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LangenbecksArch Chir (1995) 380:303 © Springer-Verlag 1995 E. Bodner Zur Rekonstruktion yon Gallengangsverletzungen Nach 100 Jahren Entwicklung und Erfahrung hatte die Gal- lensteinchirurgie um 1980 einen gewissen qualitativen HOhepunkt erreicht: Durch frtihzeitige Indikationsstellung war man bemtiht, schweren Steinkomplikationen zuvor- zukommen, durch exakte intraoperative Diagnostik gelang es, die Residualsteinrate zu minimieren, und dank einer verfeinerten Operationstechnik waren iatrogene Gallen- wegsverletzungen zur Seltenheit geworden. Mit der Ein- ftihrung der laparoskopischen Cholezystektomie, deren Vorteile keinesfalls in Frage gestellt werden sollen, hat die- ser hohe chirurgische Standard einen gewissen Einbruch erfahren, welcher bisher noch nicht g~inzlich ausgeglichen werden konnte. Die Rate der Gallengangsverletzungen bei laparoskopischer Cholezystektomie liegt zwischen 0,3 und 0,9%. Daher ist auch die Diskussion tiber die Versorgung solcher iatrogener L~isionen wieder aktuell geworden. Die rekonstruktiven Eingriffe am Gallenwegsystem geh6ren zu den schwierigsten Operationen der Abdomi- nalchirurgie. Durch die anatomischen Gegebenheiten wer- den hohe Ansprfiche an die operative Technik gestellt. Die gegnderten pathophysiologischen Verh~iltnisse k6nnen zu funktionellen St/Srungen ftihren, v.a. aber die Schrump- fungsneigung biliodigestiver Anastomosen ist es, die nicht selten zu sp~teren Korrektureingriffen zwingt und letzt- endlich die Lebenserwartung der Patienten beeintrfichtigt. Das ist um so gravierender, als es sich nicht um unmittel- bare Folgen der Erkrankung, sondern um Auswirkungen eines operativen Miggeschicks handelt. Das Schrifttum zu diesem Thema begleitet die Ent- wicklung der Gallenwegschirurgie wie ein roter Faden und ist entsprechend umfangreich. Von den M6glichkeiten der Rekonstruktion und den Verfahren der Deviation bis zum Gallengangsersatz bei gr6geren Defekten spannt sich der Bogen. Details der Nahttechnik wurden ebenso ausffihr- lich diskutiert wie die Zweckmfigigkeit und Dauer einer intraluminfiren Langzeitdrainage. Im Experiment nnd in klinischen Versuchen hat man die unterschiedlichsten Ma- terialien (Darmwand, Appendix, Gef~ige,Kunststoffe, etc.) E. Bodner (~) II. Universit/itsklinik ftir Chirurgie, Postfach,A-6020 Innsbruck erprobt. Durch Erweiterungsplastiken (G6tze, Gtitgemann) wurde versucht, die Anastomosen prim~ir weiter zu gestal- ten, sie aus der zweidimensionalen Ebene herauszubringen und damit der Stenosierungsneigung zu begegnen. Man hat erkannt, dal3 Str6mungsunregelm~13igkeiten bei grogen Ka- liberschwankungen ungtinstig sind und vermieden werden sollten. Bei kleinen Verletzungen ist meist die Obern~ihung fiber oder neben einer T-Drainage m6glich, bei glatter Durchtrennung des Gallengangs ist nach ausgiebigem Ko- cher-Man6ver eine End-zu-End-Anastomosierung m6g- lich; entscheidend dabei ist eine subtile Operationstechnik, ggf. unter Einsatz der Lupenbrille, sowie die Verwendung eines m6glichst inerten, resorbierbaren Nahtmaterials. Bei gr613eren Verletzungen oder Defekten hat sich die Anlegung einer terminolateralen Hepatikojejunostomie mit tiefer Roux-Anastomose und allenfalls mit Anastomosenerwei- terungsplastik auf lange Sicht am besten bewfihrt. Wenn Erhard et al. nun als eine neue Technik zur Re- konstruktion nach schweren Choledochusverletzungen eine Jejnnuminterposition zwischen die beiden Gallen- gangsttimpfe empfehlen, so ist den Autoren ihr Bemfihen zugute zu halten, den Sphinkter Oddi als Ventil ftir den darmw~rts gerichteten Galleflug und gegen den aszendie- renden Darminhalt zu erhalten. Sie tun das allerdings um den Preis einer operativ erzeugten ,,Gallengangszyste"und einer 2., zur Stenosierung neigenden und an sich vermeid- baren biliodigestiven Anastomose. Auch wenn die vorlhu- figen Ergebnisse bei 5 Patienten nach 1- his 2j~ihriger Be- obachtung ihrem Konzept recht zu geben scheinen, ist rtickblickend auf eine 30jghrige eigene Erfahrung mit der Gallenwegschirurgie und auf ein relativ grol3es Kranken- gut bili~irer Rekonstruktionen doch daran zu zweifeln, dab die Methode den Erwartungen entsprechen wird und wei- terempfohlen werden soll. Die Ergebnisse der rekonstruktiven Gallertgangschirur- gie k6nnen erst nach einer langen Beobachtungszeit be- wertet werden. Der Fortschritt, den die laparoskopische Technik ftir die Cholezystektomie gebracht hat, wird letzt- lich daran zu messen sein, ob es gelingt, das Risiko der ia- trogenen Gallengangsverletzung auf ein mit dem konven- tionellen Vorgehen vergleichbares Mal3 zu reduzieren.

