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1 3 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit Energiewende zur Nachhaltigkeit

Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

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1 3

Weltim Wandel

Wissenschaftlicher Beiratder BundesregierungGlobaleUmweltveränderungen

Energiewende zurNachhaltigkeit

Energiewende zurNachhaltigkeit

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Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen

(Stand: 21. März 2003)

Professor Dr. Hartmut Graßl, VorsitzenderDirektor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg

Professor Dr. Dr. Juliane Kokott, stellvertretende VorsitzendeDirektorin am Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, Universität St. Gallen

Professor Dr. Margareta E. KulessaProfessorin für Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Europäische Wirtschaftspolitik an derFachhochschule Mainz

Professor Dr. Joachim LutherLeiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg

Professor Dr. Franz NuschelerDirektor des Instituts für Entwicklung und Frieden in Duisburg

Professor Dr. Dr. Rainer SauerbornÄrztlicher Direktor der Abteilung für Tropenhygiene und Öffentliches Gesundheitswesen amUniversitätsklinikum Heidelberg

Professor Dr. Hans-Joachim SchellnhuberDirektor des britischen Wissenschaftsnetzwerks zum Klimawandel (Tyndall Centre) in Norwich (UK)

Professor Dr. Renate SchubertDirektorin des Instituts für Wirtschaftsforschung der ETH Zürich

Professor Dr. Ernst-Detlef SchulzeDirektor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena

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Wissenschaftlicher Beirat der BundesregierungGlobale Umweltveränderungen

Welt im Wandel:

Energiewende zurNachhaltigkeit

mit 49 Abbildungen

123

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WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DER BUNDESREGIERUNG

GLOBALE UMWELTVERÄNDERUNGEN (WBGU)

Geschäftsstelle WBGUReichpietschufer 60-62, 8. OG10785 Berlin

Tel.: 030 263948 0Fax: 030 263948 50Email: [email protected]: http://www.wbgu.de

Redaktionsschluss: 21.3.2003

Bibliographische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind imInternet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 3-540-40160-1 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, desVortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderenWegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Verviel-fältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Ur-heberrechtgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätz-lich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtgesetzes.Springer-Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer.Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York a member of BertelsmannSpringer Science+Business Media GmbH.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003Printed in Germany

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondereKennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be-trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg unter Verwendung folgender Abbildungen:Windräder (Meinhard Schulz-Baldes), Solarthermie (Plataforma Solar de Almería), Kochherd in Burkina Faso (Rainer Sauerborn),Zapfhahn, Ölpumpe, Staudamm, Schornstein (Pure Vison Photo Disc Deutschland)

Satz: Digitale Druckvorlage der Autoren

Gedruckt auf säurefreiem Papier 32/3141 5 4 3 2 1 0

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Mitarbeiter des Beirats und Danksagung

Geschäftsstelle

Wissenschaftlicher Stab

Prof. Dr. Meinhard Schulz-Baldes(Generalsekretär)

Dr. Carsten Loose (Stellvertretender Generalsekretär)

Dietrich Brockhagen (DEA ök., ab 01.08.2002)

Dr. Martin Cassel-Gintz (bis 30.06.2002)

Dipl.-Pol. Judith C. Enders (01.05. bis 31.07.2002)

Dr. Ursula Fuentes Hutfilter

Dipl.-Umweltwiss. Tim Hasler (ab 01.09.2002)

Dipl.-Pol. Lena Kempmann (ab 01.10.2002)

Dr. Angela Oels (bis 06.08.2002)

Dr. Thilo Pahl (bis 31.01.2003)

Dr. Benno Pilardeaux (Medien- und Öffentlichkeitsarbeit)

Sachbearbeitung, Lektorat und Sekretariat

Vesna Karic-Fazlic (Sachbearbeitung Finanzen)

Martina Schneider-Kremer, M.A. (Lektorat)

Margot Weiß (Sekretariat)

Wissenschaftliche Mitarbeiter derBeiratsmitglieder

Dr. Carsten Agert (Fraunhofer-Institut für SolareEnergiesysteme, Freiburg, ab 01.08.2002)

Referendar-jur. Tim Bäuerle (Heidelberg, bis31.12.2002)

Cand. rer. pol. Markus Dolder (ETH Zürich, Institutfür Wirtschaftsforschung, bis 31.08.2002)

Lic. rer. pol. Stefanie Fankhauser (ETH Zürich,Institut für Wirtschaftsforschung, bis 31.07.2002)

Dr. Thomas Fues (Institut für Entwicklung undFrieden, Duisburg)

Dr. Jürgen Kropp (Potsdam-Institut für Klima-folgenforschung, bis 01.04.2003)

Dr. Jacques Léonardi (Max-Planck-Institut fürMeteorologie, Hamburg)

Referendar-jur. Christian Lutze (Heidelberg, ab01.01.2003)

Dr. Franziska Matthies (Universität Heidelberg)

Dr. Tim Meyer (Fraunhofer-Institut für SolareEnergiesysteme, Freiburg,bis 31.07.2002)

Dipl.-Volksw. Kristina Nienhaus (ETH Zürich/Aka-demie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Stuttgart, ab 09.09.2002)

Dipl.-Volksw. Marc Ringel (Universität Mainz)

Dipl.-Biol.Angelika Thuille (Max-Planck-Institut fürBiogeochemie, Jena)

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VI Mitarbeiter des Beirats und Danksagung

Den externen Gutachtern dankt der Beirat für dieZuarbeit und wertvolle Hilfe. Im Einzelnen flossenfolgende Gutachten und Stellungnahmen in dasGutachten ein:– Dr. Maritta von Bieberstein Koch-Weser (Earth

3000, Bieberstein) (2002): Nachhaltigkeit vonWasserkraft.

– Dr. Ottmar Edenhofer, Dipl.-Volksw. NicolasBauer und Dipl.-Phys. Elmar Kriegler (Gesell-schaft für Sozio-ökonomische Forschung – GSF,Potsdam) (2002): Szenarien zum Umbau desEnergiesystems.

– Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Burkhard Horlacher(TU Dresden) (2002): Globale Potenziale derWasserkraft.

– Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Dr. oec. Dipl.-Ing.Dieter Merten, Dipl.-Ing. Nicolle Fröhlich undDipl.-Phys. Moritz Nill (Institut für Energetik undUmwelt gGmbH, Leipzig) (2002): Energiegewin-nung aus Biomasse.

– Crescencia Maurer (Senior Associate in theInstitutions and Governance Program of theWorld Resources Institute – WRI, Washington,DC) (2002): The Transition from Fossil toRenewable Energy Systems: What Role forExport Credit Agencies?

– Dr. Joachim Nitsch (DLR, Institut für TechnischeThermodynamik, Stuttgart) (2002): Potenziale derWasserstoffwirtschaft.

– Dipl.-Geoökol. Christiane Ploetz (VDI-Techno-logiezentrum, Abteilung Zukünftige Technolo-gien Consulting, Düsseldorf) (2002):Sequestrierung von CO2: Technologien, Poten–ziale, Kosten und Umweltauswirkungen.

– Dr. Fritz Reusswig, Dipl.-Oec. Katrin Gerlingerund Dr. Ottmar Edenhofer (Gesellschaft fürSozio-ökonomische Forschung, GSF, Potsdam)(2002): Lebensstile und globaler Energiever-brauch. Analyse und Strategieansätze zu einernachhaltigen Energiestruktur.

– Keywan Riahi (Institute for Applied SystemsAnalysis – IIASA, Laxenburg) (2002): Data FromModel Runs With MESSAGE.

– Dr. Franz Trieb und Dipl. Systemwiss. StefanKronshage (DLR, Institut für TechnischeThermodynamik, Stuttgart) (2002): Berechnungvon Weltpotenzialkarten.

Wertvolle Hinweise und Diskussionsbeiträge erhieltder Beirat bei einer Anhörung. Der WBGU danktProf. Nakicenovic (IIASA, Laxenburg), Dr. Nitsch(DLR, Stuttgart) und Prof. Dr. von Weizsäcker (MdB– Enquete-Kommission Globalisierung, Berlin).

Danken möchte der Beirat auch jenen Personen,die durch Hinweise und Beratung in zahlreichenFällen der Arbeit am Gutachten wertvolle Diensteerwiesen haben:

Jan Christoph Goldschmidt (Fraunhofer-Institutfür Solare Energiesysteme, Freiburg), Dr. ThomasHamacher (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik,Garching), Dr. Klaus Hassmann (Siemens AG), Prof.Dr. Klaus Heinloth (Universität Bonn), Prof. Dr.Dieter Holm (ehemals Universität Pretoria), Prof.Dr. Eberhard Jochem (Fraunhofer Institut fürSystemtechnik und Innovationsforschung, Karls-ruhe), Prof. Dr. Wolfgang Kröger (Paul-Scherrer-Institut, Villingen), Prof. Dr. Matheos Santamouris(Universität Athen).

Für ihre große und hilfreiche Unterstützung beider Frage der Elektrifizierung des ländlichen Raumsund der Energieversorgung in Entwicklungsländernim Rahmen der Erstellung des World EnergyOutlook 2002 danken wir Herrn Dr. Fatih Birol,Chief Economist und Head der Economic AnalysisDivision der International Energy Agency (IEA),Paris und Marianne Haug, Direktorin des BereichsEnergy Efficiency, Technology and R&D der IEAsowie Laura Cozzi, Energy Analyst der EconomicAnalysis Division der IEA.

Der WBGU möchte sich herzlich bei denGesprächspartnern während der Studienreise in dieVR China vom 10. bis 22. März 2002 bedanken.VieleExperten aus Politik, Verwaltung und Wissenschafthaben für den Beirat Führungen, Vorträge und Präs-entationen vorbereitet und standen für Diskussionenund Gespräche zur Verfügung. Besonderer Dank giltHerrn Botschafter Joachim Broudré-Gröger(Deutsche Botschaft Peking) und Herrn WilfriedWolf (Leiter der Wirtschaftsabteilung in derDeutschen Botschaft Peking), ohne deren Hilfe dieinhaltliche und organisatorische Vorbereitung undDurchführung der Reise unmöglich gewesen wäre,sowie den Experten der Tsinghua Universität Pekingund der Universität Shanghai, mit denen der Beirathochinformative Energieexpertenrunden abhaltenkonnte.

Schließlich danken wir Bernd Killinger, der alsPraktikant Recherchen und Hintergrundtextebeigesteuert hat, sowie Sabina Rolle, die uns alsstudentische Hilfskraft unterstützt hat.

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1

22.12.22.32.42.52.62.72.8

33.13.23.33.43.53.63.73.8

4

4.1

4.24.3

Mitarbeiter des Beirats und Danksagung V

Inhaltsübersicht VII

Inhaltsverzeichnis IX

Kästen XV

Tabellen XVI

Abbildungen XVIII

Akronyme XX

Zusammenfassung für Entscheidungsträger 1

Einleitung 13

Einbindung der Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft 15Einleitung 15Globale Ausgangslage 15Energie in den Industrieländern 19Energie in den Entwicklungs- und Schwellenländern 24Energie in den Transformationsländern 28Wirtschaftliche und geopolitische Rahmenbedingungen 32Institutionen globaler Energiepolitik 35Vorläufiges Fazit: Ausgangslage für globale Energiepolitik 45

Technologien und nachhaltige Potenziale 47Einleitung 47Energieträger 47Kraft-Wärme-Kopplung 79Energieverteilung, -transport und -speicherung 81Steigerung der Energieeffizienz 90Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“) 94Energie für den Verkehr 98Zusammenfassung und Bewertung 101

Ein exemplarischer Pfad für eine nachhaltige Transformation derEnergiesysteme 103

Ansatz und Methode zur Ableitung eines exemplarischen Transformationspfads 103

Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 104Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 114

Inhaltsübersicht

Page 8: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

VIII

Ein exemplarischer Transformationspfad für die Energiewende zurNachhaltigkeit 134Diskussion des exemplarischen Pfads 140Fazit 148

Die WBGU-Transformationsstrategie: Wege zu global nachhaltigen Energiesystemen 151

Kernelemente einer Transformationsstrategie 151Handlungsempfehlungen für die Länderebene 151Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 177

Forschung für die Energiewende 209Systemanalyse 209Gesellschaftswissenschaftliche Forschung 211Technologieforschung und -entwicklung 214

Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans: politische Zielgrößen,Zeitpläne und Maßnahmen 221

Von der Vision zur Umsetzung: Gelegenheitsfenster der nächsten 10-20 Jahrenutzen 221

Natürliche Lebensgrundlagen schützen 221Energiearmut weltweit beseitigen 225Finanzmittel für die globale Energiewende mobilisieren 227Modellprojekte als strategischen Hebel nutzen und Energiepartnerschaften

eingehen 228Forschung und Entwicklung vorantreiben 229Institutionen globaler Energiepolitik bündeln und stärken 230Fazit: Politische Gestaltungsaufgabe jetzt wahrnehmen 230

Literatur 233

Glossar 247

Index 255

4.4

4.54.6

5

5.15.25.3

66.16.26.3

7

7.1

7.27.37.47.5

7.67.77.8

8

9

10

VIII Inhaltsübersicht

Page 9: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Inhaltsverzeichnis

1

2

2.1

2.22.2.12.2.22.2.3

2.32.3.12.3.22.3.32.3.4

2.42.4.12.4.2

2.52.5.12.5.22.5.32.5.4

Mitarbeiter des Beirats und Danksagung V

Inhaltsübersicht VII

Inhaltsverzeichnis IX

Kästen XV

Tabellen XVI

Abbildungen XVIII

Akronyme XX

Zusammenfassung für Entscheidungsträger 1

Einleitung 13

Einbindung der Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft 15

Einleitung 15

Globale Ausgangslage 15Zunehmende Energie- und Kohlenstoffproduktivität – Trends bis 2020 15Energienutzung in Sektoren 16Lebensstile und Energieeinsatz 18

Energie in den Industrieländern 19Struktur der Energieversorgung 19Grundlagen und Ziele der Energiepolitik 21Liberalisierung der Märkte für leitungsgebundene Energieversorgung 22Erneuerbare Energien in den Industrieländern 24

Energie in den Entwicklungs- und Schwellenländern 24Struktur der Energieversorgung 24Trends der sektoralen Energienachfrage 27

Energie in den Transformationsländern 28Energienutzung 28Trends in der sektoralen Energienachfrage 29Subventionierung als Ursache ineffizienter Energienutzung 30Privatisierung, Liberalisierung und (Re)regulierung der

Energiewirtschaft 31

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2.62.6.12.6.2

2.72.7.12.7.2

2.7.2.12.7.2.22.7.2.3

2.7.32.7.4

2.8

3

3.1

3.23.2.1

3.2.1.13.2.1.23.2.1.33.2.1.4

3.2.23.2.2.13.2.2.23.2.2.3 3.2.2.4

3.2.33.2.3.13.2.3.23.2.3.33.2.3.4

3.2.43.2.4.13.2.4.2

3.2.4.33.2.5

3.2.5.13.2.5.23.2.5.33.2.5.4

3.2.63.2.6.13.2.6.23.2.6.33.2.6.4

3.2.73.2.7.13.2.7.23.2.7.33.2.7.4

3.2.8

Wirtschaftliche und geopolitische Rahmenbedingungen 32Globalisierung als neue Rahmenbedingung energiepolitischen Handelns 32Geopolitik 33

Institutionen globaler Energiepolitik 35Wissensbasis 35Organisation 37Politische Zieldeklarationen 37Internationale Verträge 38Operative und koordinierende Tätigkeiten internationaler Organisationen 40Finanzierungsstrukturen 41Fragmentierte Ansätze einer globalen Energiepolitik 45Vorläufiges Fazit: Ausgangslage für globale Energiepolitik 45

Technologien und nachhaltige Potenziale 47

Einleitung 47

Energieträger 47Fossile Brennstoffe 47Potenziale 47Technik/Konversion 49Umwelt- und Sozialfolgen 50Bewertung 52Kernenergie 52Potenziale 52Technik/Konversion 53Umwelt- und Sozialfolgen 54Bewertung 56Wasserkraft 56Globale Potenziale 56Technik 56Umwelt- und Sozialfolgen 57Bewertung 60Bioenergie 60Potenziale moderner Bioenergie 60Umwelt- und Sozialfolgen traditioneller Biomassenutzung in

Entwicklungsländern 66Bewertung 66Windenergie 67Potenziale 67Technik/Konversion 68Umwelt- und Sozialfolgen 69Bewertung 69Solarenergie 70Potenziale 70Technik/Konversion 70Umwelt- und Sozialfolgen 76Bewertung 76Erdwärme 77Potenziale 77Technik/Konversion 77Umwelt- und Sozialfolgen 78Bewertung 78Andere erneuerbare Energien 78

XX Inhaltsverzeichnis

Page 11: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

3.33.3.13.3.23.3.33.3.4

3.43.4.13.4.23.4.3

3.4.3.13.4.3.23.4.3.3

3.4.43.4.4.13.4.4.23.4.4.33.4.4.43.4.4.5

3.4.5

3.53.5.13.5.2

3.63.6.13.6.23.6.3

3.73.7.13.7.23.7.3

3.7.4

3.8

4

4.1

4.24.2.14.2.24.2.34.2.44.2.5

4.2.5.14.2.5.24.2.5.34.2.5.4

4.2.6

Kraft-Wärme-Kopplung 79Technologie und Effizienzpotenziale 79Einsatzmöglichkeiten 79Wirtschaftlichkeit 80Bewertung 81

Energieverteilung, -transport und -speicherung 81Grundlegende Eigenschaften von Elektrizitätsversorgungsstrukturen 81Versorgungsstrategien für Elektrizitätsinseln 82Versorgungsstrategien innerhalb von Elektrizitätsnetzen 82Die fluktuierende Energienachfrage in Elektrizitätsnetzen 82Das fluktuierende Energieangebot aus erneuerbaren Energiequellen 83Strategien zur Abstimmung von Energieangebot und -nachfrage 83Wasserstoff 85Grundlagen 85Herstellung 85Speicherung und Verteilung 86Nutzung von Wasserstoff 87Potenzielle Umweltschädigungen durch Wasserstoff 88Elektrizität versus Wasserstoff: Bewertung 89

Steigerung der Energieeffizienz 90Effizienzsteigerungen in Industrie und Gewerbe 90Effizienzsteigerungen und Solarenergienutzung in Gebäuden 92

Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“) 94Technisches Kohlenstoffmanagement 94Potenziale der Speicherung als Biomasse 96Bewertung 98

Energie für den Verkehr 98Technologieoptionen für den Straßentransport 98Effizienzgewinne durch Informationstechnologie und Raumplanung 99Nachhaltigkeit und externe Effekte des erhöhten Energiebedarfs für den

Transport 100Bewertung 100

Zusammenfassung und Bewertung 101

Ein exemplarischer Pfad für eine nachhaltige Transformation der Energiesysteme 103

Ansatz und Methode zur Ableitung eines exemplarischenTransformationspfads 103

Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 104SRES-Szenarien als Ausgangsbasis 104Grundannahmen der SRES-Szenarien 106Emissionen in den SRES-Szenarien 107IPCC-Klimaschutzszenarien („Post-SRES“-Szenarien) 108Technologiepfade in der A1-Welt 108Vergleich der Energiestrukturen und Klimaschutzstrategien 108Rolle der Kohlenstoffspeicherung 110Vergleich der Kosten 110Umweltauswirkungen 112Auswahl eines Szenarios zur Entwicklung eines exemplarischen Pfads 112

