodenmechanischen Nachweisverfahren die Teil-sicherheitsbeiwerte zu ermitteln, und zwar als diejenigen Werte, bei denen dasSicherheitsniveau den geforderten Wert von β = 4,7 erreicht.

Diese Kombination von Wahrscheinlichkeitstheorie und Teilsicherheitskon-zept hat die Normenmacher, die in den 70er Jahren mit der Erarbeitung derEurocodes begannen, stark fasziniert. Fasziniert waren sie aus zwei Gründen:

– Die Theorie bot zum einen die Möglichkeit, ein einheitliches Sicherheits -niveau unabhängig von der Konstruktion und dem Baumaterial, also Bau-art-übergreifend, zu definieren.

– Zum anderen konnte die Theorie als gemeinsames europäisches Sicher-heitskonzept für die Bemessung von Tragwerken dienen. Es war ein neuesVerfahren, das von allen Mitgliedsländern neu erlernt werden musste, aufdas man sich daher am ehesten als Kompromiss einigen konnte.

Der Fachöffentlichkeit in Deutschland wurden das probabilistische und das„semiprobabilistische“ Sicherheitskonzept im Zusammenhang mit der geo-technischen Bemessung erstmals auf der Baugrundtagung 1978 in einem Vor-trag des damaligen Präsidenten des Instituts für Bautechnik G. BREITSCHAFT

[2] bekannt gemacht, der später Vorsitzender des für die Eurocodes zuständi-gen Technischen Komitees des CEN wurde. Allerdings wurde die Probabilistikerst wieder auf einer Spezialsitzung der Baugrundtagung 1982 diskutiert. FünfBeiträge beschäftigten sich damals mit dem Thema, und zwar mit ihrer An-wendung

− beim Grundbruchnachweis von Flachgründungen [3],− bei verankerten und vernagelten Wänden [4],− bei der Auswertung von Versuchsergebnissen [5, 6] ,− bei der Nutzung von Vorinformationen [7].

Der interessanteste Teil der Spezialsitzung war die Podiumsdiskussion mitprominenten deutschen Geotechnikern. Die meisten Diskutanten hatten einesehr kritische Einstellung zum probabilistischen Sicherheitskonzept. Es wur-den folgende wesentliche Argumente vorgebracht:

− Ein gravierender Mangel der probabilistischen Sicherheitskeitstheorie be-steht darin, dass sie menschliche Fehler bei der Planung und Herstellung

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nicht berücksichtigt, obgleich diese die wesentliche Ursache von Schadens-fällen sind [8].

− Darüber hinaus sind in der Regel die Möglichkeiten, ausreichende Datenfür eine statistische Bewertung des Baugrunds zu erhalten, in der Praxissehr beschränkt [9].

− Im Vergleich zu anderen Materialien des Bauingenieurwesens streuen geo-technische Kennwerte nicht nur stärker, sondern der Geotechniker „sieht“auch nur einen sehr begrenzten Teil seines „Bauwerks“ [9].

− Statistische Verteilungen ohne untere und obere Grenzen sind ungeeignetfür geotechnische Kenngrößen [10].

Die Auswertung der schriftlichen Beiträge zur Podiumsdiskussion ergab, dass

− drei der Diskutanten für das statistische Sicherheitskonzept,− fünf unentschlossen und− vier dagegen

waren.

In den folgenden Jahren war die Probabilistik ein Forschungsthema an fastallen Lehrstühlen für Geotechnik in Deutschland, und es wurden fast alleNachweise im Grundbau auf ihre Tauglichkeit zur Anwendung der Probabilis-tik untersucht. EDER rechnete die Rutschung einer Felsböschung nach [11].HEIBAUM untersuchte die Standsicherheit verankerter Stützwände auf der tie-fen Gleitfuge [12]. GENSKE und WALZ [13] sowie SMOLTZCYK und SCHAD [14]beschäftigten sich mit der Anwendung der probabilistischen Sicherheitsphilo-sophie auf Grundbruchberechnungen, REITMEIER untersuchte die Möglichkeiteiner Quantifizierung von Setzungsdifferenzen mithilfe einer stochastischen(probabilistischen) Betrachtungsweise [15], HANISCH und STRUCK wandtendie Methode an zur Auswertung von Pfahlprobebelastungen [16].

