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WETTINGEN 5 WOCHE NR. 02 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 Um 6.20 Uhr fährt Chauffeur Re- mo Walde mit dem Aargauer Staatswagen, einem Mercedes S Class, in Wettingen ein. Zwischen Wohnblocks und Einfamilienhäu- sern hält er in einem ganz norma- len Quartier mitten im Zentrum auf einem unauffälligen Garagen- vorplatz an. Er gehört zum Einfa- milienhaus der Familie Dieth. Ein paar Minuten später öffnet sich das weisse hölzerne Gartentor. Markus Dieth kommt im dunklen Anzug mit Aktentasche in der Hand aus dem Haus und nimmt hinter dem Beifahrersitz Platz. Um 6.32 Uhr fährt der Wagen auf die Autobahn Richtung Aarau. «Wie geht es dir?», fragt Regie- rungsrat Dieth den Chauffeur, plaudert kurz mit ihm und wid- met sich dann seiner dicken gel- ben Mappe, in der die Unterlagen zu den Themen und Terminen ge- sammelt sind, die an diesem Don- nerstag anstehen. Dieth zieht ein halbes Dutzend A5-Blätter aus der Mappe. Darauf ist die Grussbotschaft abgedruckt, die er am Abend an der Swiss Start-up Challenge im Campus- saal in Brugg-Windisch halten wird. Er nutzt die knapp zwanzig- minütige Fahrzeit, um sie durch- zugehen, nimmt einen Kugel- schreiber und ändert den Schluss zu: «Seien Sie mutig, behalten Sie ihre Kreativität und handeln Sie. Denn wer nicht handelt, wird be- handelt.» Damit gibt er der Rede, die seine dreiköpfige Kommuni- kationsabteilung für ihn vorge- schrieben hat, seine persönliche Note. Wer Dieth kennt, hat diesen Aufruf zum Handeln, um nicht be- handelt zu werden, schon öfters gehört. Als Gemeindeammann schrieb Dieth die meisten Reden selber. Aus Zeitgründen sei das heute nicht mehr möglich, sagt er und fügt an, dass alles mehr durch- getaktet sei: «Auf Kantonsebene wird eine Liga höher gespielt.» Und trotzdem: Er lässt es sich nicht nehmen, seine Reden anzupassen und hin und wieder selber zu schreiben. «Wenn die Rede ganz persönlich ist, wie zum Beispiel diejenige der Landammannfeier, schreibe ich sie auch heute selber», so Dieth. Er freue sich auf das Jahr als Landammann, er ist der erste Wettinger, der dieses Amt innehat. ALS LANDAMMANN wird Markus Dieth den Kanton dieses Jahr an rund 200 Anlässen vertreten. Das sind etwa doppelt so viele wie als «normaler» Regierungsrat. Dieth freue sich darauf. Als ehemaliger Ammann ist er es gewohnt, auch abends viel unterwegs und bei den Leuten zu sein. «Die Nähe zur Bevölkerung habe ich als Regie- rungsrat am Anfang ein bisschen vermisst. Auf Kantonsebene ist man etwas weiter weg als in der Gemeinde, wo man fast alle kennt», sagt er, während er aus dem Auto steigt, das mittlerweile im Aarauer Telli eingefahren ist. Es mache ihm nichts aus, von Fremden angesprochen zu wer- den und wenig Privatsphäre zu haben. Denn Markus Dieth mag Menschen und die Menschen mö- gen ihn. Der Beweis dafür sind die über 60 000 Stimmen, die er als Neuling bei den Regierungsrats- wahlen vor drei Jahren erhielt und den Einzug als einziger Nicht-Bisheriger im ersten Wahl- gang schaffte. Es sei ihm wichtig, auch als Regierungsrat am Boden zu bleiben. «Ich bin immer noch derselbe, auch als Regierungsrat, oder nicht?», fragt er die Fotogra- fin und die Journalistin, die ihn an diesem Tag für den Zeitungsbe- richt begleiten und ihn schon kannten, als er noch als Anwalt ar- beitete und vor 18 Jahren seine politische Karriere im Wettinger Einwohnerrat startete. «BIS SPÄTER», verabschiedet sich Markus Dieth beim Gehen vom Chauffeur. Den Fahrdienst des Kantons nimmt er in dieser De- zemberwoche an drei Tagen in Anspruch. Immer dann, wenn er wie heute auswärtige Termine hat und froh ist, die Zeit während der Autofahrt zum Arbeiten nutzen zu können. Kurz vor sieben Uhr tritt der Re- gierungsrat im 21. Stock des Telli- Hochhauses in sein Büro. Darin stehen Digitalpiano und dunkle Büromöbel, auf dem Pult je ein Schweizer-, Bündner- und Aargau- erfähnlein und ein Meter mit Wettinger