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47 3730 Reducirt man diesen Werth auf Newcomb’s System, unter Annahme der Correction des Bradley’schen Aequi- noctiums = -005079 und des Pulkowaer Catalogs fur 1855 die Correction + 1!‘62, und darnit als Endresultat - - +oS022, so ergiebt sich, wie gleichfalls oben gefunden, aus den RA. dp = -11’67 > D Decl. = -1.83, in ausgezeichneter Uebereinstimrnung. Die Anbringung dieser Correction an die Struve - Peters’sche 1,unisolarpracession er- giebt schliesslich fur 1800 aus den RA. p = 5036!31 )) B Decl. =I 5036.15 und daraus fur die Newcomb’sche Constante der Pracession (P = p sec E) aus den RA. P = 5490.36 m )) Decl. - - 5490.18 Auch hier halte ich es nicht fur statthaft, die beiden Resultate in eines zu vereinigen, und gebe dem aus den Declinationen gefundenen den Vorzug. Die gute Ueberein- stimrnung mit dern aus den Rectascensionen abgeleiteten Werthe kann vielleicht als ein Beleg ftir die Kichtigkeit der Newcomb’schen Correction des Bradley’schen Aequinoctiurns gelten. Die Vergleichung meines Resultats mit dern von Newcomb aus den Declinationen allein abgeleiteten ergiebt imrner noch einen Unterschied von 01‘74 irn Werthe der 1.unisolarpracession und von 01‘80 in der Constante der Pracession. Diese Unterschiede konnten, durch Anbringung der oben gefundenen systernatischen Abweichungen der von mir berechneten Eigenbewegungen von den Auwers’schen, wie schon (pag. 132) gezeigt, urn 0133, resp. 0!’35 verringert werden, und damit wiirde eine fast vollige Uebereinstimmung rneines Resultats rnit dem definitiven Newcornb’schen erreicht werden, doch halte ich die Ableitung dieser Correction fur zu unsicher, um sie anzubringen. Die vorstehend dargelegten Untersuchungen fuhrten mich zu dem Schluss, dass die Eigenbewegungen in Rectascension zu einer Bestimmung der Pracessionsconstante und der eigenen Bewegung des Sonnensystems nicht hinzugezogen werden diirfen, trotz der scheinbar grosseren Gewichte der sich aus ihnen ergebenden Resultate, und zwar nicht nur wegen der den Bestimmungen des Aequinoctiurns anhaftenden Unsicher- heit, sondern auch weil, wie wir gesehen, die Kectascensionen Charkow, 1901 April 4. wahrscheinlich auch durch andere Fehlerquellen entstellt werden, die kaurn viillig beriicksichtigt werden konnen. Es ware sehr interessant, wenn die .mir bisher nicht erklarliche Ursache der Abhangigkeit der Rectascensionen des Apex von der Helligkeit der Sterne aufgefunden werden konnte. Fur die Pracessionsconstante ergeben sammtliche neuere Berechnungen, rnit Ausnahme der ausschliesslich aus Rect- ascensionsunterschieden abgeleiteten Iheyer’schen, eine be- trachtliche Verkleinerung des Struve-Peters’schen Werthes, und es isi nicht uomoglich, dass der Newcomb’sche Werth derselben sehr nahe richtig ist. Trotzdem scheint rnir die 1896 von der Pariser Conferenz, noch vor der Veroffent- lichung der Newcornb’schen A bhandlung, beschlossene Ein- fiihrung desselben seit 1901, die auch thatsachlich seitens einiger der bedeutendsten astronomischen Epherneriden ge- schehen, verfriiht zu sein, da wir erst dann ein genugendes Material zur Ableitung dieser fundamentalen astronornischen Constante besitzen werden, wenn wir uber eine grosse Zahl von gut bestirnniten und nicht hauptsachlich von den Brad- ley’schen Beobachtungen abhangenden Eigenbewegungen, namentlich auch der schwacheren Sterne, aus beiden Herni- spharen verfiigen. Dieser Zeitpunkt steht jetzt nicht melir in unabsehbarer Ferne : das grosse Unternehrnen der Berliner Akademie der Wissenschaften, unter der berufenen Leitung von Auwers und Ristenpart, die Herstellung einer D Geschichte des Fixsternhinimels a, verspricht in verhaltnissmassig kurzer Zeit eine Grundlage fur derartige Untersuchungen zu liefern, die alle bisherigen unvergleichlich iibertrifft. Bis. zum Er- scheinen dieses grossartigen Werkes hatte man fiiglich die bisher allgernein angenomniene Struve - Peters’sche Constante weiter benutzen konnen, obgleich sie gewiss zii gross ist, denn der dadurch entstehende Fehler beeinflusst kauin die Coordinaten der Sterne, wenn nur, wie nattirlich, die Eigen- bewegungen unter Henutzung derselben Pracessionsconstante berechnet werden. Eine Aenderung in der angenommenen Pracessionsconstante bewirkt eine bedeutende Melirarbeit bei allen Rechnungen, bei denen es auf Uebertragung der Oerter der Hirnmelskorper von einer Epoche auf eine andere ankommt, eine Arbeit, die verdoppelt wird und viele Miss- verstandnisse hervorrufen kann, wenn es sich, wie nicht un- wahrscheinlich, verhaltnissniassig bald herausstellen sollte, dass die neue Pracessionsconstante auch ihrerseits einer Ver- besserung auf Grundlage eines grosseren und besseren Materials bedurftig ist. L. Stmve. Zur Theorie der neueii Sterne. Von J. Haln7. Die glanzende Erscheinung des neuen Sterns im Per- seus hat die Frage nach dem Ursprung dieser rathselhaften Lichtentwickelungen wieder einmal in den Vordergrund des Interesses gestellt. Das gegenwartige Phanomen bietet den Astrophysikern eine Gelegenheit, die bei friiheren Erscheinun- gen aufgestellten Hypothesen an neuen Thatsachen zu prtifen, das zu leicht Refundene auszuscheiden und dadurch voraus- sichtlich die Divergenz der Meinungen zu verringern. Das Spectrum der jiingsten Nova bot fur diejenigen, welche die spectralen Erscheinuogen ihrer Vorgiingerin aus dem Doppler’schen Princip erklaren wollten, eine Fiille von Ueberraschungen dar. Dass die Verschiebungen der Ab- sorptionsbander in beiden Fallen nach derselben Seite er- folgten, dass die Structur der hellen Bander, die ja bei frtiherer Gelegenheit ebenfalls aus Bewegungen in der Ge- sichtslinie erklart wurden, fast genau dieselbe war, schien