XIInhaltsverzeichnis

Page 12: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 114Ökologische Leitplanken 114Schutz der Biosphäre 114Klimaschutzfenster 114Nachhaltige Flächennutzung 120Biosphärenschutz in Flüssen und ihren Einzugsgebieten 122Schutz der Meeresökosysteme 123Schutz der Atmosphäre vor Luftverschmutzung 124Sozioökonomische Leitplanken 124Schutz der Menschenrechte 124Zugang zu moderner Energie 125Individueller Mindestbedarf an Energie 126Anteil der Energieausgaben am Einkommen 128Gesamtwirtschaftlicher Mindestentwicklungsbedarf 129Technologierisiken 131Gesundheitsfolgen der Energienutzung 132

Ein exemplarischer Transformationspfad für die Energiewende zur Nachhaltigkeit 134

Ansatz und Methode 134Modifikation des Szenarios A1T-450 zum exemplarischen Pfad 134Der Technologiemix des exemplarischen Pfads im Überblick 137Fazit: Die globale Energiewende ist möglich 138

Diskussion des exemplarischen Pfads 140Das MIND-Modell 140Der exemplarische Pfad: Bedeutung, Unsicherheiten und Kosten 145Unsicherheiten bei den erlaubten Emissionsmengen 145Kosten des exemplarischen Transformationspfads und Finanzierbarkeit 146

Fazit 148

Die WBGU-Transformationsstrategie: Wege zu global nachhaltigen Energiesystemen 151

Kernelemente einer Transformationsstrategie 151

Handlungsempfehlungen für die Länderebene 151Ökologische Finanzreformen 152Internalisierung externer Kosten bei fossiler und nuklearer Energie 153Abbau von Subventionen für fossile und nukleare Energie 154Fazit 156Fördermaßnahmen 156Förderung erneuerbarer Energien 156Förderung fossiler Energien mit verringerten Emissionen 161Förderung der Effizienz bei der Bereitstellung, Verteilung und Nutzung von

Energie 162Fazit 166Moderne Energieformen und effizientere Energienutzung in Entwicklungs-,

Transformations- und Schwellenländern 166Die Grundidee 166Konkrete Schritte auf der Angebotsseite 167Konkrete Schritte auf der Nachfrageseite 170Fazit 173Flankierende Maßnahmen in anderen Politikbereichen 173Klimapolitik 174Verkehr und Raumordnung 175

4.34.3.1

4.3.1.14.3.1.24.3.1.34.3.1.44.3.1.54.3.1.6

4.3.24.3.2.14.3.2.24.3.2.34.3.2.44.3.2.54.3.2.64.3.2.7

4.4

4.4.14.4.24.4.34.4.4

4.54.5.14.5.2

4.5.2.14.5.2.2

4.6

5

5.1

5.25.2.1

5.2.1.15.2.1.25.2.1.3

5.2.25.2.2.15.2.2.25.2.2.3

5.2.2.4 5.2.3

5.2.3.15.2.3.25.2.3.35.2.3.4

5.2.45.2.4.15.2.4.2

XII Inhaltsverzeichnis

Page 13: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

5.2.4.35.2.4.4

5.35.3.1

5.3.25.3.2.15.3.2.25.3.2.3

5.3.35.3.3.1

5.3.3.25.3.3.3

5.3.4

5.3.5

5.3.5.15.3.5.25.3.5.35.3.5.45.3.5.55.3.5.6

5.3.65.3.7

5.3.8

6

6.1

6.2

6.36.3.16.3.26.3.3

7

7.1

7.27.2.17.2.27.2.37.2.4

Landwirtschaft 176Fazit 177

Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 177Ausbau der internationalen Strukturen für Forschung und Beratung im

Energiebereich 178Institutionelle Verankerung globaler Energiepolitik 179Funktionen internationaler Institutionen 180Entwicklung einer Weltenergiecharta 181Auf dem Weg zu einer „Internationalen Agentur für nachhaltige Energie“ 181Finanzierung der globalen Energiewende 185Prinzipien einer gerechten und effizienten Finanzierung globaler

Energiepolitik 185Aufbringung neuer und zusätzlicher Finanzmittel 187Verwendung der Mittel für die Energiewende durch internationale

Finanzinstitutionen 192Ausrichtung der internationalen Klimaschutzpolitik auf die

Energiewende 194Abstimmung der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik mit den

Zielen einer nachhaltigen Energiepolitik 195Abschluss eines Multilateralen Energiesubventionsabkommens (MESA) 195Transformationsmaßnahmen im Rahmen von GATT/WTO 197Präferenzielle Abkommen im Energiesektor 199Technologietransfer und das TRIPS-Abkommen 199Liberalisierung des Weltmarkts für Energiegüter? 200Rechte und Pflichten für Direktinvestoren 203Ausstieg aus der Kernenergie 204Entwicklungszusammenarbeit: Energiewende durch globale Strukturpolitik

gestalten 205Initiierung von Modellprojekten mit weltweiter Signalwirkung 206

Forschung für die Energiewende 209

Systemanalyse 209

Gesellschaftswissenschaftliche Forschung 211

Technologieforschung und -entwicklung 214Technologien zur Energiebereitstellung aus erneuerbaren Quellen 214Systemtechnologien einer nachhaltigen Energieversorgung 217Entwicklung von Verfahren zur effizienteren Energienutzung 218

Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans: politische Zielgrößen,Zeitpläne und Maßnahmen 221

Von der Vision zur Umsetzung: Chancen der nächsten 10–20 Jahre nutzen 221

Natürliche Lebensgrundlagen schützen 221Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren 221Energieproduktivität erhöhen 223Erneuerbare Energien erheblich ausbauen 224Aus der Kernkraft aussteigen 225

XIIIInhaltsverzeichnis

Page 14: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Energiearmut weltweit beseitigen 225Globale Mindestversorgung anstreben 225Internationale Zusammenarbeit auf nachhaltige Entwicklung ausrichten 226Handlungsfähigkeit der Entwicklungsländer stärken 226Regulatorische und privatwirtschaftliche Elemente kombinieren 227

Finanzmittel für die globale Energiewende mobilisieren 227

Modellprojekte als strategischen Hebel nutzen und Energiepartnerschaften eingehen 228

Forschung und Entwicklung vorantreiben 229

Institutionen globaler Energiepolitik bündeln und stärken 230Koordinationsgremium gründen und Weltenergiecharta aushandeln 230Politikberatung international verbessern 230

Fazit: Politische Gestaltungsaufgabe jetzt wahrnehmen 230

Literatur 233

Glossar 247

Index 255

7.37.3.17.3.27.3.37.3.4

7.4

7.5

7.6

7.7 7.7.17.7.2

7.8

8

9

10

XIV Inhaltsverzeichnis

Page 15: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Kasten 2.4-1

Kasten 2.4-2

Kasten 2.5-1

Kasten 2.6-1Kasten 3.1-1Kasten 3.2-1Kasten 4.3-1Kasten 4.3-2Kasten 4.3-3Kasten 5.1-1Kasten 5.2-1Kasten 5.2-2Kasten 5.2-3Kasten 5.2-4Kasten 5.3-1Kasten 5.3-2Kasten 5.3-3

Wechsel der Energieträger nach Haushaltseinkommen in Entwicklungsländern 26

Beispiel Indien: Entwicklungsmuster, Reformen und Institutionendesign im Energiesektor 28

Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die europäische Energieversorgung 31

Die OPEC als energiepolitischer Akteur 34Potenzial-Definitionen 48Biomasseöfen machen krank – Beispiel Indien 67Leitplanken nachhaltiger Energiepolitik 115Konkretisierung von Leitplanken durch Völkerrecht? 116Gefährdung der Korallen durch Klimawandel 117Leitprinzipien für die WBGU-Transformationsstrategie 152Quoten, handelbare Quoten, Green Energy Certificates 158Renewable Energy Certification System (RECS) 160EU-weite Kennzeichnungspflicht von Verbrauchsgeräten 164Geplanter Emissionshandel in der EU 174Elemente einer Weltenergiecharta 181Vereinbarkeit des Kioto-Protokolls mit dem WTO-Regelwerk 198Auf dem WSSD beschlossene strategische Partnerschaften für die globale

Energiewende 205

Kästen

Page 16: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Tab. 2.2-1Tab. 2.2-2Tab. 2.6-1Tab. 2.7-1

Tab. 2.7-2

Tab. 2.7-3Tab. 2.7-4

Tab. 3.2-1

Tab. 3.2-2Tab. 3.2-3Tab. 3.2-4Tab. 3.2-5Tab. 3.2-6

Tab. 3.2-7

Tab. 3.2-8Tab. 3.2-9

Tab. 3.2-10

Tab. 3.2-11Tab. 3.2-12Tab. 3.2-13

Tab. 3.3-1

Tab. 3.4-1Tab. 3.4-2

Tab. 3.6-1

Tab. 3.6-2Tab. 4.2-1

Tab. 4.3-1Tab. 4.3-2

Tab. 4.3-3Tab. 4.3-4

Welt-Primärenergieeinsatz im Jahr 1998, nach Energieträgern 16Anteil verschiedener Sektoren am Primärenergieeinsatz 18Regionale Verteilung der Reserven fossiler Energieträger im Jahr 2000 33Senkenpotenziale einzelner Länder(gruppen) durch Aufforstung und

Wiederbewaldung und Forstmanagement 40Kredite der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der

Internationalen Entwicklungsorganisation 42Änderungen der Weltbankpolitik im Energiesektor 43Beteiligung der Exportkreditagenturen von USA, Japan und Deutschland am

Kraftwerksbau bzw. Vorhaben im Öl- und Gassektor 45Reserven, Ressourcen und weitere Vorkommen fossiler Energieträger nach

verschiedenen Autoren 49Entwicklungslinien moderner fossiler Kraftwerke 50Heutige und mögliche Weiterentwicklung der Kernspaltungstechnologien 54Potenziale der Wasserkraft nach Kontinenten 57Technisches und wirtschaftliches Bioenergiepotenzial Deutschlands 62Zusammenfassung: Energetische Nutzung von Biomasse und die Speicherung

von Kohlenstoff in Deutschland 63Technische Potenziale der Biomassebereitstellung für energetische Nutzung

nach Stoffgruppen in der EU 64Globales technisches Potenzial biogener Festbrennstoffe 64Geographische Aufteilung der technischen Energiepotenziale biogener

Festbrennstoffe 65Gefährdung der Gesundheit bei verschiedenen Abschnitten im Biomasse-

Brennstoffzyklus 66Zukünftige Entwicklung der Photovoltaik 73Wirkungsgrade von Solarzellen im Labor und im Flachmodul 74Wirkungsgrade, Kosten, Leistungsbereich und Besonderheiten solarthermischer

Kraftwerke im reinen Solarbetrieb 75Überblick über die technischen Daten von Systemen mit kompletter Kraft-

Wärme-Kopplung 80Eckdaten ausgewählter Verfahren zur Wasserstoffherstellung 86Relative Effizienz- und Kostenverhältnisse zwischen regenerativem Strom und

regenerativem Wasserstoff 89Effizienz der CO2-Rückhaltung und Wirkungsgradeinbuße bei

unterschiedlichen Abscheidungsverfahren 95Vergleich verschiedener geologischer Speicheroptionen 95Gesamtmenge an gespeichertem CO2 1990–2100 in ausgewählten

A1-Szenarien 110Potenzielle Fläche für Energiepflanzen 121A1T-450-Szenario: Geschätzter Anteil der Anbaufläche von

Bioenergiepflanzen 122Mindestbedarf an Endenergie pro Kopf 126Indikatoren ausgewählter Niedrigeinkommensländer 130

Tabellen

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Tab. 4.4-1Tab. 4.4-2Tab. 4.5-1

Tab. 4.5-2

Tab. 5.2-1

Tab. 5.2-2

Tab. 5.2-3

Globale Energienachfrage im exemplarischen Pfad 138CO2-Emissionen und CO2-Speicherung im exemplarischen Pfad 138Zulässige kumulierte CO2-Emissionen in Abhängigkeit von der

Klimasensitivität 145Klimasensitivität und mögliche Potenziale für Reduktionen der

Treibhausgasemissionen im exemplarischen Pfad 146Übersicht der politischen Instrumente für den Umweltschutz einzelner

Industrieländer 156Vergleich des Ausbaus an Windenergiekapazitäten bei verschiedenen

Fördermodellen 159Beispiele ausgewählter Technologien für die mögliche Entwicklung der

Energiesysteme in ländlichen Räumen von Entwicklungsländern 170

XVIITabellen

Page 18: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Abb. 2.1-1Abb. 2.2-1

Abb. 2.2-2Abb. 2.3-1

Abb. 2.3-2Abb. 2.3-3

Abb. 2.3-4

Abb. 2.4-1

Abb. 2.4-2Abb. 2.4-3

Abb. 2.4-4

Abb. 2.5-1

Abb. 2.6-1Abb. 2.7-1

Abb. 2.7-2

Abb. 3.2-1

Abb. 3.2-2

Abb. 3.2-3

Abb. 3.2-4

Abb. 3.2-5

Abb. 3.2-6

Abb. 3.2-7

Abb. 3.2-8

Anteil verschiedener Energieträger am globalen Primärenergieeinsatz 15Zusammenhang von mittlerem Einkommen und Energieeinsatz für

unterschiedliche Ländergruppen 17Weltenergieeinsatz im Transportsektor in den Jahren 1971–1996 18Bisherige Entwicklung und Prognose der IEA zum zukünftigen

Energieeinsatz 20Staatliche Beihilfen im Steinkohlebergbau einzelner EU-Mitgliedstaaten 21Ausgaben für öffentliche Forschung und Entwicklung ausgewählter

OECD-Länder im Energiebereich 22Entwicklung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Primärenergie und

dem elektrischen Strom in Deutschland 24Regionale Verteilung der Menschen ohne Zugang zu elektrischem Strom und

mit Abhängigkeit von Biomasse für die Energieversorgung 25Pro-Kopf-Energieeinsatz und ein Entwicklungsindex 25Energieträgermix und Energiedienstleistungen von Haushalten in

Entwicklungsländern in Abhängigkeit vom Haushaltseinkommen 26Sektorale Energienachfrage in Entwicklungsländern und einem

Schwellenland 27Sektorales Muster der Energienachfrage in Russland, der Ukraine und

Usbekistan 30Länder mit Erdölreserven von mehr als 1 Mrd. t. 33Globale Energiepolitik heute: die wichtigsten Institutionen und ihre

Hauptfunktionen 36Gesamtinvestitionen in Energieprojekte mit privater Beteiligung in

Entwicklungs- und Schwellenländern 44Geschätzte Verteilung der jährlichen Gesundheitsbelastung in DALYs

(Disability Adjusted Life Years) 67Globale Verteilung des Wandlungspotenzials der Windenergie auf Landflächen

und Offshore bis zu einer Tiefenlinie von 40 m 68Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für die

Energiekonversion mittels solarthermischer Kraftwerke mit optischerLinearkonzentration 71

Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für dieEnergiekonversion mittels zentraler Photovoltaik-Kraftwerke ohne optischeKonzentration 71

Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für diedezentrale solarelektrische Energiekonversion mittels optisch nicht konzentrierender Photovoltaikmodule 72

Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für diedezentrale Energiekonversion mittels thermischer Solarkollektoren 72

Schema zukünftiger solarer Kraftwerke auf der Basis optisch konzentrierender Photovoltaik 73

Schema eines zukünftigen solarthermischen Rinnenkraftwerks 74

Abbildungen

Page 19: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Abb. 3.4-1

Abb. 3.4-2Abb. 3.4-3

Abb. 3.4-4Abb. 3.5-1Abb. 3.6-1

Abb. 4.1-1

Abb. 4.1-2Abb. 4.2-1Abb. 4.2-2Abb. 4.2-3

Abb. 4.3-1Abb. 4.3-2

Abb. 4.3-3Abb. 4.4-1

Abb. 4.4-2

Abb. 4.4-3

Abb. 4.4-4Abb. 4.4-5Abb. 4.5-1

Abb. 4.5-2Abb. 4.5-3

Abb. 4.5-4

Abb. 5.3-1Abb. 7-1Abb. 7-2

Ausgleich der Fluktuation bei der Photovoltaikstromerzeugung durch Vernetzung vieler Anlagen 84

Solarenergieangebot in Europa als Funktion der Tageszeit und des Ortes 84Jahresgänge der Bestrahlungsstärke der Sonne auf der Nord- und Südhalbkugel

für Algier, Berlin und Kapstadt 84Prinzipbild eines Hausenergiesystems auf Wasserstoffbasis 88Energieverluste im Energienutzungssystem Deutschlands im Jahr 2001 91Globale Kohlenstoffvorräte und -flüsse in der Vegetation, dem Boden, den

Ozeanen und der Atmosphäre 97Zusammenhang von Leitplanken, Maßnahmen und zukünftiger

Systementwicklung 104Leitplankenkonzept am Beispiel des gekoppelten Systems Energie-Klima 105Gesamte (nicht diskontierte) Energiesystemkosten (1990–2100) 111Spezifische (nicht diskontierte) Systemkosten 112Umweltauswirkungen für einen Pfad mit starkem Ausbau nicht fossiler

Technologien und einen kohleintensiven Pfad 113Das WBGU-Klimaschutzfenster 117Das A1T-450-Szenario im Klimafenster bei sehr unterschiedlicher

Empfindlichkeit des Klimasystems 119Der lokalen Luftverschmutzung zugerechnete Gesundheitsbelastung 133Kohlenstoffspeicherung im A1T-450-Szenario und im exemplarischen

Pfad 137Energiebedingte CO2-Emissionen im A1T-450-Szenario, im exemplarischen

Pfad und dem durch das Modell MIND berechneten UmBAU-Pfad 137Energieeinsatz nach Energieträgern für den exemplarischen

Transformationspfad 139Energieeffizienzsteigerung im exemplarischen Pfad 139Visualisierung des Flächenbedarfs für Solarstrom 140Energieeinsatz in den Fällen BAU und UmBAU (Beachtung der

Klimaleitplanke) 142CO2-Emissionen für den BAU- und UmBAU-Fall 143Prozentuale Verluste an Konsum und Einkommen für das

UmBAU-Szenario 144Korridore für CO2-Emissionen mit Berücksichtigung der CO2-Speicherung

sowie Ressourcenextraktion 144Auf dem Weg zu einer Internationalen Agentur für nachhaltige Energie 182Der WBGU-Transformationsfahrplan im Überblick 222Zusammenhang von Leitplanken, Maßnahmen und zukünftiger

Systementwicklung 223

XIXAbbildungen

Page 20: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

Akronyme

AFREC

AKPARD

ASEAN

BIPBHKWBMBFBMUBMWABMZBSPCDF

CDM

CERUPTCISCOPD

CSD

CTI

DAC

DALYs

DENADKWDNI

DSM

DTIE

ECA

ECTEEF

African Energy CommissionAfrikanische EnergiekommissionAfrika-Karibik-Pazifik-StaatenMonitoring and Measuring Afforestation – Reforestation – Deforestation(Kioto-Protokoll)Erfassung und Messung von Aufforstung – Wiederaufforstung – EntwaldungAssociation of South East Asian NationsBündnis südostasiatischer StaatenBruttoinlandsproduktBlockheizkraftwerkBundesministerium für Bildung und ForschungBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitBundesministerium für Wirtschaft und ArbeitBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungBruttosozialproduktComprehensive Development Framework (Weltbank)Umfassender EntwicklungsrahmenClean Development Mechanism (UNFCCC)Mechanismus für umweltverträgliche EntwicklungCertified Emission Reduction Unit Procurement Tender, NiederlandeKupfer-Indium-Selen-Anordnung (Dünnschichttechnologie)Chronic obstructive pulmonary diseaseChronische obstruktive AtemwegserkrankungCommission on Sustainable Development (UN)Kommission für nachhaltige EntwicklungClimate Technology Initiative (IEA)Klimatechnologie-InitiativeDevelopment Assistance Committee (OECD)Komitee für EntwicklungshilfeDisability Adjusted Life YearsDurch Behinderung und/oder Arbeitsunfähigkeit belastete LebensjahreDeutsche Energie Agentur DampfkraftwerkeDirect normal incidenceDirekt-Normal-StrahlungDemand Side ManagementNachfragesteuerungDivision for Technology, Industry and Economy (UNEP)Abteilung für Technologie, Industrie und Wirtschaft des UN-Umweltprogramms Export Credit and Investment Insurance Agencies (OECD)ExportkreditversicherungenEnergie-Charta-VertragEuropäischer Entwicklungsfonds