Logo. Es sind Dieths persönliche Sachen, die ihn an Davos, wo er aufwuchs, und Wet- tingen, «wo meine Heimat ist», er- innern. Das Mobiliar hat er sich als Anwalt gekauft, von 2008 bis 2016 ins Gemeindeammann-Büro mitgenommen und tut nun seit drei Jahren auch in Aarau seine Dienste. Seine persönliche Assistentin Sonja Huber hat ihm bereits ein Dutzend in der Nacht eingegange- ne Mails auf den Schreibtisch ge- legt. Bevor er um halb acht die Ab- teilungsleiter zur Sitzung trifft, notiert er, welche Mails wie bear- beitet werden müssen, und gibt sie zur Erledigung wieder ans Se- kretariat zurück. Anderthalb Stunden dauert das anschliessende Treffen mit den Lei- tenden der Abteilungen Finanzen, Human Ressource, Immobilien, In- formatik, Landwirtschaft, Statis- tik, dem kantonalen Steueramt und der Generalsekretärin Patricia Kettner. Gesamthaft sind die acht Abteilungen des Departements Fi- nanzen und Ressourcen für rund 650 Mitarbeiter und 5,9 Milliarden Franken verantwortlich. Weil das Finanzdepartement besonders vie- le Schnittstellen hat, ist es wichtig, dass Dieth sein Kader auch darüber informiert, was bei den anderen Regierungsräten ansteht. An die- sem Morgen gibt eine Mitarbeite- rin zudem Auskunft über den Ver- lauf des Digitalisierungsprojekts «smart Aargau». Nach einer kurzen Kaffeepause verschwinden die Kaderleute wie- der und Dieth trifft sich im Büro der Generalsekretärin zum Rap- port mit der Abteilungsleiterin Statistik, Andrea Plüss. Sie und ihr 14-köpfiges Team arbeiten in ei- nem anderen Gebäude. Einmal im Monat trifft Dieth sie zum Rap- port, wie er die Arbeitsbespre- chung nennt. Die Sitzung ist klar strukturiert. Anträge und Unterla- gen zu den Sitzungsthemen hat Dieth vorgängig erhalten. Er habe im Militär gelernt, strukturiert zu arbeiten und zu führen: Aussage, Erkenntnis und Konsequenz sind zu seinen Leitfragen geworden. Die Menschlichkeit geht trotz- dem nicht unter, wie die Arbeits- besprechung zeigt. Er hört Plüss zu, fragt nach und sagt am Schluss: «Die Mitarbeitenden mer- ken, ob man ehrlich zu ihnen ist.» NACH EINER DREIVIERTELSTUNDE, so lange dauert eine Arbeitsbespre- chung in der Regel, steht bereits die nächste an. An diesem Arbeits- tag ist es die Besprechung zum Re- formvorhaben Immobilien mit Urs Heimgartner. Er ist seit einem Jahr Kantonsbaumeister und so- mit für alle kantonalen Liegen- schaften zuständig. 2,3 Milliarden Franken beträgt das Portfolio der kantonalen Immobilien. Auf einer Landkarte zeigt Heimgartner, wel- che Projekte anstehen. 75 Prozent aller Gebäude seien älter als 40 Jahre, der Sanierungsbedarf ent- sprechend gross. «Nun ist fertig mit Pflästerlipolitik, wir müssen viel Geld investieren», sagt Dieth. Im Anschluss trifft sich der 52- Jährige mit einem Mitarbeiter zum Koordinationsgespräch. Währenddessen sagt Generalse- kretärin Patricia Kettner, mit dem Wechsel des Departementsvorste- hers habe sich das Arbeitstempo im Betrieb erhöht: «Markus Dieth ist extrem schnell und hat einen grossen Gestaltungswillen. Für ei- nige Mitarbeiter war das anfäng- lich recht anstrengend. Dank sei- ner wertschätzenden, leiden- schaftlichen Art kommt er trotz- dem sehr gut an.» Sie muss es wis- sen, denn sie arbeitet seit elf Jah- ren im Finanzdepartement. Dieth hat sie vor zwei Jahren zur Gene- ralsekretärin befördert. Sie ist die erste Frau, die in der kantonalen Verwaltung eine solche Stelle be- setzt. MITTLERWEILE ist es Mittag. Rund 60 Mitarbeitende haben sich im Personalrestaurant zum Weih- nachtsessen eingefunden. Für Dieth eine Selbstverständlichkeit, sich unter die Mitarbeitenden zu mischen. Mit vielen ist er per du, rühmt den Wein, den ein Mitar- beiter aus seinem eigenen Reb- berg zur Weihnachtsfeier mitge- bracht hat, und antwortet auf die Frage der Journalistin, was ihn im Berufsleben am meisten geprägt hat: «Als Student habe ich bei der Flughafenpolizei gearbeitet. Da habe ich viel fürs Leben gelernt.» Auch in