Zur Theorie der neuen Sterne

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Reducirt man diesen Werth auf Newcomb’s System, unter Annahme der Correction des Bradley’schen Aequi- noctiums = -005079 und des Pulkowaer Catalogs fur 1 8 5 5

die Correction + 1!‘62, und darnit als Endresultat - - +oS022, so ergiebt sich, wie gleichfalls oben gefunden,

aus den RA. dp = -11’67 > D Decl. = - 1 . 8 3 ,

in ausgezeichneter Uebereinstimrnung. Die Anbringung dieser Correction an die Struve - Peters’sche 1,unisolarpracession er- giebt schliesslich fur 1800

aus den RA. p = 5036!31 )) B Decl. =I 5036.15

und daraus fur die Newcomb’sche Constante der Pracession (P = p sec E )

aus den RA. P = 5490.36 m )) Decl. - - 5490.18

Auch hier halte ich es nicht fur statthaft, die beiden Resultate in eines zu vereinigen, und gebe dem aus den Declinationen gefundenen den Vorzug. Die gute Ueberein- stimrnung mit dern aus den Rectascensionen abgeleiteten Werthe kann vielleicht als ein Beleg ftir die Kichtigkeit der Newcomb’schen Correction des Bradley’schen Aequinoctiurns gelten. Die Vergleichung meines Resultats mit dern von Newcomb aus den Declinationen allein abgeleiteten ergiebt imrner noch einen Unterschied von 01‘74 irn Werthe der 1.unisolarpracession und von 01‘80 in der Constante der Pracession. Diese Unterschiede konnten, durch Anbringung der oben gefundenen systernatischen Abweichungen der von mir berechneten Eigenbewegungen von den Auwers’schen, wie schon (pag. 132) gezeigt, urn 0133, resp. 0!’35 verringert werden, und damit wiirde eine fast vollige Uebereinstimmung rneines Resultats rnit dem definitiven Newcornb’schen erreicht werden, doch halte ich die Ableitung dieser Correction fur zu unsicher, um sie anzubringen.

Die vorstehend dargelegten Untersuchungen fuhrten mich zu dem Schluss, dass die Eigenbewegungen in Rectascension zu einer Bestimmung der Pracessionsconstante und der eigenen Bewegung des Sonnensystems nicht hinzugezogen werden diirfen, trotz der scheinbar grosseren Gewichte der sich aus ihnen ergebenden Resultate, und zwar nicht nur wegen der den Bestimmungen des Aequinoctiurns anhaftenden Unsicher- heit, sondern auch weil, wie wir gesehen, die Kectascensionen

Charkow, 1901 April 4.

wahrscheinlich auch durch andere Fehlerquellen entstellt werden, die kaurn viillig beriicksichtigt werden konnen. Es ware sehr interessant, wenn die .mir bisher nicht erklarliche Ursache der Abhangigkeit der Rectascensionen des Apex von der Helligkeit der Sterne aufgefunden werden konnte.

