30

Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

  • Upload
    others

  • View
    7

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur
Page 2: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Wolfgang Brezinka

Gesammelte Schriften - Band 1

Aufklärung über Erziehungstheorien

Page 3: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur
Page 4: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Wolfgang Brezinka

Aufklärung über

Erziehungstheorien Beiträge zur Kritik der Pädagogik

Ernst Reinhardt Verlag München Basel

Page 5: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

WoLFGANG BREZINKA, geb. 9. 6. 1 928 in Berlin. Nach Lehrtätigkeit an den Universitäten Würzburg und Innsbruck derzeit Professor der Erziehungswissenschaft an der Universität Konstanz.

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Brezinka, Wolfgang: Gesammelte Schriften I Wolfgang Brezinka. -München ; Basel : E. Reinhardt. NE : Brezinka, Wolfgang : [Sammlung]

Bd. 1. Brezinka, Wolfgan g : Aufklärung über Erziehungstheorien. - 1 989

Brezinka, Wolfgang: Aufklärung über Erziehungstheorien : Beiträge zur Kritik der Pädagogik I Wolfgang Brezinka. -München ; Basel : E. Reinhardt, 1 989

(Gesammelte Schriften I Wolfgang Brezinka ; Bd. 1) ISBN 3-497-0 1 1 69-X

© 1 989 by Wolfgang Brezinka, Konstanz

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für photom.echanische Vervielfältigungen und Mikroverfilmungen. Alle anderen Rechte wie Ubersetzungen in andere Sprachen, Verwertung in Rundfunk und Fernsehen, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sind dem Autor vorbehalten, ihre Verwertung ist ohne dessen schriftliche Zustimmung unzulässig.

Printed in Germany

pr
Schreibmaschinentext
ISBN 3-497-01169-X PDF-ISBN 978-3-497-60681-8
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
pr
Schreibmaschinentext
Page 6: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Vorwort

Die Pädagogik ist ein Wissensgebiet, in dem große Verwirrung herrscht. Es gibt darin mehr widersprüchliche Meinungen als gesicherte Erkennt­nisse, mehr Wunschvorstellungen als Wirklichkeitssinn, mehr weltan­schauliche Glaubenssätze als wissenschaftliche Argumente.

Diese Mängel hängen damit zusammen, daß die Erziehung alle interessiert, die Menschen im Sinne der eigenen Ideale beeinflussen wollen. Darum sind Erziehungstheorien überwiegend praktische Theo­rien, die durch das Menschenbild, die Wertordnung und die Normen der Gruppe mitbestimmt sind, deren Erziehungspraxis sie dienen sollen. Je nach den religiösen, weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen ihrer Urheber und Anhänger haben sie verschiedene normative Inhalte . In Gesellschaften, die weltanschaulich pluralistisch sind, gibt es schon aus diesem Grunde vielerlei Erziehungstheorien nebeneinander. Zugleich führt aber auch der Wunsch, die Spaltung zu überwinden, zu allerlei Gedankengebäuden, die Entlehnungen aus mehreren Richtungen enthalten, welche logisch nicht zusammenpassen.

Dazu kommt noch, daß an wissenschaftlich bewährtem Erfahrungs­wissen über Erziehung, das praktisch genutzt werden kann, weniger vorhanden ist, als man den Erziehern bieten möchte . Deshalb müssen die Lücken mit Vermutungen gefüllt werden, die aus dem Alltagswissen stammen und von unterschiedlichem Wahrheitsgehalt sind . Das führt dazu, daß es auch in empirischer Hinsicht sehr verschiedene Erzie­hungstheorien mit großen Qualitätsunterschieden gibt. Um der Zer­splitterung entgegenzuwirken, wird immer wieder versucht, sie irgend­wie zusammenzufügen und zugleich mit normativen Ideen anzurei­chern. Aus Mangel an Kritik und logischer Konsequenz kommt dabei j edoch selten mehr heraus als eine oberflächliche Verknüpfung unver­einbarer Bestandteile . Nicht Klarheit und Ordnung, sondern Unklar­heit und Wirrwarr überwiegen im Erscheinungsbild der Pädagogik.

Dieses Durcheinander erschwert das klare Denken über Erziehungs­fragen und behindert den Erkenntnisfortschritt. Der krisenhafte Zustand der Pädagogik wirkt sich auf das gesamte Erziehungswesen nachteilig aus, weil die Qualität der pädagogischen Ausbildung und Fortbildung hauptsächlich von der Qualität der Erziehungstheorien

5

Page 7: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

abhängt, die den Lehrern, Sozialpädagogen und sonstigen Erziehern vermittelt werden.

Wie läßt sich dieser Mißstand überwinden? Mir scheint, daß man es in drei Schritten versuchen sollte : 1 . durch Aufklärung über die Mängel der vorhandenen Erziehungstheorien, also durch Kritik der Pädagogik ; 2 . durch eine schärfere Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen, philosophischen und praktischen Erziehungstheorien ; 3. durch gehalt­vollere Beiträge zu jeder dieser drei Klassen pädagogischer Theorien.

Ich habe seit mehr als dreißig Jahren an der Verwirklichung dieses Programmes mitgearbeitet. Im vorliegenden 1 . Band meiner Gesam­melten Schriften sind die wichtigsten Beiträge vereint, die der Kritik der Pädagogik gewidmet sind. Manche davon haben heftige Diskussionen ausgelöst, die noch immer anhalten . Dazu gehören vor allem jene Texte, die 1 966/67 zum sogenannten >>Positivismusstreit« in der deutschen Pädagogik geführt haben und deren Nachdruck seit langem von vielen Seiten gewünscht worden ist. Der umfangreichste Beitrag über >>Soziali­sation und Erziehung<< , der eine Kritik der unglaublichen Begriffsver­wirrung bietet, die in diesem Themenkreis herrscht, wird hier erstmals veröffentlicht.

Ich widme dieses Buch dem Andenken an vier Wegbereiter der Empirischen Erziehungswissenschaft, die mir ihre Freundschaft geschenkt und mich bei meiner kritischen wie systematischen Arbeit ermutigt haben :

AnoLF BusEMANN ( 1 8 87 - 1 967) JüSEF DOLCH ( 1 899 - 197 1 ) RUDOLF LOCHNER ( 1 895 - 1 978) fRIEDRICH WINNEFELD ( 1 9 1 1 - 1 968) .

Konstanz, am 1 . Dezember 1 988

6

Wolfgang Brezinka

Page 8: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil : Auf der Suche nach einer wirklichkeitsnahen Pädagogik ................... .

Die Pädagogik und die erzieherische Wirklichkeit Erziehung und >>Erziehungswirklichkeit<< . . . . . Die für das Erreichen von Erziehungszielen bedeutsame Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Abneigung gegen empirische Erziehungstheorien Aktuelle Aufgaben pädagogischer Forschung . . . . .

I. Die Erforschung der Erziehung im Wirkungs­zusammenhang aller menschenformenden Einflüsse Erziehung und Sozialisation 20

II. Kritik der Wirkungen von Erziehungseinrichtungen und

1 1

1 2

1 2

1 6 1 7 1 9

20

typischen Formen des erzieherischen Handeins . . . . . . 22

Wirkungen von Erziehungseinrichtungen 24 - Wirkungen von typi­schen Formen des erzieherischen Handeins 26 - Das ideale Modell eines kontrollierten Experiments 27 - Ein Experiment über die Ver­hütung von Jugendkriminalität 30 - Möglichkeiten der qualitativen Analyse 3 3

III . Analyse der Voraussetzungen normativer Urteile 36 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Eine kritische Prinzipiengeschichte der Erziehungswissenschaft . . . . . . . . . 4 1

I . Wissenschaftstheoretische Grundlagen . . . 43 I I . Kritik der deutschen Pädagogik des 1 9 . und

20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III . Ein Programm der Empirischen Erziehungswissenschaft 54

Rudolf Lochner: Ein Wegbereiter der Empirischen Erziehungswissenschaft . . . . . . . . . . 62

I. LocHNER als Erzieher . . . . . . . . . . . . . . 64 II . LocHNER als Erziehungswissenschaftler . . . . . 7 1

LocHNERS Metatheorie der Erziehung 7 2 - LOCHNERS System der Erziehungswissenschaft 74