Daneben gab es eine Reihe von Veröffentlichungen über die Bewertung vonBaugrunduntersuchungen im Hinblick auf ihre Nutzung mit der Probabilistik[17, 18, 19] und didaktisch gut aufbereitete Aufsätze, die das neue Konzeptden Kollegen erläutern und dafür werben sollten [20, 21].

Auch wenn durch einen Grundsatzbeschluss des Lenkungsgremiums desFachbereichs „Geotechnik, Grundbau“ im Normenausschuss „Bauwesen“(NABau) von 1982 die zukünftige Ausrichtung der Normungsarbeit festzu -stehen schien, gab es in den Folgejahren immer wieder auch grundsätzlicheKritik an den „Grundlagen für die Festlegung von Sicherheitsanforderungenfür bauliche Anlagen“ [1]. So zeigte FRANKE [22] die Probleme bei der An -wendung des wahrscheinlichkeitstheoretischen Sicherheitskonzepts bei denPfählen und kommentierte sarkastisch, dass die „Möglichkeiten (der Pro -babilistik) um so optimistischer gesehen werden, je weniger die beteiligtenFachkollegen mit der tagtäglichen Praxis der Baugrund- und Gebirgsunter -suchung und -beschreibung zu tun haben.“ Für den Grundbau sei die Beob-achtungsmethode eine wesentlich bessere Hilfe, von der in den „Grundlagenfür die Festlegung von Sicherheitsanforderungen für bauliche Anlagen“ nichtdie Rede ist.

Ferner zeigte sich, dass bei konstantem Sicherheitsniveau die Teilsicherheitsbei-werte von der Größe und Anzahl der beteiligten Parameter und insbesonderevom Variationskoeffizienten abhängen [12]. Gerade der Variationskoeffizientkann aber für geotechnische Parameter oft nur grob abgeschätzt werden. Einweiterer Grund für die Anwendung der Probabilistik in der Geotechnik liegtdarin, dass die saubere Trennung von Einwirkungen und Widerständen, die beianderen Fachbereichen eine Selbstverständlichkeit darstellt, in der Geotechnikkeineswegs gegeben ist. Zum Beispiel ist der Gleitwiderstand R = N·tanϕ un -mittelbar von der Einwirkung bzw. Beanspruchung N abhängig.

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Fundamentale Kritik an dem neuen Sicherheitskonzept kam vor allem vonSchweizer Kollegen. MATOUSEK und SCHNEIDER [23] kamen auf Grundlageder Analyse von 800 Bauschäden zu dem Ergebnis, dass zufällige Abweichun-gen der Materialqualitäten bzw. der Tragwerkswiderstände oder der Belastun-gen von den jeweils erwarteten Werten durch die Festlegung geeigneter Sicher-heitsfaktoren in den statischen Berechnungen offensichtlich gut abgesichertsind. Der weitaus überwiegende Teil der Schäden entsteht während der Aus-führung. Sie zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit von groben Fehlern wäh-rend der Bauausführung in der Regel ein bis zwei Zehnerpotenzen größer alsdie theoretischen Versagenswahrscheinlichkeit ist [24].

Fasst man die wissenschaftlichen Studien und die Debatte unter den Normen-machern bis etwa 1994 zusammen, dann kann man feststellen, dass

− der probabilistische Ansatz in der Geotechnik eine große Zahl von interes-santen Forschungsergebnissen in Deutschland und anderen Ländern gelie-fert hat, aber

− es nicht gelungen war, ein überzeugendes Konzept für die Normung unddie Anwendung in der täglichen Bemessungspraxis zu entwickeln,

− ein probabilistischer Ansatz in der Diskussion unter den Normenmachernkeine Rolle mehr spielte,

− das Teilsicherheitskonzept zwar akzeptiert wurde, jedoch die vorgeseheneAbleitung von Teilsicherheitsbeiwerten auf probabilistischer Grundlagenicht möglich war.