einer Gärtnerei habe er damals gejobbt, das sei ihm lieber gewesen, als mit den anderen Stu- denten zu fachsimpeln. Zwei Stunden dauert das Mittag- essen. Trotzdem reicht es nicht fürs Dessert. Im Büro der General- sekretärin wartet bereits Sandra Thut. Die Standortförderin der Ge- meinde Wettingen organisiert die Landammannfeier mit und geht die Tischordnung mit Dieth durch. Zusammen mit seiner Tochter Ari- ane hat er am Vorabend einen Ent- wurf gemacht. Nun folgt der Fein- schliff. Dieth ist wichtig, dass sich die Gäste wohlfühlen, und er wägt ab, welche Tischkonstellation passt. Nach einer Stunde steht der Plan und er verabschiedet sich von Thut mit den Worten: «Ich schlafe nochmals darüber und maile sie dir morgen.» In der Zwischenzeit hat das Se- kretariat alle Unterlagen für die wöchentlich stattfindende Regie- rungsratssitzung auf Dieths Pult gelegt. Ein gut gefüllter Ordner voller Akten. Bevor der Regie- rungsrat für die Fahrt nach Brugg abgeholt wird, ist Zeit fürs Akten- studium eingeplant. Doch er kommt nicht dazu, weil diverse Telefonate anstehen und er die Be- sucher aufs Telli-Hochhausdach führt. Hier, auf dem höchsten Aar- gauer Gebäude, in 85 Metern Hö- he, ist die ganze Region bis über die Kantonsgrenze hinaus zu se- hen. «Eindrücklich», sagt der Fi- nanzdirektor nachdenklich, wäh- rend sein Blick über die Land- schaft schweift: «Eigentlich scha- de, dass ich so selten hier oben bin.» Kurz darauf sitzt er wieder hinter den Akten. Er kommt nicht weit und nimmt sie deshalb nach Hause, um sie am Wochenende zu studieren und sich auf die Sitzun- gen vorzubereiten. UM ZWANZIG NACH FÜNF UHR steigt er wieder in den Staatswagen und geht die Rede ein letztes Mal durch, ehe er den Chauffeur an- weist, ein paar Schritte vor dem Campussaal anzuhalten. Bevor er vor versammeltem Publikum sei- ne Grussbotschaft überbringt, geht er an den Ständen der Jungunter- nehmer vorbei und lässt sich ihre Produkte und Ideen zeigen. Am Stand des Habsburger Start-ups Gluehweinwerk unterhält sich der Regierungsrat mit Student Mirko Hess, der ihm seine Glühweinmi- schung zum Probieren mitgibt. Die beiden ahnen noch nicht, dass die- ses Projekt den Wettbewerb kurz darauf gewinnt. Die Jungunterneh- mer haben Dieths Ratschlag, mu- tig und kreativ zu handeln, um nicht behandelt zu werden, umge- setzt, noch bevor sie seine Rede hörten. Nach der Prämierung gra- tuliert Dieth den Gewinnern, mischt sich beim Apéro unter die Gäste, ehe er um halb neun den Campussaal verlässt und nach Hause gefahren wird. Auch wenn er als Regierungsrat nicht mehr in Wettingen wohnen müsste, kommt für ihn ein Umzug nicht infrage: «Wettingen ist und bleibt neben Davos meine Heimat. Hier habe ich meine Basis, hier wohnen meine Freunde.» Um neun Uhr abends öffnet Markus Dieth sein Gartentor er- neut und verabschiedet sich mit den Worten: «Heute war ein eher lockerer Tag, normalerweise ste- hen mehr Termine an.» Und sie werden auch im Jahr als Landam- mann nicht weniger – im Gegen- teil. Doch Markus Dieth freut sich darauf: «Auf die vielen Begegnun- gen mit den Menschen, die ich dieses Jahr als Landammann ha- ben werde.» Sagts und verschwin- det im Haus. Wahlfeier für die Bevölkerung in der Doppelturnhalle Bezirksschule, Dienstag, 14. Januar, ab 17.30 Uhr. Wettingens erster Landammann Markus Dieth freut sich auf die Menschen Der ehemalige Wettin- ger Gemeindeammann und heutige Regie- rungsrat Markus Dieth ist seit dem 1. Januar Aargauer Landammann. Am Dienstag findet in Wettingen die Wahlfeier statt. Die Limmatwelle hat ihn vorgängig einen Tag lang begleitet. MELANIE BÄR «Die Nähe zur Bevölke- rung habe ich als Regie- rungsrat am Anfang ein bisschen vermisst.» MARKUS DIETH, REGIERUNGSRAT «Markus Dieth ist extrem schnell.» PATRICIA KETTNER, GENERALSEKRETÄRIN «Wettingen ist und bleibt neben Davos meine Heimat.» MARKUS DIETH Markus Dieth im Finanzdepartement im Telli in Aarau. Gaby Kost Limmatwelle, 09. Januar 2020