7

Page 9: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Zweiter Teil : Der sogenannte Positivismusstreit in der deutschen Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Die Krise der wissenschaftlichen Pädagogik im Spiegel neuer Lehrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

I . Wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Pädagogik 80 Was ist Wissenschaft? 81 - »Pädagogik• oder »Erziehungswissen­schaft•? 82 - Forderungen an pädagogische Lehrbücher 84

Il . Zur >>Systematischen Pädagogik« von HuBERT HENZ . 86 III . Zur >>Einführung in die Pädagogik<< von FRITZ MÄRZ . 1 04 IV. Folgerungen und Forderungen . . . . . . . . . . . 1 1 7

Über den Wissenschaftsbegriff der Erziehungswissenschaft und die Einwände der weltanschaulichen Pädagogik 122 Über den Anlaß der Diskussion . . . . . . . . . . . . . 123 Über Aufgaben und Form wissenschaftlicher Kritik . . . 1 24 Über die Taktik des Ausweichens in die Transzendental-philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Über die Taktik, dem Gegner Ansichten zuzuschreiben, die er nie geäußert hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 30 Wissenschaftsbegriff und Methodenpluralismus . . . . 1 39 Zu den Einwänden gegen das methodische Prinzip der Werturteilsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 47 Begriffe, Kategorien und die Klarheit der wissenschaftlichen Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Über die Beziehungen zwischen der Erziehungswissenschaft und der traditionellen philosophischen Pädagogik . . . . . 1 5 7

Über den begrenzten Nutzen wissenschaftstheoretischer Reflexionen für ein System der Erziehungswissenschaft . 1 60

I . HERZOGS Bild von BREZINKAS >>System der Erziehungs-wissenschaft« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 63

I I . Berichtigung eines Zerrbildes . . . . . . . . . . . . . . 1 65 Verwechslung von »Begründung• und Voraussetzungen 1 65- Erfun-dene Widersprüche über Gesetzesaussagen und ihren erziehungsprak-tischen Nutzen 1 68

III . Aufklärung weiterer Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . 1 72 Zum Erziehungsbegriff 1 72 - Zum Kausal- bzw. Determinismus­Problem 1 77 - Zur Technologie der Erziehung 181- Zu den Bezie­hungen zwischen Erziehungstheorien und erzieherischem H andeln der Erzieher 1 84

IV. Ausblick : Wege zur Überwindung der Krise der wissen­schaftlichen Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 87

8

Page 10: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Dritter Teil : Kritik der Begriffsverwirrung 1 9 1

Sozialisation und Erziehung 0 1 92

I. Die Begriffsverwirrung im Problemkreis >>Sozialisation« 0 1 92 I I . Bedeutungsanalyse des Wortes >>Sozialisation<< 1 95

1 . Bedeutungen des Wortes •sozial<< 1 96 20 Politisch-ökonomische Bedeutungen von •Sozialisation<< 1 98

a. Vergesellschaftung als Entprivatisierung von Wirtschaftsgütern 1 98

b. Herbeiführung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung 1 98 3. Soziologisch-psychologisch-pädagogische Bedeutungen von

»Sozialisation<< 1 99 a. Gruppenbezogene Sozialisationsbegriffe 1 99 b. Personbezogene Sozialisationsbegriffe 200 c. Unklarheiten über das Verhältnis zwischen Sozialisation

und Erziehung 204 d. Beispiele für den Sprachgebrauch in der anglo-amerikanischen

Spezialliteratur : PARSONS 207 - CHILD 208- ZIGLER und CHILD 209 - ELKIN 2 1 1 - BRIM 2 1 2- CLAUSEN 2 1 4 - GOSLIN 2 1 6 -lNKELES 218 - SECORD und BACKMAN 2 1 9

e. Beispiele aus der deutschen Spezialliteratur : WuRZBACHER 222 -CLAESSENS 223 - NEIDHARDT 223 - HABERMAS 225 - MOLLEN­HAUER 226 - FEND 227 - Rorn 230 - KucKARTZ 232 - FRöHLICH 235 - RössNER 237- GEULEN 241 - Kos 242 - HEINZ 248 -KNüLL 249 - HURRELMANN 250

4 . Klassifikation der personbezogenen Sozialisationsbegriffe 252 a. Prozeß-Begriffe der Sozialisation 252

Sozialisation als intrapersonaler Vorgang 253 Sozialisation als Werden der Persönlichkeit 253 - Sozialisa­tion als Lernvorgang 254

Sozialisation als sozial-kultureller Beeinflussungsvorgang 255 Sozialisation als Kombination von extrapersonalen und intra­personalen Vorgängen 257 Sozialisation als Erziehung 259

b. Produkt-Begriffe der Sozialisation 259 III . Bewertung der Sozialisationsbegriffe 0 0 0 0 0 0 260

1. Kritik der Bedeutung •Sozialisation als Erziehung<< 261 20 Einwände gegen die übrigen Bedeutungen 263

a. Kritik des Begriffsmerkmals •soziale Persönlichkeit<< 264 bo Kritik des Begriffsmerkmals >>Summe aller (persönlichkeits­

determinierenden) Vorgänge<< 265 c. Kritik der Umdeutung eines kausalen Geschehens-Begriffes

in einen finalen Handlungs-Begriff 267 3 . Ergebnis und Vorschläge 269

»Modelle« in Erziehungstheorien 0 0 0 . 0 . . . 271 I. Bedeutungen des Wortes >>Modell<< außerhalb der

Pädagogik 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 273 Zur Sprachgeschichte und zum außerwissenschaftlichen Sprachge-brauch 273 - Zum Sprachgebrauch in den empirischen Wissenschaften 275 - Zum Sprachgebrauch in den Formalwissenschaften Logik und Mathematik 280

9

Page 11: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

I I . Bedeutungen des Wortes »Modell<< in der Pädagogik und in der Metatheorie der Erziehung . . . . . . . . . . . . . 282

1 . •Modell« a ls Lehrmittel 282 - 2. als Gegenstand der Nachahmung 284 - 3 . als Prototyp 285 - 4. als Plan 286 - 5. als Versuch 288 - 6. als Kategorie 289 - 7. als Leitvorstellung 290 - 8. als Vorbild 291 - 9. als Welt im Kleinen 291 - 10 . als psychische Vorstellung 292 - 1 1 . als Paradigma 294 - 12 . als Theorie 295 - 1 3 . als empirische Theorie 298 -14 . als mathematische Theorie 299 - 1 5 . als partieller Vorentwurf einer Theorie 299

III . Kritik und Ausblick

,. Konflikterziehung«

I. Analyse der Wortbedeutungen I I . Analyse der theoretischen Grundannahmen

Zum Menschen- und Gesellschaftsbild 3 1 0 - Zu den Zwecken 3 1 1 -Zu den Mitteln 3 1 3

300

303

304 309

III. Hinweise zur Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 15

Empirische Gesichtspunkte 3 1 5 - Normative Gesichtspunkte 3 1 8

Vierter Teil : Die Zukunft der Pädagogik 321

Empirische Erziehungswissenschaft und andere Erziehungstheorien: Differenzen und Verständigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 322

I . Der Richtungsstreit in der Pädagogik . . . . . . . . . . 322 II. Aufklärung über die Empirische Erziehungswissenschaft 328

III . Verständigungsmöglichkeiten und ihre Grenzen . 333

Literaturverzeichnis 337 Personenregister . . 359 Sachregister . . . . 365 Veröffentlichungsnachweise 371

10

Page 12: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Erster Teil

Auf der Suche nach einer wirklichkeitsnahen Pädagogik

>> Ich liebe die pädagogische Theorie, doch nicht pädagogisches Geschwätz. Manchmal aber wird jedes Geschwätz als pädagogische Theorie bezeich­net. Ich wünsche eine wirkliche pädagogische Theorie. <<

A. s. MAKARENKO 1 974, S. 3 1 4 .

1 1

Page 13: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Die Pädagogik und die erzieherische Wirklichkeit

Erziehung und »Erziehungswirklichkeit«

Jeder V ersuch, die Pädagogik als Erfahrungswissenschaft zu begründen, geht von der unbestreitbaren Tatsache aus, daß es Erziehung gibt und immer gegeben hat1 • Dementsprechend ist die Pädagogik die >>Wissen­schaft von der Kulturtatsache Erziehung<< genannt worden. Ihr Gegen­stand sei j ener »Ausschnitt aus der Wirklichkeit des Kulturlebens der Menschheit, den wir Erziehung nennen<<2 . Dieser Ausschnitt ist vielfach als »Erziehungswirklichkeit<< bezeichnet worden3 . Für die wissen­schaftliche Theorie der Erziehung wurde gefordert, daß sie von der »Erziehungswirklichkeit<< auszugehen habe4• Was das bedeutet, hängt selbstverständlich davon ab, was man unter »Erziehung<< versteht.