Zur Rekonstruktion von Gallengangsverletzungen

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Page 1: Zur Rekonstruktion von Gallengangsverletzungen

Langenbecks Arch Chir (1995) 380:303 © Springer-Verlag 1995

E. Bodner

Zur Rekonstruktion yon Gallengangsverletzungen

Nach 100 Jahren Entwicklung und Erfahrung hatte die Gal- lensteinchirurgie um 1980 einen gewissen qualitativen HOhepunkt erreicht: Durch frtihzeitige Indikationsstellung war man bemtiht, schweren Steinkomplikationen zuvor- zukommen, durch exakte intraoperative Diagnostik gelang es, die Residualsteinrate zu minimieren, und dank einer verfeinerten Operationstechnik waren iatrogene Gallen- wegsverletzungen zur Seltenheit geworden. Mit der Ein- ftihrung der laparoskopischen Cholezystektomie, deren Vorteile keinesfalls in Frage gestellt werden sollen, hat die- ser hohe chirurgische Standard einen gewissen Einbruch erfahren, welcher bisher noch nicht g~inzlich ausgeglichen werden konnte. Die Rate der Gallengangsverletzungen bei laparoskopischer Cholezystektomie liegt zwischen 0,3 und 0,9%. Daher ist auch die Diskussion tiber die Versorgung solcher iatrogener L~isionen wieder aktuell geworden.

Die rekonstruktiven Eingriffe am Gallenwegsystem geh6ren zu den schwierigsten Operationen der Abdomi- nalchirurgie. Durch die anatomischen Gegebenheiten wer- den hohe Ansprfiche an die operative Technik gestellt. Die gegnderten pathophysiologischen Verh~iltnisse k6nnen zu funktionellen St/Srungen ftihren, v.a. aber die Schrump- fungsneigung biliodigestiver Anastomosen ist es, die nicht selten zu sp~teren Korrektureingriffen zwingt und letzt- endlich die Lebenserwartung der Patienten beeintrfichtigt. Das ist um so gravierender, als es sich nicht um unmittel- bare Folgen der Erkrankung, sondern um Auswirkungen eines operativen Miggeschicks handelt.

Das Schrifttum zu diesem Thema begleitet die Ent- wicklung der Gallenwegschirurgie wie ein roter Faden und ist entsprechend umfangreich. Von den M6glichkeiten der Rekonstruktion und den Verfahren der Deviation bis zum Gallengangsersatz bei gr6geren Defekten spannt sich der Bogen. Details der Nahttechnik wurden ebenso ausffihr- lich diskutiert wie die Zweckmfigigkeit und Dauer einer intraluminfiren Langzeitdrainage. Im Experiment nnd in klinischen Versuchen hat man die unterschiedlichsten Ma- terialien (Darmwand, Appendix, Gef~ige, Kunststoffe, etc.)

E. Bodner (~) II. Universit/itsklinik ftir Chirurgie, Postfach, A-6020 Innsbruck

erprobt. Durch Erweiterungsplastiken (G6tze, Gtitgemann) wurde versucht, die Anastomosen prim~ir weiter zu gestal- ten, sie aus der zweidimensionalen Ebene herauszubringen und damit der Stenosierungsneigung zu begegnen. Man hat erkannt, dal3 Str6mungsunregelm~13igkeiten bei grogen Ka- liberschwankungen ungtinstig sind und vermieden werden sollten. Bei kleinen Verletzungen ist meist die Obern~ihung fiber oder neben einer T-Drainage m6glich, bei glatter Durchtrennung des Gallengangs ist nach ausgiebigem Ko- cher-Man6ver eine End-zu-End-Anastomosierung m6g- lich; entscheidend dabei ist eine subtile Operationstechnik, ggf. unter Einsatz der Lupenbrille, sowie die Verwendung eines m6glichst inerten, resorbierbaren Nahtmaterials. Bei gr613eren Verletzungen oder Defekten hat sich die Anlegung einer terminolateralen Hepatikojejunostomie mit tiefer Roux-Anastomose und allenfalls mit Anastomosenerwei- terungsplastik auf lange Sicht am besten bewfihrt.

Wenn Erhard et al. nun als eine neue Technik zur Re- konstruktion nach schweren Choledochusverletzungen eine Jejnnuminterposition zwischen die beiden Gallen- gangsttimpfe empfehlen, so ist den Autoren ihr Bemfihen zugute zu halten, den Sphinkter Oddi als Ventil ftir den darmw~rts gerichteten Galleflug und gegen den aszendie- renden Darminhalt zu erhalten. Sie tun das allerdings um den Preis einer operativ erzeugten ,,Gallengangszyste" und einer 2., zur Stenosierung neigenden und an sich vermeid- baren biliodigestiven Anastomose. Auch wenn die vorlhu- figen Ergebnisse bei 5 Patienten nach 1- his 2j~ihriger Be- obachtung ihrem Konzept recht zu geben scheinen, ist rtickblickend auf eine 30jghrige eigene Erfahrung mit der Gallenwegschirurgie und auf ein relativ grol3es Kranken- gut bili~irer Rekonstruktionen doch daran zu zweifeln, dab die Methode den Erwartungen entsprechen wird und wei- terempfohlen werden soll.

Die Ergebnisse der rekonstruktiven Gallertgangschirur- gie k6nnen erst nach einer langen Beobachtungszeit be- wertet werden. Der Fortschritt, den die laparoskopische Technik ftir die Cholezystektomie gebracht hat, wird letzt- lich daran zu messen sein, ob es gelingt, das Risiko der ia- trogenen Gallengangsverletzung auf ein mit dem konven- tionellen Vorgehen vergleichbares Mal3 zu reduzieren.