Obwohl die deutsche Normung in der Geotechnik aufgrund dieser Feststellun-gen die Probabilistik endgültig verließ, war das Thema in der wissenschaft -lichen Forschung weiterhin attraktiv. So versuchten HARTMANN und NAWARI

neue Wege zur Unsicherheits- und Risikobewertung im Ansatz der Fuzzy-Logik und Fuzzy-Set-Theorie zu finden [25], PÖTTLER et. al. untersuchten dieAnwendung der Probabilistik für den Tunnelbau [26], ZIEGLER untersuchtedie Möglichkeiten der Risikosimulationsrechnung [27], KATZENBACH undMOORMANN nutzten die jahrzehntelang gesammelten Versuchsdaten anFrankfurter Ton zur Untersuchung des Tragverhaltens von Pfahl-Platten-Grün-dungen [28], STAHLMANN et. al. verwendeten probabilistische Methoden zurSimulation der stofflichen Inhomogenitäten bei einem Bahndamm [29], undRUSSELLI verglich verschiedene probabilistische Methoden bei Grundbruch-untersuchungen, wobei sie den starken Einfluss der Kopplung von Reibungund Kohäsion zeigten [30]. Diese Untersuchungen haben bislang noch keinenNiederschlag in Normen und Empfehlungen gefunden.

2 Eurocode 7-1 und DIN 1054

Die Arbeit am Model Code für den Eurocode 7-1 „Geotechnische Bemes-sung“, abgekürzt EC 7-1, begann 1981 unter der Leitung des Dänen NIELS

KREBS OVESEN [31], der den zuständigen Ausschuss 18 Jahre leitete. Man warsich zunächst einig, das probabilistische Sicherheitskonzept auch in der Geo-technik einzuführen. Da die Grundlagen für eine Anwendung in der Geotech-nik noch unzureichend waren, entschloss man sich

− die Teilsicherheitsbeiwerte zunächst auf der Grundlage von Erfahrungenfestzulegen und

− sie später durch probabilistische Untersuchungen zu bestätigen bzw. zukorrigieren [32].

1987 wurde mit der Bezeichnung „Eurocode 7 Gründungen“ ein erster nochunvollständiger deutschsprachiger Entwurf eines Eurocodes veröffentlicht.1989 folgte eine neue Version in Form des englischsprachigen „Eurocode 7Geotechnics“. Dieser Entwurf enthielt erstmals einige wenige Teilsicherheits-

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beiwerte. Der Abschnitt 2 „Grundlagen der Bemessung“ formulierte alsGrundsatz:

„(1) Ein Bauwerk ist so zu planen und herzustellen,

− dass es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gebrauchstauglich bleibt und − mit einem angemessenen Grad an Zuverlässigkeit alle Einwirkungen auf-

nehmen kann ...“

Es wurden hier zwar noch die probabilistischen Begriffe „Wahrscheinlich-keit“ und „Zuverlässigkeit“ verwendet, doch schwieg sich der Eurocode dar -über aus, wie die Teilsicherheitsbeiwerte mithilfe der Probabilistik herzuleitensind.

Im übrigen war für die Ermittlung von Erddruck und Erdwiderstand sowie fürden Nachweis der Standsicherheit von Gründungen jeweils nur der Berech-nungsweg vorgesehen, bei dem das Eigengewicht unverändert blieb, die verän-derlichen Einwirkungen vergrößert, Reibung und Kohäsion abgemindert wur-den. Er wurde später als Fall C bezeichnet.

1994 wurde in englischer Sprache, 1996 auch in deutscher Sprache die erstevollständige Fassung des EC 7-1 mit dem Titel „Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1, Allgemeine Regeln“ als Vornorm veröffentlicht. In dieser Fassung wird der Begriff „Zuverlässigkeit“ nicht mehrin Verbindung mit der Wahrscheinlichkeitskeitstheorie verwendet und dasWort “Wahrscheinlichkeit“ beschränkt sich auf die Definition von charakte -ristischen Werten von geotechnischen Kenngrößen mit statistischen Me -thoden.