WETTINGEN WOCHE NR. 02 5 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 ... · WETTINGEN WOCHE NR. 02 6 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 Ankunft im Telli im Staatswagen. Urs Heimgartner informiert übers Reformvorhaben

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Page 1: WETTINGEN WOCHE NR. 02 5 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 ... · WETTINGEN WOCHE NR. 02 6 DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020 Ankunft im Telli im Staatswagen. Urs Heimgartner informiert übers Reformvorhaben

WETTINGEN 5WOCHE NR. 02DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020

Um 6.20 Uhr fährt Chauffeur Re-mo Walde mit dem AargauerStaatswagen, einem Mercedes SClass, in Wettingen ein. ZwischenWohnblocks und Einfamilienhäu-sern hält er in einem ganz norma-len Quartier mitten im Zentrumauf einem unauffälligen Garagen-vorplatz an. Er gehört zum Einfa-milienhaus der Familie Dieth. Einpaar Minuten später öffnet sichdas weisse hölzerne Gartentor.Markus Dieth kommt im dunklenAnzug mit Aktentasche in derHand aus dem Haus und nimmthinter dem Beifahrersitz Platz.Um 6.32 Uhr fährt der Wagen aufdie Autobahn Richtung Aarau.

«Wie geht es dir?», fragt Regie-rungsrat Dieth den Chauffeur,plaudert kurz mit ihm und wid-met sich dann seiner dicken gel-

ben Mappe, in der die Unterlagenzu den Themen und Terminen ge-sammelt sind, die an diesem Don-nerstag anstehen.

Dieth zieht ein halbes DutzendA5-Blätter aus der Mappe. Daraufist die Grussbotschaft abgedruckt,die er am Abend an der SwissStart-up Challenge im Campus-saal in Brugg-Windisch haltenwird. Er nutzt die knapp zwanzig-minütige Fahrzeit, um sie durch-zugehen, nimmt einen Kugel-schreiber und ändert den Schlusszu: «Seien Sie mutig, behalten Sieihre Kreativität und handeln Sie.Denn wer nicht handelt, wird be-handelt.» Damit gibt er der Rede,

die seine dreiköpfige Kommuni-kationsabteilung für ihn vorge-schrieben hat, seine persönlicheNote. Wer Dieth kennt, hat diesenAufruf zum Handeln, um nicht be-handelt zu werden, schon öftersgehört. Als Gemeindeammannschrieb Dieth die meisten Redenselber. Aus Zeitgründen sei dasheute nicht mehr möglich, sagt erund fügt an, dass alles mehr durch-getaktet sei: «Auf Kantonsebenewird eine Liga höher gespielt.» Undtrotzdem: Er lässt es sich nichtnehmen, seine Reden anzupassenund hin und wieder selber zuschreiben. «Wenn die Rede ganzpersönlich ist, wie zum Beispieldiejenige der Landammannfeier,schreibe ich sie auch heute selber»,so Dieth. Er freue sich auf das Jahrals Landammann, er ist der ersteWettinger, der dieses Amt innehat.