In der Umgangssprache wie in der pädagogischen Fachsprache hat man unter »Erziehung<< im strengen Sinne des Wortes von jeher Handlungen verstanden, die der Absicht entspringen, aus einem anderen Menschen etwas Bestimmtes zu machen, seinem Inneren eine bestimmte Gestalt zu geben5• Erzieherisches Handeln ist absichtliches, zweckbestimmtes, zielgerichtetes Handeln ; es ist bewußte Zwecktätig­keit. Der erzieherisch Handelnde (Erzieher) will durch sein Handeln bewirken, daß der Mensch, auf den es sich richtet (der Zu-Erziehende oder Educand) , einem für ihn gesetzten Ideal möglichst ähnlich wird. Erziehung nennen wir j ene sozialen (d. h . auf Mitmenschen gerichteten) Handlungen, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychi­schen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauer­haft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten6• Mit dem Begriff der psychischen Disposition sind Erlebnis- und Verhaltensbereitschaften aller Art gemeint, also Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen, Einstellungen,

I MARTINAK 1 928, S. 1 5 . 2 A. FISCHER 1 969, s. 1 5 . 3 Vgl. u.a. FRISCHEISEN-KöHLER 1 962, S . 5 6 ; 1 92 1 , S . 3 0 , S . 48ff. 4 NOHL 1 949, s. 1 1 9 . 5 Vgl . z.B. WAITZ 1898, S. 4 1 ; ZILLER 1 90 1 , S. 6 . 6 VgJ. ßREZINKA 1 98 1 a, S . 70 ff.

1 2

Page 14: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Gesinnungen, Überzeugungen, Tugenden, Wissen, Können usw. Die jeweils für einen Educanden als Soll-Zustand oder als Ideal gesetzten psychischen Dispositionen (bzw. Dispositionsgefüge) werden als Ziele der Erziehung angesehen.

Untersucht man einmal genau, welchen Reizen Educanden im Laufe eines Tages ausgesetzt sind7, dann zeigt sich, daß erzieherische Hand­lungen selten sind. Sie machen nur einen sehr geringen Teil der Einflüsse aus, die aufEducanden wirken. Weitaus die meisten dieser Einflüsse sind ••unbewußte und absichtslose Einwirkungen auf den Zögling, wie sie von der äußeren Natur, von der Umgebung, ja vom Erzieher selbst ausgehen«8 •

Wenn man nun der Erziehungswissenschaft a ls Gegenstand lediglich die » Kulturtatsache Erziehung<< oder die >>Erziehungswirklichkeit« zuweist, dann ergibt sich beim Festhalten am überlieferten Handlungs­Begriff der Erziehung folgende Schwierigkeit. Der Gegenstand zeigt sich als eine Summe von vereinzelt auftretenden erzieherischen Hand­lungen, die durch Abstraktion künstlich aus der Fülle wechselseitiger Sozialbeziehungen (sozialer Interaktionen), in die sie in Wirklichkeit eingebettet sind, herausgelöst werden. Eine begriffliche Unterschei­dung erzieherischer Handlungen von allen übrigen Handlungen ist zwar für den Entwurf von Theorien über Erziehung notwendig, aber solche Theorien können nur fruchtbar sein, wenn ihr Gegenstand nicht auf erzieherische Handlungen (sowie auf die Ziele, die Subjekte und die Objekte solcher Handlungen) beschränkt wird. Wie fragwürdig es ist, Erziehung losgelöst von den Lebensumständen, vom unreflektierten Umgang und von den ungeplanten Erfahrungen der Beteiligten zu untersuchen, klingt schon in einer Bemerkung SCHLEIERMACHERs über die Erziehungstätigkeit der Eltern an : >>ihre erziehende Tätigkeit verteilt sich ihnen unter ihr ganzes übriges Leben und tritt nicht gesondert hervor«9•

Angesichts dieser Sachlage sind einige Erziehungstheoretiker auf den Gedanken gekommen, nicht nur den kleinen Wirklichkeitsausschnitt der >>Erziehungswirklichkeit« , sondern auch das »ganze übrige Leben« zum Gegenstand der Erziehungswissenschaft zu erklären. Beeindruckt von der Unmenge der Einflüsse, die auf Menschen wirken, haben KRIECK, PETERSEN und ScHNEIDER neue Erziehungsbegriffe eingeführt, die mit dem, was bisher unter »Erziehung« verstanden worden ist, wenig gemeinsam haben. Sie haben die Unterscheidung zwischen Erziehung und Leben, zwischen zielgerichtetem Handeln und zweckfreiem

7 Minutiöse Angaben darüber bei BARKER und WRIGHT 1 95 1 und 1 954. 8 ZILLER 1 90 1 , s. 5. 9 ScHLEIERMACHER 1 957, S . 7.

1 3

Page 15: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Geschehen, zwischen absichtlichem Tun und zufälligen Einflüssen aufgehoben und alle Geschehnisse, die den Menschen >> innerlich formen« 10, >>Erziehung« genannt. Für sie ist j ede soziale Einwirkung, welche in einem Menschen >>Formung hervorruft oder beeinflußt, wo immer sie herstamme« , j ede >>formende Wechselwirkung von Mensch zu Mensch<< , >>Erziehung<< . Dank dieser Umdefinition des Wortes >>Erziehung<< läßt sich dann z. B. die Tatsache, daß Menschen, die miteinander Umgang haben, einander unter anderem auch unabsichtlich beeinflussen, in dem Satz ausdrücken : >>Alle erziehen alle j ederzeit<< 1 1 • ScHNEIDER hat den neuen >>weiten Erziehungsbegriff<< sogar s o weit gefaßt, daß er nicht nur auf alle von Menschen ausgehenden Einflüsse, sondern auch auf >>die gesamten nicht-personalen Einflüsse der sachli­chen Umwelt, der Landschaft, des Klimas, des Raumes usw. << anwend­bar ist12• Legt man diesen >>weiten Erziehungsbegriff<< zugrunde, dann wird selbstverständlich auch der Begriff der >>Erziehungswirklichkeit<< so weit, daß er sämtliche Geschehnisse in der Außenwelt, durch die Menschen beeinflußt, geformt oder verändert werden, umfaßt.

Einzelne Autoren sind im Umdefinieren noch weiter gegangen und verstehen unter >>Erziehung<< nicht nur äußere Geschehnisse, sondern auch innerpersönliche Veränderungen, wobei zwischen spontanen seelischen Vorgängen und solchen, die als Reaktion auf äußere Reize erfolgen, nicht unterschieden wird. Das Wort >>Erziehung<< erhält hier also noch zusätzlich zu den bisher genannten Bedeutungen die weitere Bedeutung : >>Werden der Persönlichkeit<< bzw. >>Lernvorgänge« , die daran beteiligt sind. So umschreibt PETERSEN >>Erziehung<< als einen >>Vorgang der Anpassung, des Hineinlebens, richtiger fast des Hinein­gelebtwerdens in die Gemeinschaft, ein organisches Werden durch soziale Assimilation<< 1 3 . DERBOLAV meint, die Erziehungswirklichkeit sei >>monadischer Struktur<< . Das eigentlich >>Wirkliche<< der Erziehung sei >>die produktive Selbstverwirklichung des Kindes<< 14 •

Durch Begriffsbestimmungen dieser Art wird die Gesamtheit aller äußeren und inneren Vorgänge, welche die Persönlichkeit eines Men­schen beeinflussen, als >>Erziehungswirklichkeit<< ausgegeben. Erkennt man die so verstandene >>Erziehungswirklichkeit<< als Gegenstand der Erziehungswissenschaft an, dann wird diese zur Wissenschaft vom Werden der Persönlichkeit und von allen äußeren und inneren Bedin­gungen, die daran beteiligt sind. Eine solche Wissenschaft mag man für

1 ° F. ScHNEIDER 1953, S. 12. 1 1 KRIECK 1922, S. 47. 12 F. ScHNEIDER 1953, S. 14. 13 PETERSEN 1924, S. 104; 1931, S. 6. 14 Vgl. DERBOLAV 1959, s. 6ff.