Fur die Pracessionsconstante ergeben sammtliche neuere Berechnungen, rnit Ausnahme der ausschliesslich aus Rect- ascensionsunterschieden abgeleiteten Iheyer’schen, eine be- trachtliche Verkleinerung des Struve-Peters’schen Werthes, und es isi nicht uomoglich, dass der Newcomb’sche Werth derselben sehr nahe richtig ist. Trotzdem scheint rnir die 1896 von der Pariser Conferenz, noch vor der Veroffent- lichung der Newcornb’schen A bhandlung, beschlossene Ein- fiihrung desselben seit 1901, die auch thatsachlich seitens einiger der bedeutendsten astronomischen Epherneriden ge- schehen, verfriiht zu sein, da wir erst dann ein genugendes Material zur Ableitung dieser fundamentalen astronornischen Constante besitzen werden, wenn wir uber eine grosse Zahl von gut bestirnniten und nicht hauptsachlich von den Brad- ley’schen Beobachtungen abhangenden Eigenbewegungen, namentlich auch der schwacheren Sterne, aus beiden Herni- spharen verfiigen. Dieser Zeitpunkt steht jetzt nicht melir in unabsehbarer Ferne : das grosse Unternehrnen der Berliner Akademie der Wissenschaften, unter der berufenen Leitung von Auwers und Ristenpart, die Herstellung einer D Geschichte des Fixsternhinimels a , verspricht in verhaltnissmassig kurzer Zeit eine Grundlage fur derartige Untersuchungen zu liefern, die alle bisherigen unvergleichlich iibertrifft. Bis. zum Er- scheinen dieses grossartigen Werkes hatte man fiiglich die bisher allgernein angenomniene Struve - Peters’sche Constante weiter benutzen konnen, obgleich sie gewiss zii gross ist, denn der dadurch entstehende Fehler beeinflusst kauin die Coordinaten der Sterne, wenn nur, wie nattirlich, die Eigen- bewegungen unter Henutzung derselben Pracessionsconstante berechnet werden. Eine Aenderung in der angenommenen Pracessionsconstante bewirkt eine bedeutende Melirarbeit bei allen Rechnungen, bei denen es auf Uebertragung der Oerter der Hirnmelskorper von einer Epoche auf eine andere ankommt, eine Arbeit, die verdoppelt wird und viele Miss- verstandnisse hervorrufen kann, wenn es sich, wie nicht un- wahrscheinlich, verhaltnissniassig bald herausstellen sollte, dass die neue Pracessionsconstante auch ihrerseits einer Ver- besserung auf Grundlage eines grosseren und besseren Materials bedurftig ist.

L. Stmve.

Zur Theorie der neueii Sterne. Von J. Haln7.

Die glanzende Erscheinung des neuen Sterns im Per- seus hat die Frage nach dem Ursprung dieser rathselhaften Lichtentwickelungen wieder einmal in den Vordergrund des Interesses gestellt. Das gegenwartige Phanomen bietet den Astrophysikern eine Gelegenheit, die bei friiheren Erscheinun- gen aufgestellten Hypothesen an neuen Thatsachen zu prtifen, das zu leicht Refundene auszuscheiden und dadurch voraus- sichtlich die Divergenz der Meinungen zu verringern.

Das Spectrum der jiingsten Nova bot fur diejenigen, welche die spectralen Erscheinuogen ihrer Vorgiingerin aus dem Doppler’schen Princip erklaren wollten, eine Fiille von Ueberraschungen dar. Dass die Verschiebungen der Ab- sorptionsbander in beiden Fallen nach derselben Seite er- folgten, dass die Structur der hellen Bander, die ja bei frtiherer Gelegenheit ebenfalls aus Bewegungen in der Ge- sichtslinie erklart wurden, fast genau dieselbe war, schien

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auf den ersten Blick bedenklich gegen die -4nwendbarkeit des Doppler’schen Princips . in der Theorie der temporaren Sterne zu sprechen. Die erste dieser beiden Thatsachen veranlasste in der That Herrn Vogel, die Erscheinung der Verschiebung der Absorptionsbander aus einem ganzlich ver- schiedenen Gesichtspunkte zu erklaren. Seitdem haben in- dessen Untersuchungen des Rev. Father Sidgreaves die M6g- lichkeit einer Deutung dieser Verschiebungen durch Bewe- gungen in der Gesichtslinie wieder naher geriickt. Welche Ansicht die richtige ist, lasst sich bis jetzt nicht entscheiden. Es ist aber jedenfalls zu bedenken, dass die Vogel-Wilsing’sche Hypothese in keiner Weise die coniplicirte Structur der hellen Bander zu deuten vermag. Hierzu bediirfen wir nach wie vor des Doppler’schen Princips, so dass also die Annahme dieser Hypothese die Theorie des Phanomens jedenfalls nicht vereinfacht.

Zweck der folgenden Untersuchung sol1 sein, der Ur- sache der nierkwtirdigen Structur der Bander des Nova- spectrums auf der Grundlage von theoretischen Ueberlegungen nachzuforschen, die trotz ihrer Einfachheit bis jetzt von Astrophysikern noch nicht in den Bereich ihrer Betrachtungen gezogen worden sind. Ich hoffe dabei die Fachgelehrten zu uberzeugen, dass die scheinbar so complicirte Beschaffenheit dieser Bander, sowie tiberhaupt wohl alle bis jetzt an den neuen Sternen wahrgenornmenen Eigenthiimlichkeiten, aus einern einzigen, unserer Erfahrung wohlbekannten Hewegungs- princip ungezwungen gedeutet werden konnen.

Diejenige unter den zahlreichen Theorien, welche bis jetzt den grossten Anklang bei Astrophysikern gefunden zu haben scheint, ist die von Herrn Seeliger bald nach dem Erscheinen von T Aurigae vorgeschlagene. Hiernach wurde die plotzliche Lichtentwickelung eines bis dahin dunklen Weltkorpers veranlasst durch seine Collision mit einer nebel- forn~igen Masse. Die Grundlage, auf welcher diese Theorie sich aufbaut, ist so ungemein einfach und schien den Fach- gelehrten so iiberzeugend, dass die Hypothese als ein wesent- licher Reitrag zu unserer Kenntniss der VorgPnge im Welt- rauni rrllgemein lebhaft begriisst wurde, trotzdem sie von vornherein Mange1 aufwies, die einer Hypothese von minderer Einfachheit und Wahrscheinlichkeit vielleicht verhangnissvoll geworden waren. Ehe wir uns auf den ungewissen Pfad der Suche nach einer neuen Hypothese begeben, scheint es daher nicht unzweckmassig Umschau zu halten, ob die Seeliger’sche Theorie nicht etwa einer Modification fahig sei, welche die gegen sie erhobenen Einwande beseitigt. Ich will im Fol- genden zu zeigen versuchen, dass eine solche Modification nicht nur nioglich, sondern nach unseren Anschauungen iiber den Ursprung und die Entwickelung der Weltsysterne noth- wendig ist, und dass dieselbe hinreicht, urn die Schwierig keiten, welche gegen die Seeliger’sche Hypothese geltend gemacht wurden, zum grossten Theil, wenn nicht ganzlich, zu beseitigen.

