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© www.lernjournalblog.wordpress.com 2013 1 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14 Soziale Ungleichheit Ein Überblick über ältere und neuere Ansätze Kapitel 1: Einleitung - Keine Fragen zu diesem Kapitel, aber eine schöne Übersicht, SB S. 8

Zusammenfassung: Soziale Ungleichheit

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für das Modul 2D an der FernUni Hagen, WS 13/14

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1 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

Soziale Ungleichheit Ein Überblick über ältere und neuere Ansätze

Kapitel 1: Einleitung

- Keine Fragen zu diesem Kapitel, aber eine schöne Übersicht, SB S. 8

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Nach Marx prägt „das Sein das Bewusstsein“, die ökonomische Lage wirkt sich ursächlich auf die Lebensverhältnisse der einzelnen und die gesellschaftlichen Verhältnisse aus. Unter anderem bedingt wirtschaftliche Macht politische Macht. Deshalb reicht es auch aus, Klassen nach dem Kriterium des Besitzes oder Nichtbesitzes von Produktionsmitteln einzuteilen. (...) Die Prinzipien des Klassenbegriffs nach der Klassentheorie von Marx, die für spätere Klassenmodelle einflussreich waren, sollen nun noch einmal zusammengefasst werden: • Sein Klassenbegriff hat eine ökonomische Basis. Der Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln ist entscheidend für die Klassenzugehörigkeit und damit für die soziale Lage in einem umfassenden Sinne sowie für Machtverhältnisse in der Gesellschaft. Soziale Ungleichheit lässt sich so mittels des Klassenbegriffs erklären. • Klassen stehen sich antagonistisch gegenüber: Aufgrund gegensätzlicher Interessen besteht ein Klassenkonflikt, wobei sich das Hauptaugenmerk auf zwei relevante Klassen richtet, die sich im Klassenkampf dichotom gegenüberstehen. Allgemein kommt der Betrachtung der Beziehungen zwischen den Klassen in der Klassentheorie damit große Bedeutung zu. • Unter bestimmten Bedingungen zeichnen sich die Mitglieder einer Klasse auch durch ein gemeinsames (Klassen-)Bewusstsein aus, das solidarisches Handeln ermöglicht. Klassen sind damit keinesfalls nur sozialstatistische Kategorien, sondern „Akteure im gesellschaftlichen Kräftespiel“ (Kreckel 1990: 55).

Kapitel 2: Die Entstehung der Klassen- und Schichtmodelle

(1) Karl Marx hat mit seiner Klassentheorie (1848) einen der Grundsteine der soziologischen Analyse sozialer Ungleichheit gelegt.

a.) Welche Klassen unterscheidet Marx und wodurch wird die Klassenlage bestimmt?

Marx teilt in seiner Klassentheorie die Gesellschaft in zwei antagonistische Klassen ein (zwei Klassen also, die sich dichotom gegenüberstehen): Die Bourgeoisie und das Proletariat.

Die Klassenlage wird wesentlich durch den Besitz von Produktionsmitteln bestimmt. Die Bourgeoisie als die herrschende Klasse ist im Besitz der Produktionsmittel und herrscht über die Nichtbesitzenden: die Arbeiter bzw. das Proletariat. Unterschied zwischen Besitz und Eigentum beachten! Für Marx liegt die Ursache sozialer Ungleichheit im Privateigentum an Produktions-mitteln.

Die besitzende Klasse (Bourgeoisie) verfügt über den Mehrwert, den die Arbeiter erarbeiten. Durch diese Ausbeutung wird Kapital angehäuft, was wiederum dazu führt, dass ökonomische Macht und daraus folgend auch gesellschaftliche Macht (Politik, Kultur, Recht und Religion = „der Überbau“) ausgebaut wird. Das Proletariat aber verfügt über keine Produktionsmittel und ist gezwungen seine Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Es erhält einen geringen Lohn, wird sozial und politisch unterdrückt. Durch die fehlende Selbstbestimmung werden die Arbeiter zunehmend zu entfremdeten Individuen. Diese genannten Unterschiedlichkeiten münden, laut Marx, unweigerlich in einem Klassenkampf, welcher aber auch einen Motor für Entwicklung darstellt und diese vorantreibt. Aus dem Studienbrief, S. 10ff.

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b.) Was versteht Marx unter ›Klasse für sich‹ und ›Klasse an sich‹?

Eine „Klasse an sich“ bilden Menschen, die sich einfach objektiv in derselben Klassenlage befinden.

Eine „Klasse für sich“ bilden die Menschen, die zusätzlich ein gemeinsames Klassenbewusstsein teilen und daraus folgend untereinander solidarisch handeln.

(2) Max Weber differenziert in seinem Werk ›Wirtschaft und Gesellschaft‹ (1922) zwischen sozialen Klassen und sozialen Ständen.

a.) Was versteht Weber unter sozialer Klasse und sozialem Stand und welche Unterarten sozialer Klassen differenziert er?

Zunächst unterteilt Weber die Klassen in Besitz-, Erwerbsklassen und sozialen Klassen. Weber siedelt diese (im Gegensatz zu sozialen Ständen!) in der Sphäre der Wirtschaft an. Weber durchbricht die Dichotomie von Marx, in dem er in den "objektiven" beiden Klassenlagen, also in der Besitzklasse und der Erwerbsklasse, jeweils selbst antagonistische Lagen ausmacht, z.B. Besitzklasse: Besitzer von Bergwerken vs. Verschuldeter, ehemals Besitzender; Erwerbsklasse: Händler und Unternehmer vs. einfacher Arbeiter. Soziale Klasse: Eine "subjektive" Klassenlage, in welcher der Wechsel zwischen den einzelnen sozialen Klassen persönlich und generationenbedingt leicht möglich und auch typischerweise stattfindet (soziale Mobilität). Max Weber unterscheidet 4 soziale Klassen: • die Arbeiterschaft

• das Kleinbürgertum

• die besitzlose Intelligenz und Fachgeschultheit

• die Klasse der Besitzenden und durch Bildung Privilegierten

Soziale Stände: laut Weber eher eine soziale Ordnung im engeren Sinne aus amorphen Gemeinschaften (d.h. die Mitglieder müssen sich untereinander nicht persönlich kennen), die sich in einer bestimmten Lebensführung (spätere Lebensstilansätze bauen darauf auf !) ausdrückt, und in der Begriffe wie Ehre und soziales Prestige bedeutsam sind. In einem sozialen Stand bevorzugt man den Umgang mit einem gleichgesinnten Personenkreis (Schließung und Abgrenzung dadurch gegenüber anderen Gruppen) und verfolgt ein spezifische Wertesystem. → Verknüpfungen zwischen Klasse und Stand sind insgesamt weder unmöglich noch zwangsläufig vorhanden. Offiziere, Beamte und Studenten können z.B. dem gleichen Stand angehören, ohne sich in der gleichen Klassenlage zu befinden. Beispiel: Studenten der „Hippie-Bewegung“ in den 60er/70er Jahren (= sozialer Stand) entsprangen sowohl aus wohlhabenden, wie auch weniger priveligierten Familien (=soziale Klasse)

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b.) Worin besteht der zentrale Unterschied des Klassenbegriffs von Weber gegenüber dem von Marx?

Differenzierte, mehrdimensionalere Einteilung der Gesellschaft in Klassen, Stände und Parteien;

nicht nur zwei dichotome wie bei Marx Die Betonung bei Weber liegt nicht allein auf ökonomischen Aspekten (Besitz oder Nicht-

Besitz), sondern auch auf Leistungsaspekten und Lebensführung Durchbrechung der Dichotomie, sowohl in der Besitzklasse, als auch in der Erwerbsklasse, in

dem er in den "objektiven" beiden Klassenlagen, also in der Besitzklasse und der Erwerbsklasse, jeweils selbst antagonistische Lagen ausmacht, z.B. Besitzklasse: Besitzer von Bergwerken vs. Verschuldeter, ehemals Besitzender; Erwerbsklasse: Händler und Unternehmer vs. einfacher Arbeiter.