14

Page 16: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

möglich und erstrebenswert halten, aber sie wäre gewiß nicht das, was bisher mit dem Programm einer Erziehungswissenschaft als Erfah­rungswissenschaft gemeint gewesen ist.

Die Erweiterung des Anwendungsbereiches des Erziehungsbegriffes auf Kosten seines Inhaltes vermehrt weder unser Wissen, noch ist sie geeignet, Klarheit über den Gegenstand einer Wissenschaft von der Erziehung zu schaffen. Zu dieser Klarheit kann man nur gelangen, wenn man von der Bedeutung ausgeht, die wirkliche erzieherische Handlun­gen für den Handelnden haben. Sie werden stets als Mittel zum Zweck verstanden. Sie werden nur deswegen ausgeübt, weil der Handelnde in seinem Partner etwas erreichen will und seine Handlung für ein dazu geeignetes Mittel hält.

Der erste und alles andere bestimmende Bestandteil der Erziehungs­wirklichkeit sind also die Ziele, die Erzieher verfolgen. Die verschieden­artigen Handlungen, die unter dem Begriff der Erziehung zusammenge­faßt werden, geschehen um solcher Ziele willen . Ob sie im konkreten Fall für die Erreichung der gewollten Ziele wirksam sind, läßt sich j edoch nie mit Sicherheit sagen. Vielleicht wären unter den gegebenen Umstän­den ganz andere Formen des Handeins zweckmäßiger. Die wichtigste Frage, die Erzieher stellen, lautet deshalb : was kann ich tun, um das gesetzte Ziel zu erreichen ? Oder abstrakter ausgedrückt : welche Mittel sind für meinen Zweck geeignet ?

Diese Frage läßt sich aufgrund bloßer Beschreibungen der » Kulturtat­sache Erziehung<< oder der >>Erziehungswirklichkeit<< (im engeren Sinne) nicht beantworten . Eine Untersuchung der wirklichen erzieheri­schen Handlungen kann uns lediglich eine Übersicht verschaffen über das, was im Laufe der Geschichte von Menschen schon versucht worden ist, um die Persönlichkeit anderer Menschen so zu beeinflussen, daß sie den für sie gesetzten Idealen möglichst ähnlich werden. Eine solche Übersicht ist zwar wissenswert, aber eine wissenschaftliche Grundlage für das künftige erzieherische Handeln kann daraus allein nicht gewon­nen werden. Wenn die Erziehungswissenschaft einen Beitrag zur Lösung der Aufgaben der Erziehungspraktiker leisten soll, dann ist ihr zentrales Problem nicht die »Erziehungswirklichkeit<< als solche in ihren unzähligen geschichtlichen Erscheinungsformen, sondern dann sind es die Beziehungen zwischen den für Menschen gesetzten Soll-Zuständen der Persönlichkeit (Idealen) und den Mitteln, die angewendet werden können, um sie zu verwirklichen. So verstanden ist die Erziehungswis­senschaft nicht eine nur Erziehungsphänomene beschreibende, sondern eine teleologisch-kausalanalytische Wissenschaft15 •

ts VgJ. BREZINKA 1 978, 5. 59 ff.

15

Page 17: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Die für das Erreichen von Erziehungszielen bedeutsame Wirklichkeit

Bei dieser Fragestellung ist es selbstverständlich, daß der Wirklichkeits­ausschnitt, der als Gegenstand der Erziehungswissenschaft anzusehen ist, mehr umfassen muß als bloß das erzieherische Handeln . Was gesucht wird, sind die Bedingungen für bestimmte Persönlichkeitsänderungen, pädagogisch ausgedrückt : die Bedingungen für die Verwirklichung von Erziehungszielen, soweit sie im Bereich der Handlungsmöglichkeiten von Erziehern liegen. Deshalb ist nicht die »Erziehungswirklichkeit<< , sondern die für das Erreichen von Erziehungszielen bedeutsame (oder wichtige) Wirklichkeit Gegenstand der Erziehungswissenschaft .

Es ist in der Pädagogik häufig daran erinnert worden, daß die Erziehung in bezug »auf das, was außer ihr auf den Zögling einwirkt« 1 6, untersucht werden müsse. Vor allem ScHLEIERMACHER hat zu berück­sichtigen versucht, daß die erzieherischen Handlungen >>VOn zufälligen Einwirkungen umgeben sind, von Reizen, die von außen auf den Zögling einwirken, oder aus seinem lnnern entstehen«, und die dem, was durch Erziehung bezweckt wird, oft widersprechen 17. W AITZ hat schon 1 852 ohne j ede Illusion über die Erfolgsmöglichkeiten des erzieherischen Handeins auf die Komplexität des Bedingungsgefüges der als Erziehungsziel gesetzten Persönlichkeitsverfassungen aufmerk­sam gemacht. >>Das Endresultat einervieleJahre lang fortgesetzten Reihe von Einwirkungen, die von der ganzen Umgebung des Zöglings in äußerst verschiedener, vielfach widerstreitender Weise auf ihn ausgeübt wurden« , stehe >>Unter einer solchen Menge von Bedingungen« , daß die Erzieher zufrieden sein müßten, wenn es gelinge, daß die Persönlich­keitsverfassung, die der Educand schließlich erwirbt, wenigstens in ihren Hauptzügen dem Erziehungsziel nicht widerspricht18 . Nach LocHNER können »die Tatsachen und die Gesetze der Erziehung« gar nicht dargestellt werden, >>ohne vorher das Wirklichkeitsganze kennen gelernt zu haben, an und in dem Erziehung erscheint« 19•

Es hat also nicht der Einführung eines neuen >>weiten« Erziehungsbe­griffes bedurft, um die ungeheure Komplexität der am Werden der Persönlichkeit beteiligten Vorgänge und die Abhängigkeit des Erfolgs erzieherischer Handlungen von anderen Bedingungen zu erkennen. Trotzdem ist in der Pädagogik bis heute nur wenig darüber zu finden, wie erzieherische Handlungen im Wirkungszusammenhang mit den

16 ScHLEIERMACHER 1 957, S. 5 1 . 1 7 ScHLEIERMACHER 1 957, S . 66. 18 WAITZ 1898, S. 45 . 1 9 LOCHNER 1 967, S . 10 .

1 6

Page 18: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

übrigen menschenformenden Faktoren konkret vor sich gehen und welche Folgen sie unter welchen Bedingungen jeweils haben. Das ist zum Teil durch die relativ langsamen Fortschritte benachbarter Diszipli­nen, insbesondere der Psychologie und der Soziologie, zu erklären. Es sei nur daran erinnert, wie wenig wir erst über das fundamentale Problem der Bildsamkeit wissen.

Die Abneigung gegen empirische Erziehungstheorien

Eine andere und bedenklichere Ursache liegt j edoch in der grundsätzli­chen Abneigung gegen empirische Erziehungstheorien, die bei zahlrei­chen pädagogischen Autoren anzutreffen ist. Die ersten Versuche, empirische Methoden auch in die Pädagogik einzuführen, die sich z . B . bei ERNST MEUMANN20, WILHELM AuGUST LAY21, MARIA MoNTESSORI22, ALOYS FISCHER2\ PETER PETERSEN24 und RuDOLF LocHNER25 finden, wurden häufig nur deswegen geringgeschätzt oder gar zurückgewiesen, weil mit ihnen gelegentlich der unberechtigte Anspruch verbunden gewesen ist, auch die Ziele der Erziehung und die Auswahl der Unterrichtsinhalte auf rein empirischer Grundlage bestimmen zu können. Es war notwendig, solche auf ihre Weise wirklichkeitsblinde Einseitigkeit abzuwehren26, aber das berechtigt nicht dazu, auf empiri­sche Methoden auch bei der Lösung jener pädagogischen Probleme zu verzichten, für die sie durchaus brauchbar wären, ja die ohne sie gar nicht gelöst werden können.