Nach der Veröffentlichung des EC 7-1 als Vornorm und der Einführung desTeilsicherheitskonzepts konzentrierte sich die Diskussion auf folgende Fragen:

− Welche der bei einer geotechnischen Bemessung eingehenden Parametersollen mit Teilsicherheitsbeiwerten beaufschlagt werden?

− An welcher Stelle der Nachweise sind die Teilsicherheitsbeiwerte einzufüh-ren?

Die Vornorm EC 7-1 schlug vor, den Nachweis des Grenzzustandes der Trag-fähigkeit im Baugrund jeweils auf zwei Wegen, mit unterschiedlichen Kombi-nationen von Teilsicherheitsbeiwerten, den sogenannten Fällen B und Cdurchzuführen:

− Der Nachweis nach Fall B sollte einen sicheren Entwurf gewährleisten fürden Fall ungünstiger Abweichungen der Einwirkungen von den zugrundegelegten charakteristischen Werten. Im Fall B wurden daher auf die ständi-gen und veränderlichen Einwirkungen Teilsicherheitsbeiwerte größer als 1beaufschlagt.

− Der Nachweis nach Fall C sollte einen sicheren Entwurf gewährleisten fürden Fall ungünstiger Abweichungen der Scherfestigkeit von den angesetz-ten charakteristischen Werten. Im Fall C wurden daher die charakteristi-schen Werte der Scherfestigkeit mit Teilsicherheitsbeiwerten größer als 1abgemindert. Allerdings wurden zusätzlich die veränderlichen Einwirkun-gen mit Teilsicherheitsbeiwerten vergrößert.

Das Nachweiskonzept mit den Fällen B und C stieß auf beträchtlichen Wider-stand vor allem in Frankreich und Deutschland. Die den Fällen B und C zu-grunde liegende Bemessungsphilosophie konnte in keiner Weise überzeugen.Abgesehen davon, dass es einen ungerechtfertigten Aufwand darstellt, für eineBemessungsaufgabe zwei vollständige Durchrechnungen vorzunehmen, warauch Folgendes zu beanstanden:

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− Es gab Sicherheitslücken im Fall, dass sich ungünstige Abweichungen derBodenkennwerte und der Einwirkungen überlagern.

− Es war nicht möglich, das bisherige Sicherheitsniveau einzuhalten, wennder Reibungsbeiwert tanϕ und die Kohäsion c mit Teilsicherheitsbeiwertenabgemindert werden.

Vergleichsrechnungen zeigten [33], dass bei Flächengründungen und Stütz-wänden die Anwendung von Teilsicherheitsbeiwerten auf die Scherfestigkeitdes Baugrunds in einigen Fällen zu deutlich größeren Fundamentabmessun-gen und in anderen Fällen zu deutlich kleineren Abmessungen führt als beiAnwendung des bisherigen Globalsicherheitskonzepts. Der Grund dafür lagdarin, dass sich bei großem Reibungswinkel eine größere Abminderung desBeiwerts für den aktiven Erddruck ergibt als für kleinere Reibungswinkel. Dar -über hinaus wurde beanstandet, dass bei einer Abminderung der Scherpara-meter mit Teilsicherheitsbeiwerten dem Nachweis eine falsche Bruchgeo -metrie zugrunde liegen würde. Eine detaillierte Kritik an der Vornorm und einVerbesserungsvorschlag findet sich in [34] und [35].

Parallel zur Arbeit am EC 7-1 wurde die DIN 1054 von 1976 grundlegendüberarbeitet, ergänzt und mit dem neuen Titel „Sicherheitsnachweise im Erd-und Grundbau“ versehen. Bei dieser Überarbeitung stand der Gedanke Pate,die Geotechniker in Deutschland so früh wie möglich mit dem Teilsicherheits-konzept der Eurocodes bekannt zu machen und sie damit auch in die Lage zuversetzen, sich mit der notwendigen Fachkompetenz an den Diskussionen beider Erarbeitung des EC-1 zu beteiligen.