Im Unterschied zu Marx führt die Zugehörigkeit zu einer Klasse (bzw. zu einer sozialen Klasse) im Zuge sozialen Wandels nicht notwendig zu einem Klassenbewusstsein oder gemeinsamen Handeln → die Entwicklung zu einer Klasse für sich ist nur eine potentielle, nicht sehr wahrscheinliche Möglichkeit, während Marx die Entstehung eines gemeinsamen Klassenbewusstseins, und damit die Entstehung einer Klasse für sich, für prozesshaft hält → Klassenlagen sind bei Weber aber vielfältiger und uneindeutiger → Bedingungen, die ein Klassenhandeln begünstigen sind: massenhaft ähnliche Klassenlage, räumliche Nähe, gemeinsame, einleuchtende Ziele, gemeinsames Handeln gegen unmittelbaren Interessengegner

Nicht der Klassencharakter stellt das entscheidende Merkmal des modernen Kapitalismus dar, sondern die wachsende Bedeutung der Zweckrationalität mit bürokratischen Organisationen als Rahmen

Für Marx stellt der Klassenkampf einen wichtigen gesellschaftlich-dynamischen Prozess dar; Weber möchte die Betonung mehr auf Prestige und ständische Lage legen und die Rolle der Ökonomie nicht überschätzen

Marx Weber

dichotome Einteilung der Gesellschaft

in die zwei Klassen Bourgeoisie und Proletariat

differenzierter und mehrdimensional:

Klassen, Stände, Parteien

-

Durchbrechung der Dichotomie: auch in der Besitzklasse gibt es, genau wie in der Erwerbsklasse,

Gewinner und Verlierer

Modell beruht v.a. auf ökonomische Aspekten (Besitz und Nicht-Besitz)

neben den ökonomischen Aspekten werden auch Leistungsaspekte und Lebensführung für wichtig erachtet

(Prestige und ständische Lage)

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(3) Das Schichtmodell von Theodor Geiger (1955) stellt eine erhebliche Reformulierung des Klassenmodells von Marx dar.

a.) Wodurch unterscheidet sich der Begriff der Schicht gegenüber dem Begriff der Klasse bei Marx?

Der Begriff Schicht fungiert bei Geiger als Oberbegriff, der die soziale Lage in einer Gesellschaft kennzeichnet und dabei nicht nur auf ökonomischen Kriterien beruht. Er beschreibt diese soziale Lage als: viele Personen (Familien), die ein erkennbares Merkmal gemeinsam haben und damit einen gewissen Status (mit diesem sind verbunden: Lebensstandard, Glücksvermögen, Privilegien, Rang, öffentliches Ansehen, Chancen und Risiken) Schichten differenzieren sich auf diese Weise, im Gegensatz zum Zwei-Klassen-Modell von Marx, recht unterschiedlich aus: Bei Marx gibt es "nur" zwei Klassen, die sich durch den ökonomischen Aspekt, von Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln unterscheiden ( Bourgeoisie und Proletariat).

b.) Was versteht Geiger unter dem Begriff des ›dominanten Schichtungsprinzips‹ und zu welchem Zweck führt Geiger diesen Begriff ein?

Zunächst löst laut Geiger das dominante Schichtungsprinzip historisch die Klassengesellschaft ab. Schichten können nach unterschiedlichen Merkmalen gebildet werden. In welcher Weise Schichtungen sinnvoll unterteilt werden können, unterscheidet sich nach der jeweiligen Betrachtungsperspektive (geschichtlich oder gesellschaftlich). Die hervorstechende bzw. am stärksten betonte Schichtung einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ist das dominante Schichtungsprinzip. Andere mögliche Schichtungsprinzipien sind subsidiär und damit untergeordnet. Geiger führt den Begriff dominantes Schichtungsprinzip ein, da verschiedene Schichtstrukturen gleichzeitig bestehen und sich gegenseitig durchkreuzen, überlagern und durchdringen, aber nicht alle Schichtmerkmale gleichermaßen wichtig sind. Allerdings ist es in den Augen seiner Kritiker (und auch in seinen) schwierig, das jeweils dominierende Schichtungsmerkmal einer Gesellschaft zu erkennen. Geiger: „Alles scheint heute im Gleiten zu sein, eine klar sich abzeichnende Struktur ist kaum zu finden, wohl aber lassen gewissen Tendenzen einer Schichtverlagerung sich aufzeigen.“

gemeinsame Klasse (Klasse an sich) führt prozesshaft zu

Klassenbewusstsein / gemeinsamen Handeln (Klassen für sich)

die Entstehung einer Klasse für sich ist nicht eindeutig und geschieht

vielfältig

Merkmal des Kapitalismus = Klassencharakter

Merkmal des Kapitalismus = Zweckrationalität!

Klassenkampf als wichtiger gesellschaftlich-dynamischer Prozess

-

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c.) Erläutern Sie die Begriffe objektive und subjektive Schicht.

Die objektive Schicht richtet sich nur nach äußeren Merkmalen der sozialen Lage, ein Beispiel dafür ist das Einkommen. Die Bezeichnung subjektive Schicht basiert auf einer gemeinsamen Geisteshaltung oder Denkweise der Zugehörenden. Geiger favorisiert eine Erfassung von beiden und einen anschließenden Vergleich, so dass sich gewisse Haltungen als typisch für spezifische gesellschaftlichen Lagen erkennen lassen. Damit wäre dann auch die spezifische Haltung einer Schicht lokalisiert. Noch einmal erklärt: Schicht ist bei Geiger die Verknüpfung der sozialen Lage mit einer spezifischen Mentalität. Bestimmte ähnliche Lebensverhältnisse (bestimmt durch ähnliche Ressourcen und ähnliche Restriktionen = soziale Lage) bringen spezifische Denk- und Verhaltensmuster bei sozialen Akteuren/Gruppen hervor, die Geiger als (Schicht)Mentalität bezeichnet, also als eine Art kollektive Disposition = subjektives Denk- und Verhaltensschemata innerhalb einer Gruppe, die über die gemeinsame Schichtzugehörigkeit definiert wird. (4) Die funktionalistische Schichtungstheorie (entwickelt von T. Parsons in den USA in den 1940ern; die deutsche Rezeption konzentriert sich auf einen Aufsatz von Davis & Moore (1945), der 1967 in deutscher Sprache erschien) analysiert soziale Ungleichheit vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Nutzens einer asymmetrischen Sozialstruktur.

a.) Welches sind die Determinanten beruflicher Positionen aus dieser Perspektive?

Der Rang einer beruflichen Position wird ermittelt durch:

1. die Bedeutung oder die Funktion der Position für die Gesellschaft Welcher Status?

2. die erforderliche Begabung und/oder Ausbildung, die zur angemessenen Ausübung der Position notwendig ist steht in Bezug zur relativen Knappheit des Personals (Davis & Moore, 1945) Welche Leistung ist also notwendig?

b.) Welche Funktion erfüllt die Schichtung der Gesellschaft aus Sicht der funktionalistischen Schichtungstheorie?

Durch die Allokation ( = die Zuordnung von beschränkten Ressourcen zu potentiellen Verwendern) der Gesellschaftsmitglieder auf unterschiedliche Positionen, aufgrund des Leistungsprinzip und des Status, entsteht eine „natürliche“ Rangordnung innerhalb der Gesellschaft. Diese soziale Schichtung trägt zum Funktionieren der Gesellschaft bei und ermöglicht eine stabile soziale Ordnung. Die Schichtung jeder Gesellschaft stellt eine funktionale Notwendigkeit dar. (Davis & Moore, 1945)

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Kapitel 3: Klassen und Schichten in der Diskussion

(1) Beschreiben Sie stichwortartig die Faktoren, die Helmut Schelsky („Auf der Suche nach Wirklichkeit“, 1965) veranlassen, die Gesellschaftsstruktur Deutschlands der 60er Jahre als eine ›Nivellierte Mittelstandsgesellschaft‹ zu bezeichnen.