Herr Seeliger laisst in seiner Theorie die Frage nach der Constitution der Nebelrnasse und besonders die eventuelle Vertheilung der Dichtigkeit in derselben ganz offen. Die Annahme, dass die Dichtigkeit der Nebelrnasse iiberall die- selbe, oder in Bezug auf die Richtung der Bahn des Korpers willktirlich vertheilt sei, lasst sich indessen wohl kaum recht. fertigen. Unsere Anschauungen uber die Entwickelung der

Weltkorper zwingen uns, eine Zunahme der Dichtigkeit nach lem Schwerpunkte der Masse a priori anzunehmen. Lassen vir diese Annahme fallen, so sttirzen wir das ganze Geblude inserer modernen Anschauungen tiber die physische Evolution jer Himmelskorper. Die Ginfiihrung dieser neuen Vorstellung :ines nach dem Schwerpuhkt seiner Masse dichter werdenden Mediums stellt aber die einzige Erweiterung der Seeliger’ jchen Theorie dar, welche zu einer vollsthdigen Erklarung der beobachteten Erscheinungen nothwendig ist.

Nehmen wir an, dass ein Korper sich einem solchen Nebel nahert, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Be- wegung direct auf den Schwerpunkt der Nebelmasse gerichtet jei, ausserst gering. Vielmehr muss angenommen werden, dass er diese Masse in einer beliebigen Richtung zwischen ihrem Schwerpunkt und ihrer ausseren Begrenzung durch- schneidet. In solchem Fall muss aber der Widerstand, der sich seiner Bewegung entgegensetzt, auf der nach dem Schwer- punkt liegenden Seite wegen der grosseren Dichte des wider- stehenden Mediums starker sein, als auf der nach der ausseren Begrenzung liegenden. Dies hat naturgemlss eine Rotation zur Folge. Uin das Princip der Erscheinung an einem nahe- liegenden Beispiel zu erlautern, vergleichen wir die Bewegung eines Kahnes, der auf der Mitte eines reissenden Flusses bergab treibt, mit der eines Kahnes in der Nahe des Ufers. In der Mitte des Flusses wird die Richtung des Kiels sich parallel zu der des Stromes stellen und in dieser Richtung verharren ; in der Nahe des Ufers dagegen, wo die fliessen- den Wassermassen eine Reibung an den Uferwanden erfahren, werden sich Wirbel bilden, die dem Kiel, wahrend der Kahn flussabwarts getrieben wird, eine rotirende Hewegung ertheilen.

Freilich kann der Einwand erhoben werden, dass offen- bar ein sehr dichtes Medium und eine ungeheure trans- latorische Geschwindigkeit des Sterns vorhanden sein miisste, um die Masse des letzteren in merkliche Umdrehung zu versetzen. Beide Annahmen sind aber aus leicht ersichtlichen Griinden hochst unwahrscheinlich. Indessen bedarf es der- selben auch gar nicht, wenn wir uns die Vorgange, welche den Eintritt des Korpers in das System des Nebels begleiten, naher veranschaulichen.

Es ist namlich leicht ersichtlich, dass die unmittelbare Folge der Reibung zwischen Korper und Nebel eine Er- hitzung der Oberflache des ersteren sein muss, die die Bildung einer htmosphare von gliihenden Gasen und Dampfen um den Stern zur Folge haben muss. Diese Atmosphare, welche zuerst dieselbe Hewegung hat wie der Nucleus, collidirt un- aufhorlich niit benachbarten Nebelmoleciilen, und zwar ist, wie wir gesehen haben, der ihr entgegengesetzte Widerstand auf der dem Schwerpunkt des Nebels zugekehrten Seite der grossere. Offenbar wird also auch dieser Atmosphare eine rotirende Bewegung ertheilt, die wegen des unendlich viel geringeren Beharrungsvermogens der Theile dieser Atmo- sphare eine viel erheblichere sein muss, als die auf den starren Korper ausgeiibte. Die Grosse der Kotations- geschwindigkeit hangt offenbar ab von der Stirke des An- pralls der Atmosphare gegen die Nebelmasse. Dabei ist es jedoch ganz gleichgiiltig, ob der Anprall lediglich durch die Bewegung der Atmosphare g’egen eine ruhende Nebelmasse veranlasst wird, was eine ungeheure translatorische Bewegung des Korpers voraussetzen wtirde, oder ob - was entschieden

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das Wahrscheinlichere ist - die Gravitationswirkung des Korpers auf die Nebelmasse dieser letzteren Bewegungs- impulse ertheilt, die der Bewegung des Korpers und seiner Atmosphare entgegengesetzt sind. Irn letzteren Falle hatte die Erklirung enormer Rotationsgeschwindigkeiten keinerlei Schwierigkeit, selbst wenn die Annahme einer nur massigen translatorischen Bewegung des Korpers sich als nothwendig erweisen sollte.