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Enhanced Gas RecoveryVerbesserte GasgewinnungEuropäische InvestitionsbankProgramme Français de Développement de Centrales Éoliennes Raccordées auRéseau ÉlectriqueEnhanced Oil RecoveryVerbesserte ÖlgewinnungEmission Reduction Unit Procurement Tender Programme, NiederlandeEuropean Science FoundationEuropäische WissenschaftsstiftungEnergy Sector Management Assistance Programme (World Bank, UN)Management- und Unterstützungsprogramm für den EnergiesektorEuropäische UnionEuropäischer WirtschaftsraumEntwicklungszusammenarbeitFood and Agriculture Organization (UN)Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten NationenFederal Energy Technology Center (USA)General Agreement on Tariffs and TradeAllgemeines Zoll- und HandelsabkommenGeneral Agreement on Trade in ServicesAllgemeines Abkommen über den DienstleistungsverkehrGlobal Environment Facility (UNDP, UNEP, Weltbank)Globale UmweltfazilitätGesellschaft für Technische ZusammenarbeitGlobal Renewable Energy Education and Training (UNESCO)Bildungs- und Ausbildungsprogramm zu erneuerbaren EnergienKombinierte Gas- und DampfkraftwerkeGemeinschaft unabhängiger StaatenHuman Development IndexIndex für menschliche EntwicklungHeavily Indebted Poor Countries InitiativeEntschuldungsinitiative zugunsten der hochverschuldeten armen LänderHeizkraftwerkHuman Poverty IndexIndex für menschliche ArmutHochtemperaturreaktorInternational Atomic Energy AgencyInternationale AtomenergieorganisationInternational Bank for Reconstruction and Development (Weltbank)Internationale Bank für Wiederaufbau und EntwicklungInternational Commission on Irrigation and DrainageInternationale Kommission für Be- und EntwässerungInternational Centre for Integrated Mountain Development, NepalInternationales Zentrum für die nachhaltige Entwicklung von Gebirgs-ÖkosystemenInternational Commission on Large DamsInternationale Kommission für große TalsperrenInternational Energy AgencyInternationale EnergieagenturInternational Fund for Agricultural Development (FAO)Internationaler Fonds für landwirtschaftliche EntwicklungInternational Finance Corporation (IBRD)Internationale FinanzkorporationLehrstuhl für Energiewirtschaft und Kraftwerkstechnik der TU München

EGR

EIBEOLE

EOR

ERUPTESF

ESMAP

EUEWREZFAO

FETCGATT

GATS

GEF

GTZGREET

GuDGUSHDI

HIPC-Initiative

HKWHPI

HTRIAEA

IBRD

ICID

ICIMOD

ICOLD

IEA

IFAD

IFC

IfE

XXIAkronyme

Page 22: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

International Hydropower Association (UNESCO)Internationale WasserkraftvereinigungInternational Institute for Applied Systems Analysis, ÖsterreichInstitut für Entwicklung und Frieden, Universität DuisburgInstituto Naçional de Pesca y Agricultura, KolumbienNationales kolumbianisches Institut für Fischerei und LandwirtschaftIntergovernmental Panel on Climate Change (WMO, UNEP)Zwischenstaatlicher Ausschuss für KlimaänderungenInstitute for Policy StudiesInstitut für PolitikstudienIntergovernmental Panel on Sustainable Energy (vom WBGU empfohlen)Zwischenstaatlicher Ausschuss für nachhaltige EnergieInternational Renewable Energy Information and Communication System(WSP)Globales Informations- und Kommunikationssystem zu erneuerbaren EnergienFraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg/Br.International Sustainable Energy Agency (vom WBGU empfohlen)Internationale Agentur für nachhaltige EnergieInternationaler ExperimentalreaktorInternationaler WährungsfondsInternational Monetary FundJapan Bank for International CooperationJapanische Bank für Internationale KooperationJoint ImplementationGemeinsame Umsetzung (Kioto-Protokoll)Kreditanstalt für WiederaufbauKleine und mittlere UnternehmenKraft-Wärme-KopplungLeast Developed CountriesAm wenigsten entwickelte LänderLiquified Petroleum GasFlüssiggasLeichtwasserreaktorTop-down Macroeconomic Model (IIASA)Molton Carbonat Fuel CellSchmelzkarbonatbrennstoffzelleMultilaterales Energiesubventionsabkommen (vom WBGU empfohlen)Model for Energy Supply Strategy Alternatives and their GeneralEnvironmental Impact (IIASA)Dynamisches Optimierungsmodell für Energiesysteme und ihreUmweltauswirkungenModel of Investment and Technological Development (PIK)North American Free Trade AgreementNordamerikanisches FreihandelsabkommenNorth Atlantic Treaty OrganisationNordatlantikpaktNippon Export and Investment InsuranceStaatliche japanische Export und InvestitionsversicherungOfficial Development AssistanceÖffentliche EntwicklungszusammenarbeitOrganisation for Economic Co-operation and DevelopmentOrganisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungOrganización Latinoamericana de Energia, MittelamerikaOrganization of Petroleum Exporting CountriesOrganisation Erdöl exportierender Länder

IHA

IIASAINEFINPA

IPCC

IPS

IPSE

IREICS

ISEISEA

ITERIWF

JBIC

JI

KfWKMUKWKLLDC

LPG

LWRMACROMCFC

MESAMESSAGE

MINDNAFTA

NATO

NEXI

ODA

OECD

OLADEOPEC

XXII Akronyme

Page 23: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

OPIC

ÖPNVOSPAR

PAA

PAFC

PEEREA

PEMFC

PIKPKWPOP

PRSP

PVRBMK

RECS

RNESGP

SKESOFC

SRESSRUTERITGTHGTRIPS

UN

UNDESA

UNEP

UNEP CCEE

UNESCO

UNFCCC

UNFPA

Overseas Private Investment CorporationInvestitionsförderungsgesellschaft der Regierung der USAÖffentlicher PersonennahverkehrConvention for the Protection of the Marine Environment of the North-EastAtlanticÜbereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des NordostatlantiksParts of Assigned AmountsAnteile zugeteilter EmissionseinheitenPhosphor Acid Fuel CellPhosporsaure BrennstoffzelleEnergy Charter Protocol on Energy Efficiency and Related EnvironmentalAspectsProtokoll zur Energie-Charta über Energieeffizienz und verwandteUmweltaspekteProton Exchange Membrane Fuel CellBrennstoffzelle mit Protonenaustauscher-MembranPotsdam-Institut für Klimafolgenforschung e. V.PersonenkraftwagenPersistent Organic PollutantPersistenter organischer SchadstoffPoverty Reduction Strategy Papers (IWF, Weltbank)Nationale Strategien zur ArmutsbekämpfungPhotovoltaikReactor Bolsoi Mochnosti Kipyashiy – Large Power Boiling ReactorSiedewasser-DruckröhrenreaktorRenewable Energy Certification SystemZertifikatesystem für Erneuerbare EnergienRat für Nachhaltige EntwicklungSmall Grant Programme (GEF)MikrokreditprogrammSteinkohleneinheitSolid Oxide Fuel CellKeramische FestoxidbrennstoffzelleSpecial Report on Emission Szenarios (IPCC)Rat von Sachverständigen für UmweltfragenTata Energy Research Institute, IndienTrockengewichtTreibhausgasTrade-Related Aspects of Intellectual Property RightsÜbereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigenEigentumsUnited NationsVereinte NationenUN Department of Economic and Social AffairsHauptabteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der VereintenNationenUnited Nations Environment ProgrammeUmweltprogramm der Vereinten NationenCollaborating Centre on Energy and Environment (UNEP)Zentrum für Zusammenarbeit in Energie und UmweltUnited Nations Educational, Scientific and Cultural OrganizationOrganisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und KulturUnited Nations Framework Convention on Climate ChangeRahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über KlimaänderungenUnited Nations Fund for Population ActivitiesBevölkerungsfonds der Vereinten Nationen

XXIIIAkronyme

Page 24: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

UNIDO

UVPWBGUWCDWEC

WERCP

WHO

WSP

WSSD

WTO

United Nations Industrial Development OrganisationOrganisation der Vereinten Nationen für industrielle EntwicklungUmweltverträglichkeitsprüfungWissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale UmweltveränderungenWorld Commission on DamsWorld Energy CouncilWeltenergieratWorld Energy Research Coordination Programme (UN, vom WBGUempfohlen)Weltenergieforschungs- und KoordinationsprogrammWorld Health Organization (UN)WeltgesundheitsorganisationWorld Solar ProgrammeWeltsolarprogrammWorld Summit on Sustainable DevelopmentWeltgipfel für nachhaltiger EntwicklungWorld Trade OrganizationWelthandelsorganisation

XXIV Akronyme

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Im ersten Teil dieser Zusammenfassung für Ent-scheidungsträger werden knapp die wesentlichenProbleme der bestehenden Energiesysteme darge-stellt, im zweiten Teil wird die Frage beantwortet,welchen Kriterien eine Energiewende genügen muss,um als „nachhaltig“ zu gelten. Der dritte Teilbeschreibt auf der Grundlage eines exemplarischenSzenarios einen möglichen Pfad für die Transforma-tion des globalen Energiesystems im 21. Jahrhundert,die durch eine kraftvolle Wende in der Energiepoli-tik in den nächsten Jahrzehnten eingeleitet werdenmuss. Darauf aufbauend wird im vierten Teil einmöglicher Fahrplan mit konkreten Zielen und politi-schen Handlungsoptionen für die globale Energie-wende vorgeschlagen.

1Warum eine globale Energiewende erforderlich ist

Der WBGU zeigt, dass eine globale Energiewendeunerlässlich ist, um die natürlichen Lebensgrundla-gen der Menschheit zu schützen und die Energiear-mut in den Entwicklungsländern zu beseitigen. Nurdurch einen grundlegenden Umbau der Energiesys-teme lässt sich eine nicht nachhaltige Entwicklungwieder in nachhaltige Bahnen lenken. Eine globaleEnergiewende hätte nicht zuletzt auch friedensför-dernde Wirkungen, da sie die Abhängigkeit von denregional konzentrierten Ölreserven senkt.

1.1Die Nutzung fossiler Energieträger gefährdetnatürliche Lebensgrundlagen

Die weltweite Energienutzung beruht heute zu 80%auf fossilen Energieträgern, mit steigender Tendenz.Bei ihrer Verbrennung gelangen Emissionen in dieUmwelt, wo sie Klimaveränderungen, Luftver-schmutzung und Krankheiten beim Menschen her-vorrufen. Ihre Wirkung können Emissionen lokal(Grobstaub, Benzol, Ruß), regional (Aerosolparti-kel, kurzlebige Gase) oder global (langlebige Treib-

hausgase) entfalten. Der globale Klimaschutz ist dieüberragende Herausforderung, die eine Energie-wende dringend erforderlich macht.

Die Emission langlebiger Treibhausgase, vorallem Kohlendioxid, aber auch Methan und Lachgas,trug in den vergangenen 100 Jahren wesentlich zueiner Erhöhung der mittleren Lufttemperatur inOberflächennähe um 0,6 ºC bei. Für die nächsten 100Jahre prognostiziert der Zwischenstaatliche Aus-schuss über Klimaänderungen (IPCC) eine Tempera-turerhöhung zwischen 1,4 und 5,8 ºC, je nach demVerhalten der Menschheit und ohne Berücksichti-gung von Klimaschutzmaßnahmen. Der WBGU hälteine mittlere globale Temperaturänderung von mehrals 2 ºC gegenüber dem Wert vor der Industrialisie-rung für intolerabel. Durch die vorausgesagte Ver-schiebung der Klimaregionen sowie durch häufigereWetterextreme wie Überschwemmungen und Dür-ren können die natürlichen Lebensgrundlagen vonMillionen Menschen erheblich beeinträchtigt wer-den. Besonders bedroht sind die Entwicklungslän-der. Bei empfindlichen Ökosystemen sind die Schä-den schon jetzt nachweisbar. Das Risiko einer irre-versiblen Schädigung von Ökosystemen nimmt mitzunehmender Erwärmung und steigender Erwär-mungsrate zu.

Bei der Verbrennung fossiler Energieträger ent-stehen neben Kohlendioxid auch Benzol- und Ruß-emissionen, die zahlreiche schädigende Wirkungenauf Gesundheit und Ökosysteme haben, sowie Stick-oxide, Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid, diedie Bildung von bodennahem Ozon fördern und dieReinigungskraft der Atmosphäre verringern. Stick-und Schwefeloxide sowie Ammoniak werden in derAtmosphäre chemisch umgewandelt und durch „sau-ren Regen“ in die Böden eingetragen. Das heutigeEnergiesystem schädigt also auf vielfältige Weise dienatürliche Umwelt, gefährdet die Gesundheit undbeeinflusst massiv biogeochemische Kreisläufe.

Zusammenfassung für Entscheidungsträger

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2 Zusammenfassung für Entscheidungsträger

1.2Fehlender Zugang zu modernen Energieformen istein Problem für rund 2 Milliarden Menschen

Die Verbesserung des Zugangs zu moderner Energiein den Entwicklungsländern ist ein grundlegenderBeitrag zur Armutsbekämpfung und entscheidendfür das Erreichen der Entwicklungsziele der UN-Millenniumserklärung. Die Energieversorgung vonrund 2,4 Mrd. Menschen hängt, insbesondere in länd-lichen Gebieten Asiens und Afrikas, überwiegendoder vollständig von der Nutzung von Biomasse(Brennholz, Holzkohle oder Dung) zum Kochen undHeizen ab. In den Entwicklungsländern werdendurchschnittlich 35% der Energie aus Biomassegewonnen, in Teilen Afrikas erreicht dieser Anteil biszu 90%. An den Emissionen aus der Verbrennungvon Biomasse und Kohle in Innenräumen sterbenlaut WHO 1,6 Mio. Menschen jährlich, deutlich mehrals die 1 Mio. Malariaopfer. Eine Energiewende istdaher auch zur Überwindung der Entwicklungspro-bleme unverzichtbar.

2Der Korridor nachhaltiger Energiepolitik: DieLeitplanken für eine globale Energiewende

Nachhaltige Transformationspfade werden durch sogenannte „Leitplanken“ begrenzt. Der WBGU defi-niert mit diesen Leitplanken jene Schadensgrenzen,deren Verletzung so schwerwiegende Folgen mit sichbrächte, dass auch kurzfristige Nutzenvorteile dieseSchäden nicht ausgleichen könnten (Kasten 1). Bei-spielsweise würde eine zu späte Umsteuerung imEnergiesektor zugunsten kurzfristiger wirtschaft-licher Vorteile die globale Erwärmung so weit voran-treiben, dass durch die zu erwartenden wirtschaft-lichen und sozialen Verwerfungen die Kosten desNichthandelns langfristig deutlich höher wären. Leit-planken sind keine Ziele: Es handelt sich nicht umanzustrebende Werte oder Zustände, sondern umMinimalanforderungen, die im Sinn der Nachhaltig-keit erfüllt werden müssen.

3Die nachhaltige Energiewende ist machbar:Testlauf für die Transformation derEnergiesysteme

Szenarien für die Energiezukunft können an denbeschriebenen Leitplanken auf Nachhaltigkeit getes-tet werden. Prinzipiell sind viele Entwicklungendenkbar, die die gegenwärtigen weltweiten Energie-

systeme nachhaltig umgestalten würden. Insofern istdas in diesem Gutachten entworfene Szenario als einBeispiel zu verstehen (Abb. 1). Ausgehend von Sze-narien zur Stabilisierung der CO2-Konzentration inder Atmosphäre auf maximal 450 ppm wird gezeigt,dass die globale Energiewende grundsätzlich in denkommenden 100 Jahren technisch und wirtschaftlichmöglich ist.

Der exemplarische Pfad des WBGU hat vier zen-trale Bestandteile:1. Starke Minderung der Nutzung fossiler Energie-

träger;2. Auslaufen der Nutzung nuklearer Energieträger;3. Erheblicher Auf- und Ausbau neuer erneuerbarer

Energieträger, insbesondere der Solarenergie;4. Steigerung der Energieproduktivität weit über

historische Raten hinaus.Aus der Analyse dieses Pfads ergeben sich folgendeErkenntnisse:• Weltweite Kooperation und Angleichung der

Lebensbedingungen erleichtern eine schnelleTechnologieentwicklung und -verbreitung. HohesWirtschaftswachstum kann dann in Verbindungmit einer starken Erhöhung der Energieprodukti-vität zu einer nachhaltigen Energieversorgungführen.

• Nur mit verbindlichen CO2-Reduktionsvorgabenkönnen Minimalanforderungen an den Klima-schutz erfüllt werden.

• Flankierend zur Energiepolitik sind auch Maß-nahmen zur Minderung von Treibhausgasen inanderen Sektoren (in der Landwirtschaft z. B. vonLachgas und Methan) sowie zum Schutz natür-licher Kohlenstoffvorräte notwendig.

• Auch wenn hier ein beispielhafter Pfad auf derBasis einer Stabilisierung der CO2-Konzentrationin der Atmosphäre auf 450 ppm entwickelt wurde,bedeutet dies aufgrund der Unsicherheiten desKlimaverhaltens keineswegs, dass dieses Stabili-sierungsniveau als ausreichend gelten kann. DerWBGU empfiehlt, Optionen für niedrigere Stabi-lisierungskonzentrationen offen zu halten.

• Ein fossil-nuklearer Pfad ist selbst unter Einhal-tung der Klimaschutzziele mit wesentlich größe-ren, für den WBGU intolerablen Risiken sowiemit weitaus höheren Umweltbelastungen verbun-den. Zudem ist er mittel- und langfristig vor allemwegen der CO2-Sequestrierungskosten deutlichteurer als ein Pfad, der auf regenerative Energie-träger und Steigerung der Energieeffizienz setzt.

• Wegen der langen Vorlaufzeiten stellen die näch-sten 10–20 Jahre das entscheidende Zeitfensterfür den Umbau der Energiesysteme dar. Sollte derUmbau erst später eingeleitet werden, ist mitunverhältnismäßig hohen Kosten zu rechnen.

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3Zusammenfassung für Entscheidungsträger

• Die Energiewende gelingt nur dann, wenn ein ver-stärkter Kapital- und Technologietransfer von denIndustrie- in die Entwicklungsländer stattfindet.Zunächst müssen die Industrieländer die Techno-logieentwicklung bei der Energieeffizienz undNutzung erneuerbarer Energiequellen deutlichverstärken, etwa durch Steigerung und Umlen-kung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben,Markteinführungsstrategien, Preisanreize undden Aufbau geeigneter Infrastruktur. Dadurchkönnen die zunächst noch hohen Kosten derneuen Technologien reduziert und es kann schnel-ler Marktreife erreicht werden, was wiederum denTransfer in die Entwicklungsländer erleichtert.