(„nivelliert“: einebnen, gleichmachen, Unterschiede ausgleichen)

Die Antwort zu Schelsky sieht fünf Punkte als Antwort vor:

1. Umfangreiche Auf- und Abstiegsprozesse - sowohl bei Industriearbeitern und Verwaltungsangestellten (Aufstiege) als auch im Besitz- und Bildungsbürgertum (Abstiege), die einen Abbau der Klassengegensätze nach sich gezogen haben

2. Vereinheitlichung der sozialen und kulturellen Verhaltensnormen

3. Soziale Mobilität ist keine Umschichtung sondern Entschichtung

4. Das Bewusstsein der Menschen aber hält an Prestigeschichtung/Rangfolge fest, um dieser Diffusion (=Durchmischung), also der gesellschaftlichen Um- und Entschichtung, Herr zu werden

5. In der nivellierten Gesellschaft sind den Aufstiegsbedürfnissen definitionsgemäß enge Grenzen gesetzt, weil die "soziale Leiter" kürzer ist. Da es nach Schelsky nur noch eine breite Mittelschicht gibt, kann es defintionsgemäß kein große Mobilität mehr nach oben oder unten geben.

(2) Worauf geht nach Dahrendorf (1960er: Ausbau der Konflikt-Perspektive – Dahrendorf ist ein Konflikttheoretiker - und Haus-Modell der Schichtung ) soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft ursprünglich zurück?

Zusammenhang von Norm – Sanktion - Herrschaft

Dahrendorf geht davon aus, dass die Ursache sozialer Ungleichheit nicht auf Privateigentum (Rousseau, Marx) zurückzuführen ist und nicht durch ihre Funktionalität (Davis & Moore) erklärt werden kann. Vielmehr folgert er Ungleichheit aus dem (ungleichen) Dreigespann Norm-Sanktion-Herrschaft. Gesellschaft heißt, dass es Normen gibt, die das Verhalten der Menschen regeln. Diese Regelung wird durch den Anreiz und Drohung von Sanktionen garantiert. Weil es Normen gibt und Sanktionen nötig sind, um ihre Einhaltung zu erzwingen, muss es Ungleichheit des Ranges unter den Menschen geben. Die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, ist der abstrakte Kern aller Herrschaft. Herrschaft und Herrschaftsstrukturen gehen [somit] logisch... den Strukturen sozialer Schichtung voraus.

Dazu zur Konkretisierung folgendes:

In allen menschlichen Gesellschaften existieren Normen, die mit Sanktionen versehen sind. Die Ungleichheit ergibt sich aus der Notwendigkeit der Sanktionierung von normgemäßem und nicht-normgemäßem Verhalten, wobei die soziale Position der Menschen und die Bewertungsmaßstäbe, bzw. wer diese festsetzt, eine wichtige Rolle spielen. Die Normen für die gesellschaftliche Wertung werden von der Oberschicht auf einem hohen Niveau festgelegt, denen untere

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Schichten in der Regel nicht gerecht werden können, z.B. eine anspruchsvolle, hoch qualifizierte berufliche Tätigkeit, die eine umfangreiche Schulbildung voraussetzt. Die Fähigkeit, sich normenkonform bzw. den Bewertungsmaßstäben gerecht zu verhalten und belohnt zu werden, hängt daher von der sozialen Position ab. Diese Normen bedeuten auch immer eine Diskriminierung derer, die sie nicht erfüllen können (soziale Ungleichheit), d. h. Normen legen auch die Struktur sozialer Positionen fest, d.h. die Herrschaftsstruktur wird prinzipiell von der Schichtung abgebildet. Abstrakter Kern der Herrschaft ist die Fähigkeit und Möglichkeit Sanktionen zu verhängen. (--> Siehe auch Herrschaft bzw. Macht bei Max Weber) Nach einer Modifizierung der marxschen Zwei-Klassen-Theorie mit nur einem wichtigen Herrschaftsverband, gibt es nach Dahrendorfs Auffassung vielfältige Herrschaftsverbände, die soziale Ungleichheit und soziale Konflikte hervorrufen, welche wiederum einen sozialen Wandel bewirken können. Bei diesen Konflikten handelt es sich um Verteidigung oder Vergrößerung der Lebenschancen, welche sowohl aus Angeboten und Anrechten, als auch aus kulturellen Bindungen bestehen.

Hier ein Zitat: " Nicht das Eigentum an Produktionsmitteln ist der allgemeine Grund der Konflikte, sondern die Herrschaft, die immer die an ihr teilhabende Minderheit mit der ausgeschlossenen Mehrheit konfrontiert. Nach Dahrendorf ist die Gesellschaft nicht durch Konsens zusammengehalten, sondern basiert auf Zwang. Insofern ist seine Konflikttheorie auch eine Theorie der ungleichen Verteilung von Macht und eines Antagonismus zwischen Gesellschaft und Individuum. Ungleichgewichtig sind aber auch die Weltanschauungen und die kulturellen Werte in einer Gesellschaft. Das Prinzip des Sozialen ist deshalb der Konflikt, nicht das zeitlos Gültige. (Dahrendorf empfand die Gesellschaft als „ärgerliche Tatsache“) Dahrendorf hält Konflikt für den Motor einer notwendigen Entwicklung von Gesellschaft. Konflikt ist demnach unvermeidlich und ist nur durch Konfliktregelung beizukommen. Ralf Dahrendorf geht von sozialen Positionen aus, die in einer Gesellschaft existieren und zu jeder sozialen Position gehört eine soziale Rolle; dieses Begriffspaar bezeichnet den Homo Sociologicus, den Menschen der Soziologie als Rollenträger."

(aus: http://de.wikibooks.org/wiki/Soziologische_Klassiker/_Das_soziologische_Dorf/_Konflikttheorie)

(3) Was versteht man unter Status und was bedeutet ›Statusinkonsistenz‹?

"Status" bezeichnet eine Position in der Schichtungshierarchie. Diese Position kann eine Person, je nach Gesellschaft, aufgrund unterschiedlicher Merkmale haben, z.B. aufgrund von Bildung, Beruf oder Einkommen, aber auch auf Grund von Geburt in einem bestimmten Familienverbund oder Ähnlichem.

Von Statusinkonsistenz spricht man, wenn mehrere entscheidende Merkmale, die zur Zuordnung zu einer Statusposition führen sollten, bei einer Person "nicht zusammenpassen" und somit gleichzeitig unterschiedliche gesellschaftliche Positionen vertreten werden, z.B. wenn eine Person zwar eine hohe Bildung, aber nur ein niedriges Einkommen hat.

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(4) Was wird unter dem Begriff des Prestiges in der Soziologie verstanden? Inwiefern hängt Prestige mit sozialer Schichtung zusammen?

Zunächst einmal betonen Prestigemodelle, dass Schichtstrukturen durch das soziale Ansehen, durch die Wertschätzung von Positionen erkennbar seien. Insbesondere die Wertschätzung des Berufes, Bildung und Einkommen spielen dabei eine zentrale Rolle.

"Prestige" bezeichnet die Wertschätzung, die eine Person oder eine Gruppe bzw. die Inhaber eines sozialen Status genießen- also das soziale Ansehen. Es handelt sich dabei um eine objektive Ressource, die allerdings das Ergebnis einer subjektiven Wertung darstellt.

Modelle, die davon ausgehen, dass Prestige das zentrale Kriterium der gesellschaftlichen Schichtung darstellt, gehen davon aus, dass es in der Gesellschaft einen relativen Konsens gibt bezüglich der Werte und der Einstufung in der Schichtungshierarchie, wie sich also bestimmte Personengruppen auf der "sozialen Leiter" zuordnen lassen- welchem Status diese Personengruppen je angehören und mit welchem Prestige dieser Status jeweils verknüpft ist.

