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Grenzwertproblematik Pro und Contra Pro und Contra: GrenzwertproMematik In diesem Forum werden Themen widerspriichlicher Auffassung zur Diskussion gestellt. Ihrer SteIlungnahrne zum Therna ,Grenzwerte fiir Pflanzenbehandlungs- und SchddlingsbekiimpfungsmitteI im Trinkwasser" sehen wir gerne entgegen. Zur Genauigkeit von Analy- senergebnissen bei der Be- stimmung von Grenzwerten* Dem Fachmann ist (heute) gel~iufig, daf~ prin- zipietl das Ergebnis ieder Messung einer Streuung unterliegt. Abet bereits der gebilde- te Laie hat Schwierigkeiten bei der Modellie- rung der statistischen Gesetzm/ifligkeit, da sie naturgem/il~ nur bei Wiederholung der Messung und hinreichend genauer Beobach- tung der Einzelwerte erkennbar wird. Das Ergebnis eines einzetnen Mefgvorganges kann nicht interpretiert werden. Wer auf- grund eines einzelnen Megwertes Entschei- dungen zu treffen hat, macht sich selten klar, welch weitreichendem lrrtum er dabei unter- tiegen kann. Der kennzeichnende Begriff fiir die Variation einer Mei~- oder Analysemethode ist die Ge- nauigkeit (Pr~izision und Richtigkeit). FOr die Prfizision wird die Standardabwei- chung verwendet, die statistisch gewichtete Abweichung der einzelnen Megwerte vom arithmetischen Mittelwert vieler Einzelmes- sungen. Im Rahmen yon Umweltschutz und Umweltgesetzgebung kommt der Festlegung yon Grenzwerten f6r den Gehah an (anthro- pogenen und natiirlicben) Stoffen in be- stimmten Matrices wegen ihrer nachgewie- senen oder vermuteten Schfidlichkeit groge Bedeutung zu. Da solche Grenzwerte natur- gemfig oft im Bereich sehr niedriger Gehalte liegen, ist bei der Interpretation yon Mef{- werten in diesen kritischen Bereichen beson- dere Vorsicht geboten! Mehrfachmessungen unter Ber6cksichtigung der statistischen Ge- setzm/if~igkeiten lassen aber auch bier ent- scheidungsf/ihige Aussagen zu, die Prfifer- gebnisse sind justitiabel. Neben dem Problem der statistischen Abwei- chung besteht jedoch das noch viel schwieri- gere Problem der Richtigkeit. W~ihrend die Reproduzierbarkeit einer Methode durch sorg- f~iltige Einhaltung des methodischen Arbeits- ablaufes und durch physikatische Vorkeh- rungen am Mef~vorgang selbst gew~ihrleistet werden kann, ist umfassende Sachkennmis und h6chste Kritikf~ihigkeit des Analytikers gefordert, wenn es darum geht, die Richtig- keit des Resultates einer Analyse zu beurtei- len. Diese systematische Abweichung der Megwerte kann noch am besten dutch Ver- wendung yon Standard-Referenzproben be- grenzt und durch Einsatz verschiedener, von- einander unabhfingiger Analysenverfahren gepr6ft werden; auch Vergleichstests ver- schiedener Laboratorien (Ringversuche) er- lauben oft Riickschlfisse auf mangelnde Rich- tigkeit, da voneinander unabbSngige Labo- ratorien selten dem gteichen systematiscben Fehler unterliegen. Eine universeli zuverliis- sige Methode for dessen Vermeidung gibt es jedoch nicht. Der zur Entscbeidung geforderte Beamte oder Richter m6chte vietleicht - das mag verst/indlich sein - das schwierige Problem der Richtigkeit gerne ignorieren. Dies jedoch kann der verantwortungsbewugte Analyti- ker nicht oder zumindest nicht ohne schr er- hebliche Einschrfinkungen akzeptieren. Ohne Zweifel sind die Standpunkte der justi- tiabilit~it und der naturwissenschaftlich er- mittehen Genauigkeit ethisch und praktisch zu rechtfertigen. Die Verunsicherung unserer in Umwehfragen 6bersensibilisierten