ALS LANDAMMANN wird MarkusDieth den Kanton dieses Jahr anrund 200 Anlässen vertreten. Dassind etwa doppelt so viele wie als«normaler» Regierungsrat. Diethfreue sich darauf. Als ehemaligerAmmann ist er es gewohnt, auchabends viel unterwegs und beiden Leuten zu sein. «Die Nähe zurBevölkerung habe ich als Regie-rungsrat am Anfang ein bisschenvermisst. Auf Kantonsebene istman etwas weiter weg als in derGemeinde, wo man fast allekennt», sagt er, während er ausdem Auto steigt, das mittlerweileim Aarauer Telli eingefahren ist.

Es mache ihm nichts aus, vonFremden angesprochen zu wer-den und wenig Privatsphäre zuhaben. Denn Markus Dieth magMenschen und die Menschen mö-gen ihn. Der Beweis dafür sind dieüber 60 000 Stimmen, die er alsNeuling bei den Regierungsrats-wahlen vor drei Jahren erhieltund den Einzug als einzigerNicht-Bisheriger im ersten Wahl-gang schaffte. Es sei ihm wichtig,auch als Regierungsrat am Bodenzu bleiben. «Ich bin immer nochderselbe, auch als Regierungsrat,oder nicht?», fragt er die Fotogra-fin und die Journalistin, die ihn andiesem Tag für den Zeitungsbe-richt begleiten und ihn schonkannten, als er noch als Anwalt ar-beitete und vor 18 Jahren seinepolitische Karriere im WettingerEinwohnerrat startete.

«BIS SPÄTER», verabschiedet sichMarkus Dieth beim Gehen vom

Chauffeur. Den Fahrdienst desKantons nimmt er in dieser De-zemberwoche an drei Tagen inAnspruch. Immer dann, wenn erwie heute auswärtige Termine hatund froh ist, die Zeit während derAutofahrt zum Arbeiten nutzenzu können.

Kurz vor sieben Uhr tritt der Re-gierungsrat im 21. Stock des Telli-Hochhauses in sein Büro. Darinstehen Digitalpiano und dunkleBüromöbel, auf dem Pult je einSchweizer-, Bündner- und Aargau-erfähnlein und ein Meter mitWettinger Logo. Es sind Diethspersönliche Sachen, die ihn anDavos, wo er aufwuchs, und Wet-tingen, «wo meine Heimat ist», er-innern. Das Mobiliar hat er sich

als Anwalt gekauft, von 2008 bis2016 ins Gemeindeammann-Büromitgenommen und tut nun seitdrei Jahren auch in Aarau seineDienste.

Seine persönliche AssistentinSonja Huber hat ihm bereits einDutzend in der Nacht eingegange-ne Mails auf den Schreibtisch ge-

legt. Bevor er um halb acht die Ab-teilungsleiter zur Sitzung trifft,notiert er, welche Mails wie bear-

beitet werden müssen, und gibtsie zur Erledigung wieder ans Se-kretariat zurück.

Anderthalb Stunden dauert dasanschliessende Treffen mit den Lei-tenden der Abteilungen Finanzen,Human Ressource, Immobilien, In-formatik, Landwirtschaft, Statis-tik, dem kantonalen Steueramtund der Generalsekretärin PatriciaKettner. Gesamthaft sind die achtAbteilungen des Departements Fi-nanzen und Ressourcen für rund650 Mitarbeiter und 5,9 MilliardenFranken verantwortlich. Weil dasFinanzdepartement besonders vie-le Schnittstellen hat, ist es wichtig,dass Dieth sein Kader auch darüberinformiert, was bei den anderenRegierungsräten ansteht. An die-

sem Morgen gibt eine Mitarbeite-rin zudem Auskunft über den Ver-lauf des Digitalisierungsprojekts«smart Aargau».