Die hier in Vorschlag gebrachte Erweiterung der Theorie des Herrn Seeliger fiihrt dernnach zu dem Resultat, dass die ins Gluhen versetzte Gasmasse in nachster Umgebung des Korpers als in einem Zustande lebhafter Rotation be- findlich gedacht werden muss. Wir haben sornit das Phti- nomen eines die Nebelmasse durchquerenden Wirbels leuch- tender Gase und Darnpfe, in dessen Centrum sich der in oberflachliche Gliihhitze versetzte Korper befindet. Es handelt sich darum, den Consequenzen naher nachzuforschen, welche die Witbelbewegung in diesen Gasen auf die Linienerschei- nungen des Spectrums haben muss.

Zunachst mochte ich aber auf ein anderes Resultat aufmerksam machen, das sofort aus der obigen Annahnie folgt, und welches einen der wiclitigsten Einwande beseitigt, der gleich nach Erscheinen der Seeliger'schen Theorie von Astrophysikern erhoben wurde. Bekanntlich hat sich beim Wiederaufleuchten der Nova Aurigae die tiberraschende That- sache herausgestellt, dass die Abweichungen der hellen Linien von ihren Normalstellungen sich in der Zwischenzeit ganz erheblich geandert hatten. Die Beobachtungen des Herrn Campbell zeigten ferner, dass diese Veranderungen der Ge- schwindigkeiten des Sterns resp. der ihn umgebenden Atmo- sphare, in der Gesichtslinie auch noch nach dem Wieder- aufleuchten fortgedauert haben. E s ist also unmoglich, dass der Stern eine geradlinige Bewegung besessen haben kann, sondern nur anzunehmen, dass er sich in einer gekriimmten Hahn bewegt haben muss. Die Annahme eines zweiten dunklen Korpers in der ini Uebrigen gleichmassig vertheilten Nebelmasse, welche die Erscheinung einigermaassen erklaren konnte, ist physikalisch unmoglich. Dagegen bietet gerade dieses Phanomen unter dem jetzigen Gesichtspunkte einer sich nach innen verdichtenden Nebelmasse nicht nur keinerlei Schwierigkeiten, sondern darf geradezu als ein aosschlag- gebendes Argument zu Gunsten unserer Hypothese angesehen werden. Selbst wenn wir VOQ dern gravitationellen Einfluss der Nebelmasse ganz absehen, zeigt sich namlich sofort, dass eine Erhaltung der geradlinigen Bewegung nur dann moglich sein kann, wenn der Korper sich direct auf den Schwerpunkt des Nebels hin bewegt. D a in allen ubrigen Fallen der Druck der Nebelrnasse gegen den Korper aul der nach dem Centrum des Nebels liegenden Seite der Bahn grosser sein muss als auf der entgegengesetzten, so muss eine Ablenkung des Korpers von der Bahnrichtung, und zwar nach der Begrenzung des Nebels 211, eintreten. Die Existenz von gekriimmten Bahnen ist demnach ein noth. wendiges Erforderniss der Theorie, und es ist zum Wenigsten vorstellbar, wie das Vorhandensein mehrerer Verdichtungs. centren die Ablenkung von der geraden Richtung schliesslich so erheblich machen kann, als zur Erklarung der beob, achteten Linienverschiebungen nothwendig ist.

Wie man sofort erkennt, ist die Art, wie der in dex

Umgebung der Oberflache des Sterns gebildete Wirbel auf die ihn umhtillende Materie des Nebels einwirkt, vollkommen analog der Facherwirkung, welche Herr Siemens seiner wohl- bekannten Sonnentheorie zu Grunde gelegt hat. Legen wir

einen Querschnitt durch die Kotations- axe dieses Wirbels, so erhalten wir ein Bild von den Stromungen in der Materie, welches in Fig. I veranschaulicht ist. 0 5 Ich will dabei vorlaufig von der rota- torischen und translatorischen Bewegung des Wirbels absehen und mich zunachst auf die radialen Componenten beschran- ken. I n Uebereinstimmung mit der

Siemens'schen Theorie erhalten wir demnach Strijmungen von kalter und dunkler Nebelmaterie nach den Polen der Rotation und Gegenstrome von heisser und leuchtender Materie vom Aequator der Sternatmosphare oach aussen. Die dunklen und kalten Polstrome konnen kaum einen anderen merklichen Einfluss auf das Spectrum haben, als hochstens eine Schwachung des continuirlichen Sternspectrums; sie wirken ahnlich wie die kilhlen Darnpfe und Gase unserer Atmosphare. Anders verhalt es sich mit den heissen Aequa-

torialstrornen. Wir vergegen- wartiaen uns ihren Einfluss am

Fig. I

91 i /J

'Ir '+

Fig. 2 ., besten, wenn wir einen Quer- schnitt durch den Aequator, also senkrecht zur Wirbelaxe, legen (Fig. 2). Nehmen wir an, a R sei die Richtung der Ge- sichtslinie, und wahlen wir zur Untersuchung eine bestimmte Linie -des Spectrums, z. B. H;S. D a die l'ernperatur des gliihen- den Wasserstoffgases in dem Raume a 0'' a' B' B niedriger angenommen werden muss, als

die Temperatur der gliihenden Oberflache des Korpers, so erhalten wir eine Absorptionslinie, die nach der violetten Seite verschoben erscheint. Wegen der Divergenz der Be- wegungen in der Nebelmasse erscheint die Linie stark ver- breitert, reicht aber jedenfalls nur bis zur Normalwellenlange heran, ohne diese nach der rothen Seite iiberschreiten zu konnen. Die Grosse der Verschiebung des Maximums dieses ,4bsorptionsbandes hangt offenbar von der Starke der Wirbel- bewegung ab.