Bei der Überarbeitung der DIN 1054 ist auch ein Verfahren entwickelt wor-den, das in der Diskussionsphase als „Weißenbach-Kompromiss“ bezeichnetwurde. Um die eben geschilderten Ungereimtheiten im EC 7-1 zu beseitigen,wurde in der neuen DIN 1054-100 [36] vorgeschlagen,

− im ersten Schritt die charakteristischen Werte der Einwirkungen, und Wi-derstände mit Hilfe der charakteristischen Werte der Bodenkenngrößen zuermitteln,

− im zweiten Schritt die charakteristischen Beanspruchungen, z. B. Auflager-kräfte und Biegemomente, zu ermitteln,

− erst am Ende des Nachweises die resultierenden charakteristischen Werteder Beanspruchungen durch Vergrößerung, die charakteristischen Werteder Widerstände durch Abminderung mit Teilsicherheitsbeiwerten in Be-messungswerte umzurechnen und mit diesen Bemessungswerten nachzu-weisen, dass die Grenzzustandsbedingungen eingehalten sind.

Dieser Weg wurde dann mit der Bezeichnung „Nachweisverfahren 2“ in dieEntwurfsfassungen von 2004 und 2005 sowie in die Endfassung des EC 7-1von 2009 als eine von drei Optionen aufgenommen, die der EC 7-1 zur Wahlstellt. In der DIN 1054:2010-12 [37] wird es als Nachweisverfahren GEO-2 bezeichnet und beim Nachweis von Stützwänden, Flächen- und Pfahl -gründungen sowie bei Ankern angewendet.

3 Teilsicherheitsbeiwerte

Deutschland hat eine mehr als 70-jährige Tradition von Normen in der Geo-technik. Die erste Ausgabe der DIN 1054 wurde 1934 mit dem Titel „Richt -linie für die zulässige Belastung des Baugrunds im Hochbau“ veröffentlicht.Seitdem wurden die geotechnischen Normen laufend erweitert und optimiert,und sie haben mittlerweile eine hervorragende Qualität erreicht. Das Sicher-heitsniveau des bisherigen globalen Sicherheitskonzepts hat sich bewährt, diegewählten Sicherheitsbeiwerte haben einen sicheren und wirtschaftlichen geo-technischen Entwurf ermöglicht.

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Aus diesem Grund ist der zuständige Normenausschuss bei der Festlegung derTeilsicherheitsbeiwerte von dem Grundsatz ausgegangen, dass bei der Umstel-lung auf das Nachweiskonzept der Eurocodes das bewährte Sicherheitsniveauweitgehend erhalten bleiben sollte. Die Nachweisverfahren und die Teilsicher-heitsbeiwerte waren daher so auszuwählen, dass eine Bemessung auf Grund -lage des EC 7-1 etwa zu den gleichen Abmessungen führt wie eine Bemessungnach den Normen des Globalsicherheitskonzepts.

Das Sicherheitsniveau des Globalsicherheitskonzepts lässt sich beim Nach-weisverfahren 2 (GEO-2) sehr einfach auf das Teilsicherheitskonzept übertra-gen. Man muss nur gewährleisten, dass das Produkt aus dem gewichteten mitt-leren Teilsicherheitsbeiwert γG,Q für die ständigen und veränderlichen Bean-spruchungen und dem Teilsicherheitsbeiwert γR für die Widerstände desBaugrunds gleich dem globalen Sicherheitsbeiwert ηglobal ist. Der Teilsicher-heitsbeiwert γR ergibt sich dann aus dem Ansatz

γ R = ηglobal/γG,Q

Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden die so ermittelten Werte gering-fügig auf- bzw. abgerundet.

Die europäischen Normenmacher im Bauingenieurwesen waren sich darübereinig, für die ständigen und veränderlichen Einwirkungen im gesamten kon-struktiven Ingenieurbau – also auch für die Einwirkungen aus dem Baugrund– die gleichen Teilsicherheitsbeiwerte zu verwenden. Daher wurden die Teil -sicherheitsbeiwerte für die ständigen und veränderlichen Einwirkungen vonγG = 1,35 und γQ = 1,50 des Eurocodes „Grundlagen der Tragwerksplanung“übernommen.