Eine realistische Betrachtung der für die Erreichung von Erziehungs­zielen bedeutsamen Wirklichkeit muß mit dem Verständnis für ihre ungeheure Komplexität beginnen. Daraus folgt, daß auch die Denkar­beit, mittels derer diese Wirklichkeit zu erfassen versucht wird, nicht anders als äußerst kompliziert und vielgestaltig sein kann. Alle einfachen Lösungsversuche verkennen die Situation. Jede Erkenntnis ist partiku­lar, keine erschöpfend. Deshalb kommt es darauf an, alle möglichen Gesichtspunkte und Methoden zu nutzen, empirische wie philosophi­sche, statt sie als einander ausschließende Alternativen anzusehen.

Es heißt durchaus nicht die philosophischen Probleme, die mit der

20 MEVMANN 1 920 und 1 920/22. 21 LAY 1 920. 22 MONTESSORI 1 9 1 3 . 23 A. FISCHER 1 95 1 . 24 Vgl. PETERSEN 1 934 ; MüLLER-PETERSEN 1 95 1 ; SLOTTA 1 968. 25 LOCHNER 1 967 und 1 934. 26 Vgl. NoHL 1 949, S . 1 1 4 ff.

1 7

Page 19: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Erziehung zusammenhängen, geringschätzen, wenn man für die Päd­agogik eine möglichst breite Basis empirisch gewonnener Erkenntnisse anstrebt. Ihre Geschichte, aber auch ihr unbefriedigender Stand in der Gegenwart lehren deutlich genug, wie schwierig es ist, zu informations­reichen und relativ bewährten Theorien der Erziehung zu gelangen. Darum sollte man einen so philosophisch orientierten Erziehungstheo­retiker wie EDUARD SPRANGER sehr ernst nehmen, wenn er schreibt, daß aus der pädagogischen Besinnung erstdann >>eine Art von Wissenschaft<< werde, >>wenn man alles heranholt, was die Kenntnisse der Epoche über die Welt und den Menschen und ihr Verhältnis zueinander zur Verfügung stellen<< . Dieser Vorrat sei dann zentral auf die Erziehung zu beziehen27.

Man kann nicht sagen, daß sich diese realistische, für j edes empirisch gewonnene Wissen offene Auffassung schon genügend durchgesetzt hätte. J OSEF DOLCH bemerkt in einem Bericht über die Gegenwartspäd­agogik, daß >> ein Rückstand in den empirisch-pädagogischen Forschun­gen nicht verkannt werden« könne28, und GEORG GEISSLER spricht von der >>beinahe unermeßlichen Fülle von Forschungsaufgaben« , die in der Erziehungswissenschaft noch zu bewältigen seien29 .

Dieses nüchterne Problembewußtsein ist j edoch nicht überall anzu­treffen. Es wird häufig übersehen, daß die Pädagogik als Wissenschaft noch in den ersten Anfängen steckt. Man sollte geradezu von der Voraussetzung ausgehen, daß beim gegenwärtigen Stand unseres Wis­sens jede Theorie der Erziehung inadäquat und unvollständig sein muß . Die Situation ist zwar nicht mehr so bedrückend, wie sie MAKARENKO erschien, als er im Jahre 1 920 nach der Lektüre zahlreicher pädagogi­scher Schriften zu der Überzeugung kam, daß er >>mit diesen Büchern keinerlei Wissenschaft in den Händen hatte und auch keine Theorie<< , sondern daß die Theorie erst aus der Summe der sich vor seinen Augen abspielenden realen Erscheinungen geschaffen werden müsse30. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß die Pädagogik auch heute noch eher ein Forschungsprogramm als eine voll ausgebaute Wissenschaft ist3 1 •

Immer noch besteht die Neigung, Hypothesen aufzustellen und Theorien zu bilden, bevor die relevanten Tatsachen ausreichend bekannt sind. Das Gefährliche daran ist der Mangel an methodischem Bewußt­sein : bloße Hypothesen verwandeln sich unkontrolliert in vermeintlich gesichertes Wissen ; Abstraktionen werden nicht mehr als solche

27 SPRANGER 1 973, S . 375. 28 DoLCH 1 953, Sp. 266 ; vgl. auch KROH 1 954, S . 1 78 ff. 29 G. GEISSLER 1 957, S . 1 42 . 30 MAKARENKO 1 953, S . 20 ; ähnlich MoNTESSORI 1 9 1 3 , S. l ff. 3 1 Vgl. hierzu auch H . Rorn 1 958 und 1 962.

1 8

Page 20: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

erkannt ; die von der Erfahrung abgeschnittene Spekulation über Begriffe erscheint als Auseinandersetzung mit der Sache32 . Auf diese Weise wird häufig Wissen nur vorgetäuscht und Scheinwissen überlie­fert . Daß so etwas in größerem Ausmaß überhaupt möglich ist, dürfte zum Teil durch die großen wissenschaftlich unausgebildeten Berufs­gruppen bedingt sein, die mit Erziehung zu tun haben und daher von der Pädagogik Aufklärung und Orientierung erwarten. Unter dem Druck der Erziehungspraktiker wie der Erziehungspolitiker sollen die Erzie­hungstheoretiker Fragen beantworten, die sie nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung gar nicht sicher beantworten können. Bliebe man sich der Grenzen des vorhandenen Wissens bewußt, so wäre es durchaus kein Schaden, zu aktuellen Problemen auch pädagogische Meinungen, Überzeugungen und "Erfahrungen<< zu äußern, die möglicherweise irrig sind . Sie sollten nur nicht kritiklos hingenommen werden und den Weg für die mühevolle weitere Forschung verstellen .

Aktuelle Aufgaben pädagogischer Forschung

Ohne empirische Forschung bleibt die Pädagogik in der unfruchtbaren Wiederholung von inhaltsarmen "Prinzipien« stecken, in vagen Ideen, wirklichkeitsfernen Konstruktionen und wenig überzeugenden philo­sophischen Ableitungen, vor allem auch in nicht durchschauten Abhän­gigkeitsverhältnissen weltanschaulicher (oder ideologischer) Art. Selbst neue philosophische Gesichtspunkte, wie z . B. die der Existenzphiloso­phie3\ können nur nützlich werden, wenn sie mit einer vermehrten Kenntnis der Wirklichkeit einhergehen. "Eine Wissenschaft, die sich nicht in bloße Allgemeinweisheiten und Spekulationen verlieren will, braucht ein breites Fundament von Einzeluntersuchungen empirischer Art<<34 .

Unter diesem Gesichtspunkt sei im Folgenden auf drei Problemkreise hingewiesen, die in besonderem Maße vermehrter Bearbeitung bedür­fen, soll die für die Erreichung von Erziehungszielen bedeutsame Wirklichkeit genauer erfaßt werden :

I. die Erforschung des realen erzieherischen Handeins im Wirkungs­zusammenhang aller menschenformenden Einflüsse, die von Gesellschaft und Kultur ausgehen ;

32 Vgl. z .B . PETZELT 1 96 1 . JJ Vgl. BOLLNOW 1 959. 34 G. GEISSLER 1 957, s. 142 .

1 9

Page 21: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

I I . eine Kritik der Wirkungen von Erziehungseinrichtungen und typischen Formen des erzieherischen Handeins als Voraussetzung für eine wirklichkeitsnahe pädagogische Planung ;

III . eine Analyse der verborgenen Voraussetzungen philosophischer, theologischer und weltanschaulicher (oder ideologischer) Art, die in den Diskussionen über Ziele und Normen der Erziehung wirksam sind.

I. Die Erforschung der Erziehung im Wirkungszusammenhang aller menschenformenden Einflüsse

Diese Aufgabe deckt sich teilweise mit der, die ALOYS FISCHER schon im Jahre 1 9 1 4 der >>deskriptiven Pädagogik<< gestellt hat. Was er damals über das Verhältnis der pädagogischen Theorie zur Erziehungspraxis gesagt hat, ist auch heute noch aktuell : >>sie kritisiert oder begründet, reformiert oder tradiert ; und das, was für alle diese Leistungen als Voraussetzung erforderlich ist, die genaue Beschreibung und Analyse des aktuellen pädagogischen Tuns, wird darüber so kurz wie möglich behandelt, gar nicht so ernst genommen, weil j eder meint, diese Tatsachen schon zu kennen, sobald er von ihrer Existenz weiß«35.