Man iiberzeugt sich sofort, dass die Verschiebung stets nach der brechbareren Seite erfolgen muss, wo immer wir auch die Gesichtslinie in der Ebene annehmen mogen. Auch sieht man, dass die Wahl irgend eioer anderen Ebene, die die Wirbelaxe unter einem beliebigen Winkel schneidet, a n dem Charakter der Erscheinung nichts andert. Nur in dem einzigen Falle, wo der Visionsradius der Wirbelaxe parallel ist, findet keine Verschiebung statt, und wir wiirden in diesem Falle eine schwache Absorptionslinie in normaler Stellung erwarten miissen.

Wir erhalten somit das wichtige Resultat, dass in jeder Nova, sofern sie nicht zu der eben erwahnten, gewiss ausserst seltenen Ausnahme gehort, die Absorptionsbander nach der brechbareren Seite verschoben sein miissen.

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Verfolgen wir das in Fig. 2 veranschaulichte Bild weiter in den Raum links von a B und rechts von a'B' , so er- kennen wir, dass dieser Theil der Atmosphare eine helle Linie von H,9 verursachen muss, und zwar muss diese Linie, da auf jeder Seite gleich vie1 Bewegungen in beiderlei Sinn hinsichtlich der Gesichtslinie vorhanden sind, ihr Maximum in der Normalstellung haben und von da nach der rothen sowohl als der violetten Seite gleichmassig ablaufen. Diese einfachen Verhaltnisse werden jedoch erheblich geandert, wenn wir die rotirende Bewegung im Wirbel in Betracht ziehen. Nehmen wir an, die Rotation erfolge im Sinne deg Uhrzeigers, so haben wir rechts von a' ein Plus von Be- wegungen nach der Sonne, links von a dagegen einen Ueber- schuss nach der entgegengesetzten Seite. Statt eines einzigen Maximums in der Normalstellung erhalten wir demnach zwei Maxima, eines auf der mehr, und ein anderes auf der weniger brechbaren Seite. Die Verschiebung derselben von der Normalstellung hangt natiirlich wiederum von der Stirke der Wirbelbewegung ab. Man konnte nun freilich behaupten, dass das Maximum auf der violetten Seite genau ebenso vie1 verschoben sei, als das vorher untersuchte Absorptions- band, und dass demgemass sich beide gegenseitig storen, j a eventuell vollstandig auf heben konnten. Hier ist jedoch ein wichtiger Umstand zu berucksichtigen, der das Zusammen. fallen der beiden Linien verhindert. Wir miissen jedenfalls annehmen, dass der gliihende Korper und die ihm benach. barte Atmosphare sich durch die enorme Warmeentwickelung an der Oberflache erheblich ausdehnen. Die Expansion er. theilt allen Theilen der Atmosphare eine radial nach aussen gerichtete Bewegung. Sie verstarkt also, und wahrscheinlich sehr erheblich, die nach der Sonne gerichtete Bewegung der Gase in dem Raum a a" a' B'B und veranlasst dadurct eine Verstarkung der Verschiebung des Absorptionsbandea nach der brechbareren Seite. Dagegen sieht man Ieicht, dass sie auf die beiden hellen Linien. welche durch die ir dem Raume rechts und links befindlichen Gase (Fig. 2 ) er zeugt werden, keinen verschiebenden Einfluss ausiiben kann Dadurch wird aber die Annahme wahrscheinlich gemacht dass das Absorptionsband mehr nach dem Violett zu ver schoben sei, als das auf derselben Seite befindliche Emissi onsband.

Bei der Betrachtung der Wirbelbewegung ist nun n o d ein weiterer Umstand iu berucksichtigen. In jedem Wirbe nimmt die Starke der Wirbelbewegung nach aussen hin ab sie verschwindet in einem gewissen Abstande vom Wirbel centrum und nimmt in noch grosseren Abstanden die ent gegengesetzte Kichtung an. Wir haben somit in dem Kreisc C (etwa) (Fig. 2) gemass unserer fruheren Annahme einl gegen den Uhrzeiger gerichtete Stromung zu erwarten. De Effect dieser Erscheinung ist leicht zu ubersehen. , Der Raun rechts von a' B' wird nun nicht mehr ausschliesslich Materil mit Bewegungsrichtungen nach der S o m e enthalten, sonderi auch solche, deren Bewegungscomponente im Visionsradiu von uns weg gerichtet ist. Dabei ist zu berucksichtigen ,dass die Gr6sse der Bewegung sowohl, als auch die Hellig keit dieser letzteren Materie bedeutend kleiner resp. schwache ist, als die der Materie in der Nahe von a'. In dem Raum links von a B findet natiirlich das genau Umgekehrte stat1

Das Gesammtbild, das wir aus diesen Betrachtungen .n Bezug auf die Structur einer Linie im Spectrum der Nova

ziehen, ist somit in Fig. 3 ver- anschaulicht. Es entspricht bis ins kleinste Detail den bis jetzt aus den Beobachtungen erhalte- nen Resultaten. Vor allen Din- gen erklart die vorgelegte Theo- rie auf ganz ungezwungene Weise,

/ Z V A C'Ci.L%./ warum die Erscheinungen bei beiden Novae dieselben sein

der 4+ Theorie des Herrn Seeliger mussen; in eine ihrer Thatsache, friiheren die Form aus

keioeswegs rrklart werden kann.