Setzt man einen gewichteten Mittelwert von γG,Q = 1,40 für die ständigen undveränderlichen Einwirkungen an, dann kann man z. B. für die ständige Bemes-sungssituation BS-P, dem früheren Lastfall 1, mit einer globalen Sicherheitbeim Grundbruch von ηglobal = 2,0 aus der obigen Gleichung den Teilsicher-heitsbeiwert für den Widerstand des Baugrunds ermitteln zu

γ R = 2,00/1,40 = 1,43 ⇒ 1,40

Auf diese Weise wurden die Teilsicherheitsbeiwerte für den Widerstand desBaugrunds für alle Bemessungssituationen und Standsicherheitsnachweisevon Gründungen und geotechnischen Konstruktionen bestimmt.

Beim Nachweis des Versagens durch Verlust der Gesamtstandsicherheit wen-den wir in Deutschland das Nachweisverfahren 3 des EC 7-1 an. Es gibt vor,sowohl die Scherfestigkeit des Baugrunds als auch ungünstige veränderlicheLasten mit Teilsicherheitsbeiwerten zu beaufschlagen. Die Verminderung derScherfestigkeit entspricht der Felleniusregel, die in Deutschland bisher schonbeim Nachweis der Gesamtstandsicherheit nach DIN 4084 wahlweise ange-wendet werden durfte. Die Verminderung der Scherfestigkeit bewirkt, dass dieWiderstände des Baugrunds abgemindert werden. Um das Sicherheitsniveaudes Globalsicherheitskonzepts zu erhalten, wurde für Deutschland entschie-den, alle ständigen Einwirkungen mit ihren charakteristischen Werten anzu-setzen, nur die ungünstigen veränderlichen Einwirkungen werden mit einemTeilsicherheitsbeiwert γ > 1 erhöht. Ihr Einfluss auf die Sicherheit einer Bö-schung ist in der Regel klein, da das Eigengewicht des Bodens stark dominiert.Das Nachweisverfahren 3 mit den Sicherheiten der DIN 1054:2010 wird alsVerfahren GEO-3 bezeichnet.

Aus diesen Erklärungen wird ersichtlich, dass die Teilsicherheitsbeiwerte desEC 7-1 nicht – wie ursprünglich geplant – ein Maß für die Zuverlässigkeit bzw.Unsicherheit sind, mit der Einwirkungen und Widerstände in einen geotechni-

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schen Nachweis bestimmt werden können. Das Teilsicherheitskonzept in dervorliegenden Form ist tatsächlich eher ein modifiziertes Globalsicherheits -konzept. Die hin und wieder verwendete Bezeichnung „SemiprobabilistischesSicherheitskonzept“ entbehrt der Grundlage. Im Übrigen konnte der grund -legende Gedanke des Teilsicherheitskonzepts auch in anderen Bereichen desBauingenieurwesens nicht immer konsequent umgesetzt werden. So wird derWasserdruck, der sich von allen Einwirkungen in der Regel am genauesten be-stimmen lässt bzw. aufgrund der örtlichen Gegebenheiten einen bestimmtenMaximalwert gar nicht überschreiten kann, nicht mit einem kleineren Teil -sicherheitsbeiwert beaufschlagt, sondern wie jede andere ständige oder ver -änderliche Einwirkung behandelt, deren Festlegung auf einer Reihe von ver-einfachenden Theorien und Annahmen beruht.

Nach den Definition der Eurocodes decken die Teilsicherheitsbeiwerte nurModellunsicherheiten und ungünstige Abweichungen der Einwirkungen undder Materialeigenschaften von ihren charakteristischen Werten ab. Mensch -liche Fehler und Unzulänglichkeiten in Planung und Ausführung werden nachdem Wortlaut der Eurocodes durch die Teilsicherheitsbeiwerte nicht abge-deckt. Obwohl menschliche Fehler, z. B. mangelhaftes Wissen, mangelndeÜbung oder unzureichender Einblick in die Situation, auch bei den Normenmit dem Globalsicherheitskonzept nie explizit erwähnt wurden, ist man dochimmer davon ausgegangen, dass sie in den Sicherheitsbeiwerten in beschränk-tem Maß berücksichtigt werden. Es war immer das Ziel, eine robuste und wirt-schaftliche Konstruktion zu entwerfen, die nicht schon bei kleineren Fehlernihre Gebrauchstauglichkeit verliert oder gar versagt.