FISCHER wollte jedoch die >>deskriptive Pädagogik« nicht auf die Beschreibung erzieherischer Handlungen beschränken. Er war viel­mehr davon überzeugt, daß es notwendig sei, auch jene >>Tatbestände« , die eine bestimmte Wirkung auf Educanden haben, ohne daß ihnen eine erzieherische Absicht zugrundeliegt, in den Gegenstandsbereich der pädagogischen Forschung einzubeziehen. Das ergab sich für ihn zwingend aus der Tatsache der seelischen Plastizität im Jugendalter und aus der Erkenntnis, >>daß alle Erlebnisse Spuren hinterlassen, den Anfang zu Gewohnheiten legen und dadurch eine wesentliche Bedeu­tung für das Schicksal und die endliche geistige Form des Menschen erlangen«36•

Erziehung und Sozialisation

Erinnern wir uns daran, daß unter >>Erziehung« Handlungen verstanden werden, durch die ein Mensch in den Prozeß des Werdens der Persönlichkeit eines anderen Menschen einzugreifen versucht, um

35 A. FISCHER 1 95 1 , S . 8. 36 A . FISCHER 1 95 1 , s. 27.

20

Page 22: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Lernvorgänge zu unterstützen oder in Gang zu bringen, die zu psychischen Dispositionen führen, welche vom Handelnden als seinsol­lend angesehen werden. Das Wesentliche an dieser Begriffsbestimmung liegt darin, daß die erzieherischen Handlungen im Hinblick auf den angestrebten Erfolg lediglich als Versuche anzusehen sind, über deren Wirkung im vorhinein nichts auszumachen ist. Die erzieherischen Handlungen zielen auf Menschen, in denen schon ganz unabhängig davon zahlreiche reaktive und spontane Lernvorgänge vor sich gehen, die vom Erzieher nicht kontrolliert werden können. Man kann über die möglichen und die tatsächlichen Wirkungen der Erziehung so lange nichts sagen, wie man die erzieherischen Handlungen ohne Rücksicht auf konkurrierende Reize und isoliert von dem verwickelten System unkontrollierter Lernvorgänge, in das der Erzieher mit ihnen einzugrei­fen versucht, betrachtet. Hier hilft nur die sozialpsychologische For­schung zum Problemkreis >>Sozialisation<< weiter.

Unter »Sozialisation<< wird nach CHILD der Lernprozeß verstanden, »durch den ein Individuum, das mit einer enormen Variationsbreite von Verhaltensmöglichkeiten geboren wird, zur Ausbildung seines fakti­schen, weit enger begrenzten Verhaltens geführt wird - wobei die Grenzen des üblichen und akzeptablen Verhaltens durch die Normen der Gruppe, der es angehört, bestimmt werden<<37 •

Um zu einem klaren Begriff der Sozialisation zu gelangen, geht man am besten vom Werden der Persönlichkeit aus . Wir stellen es uns als Wechselwirkung von Reifungs- und Lernprozessen vor. Unter »Rei­fung<< wird die Entfaltung ererbter Erlebnis- und Verhaltensbereitschaf­ten unabhängig von Übung und Erfahrung verstanden. Unter Lernen verstehen wir einen psychischen Vorgang, der durch Erfahrung zum Neuerwerb oder zur Veränderung der psychischen Dispositionen für ein bestimmtes Erleben oder Verhalten führt38 • Dank ihrer großen Lernfähigkeit sind die Menschen imstande, gerade jene bestimmten Erlebnis- und Verhaltensbereitschaften zu lernen, die sie in der Gesell­schaft, in die sie hineingeboren werden, brauchen. Wenn man nun aus der Gesamtmenge der Lernvorgänge, die im Menschen vor sich gehen, gedanklich die Teilmenge jener Lernvorgänge ausgliedert, die zum Erwerb der für das geordnete soziale Zusammenleben notwendigen psychischen Dispositionen zum normgemäßen Erleben und Verhalten führen, gewinnt man den Begriff der Sozialisation.

Zwischen den als Sozialisation bezeichneten Lernvorgängen im Inneren des Menschen und den aus der Außenwelt auf ihn einströmen-

37 CHILD 1 954, S. 655. Zur Kritik vgl. in diesem Buch S. 208 f. 38 Vgl. BREZINKA 1 98 1 a, S. 84 f. und 1 78 f.

2 1

Page 23: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

den Reizen bestehen äußerst komplizierte und schwer durchschaubare Beziehungen. Eine Teilmenge aus der Gesamtmenge der äußeren Reize bilden jene Handlungen, die wir >>Erziehung« nennen. Sie werden von denen, die sie ausführen, für geeignete Mittel gehalten, um die in den Educanden ablaufenden Sozialisationsprozesse so zu beeinflussen, daß sich (unter anderem auch) j ene Lernergebnisse (psychische Dispositio­nen) einstellen, die die Erzieher sich zu »schaffen<< , >>herbeizuführen<< oder zu fördern vorgenommen haben.

Dieser kurze Hinweis auf die Beziehungen zwischen Erziehung und Sozialisation muß hier genügen, um zu verdeutlichen, warum von der Sozialisationsforschung wesentliche Beiträge zur Lösung erziehungs­wissenschaftlicher Probleme zu erwarten sind39• In der Sozialisations­forschung werden die Lernvorgänge untersucht, durch die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte aus dem lernfähigen, aber noch weitgehend plastischen, nicht-festgelegten Neugeborenen eine der Kultur ihrer Gesellschaft mehr oder weniger angepaßte Persönlichkeit entsteht. Darüber ist nur etwas zu erfahren, wenn man die Kultur (insbesondere das System der geltenden Normen) der j eweiligen Gesellschaft und die Bedingungen, unter denen sie (teilweise) angeeignet wird, in die Untersuchung einbezieht. Diese weitgespannte Thematik schließt viele Fragen ein, die in der Pädagogik seit langem gestellt worden sind : ich erwähne nur die Fragen nach den individuellen Unterschieden in der Lernfähigkeit (Bildsamkeit) und ihren Ursachen, nach den Bedingungen für das Entstehen gesellschaftsspezifischer Wertorientierungen, nach der Bedeutung von Lebensformen, Sitte und Beispiel, nach den Auswirkungen bestimmter Umwehen und bestimmter Formen des Umgangs usw. Ehe diese Fragen nicht wenigstens für gewisse typische Bedingungsgefüge beantwortet werden können, bleibt unser Wissen über den Nutzen bestimmter Formen des erzieherischen Handeins äußerst beschränkt.

II. Kritik der Wirkungen von Erziehungseinrichtungen und typischen Formen des erzieherischen Handeins

Mit der mangelnden Kenntnis der für die Erreichung von Erziehungs­zielen bedeutsamen Wirklichkeit hängt es zusammen, daß die pädagogi­sche Planung in vielen Fällen empirisch ungenügend gesichert ist. Erfolgreiche Planung setzt nicht nur voraus, daß der gewollte Endzu­stand und die Ausgangssituation bekannt sind, sondern es müssen auch

39 Grundlegend hierzu FEND 1 969.

22

Page 24: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

die Beziehungen zwischen den Maßnahmen, die möglich sind, und allen sonstigen wichtigen Faktoren wenigstens annähernd überblickt wer­den. Nur wenn das Verhältnis zwischen den vorgesehenen Maßnahmen und den übrigen in der Gesamtsituation wirksamen Kräften richtig eingeschätzt wird, läßt sich mit einem ausreichenden Grad von Wahr­scheinlichkeit sagen, ob sie als Mittel geeignet sind, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen.

Wo unter Berufung auf die Wissenschaft pädagogisch geplant oder zu pädagogischer Planung Stellung genommen wird, muß zumindest das Problembewußtsein für diese Zusammenhänge erwartet werden. Die sogenannten >>Erfahrungen<< , auf die sich Erziehungspraktiker wie Lehrer, Heimerzieher, Schulverwaltungsbeamte usw. gern berufen, sind zu begrenzt und unsystematisch, um als verläßliche Basis für Entscheidungen von großer Tragweite dienen zu können. Sie sind in ihrem Gesamtergebnis widerspruchsvoll, weil die Bedingungen, unter denen sie zustande gekommen sind, ganz verschieden, vielfach sogar unbekannt oder nicht mehr analysierbar sind. Schon allein die Tatsache, daß das soziale Ansehen und damit auch das Selbstbewußtsein der Erzieher vom tatsächlichen oder wenigstens vermeintlichen Erfolg ihrer Bemühungen abhängen, läßt vermuten, daß in die eigenen >>Erfahrun­gen« manche Wunschvorstellungen hineinprojiziert werden, wenn es um die Frage nach dem Erfolg von erzieherischen Handlungen und nach der Wirkung von Erziehungseinrichtungen geht40• Es wird häufig ungeprüft mit Wirkungen gerechnet, die gar nicht eintreten, oder die nur dann eintreten, wenn bestimmte Bedingungen, die bei der Planung übersehen wurden und daher unkontrolliert sind, mitgegeben sind.