Die enorme Breite der hellen Bander ist demnach die Folge der enormen Rotationsbewegung der Atmosphare des Korpers. Ich mochte ausdriicklich nochmals betonen, was ich schon an einer frtiheren Stelle dieses Aufsatzes be- merkt habe, dass zur Erklarung der ungeheuren Grosse dieser Bewegung die von Herrn Seeliger vorgebrachten Argumente vollkommen ausreichen. Die anziehende Kraft des Korpers auf die Nebelmaterie spielt hier eine wesentliche, vielleicht die entscheidende Rolle. Jedenfalls - und dies scheint mir fur die praktischen Zwecke der Theorie bei weitem das Wichtigste - kann es keinem Zweifel uoterliegen, dass die Annahme einer stark rotirenden Bewegung gluhender Nebel- materie urn einen leuchtenden Kern die Eigenthumlichkeiten der Spectra der neuen Sterne vollstandig erklart. Dieses Resultat der Untersuchung bleibt auch dann noch bestehen, wenn sich stichhaltige Einwande gegen denjenigen Theil meiner Theorie erheben sollten, der den Ursprung dieser Rotation zu deuten versucht.

Es ist vielleicht von Interesse zu benierken, dass eine irdische Cyclone unter Vornussetzung erheblich hijherer Temperaturen und grosserer Geschwindigkeiten und bei An- wesenheit eines gliihenden Korpers im Wirbelcentrum eineni im Weltraum befindlichen Beobachter, sofern er nicht direct uber der Wirbelaxe sich befiodet, genau das Spectrum liefern wiirde, das wir in den neuen Sternen vor uns haben.

Auf verschiedene Punkte von geringerer Wichtigkeit will ich hier noch nicht naher eingehen, sondern zunlchst die definitive Bestatigung der betr. Erscheinungen durch die Beobachtungen abwarten. Eine Eigenthiimlichkeit, die mir ziemlich festzustehen scheint, will ich jedoch noch kurz be- ruhren. Die Intensitat des Absorptionsbandes auf der brech- bareren Seite hangt naturlich von dem Strahlungsvermogen des Nucleus ab. Wurde die Oberflache des Sterns plotzlich erkalten, so wiirde das Absorptionsband sich in ein Emissions- band verwandeln. Diese Aenderung miisste also die Breite und Leuchtkraft des hellen Bandes betrachtlich vergrossern. Nun zeigten sich bei der jetzigen Nova in der That be- deutende Helligkeitsschwankungen, die jedesmal von einer Aenderung des continuirlichen Spectrums begleitet waren. Bei schwachem continuirlichen Spectrum zeigte sich aber jedesmal nach den hiesigen Beobachtungen die Linie bei R = 5 0 0 7 bedeutend breiter und heller, als zu Zeiten, wo ein starkes continuirliches Spectrum eine Zunahme der Leucht-

Fig. 3

h a f t des Kerns vermuthen liess. Daraus erklaren sich dann auch leicht die Schwankungen in der relativen Hellig-

keit der beiden Maxima der hellen Bander, die von mehreren Beobachtern constatirt wurden.

Edinburgh, Royal Observatory, 1901 Juni 1 2 . I J. Nalm.

Bachtrag vom 20. J h . Wie bereits einleitend be- merkt wurde, hat Herr Geh. Rath Vogel auf Grund experi- menteller Untersuchungen des Herrn Prof. Wilsing in Pots- dam eine Deutung der Duplicitat der Bander in) Spectrum der Nova gegeben, die von der vorstehenden ganzlich ver- schieden ist. Danach werden die eigenthiimlichen, und bei allen neuen Sternen mit Ausnahme von Nova Andromedae in gleicher Weise hervortretenden Verschiebungen dieser Bander durch abnorme Druckverhaltnisse in den Atmo- spharen dieser Sterne erklart, und zwar in der Weise, dass derjenige Theil der Atmosphare, welcher die hellen Linien liefert, unter starkem Drucke befindlich gedacht wird, wahrend ftir die Gase, welche absorbirend auf das Spectrum wirken, normale Druckverhaltnisse angenommen werden. Wie zahl- reiche Versuche ergeben haben, bewirkt eine Steigerung des Druckes eine Verbreiterung der Linien mit gleichzeitiger Ver- schiebung nach der weniger brechbaren Seite. Es steht daher nach Herrn Vogel zu erwarten, dass in dem Spectrum der Nova die hellen Bander nach dem Roth verschoben sind, wahrend die Absorptionsbander sich zwar eigentlich in nor- inaler Lage befinden, aber durch theilweise Aufhellung seitens der Emissionsbander scheinbar nach dem Violett gerdckt sind.