Gesell- schaft kann jedocb nicht mit verschiedenen Beurteilungskriterien konfrontiert werden. Sie erfordert plausible Klarstellungen. Im Bemuhen um solche Klarstellung sollen auch einmal mehr mit aller Deutlichkeit die beiden zu unterscheidenden Grenzwerte defi- niert werden: 1.Der Schutzwert, der yon Human- und Okotoxikologie in Kooperation mit der Medizin festgelegte Grenzwert, dessen 0berschreitung nach dem Stand der Er- kennmisse nicht geduldet werden darf, um Personengruppen am Arbeitsptatz, auf der Straf~e, in Wohnungen, Verbraucher yon Lebensmitteln etc. vor gesundheitlichen Sch~iden zu sch/itzen und 2. der Vorsorgewert, der sich entweder an technischen M6glichkeiten oder auch oft an der yon der modernen Analytik reali- sierbaren Nachweisgrenze yon Stoffen und Stoffgruppen orientiert und dem das Bestreben zugrunde liegt, naturfremde Stoffe in bestimmten Matrices zu vermei- den (Null-Hypothese). Die stfindige Vermischung dieser beiden Be- griffe ist oft Ursache vieler nutzloser, emo- tional geffihrter Diskussionen, beispidsweise bez/iglich der Pflanzenschutzmittelrfickst{in- de im Trinkwasser. Es sotlte einvernehmlich das Ziel sein, aufkl/irend und versacMichend auf den (grof~en) Tell der Bev6tkerung zu wirken, dem diese Zusammenbfinge nicht gelfiufig sein k6nnen. Die mit hoher Verant* wortung und grof~er Kritikf~ihigkeit kompe- tenter Fachleute erarbeiteten Ergebnisse mfissen problembezogen und enmtionsfrei bewertet werden. Analytiker und Toxikolo- gen sowie die Nutzer toxikologisch bewerte- ter analytischer lnformationen bei Beh6rden und Ministerien sollten bestrebt sein, dutch Hare, kompetente und verantwortbare Beur- teilung der Gegeber~heiten zu Entscheidun- gen beizutragen, die yon der Gesetlschaft verstanden und somit akzeptiert werden k6nnen. Prof. Dr. tq. Giinzler, Bismarckstr. 4, D-6940 Weinbeirn * Dieses Thema war Gegenstand einer Podiumsdis- kussion anl/if~lich des 1lth International Sympo- sium on Microchemical Techniques, veranstaltet yon der Fachgruppe .Analytische Chemie" der GDCh am 29, August 1989 in Wiesbaden. BGA-Empfehlung zum Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen mit Pflan- zenbehandlungs- und Sch~id- lingsbek/imp fungsmitteln Das Bundesgesundheitsamt in Berlin hat im Juli 1989 eine BGA-Empfehlung zum Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen mit Pflanzenbehandlungs- und ScMdlingsbek~imp- fungsmitreln herausgegeben (~ Bundesge- sundheitsblatt 1989, S. 29Off). Anlaf~ ist das Inkrafitreten des Grenzwertes fiir derar- tige Verunreinigungen am 1. Oktober 1989. Die Regierungen der Bundeslfi.nder hatten das Bundesgesundheitsamt im vergangenen Jahr um n~ihere fachliche Angaben zum Votl- zug der Trinkwasserverordnung gebeten. In der Trinkwasserverordnung wurde f6r Pflanzenschutzmittel ein Grenzwert von 0,1 Millionsrel Gramm pro Einzelstoff oder 0,5 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser (0,5 Millionstel Gramm) f/ir die Summe al- ler Pflanzenbehandlungs- und Sch~idlingsbe- kfimpfungsmittel festgelegt. Das Bundesge- sundheitsamt hatte diesen Wert seit/iber 15 Jahren in der Diskussion zur EG-Trinkwas- ser-Richflinie vertreten. Jede ldberschreitung des Grenzwertes sotlte vermieden werden. Eine Reihe von Wasserversorgungsunterneh- men kann allerdings die Einhahung des Grenzwertes erst nach entsprechenden Sanie- rungsmagnahmen sicherstellen. 20 UWSF- Z. Umweltchem. Okotox. 2 (1) 20 - 22 (1990) ecomed verlagsgesetlschaft mbh, Landsberg Z6rich