Man kann daher feststellen, dass mit der weitgehenden Übernahme desSicher heits niveaus des Globalsicherheitskonzepts bei der zukünftigen Anwen-dung des Teilsicherheitskonzepts „kleine“ menschliche Fehlern ebenfalls be-rücksichtigt werden.

4 Ausblick

Der technische Nutzen des Teilsicherheitskonzepts für die Geotechnik wirdzum Teil unterschiedlich beurteilt. In einer Sitzung des Lenkungsgremiumsdes Fachbereichs „Geotechnik, Grundbau“ des Normenausschusses Bauwe-sen (NABau) gab es dazu eine ausführlichen Diskussion. Unabhängig von dertechnischen Sicht war sich das Lenkungsgremium darin einig, dass das Teil -sicherheitskonzept auch aus politischen Gründen beibehalten werden sollte.Es stelle eine gemeinsame Sprache für die Bemessung im Bauingenieurwesenin Europa dar, die jetzt sowohl vereinfacht als auch weiterentwickelt werdenmüsse, um dem politischen Ziel der Beseitigung von technischen Handels-hemmnissen und der Harmonisierung technischer Ausschreibungen näher zukommen. Auch wenn Handrechnungen kaum noch möglich sind, so habensich die Anwender im Laufe der letzten Jahre in allen Fachbereichen doch andie Arbeit mit dem Teilsicherheitskonzept gewöhnt. Eine Rückkehr zumGlobal sicher heits konzept ist daher nicht wünschenswert.

Die hier erwähnte Vereinfachung ist inzwischen in Angriff genommen wor-den. Im Januar 2011 gründeten sieben Ingenieurvereine und drei Verbändeder Bauindustrie die Initiative „Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen e.V.“,Kurzbezeichnung „PraxisRegelnBau“, mit dem Ziel, die Praxistauglichkeit derRegelwerke im Bauwesen in Deutschland und Europa zu verbessern. Hierzusollen Vereinfachungen, Vereinheitlichungen und geringerer Umfang derEuro codes und der zugehörigen nationalen Normen vorbereitet werden. Sosollen z. B.

− Lehrbuchwissen und Erläuterungen gestrichen oder in einen informativen„Kommentar-Anhang verlagert werden,

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− wissenschaftlich exakte, aber komplizierte Nachweisformate auf ein praxis-gerechtes Niveau vereinfacht werden,

− die vielen Einwirkungskombinationen zumindest für Standardfälle auf einMindestmaß reduziert werden,

− Rechenprozesse, die sich einer einfachen Handrechnung entziehen, durchgrafische oder tabellarische Auswertung leichter anwendbar gemacht wer-den.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die früher vorgeschriebeneÜberwachung der Bauausführung durch Bauaufsicht bzw. Prüfingenieure. Lei-der ist hier von Seiten der Politik ein entgegengesetzter Weg eingeschlagenworden. Aus allen bisherigen Erfahrungen mit Schadensfällen wird deutlich,dass sich das Sicherheitsniveau von geotechnischen Bauwerken in der Regelnur dadurch steigern lässt, dass bei der Bauausführung auf freiwilliger Basisseitens der Auftraggeber und der ausführenden Firmen mehr Wert auf dieQualitätssicherung gelegt wird. Deshalb sollte man in Zukunft die Anstren-gungen vor allem auf höhere Anforderungen an die Baugrunderkundung undeine strengere Aufsicht bei der Bauausführung konzentrieren statt auf Verfei-nerungen in den Standsicherheitsnachweisen.

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AutorenLBDir a.D. Dr.-Ing. Bernd SchuppenerPforzheimer Straße76344 [email protected]

Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Anton WeißenbachAm Gehölz 1422844 Norderstedt