Aus dem Studienbrief, S. 40 ff: Prestige ist damit dem Status recht nahe, der die Stellung eines Positionsinhabers ausdrückt. Der Status z.B. einer Berufsposition wie der des Polizisten kann beispielsweise auf Prestige (also auf der Wertschätzung) beruhen, aber z.B. auch auf der Qualifikation oder dem Einkommen. Das Prestige ist das soziale Ansehen, das man nicht verwechseln darf mit einem Ansehen aufgrund persönlicher Merkmale. Das Prestige des Polizisten ist also unabhängig davon, ob ein einzelner, mir bekannter Polizist besonders fleißig, fähig usw. ist oder nicht. Ein weiteres begriffliches Problem ist die Einordnung von „Prestige“ als objektives oder subjektives Ungleichheitsmerkmal. Einerseits kann man Prestige als objektive Ressource ansehen, die ebenso wie z.B. das Einkommen in der Gesellschaft ungleich verteilt ist. Andererseits ist Prestige immer das Ergebnis einer subjektiven Wertung, ist nicht nach einem festen Maßstab zählbar wie z.B. das monatliche Einkommen in Euro. Für Wegener (1988) sind beide Aspekte des Begriffs „Prestige“ untrennbar verknüpft: „Sein Spezifikum ist, dass es sowohl subjektive Meinungsbildung als auch Abbild einer sozialen Strukturkomponente ist“.

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Kapitel 4: Modifizierte Klassen – und Schichtmodelle

Einleitung: Neuere Schicht- und Klassenmodelle reagieren in erster Linie auf komplexer werdende Strukturen sozialer Ungleichheit, welche sich über die einfachen Modelle, wie das dichotome Klassenmodell von Marx, nicht mehr einfangen lassen. Andererseits betonen sie die Persistenz (= Dauerhaftigkeit eines Zustands, Beständigkeit) ›traditioneller‹ Ungleichheits-verhältnisse auch für die Sozialstruktur der Gegenwart.

(1) Rainer Geißler beruft sich bei der Konstruktion seines Schichtmodells (1996, 2002) in erster Linie auf Dahrendorf.

a.) Wodurch zeichnet sich das Schichtmodell Geißlers aus?

Geißler nimmt in seiner Modifizierung sowohl Bezug zu Theodor Geiger (vgl. Kap. 2.3) als auch zu Ralf Dahrendorf (vgl. Kap. 3.2), dessen Haus-Modell er modernisieren möchte und weiter ausdifferenziert. Geißler betont die Rolle des Berufes bei der Schichteinteilung, welcher unweigerlich mit anderen Faktoren gekoppelt ist : Arbeitsteilung, Qualifikation, Einkommen, Prestige, Einfluss - aber auch Mentalität, Ethnie und Lebenschancen. Von Theodor Geiger übernimmt er die mehrdimensionale Sichtweise des Schicht-Begriffs (auch als Oberbegriff seines Modells) , als auch dessen Offenheit für neue Formen sozialer Ungleichheit, das Bewusstsein für die Möglichkeit der Überlappung von Schichten und dass sich in den Schichten spezifische Mentalitäten, Subkulturen und Lebenschancen ausprägen können. Geißler betont die Herausbildung einer dynamischen und pluralen Schichtstruktur in der Gesellschaft und lehnt die Position ab, dass Klassen und Schichten im Modernisierungsprozess langsam in Auflösung begriffen sind. In 5 Thesen stellt er Kennzeichen einer modernen Klassen- und Schichtstruktur vor:

Die vertikale Struktur ist eine Dimension im multidimensionalen Gefüge

Die Dominanz dieser vertikalen Struktur (so beeinflussen z.B. Beruf und Bildung in hohem Maße die Lebenschancen)

Die Schichten haben keine eindeutigen Grenzen, aber bestimmte Berufs-Bildungs-Kombinationen sind oftmals (nicht notwendig) mit Lebenschancen, Ressourcen und Mentalitäten verbunden

Die moderne Schichtstruktur ist eher latent und einer Alltagsbeobachtung oft entzogen, in der "Tiefenstruktur" einer Gesellschaft lebt sie jedoch fort

Eine Schichtzugehörigkeit beeinflusst bestimmte Handlungsweisen (Mentalitäten) stärker, andere weniger stark

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b.) Welches sind die zentralen Unterschiede zwischen dem Modell von Geißler und dem von Dahrendorf?

v.a. mehr Differenzierungen im Bereich des Arbeiter- und Mittelstandes bei Geißler ( vom "einfachen Wohnhaus" zur "Residenz")

Decken und Wände sind bei Geißler noch durchlässiger geworden, d.h. ein Wechsel zwischen den "Räumen" ist prinzipiell noch mehr möglich als in den 60er Jahren

Die höhere Dienstleistungsgesellschaft hat an Bedeutung gewonnen; überhaupt der Dienstleistungssektor

Tendenz zur "Mittelschichtengesellschaft"; die "Arbeiterschicht" nimmt nicht mehr den größten Raum ein

Berücksichtigung auch von ausländischen Arbeitern ( Faktor: Ethnie) bei Geißler

c.) Durch welche Modifikationen des Modells reagiert Geißler auf den sozialen Wandel, d.h. Formen der sozialen ›Entstrukturierung‹?

Geißler bevorzugt eine multidimensionale Sichtweise, die offen für neue Formen sozialer Ungleichheit ist, ebenso räumt er die Möglichkeit der Überlappung von Schichten ein und betont, dass Schichten nicht durch klare Grenzen getrennt sind. Er macht eine höhere Dienstleistungs-schicht aus, welche er bewusst von Facharbeitern abgrenzt. Zudem reduziert er in seinem Modell die Machtelite, was einer Angleichung der nahen Schichten entspricht. Geißler spricht selbst von einer "latenten" Schichtstruktur mit differenzierten Mentalitätsausprägungen bzw. horizontalen Ungleichheiten (z.B. Nationalität, Region). Trotzdem dürfe man bei aller Modernisierung die Bedeutung der vertikalen Dimension nicht vernachlässigen.

(2) Erik O. Wright (1985) legt eine verbesserte und erweiterte Version des Marxschen Klassenmodells vor.

a.) Welche Dimensionen sozialer Ungleichheit unterscheidet Wright?

Wright unterscheidet in seinem Klassenmodell aus den 80er Jahren folgende Dimensionen sozialer Ungleichheit: Ausbeutung mittels der drei Ressourcen Produktionsmittelbesitz, Organisationsmacht und Qualifikation.

b.) Welches sind die Besonderheiten der ›Mittelschichten‹ in dem Modell von Wright?

Wright teilt die Gesellschaft in „Ausbeuter“, „weder Ausbeuter noch Ausgebeutete“ und „Ausgebeutete“. Ausbeuter verfügen über die oben genannten Ressourcen, Ausgebeutete nicht. Dazwischen existieren Mittelklassen (bzw. Mittelschichten), die entweder eine geringe Menge dieser Ressourcen besitzen (in seinem älteren Modell aus den 70ern) oder von einer Dimension der Mittel viel und von einer anderen gar nichts (neue, differenziertere Mittelklasse im 80er-Modell ). Zentral

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ist auch in diesem Klassenmodell die Asymmetrie zwischen Arbeit und Kapital, dabei haben die Mittelschichten nach Wright durchaus Einfluss auf den weiterhin schwelenden Klassenkonflikt.

Kapitel 5: Lebensstile und Milieus

(1) Welche soziologische Bedeutung kommt dem Begriff der ›Lebensführung‹ bei Max Weber zu? In welchem Verhältnis steht die Lebensführung zum Konzept des ›sozialen Standes‹?

Die Lebensführung geschieht innerhalb einer "sozialen Ordnung", die dem sozialen Stand in der Regel entspricht.

(2) Wie lassen sich Lebensstile definieren? Und inwiefern unterscheiden sie sich von einfachen Vorlieben oder Konsumpräferenzen?