Nach einer kurzen Kaffeepauseverschwinden die Kaderleute wie-der und Dieth trifft sich im Büroder Generalsekretärin zum Rap-port mit der AbteilungsleiterinStatistik, Andrea Plüss. Sie und ihr14-köpfiges Team arbeiten in ei-nem anderen Gebäude. Einmal imMonat trifft Dieth sie zum Rap-port, wie er die Arbeitsbespre-chung nennt. Die Sitzung ist klarstrukturiert. Anträge und Unterla-gen zu den Sitzungsthemen hatDieth vorgängig erhalten. Er habeim Militär gelernt, strukturiert zuarbeiten und zu führen: Aussage,Erkenntnis und Konsequenz sindzu seinen Leitfragen geworden.Die Menschlichkeit geht trotz-dem nicht unter, wie die Arbeits-besprechung zeigt. Er hört Plüsszu, fragt nach und sagt amSchluss: «Die Mitarbeitenden mer-ken, ob man ehrlich zu ihnen ist.»

NACH EINER DREIVIERTELSTUNDE, solange dauert eine Arbeitsbespre-chung in der Regel, steht bereitsdie nächste an. An diesem Arbeits-tag ist es die Besprechung zum Re-formvorhaben Immobilien mitUrs Heimgartner. Er ist seit einemJahr Kantonsbaumeister und so-mit für alle kantonalen Liegen-schaften zuständig. 2,3 MilliardenFranken beträgt das Portfolio derkantonalen Immobilien. Auf einerLandkarte zeigt Heimgartner, wel-che Projekte anstehen. 75 Prozentaller Gebäude seien älter als 40Jahre, der Sanierungsbedarf ent-sprechend gross. «Nun ist fertigmit Pflästerlipolitik, wir müssenviel Geld investieren», sagt Dieth.

Im Anschluss trifft sich der 52-Jährige mit einem Mitarbeiterzum Koordinationsgespräch.Währenddessen sagt Generalse-kretärin Patricia Kettner, mit demWechsel des Departementsvorste-hers habe sich das Arbeitstempoim Betrieb erhöht: «Markus Diethist extrem schnell und hat einengrossen Gestaltungswillen. Für ei-nige Mitarbeiter war das anfäng-lich recht anstrengend. Dank sei-ner wertschätzenden, leiden-schaftlichen Art kommt er trotz-dem sehr gut an.» Sie muss es wis-sen, denn sie arbeitet seit elf Jah-ren im Finanzdepartement. Diethhat sie vor zwei Jahren zur Gene-ralsekretärin befördert. Sie ist die

erste Frau, die in der kantonalenVerwaltung eine solche Stelle be-setzt.

MITTLERWEILE ist es Mittag. Rund60 Mitarbeitende haben sich imPersonalrestaurant zum Weih-nachtsessen eingefunden. FürDieth eine Selbstverständlichkeit,sich unter die Mitarbeitenden zumischen. Mit vielen ist er per du,rühmt den Wein, den ein Mitar-beiter aus seinem eigenen Reb-berg zur Weihnachtsfeier mitge-bracht hat, und antwortet auf dieFrage der Journalistin, was ihn imBerufsleben am meisten geprägthat: «Als Student habe ich bei derFlughafenpolizei gearbeitet. Dahabe ich viel fürs Leben gelernt.»Auch in einer Gärtnerei habe erdamals gejobbt, das sei ihm liebergewesen, als mit den anderen Stu-denten zu fachsimpeln.

Zwei Stunden dauert das Mittag-essen. Trotzdem reicht es nichtfürs Dessert. Im Büro der General-sekretärin wartet bereits SandraThut. Die Standortförderin der Ge-meinde Wettingen organisiert dieLandammannfeier mit und gehtdie Tischordnung mit Dieth durch.Zusammen mit seiner Tochter Ari-ane hat er am Vorabend einen Ent-wurf gemacht. Nun folgt der Fein-schliff. Dieth ist wichtig, dass sichdie Gäste wohlfühlen, und er wägtab, welche Tischkonstellationpasst. Nach einer Stunde steht derPlan und er verabschiedet sich vonThut mit den Worten: «Ich schlafenochmals darüber und maile siedir morgen.»

In der Zwischenzeit hat das Se-kretariat alle Unterlagen für diewöchentlich stattfindende Regie-rungsratssitzung auf Dieths Pultgelegt. Ein gut gefüllter Ordnervoller Akten. Bevor der Regie-rungsrat für die Fahrt nach Bruggabgeholt wird, ist Zeit fürs Akten-studium eingeplant. Doch erkommt nicht dazu, weil diverseTelefonate anstehen und er die Be-sucher aufs Telli-Hochhausdachführt. Hier, auf dem höchsten Aar-gauer Gebäude, in 85 Metern Hö-he, ist die ganze Region bis überdie Kantonsgrenze hinaus zu se-hen. «Eindrücklich», sagt der Fi-nanzdirektor nachdenklich, wäh-rend sein Blick über die Land-schaft schweift: «Eigentlich scha-de, dass ich so selten hier obenbin.» Kurz darauf sitzt er wiederhinter den Akten. Er kommt nichtweit und nimmt sie deshalb nach

Hause, um sie am Wochenende zustudieren und sich auf die Sitzun-gen vorzubereiten.