Zur Genauigkeit von Analysenergebnissen bei der Bestimmung von Grenzwerten

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Grenzwertproblematik Pro und Contra

Pro und Contra: GrenzwertproMematik

In diesem Forum werden Themen widerspriichlicher Auffassung zur Diskussion gestellt. Ihrer SteIlungnahrne zum Therna ,Grenzwerte fiir Pflanzenbehandlungs- und SchddlingsbekiimpfungsmitteI im Trinkwasser" sehen wir gerne entgegen.

Zur Genauigkeit von Analy- senergebnissen bei der Be- stimmung von Grenzwerten*

Dem Fachmann ist (heute) gel~iufig, daf~ prin- zipietl das Ergebnis ieder Messung einer Streuung unterliegt. Abet bereits der gebilde- te Laie hat Schwierigkeiten bei der Modellie- rung der statistischen Gesetzm/ifligkeit, da sie naturgem/il~ nur bei Wiederholung der Messung und hinreichend genauer Beobach- tung der Einzelwerte erkennbar wird. Das Ergebnis eines einzetnen Mefgvorganges kann nicht interpretiert werden. Wer auf- grund eines einzelnen Megwertes Entschei- dungen zu treffen hat, macht sich selten klar, welch weitreichendem lrrtum er dabei unter- tiegen kann.

Der kennzeichnende Begriff fiir die Variation einer Mei~- oder Analysemethode ist die Ge- nauigkeit (Pr~izision und Richtigkeit).

FOr die Prfizision wird die Standardabwei- chung verwendet, die statistisch gewichtete Abweichung der einzelnen Megwerte vom arithmetischen Mittelwert vieler Einzelmes- sungen. Im Rahmen yon Umweltschutz und Umweltgesetzgebung kommt der Festlegung yon Grenzwerten f6r den Gehah an (anthro- pogenen und natiirlicben) Stoffen in be- stimmten Matrices wegen ihrer nachgewie- senen oder vermuteten Schfidlichkeit groge Bedeutung zu. Da solche Grenzwerte natur- gemfig oft im Bereich sehr niedriger Gehalte liegen, ist bei der Interpretation yon Mef{- werten in diesen kritischen Bereichen beson- dere Vorsicht geboten! Mehrfachmessungen unter Ber6cksichtigung der statistischen Ge- setzm/if~igkeiten lassen aber auch bier ent- scheidungsf/ihige Aussagen zu, die Prfifer- gebnisse sind justitiabel.

Neben dem Problem der statistischen Abwei- chung besteht jedoch das noch viel schwieri-

gere Problem der Richtigkeit. W~ihrend die Reproduzierbarkeit einer Methode durch sorg- f~iltige Einhaltung des methodischen Arbeits- ablaufes und durch physikatische Vorkeh- rungen am Mef~vorgang selbst gew~ihrleistet werden kann, ist umfassende Sachkennmis und h6chste Kritikf~ihigkeit des Analytikers gefordert, wenn es darum geht, die Richtig- keit des Resultates einer Analyse zu beurtei- len. Diese systematische Abweichung der Megwerte kann noch am besten dutch Ver- wendung yon Standard-Referenzproben be- grenzt und durch Einsatz verschiedener, von- einander unabhfingiger Analysenverfahren gepr6ft werden; auch Vergleichstests ver- schiedener Laboratorien (Ringversuche) er- lauben oft Riickschlfisse auf mangelnde Rich- tigkeit, da voneinander unabbSngige Labo- ratorien selten dem gteichen systematiscben Fehler unterliegen. Eine universeli zuverliis- sige Methode for dessen Vermeidung gibt es jedoch nicht.

Der zur Entscbeidung geforderte Beamte oder Richter m6chte vietleicht - das mag verst/indlich sein - das schwierige Problem der Richtigkeit gerne ignorieren. Dies jedoch kann der verantwortungsbewugte Analyti- ker nicht oder zumindest nicht ohne schr er- hebliche Einschrfinkungen akzeptieren.

Ohne Zweifel sind die Standpunkte der justi- tiabilit~it und der naturwissenschaftlich er- mittehen Genauigkeit ethisch und praktisch zu rechtfertigen. Die Verunsicherung unserer in Umwehfragen 6bersensibilisierten Gesell- schaft kann jedocb nicht mit verschiedenen Beurteilungskriterien konfrontiert werden. Sie erfordert plausible Klarstellungen.