• Kurz- und mittelfristig müssen diejenigen erneu-erbaren Energiequellen zügig erschlossen wer-

den, die heute technisch beherrschbar und relativpreiswert sind. Das sind insbesondere Windkraftund Biomassenutzung. Langfristig kann der stei-gende Primärenergiebedarf nur durch eine ent-schiedene Sonnenenergienutzung gedeckt wer-den, die mit weitem Abstand das größte nachhal-tige Potenzial besitzt. Dieses Potenzial kann nurdann rechtzeitig erschlossen werden, wenn eineVerzehnfachung der installierten Leistung proDekade schon jetzt und auch langfristig sicherge-stellt wird.

• Die Nutzung fossiler Energieträger, die auch inden nächsten Jahrzehnten weiter notwendig seinwird, muss möglichst so erfolgen, dass Effizienz-potenziale ausgeschöpft werden und Infrastruktu-ren und Kraftwerkstechnologien leicht auf erneu-

Kasten 1

Leitplanken nachhaltiger Energiepolitik

Ökologische Leitplanken

KlimaschutzEine Temperaturänderungsrate über 0,2 °C pro Jahrzehntund eine mittlere globale Temperaturänderung über 2 °Cgegenüber dem Wert vor der Industrialisierung sind intole-rable Werte einer globalen Klimaänderung.

Nachhaltige Flächennutzung10–20% der weltweiten Landfläche sollten dem Natur-schutz vorbehalten bleiben. Nicht mehr als 3% sollten fürden Anbau von Bioenergiepflanzen bzw. für terrestrischeCO2-Speicherung genutzt werden. Dabei ist eine Umwand-lung natürlicher Ökosysteme zum Anbau von Bioenergie-trägern grundsätzlich abzulehnen. Bei Nutzungskonfliktenmuss die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung Vor-rang haben.

Schutz von Flüssen und ihren Einzugsgebieten Wie bei den Landflächen, so sollten auch etwa 10–20% derFlussökosysteme inklusive ihrer Einzugsgebiete demNaturschutz vorbehalten sein. Dies ist ein Grund dafür,warum die Wasserkraft – nach Erfüllung der notwendigenRahmenbedingungen (Investitionen in Forschung, Institu-tionen, Kapazitätsaufbau usw.) – nur in Grenzen ausgebautwerden kann.

Schutz der MeeresökosystemeDer WBGU hält die Nutzung des Ozeans zur Kohlenstoff-speicherung nicht für tolerierbar, weil die ökologischenSchäden groß sein könnten und das Wissen über die biolo-gischen Folgen zu lückenhaft ist.

Schutz der Atmosphäre vor LuftverschmutzungKritische Belastungen durch Luftschadstoffe sind nichttolerierbar. Als erste Orientierung für eine quantitativeLeitplanke kann festgelegt werden, dass die Belastungennirgendwo höher sein dürfen, als sie heute in der EU sind,auch wenn dort die Situation noch nicht bei allen Schad-stoffen zufrieden stellend ist. Eine endgültige Leitplankemuss durch nationale Umweltstandards und multilateraleUmweltabkommen definiert und umgesetzt werden.

Sozioökonomische Leitplanken

Zugang zu moderner Energie für alle MenschenDer Zugang zu moderner Energie sollte für alle Menschengewährleistet sein. Dazu muss der Zugang zu Elektrizitätsichergestellt und die Nutzung gesundheitsschädigenderBiomasse durch moderne Brennstoffe ersetzt werden.

Deckung des individuellen Mindestbedarfs anmoderner EnergieDer WBGU erachtet folgende Endenergiemengen alsMinimum für den elementaren individuellen Bedarf: Spä-testens ab 2020 sollten alle Menschen wenigstens 500 kWhpro Kopf und Jahr an Endenergie und spätestens ab 2050wenigstens 700 kWh zur Verfügung haben. Bis 2100 sollteder Wert auf 1.000 kWh steigen.

Begrenzung des Anteils der Energieausgaben amEinkommenArme Haushalte sollten maximal ein Zehntel ihres Ein-kommens zur Deckung des elementaren individuellenEnergiebedarfs ausgeben müssen.

GesamtwirtschaftlicherMindestentwicklungsbedarfZur Deckung des gesamtwirtschaftlichen Mindestenergie-bedarfs pro Kopf (für indirekt genutzte Energiedienstleis-tungen) sollte allen Ländern mindestens ein Bruttoinlands-produkt pro Kopf von etwa 3.000 US-$1999 zur Verfügungstehen.

Risiken im Normalbereich haltenEin nachhaltiges Energiesystem sollte auf Technologienberuhen, deren Betrieb im „Normalbereich“ der Umwelt-risiken liegt. Die Kernenergie kollidiert mit diesen Anfor-derungen insbesondere durch intolerable Unfallrisikenund ungeklärte Abfallentsorgung sowie wegen der Risikendurch Proliferation und Terrorismus.

Erkrankungen durch Energienutzung vermeidenDie lokale Luftverschmutzung in Innenräumen durch Ver-brennung von Biomasse und in Städten durch Nutzung fos-siler Energieträger verursacht weltweit schwere Gesund-heitsschäden. Die hierdurch verursachte Gesundheitsbe-lastung sollte in allen WHO-Regionen jeweils 0,5% dergesamten Gesundheitsbelastung der Region (gemessen inDALYs, disability adjusted life years) nicht überschreiten.

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4 Zusammenfassung für Entscheidungsträger

erbare Energieträger umgerüstet werden können.Besonders die effiziente Nutzung von Gas etwabei der Kraft-Wärme-Kopplung und in Brenn-stoffzellen kann eine wichtige Brückenfunktionhin zu einer Wasserstoffwirtschaft darstellen.

• Auch eine maßvolle Speicherung von Kohlendi-oxid in geeigneten geologischen Formationen(z. B. ausgeförderten Öl- und Gaskavernen) wirdzur Einhaltung der Klimaleitplanken als Über-gangstechnologie in diesem Jahrhundert notwen-dig sein. Die Nutzung des Ozeans zur Kohlen-stoffspeicherung lehnt der WBGU aus ökologi-schen Gründen ab.

4Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans:politische Zielgrößen, Zeitpläne und Maßnahmen

4.1 Natürliche Lebensgrundlagen schützen

Um die globale Erwärmung in erträglichen Grenzenzu halten, müssen die Kohlendioxidemissionen bis2050 gegenüber 1990 weltweit um mindestens 30%reduziert werden (Überblick: Abb. 2). Für die Indus-

trieländer bedeutet dies eine Reduktion um etwa80%, während die Entwicklungs- und Schwellenlän-der ihre Emissionen um maximal 30% steigern dür-fen. Da ohne Energiewende in den Entwicklungs-und Schwellenländern für den gleichen Zeitraumeher eine Verdopplung bis Vervierfachung der Emis-sionen erwartet werden kann, ist auch in diesen Län-dern ein rasches Umschwenken bei Energieerzeu-gung und -nutzung notwendig. Der Schwerpunktsollte dabei auf erneuerbare Energien und Effizienz-maßnahmen gelegt werden. Wegen der beträcht-lichen Unsicherheit, z. B. auch über das Verhalten desKlimas, sind die angegeben Reduktionsziele als Min-destvorgaben zu bewerten.

4.1.1Energieproduktivität erhöhen

Um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, solltedie globale Energieproduktivität (Bruttoinlandspro-dukt pro Energieeinsatz) jährlich zunächst um 1,4%und möglichst bald um mindestens 1,6% gesteigertwerden. Dies entspräche einer Verdreifachung derEnergieproduktivität bis 2050 gegenüber 1990. Bis2050 sollten zudem bei großen, fossil betriebenen

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Abbildung 1 Die Veränderung des globalen Energiemix im exemplarischen Pfad bis 2050/2100.Quelle: WBGU

Page 29: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

5Zusammenfassung für Entscheidungsträger

Kraftwerken Mindestwirkungsgrade von über 60%angestrebt werden. Dazu empfiehlt der WBGU:• Ab 2005 die stufenweise Etablierung internatio-

naler Standards für Mindestwirkungsgrade fossilbetriebener Kraftwerke, nach dem Vorbild derentsprechenden EU- Richtlinie;

• Bis 2012 20% des Stroms in der EU durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu erzeugen. Insbeson-dere ist das Potenzial verteilter Erzeugung zu nut-zen. Dazu sollte sich die Bundesregierung inner-halb der EU für die zügige Festlegung verbind-licher nationaler Zielquoten einsetzen;

• Ökologische Finanzreformen als wesentlicheInstrumente zur Schaffung von Anreizen für mehrEffizienz einzuleiten. Dazu gehören Maßnahmenzur Internalisierung externer Kosten (z. B. CO2-Steuer, Zertifikatehandel) und der Abbau vonSubventionen für fossile und nukleare Energieträ-ger;

• Die Endverbraucher besser zu informieren, umdie Energieeffizienz zu steigern, z. B. durch Kenn-zeichnungspflichten für alle energieintensivenGüter, Gebäude und Dienstleistungen. BeiGütern, die international gehandelt werden, isteine länderübergreifende Harmonisierung vonEffizienzstandards und Labels empfehlenswert;

• Die großen Effizienzpotenziale in der Nutzungder Heiz- und Kühlungsenergie durch ordnungs-rechtliche Regelungen bezüglich des Primärener-giebedarfs von Gebäuden auszuschöpfen.

4.1.2Erneuerbare Energien erheblich ausbauen

Der Anteil der erneuerbaren Energien am globalenEnergiemix sollte bis 2020 von derzeit 12,7% auf20% erhöht werden, mit dem langfristigen Ziel, bis2050 über 50% zu erreichen. Ökologische Finanzre-formen werden zu einer Verteuerung fossiler undnuklearer Energieträger führen und damit derenAnteil am globalen Energiemix zurückdrängen. DerAnteil erneuerbarer Energien wird folglich anstei-gen. Da dieser Anstieg jedoch deutlich unter derangestrebten Erhöhung auf 20% bzw. 50% liegenwird, empfiehlt der WBGU einen aktiven Ausbauerneuerbarer Energien. Empfohlen wird insbeson-dere,• dass sich die Länder auf nationale Quoten eini-

gen. Um die Kosten zu minimieren, sollte bis 2030ein weltweites System international handelbarerQuoten angestrebt werden. In solch einem flexi-blen System sollte allerdings jedes Land verpflich-tet werden, einen wesentlichen Teil seiner Quoteim Rahmen der einheimischen Energiegewinnungzu erfüllen;

• Markteinführungsstrategien (z. B. zeitlich be-grenzte Subventionen, Einspeisevergütungen,Quotenmodelle) fortzusetzen und auszubauen.Bis ein nennenswertes Marktvolumen erreichtwird, zählen Einspeisevergütungen mit einer zeit-lichen Degression der Vergütungssätze zu denbesonders sinnvollen Optionen. Wenn ein ausrei-chend großes Marktvolumen einzelner Energie-träger erreicht ist, sollte die Förderung in ein Sys-tem handelbarer Quoten und gegebenenfalls vonGreen Energy Certificates überführt werden;

• das Energiesystem für den großskaligen Einsatzfluktuierender erneuerbarer Quellen zu ertüchti-gen. Dazu zählen insbesondere eine leistungsfähi-gere Netzregelung, angepasste Regelungsstrate-gien für verteilte Energieerzeuger, die Ertüchti-gung der Netze für eine starke Durchdringung mitverteilten Energieerzeugern sowie ihr Ausbau bishin zu internationalen Energietransportstruk-turen („Global Link“). Später sollte der Aufbaueiner Infrastruktur für Wasserstoffspeicherungund -verteilung unter Nutzung von Erdgas alsBrückentechnologie erfolgen;

• die Verbreitung und Weiterentwicklung der Tech-nologien des solaren und energieeffizienten Bau-ens entschieden zu fördern;

• personelle und institutionelle Kapazitäten in denEntwicklungsländern aufzubauen und zu stärkensowie den Technologietransfer zu intensivieren,um damit die Rahmenbedingungen für den Auf-bau nachhaltiger Energiesysteme zu verbessern;

• ab 2005 in der Exportkreditförderung progressiveMindestauflagen für die zulässige Kohlenstoffin-tensität bei Energieerzeugungsprojekten festzule-gen.

4.1.3Aus der Kernkraft aussteigen

Es sollten keine neuen Kernkraftwerke mehr geneh-migt und bis 2050 weltweit die Nutzung der Kern-kraft beendet werden. Dazu empfiehlt der WBGU• internationale Verhandlungen für den Ausstieg

aus der Nutzung der Kernkraft anzustreben. DerBeginn könnte eine Statutenänderung der Inter-nationalen Atomenergie-Organisation (IAEA)sein;

• bis 2005 die Etablierung neuer, schärferer IAEA-Sicherheitsstandards für alle Lagerstätten vonNuklearmaterialien sowie erweiterte Kontroll-und Maßnahmenkompetenz der IAEA beiSicherheitsbestimmungen im Bereich Terrorismusund Proliferation.

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6 Zusammenfassung für Entscheidungsträger

Öl

Kohle

Gas

KernenergieWasserkraftBiomasse (traditionell)Biomasse (modern)Wind

Solarstrom (Photovoltaik und solar thermische Kraftwerke)

Solarthermie (nur Wärme)Andere ErneuerbareGeothermie

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2003 2010 2020 2030 2040 2050Kioto-1 Kioto-2 Jahr

Global: Ausgaben zur Deckung des elementarsten Energiebedarfs maximal 10% des Haushaltseinkommens

OECD: ODA auf 0,5% des BIP aufstocken, langfristig auf 1% des BIP

EU: KWK-Anteil an Stromerzeugung auf 20% erhöhen

Global: Energieversorgung in PRSP-Prozess integrieren

OECD: Neue Entschuldungsinitiativen anstoßen

Global: Neues GEF-Fenster für nachhaltige Energiesysteme einrichten

Global: Energiecharta verabschieden und Globales Ministerforum für nachhaltige Energie gründen

OECD: Emissionsabhängiges Nutzungsentgelt für den internationalen Flugverkehr einführen

OECD: Mittel für Energieforschung auf 10% an Gesamtforschung steigern

OECD: Ökologische Finanzreform realisieren, langfristig global

Global: Multilaterales Energiesubventionsabkommen verabschieden

Global: Standards für CDM-Projekte festlegen

Global: International Sustainable Energy Agency sowie IPSE und WERCP gründen

Global: Kapazitäten in Entwicklungsländern ausbauen und Technologien transferieren

Global: Mindestversorgung von 500 kWh pro Kopf und Jahr sicherstellen, bis 2050 auf über 700 kWh steigern

Global: Zugang zu moderner Energie für alle Menschen sicherstellen

Kioto-Vertragsstaaten: Ziele für Emissionsreduktionen für Industrieländer bis 2008 fortschreiben,Entwicklungsländer bis 2020 in Emissionskontrolle einbeziehen

Global: Aus Atomkraft aussteigen

Global: Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix auf 20% steigern, bis 2050 auf 50%

Global: Energieproduktivität verdreifachen

Kioto-Annex-B-Länder: Treibhausgasemissionen um 40% senken, bis 2050 um 80% (Basis 1990)

Entwicklungsländer: Steigerung der Treibhausgasemissionen im Maximum auf 30% gegenüber 1990 begrenzen

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Global: Quoten für erneuerbare Energien einführen

Abbildung 2 Der WBGU-Transformationsfahrplan im Überblick. BIP Bruttoinlandsprodukt, CDM Clean Development Mechanism, GEFGlobale Umweltfazilität, IPSE Intergovernmental Panel on Sustainable Energy, KWK Kraft-Wärme-Kopplung, ODA OfficialDevelopment Assistance, OECD Organisation for Economic Co-operation and Development, PRSP Poverty ReductionStrategy Papers, WERCP World Energy Research Coordination Programme.Quelle: WBGU

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7Zusammenfassung für Entscheidungsträger

4.2 Energiearmut weltweit beseitigen und globaleMindestversorgung anstreben

Der Zugang zu moderner Energie ist ein wichtigesElement von Armutsbekämpfung und Entwicklung.Daher empfiehlt der WBGU als international zu ver-einbarendes Ziel, dass der Zugang zu modernerEnergie ab 2020 für die gesamte Weltbevölkerunggesichert wird und alle Menschen ab diesem Zeit-punkt mindestens 500 kWh pro Kopf und Jahr zurDeckung des elementaren Bedarfs an Endenergiezur Verfügung haben (Abb. 2). Bei allen Maßnahmenzur Transformation der Energiesysteme ist dabei aufeine Verringerung der sozioökonomischen Dispa-ritäten zu achten. Der Anteil für Energieausgabenam Haushaltseinkommen sollte 10% nicht überstei-gen.

Der Zugang zu moderner Energie ist auch einzentraler Beitrag zur Erfüllung der in der UN-Millenniumserklärung vereinbarten Entwicklungs-ziele.

4.2.1Internationale Zusammenarbeit auf nachhaltigeEntwicklung ausrichten

Neue Weltbankpolitik in FörderpraxisumsetzenDie Weltbank, die die Länder beim Ausbau ihrerEnergiesysteme unterstützt, sollte sich nach Ansichtdes WBGU auch als Förderbank für nachhaltigeEnergie verstehen, um damit das Überspringen nichtnachhaltiger Entwicklungsstufen zu erleichtern. DieWeltbank hat bei der Förderung der Energiewendeden Schritt von der konzeptionellen zur operativenEbene noch nicht ausreichend vollzogen. Dringenderforderlich ist daher die Umsteuerung ihrer Förder-praxis, die bisher nach dem Least-Cost-Prinzip vor-wiegend fossile Energieträger finanziert. DerWBGU empfiehlt• ab sofort die Umsetzung der neuen Förderkon-

zeption der Weltbank in die Praxis. Dafür solltesich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Mit-gliedschaft im Verwaltungsrat der Weltbank ein-setzen.

Nachhaltige Energieversorgung inArmutsbekämpfungsstrategien integrierenIWF und Weltbank begannen Ende 1999 ihre Politikgegenüber den am wenigsten entwickelten Ländernvorwiegend auf Armutsbekämpfung auszurichten.Die „Poverty Reduction Strategy Papers“ (PRSP)sollen als Steuerungsinstrumente für die mittelfris-

tige Entwicklung der Länder dienen sowie Grund-lage für die Einwerbung internationaler Unterstüt-zung sein. Der WBGU empfiehlt,• die nachhaltige Energieversorgung in die PRSP zu

integrieren, um sicherzustellen, dass das ThemaEnergie in der Entwicklungszusammenarbeiteinen größeren Stellenwert erhält.

Rolle der regionalen EntwicklungsbankenstärkenDie Rolle der regionalen Entwicklungsbanken solltegestärkt werden. Diese verfügen über eine guteregionale Verankerung und stehen den Problemenvor Ort näher als globale Institutionen. Der WBGUempfiehlt, dass• sich Deutschland im Rahmen seiner Beteiligung

an diesen Banken und im Rahmen der EU für dieFörderung der Energieversorgung in den amwenigsten entwickelten Ländern durch die regio-nalen Entwicklungsfonds einsetzt;

• die EU den Europäischen Entwicklungsfondsgezielt zur Förderung erneuerbarer Energieträgerin den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) einsetzt.

4.2.2Handlungsfähigkeit der Entwicklungsländerstärken

Wirtschaftliche und soziale Entwicklungin den Niedrigeinkommensländern fördernFür die Energiewende ist ein Mindestmaß wirt-schaftlicher Entwicklung Voraussetzung. In vielenLändern wird das hierfür erforderliche Pro-Kopf-Einkommen bei weitem nicht erreicht. Daher emp-fiehlt der WBGU, die Entwicklungszusammenarbeitnicht allein bei Basisdienstleistungen und nachhalti-ger Energieversorgung zu verstärken, sondern dieZusammenarbeit speziell mit Niedrigeinkommens-ländern quantitativ und qualitativ zu intensivieren.Zudem sollte im Rahmen der „Entwicklungsrunde“der WTO auf verbesserte Zugangsmöglichkeiten fürGüter aus allen Niedrigeinkommensländern zu denMärkten in Industrie- und Schwellenländerngedrängt werden.