Aus dem Wörterbuch der Soziologie (Hillmann 1994): "Ausdrucksformen der alltäglichen Daseins-gestaltung in ganzheitlich umfassender Weise" Hradil (1992): Der Lebensstilbegriff konzentriert sich auf die Prinzipien, Ziele und Routinen, nach denen die einzelnen ihr Leben relativ beständig ausrichten.

Durch die Beständigkeit von Verhaltensformen unterscheidet sich ein Lebensstil von einfachen Vorlieben und Konsumpräferenzen.

Der Lebensstil bestimmt unser Verhalten. Ständige Grundsatzentscheidungen über Verhaltensweisen sind nicht notwendig.

Der Lebenstil kann Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen und Abgrenzung von anderen

Gruppen demontstativ zum Ausdruck bringen.

Aus dem Studienbrief, S. 77 Erste soziologische Zugänge (zur Thematik der Lebensstile, Anm. von mir) gibt es bereits bei den Klassikern der Soziologie, etwa bei Max Weber, Georg Simmel oder Thorstein Veblen. M. Weber benutzt den Begriff der Lebensführung (englisch dann als „style of life“ übersetzt) als charakteristisches Merkmal eines Standes. Im Gegensatz zur ökonomisch geprägten Klasse basiert der Stand bei Weber auf dem sozialen Prestige, auf Ehre (vgl. Kap. 2.2). Ein Stand hat eine spezifische Lebensführung, z.B. typische Formen des Konsums, bestimmte Werte usw. So ist etwa das Prinzip, Zeit und Geld nicht müßig zu vergeuden und sich keinem unbefangenen Kunst und Lebensgenuss hinzugeben, ein charakteristisches Lebensstil-Merkmal der asketisch-protestantischen Ethik (Weber, 1922). Die gemeinsame Lebensführung von Mitgliedern eines Standes ist damit gerade keine allein “moderne“ Erscheinung, sondern hat zumindest feudalistische Ursprünge. Ein wichtiges Merkmal auch neuerer Lebensstilansätze ist bereits bei Weber enthalten: Durch die Lebensführung versichert man sich der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, deren Anspruch auf soziale Anerkennung man so auch nach außen demonstriert.

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Der Lebensstil beinhaltet ein Gefühl für die persönliche Identität

(3) In welchem Verhältnis steht im Modell von W. Georg (1998) das Konzept der Lebensstile zu objektiven Lagemerkmalen wie Einkommen oder Bildung?

Georg definiert Lebenstile als "relativ stabile, ganzheitliche und routinisierte Muster der Organisation von expressiv-ästhetischen Wahlprozessen" (1998). Georg versteht Lebensstile als Ergänzung der Sozialstrukturanalyse durch Klassen- und Schichtenmodelle. Während er die Thematik ungleicher Ressourcen weiterhin der Klassen- und Schichtungsforschung zuordnet,

beschäftigt sich die Lebensstilanalyse mit den symbolischen Ausdrucksformen der sozialen Ungleichheit und ihren Auswirkungen (soziale Schließung bzw. Sozialintegration).

Aus dem Studienbrief, S. 81 Lebensstile sind in ihrer Bestimmung weniger einseitig auf „objektive“ Merkmale (z.B. ein bestimmtes Einkommen) festgelegt, sondern setzen einen Schwerpunkt bei kulturellen und symbolischen Faktoren, auf das Verhalten einer Person, also etwa, was jemand in seiner Freizeit mit wem tut. Die Erweiterung besteht also in der im weiteren Sinne kulturellen Komponente und auch darin, dass man nicht unhinterfragt von bestimmten objektiven Merkmalen auf das Verhalten und die Einstellungen einer Person schließt, sondern fragt, wie jemand mit bestimmten Ressourcen und Restriktionen umgeht. Beispielsweise ist eine Zuordnung durch den Besitz von Statussymbolen nicht mehr so einfach möglich, sie zeigen viel weniger eindeutig als noch vor einigen Jahrzehnten die soziale Stellung einer Person an. Die gestiegenen Wahlfreiheiten finden also systematisch Berücksichtigung (allerdings in unterschiedlichem Ausmaß, wie die Debatte um Strukturierungs- vs. Entstrukturierungs-ansätze zeigt). So beachten Lebensstilansätze die subjektive Seite stärker. Gleichzeitig nehmen sie eine ganzheitlichere Sicht ein als es etwa der Fall in Ansätzen war, die sich vorrangig auf Merkmale Berufstätiger konzentrierten. Dadurch beanspruchen Lebensstilkonzepte, ein lebensnahes Modell zu entwerfen, das die Makroebene der Struktur mit der Mikroebene der Handlungen verknüpft. Wenn es darum geht, verschiedene Lebensstile zu einem Modell des Ungleichheitsgefüges zusammen- zufassen, ist dieses dem Anspruch nach differenzierter als Klassen- und Schichtmodelle, weil es vielfältige Einflussfaktoren berücksichtigt, die dazu führen, dass Lebensstile nicht nur vertikal strukturiert sind, sondern auch nebeneinander liegen können. Beispielsweise könnten Menschen mit der gleichen Qualifikation (einem vertikalen Merkmal), aber unterschiedlichem Alter (einem „horizontalen“ Ungleichheitsmerkmal) unterschiedliche Lebensstile haben, die jedoch nicht mit unterschiedlich großen Lebenschancen verbunden sind. Zudem müssen sich Lebensstilgruppen nicht feindlich gegenüberstehen, Relationen zwischen ihnen können jedoch zum Thema werden, indem man die distinktive (= abgrenzende, unterscheidende) Funktion der Lebensstile hervorhebt.

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14 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

Im Vordergrund der Bestimmung der Lebensstile stehen „expressiv-ästhetische“ Aspekte und somit die Betonung von Geschmack und Verhalten als Dimensionen für einen Lebensstil. Hierzu gehören beispielsweise die Freizeitaktivitäten, der Musikgeschmack, die Wohnungseinrichtung, Kleidung, Lesegewohnheiten, Mitgliedschaften, Kulturkonsum,..: Bei Georg macht also die „wahrnehmbare, klassifizierbare und prestigeträchtige Stilisierungspraxis“ im Alltag einen Lebensstil aus, mit der die Menschen auch eine „gewisse repräsentative Außenwirkung“ erzielen möchten.

Die soziale Lage, die sowohl vertikale als auch horizontale Ungleichheitsmerkmale umfasst, sowie die mentale Ebene, also gemeinsame Wertorientierungen, Einstellungen und Lebensziele, sind in Georgs Modell Einflussfaktoren für die Herausbildung von Lebensstilen.

Empirische Untersuchung zu Lebensstilen haben aufgezeigt, dass der Lebensstil viel stärker von sozialen Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Bildungsniveau geprägt wird als von Einkommen oder beruflichem Status. Damit ist der Zusammenhang von sozialer Lage und mentaler Ebene einerseits und Lebensstilen andererseits nicht automatisch gegeben und sollte empirisch genauer untersucht werden.

Ein Grundmuster des Lebensstils wird nach Georgs Verständnis bei einem Menschen schon relativ früh angelegt.

Auch sehr gut erläutert in Moodle WS 12/13: Georg definiert Lebenstile als "relativ stabile, ganzheitliche und routinisierte Muster der Organisation von expressiv-ästhetischen Wahlprozessen" (1998). Sie stellen eine Ausdrucksform der ungleichen Verteilung von Ressourcen dar. Expressiv-ästhetische Aspekte als Betonung von Geschmack und Verhalten bestimmen die Dimensionen des Lebensstils. Sie sind im Alltag wahrnehmbar, klassi-fizierbar, prestigeträchtig und erzielen eine gewisse repräsentative Außenwirkung. Die Dimensionen des Lebensstils sind bestimmt durch die soziale Lage und die mentale Ebene.

Die soziale Lage umfasst vertikale Handlungsressourcen (z.B. Einkommen, Bildung, soz. Netzwerke) als auch horizontal differenzierte Lebensbedingungen wie Alter, Kohorten-zugehörigkeit oder Region.

Die mentale Ebene schließt gemeinsame Wertorientierungen, Einstellungen und Lebensziele ein. Sie hat eine identitätsstiftende bzw. distinktive Funktion.