Wahrend ich die Moglichkeit einer Verschiebung der hellen Bander aus der angefiihrten Ursache durchaus nicht bestreiten niochte, scheint mir doch gegen die Vogel-Wil- sing'sche Erklarung der Verschiebung der Absorptionsbander ein gewichtiges Uedenken vorzuliegen. Daniit namlich die Verhaltnisse, wie Herr Wilsing sie sich denkt, moglich seien, mtisste die Breite der Absorptionsstreifen bei Nova Persei zu etwa 5-6 pp angenommen werden. Wie aber sollen wir uns eine so ungeheure Ausdehnung dieser unter geringem Druck erzeugten Linien erklaren ? Gehoren diese Linien einer Schicht niedrigen Druckes an, wie die Wilsing'sche Theorie mit Nothwendigkeit annehmen muss, so konnen sie nur relativ geringe Breitenausdehnung besitzen. Dann aber bleibt die Frage ganz offen, wie so ungeheure Verschiebun- gen der Absorptionslinien, und zwar bei allen Novae nach derselben Seite moglich sind. Die Wilsing'sche Hypothese scheint daher, trotzdem sie in Bezug auf die relative Lage der beiden Bander zu einander eine plausible Erklarung giebt, uns nur vor neue Schwierigkeiten zu stellen, die mindestens ebenso bedenklich sind, als diejenigen, welche sie zu beseitigen sucht. Auch mochte ich nicht zu erwahnen unterlassen, dass der ganzlich abweichende Charakter des Spectrums der Nova Andromedae, das bekanntlich keine Spuren jener Erscheinungen zeigte, welche die Wilsing'sche Hypothese verlangt, gerade durch die vorstehende Theorie sehr einfach gedeutet werden kann. Man braucht namlich nur anzunehmen, dass diese Nova jenen oben erwahnten Ausnahmefall darstellte, wo die Axe des Wirbels annahernd parallel zur Gesichtslinie stand. Alsdann sind die Compo- nenten in dieser letzteren Richtung fur alle Bewegungen der

Gaselemente des Wirbels annghernd gleich Null, da diese Bewegungen in Ebenen erfolgen, die senkrecht zur Gesichts- h i e stehen. In solchem Falle haben wir aber sowohl Emissions- als auch Absorptionslinien in normaler Lage zu erwarten ; beide fallen zusammen und heben sich gegenseitig guf. Das Spectrum in diesem Ausnahmefall muss also an- annahernd rein continuirlich sein, was bekanntlich der in Nova Andromedae beobachteten Erscheinung durchaus ent- spricht.

Auch bietet die Deutung der Erscheinungen im Spec- trum von Nova Persei wahrend der ersten Tage seiner Sichtbarkeit nach der vorstehenden Theorie nicht die ge- ringsten Schwierigkeiten, wahrend es doch wohl schwer halten diirfte, den Versuch des Herrn Vogel, die beobachteten Anomalien in Uebereinstimmung mit der Wilsing'schen Hypo- these zu bringen, physikalisch zu begrunden. (Ueber das Spectrum der Nova Persei, Sitzungsberichte der kgl. preuss. Akad. d. Wiss. 2 I . Marz 1901) .

Der unmittelbarste Effect des Eindringens des dunklen Korpers in die Nebelinasse muss namlich in enormer Er- hitzung seiner Oberflache bestehen. Das Spectrum ist dem- nach so lange rein continuirlich, bis die sich urn den Kern formirende Atmosphare hinreichend dicht und heiss geworden ist, rim aus diesem continuirlichen Spectrum Licht von be- stimmter und begrenzter Wellenlange zu absorbiren. Man sieht aber ohne Weiteres, dass diese Absorption bereits merklich sein muss, wenn die Atniosphare noch von relativ geringer Ausdehnung ist, und demgemass die Emission seitens der gluhenden Gase rechts von a'B' und links von a B (Fig. 2) gegen den leuchtenden Hintergrund noch nicht zur Geltung gelangen kann. Wir haben somit in der Ent- wickelungsphase des Sterns zunachst ein continuirliches Spec- trum, sodann das huftreten von Absorptionsstreifen und zu- letzt neben diesen die Entwickelung von Emissionsblndern zu erwarten. Da die Rildung des Wirbels sogleich nach Eintreten der Collision zwischen Stern und Nebel beginnen muss, so werden die Absorptionsbander von allem Anfang an nach der brechbareren Seite verschoben sein mussen, Da indessen die Starke der Wirbelbewegung zunachst zeit- lich zunehnien muss, so wird auch die Verschiebung des Xbsorptionsbandes nach der brechbareren Seite immer starker werden. Dies alles entspricht aber genau den Erfahrungen, welche in den ersten Tagen an dem Spectrum der Xova gemacht wurden.

Zum Schlusse mochte ich bernerken, dass auch das Auftreten scharf begrenzter Absorptionslinien, wie sie in Potsdam und anderwarts beobachtet wurden, leicht erklarlich wird, wenn wir den Ursprung solcher Linien in unmittelbarer Nahe des Kerns annehmen, wo die wirbelnde Bewegung in Folge der Reibung der rotirenden Gase an der Oberflache des Sterns nur sehr unbedeutend sein kann.

y. H