Neue Entschuldungsinitiativen anstoßenIn der Regel haben hoch verschuldete Entwicklungs-länder nur geringe Spielräume, um Preisschwankun-gen auf den Weltenergiemärkten zu verkraften, Effi-zienzverbesserungen ihrer Energieversorgung zufinanzieren und die Anwendung erneuerbarer Ener-gietechnologien voranzutreiben. Um die Transfor-mation durchzuführen, bedarf es weit reichenderSchuldenregulierungen. Der WBGU empfiehlt, dass

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8 Zusammenfassung für Entscheidungsträger

• sich die Bundesregierung im Rahmen der G7/G8für neue Entschuldungsinitiativen einsetzt.

4.2.3 Regulatorische und privatwirtschaftliche Elementekombinieren

Die Verbesserungen des Zugangs zu modernenEnergieformen mit geringen Emissionen sowie zuerneuerbaren Energien und eine Erhöhung der Effi-zienz der Energienutzung in Entwicklungs-, Schwel-len- und Transformationsländern sind durch Maß-nahmen auf der Angebots- und der Nachfrageseitezu erreichen.

Angebotsseite: Liberalisierung undPrivatisierung mit regulatorischenEingriffen kombinierenAuf der Angebotsseite sind Privatisierung und Libe-ralisierung mit regulatorischen Eingriffen des Staatszu kombinieren. Je nach den spezifischen Gegeben-heiten einer Region wird der Mix dieser drei Berei-che unterschiedlich ausfallen müssen. Im Fall vonLiberalisierung und Privatisierung sind attraktiveRahmenbedingungen für private Investoren und dieErschließung internationaler Kapitalquellen erfor-derlich. Im Fall eines stärkeren Engagements durchden Staat ist die Festlegung von Standards ebensowichtig wie ein Ausbau von Public-Private Partner-ships, möglichst unterstützt durch bilaterale und mul-tilaterale Entwicklungszusammenarbeit.

Nachfrageseite: Kaufkraft vonArmutsgruppen erhöhenAuf der Nachfrageseite muss es darum gehen, dieKaufkraft für Energie insbesondere bei Armutsgrup-pen zu erhöhen. Dies kann durch zielgruppenspezifi-sche Subventionen ebenso erfolgen wie durch einenAusbau von Mikrofinanzierungssystemen. Um nichtnur die Kaufkraft, sondern auch die Bereitschaft zuerhöhen, Energie nachhaltiger zu nutzen als bisher,ist bei Maßnahmen auf der Nachfrageseite kultur-und geschlechtsspezifischen RahmenbedingungenRechnung zu tragen.

4.3Finanzmittel für die globale Energiewendemobilisieren

Für die Finanzierung der globalen Energiewendesollten unverzüglich zusätzliche Finanzmittel mobili-siert und neue Transfermechanismen geschaffen bzw.bestehende gestärkt werden, um wirtschaftlichschwächere Länder bei der Transformation ihrer

Energiesysteme zu unterstützen. Der WBGUbegrüßt das von der deutschen Bundesregierung aufdem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung ange-kündigte Programm „Nachhaltige Energie für Ent-wicklung“ zum Aufbau strategischer Partnerschaf-ten. Dafür werden in den nächsten fünf Jahren insge-samt 1 Mrd. € bereitgestellt.

Privates Kapital mobilisierenUm privates Kapital für die globale Energiewendezu mobilisieren, empfiehlt der WBGU,• im Rahmen von „Public-Private Partnerships“

kleinen und mittelständischen Anbietern erneuer-barer Energietechnologien den Zugang zu denMärkten in den Entwicklungsländern zu erleich-tern;

• bis 2010 einen deutschen und wenn möglich EU-Standard für den Clean Development Mechanismzu schaffen. Dieser Standard sollte bis auf zubegründende Ausnahmen nur Projekte zur Förde-rung regenerativer Energien (mit Ausnahme gro-ßer Staudämme wegen derzeit ungelöster Nach-haltigkeitsprobleme), zur Steigerung der Energie-effizienz bestehender Anlagen oder zum nachfra-geseitigen Management zulassen.

Mittel für dieEntwicklungszusammenarbeit erhöhenMit 0,27% am BIP im Jahr 2001 sind die deutschenMittel für Entwicklungszusammenarbeit weit vominternational vereinbarten, aber völkerrechtlichunverbindlichen 0,7%-Ziel entfernt. Deutschlandhat sich allerdings dazu verpflichtet, die Mittel für dieöffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bis2006 auf 0,33% des BIP zu erhöhen. Dem Problem-druck angemessen wäre sogar eine Steigerung derBeiträge auf rund 1% des BIP. Der WBGU empfiehlt• nachdrücklich eine Aufstockung der ODA-Mittel

über die bis 2006 angekündigten 0,33% hinausund schlägt vor, als ersten Schritt bis 2010 mindes-tens 0,5% des BIP aufzuwenden.

Innovative FinanzierungsinstrumentenutzenOhne die Erschließung neuer Finanzierungsquellenist die globale Energiewende nicht umsetzbar. DiePotenziale, die sich aus der Erhebung von Entgeltenfür die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter erge-ben, sollten geprüft werden. Der WBGU empfiehlt,• ab 2008 ein emissionsabhängiges Nutzungsentgelt

für den internationalen Flugverkehr zu erheben,soweit dieser bis dahin nicht internationalenReduktionsverpflichtungen unterworfen ist.

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9Zusammenfassung für Entscheidungsträger

Globale Umweltfazilität alsinternationale FinanzierungsinstitutionstärkenDie gemeinsam von UNDP, UNEP und Weltbankbetriebene Globale Umweltfazilität (GEF) sollte alsKatalysator für Maßnahmen zum globalen Umwelt-schutz genutzt werden. Der WBGU empfiehlt,• bis 2005 die finanzielle Förderung von Effizienz-

technologien und erneuerbarer Energien in einemneu zu schaffenden Fenster der GEF zu bündeln(„Fenster für nachhaltige Energiesysteme“). Umbei der Mittelverwendung auch verstärkt entwick-lungspolitische Aspekte berücksichtigen zu kön-nen, sollte eine Vereinfachung der Anwendungdes Incremental-Costs-Ansatzes erwogen werden.Mit Blick auf den hohen Finanzbedarf zur Förde-rung der globalen Energiewende sind die Mittelder GEF beträchtlich aufzustocken.

4.4Modellprojekte als strategischen Hebel nutzenund Energiepartnerschaften eingehen

Modellprojekte mit SignalwirkunginitiierenDer WBGU plädiert dafür, Modellprojekte in gro-ßem Maßstab zur Einführung neuer erneuerbarerEnergien als strategischen Hebel für eine globaleEnergiewende einzusetzen. Von solchen Modellpro-jekten könnte eine weltweite Signalwirkung ausge-hen. Sie würden veranschaulichen, wie Technologie-sprünge in Energieprojekten umgesetzt werden kön-nen. Der WBGU empfiehlt, folgende Modellpro-jekte zu initiieren:• strategische Energiepartnerschaft zwischen EU

und Nordafrika, um Potenziale der Sonnenener-gienutzung für beide Seiten Gewinn bringend indie europäische Stromversorgung einzubinden;

• Entwicklung der Infrastruktur zur Substitutiontraditioneller Biomassenutzung durch biogenesFlaschengas;

• energieeffiziente Gebäude im Niedrigkostensek-tor am Beispiel südafrikanischer Townships;

• Verbesserung der Stromqualität in schwachenElektrizitätsnetzen ländlicher afrikanischer Regi-onen;

• „1-Million-Hütten-Elektrifizierungsprogramm“für Entwicklungsländer zum Erzeugen der not-wendigen Eigendynamik bei netzferner ländlicherElektrifizierung.

Strategische Partnerschaften für dieEnergiewende schmiedenBestehende oder im Aufbau befindliche politischeInitiativen zur Förderung einer globalen Energie-

wende geben einen Handlungsrahmen vor. DerWBGU empfiehlt, dass neben der 2004 stattfinden-den Weltkonferenz für Erneuerbare Energien insbe-sondere die folgenden Politikprozesse als Katalysa-toren für die Förderung einer globalen Energie-wende genutzt werden:• die auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwick-

lung beschlossene internationalen Initiativen – „Energy Initiative for Poverty Eradication and

Sustainable Development“,– „Global Village Energy Partnership“,– „Global Network on Energy for Sustainable

Development“;• das derzeit verhandelte Wirtschaftspartner-

schaftsabkommen der EU mit den AKP-Staaten.

4.5 Forschung und Entwicklung vorantreiben

Die Energiewende ist eine große technologische wiegesellschaftliche Herausforderung, die in ihrer Grö-ßenordnung mit einer neuen industriellen Revolu-tion vergleichbar ist. Sie kann nur gelingen, wennerheblicher Forschungs- und Entwicklungsaufwandbetrieben wird. Dies betrifft die erneuerbaren Ener-gieträger, die Infrastruktur, die Technik zur effizien-teren Energieverwendung sowie die Bereitstellungdes Wissens über Erhalt und Erweiterung von natür-lichen Kohlenstoffvorräten und Senken. Die Sozial-wissenschaften sind aufgefordert, die individuellenund institutionellen Barrieren des Umbaus zu erfor-schen sowie Strategien ihrer Überwindung zu entwi-ckeln.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung imEnergiebereich sind jedoch seit Jahren rückläufig. Inder OECD werden hierfür derzeit nur etwa 0,5% desUmsatzes für Forschungs- und Entwicklungsaufga-ben aufgewendet, mit sinkender Tendenz. Nur beidauerhaft hohen Investitionen für Forschung undEntwicklung besteht eine Chance, dass Technologienfür erneuerbare Energieträger und Maßnahmen zurSteigerung der Energieeffizienz mittel- und langfris-tig einen hohen Verbreitungsgrad bei niedrigen Kos-ten finden. Der WBGU empfiehlt, dass• in den Industrieländern bis 2020 die direkten

staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwick-lung im Energiebereich von etwa 1,3 Mrd. US-$pro Jahr (Mittelwert OECD 1990–1995) vor allemdurch Umschichtungen mindestens verzehnfachtwerden. Der inhaltliche Schwerpunkt sollte dabeirasch von fossiler und nuklearer Energie auferneuerbare Energien und Effizienzmaßnahmenverlagert werden;

• im UN-System ein „World Energy ResearchCoordination Programme“ (WERCP) zur Bünde-

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10 Zusammenfassung für Entscheidungsträger

lung nationaler Energieforschungsaktivitätenanalog zum Weltklimaforschungsprogrammgegründet wird.

4.6Institutionen globaler Energiepolitik bündeln undstärken

Koordinationsgremium gründen undWeltenergiecharta aushandelnDie Förderung einer globalen Energiewende erfor-dert ein koordiniertes Vorgehen auf globaler Ebeneund damit die Bündelung internationaler Institutio-nen und Akteure. Der WBGU empfiehlt, das Institu-tionengefüge globaler Energiepolitik schrittweiseund aufbauend auf bestehenden Organisationen zustärken und zu erweitern:• Zunächst sollte auf der geplanten Weltkonferenz

für Erneuerbare Energien in Deutschland 2004eine Weltenergiecharta ausgehandelt werden.Diese sollte die wesentlichen Elemente einernachhaltigen, globalen Energiepolitik enthaltenund den relevanten Akteuren auf globaler Ebeneals gemeinsame Handlungsgrundlage dienen.

• Zudem sollte auf dieser Konferenz ein „GlobalesMinisterforum für nachhaltige Energie“ beschlos-sen, besser noch eingerichtet werden, dem dieKoordination und Ausrichtung der relevantenAkteure und Programme unterstünde.

• Parallel dazu sollte bis 2008 ein MultilateralesEnergiesubventionsabkommen (MESA) ausge-handelt werden. In diesem Abkommen könntender stufenweise Abbau der Subventionen für fos-sile und nukleare Energieträger sowie Regeln fürdie Subventionierung erneuerbarer Energien undeffizienterer Energietechnologien vereinbart wer-den.

• Außerdem sollten sich zumindest die OECD-Staaten zu nationalen Quoten für erneuerbareEnergien von wenigstens 20% bis 2015 verpflich-ten. Verhandlungen über eine Globalisierung undFlexibilisierung des Systems sollten vereinbartund spätestens bis 2030 in ein weltweites Systemhandelbarer Quoten münden.

• Ergänzend dazu sollte eine Gruppe gleich gesinn-ter fortschrittlicher Staaten als Vorreiter auf demWeg zu einer nachhaltigen Energiepolitik auftre-ten. Für eine solche Führungsrolle käme die EU inFrage.

• Darauf aufbauend sollten die institutionellenGrundlagen einer nachhaltigen Energiepolitikdurch die Bündelung von Kompetenzen auf glo-baler Ebene weiter gestärkt werden. Zu diesemZweck sollte die Rolle des Energieministerforumsausgeweitet werden.

• Auf Grundlage der bis dahin gemachten Erfah-rungen sollte bis etwa 2010 die Gründung einer„Internationalen Agentur für nachhaltige Ener-gie“ (International Sustainable Energy Agency –ISEA) geprüft werden.

Politikberatung international verbessernDie politische Umsetzung einer globalen Energie-wende sollte – so wie die Klimaschutzpolitik – durchunabhängige wissenschaftliche Analysen kontinuier-lich begleitet werden. Dazu empfiehlt der WBGU,• einen „Zwischenstaatlichen Ausschuss für nach-

haltige Energie“ (Intergovernmental Panel onSustainable Energy, IPSE) zur Analyse undBewertung globaler Energietrends und Aufzeigenvon Handlungsoptionen einzurichten.

5Fazit: Politische Gestaltungsaufgabe jetztwahrnehmen

Die Transformation der Energiesysteme ist dringenderforderlich, um die Lebensgrundlagen zu schützenund die Energiearmut zu überwinden. Sie ist ohnegravierende negative Eingriffe in die gesellschaft-lichen und wirtschaftlichen Systeme umsetzbar,wenn die Politik die Chance zur Gestaltung diesesProzesses in den kommenden beiden Jahrzehntennutzt. Die beabsichtigten Effekte sind erst mit einemgewissen Zeitabstand zu erwarten. Diese Verzöge-rung macht rasches Handeln umso wichtiger. DieKosten des Nichthandelns wären langfristig deutlichhöher als die Einleitung der Energiewende. Mit jederVerzögerung wird eine Umsteuerung immer schwie-riger.

Die Richtung der Energiewende steht fest: Esmuss sowohl die Energieeffizienz bei der Nutzungfossiler Energieträger gesteigert als auch der Ein-stieg in die Nutzung erneuerbarer Energien massivgefördert werden. Dabei kommt es besonders daraufan, die Pfadabhängigkeit von fossilen Energieträgernzu verringern. Langfristiges Ziel sollte die Anbah-nung eines Solarzeitalters sein.

Die Energiewende ist nach Ansicht des WBGUmachbar. Sie ist auch finanzierbar, wenn neben derverstärkten Nutzung bestehender Mechanismen(z. B. GEF, ODA, Kredite von Weltbank und regio-nalen Entwicklungsbanken) sowie verbesserterAnreize für private Investoren (z. B. Public-PrivatePartnerships) auch die Diskussion um innovativeWege der Finanzierung (z. B. Nutzungsentgelte fürglobale Gemeinschaftsgüter) vorangetrieben wird.Das vorliegende WBGU-Gutachten zeigt die we-sentlichen Steuerungsmöglichkeiten einer solchen

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11Zusammenfassung für Entscheidungsträger

globalen Energiewende im Rahmen eines Transfor-mationsfahrplans auf.

Die weltweite Transformation der Energiesys-teme wird nur gelingen, wenn sie schrittweise unddynamisch gestaltet wird, denn niemand kann heutedie technischen, wirtschaftlichen und sozialen Ent-wicklungen der nächsten 50–100 Jahre hinreichendgenau prognostizieren. Langfristige Energiepolitikist daher auch ein Suchprozess. Diese Herausforde-rung aufzugreifen ist Aufgabe der Politik. Die vomdeutschen Bundeskanzler auf dem „Weltgipfel fürNachhaltige Entwicklung“ in Johannesburg ange-kündigte „Weltkonferenz für Erneuerbare Ener-gien“ bietet eine hervorragende Gelegenheit zumHandeln.

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Die Nachfrage nach Energie wächst weltweit starkan. Dies gilt seit Beginn der Industrialisierung vorallem für die Industrie- und Transformationsländer,trotz teilweise massiver Effizienzsteigerungen. Seitdem Ende des Zweiten Weltkrieges nimmt aber auchder Energiehunger in den Entwicklungs- undSchwellenländern zu. In den am wenigsten entwi-ckelten Ländern dominiert jedoch weiterhin Ener-giearmut. 2,4 Mrd. Menschen müssen Zugang zumodernen Energieformen erhalten, damit sieAnschluss an die wirtschaftliche Entwicklung derIndustrieländer finden können. Da Energie Voraus-setzung wirtschaftlicher Entwicklung ist, wird derEnergieeinsatz der Menschheit im 21. Jahrhundertstark wachsen. Doch die derzeitige Struktur derEnergienutzung birgt erhebliche Umweltrisiken undstellt in vielen Ländern ein wesentliches Entwick-lungshemmnis dar. Auch sicherheitspolitische Risi-ken ergeben sich aus der gegenwärtigen Struktur derglobalen Energienutzung. Daher ist die Energie-wende zur Nachhaltigkeit eine der wichtigsten Auf-gaben globaler Umwelt- und Entwicklungspolitik im21. Jahrhundert.

Probleme der derzeitigen EnergienutzungDer wachsende Energiebedarf ist, obwohl sich billigzu förderndes Erdöl im 21. Jahrhundert voraussicht-lich erschöpfen wird, nicht in erster Linie ein Pro-blem begrenzter Ressourcen, wie noch in den 70erJahren befürchtet. Die gegenwärtige Struktur derEnergienutzung schafft vielmehr Umweltproblemedurch die Emission von Gasen und Partikeln in dieLuft, weil sie überwiegend auf fossilen Energieträ-gern beruht. Die schwerwiegendste Folge ist derdurch den Menschen verursachte globale Klimawan-del. Hinzu kommen weitere Probleme für Umweltund Gesundheit: Durch die Förderung,Verarbeitungund Nutzung fossiler Energieträger werden Land-schaften zerstört, saurer Regen erzeugt, Randmeereeutrophiert sowie Atemwegserkrankungen durchLuftverschmutzung in Ballungszentren und Innen-räumen verursacht.Auch führt die Nutzung von Holzoder Holzkohle als Brennstoffquelle in vielen Ent-wicklungsländern zur Entwaldung ganzer Landstri-

che. Nicht zuletzt haben viele zwischenstaatlicheKonflikte ihren Ursprung im Wunsch nach Kontrolleüber Rohstoffe, darunter auch Öl.

Zielkonflikte globaler EnergiepolitikDie Versorgung der Menschheit mit Energie birgtalso einen Zielkonflikt: einerseits muss das Recht derEntwicklungsländer auf Entwicklung gewährt undandererseits der globale Klimawandel in erträglichenGrenzen gehalten werden. Dabei ist zu berücksichti-gen, dass der Energieeinsatz global sehr ungleich ver-teilt ist. Nur rund ein Fünftel der Weltbevölkerungnutzen etwa drei Viertel des Weltenergieangebots.Das ist die große Herausforderung bei einer Ener-giewende zur Nachhaltigkeit und der Ausgangspunktdes vorliegenden Gutachtens. Dabei stellen sich fol-gende Leitfragen:• Was folgt aus der Klimaerwärmung für die globale

Energiepolitik?• Welche Energiequellen sollten künftig verstärkt

genutzt werden?• Welche technischen Möglichkeiten gibt es und

welche sind absehbar?• Wie können die Energiesysteme in den Industrie-

und Transformationsländern umweltgerechttransformiert werden?