Nun besteht kein Zweifel darüber, daß die Forschung auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen außerordentlich schwierig ist­gemessen an der Menge und Wichtigkeit der noch ungelösten Fragen könnte man fast sagen : entmutigend schwierig. Man muß sich nur das komplizierte Geflecht der Wirkungszusammenhänge klarmachen, das in j edem Augenblick vorhanden ist, um zu verstehen, warum bisher nur auf kleinen, leicht abgrenzbaren Sektoren die Auswirkungen verschie­dener Maßnahmen relativ exakt nachgeprüft worden sind. Ein Beispiel dafür bieten die Untersuchungen über die Vorzüge und Nachteile bestimmter Methoden des Lesenlehrens41 •

40 Vgl. SCHELER 1 955 . 41 Vgl. SCHMALOHR 1 96 1 .

23

Page 25: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Wirkungen von Erziehungseinrichtungen

Wie aber steht es mit unserer Kenntnis der Wirkungen, die Erziehungs­einrichtungen auf die Educanden haben, die ihnen ausgesetzt sind ? Weichen Beitrag leisten Schulen bestimmter Art, Kindergärten, Jugend­heime, Einrichtungen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenbil­dung zur Erreichung der Erziehungsziele, für die sie als geeignete Mittel angesehen werden ? Unter welchen Bedingungen erfüllen sie die Erwar­tungen? In welchem Ausmaß ?

Es würde sich z. B . lohnen, die Resultate der Erziehung in Kloster­schulen und kirchlich geleiteten Heimen daraufhin zu prüfen, ob ihr Zweck, religiös gefestigte Persönlichkeiten heranzubilden, wirklich erreicht wird oder ob lediglich eine gewisse oberflächliche Anpassung der Zöglinge zustande kommt42 • Ähnliches wäre unter anderen Aspek­ten für Landerziehungsheime, Werkschulheime und sonstige angebli­che >>Eliteschulen« zu erforschen.

Bedenkt man, welche unentbehrliche Aufgabe die Erziehungsein­richtungen in der modernen Gesellschaft erfüllen, wieviel Kapital in ihnen investiert ist, wieviel Energie und Lebenskraft in ihnen verbraucht wird und welche großen Erwartungen in sie gesetzt werden, dann erscheint es als dringend notwendig, so genau wie möglich zu prüfen, was sie wirklich leisten und wie sie verbessert werden könnten.

Leichter als die Wirkung einer Schule auf die Wertorientierung und die sittlichen Haltungen ihrer Schüler läßt sich das aus dem Gedächtnis abrufbare Wissen messen . Einschlägige Untersuchungen43 haben schon manche Illusion über den Unterrichtserfolg zerstört. Die Fehleranalyse hat gezeigt, daß die in den Lehrplänen gesetzten Ziele selten erreicht werden. Die Fülle des geforderten Stoffes kann nicht bewältigt werden ; manche Gebiete liegen ganz außerhalb des Fassungsvermögens eines Großteils der Klasse44 • Das sind heilsame Enttäuschungen, die dazu anspornen können, die stofflichen Anforderungen sorgfältiger auf die Leistungsfähigkeit der Schüler bestimmter Schultypen und Altersstufen abzustimmen und auch die angebotenen Lehrbücher entsprechend zu gestalten 45 •

Um die Wirkung bestimmter Formen von Erziehungseinrichtungen erforschen zu können, kommt man wahrscheinlich ohne vergleichende Längsschnittuntersuchungen (englisch : follow-up study) nicht aus . Ein Beispiel für solche Studien ist die von GLUECK über 1 000 kriminelle

42 Ansätze dazu bei FICHTER 1 958 . 4 3 Vgl. HYLLA 1 949 ; HoLZINGER 1 955 . 44 VgJ . u . a. WAGENSCHEIN 1 970. 45 Vgl. auch DoLCH 1 953 .

24

Page 26: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Jugendliche, die fünfzehn Jahre lang auf ihrem Weg durch Fürsorgean­stalten, Jugendgefängnisse und Schutzaufsicht verfolgt worden sind. Ein interessanter methodischer Gesichtspunkt ist darin der Hinweis, daß das in 40 Prozent der Fälle festgestellte Abklingen der Kriminalität gegen Ende des dritten Lebensjahrzehnts vorwiegend einem >>natürli­chen« Reifungsprozeß zuzuschreiben sei, nicht zuletzt auch dem Rückgang der überschüssigen Energie im ausgereiften, älter werdenden Organismus46• Der Zusammenhang zwischen erzieherischer Einfluß­nahme und straffreier Lebensführung in späteren Jahren ist also keineswegs so einfach, wie ein Blick auf die »Erfolgsstatistik« vermuten läßt.

Über die musterhafte Längsschnittuntersuchung einer Erziehungs­einrichtung zur Verhütung der Jugendkriminalität wird später noch berichtet werden47 • Werfen wir, um uns ein Bild von der Vielfalt möglicher Fragestellungen zu machen, zunächst noch einige Probleme auf. Welche nachweisbaren Unterschiede zeigen sich in Kinderheimen zwischen nach Alter und Geschlecht gemischten Gruppen und gleichge­schlechtlichen, altersmäßig einheitlichen Gruppen, wenn alle übrigen Bedingungen gleich sind ? Sind gemischte Gruppen nach dem Modell der SOS-Kinderdörfer HERMANN GMEINERS anderen Organisationsformen überlegen ? Für welche Persönlichkeitstypen und unter welchen Umständen ?48 Haben Ferienlager für Kinder oder internationale Arbeitslager für Jugendliche auf die Teilnehmer j ene Wirkung, die man sich von ihnen verspricht ? Was leisten Erziehungsberatungsstellen ? Welche Wirkungen haben Einrichtungen der Erwachsenenbildung ? Kann die bunte Vortragsfolge der durchschnittlichen Volkshochschule mit Recht als bildend im Sinne ihrer Statuten und ihrer propagandisti­schen Selbstdarstellung angesehen werden? Werwird von ihr erfaßt, und wie tief und dauerhaft ist der Einfluß ? Wie steht es mit Einrichtungen zur politischen oder zur religiösen Erziehung? Haben die Veranstaltungen, die dort durchgeführt werden, irgendeinen nachweisbaren Einfluß auf die Teilnehmer? Sind diese anders geworden als sie vorher waren ? Sind Veränderungen in den Einstellungen und im Verhalten auf die geplant vermittelten Lernangebote zurückzuführen oder auf andere V rsachen ? Oder zeigen sich positiv beurteilte Persönlichkeitsveränderungen viel­leicht sogar trotz bestimmter Maßnahmen, denen sie fälschlich zuge­schrieben werden ?

46 GLUECK und GLUECK 1 940, S. 264 ff. 47 Vgl. S. 30 ff. 48 Vgl. A. FLITNER I BITINER I VOLLERT 1 966.

25

Page 27: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Wirkungen von typischen Formen des erzieherischen Handeins

Als empirischer Kern der Pädagogik sind von jeher die Aussagen über die Mittel betrachtet worden, die zur Erreichung der Erziehungsziele geeignet sind. >>Die Pädagogik . . . ist wesentlich eine Erziehungsmittel­lehre<< 49• Der Ausdruck >>Erziehungsmittel« ist freilich mißverständlich, weil Erziehung als solche stets als Mittel im Rahmen einer Zweck­Mittel-Relation anzusehen ist. In der weiten Bedeutung des Wortes hat man darunter nicht nur die erzieherischen Handlungen, sondern auch die Einrichtungen und Organisationsformen zusammengefaßt, die um der Verwirklichung von Erziehungszielen willen geschaffen oder plan­mäßig gestaltet worden sind50• In der engen Bedeutung sind typische Formen des erzieherischen Handeins wie Unterrichten, Führen, Beloh­nen, Strafen, Ermutigen usw. gemeint. Solche typischen Handlungsfor­men werden häufig auch als Maßnahmen 51 , Verfahren oder Methoden der Erziehung52 bezeichnet.