UM ZWANZIG NACH FÜNF UHR steigter wieder in den Staatswagen undgeht die Rede ein letztes Maldurch, ehe er den Chauffeur an-weist, ein paar Schritte vor demCampussaal anzuhalten. Bevor ervor versammeltem Publikum sei-ne Grussbotschaft überbringt, gehter an den Ständen der Jungunter-nehmer vorbei und lässt sich ihreProdukte und Ideen zeigen. AmStand des Habsburger Start-upsGluehweinwerk unterhält sich derRegierungsrat mit Student MirkoHess, der ihm seine Glühweinmi-schung zum Probieren mitgibt. Diebeiden ahnen noch nicht, dass die-ses Projekt den Wettbewerb kurzdarauf gewinnt. Die Jungunterneh-mer haben Dieths Ratschlag, mu-tig und kreativ zu handeln, umnicht behandelt zu werden, umge-setzt, noch bevor sie seine Redehörten. Nach der Prämierung gra-

tuliert Dieth den Gewinnern,mischt sich beim Apéro unter dieGäste, ehe er um halb neun denCampussaal verlässt und nachHause gefahren wird. Auch wenner als Regierungsrat nicht mehr inWettingen wohnen müsste,kommt für ihn ein Umzug nichtinfrage: «Wettingen ist und bleibtneben Davos meine Heimat. Hierhabe ich meine Basis, hier wohnenmeine Freunde.»

Um neun Uhr abends öffnetMarkus Dieth sein Gartentor er-neut und verabschiedet sich mitden Worten: «Heute war ein eherlockerer Tag, normalerweise ste-hen mehr Termine an.» Und siewerden auch im Jahr als Landam-mann nicht weniger – im Gegen-teil. Doch Markus Dieth freut sichdarauf: «Auf die vielen Begegnun-gen mit den Menschen, die ichdieses Jahr als Landammann ha-ben werde.» Sagts und verschwin-det im Haus.

Wahlfeier für die Bevölkerung in derDoppelturnhalle Bezirksschule,Dienstag, 14. Januar, ab 17.30 Uhr.

Wettingens erster Landammann Markus Dieth freut sich auf die MenschenDer ehemalige Wettin-ger Gemeindeammannund heutige Regie-rungsrat Markus Diethist seit dem 1. JanuarAargauer Landammann.Am Dienstag findet inWettingen die Wahlfeierstatt. Die Limmatwellehat ihn vorgängig einenTag lang begleitet.MELANIE BÄR

«Die Nähe zur Bevölke-rung habe ich als Regie-rungsrat am Anfang einbisschen vermisst.»MARKUS DIETH, REGIERUNGSRAT

«Markus Dieth istextrem schnell.»PATRICIA KETTNER, GENERALSEKRETÄRIN

«Wettingen ist undbleibt neben Davosmeine Heimat.»MARKUS DIETH

Markus Dieth im Finanzdepartement im Telli in Aarau. Gaby Kost

Limmatwelle, 09. Januar 2020

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WETTINGEN 6WOCHE NR. 02DONNERSTAG, 9. JANUAR 2020

Ankunft im Telli im Staatswagen.

Urs Heimgartner informiert übers Reformvorhaben.

Aktenstudium während der Autofahrt.

Arbeitsbesprechung mit Andrea Plüss.

Sitzung mit den Geschäftsleitungsmitgliedern um halb acht.

Mittagessen mit Mitarbeitenden. Die Wettinger Standortförderin Sandra Thut bespricht die Tischordnung.

Daheim in Wettingen kurz vor neun Uhr.Grussbotschaft im Campussaal überbracht.

Kurze Pause fürs Aktenstudium.

Mirko Hess (l.) an der Swiss Start-up Challenge im Gespräch mit Dieth.

Markus Dieth tauscht sich mit Mitarbeitenden aus.