• Wie kann die Grundversorgung aller Menschenmit modernen Energieformen erreicht werden?

• Wie kann die Energieversorgung in den Entwick-lungsländern kostengünstig und doch umweltge-recht gesichert und gesteigert werden?

• Wie kann gesundheitsschädigende Energienut-zung überwunden werden?

• Wie sollte eine globale Energiepolitik strukturell,institutionell und finanziell gestaltet werden?

• Wo liegen die Herausforderungen für die Wissen-schaft?

• Was sind die konkreten politischen Maßnahmen,die in den nächsten beiden Jahrzehnten ergriffenwerden sollten?

Der WBGU greift diese Leitfragen auf, sucht nachAntworten und zeigt Wege zur Überwindung vonZielkonflikten. Dabei umfasst der Zeithorizont fürpolitisches Handeln die nächsten 50 Jahre. Einige

Einleitung

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14 1 Einleitung

Szenarien, etwa über die langfristige Struktur desglobalen Energiesystems, wagen sich auch bis 2100vor. Daraus ergibt sich, dass der vom WBGU entwi-ckelte Instrumentenkatalog nicht als statische Vor-gabe aufgefasst werden darf. Vielmehr sollen dieempfohlenen Maßnahmen das Grundmuster derUmsteuerung vorgeben, wohl wissend, dass der übereinen solch langen Zeitraum ablaufende Suchpro-zess nicht vorhersehbar ist. Aber auch Suchprozessemüssen angestoßen und gestaltet werden.

Der innovative Beitrag des Gutachtens Stellungnahmen, Papiere und Gutachten zum Thema„nachhaltige Energiepolitik“ gibt es in großer Zahl.Erst Mitte 2002 legte die Enquete-Kommission„Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedin-gungen der Globalisierung und der Liberalisierung“des 14. Deutschen Bundestages ihren Bericht vor.Mit dem vorliegenden Gutachten – das sich explizitauf die globale Ebene konzentriert – wurde in vierfa-cher Hinsicht ein neuer Weg beschritten:1. Die beiden übergreifenden Ziele „Klimaschutz“

und „Überwindung der Energiearmut“ werdengleichgewichtig behandelt und Wege zur Auflö-sung von Zielkonflikten gesucht. Die globaleEnergiewende wird auch unter Berücksichtigungdes Rechts der Entwicklungsländer auf Entwick-lung diskutiert.

2. Um einen Weg zur Transformation der globalenEnergiesysteme zu weisen, bestimmt der WBGU,welche Eigenschaften ein solcher Pfad habenmuss, um nachhaltig zu sein. Dazu werden sogenannte „Leitplanken“ definiert, also jene Scha-densgrenzen, deren Verletzung heute oder inZukunft intolerable Folgen mit sich brächte. Leit-planken sind keine Ziele, sondern Minimalanfor-derungen, die im Sinn der Nachhaltigkeit erfülltwerden müssen. Hieraus leitet sich das Nachhal-tigkeitsverständnis des WBGU ab: die Leitplan-ken begrenzen den nachhaltigen Handlungsraum.

3. Mit Hilfe der Leitplanken wird ein Korridor füreine nachhaltige Energiepolitik bestimmt und bis2050 ein Fahrplan für eine globale Energiewendeentwickelt. Der WBGU versteht eine solche Ent-wicklung als Suchprozess, denn niemand ist in derLage, zukünftige Entwicklungen hinreichendgenau zu prognostizieren. Dennoch wird mit demim Transformationsfahrplan enthaltenen konkre-ten Zeitplänen und Zielen ein Vorschlag gemacht,wo die zentralen politischen Umsteuerungennational und international vorgenommen werdenmüssen.

4. Die Empfehlungen sind anschlussfähig an lau-fende Politikprozesse. Es werden konkrete Ein-griffsmöglichkeiten und Alternativen aufgezeigt.

Diese Empfehlungen sind für politische Entschei-dungsträger zusammenfassend dargestellt.

Die Transformation der Energiesysteme ist eine Her-kulesaufgabe und gleicht einer neuen industriellenRevolution. Das Gutachten zeigt warum, und was zutun ist.

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Einbindung der Energiesysteme inGesellschaft und Wirtschaft

2

2.1Einleitung

Energie ist eine wesentliche Bedingung für diemenschliche Entwicklung.Vom ersten Holzgebrauchfür Licht und Wärme vor Tausenden von Jahren biszu modernsten Energietechnologien waren stei-gende Qualität und Effizienz der EnergienutzungGegenstand und Antriebskraft von Innovation undFortschritt. Drei große Übergänge führten in derEntwicklung der Energiesysteme zu immer höher-wertigen Energieformen: Die Nutzung Kohle befeu-erter Dampfmaschinen ermöglichte neue und ratio-nellere Fertigungsprozesse. Gleichzeitig wurde dieAbhängigkeit von knapper werdenden „traditionel-len“ Brennstoffen (Holz, Dung) entscheidend ver-ringert. Der zweite Übergang von Kohle zu Ölerhöhte mit der Entwicklung von Verbrennungsmo-toren die Mobilität. Die Nutzung von Elektrizität(Licht, Computer) führte schließlich in das Informa-tionszeitalter.

Diese Entwicklungen haben große Strukturverän-derungen in Wirtschaft und Gesellschaft ausgelöst,insbesondere die Industrialisierung und Urbanisie-rung. Flüssige Brennstoffe und netzabhängige Ener-gieformen, die flexibler und sauberer nutzbar sind,

erhöhten auch die Qualität der Energienutzung. Mitden technologischen Innovationen und den damitverbundenen Strukturveränderungen in Gesellschaftund Wirtschaft wuchs der Energieeinsatz allerdingsum ein Vielfaches. Gleichzeitig entwickelte sich dasEnergiesystem weg von der Abhängigkeit von tradi-tionellen Brennstoffen hin zu fossilen Energieträ-gern. Die Kohle wurde dabei in den 1960er Jahrennach etwa einem halben Jahrhundert vom Öl alswichtigstem fossilen Energieträger abgelöst (Abb.2.1-1). Insbesondere der Transportsektor ist nahezuvollständig auf die Energiequelle Öl angewiesen.

2.2Globale Ausgangslage

2.2.1Zunehmende Energie- undKohlenstoffproduktivität – Trends bis 2020

Die heutige weltweite Energienutzung beruht zu80% auf fossilen Energieträgern (Tab. 2.2-1).Betrachtet man die insgesamt verfügbaren fossilenRessourcen, ist für die nächsten Jahrzehnte mit kei-nem Engpass in der Versorgung zu rechnen. Es ist

60

40

20

1850 1900 1950 2000

Holz

Kohle

Öl

Gas

Kernenergie

80

Ant

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%]

0

Jahr

Abbildung 2.1-1Anteil verschiedenerEnergieträger am globalenPrimärenergieeinsatz.Innerhalb von 100 Jahrensind, wie das Beispiel Kohlezeigt, drastischeVerschiebungen imEnergieträgermix möglich.Quelle: Nakicenovic et al.,1998

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16 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

jedoch wahrscheinlich, dass die Energiepreise inner-halb dieses Zeitraums steigen werden, weil die För-derung fossiler Ressourcen aufwändiger und damitteurer wird. Traditionelle Biomasse spielt in vielenEntwicklungsländern, insbesondere in ländlichenGebieten, weiterhin eine dominierende Rolle(UNDP et al., 2000). Ihr Anteil an der weltweitenEnergiegewinnung beträgt allerdings nur etwa 10%.Am schnellsten wachsen die Anteile von Erdgas und„neuen“ erneuerbaren Energieträgern wie Wind-energie, Photovoltaik und Solarthermie, die aller-dings erst ca. 2% der weltweiten Energiegewinnungausmachen. Die Internationale Energieagentur(IEA) geht von einem Wachstum der neuen erneuer-baren Energieträger um jährlich 3,3% bis 2030 aus,bei Gas um jährlich 2,4%. Der wachsende Anteil vonGas, der vor allem auf die Entwicklung kostengünsti-ger Gas- und Dampfturbinen zurückzuführen ist,geht zu Lasten von Kohle und Kernenergie. Dennochist Kohle noch die am meisten genutzte Energie-quelle zur Elektrizitätserzeugung. Die Kernenergiezeigt eine stagnierende bis fallende Tendenz, bis 2030sagt die IEA einen auf 5% sinkenden Anteil voraus.Nur noch in wenigen (meist asiatischen) Ländernsteigt die Nutzung der Kernenergie (IEA, 2002c).

Der weltweite Energiebedarf wird im Wesent-lichen durch das Bevölkerungswachstum sowie diewirtschaftliche und technologische Entwicklungbestimmt. Der Energieeinsatz pro Kopf steigt – beierheblicher Streuung – mit zunehmendem Einkom-men, wie ein Vergleich zahlreicher Länder zeigt(Abb. 2.2-1). Bemerkenswert ist allerdings, dass mitdemselben Energieeinsatz ganz unterschiedlichermaterieller Wohlstand geschaffen werden kann: Beietwa gleichem Pro-Kopf-Energieeinsatz erzeugtJapan das 7fache Pro-Kopf-Einkommen von Südko-

rea. In den letzten zwei Jahrhunderten wuchs das glo-bale Bruttosozialprodukt im Mittel um 3% jährlich,die globale Energienachfrage im gleichen Zeitraumjedoch nur um etwa 2% pro Jahr (IPCC, 1996).Damit stieg die gesamtwirtschaftliche Energiepro-duktivität um etwa 1% jährlich. Diese Zunahme istnicht nur auf den technologischen Fortschritt(Zunahme der Effizienz), sondern ebenso auf verän-derte Muster der Energiedienstleistungen (etwa sek-torale Verschiebungen) sowie auf die Substitutionvon Treibstoffen durch modernere Energieformen(etwa von Holz zu Gas beim Kochen) zurückzufüh-ren.Auch veränderte Konsum- und Lebensstilmusterkönnen die Energieproduktivität beeinflussen(Nakicenovic et al., 1998; Kap. 2.2.3).

Der zunehmende Energieeinsatz ist meist mit stei-gender Umweltverschmutzung verbunden, wennauch nicht proportional: Die globalen Kohlendioxid-emissionen steigen langsamer als der Energieeinsatz.Die Substitution kohlenstoffreicher fossiler Energie-träger wie z. B. Kohle durch kohlenstoffärmere wieGas, durch Kernenergie oder erneuerbare Energie-träger verändert den globalen Energieträgermix undführt zu Dekarbonisierung. Die Kohlendioxidemis-sionen pro Energieeinsatz sinken weltweit um jähr-lich 0,3%.

2.2.2Energienutzung in Sektoren

Der größte Energienutzer im weltweiten Durch-schnitt ist heute die Industrie mit etwa zwei Fünftelndes globalen Primärenergieeinsatzes. Haushalte undgewerbliche Gebäude verbrauchen geringfügigweniger, der Transportsektor etwa ein Fünftel (Tab.

Energieträger Primär- energie

[EJ]

Anteil

[%]

Statische Reichweiteder Reserven

[Jahre]

Statische Reichweite derRessourcen

[Jahre]

DynamischeReichweite derRessourcen

[Jahre]

Öl 142 35,3 45 ~200 95Erdgas 85 21,1 69 ~400 230Kohle 93 23,1 452 ~1.500 1.000

Summe fossileEnergieträger 320 79,6

Wasserkraft 9 2,2 erneuerbarTraditionelle

Biomasse 38 9,5 erneuerbarNeue erneuerbare

Energieträger 9 2,2 erneuerbarSumme erneuerbare

Energieträger 56 13,9

Kernkraft 26 6,5 50 >>300

Gesamtsumme 402 100,0

Tabelle 2.2-1Weltweiter Primärenergie-einsatz im Jahr 1998,aufgeschlüsselt nachEnergieträgern mit Angabenzu ihren Reichweiten. Unterstatischer Reichweiteversteht man denQuotienten aus den derzeitbekannten Reserven bzw.Ressourcen und derheutigen Jahresförderung.Sie beschreibt, wie lange einRohstoff bei konstantgehaltenem Verbrauch nochverfügbar wäre. Bei derdynamischen Reichweitewird dagegen der erwartetezeitliche Anstieg derJahresförderung bei derQuotientenbildungberücksichtigt.Quelle: UNDP et al., 2000

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17Globale Ausgangslage 2.2

2.2-2; IPCC, 2000b). In Asien ist der Anteil der Indus-trie höher (59%), während er in den OECD-Staatennur noch etwa ein Drittel beträgt. Dort macht derTransport ein Viertel aus, während er in Asien nur15% beträgt. Die Landwirtschaft nutzt global nur 3%der kommerziellen Energie. Gemittelt über den Zei-traum 1970–1990 waren die jährlichen globalenWachstumsraten im Gebäudesektor (Heizung, Küh-lung, Beleuchtung usw.) mit 2,9% am größten,gefolgt vom Transportsektor mit 2,8% (IPCC,2000b). In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wuchsder globale Primärenergieeinsatz nur noch um 0,7%,der Transportsektor jedoch überproportional um1,7%, insbesondere in Entwicklungsländern (Tab.2.2-2).

In der Industrie entfällt die Energienutzunghauptsächlich auf die Produktion von wenigen ener-gieintensiven Gütern, etwa Stahl, Papier, Zement,Aluminium und Chemikalien. Die Nachfrage nachdiesen Gütern steigt in sich stark entwickelnden Län-dern, z. B. wegen des Aufbaus von Infrastruktur, wäh-rend in Industrieländern die Nachfrage nach diesenGütern – mit Ausnahme von Papier – abnimmt oderstabil bleibt. Ihre Herstellung verlagert sich teilweisein die Schwellenländer.

Wichtige Faktoren für die Energienutzung inGebäuden sind Bevölkerungsdichte, Urbanisierung,Anzahl der Wohnungen, Pro-Kopf-Wohnfläche, Per-sonen pro Haushalt, Altersverteilung, Haushaltsein-kommen und kommerzielle Flächennutzung. Gene-rell ist ein höherer Grad der Urbanisierung mit höhe-rem Energieeinsatz pro Haushalt verbunden –hauptsächlich wegen höherer Einkommen in denStädten (Nakicenovic et al., 1998). In Industrielän-dern macht die Raumheizung und -kühlung einenwesentlichen Anteil der Energienutzung in Gebäu-den aus. Der Pro-Kopf-Energieeinsatz in Gebäudennimmt nicht nur in Industrie- sondern auch inSchwellenländern zu. In Entwicklungsländern fallenKochen und Heizen am stärksten ins Gewicht.

Der Energieeinsatz im Transportsektor wird durchdas Verkehrsaufkommen und die eingesetzten Tech-nologien bestimmt. In den letzten Jahrzehnten sindsowohl der Personentransport in Pkw und Flugzeu-gen als auch der Straßengütertransport stark gestie-gen.Während der vergleichsweise geringe Anteil derBahn weiter zurückgeht, dominieren Straßentrans-port (73%) und Flugverkehr (12%) den Energieein-satz im Transportsektor (Abb. 2.2-2).

0

12.000

24.000

36.000

48.000

60.000

72.000

84.000

96.000

108.000

120.000

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000

Einkommen (BIP) [US-$/Kopf und Jahr]

Industrieländer

Schwellenländer

Entwicklungsländer

Singapur

USA

Australien

FrankreichDeutschland Japan

Hongkong

Südkorea

Argentinien

BrasilienMexiko

VenezuelaMalaysia

Südafrika

a Chinab Indonesienc Nigeriad Benin

Saudi-Arabien

Transformationsländer

1 Ukraine2 Weißrussland3 Kasachstan4 Usbekistan5 Russland

Ene

rgie

eins

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[kW

h/K

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1

3 2

4

5

Uruguayab

c

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Abbildung 2.2-1Zusammenhang von mittlerem Einkommen (BIP pro Kopf) und Energieeinsatz (Pro-Kopf-Nachfrage in kWh) im Jahr 1997für unterschiedliche Ländergruppen. Gezeigt ist der Primärenergieeinsatz eines Staates, also auch seiner Industrie und seinesVerkehrs, geteilt durch die Einwohnerzahl. Für Entwicklungs-, Schwellen-, Transformations- und Industrieländer entstehen gutvoneinander abgrenzbare Cluster. Die Energienachfrage steigt mit wachsendem Einkommen, zu erwarten ist aber eineSättigung des Energieeinsatzes bei sehr hohen Einkommen.Quelle: modifiziert nach WRI (2001) und World Bank (2001c)

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18 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

Die Nutzung von Energie für Transporte ist vonwirtschaftlichen Aktivitäten, Infra- und Siedlungs-strukturen sowie den Preisen für Brennstoffe undFahrzeuge abhängig (IPCC, 2000b). So korrelierendie Bevölkerungsdichte in Städten und der Energie-einsatz für den Transport: je höher die Bevölkerungs-dichte, desto niedriger der Energieeinsatz für denTransport (Newman und Kenworthy, 1990). In denIndustrieländern, auch in Deutschland, ist eine stei-gende Energieeffizienz neuer Autos festzustellen(IPCC, 2001c). Im Personenverkehr ist die Trans-portleistung pro Energieeinsatz allerdings in denmeisten europäischen Staaten und in Japan seit 1970gesunken: der niedrigere Treibstoffverbrauch derFahrzeugflotte ist durch steigende Anzahl und gerin-gere Besetzungsdichten der Pkw, aber auch durchden Trend zu größeren Autos und stärkeren Motorenüberkompensiert worden (IPCC, 2000b). Mit zuneh-mendem Verkehr in den Entwicklungsländern sindweitere Emissionssteigerungen im Transportsektorzu erwarten.

2.2.3Lebensstile und Energieeinsatz

Lebensstile sind in den modernen Konsumgesell-schaften meist wichtiger geworden als alte Klassen-oder Schichtunterscheidungen. Einkommensunter-schiede ergänzt durch Wertorientierungen stellenheute die zentralen Determinanten des Lebensstilsdar. Die Lebensstile in den Industrieländern habensich stark differenziert. Durch den Lebensstil drü-cken Menschen persönliche und gruppenspezifischeIdentität aus: Sie sagen, wer sie sind bzw. wer sie seinwollen. Lebensstile werden zwar vom Individuumgewählt, entstehen aber innerhalb gesellschaftlicherStrukturen und Trends durch soziale Interaktion:Menschen vergleichen sich mit anderen, suchen Vor-bilder oder grenzen sich ab. Nicht nachhaltiger Kon-sum lässt sich daher nicht nur auf individuelle Eigen-schaften der Verbraucher wie Bequemlichkeit oderEgoismus zurückführen, sondern muss im gesell-schaftlichen Kontext gesehen und bewertet werden.