In der Pädagogik werden seit Jahrhunderten unter verschiedenen Namen vielerlei Mittel beschrieben und als wirksam ausgegeben53 • Dabei ist jedoch häufig übersehen worden, daß Mittel nur im Zusam­menhang mit bestimmten Zielen und den jeweils gegebenen Bedingun­gen für die Erreichung dieser Ziele sinnvoll erörtert werden können. Wenn die Ziele unklar sind, ist es schon wegen dieser Unklarheit unmöglich, die Kausalfaktoren aufzufinden, welche die als Ziele gesetzten Persönlichkeitsverfassungen unter bestimmten Umständen bewirken. Doch selbst wenn Klarheit über ein Ziel besteht, trägt das noch nichts zur Kenntnis der Mittel bei. Was in einem konkreten Fall als Mittel geeignet ist, ist stets relativ zur Gesamtmenge der in einer Situation wirksamen Kräfte. Unabhängig von der Berücksichtigung des jeweils vorhandenen Wirkungszusammenhanges aller menschenfor­menden Einflüsse läßt sich kein vernünftig begründetes Urteil über den Nutzen irgendeines Mittels abgeben.

Auf diese Schwierigkeit hat schon HERBART hingewiesen : >>Einzelne Mittel . . . haben als einzelne gar keinen Wert und entscheiden nichts«54 • Auch MAKARENKO hat vor der isolierten Betrachtung von Mitteln gewarnt : >>Keine einzige Methode, welcher Art sie auch sei, kann überhaupt gut oder schlecht genannt werden, wenn sie isoliert von den

49 A. VOGEL 1 8 8 1 , S . 46. ><> Vgl. z .B . WAITZ 1 898, S . 93 ff. ; GöTILER 1 930. 5 1 Vgl. z.B. LocHNER 1 934, S . 1 44 ff. 52 Vgl. BREZINKA 1 9 8 1 b, s. 1 23 ff. 53 Vgl. SPIELER 1 944 ; BIRNBAUM 1 950 ; E. GEISSLER 1 973 . 54 HERBART 1 9 1 9, Bd. 3, S. 607.

26

Page 28: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

anderen Methoden, von dem ganzen System, vom Gesamtkomplex der Einflüsse untersucht wird<<55 •

Was sich unter diesen Umständen bestenfalls erreichen läßt, sind Einsichten in typische Bedingungsgefüge, wie sie in bestimmten Situationen gegeben sind, und in typische situationsspezifische Ein­griffsmöglichkeiten, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Nutzen sein können 56. Es handelt sich dabei um mehr oder weniger gut begründete Vermutungen, die immer nur für einen begrenzten Anwen­dungsbereich bis auf weiteres Geltung haben .

Um die Grenzen unseres Wissens auf diesem Gebiet ohne Illusionen beurteilen zu können, muß man sich klarmachen, wie schwierig in der empirischen Sozialforschung Beweise zu führen sind. Werfen wir dazu einen Blick auf die Methoden quantitativer und qualitativer Art.

Das ideale Modell eines kontrollierten Experiments

Um die Möglichkeiten und Grenzen quantitativ-statistischer Methoden richtig einschätzen zu können, ist es unerläßlich, stets das ideale Modell eines kontrollierten Experiments vor Augen zu haben, selbst wenn wir in der Praxis häufig davon abweichen müssen 57. Es läßt sich symbolisch in Form des folgenden Diagramms darstellen .

Experimentiergru ppe

Kontrollgruppe

vorher hinterher

I X I d ' = x '2 - x ' 1

Ob eine Differenz d auf einen Faktor hinweist, dem wir sie zuzurechnen geneigt sind, hängt davon ab, ob d bedeutend größer ist als d ' 58 .

Meistens sind wir nicht fähig oder ausdauernd genug, um Untersu­chungen zu planen, die alle vier Zellen dieses Diagramms enthalten. Manchmal sind nur die zwei oberen Zellen vorhanden, wie in folgendem

ss MAKARENKO 1 974, S . 1 2 1 . 56 Vgl. WINNEFELD 1 957, 5. 37 ff. 57 Nach STOUFFER 1 950, S. 356 ff. 58 Als Beispiel kann die Studie von PowERS und WITMER 195 1 dienen, über die im

nächsten Abschnitt berichtet wird.

27

Page 29: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Diagramm. In diesem Fall sind dieselben Personen oder Gruppen zweimal oder öfter zu verschiedener Zeit untersucht worden. Ein Beispiel dafür : eine Gruppe von gleichaltrigen Volksschulabsolventen,

ill d = x, - x,

die eben ihre Lehrzeit beginnen, wird in Hinsicht auf gewisse Haltun­gen, Einstellungen und Interessen untersucht. Im Laufe der Lehrzeit und nach ihrer Beendigung wird die Untersuchung der gleichen Variablen an den gleichen Personen mehrfach wiederholt. Daraus könnte man feststellen, welche Haltungen und Interessen sich verändert haben und in welcher Richtung. Es kann für die Beurteilung der Institution der Meisterlehre nützlich sein, darüber etwas zu wissen. Man kann jedoch mit dieser als Panel-Technik bekannten Methode die für die Veränderung verantwortlichen Faktoren nur indirekt erschließen.

Weniger ertragreich ist die folgende Anordnung. Hier haben wir zu einem gewissen Zeitpunkt ein Sampie (repräsentative Auswahl, >>Muster<< einer Gesamtheit) und zu einem späteren Zeitpunkt ein anderes . Nehmen wir an, die Merkmale, nach denen gefragt wird, sind

im späteren Sampie häufiger vertreten als im früheren. Um beim zuletzt erwähnten Beispiel zu bleiben : Wir können mittels dieser Methode unmöglich feststellen, welche Lehrlinge oder wenigstens welche Typen von Lehrlingen sich im Laufe der Lehrzeit geändert haben. Außerdem muß man stets damit rechnen, daß die beiden Sampies von Anfang an verschieden gewesen sein können, so daß die sich beim Vergleich ergebenden Unterschiede nicht ohne weiteres jenen Faktoren zuge­schrieben werden können, die im Zeitraum zwischen beiden Untersu­chungen wirksam gewesen sind.

Ebenso unverläßlich ist die folgende Methode. Hier werden zwei Gruppen gleichzeitig studiert und miteinander verglichen, z. B. alters­gleiche Klassen verschiedener Schultypen, oder eine Gruppe von

28

Page 30: Wolfgang Brezinka Gesammelte Schriften -Band...Gesammelte Schriften -Band 1 Aufklärung über Erziehungstheorien Wolfgang Brezinka Aufklärung über Erziehungstheorien Beiträge zur

Kindern in Familienpflege mit einer Gruppe aus einer Fürsorgeerzie­hungsanstalt oder einem Kinderdorf. In welchem Ausmaß Unterschiede

Xz

x 'z

im Verhalten zwischen x ' 2 und x2 auf die in den verschiedenen Schultypen bzw. Heimen und Pflegeplätzen gemachten Erfahrungen zurückzuführen sind und wieweit sie lediglich auf schon früher vorhandenen individuellen Besonderheiten beruhen, die gerade für den Weg in die betreffende Institution mitbestimmend gewesen sind, läßt sich nicht ausmachen . Hier sind allen möglichen unkontrollierten Variablen Tür und Tor geöffnet.

Es gibt schließlich sogar Studien, bei denen von unserem idealen Modell nur mehr eine Zelle übrigbleibt. Hier weiß man im Grunde gar

nichts sicher, kann aber immer noch »glänzende Analysen« schreiben, wenn man aus der Phantasie plausible Vermutungen heranzieht, um die fehlenden Zellen zu ersetzen . Ein Beispiel dafür : Man ist vielfach der Meinung, die >>Jugend von heute« sei ungebildet, leistungsschwach, skeptisch, egoistisch und sexuell zügellos, so daß die Gesellschaft ernstlich gefährdet sei. Man füllt also die punktierte Zelle, die die eigene Jugend der Zeitkritiker repräsentiert, mit hypothetischen Daten, so daß x1 für die erwachsene Generation und x2 für deren Kinder steht.

Auf dieser dürftigen Grundlage kommt es dann zu »Vergleichen« , die wissenschaftlich wenig fruchtbar sind. Als Beispiel sei an die großange-

29