Zusammenhänge zwischen der sozialen Lage, mentaler Ebene und Lebensstil müssen empirisch überprüft werden. Georg sieht in seinen eigenen Überprüfungen insbesondere Alter, Familienstand, Bildungsniveau und Geschlecht (soziale Lage) sowie Werteorientierung (mentale Ebene) als bestimmend für den Lebensstil an. Somit nehmen in Georgs Analysen (1996) Einkommen und Berufsstatus nicht mehr die zentrale Rolle ein, die sie in Schichtungsmodellen haben.

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15 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

(4) Gerhard Schulze unterscheidet drei alltagsästhetische Schemata.

a) Benennen und beschreiben Sie die einzelnen Schemata

Hochkulturschema, als „schöngeistig“ auch mit Hang zur Selbstironie beschrieben Genuss: Kontemplation (= laut Duden: konzentriert-beschauliches Nachdenken

und geistiges Sichversenken in etwas)

Distinktion: anti-barbarisches Verhalten

Lebensphilosophie: Perfektion (Form geht vor den Inhalt) Laute Heiterkeitsausbrüche sind verpönt (Zurücknahme des Körpers), biertrinkende Bild-Zeitungsleser und Viel-Fernseher gehören zum kulturelles Feinbild, die Hinwendung zu klassischer Musik und Belletristik ist typisch, deren Form (Perfektion) vor dem Inhalt begeistert- das „Ich“ misst sich an Ansprüchen.

Das Trivialschema ist auf den 3 Bedeutungsebenen gekennzeichnet durch

Genuss: Gemütlichkeit

Distinktion: anti-exzentrisches Verhalten

Lebensphilosophie: Harmonie Erlebnisse sollen nicht anstrengen, man ist eher auf der Suche nach Gewohnten, nach Ordnung.

Im historisch jungen Spannungsschema ist man zumeist

auf der Suche nach Action (Genuss)

anti-konventionell und (Distinktion)

narzisstisch orientiert (Lebensphilosophie)

Aus dem Studienbrief, S. 97: Das erlebnisorientierte Handeln formt sich nun nach Schulze im persönlichen Stil zu einem stabilen, situationsübergreifenden Muster. Der persönliche Stil ist ein deutliches Zeichen bei der Konstitution sozialer Milieus, was zeigt, dass Lebensstil- und Milieukonzepte eng miteinander verbunden sein können, in diesem Fall sogar innerhalb eines Ansatzes. Nach Schulzes Terminologie lassen sich Stiltypen durch alltagsästhetische Schemata zum Ausdruck bringen. Diese sind zum einen durch bestimmte Zeichen charakterisiert (wie gehabt: z.B. Kleidung, Möbel, besuchte Veranstaltungen, bevorzugte Fernsehsendungen), zum anderen durch bestimmte Bedeutungsebenen, die Schulze durch Genuss, Distinktion (= bewusste Abgrenzung zu etwas/jmd. ) und Lebensphilosophie näher bestimmt. Es gibt nach Schulze drei hauptsächliche alltagsästhetische Schemata, und zwar das Hochkultur-, das Trivial- und das Spannungsschema.

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Immer wieder muss Neues her, der Körper wird herausgefordert und expressiv eingesetzt, das Leben gestaltet sich nach dem Konzept der Selbstverwirklichung bzw. der subjektiv erfolgreichen Unterhaltung

b) Erläutern Sie, auf welche Weise Schulze diese Schemata einsetzt, um soziale Milieus zu bestimmen

aus dem Studienbrief, S. 98ff.: „Es gibt nun keine einseitige Zuordnung zu nur einem Schema, die Affinität zu einem Schema allein macht noch kein Milieu aus, sondern die Position eines Individuums bestimmt sich durch Nähe bzw. Distanz zu allen Schemata. Fünf typische Kombinationen (eine gleichzeitige Nähe von Trivial- und Spannungsschema ist eher untypisch) bilden schließlich die sozialen Milieus.

Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu

Die spezifischen Nähe-Distanz-Kombinationen zu den alltagsästhetischen Schemata beschreiben also die Milieus.“

c) In welchem Zusammenhang stehen die von Schulze diagnostizierten Milieus mit objektiven sozialstrukturellen Variablen?

Zunächst hält der Milieu-Ansatz Schulzes an sozialstrukturellen Merkmalen fest, jedoch sind die Zusammenhänge zwischen den Strukturen und den Verhaltensformen von Menschen komplexer geworden.

Hier wird die Zugehörigkeit zu einem Milieu durch die Dimensionen Alter und Bildung (= objektive sozialstrukturelle Variablen) festgelegt.

Diese objektiven soziokulturellen Variablen Alter und Bildung, unterteilt Schulze so:

(1) Alter: unter 40/über 40 Jahre

(2) Bildung:

für die Milieus "Selbstverwirklichung" und "Unterhaltung" zweigeteilt (hoch/niedrig) für die Milieus "Niveau", "Integration", "Harmonie" dreigeteilt (hoch, mittel, niedrig)

Schulze: „Eindeutig überlagert eine moderne, fast ausschließlich erlebnisorientierte Altersschichtung die traditionelle Bildungs- und Berufsschichtung, deren soziale Interpretation als hierarchische Ungleichheit dadurch immer mehr verdrängt wird … Der Vertikalisierungseffekt der Bildung wird durch den Horizontalisierungseffekt des Lebensalters konterkariert.“

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Daraus folgt die Zuteilung der Milieus zu den soziokulturellen Variablen:

Unterhaltungsmilieu: jünger, niedrige Bildung Selbstverwirklichungsmilieu: jünger, höhere Bildung Harmoniemilieu: älter, niedrige Bildung Integrationsmilieu: älter, mittlere Bildung Niveaumilieu: älter, höhere Bildung

Schulze spricht von "gespaltener Vertikalität": eine durch das Bildungsniveau hierarchische Struktur wird gebrochen durch die Altersdimension.

Kapitel 6: Der soziale Raum bei Pierre Bourdieu

(1) Bourdieu erweitert den Kapitalbegriff von Marx, indem er neben das ökonomische Kapital die Konzepte des sozialen und kulturellen Kapitals setzt.

a.) Wodurch zeichnen sich bei Bourdieu die einzelnen Kapitalsorten aus?

Bourdieu erweitert den zu seiner Zeit herrschenden Kapitalbegriff und berücksichtigt neben dem rein ökonomischen, auch ein soziales und kulturelles Kapital. In seinem "Modell des sozialen Raumes" stellt die erste Ebene den Raum objektiver sozialer Positionen von Individuen dar. Je nachdem über welche Kapitalmittel sie verfügen (können), wird die Position der Individuen im sozialen Raum bestimmt. Die einzelnen Kapitalarten sind nicht direkt in andere Kapitalarten verwandelbar, aber sie stehen in einem engen Zusammenhang zueinander. • Das ökonomische Kapital meint Eigentum, Vermögen etc. – "es ist relativ direkt in Geld konvertierbar" (S. 110). • Das soziale Kapital ist erheblich von der familiären Herkunft abhängig und meint persönliche Netzwerke, in die jemand eingebunden ist (auch beruflich, freundschaftlich). In Zusammenhang mit den anderen Kapitalsorten kann das soziale Kapital Vor- oder Nachteile bringen. Es bedarf zudem einer dauerhaften Beziehungsarbeit. • Das kulturelle Kapital meint kulturelle Güter und Eigenschaften und wird noch einmal in drei verschiedene Formen aufgeteilt. Nach außen werden diese 3 Kapitalsorten (objektiv soziale Positionen) durch das symbolische Kapital gestellt, was einer anderen, subjektiven Ebene entspricht und das Prestige und Renommee eines Individuums im sozialen Raum meint. Es erhöht sozusagen die Verwertbarkeit der anderen Kapitalsorten.

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b.) Welche Varianten des Kulturkapitals unterscheidet Bourdieu und was ist jeweils darunter zu verstehen?