Für weite Teile der Bevölkerung gehört Mobilitätzur Selbstverwirklichung. Ökologische Kriterien

OECD

Gesamt Rate 90–95

Transformations-länderGesamt Rate

90–95

Asien

Gesamt Rate 90–95

Afrika und LateinamerikaGesamt Rate

90–95

Welt

Gesamt Rate 90–95

[%] [%/a] [%] [%/a] [%] [%/a] [%] [%/a] [%] [%/a]

Industrie 33 0,9 51 -7,3 59 5,9 36 3,5 41 0,2 Haushalte / Gebäude 40 1,9 32 -6,8 22 4,8 33 3,8 34 0,8 Transport 25 1,6 14 -6,0 15 7,6 26 4,2 22 1,7Landwirtschaft 2 1,6 3 -10,6 5 5,6 4 12,6 3 0,8

Gesamt 100 1,6 100 -7,1 100 5,9 100 4,1 100 0,7

Tabelle 2.2-2Anteil verschiedener Sektoren am Primärenergieeinsatz in unterschiedlichen Ländergruppen sowie die Zuwachsraten imZeitraum 1990–1995. Haushalte und gewerbliche Gebäude sind zusammengefasst.Quelle: IPCC, 2000b

1971 1976 1981 1986 1991 19960

10

20

30

40

50

60

0

1

2

3

4

5

6

Ene

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Ene

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J]Straße

Luftverkehr – national

Luftverkehr – international

Schiene

Jahr

Abbildung 2.2-2Weltweiter Energieeinsatzim Transportsektor in denJahren 1971–1996. Währendsich der Transport auf derStraße in 25 Jahren mehr alsverdoppelte, ist derSchienentransport vor allemin den 1990er Jahrenzurückgegangen.Quelle: WRI et al., 2002

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19Energie in den Industrieländern 2.3

werden dabei oft als hinderlich empfunden. Lebens-stil und Konsumpotenzial betreffen auch das Sozial-prestige. Ökologischem Verhalten, z. B. öffentlicheVerkehrsmittel zu benutzen oder den Urlaub imeigenen Land statt in Übersee zu verbringen, haftetnoch oft ein negatives soziales Image an. Lebensstil-unterschiede werden so in den Mustern des Energie-einsatzes und den CO2-Emissionen sichtbar. Oftkann zwischen verfügbarem Haushaltseinkommenund Emissionen ein Zusammenhang beobachtetwerden – mit steigendem Einkommen steigen dieEmissionen.

Daneben bestimmen zahlreiche weitere Faktorendie Nutzung von Energie:• Individuelle Merkmale (z. B. Wertorientierungen,

Umweltbewusstsein,Alter, Geschlecht, Beruf, Bil-dungsstand, Herkunft, Religionszugehörigkeit);

• das soziale Umfeld (z. B. Kultur, gesellschaftlicheWerte, Leitbilder);

• Strukturen und Institutionen (z. B. Infrastruktur,Wohnumfeld, Einkommen, Medien, Markttran-sparenz, Informations- und Beratungsmöglich-keiten).

Wachsender Wohlstand und steigender Energieein-satz gingen in den westlichen Industriestaaten langeHand in Hand und wurden in den ersten 25 Jahrennach dem Zweiten Weltkrieg als wechselseitige Vor-aussetzung angesehen. Unter dem Eindruck derÖlkrisen wurde diese Gleichung „mehr Wohlstand =höherer Energieeinsatz“ aber zunehmend in Fragegestellt. Mittlerweile ist die These, dass wirtschaftli-che Entwicklung und hoher Lebensstandard vomWachstum des Energieeinsatzes teilweise entkoppeltsind, für viele OECD-Staaten empirisch nachgewie-sen. Der Vergleich des Energieeinsatzes zwischenLändern mit ähnlichem wirtschaftlichen Entwick-lungsstand zeigt zudem, dass es durchaus unter-schiedliche Pfade gibt, um das gleiche Wohlstandsni-veau zu erreichen (Reusswig et al., 2002). Diese Aus-sage wird durch die hohe Streuung des Einkommensbei Ländern gleichen Energieeinsatzes verdeutlicht(Abb. 2.2-1).

2.3Energie in den Industrieländern

2.3.1Struktur der Energieversorgung

Bei der Energie- und Kohlenstoffproduktivität kön-nen innerhalb der Industrieländer zwei Gruppenunterschieden werden: Die USA, Kanada und Aus-tralien auf der einen Seite sowie die OECD-StaatenWesteuropas (im Wesentlichen die Mitgliedstaaten

der EU) und Japan auf der anderen Seite. DieOECD-Staaten Nordamerikas weisen den weltweithöchsten Pro-Kopf-Einsatz an Primärenergie auf,mehr als das Doppelte der westeuropäischenOECD-Staaten: Die Energieproduktivität dieserstark auf die Nutzung fossiler Energien ausgerichte-ten Staaten liegt um 42% unter dem Niveau derOECD-Staaten Westeuropas und um 100% unterdem Japans. Die westeuropäischen Industrieländerund Japan sind durch eine wesentlich effizientereEnergienutzung und einen leichten Trend zur Dekar-bonisierung gekennzeichnet.

Energieträger und EnergiebedarfDie Struktur des Primärenergieeinsatzes wird in denIndustrieländern vorrangig durch die heimischenVorkommen an konventionellen Energieträgerngeprägt. In den USA wurden im Jahr 1997 39% derPrimärenergie durch Öl, 24% durch Gas und 23%durch Kohle bereitgestellt, hinzu kamen Kernener-gie mit 8%, erneuerbare Energien mit 4% und Was-serkraft mit 2%. Der Primärenergieeinsatz stiegwährend der 1990er Jahre kontinuierlich an, bis zumJahr 2020 wird ein weiterer jährlicher Anstieg von0,9% gegenüber 1,3% in den Jahren 1971–1997 pro-gnostiziert (IEA, 2001b). Bei den fossilen Energie-trägern wird gemäß dieser Prognose Erdgas mit jähr-lich 1,3% am schnellsten wachsen. Der Anteil desErdöls wird aufgrund der größeren Nachfrage durchden Verkehrssektor von 39% auf 41% zunehmen.Insgesamt werden die erneuerbaren Energien (ohneWasserkraft) mit jährlich 1,6% am schnellsten wach-sen, jedoch ausgehend von einem sehr niedrigenNiveau, so dass sich der Anteil am gesamten Primär-energieeinsatz unter den gegebenen Rahmenbedin-gungen nicht wesentlich erhöhen wird.

In den OECD-Staaten Westeuropas wird der Pri-märenergieeinsatz bis 2020 voraussichtlich ähnlichwie in den USA um 1% jährlich wachsen, nur unwe-sentlich geringer als in den Jahren 1971–1997 miteinem Durchschnitt von 1,2%. Die Struktur der Pri-märenergieträger wird sich aber insbesondere imVergleich zu den nordamerikanischen Staaten verän-dern. Laut Einschätzung der IEA werden die Anteilevon Kohle und Kernkraft kontinuierlich fallen (von20% auf 14% bzw. von 14% auf 9%). Erdgas hinge-gen wird jährlich um 3% wachsen und seinen Anteilam Primärenergieeinsatz von 20% auf 31% steigern.Die Nutzung der erneuerbaren Energien wird zwarebenfalls kontinuierlich zunehmen, jedoch wird derAnteil nur von 4 auf 5% steigen (IEA, 2001b).

Trends in der sektoralen EnergienachfrageIn den USA wird die Energienachfrage vor allemdurch den Verkehr bestimmt, der bis zum Jahr 2020jährlich um 1,6% ansteigen wird. Das wachsende

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20 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

Verkehrsaufkommen wird die Effizienzsteigerungenim Kraftstoffverbrauch weit übertreffen. Die Ener-gienachfrage des industriellen Sektors wird hingegennur moderat um 0,5% pro Jahr zunehmen. Aufgrunddes anhaltenden Strukturwandels, durch den sich derAnteil des weniger energieintensiven Dienstleis-tungssektors am BIP zukünftig weiter vergrößert,wird der Anteil der Industrie an der gesamten Ener-gienachfrage abnehmen (Abb. 2.3-1).

In der EU werden heute mehr als 32% der End-energienutzung dem Verkehrssektor (davon über80% Straßentransport ) zugeordnet (EEA, 2001),der somit ein wichtiger Faktor für den Anstieg desPrimärenergieeinsatzes in Westeuropa sein wird. DieEnergienachfrage des industriellen Sektors ist in denOECD-Staaten Westeuropas dagegen in den letzten30 Jahren konstant geblieben.

Importabhängigkeit In den Industrieländern ist die Sicherung der Ener-gieversorgung ein zentrales politisches Anliegen. Dieamerikanische National Energy Policy DevelopmentGroup schätzt, dass in den nächsten 20 Jahren derVerbrauch von Erdöl um 33%, von Erdgas um 50%und von Elektrizität um 45% steigen wird (NationalEnergy Policy Development Group, 2001). Dadurchwird sich die Schere zwischen inländischer Produk-tion und Nachfrage weiter vergrößern. Die Kohle-vorräte der USA werden beim gegenwärtigen Ver-brauch noch für 250 Jahre ausreichen, wenn manberücksichtigt, dass 24% der Kohle importiert wer-den. Bei anderen fossilen Energieträgern wird sichder Importanteil jedoch stärker vergrößern, voraus-sichtlich werden die USA im Jahr 2020 rund 70%ihres Erdölbedarfs durch Importe decken müssen.

Daraus ergeben sich wichtige geopolitische Konse-quenzen (Kap. 2.6.2).

Die Importabhängigkeit der EU ist noch wesent-lich größer. Sie wird sich in den nächsten 20–30 Jah-ren von derzeit 50% auf 70% des Gesamtbedarfserhöhen und damit fast das Niveau der AbhängigkeitJapans erreichen, das derzeit 80% seines Energiebe-darfs importiert. Die Einfuhren der EU könnten beiErdöl 90%, beim Erdgas 70% und bei der Kohlesogar 100% ausmachen. Angesichts der zunehmen-den Importabhängigkeit wurde mit dem Grünbuchder EU eine Strategie zur Sicherung der Energiever-sorgung entworfen. Kernempfehlungen des Grün-buchs sind unter anderem die verstärkte Förderungerneuerbarer Energien durch finanzielle und steuer-liche Anreize sowie eine entschlossene Politik zurBeeinflussung der Energienachfrage (EU-Kommis-sion, 2000a).

Subventions- und Forschungspolitik imEnergiebereichSubventionen sind ein zentrales Instrument derEnergiepolitik. Sie werden eingesetzt, um die För-derkosten zu senken, den Gewinn für die Produzen-ten zu erhöhen oder die Preise für die Konsumentenzu senken. Um die Energieversorgung zu sichern,sollen Subventionen eine gewisse Menge inländi-scher Förderung und eine möglichst große Vielfalt anEnergieträgern gewährleisten (IEA, 1999). Währendin den 1960er und 1970er Jahren in Deutschlandhauptsächlich Kernenergie subventioniert wurde,wird gegenwärtig der größte Teil der Energiesubven-tionen an die Steinkohle vergeben (UBA, 1997). Imeuropäischen Vergleich sind die KohlesubventionenDeutschlands mit Abstand die höchsten (Abb. 2.3-2).

1970 1980 1990 2000 2010 2020

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eins

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[EJ]

1970 1980 1990 2000 2010 2020

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Transport

Andere Bereiche

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Vereinigte Staaten von Amerika Westeuropa40

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Jahr Jahr

Abbildung 2.3-1Bisherige Entwicklung und Prognose der IEA zum zukünftigen Energieeinsatz in einzelnen Wirtschaftssektoren derIndustrieländer bis 2020.Quelle: IEA, 2001b

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21Energie in den Industrieländern 2.3

Neben der direkten Subventionierung werden fossileEnergieträger auch indirekt durch Steuererleichte-rungen, wie z. B. durch die Mineralölsteuerbefreiungder Luftfahrt und die Differenzierung des Mineralöl-steuersatzes zwischen Dieselkraftstoff und Benzin,gefördert.

Auch in den USA wird insbesondere die fossileEnergie durch Subventionen gefördert: 50% dergesamten Energiesubventionen von 6,2 Mrd. US-$entfallen auf fossile Energieträger, 18% auf erneuer-bare Energien und 10% auf nukleare Energieerzeu-gung (EIA, 2000).

Eine besondere Form der Subventionierung sindstaatliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung.Sie wirken zwar nicht unmittelbar auf die gegenwär-tige Förderung und Energiebereitstellung sowie dieEnergiepreise, beeinflussen jedoch die zukünftigeEntwicklung der Energiemärkte und sind daher vonzentraler Bedeutung für die Transformation derEnergiesysteme. Staatliche Forschungs- und Ent-wicklungsausgaben sind auf wenige Länder konzen-triert, ausschließlich Industrieländer. 1995 wurden98% aller energierelevanten Forschungsaufwendun-gen in nur 10 von insgesamt 26 Mitgliedstaaten derIEA getätigt (IEA, 1997). In den letzten beiden Jahr-zehnten sind in nahezu allen Industrieländern – mitAusnahme von Japan – die Forschungsausgaben imEnergiebereich drastisch reduziert worden (Abb.2.3-3). Die Einschnitte in den Forschungs- und Ent-wicklungsetats betrafen dabei alle Energieträger. ImZeitraum 1980–1995 fielen die globalen Ausgabenfür fossile Energien um 58%, für erneuerbare Ener-gien um 56% und für Kernenergie um 40% (Margo-lis und Kammen, 1999). Auch bei den öffentlichenForschungs- und Entwicklungsausgaben konzen-

triert sich – im Durchschnitt aller Industrieländer –die Förderung auf fossile Energieträger und dieKernenergie (55%). Erneuerbare Energien undMaßnahmen zur Energieeinsparung machen 40%aus (UNDP et al., 2000).

Parallel zu den sinkenden öffentlichen For-schungs- und Entwicklungsausgaben gingen in vielenIndustrieländern auch die privaten Forschungsauf-wendungen zurück, insbesondere in den USA, Ita-lien, Spanien und Großbritannien (Erdmann, 2001).Aufgrund unterschiedlicher Definitionen undMethoden sind Vergleiche zwischen Industrielän-dern nur begrenzt aussagekräftig. Es kann jedochfestgestellt werden, dass der Energiesektor gemessenan den Umsätzen weltweit zu den Branchen mit dengeringsten Forschungs- und Entwicklungsaufwen-dungen gehört. So hat der Energiesektor in den USA1995 nur 0,5% der Umsätze in Forschung und Ent-wicklung investiert. Branchen wie die Pharma- oderTelekommunikationsindustrie haben über 10% ihrerUmsätze für die Forschung aufgewendet (Margolisund Kammen, 1999).

2.3.2Grundlagen und Ziele der Energiepolitik

Drei Ziele kennzeichnen die Energiepolitik derIndustrieländer: Versorgungssicherheit, niedrigePreise bzw. Wirtschaftlichkeit und Umweltverträg-lichkeit. Das oberste Ziel war und ist die Herstellungbzw. Aufrechterhaltung von Versorgungssicherheit.Die erheblichen Staatseingriffe auf den Märkten fürleitungsgebundene Energie (Elektrizität, Gas), wiez. B. staatlich geschützte und regulierte Monopole,

Abbildung 2.3-2Staatliche Beihilfen imSteinkohlebergbau einzelnerEU-Mitgliedstaaten imVergleich der Jahre 1994und 2001.Quelle: EU-Kommission,2001a

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Frankreich1994 2001

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Nachsorgemaßnahmen

Stilllegungsbeihilfen

Förderungsbeihilfen

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22 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

wurden mit diesem Ziel begründet. Um vor allem inKrisenzeiten weitgehend unabhängig zu sein, wur-den einheimische Energievorkommen, meist fossileBrennstoffe, besonders gefördert. Dies erklärt denheterogenen Mix der Primärenergieträger in denIndustrieländern. Besonders nach der Ölkrise der1970er Jahre rückte das Ziel der Importunabhängig-keit verstärkt in den Vordergrund.

Das zweite Ziel der Energiepolitik, die möglichstpreisgünstige Bereitstellung von Energie, wollenviele Staaten unter anderem durch das Anlegen vonSicherheitsreserven erreichen. Die Primärenergiere-serven (besonders Öl und Kohle) dienen nicht nurder Versorgungssicherheit, sondern werden auch ein-gesetzt, um Weltmarktpreise zu stabilisieren. Bei derleitungsgebundenen Energieversorgung wurdenlange Zeit staatliche Investitions- und Preisregulie-rungen verwendet, um unwirtschaftliches Investi-tionsverhalten zu verhindern und die Verbrauchervor überhöhten (Monopol)preisen der Energiever-sorgungsunternehmn zu schützen. Diese Politikführte jedoch vielerorts nicht zu der gewünschtenWirtschaftlichkeit. Nach vergleichsweise positivenErfahrungen mit der Liberalisierung in den USAund Großbritannien leiteten die EU und andereIndustrieländer in den 1990er Jahren ebenfalls eineLiberalisierung der Strom- und Gasmärkte ein, umdurch mehr Wettbewerb zu Wirtschaftlichkeit undPreisgünstigkeit zu gelangen (Kap. 2.3.3).

Umweltverträglichkeit kennzeichnet als drittesZiel die Energiepolitik der Industrieländer.WährendFragen der schonenden Ressourcennutzung und desUmweltschutzes in den 1970/80er Jahren zunächstmit der Endlichkeit fossiler Primärenergieträger undder lokalen Luftreinhaltepolitik begründet wurden,steht mittlerweile in vielen Ländern der Klimaschutzim Vordergrund. Allerdings wird dieses Ziel von dennationalen Regierungen sehr unterschiedlichgewichtet. Außerdem haben z. B. die EU und dieUSA abweichende Auffassungen darüber, welcherStellenwert dem Ausbau erneuerbarer Energienzukommen soll.

2.3.3Liberalisierung der Märkte für leitungsgebundeneEnergieversorgung

AusgangslageBei der leitungsgebundenen Energieversorgung mitElektrizität und Gas bestanden lange Zeit sogenannte wettbewerbliche Ausnahmebereiche, d. h.die Stromversorgung wurde direkt vom Staat über-nommen oder unterstand einer umfassenden staat-lichen Aufsicht. Die ökonomische Begründunghierfür ist, dass die Wertschöpfungskette der Strom-erzeugung bei überregionalem Transport und regio-naler Verteilung zu den Endverbrauchern leitungs-

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Kanada

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Frankreich

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Abbildung 2.3-3Ausgaben für öffentliche Forschung und Entwicklung (F&E) ausgewählter OECD-Länder im Energiebereich im Vergleichder Jahre 1980 und 1995. a)Daten für Frankreich aus dem Jahr 1985.Quelle: Margolis und Kammen, 1999 (auf der Basis von IEA, 1997)

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23Energie in den Industrieländern 2.3

gebunden ist. Da die Versorgung durch eine einzigeLeitung kostengünstiger ist als das Verlegen vonParallelleitungen, handelt es sich um ein sog. „natür-liches“ Monopol.

Eine Diskussion über den ordnungspolitischenRahmen für die Strom- und Gasversorgung setzteEnde der 70er Jahre durch Liberalisierungsmaßnah-men in den USA und Großbritannien ein. Die einge-leiteten Strukturreformen für mehr Wettbewerb imEnergiesektor werden primär mit dem Ziel derPreisgünstigkeit sowie der Dezentralisierung derEnergiewirtschaft begründet. Diese Ziele könnengrundsätzlich durch eine Deregulierung bzw. eineVeränderung der Regulierungsbestimmungen („Re-Regulierung“) erreicht werden. Teilweise werdenauch Umweltschutzbelange als weitere Begründungangeführt.

Die überwiegende Zahl der Industrieländer bautRegulierungen (insbesondere Gebietsmonopole,Preis- und Investitionskontrollen) ab, um auf denElektrizitätsmärkten möglichst weitgehenden Wett-bewerb zu gewährleisten. Durch die Trennung vonEnergiebereitstellung, überregionalem Transport,lokaler Verteilung sowie Vertrieb der Elektrizität sollder vorhandene Monopolbereich auf das Minimumleitungsgebundener Energieformen beschränkt wer-den. In den Bereichen, in denen kein Wettbewerb aufdem Markt stattfinden kann, soll es einen Wettbe-werb um den Markt geben, indem zeitlich begrenzteKonzessionsverträge durch Ausschreibungen verge-ben werden.