Im Bemuhen um solche Klarstellung sollen auch einmal mehr mit aller Deutlichkeit die beiden zu unterscheidenden Grenzwerte defi- niert werden:

1.Der Schutzwert, der yon Human- und Okotoxikologie in Kooperation mit der

Medizin festgelegte Grenzwert, dessen 0berschreitung nach dem Stand der Er- kennmisse nicht geduldet werden darf, um Personengruppen am Arbeitsptatz, auf der Straf~e, in Wohnungen, Verbraucher yon Lebensmitteln etc. vor gesundheitlichen Sch~iden zu sch/itzen und

2. der Vorsorgewert, der sich entweder an technischen M6glichkeiten oder auch oft an der yon der modernen Analytik reali- sierbaren Nachweisgrenze yon Stoffen und Stoffgruppen orientiert und dem das Bestreben zugrunde liegt, naturfremde Stoffe in bestimmten Matrices zu vermei- den (Null-Hypothese).

Die stfindige Vermischung dieser beiden Be- griffe ist oft Ursache vieler nutzloser, emo- tional geffihrter Diskussionen, beispidsweise bez/iglich der Pflanzenschutzmittelrfickst{in- de im Trinkwasser. Es sotlte einvernehmlich das Ziel sein, aufkl/irend und versacMichend auf den (grof~en) Tell der Bev6tkerung zu wirken, dem diese Zusammenbfinge nicht gelfiufig sein k6nnen. Die mit hoher Verant* wortung und grof~er Kritikf~ihigkeit kompe- tenter Fachleute erarbeiteten Ergebnisse mfissen problembezogen und enmtionsfrei bewertet werden. Analytiker und Toxikolo- gen sowie die Nutzer toxikologisch bewerte- ter analytischer lnformationen bei Beh6rden und Ministerien sollten bestrebt sein, dutch Hare, kompetente und verantwortbare Beur- teilung der Gegeber~heiten zu Entscheidun- gen beizutragen, die yon der Gesetlschaft verstanden und somit akzeptiert werden k6nnen.

Prof. Dr. tq. Giinzler, Bismarckstr. 4, D-6940 Weinbeirn

* Dieses Thema war Gegenstand einer Podiumsdis- kussion anl/if~lich des 1 lth International Sympo- sium on Microchemical Techniques, veranstaltet yon der Fachgruppe .Analytische Chemie" der GDCh am 29, August 1989 in Wiesbaden.

BGA-Empfehlung zum Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen mit Pflan- zenbehandlungs- und Sch~id- lingsbek/imp fungsmitteln

Das Bundesgesundheitsamt in Berlin hat im Juli 1989 eine BGA-Empfehlung zum Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen mit Pflanzenbehandlungs- und ScMdlingsbek~imp-

fungsmitreln herausgegeben (~ Bundesge- sundheitsblatt 1989, S. 29Off). Anlaf~ ist das Inkrafitreten des Grenzwertes fiir derar- tige Verunreinigungen am 1. Oktober 1989. Die Regierungen der Bundeslfi.nder hatten das Bundesgesundheitsamt im vergangenen Jahr um n~ihere fachliche Angaben zum Votl- zug der Trinkwasserverordnung gebeten.

In der Trinkwasserverordnung wurde f6r Pflanzenschutzmittel ein Grenzwert von 0,1 Millionsrel Gramm pro Einzelstoff oder 0,5 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser

(0,5 Millionstel Gramm) f/ir die Summe al- ler Pflanzenbehandlungs- und Sch~idlingsbe- kfimpfungsmittel festgelegt. Das Bundesge- sundheitsamt hatte diesen Wert seit/iber 15 Jahren in der Diskussion zur EG-Trinkwas- ser-Richflinie vertreten. Jede ldberschreitung des Grenzwertes sotlte vermieden werden. Eine Reihe von Wasserversorgungsunterneh- men kann allerdings die Einhahung des Grenzwertes erst nach entsprechenden Sanie- rungsmagnahmen sicherstellen.

2 0 UWSF - Z. Umweltchem. Okotox. 2 (1) 20 - 22 (1990) �9 ecomed verlagsgesetlschaft mbh, Landsberg �9 Z6rich