Das Kulturkapital unterteilt er in inkorporiertes, objektiviertes und institutionalisiertes Kulturkapital.

inkorporiertes Kapital (Wissen, Erziehung, Bildung) zeichnet sich dadurch aus, dass man es nicht kurzfristig kaufen oder verschenken kann, da der Erwerb Zeit kostet. Wie eine Person sich das Kapital zu Beginn angeeignet hat, ist prägend für ihr gesamtes Leben.

objektiviertes Kulturkapital (Besitz von Kulturgütern) muss strategisch eingesetzt oder angeeignet werden, um das Kapital zu erhöhen.

institutionalisiertes Kapital (z.B. schulische Titel) sichert dem Besitzer einen rechtlich garantierten und relativ dauerhaften Wert, welcher in ökonomisches Kapital übertragen werden kann. Die Übertragbarkeit kann sich mit der Zeit ändern.

(2) Was meint Bourdieu wenn er das Modell eines ›sozialen Raums‹ entwirft? Durch welche zwei Dimensionen ist er gekennzeichnet?

Das ganze Modell ist der "Soziale Raum" (Abb. 6.2 weiter unten, aus dem Studienbrief, S. 116)

Die erste Ebene bildet der "Raum der sozialen Positionen" (= objektive Komponente des Modells Strukturebene). Hier verortet Bourdieu aufgrund seiner empirischen Unter-suchungen Individuen und Gruppen (z.B. Berufsgruppen) nach ihrer Kapitalausstattung entlang der Dimensionen Kapitalvolumen, Kapitalstruktur und soziale Laufbahn (Abb. 6.1). Hieraus konstruiert er theoretische Klassen. Eine Klasse ist also eine Art Cluster von Individuen mit ähnlicher Position in diesem Raum der sozialen Positionen.

Die zweite Ebene bildet der "Raum der Lebensstile" (= subjektive Komponente im Modell Praxisebene). Der Raum der Lebensstile ist die repräsentierte soziale Welt. Hier offenbaren sich Wertvorstellungen, ästhetische Vorlieben und Geschmäcker, Präferenzen in Konsum und Lebensführung.

Verknüpft sind die beiden Ebenen bzw. Dimensionen durch den "Habitus". Er bildet das Dispositionssystem und gleichzeitig ein System der Grenzen für die Akteure im sozialen Raum. Verknüpfung kann hier heißen: Er generiert klassifizierbare Praxisformen auf der einen Seite und erlaubt auf der anderen Seite die Einordnung und Bewertung solcher Formen.

(3) Was versteht Bourdieu unter dem Begriff des Habitus und in welcher Weise verbindet der Habitus soziale Positionen und Lebensstile?

Der Habitus meint eine sich daraus ergebende Grundhaltung gegenüber der Welt, die sich durch kollektive Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata ausdrückt: z.B. Geschmack, Selbstsicherheit... Die soziale Position eines Menschen in der gesellschaftlichen Struktur (Zugehörigkeit bzw. Aufwachsen in herrschender Klasse, Mittelklasse oder Volksklasse) beeinflusst in starkem Maße

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(jedoch ohne vollkommene Determination) seinen Habitus, der sich in seinem Lebensstil anhand bestimmter Praxisformen äußert (Geschmack, Sprache, Auftreten = Äußerungsformen des Habitus).

der Habitus also als allgemeine Grundhaltung, gegenüber der Welt = kollektive Wahrnehmungen, Denk-, und Handlungsschemata der Habitus als ein Raum der Lebensstile und ein System von Grenzen

der Habitus als die Haltung des Individuums in der sozialen Welt seiner Dispositionen, Gewohnheiten, Lebensweisen, Einstellungen, Wertvorstellungen entsteht zwangsläufig aber unbewusst

Der Habitus ist durch seine Stellung in der sozialen Struktur geprägt (u.a. Familie) Klassenhabitus: Die Angehörigen der jeweiligen sozialen Klasse teilen Vorlieben, Lebensstile u. Geschmäcker. Die Klassenzugehörigkeit drückt sich am stärksten in den unterschiedlichen Lebensstilen aus, insbesondere im Geschmack. Der Zusammenhang zwischen Klasse und Geschmack zeigt sich im Habitus.

Der Habitus erzeugt also in der Praxis Formen, Werke, Meinungen, die klassifiziert werden können und sich damit zur Unterscheidung (Distinktion) und Bewertung eignen.

Der Habitus ermöglicht es somit auch auf die soziale Position eines Menschen zu schließen und verknüpft somit die Ebenen soziale Position und Lebensstil miteinander.

Die Funktion des Habitus ist die eines Gruppenzugehörigkeitsmerkmals einerseits und eines Abgrenzungsmechanismus andererseits. Der Habitus ist also ein Mittel zur Distinktion. So wohnt dem Habitus ein Erzeugungsprinzip, ein Klassifikationsprinzip und ein generatives Prinzip inne. nach Abels 2009: Ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital definieren den Status, wo jemand im sozialen Raum positioniert ist- die soziale Position. Im täglichen Handeln wird das im sozialen Raum angemessene Prinzip des Denkens und Handelns immer wieder verstärkt.

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Das Individuum verinnerlicht die angemessenen Prinzipien des sozialen Raumes als "seine Kultur" und entwickelt daraus eine typische "Disposition zur Welt"- den Habitus (Bourdieu, 1967,1983). Damit ist der Habitus sowohl "Vermittlungsglied" zwischen Position und spezifischen Praktiken (Lebensstil, Geschmack) als auch dessen generatives Prinzip (indem er Lebensstil und Geschmack entsprechend der Angemessenheit im sozialen Raum auch wiederum erzeugt). Dabei wirkt der Habitus hinter dem Verhalten- das Subjekt kann ihn intuitiv anwenden, aber weiß nicht um ihn. Dazu ergänzend aus Moodle im WS 12/13: Pierre Bourdieu bleibt mit seiner Habitus-Theorie herkömmlichen materialistischen Erklärungsmuster noch relativ nahe. Seine Erklärung beruht auf einer Herausarbeitung klassenspezifischer Kulturformen. Er begründet deren Entstehen mit der Habitustheorie jedoch soziokulturell überzeugender und flexibler als Klassentheorien. […] Bourdieu geht aus von der ungleichen Verteilung dreier Ressourcen unter der Bevölkerung: dem ökonomischen Kapital, dem Bildungskapital und dem „sozialen Kapital“ […]l. Je nach dem Ausmaß ihres Kapitalbesitzes gliedern sich die Gesellschaftsmitglieder in eine „vertikale“ Klassenordnung und gehören der „Arbeiterklasse“, dem „Kleinbürgertum“ oder der „Bourgeoisie“ an. Je nach Zusammensetzung bzw. Zukunftsaussichten ihres Kapitalbesitzes werden sie bestimmten „horizontal“ nebeneinander anzuordnenden Klassenfraktionen zu gerechtet: Dem Besitzbürgertum, dem Bildungsbürgertum, sowie dem alten, dem neuem oder dem exekutiven Kleinbürgertum. Das Aufwachsen innerhalb der jeweiligen Lebensbedingungen bestimmter Klassen lässt, Bourdieu zufolge, „automatisch“ und weitgehend unbewusst klassenspezifische Habitusformen entstehen. Dies sind latente Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen, die einerseits ihre Möglichkeiten alltäglichen Verhaltens begrenzen, anderseits in diesem Rahmen eine Fülle von Handlungsformen hervorbringen. […]

Die Konsequenz dieser Habitusformen, das Alltagsverhalten der von ihm definierten Klassenfraktionen, erforschte Bourdieu mit Hilfe von Lebensstilmerkmalen. Zu diesen gehörten die jeweils bevorzugten Wohnungseinrichtungen und Speisen, die beliebtesten Sänger und Musikwerke, die jeweils geschätzten Maler, die Häufigkeit von Besuchen im Museum und die Kenntnis von Komponisten. Hierbei stellt Bourdieu eine hohe Übereinstimmung von Klassen(fraktions)zugehörigkeit, Habitusformen und Verhaltensweisen fest (Hradil 2001, S. 90/91).

Stefan Hradil et al. bezeichnen diese Sichtweise als überzogen. Sie sagt aus, dass zwar kulturell orientierte Verhaltensweisen der Menschen mit ihrer Klassenzugehörigkeit und insbesondere mit dem Bildungsgrad deutlich übereinstimmen. Dies trifft aber für die große Menge der sonstigen Verhaltensweisen weit weniger zu. Bourdieus klassenspezifische Lebensstilbefunde und –kategorien sind also nur einem bestimmten Sektor des Verhaltens angemessen (so Hradil et al, 2001, S. 91). Und weiter: Hierin macht sich bemerkbar, dass Bourdieus theoretische und empirische Studien im Wesentlichen aus dem Frankreich der 60er Jahre stammt. Wohlstandsmehrung, Bildungsexpansion, Wertewandel, Individualisierung etc. hielten sich damals noch in Grenzen (ebenda).

aus Hradil, Stefan (2001). Soziale Ungleichheit in Deutschland (8 Ausg., Bd. 546). Leske und Budrich.

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Kapitel 8: Individualisierung – Entstrukturierung soz. Ungleichheit

(1) Was versteht Beck unter Individualisierung? Benennen Sie die zentralen Kennzeichen des Individualisierungsprozesses.

Jenseits von Klasse und Stand

Individualisierung ist ein Prozess, der in modernen, westlichen Gesellschaften seit den 1960er Jahren festzustellen ist, bei dem die Individuen... ... aus traditionellen Bindungen (z.B. Klasse, Stand, traditionelles Familienkonzept) freigesetzt werden, was neue Wahlfreiheiten und mehr Mobilität mit sich bringt: ich kann mir heute meinen Beruf frei wählen und im Prinzip hat heute jeder die gleichen Ausbildungschancen und Bildungschancen allgemein ... "entzaubert" werden - die Freiheit aus der Loslösung aus tradiotionellen Bindungen bringt jedoch auch Unsicherheiten und Risiken mit sich: z.B. Paarbeziehungen werden lockerer, unsteter und damit Liebe & Familie an sich/Frauen können heute Karriere machen, mit guter Ausbildung glänzen, gleichzeitig wird ihnen aber bewusst, dass Kinder und Karriere schwer mit dem neuen Lebensgefühl zu vereinbaren sind ... reintegriert werden in die Gesellschaft durch neue Formen der Gesellschaft und in Form von Institutionen z.B. Arbeitsmarkt, rechtl. und sozialstaatliche Regelungen: z.B. ich kann meine Kinder nicht der Schulpflicht entziehen, auch wenn ich mit dem Schulsystem nicht zufrieden bin/ als Alleinerziehende Mutter erhalte ich Unterstützung in Form von Unterhaltszahlungen und Gelder vom Jobcenter und Jugendamt/ als Student bekomme ich für einen bestimmten Zeitraum Bafög-Unterstützung

(2) Welches sind die Ursachen des Individualisierungsprozesses nach Beck?

Auf drei Faktoren führt Beck den Individualisierungsprozess besonders zurück:

1. Das “Wirtschaftswunder” nach dem 2. Weltkrieg. Damit einhergehend stiegen Einkommen und Lebenserwartung, zudem wurde die Arbeitzeit geringer. Dieser “Fahrstuhleffekt” ( für die meisten nach oben) bewirkte zwar objektiv keine Angleichung von Arm und Reich, dennoch veränderte sich die subjektive Sicht der Menschen, da das Lebensniveau grundsätzlich gestiegen war. Damit verloren Klassen und potentielle Konflikte an Bedeutung. Aber auch die damit einhergehende Mobilität ist ein weiterer Einflussfaktor der zum Bedeutungsverlust von Klassen führte.

2. Die wohlfahrtsstaatliche Absicherungen räumen mehr Entscheidungsspielräume ein (z.B. Unterhaltsregelungen, Arbeitslosengeld, Bafög).

3. Ein weiterer Grund ist die Bildungsexpansion der 60er J., die insbesondere durch Frauen genutzt wurde. Durch mehr Ausbildung erweitert sich die Entscheidugnsfreiheit und wandelt Werte.

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(3) Welche Kritik übt Beck an soziologischen Ansätzen, welche die Sozialstruktur mit Hilfe von Klassen- und Schichtmodellen beschreiben?

Für Beck existieren keine gesellschaftlichen Großgruppen mehr, die für Klassenmodelle eine Voraussetzung darstellen. Auch Schichten kann er nicht mehr ausmachen, da sich durch die Individualisierung die Sozialstruktur sozusagen verflüssigt hat. Klassenidentitäten wurden ausgedünnt, Lebenslagen und Lebensstile wurden individualisiert und diversifiziert. Ökonomisch ähnliche Lebenslagen sind kein geeignetes Mittel mehr Zusammengehörigkeit über Schichtungen zu beschreiben.

Klassen- und Schichtansätze vergleichen und jeweils die Vorteile und Kritikpunkte herausarbeiten:

Klassenmodelle Schichtmodelle

Vor

teile

explikative, theoretische Ausrichtung legen den Fokus stärker auf die ökonomische

Dimension bzw. materielle Ungleichheit keine Vernachlässigung der Konfliktperspektive (zw.

Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnissen, betonen die Relationen zwischen den Klassen)

längerfristige Verläufe, prozesshafter - der Klassenkonflikt als Motor gesell. Entwicklung und sozialen Wandel

deskriptiv lebensnäher, da

ausdifferenzierter sozioökonomisch orientiert

durch Merkmale: Beruf, Bildung, Einkommen

weisen auf Mobilitätschancen hin

Kri

tikp

un

kte

es geht weniger um die genaue Beschreibung von Lebensbedingungen, mehr modellhafte Analyse

zu undifferenziert, weil sie mit dem Hauptkriterium des Eigentums als Produktionsmittel zu wenig Merkmale berücksichtigen

vernachlässigen Mobilitätsprozesse

vernachlässigen eher die bestehenden markanten, sozialen Gegensätze

zu statisch, also nicht so prozessorientiert

mehr auf Harmonie und Integration aus

Schichtansätze sehen in den Mobilitätschancen weniger einen Ansatz sozialer Ungleichheit, sondern eher als notwendig für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung (funktionalistischer Schichtungsansatz)

Gemeinsamkeiten: beide Ansätze unterteilen die Gesellschaft vertikal ( Rangfolge, z.B. mehr oder weniger Einkommen, höhere oder niedrigere Bildung) in ungleichheitsrelevante Gruppen (meist anhand von ökonomisch ausgerichteten Dimensionen) und die Zugehörigkeit zu einer Klasse oder Schicht führt in der Regel zu typischen Handlungsorientierungen

beide Ansätze vernachlässigen die Mikroebene (z.B. das Geschlecht, Ethnie) und sind auf ökonomische Sichtweisen beschränkt

durch die soziale Differenzierung in Dtld. (= erhöhter Lebensstandard für die Mehrheit der Bevölkerung, Absicherung durch den Wohlfahrtsstaat, Bildungsexpansion) scheinen die klassischen Klassen- und Schichtmodelle wenig angemessen: die wenigsten Menschen identifizieren sich heute noch mit sozialen Großgruppen (z.B. Arbeiterklasse) = veränderte

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23 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

subjektive Zuordnung --> auch die Vielfalt an Familien- und Haushaltsformen weist auf die Differenzierungsprozesse hin (=Pluralisierung; Individualisierungsschub bei Beck)

durch die Erweiterung von Ungleichheitsdimensionen (Lebensverhältnisse treten als Dimensionen neben Ressourcen!) geraten auch horizontale Ungleichheiten in den Blick: z.B. Nationalität, Geschlecht, Region, Kohorte

Statusinkonsistenzen werden der Regelfall, können aber von traditionellen Modellen kaum in ihr Konzept integriert werden