Liberalisierung der Strom- und Gasmärktein der EUGrundlage der Liberalisierungsbemühungen der EUsind die Binnenmarktrichtlinien Elektrizität undGas, die 1997 bzw. 1998 beschlossen wurden. DieUmsetzung erfolgte zunächst auf dem Elektrizitäts-markt. Dabei soll die Liberalisierung in mehrerenSchritten umgesetzt werden, um eine Anpassung fürdie Energieversorger zu erleichtern. Nach derBinnenmarktrichtlinie und den Beschlüssen der EU-Regierungschefs erhalten ab 2004 als Mindestvor-gabe zunächst Industriekunden Wahlfreiheit ihresVersorgers, ab Mitte 2007 sollen die privaten Ver-braucher folgen. Die Bemühungen um eine Liberali-sierung der Elektrizitätsmärkte sind in einigen Mit-gliedstaaten der EU weit vorangeschritten, so dassetwa in Großbritannien, Schweden, Finnland undDeutschland eine Wahlfreiheit des Versorgers füralle Kunden möglich ist. Häufig handelte es sich beiden Versorgern um vertikal integrierte Unterneh-men, d. h. sie bedienten alle Teile der Wertschöp-fungskette von der Primär- bis zur Endenergie. DieBinnenmarktrichtlinie Elektrizität fordert einenAufbruch dieser vertikalen Integration, indem die

Bereiche Bereitstellung, netzgebundener Transportund Vertrieb zumindest buchhalterisch getrennt wer-den müssen. Für das Übertragungsnetz ist eine orga-nisatorische Trennung innerhalb der Unternehmenvorgeschrieben. Der Zugang zu den Netzen muss füralle Energieerzeuger offen sein.

Auch die Gasmärkte in der EU befinden sich ineinem Liberalisierungsprozess, der allerdings im Ver-gleich zu dem der Strommärkte weniger fortgeschrit-ten ist. Mit der Binnenmarktrichtlinie Erdgas sinddie Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, die Gas-märkte schrittweise zu öffnen. Danach sind zunächst20% (seit 2000), dann 28% (seit 2003) und schließlich33% (ab 2008) des jährlichen Gesamtgasverbrauchsdes jeweiligen Mitgliedstaates wettbewerblichenBedingungen zu unterwerfen. Großbritannien undDeutschland haben zwar ihre Gasmärkte rechtlichvollständig geöffnet. De facto entwickelt sich jedochder Wettbewerb insbesondere in Deutschland nursehr zögerlich (IEA, 2001a).

Liberalisierung der leitungsgebundenenEnergieversorgung in den USADie Vereinigten Staaten waren mit dem Energiege-setz von 1978 Vorreiter der Liberalisierungsbemü-hungen in den Industrieländern. Da die Umsetzungdieses Rahmengesetzes jedoch den Energiebehör-den der einzelnen Bundesstaaten vorbehalten bleibt,ergibt sich ein heterogenes Bild der institutionellenAusgestaltung und der eingesetzten Primärenergie-träger. Aufgrund der Liberalisierung der Märkte fürleitungsgebundene Energieversorgung und des Ein-satzes erneuerbarer Energieträger galt Kalifornienals Musterbeispiel für eine künftige Energiepolitik.Spätestens seit der kalifornischen Stromkrise wirddie Deregulierungsstrategie jedoch differenzierterbeurteilt. Seitdem der liberalisierte Strommarkt zuverstärkten Stromausfällen und Zwangsabschaltun-gen der Elektrizitätsversorgung auch an der Ost-küste der USA zu führen drohte, trat das Ziel derVersorgungssicherheit wieder deutlich in denVordergrund. Damit wurde die Position frühererUS-Regierungen aufgegeben, dass Energieengpässeregionale, vorübergehende Phänomene seien. Eine„Task Force“ unter Leitung des US-Vizepräsidentenerarbeitete Vorschläge für ein künftiges nationalesEnergiekonzept. Kernpunkt des „National EnergyPolicy Report“ (National Energy Policy Develop-ment Group, 2001) ist die Erschließung bzw.Auswei-tung der heimischen Öl- und Gasproduktion sowieder Kohleförderung, um die Importabhängigkeit deramerikanischen Energieversorgung zu senken.Daneben wird ein Ausbau der Kernkraft erwogen, dadiese als geeignete klimaverträgliche Alternative zuKohle, Öl und Gas angesehen wird.

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24 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

2.3.4Erneuerbare Energien in den Industrieländern

Europäische UnionGemäß einer EU-Richtlinie vom September 2001(EU-Kommission, 2001b) soll der Anteil erneuerba-rer Energien am Bruttoinlandsverbrauch der EU biszum Jahr 2010 auf 12% erhöht werden, wobei derAnteil regenerativer Energien am gesamten Strom-versorgung auf 22,1% steigen soll. Der Mix dererneuerbaren Energieträger ist in den Mitgliedstaa-ten der EU unterschiedlich. Großen Einsatz findetvor allem Wasserkraft, die insbesondere in Öster-reich und Schweden aufgrund günstiger geographi-scher Gegebenheiten einen Großteil der Elektrizi-tätsversorgung deckt. In Deutschland werden die„neuen“ erneuerbaren Energien seit Beginn der1990er Jahre durch einen Mix verschiedener Instru-mente (Einspeisevergütungen, Markteinführungs-programme, freiwillige Maßnahmen u. a.) gefördert.Infolgedessen hat sich der Anteil erneuerbarer Ener-gien sowohl am Primärenergieeinsatz als auch amStromverbrauch in 10 Jahren mit hoher Wachstums-rate erhöht (Abb. 2.3-4). Ähnliche Entwicklungensind – vor allem für Windkraft – in vielen anderenEU-Ländern zu beobachten.

USADer gegenwärtige Beitrag erneuerbarer Energieträ-ger (einschließlich Wasserkraft) zum elektrischenStrom ist auch in den USA derzeit mit 6–7% ver-gleichsweise gering (IEA, 2002b). Neue erneuerbareEnergieträger wie Biomasse, Geothermie sowieWind- und Solarenergie haben heute zusammen nureinen Anteil von rund 2% an der Stromerzeugung,der bis 2020 auf 2,8% steigen soll (National EnergyPolicy Development Group, 2001). Grund für den –gemessen am technischen Potenzial – vergleichs-weise geringen Einsatz erneuerbarer Energien sindnach Aussagen der National Energy Policy Groupvor allem die hohen Kosten im Vergleich zu konven-tionellen Ressourcen. Daher werden verstärkteAnstrengungen zur Förderung erneuerbarer Ener-gien vorgeschlagen, wie z. B. die Aufstockung desstaatlichen Budgets für Forschung und Entwicklungfür erneuerbare Energien und die Ausweitung vonSteuergutschriften für die Stromproduktion auserneuerbaren Energien (Wind, Biomasse). Die USAsind bei der Förderung erneuerbarer Energien imVergleich zu Westeuropa wesentlich zurückhalten-der und beschränken sich zumeist auf Forschungs-und Entwicklungsprogramme. Obwohl die USA hin-ter Deutschland und Dänemark drittgrößter Nutzervon Windenergie sind, lassen sich Wachstumstrendswie bei der Windenergienutzung in Deutschland nur

in wenigen US-Bundesstaaten feststellen. Es istdaher zu erwarten, dass der Anteil erneuerbarerEnergien an der Primärenergie in den nächsten Jah-ren geringer wachsen wird als in der EU (IEA,2001b).

2.4Energie in den Entwicklungs- undSchwellenländern

2.4.1Struktur der Energieversorgung

EntwicklungsländerDer Zugang zu moderner Energie ist ein wesent-licher Bestandteil der Armutsbekämpfung und Vor-aussetzung für das Erreichen der Millenniums-Ent-wicklungsziele (DFID, 2002). Energie fördertEinkommen, Bildung, soziale Teilnahme undGesundheit und befreit insbesondere Frauen vonZeit raubenden Tätigkeiten, wie sammeln von Feuer-holz oder Wasser holen.

Heute haben 1,6 Mrd. Menschen oder 27% derWeltbevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität.99% dieser Menschen leben in Entwicklungsländernund 80% davon in ländlichen Gebieten (IEA, 2002c;Abb. 2.4-1). Diese Energiearmut geht Hand in Handmit einem niedrigen Index menschlicher Entwick-lung (Abb. 2.4-2). China bildet hier eine wichtigeAusnahme: die Stromversorgung erfasst über 90%der Bevölkerung. Der Pro-Kopf-Energieeinsatz wirdin den kommenden Jahrzehnten in den Entwick-lungsländern das stärkste Wachstum aufweisen.

1990 1992 1994 1996 1998 2000

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PrimärenergiePrimärenergie

Elektrizität

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Abbildung 2.3-4Entwicklung des Anteils der erneuerbaren Energien an derPrimärenergie und dem elektrischen Strom (ohneMüllverbrennungsanlagen) in Deutschland. Beide Anteileverdoppelten sich in zehn Jahren.Quelle: BMU, 2002a

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25Energie in den Entwicklungs- und Schwellenländern 2.4

Unter einem Business-as-usual-Szenario wird mehrals 60% des Zuwachses der Nachfrage nach Primär-energie zwischen 2000–2030 aus Entwicklungslän-dern kommen (IEA, 2002c).

Ein weiteres Problem, das für Entwicklungsländerspezifisch ist, rückt zunehmend in das Blickfeld derWeltöffentlichkeit: die erhebliche Gesundheitsschä-digung vor allem bei Frauen und Kleinkindern, diedurch die Nutzung von Holz und Dung zum Kochenund Heizen entsteht (Kasten 4.2-1). 1,6 Mio. Totejährlich rechnet die WHO weltweit dem Risikofak-tor Luftverschmutzung in Innenräumen zu, dass sindmehr als doppelt soviele, wie an den Folgen der Luft-verschmutzung in Städten sterben und nahezu dop-

pelt soviele, wie jährlich der Malaria zum Opfer fal-len (WHO, 2002b). Einkommens- und Technologi-eentwicklung allein werden dieses Problem nichtlösen. Nach Schätzungen der IEA (2002c) wird dieZahl derer, die mit traditioneller Biomasse kochenund heizen von derzeit 2,4 Mrd. bis 2030 auf 2,6 Mrd.Menschen ansteigen.

Die Entwicklungsländer verfolgen keine einheitli-che Energiepolitik. Dennoch lassen sich typischeMuster erkennen:• Die Nachfrage nach kommerzieller Energie steigt

außer in den ärmsten Entwicklungsländern stär-ker an als das BIP. Eine Erhöhung des BIP um10% führt zu einer Steigerung der kommerziellen

Abbildung 2.4-1Regionale Verteilung derMenschen ohne Zugang zuelektrischem Strom und mitAbhängigkeit von Biomassefür die Energieversorgung.Die unterschiedlichenFarben kennzeichnen dieRegionen bzw. Länder, aufdie sich die angegebenenZahlen beziehen.Quelle: IEA, 2002c

Mio. Menschen ohne Strom

Mio. Menschen ausschließlich auf traditionelle Biomasse zum Kochen und Heizen angewiesen

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Energienutzung [GJ/Kopf]

Abbildung 2.4-2Pro-Kopf-Energieeinsatzund der Index menschlicherEntwicklung (HumanDevelopment Index) für1991/1992, gewonnen ausDaten für 100 Länder.Quelle: Reddy, 2002

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26 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

Energienachfrage um 12% (Leach, 1986). Vorallem das Bevölkerungswachstum ist für ein über-durchschnittliches Wachstum des kommerziellenEnergiesektors verantwortlich (OTA, 1991): 90%des globalen Bevölkerungszuwachses entfallenzur Zeit auf die Entwicklungsländer. Bei Wachs-tumsraten des BIP von 2–3% pro Jahr wäre selbstbei unverändertem Energiemix die Wachstums-rate des Einsatzes kommerzieller Energie höherals die des BIP.

• Viele Entwicklungsländer befinden sich in derPhase des Aufbaus von Infrastruktur, z. B. imTransportwesen. Dabei werden viele Materialienmit hohem Energieeinsatz bei der Herstellungbenötigt, wie etwa Stahl oder Beton, was den Ein-satz kommerzieller Energie mittelfristig starkansteigen lässt.

• Die zunehmende Urbanisierung führt zu einemAnstieg des kommerziellen Energieanteils. Bio-masse wird vor allem in ländlichen Regionen ein-gesetzt. Dennoch werden auch viele der Armen in

den städtischen Slums weiter auf Biomasse undKohle zum Heizen und Kochen angewiesen sein.

• Durch moderne Produktionsmethoden werdenelektrisch betriebene Geräte, wie etwa Kühl-schränke, Fernseher, Radios oder Computer, fürden Verbraucher erschwinglicher. Dies erhöht dieStromnachfrage sowohl der Endnutzer, die an dieStromversorgung angeschlossen sind, als auch derUnternehmer, die diese Güter teilweise in Ent-wicklungsländern herstellen.

• Der Energiesektor in den Entwicklungsländernleidet unter Ineffizienz und Fehlsteuerung. ImJahr 1992 beliefen sich die staatlichen Energiesub-ventionen in den Entwicklungsländern auf insge-samt 50 Mrd. US-$, mehr als alle Mittel der öffent-lichen Entwicklungszusammenarbeit für dieseLänder (DFID, 2002). Diese Subventionen kom-men zudem vielfach nicht den richtigen Zielgrup-pen und zukunftsfähigen Technologien zugute. InÄthiopien gehen beispielsweise 86% der Petro-

Kasten 2.4-1

Wechsel der Energieträger nachHaushaltseinkommen in Entwicklungsländern

Abbildung 2.4-3 veranschaulicht schematisch den beobach-teten Zusammenhang von Haushaltseinkommen, dennachgefragten Energiedienstleistungen und den Energie-trägern. Die existenzielle Grundversorgung mit Energie istin der unteren Reihe aufgeführt. Wenn Haushalte wohlha-bender werden, ersetzen sie traditionelle Biomasse durchFlüssiggas oder fossile Brennstoffe. Energiedienstleistun-gen wie Kühlschränke usw. stehen den ärmsten Haushaltennicht zur Verfügung. Wo sie nachgefragt werden, werden

fossile Brennstoffe und in geringem Maß Elektrizität ein-gesetzt. Erst bei höherem Einkommen wird elektrischerStrom für die „fortgeschrittenen“ Energiedienstleistungenverwendet. Die Grafik berücksichtigt nicht die Unter-schiede zwischen Stadt und Land.

Zu diesem Schema bestehen jedoch Ausnahmen: InSüd- und Südostasien ließ sich ein Zusammenhang zwi-schen Haushaltseinkommen und Nutzung traditionellerBiomasse nicht nachweisen (Hulscher, 1997), d. h. auch rei-che Haushalte halten an der traditionellen Form desKochens und Heizens fest.

Ohne starke energiepolitische Unterstützung, aus-schließlich auf die ökonomisch Entwicklung vertrauend,wird die Entwicklung zu den modernen Energieformenlange dauern und unvollständig bleiben.

Abbildung 2.4-3Energieträgermix undEnergiedienstleistungenvon Haushalten in Entwick-lungsländern, inAbhängigkeit vomHaushaltseinkommen. DiePlus-Zeichen weisen daraufhin, dass Haushalte diebetreffende Energieformzusätzlich zu den bereitsgenutzten Energieformeneinsetzen.

Quelle: modifiziert nachIEA, 2002c

Computer, IT

Klimaanlage

Medien

Haushaltsgeräte

Kühlschrank

Getreidemühle

Wasserpumpe

Transport

Licht

Heizung

Herd

Elektrizität Elektrizität

Diesel + Elektrizität

Diesel + Elektrizität

Benzin, Diesel Benzin, Diesel

Batterien, Kerzen, Petroleum + Elektrizität Elektrizität

Traditionelle Biomasse + Kohle, Öl + Gas

Traditionelle Biomasse + Flüssiggas Flüssiggas

Elektrizität

Elektrizität

Elektrizität

Elektrizität

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einfach fortgeschritten

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27Energie in den Entwicklungs- und Schwellenländern 2.4

leumsubventionen nicht an die arme Bevölkerung(Kebede und Kedir, 2001).

SchwellenländerSchwellenländer befinden sich im Übergang zuIndustrieländern und besitzen genügend Eigendyna-mik, um die Merkmale eines Entwicklungslandes inabsehbarer Zeit zu überwinden. Strukturell habensie sich überwiegend das Modernisierungsmuster derIndustrieländer zu Eigen gemacht und ahmen derenWirtschaftswachstums- und Entwicklungsmodellnach. Gemäß Weltbank gehören dazu „Tigerstaaten“wie Südkorea und Taiwan, OPEC-Länder wie Saudi-Arabien und Iran, ressourcenreiche südamerikani-sche Staaten wie Brasilien und Argentinien, schließ-lich Südafrika sowie kleine (und reiche) Tourismus-Inselstaaten wie die Bahamas oder Mauritius.

Die Schwellenländer liegen sowohl beim BIP proKopf als auch beim Energieeinsatz pro Kopf zwi-schen Industrie- und Entwicklungsländern. Inner-halb der Schwellenländer bestehen aber erheblicheUnterschiede: Während in Uruguay etwa 12.000kWh pro Kopf (Energieeinsatz des Landes pro Ein-wohner) genutzt werden, sind es in Südkorea fast50.000 kWh. Schwellenländer zeichnen sich weiterdadurch aus, dass der wirtschaftlichen Entwicklungin der Regel höchste Priorität eingeräumt wird undUmwelt- oder Sozialproblemen eher geringe Auf-merksamkeit zukommt. Umweltfreundliche Ener-gieträger spielen daher in diesen Ländern eine unter-geordnete Rolle. So betrug etwa in Südkorea 1995während einer prosperierenden Investitionsperiodeder Anteil von Wasserkraft, Wind und Sonne nur0,3% des Primärenergieangebots, der Anteil impor-tierten Öls hingegen über 60% (Brauch, 1998).

In den meisten Schwellenländern sehen die ener-giepolitischen Vorgaben weder Effizienzstrategien

noch Investitionen in regenerative Energieträger,mit Ausnahme der Wasserkraft, vor (EIA, 2001).Länder wie Brasilien nutzen zwar ihr großes Poten-zial für die Wasserkraft, setzen aber trotzdem weiterauf fossile Brennstoffe zur Deckung des größtenTeils ihres Energiebedarfs (EIA, 2002).

Die durch Ölimporte verursachten Einschränkun-gen des ökonomischen Handlungsspielraums vonSchwellenländern sind infolge der Abwertung derWährung in vielen asiatischen Länder drastisch ver-stärkt worden. Dies hat in den ASEAN-Staaten zueinem politischen Wandel geführt, und erstmals sindStrategien in Richtung höherer Energieeffizienzbeschlossen worden. Ein Richtungswandel bei denInvestitionen zugunsten der regenerativen Energie-träger ist dennoch bis heute nicht festzustellen(Luukkanen und Kaivo, 2002). Kasten 2.4-2beschreibt Reformbemühungen am Beispiel Indien.

2.4.2Trends der sektoralen Energienachfrage

In den Entwicklungsländern sind die Privathaushaltedie größte Verbrauchergruppe, gefolgt von Industrieund Transport. Haushalte machen weltweit etwa25% der Energienachfrage aus. In China beträgt die-ser Anteil 37%, in Indien und Indonesien 54% und inNigeria sogar 80% (Abb. 2.4-4; WRI, 2002). Beizunehmender Wirtschaftskraft geht der Anteil dervon den Haushalten genutzten Energie im Vergleichzu Industrie, Transport oder Landwirtschaft deutlichzurück.

Art und Menge der genutzten Energie sind in denEntwicklungsländern aufgrund der Unterschiede inder Einkommensverteilung sowie bezüglich derInstitutionen und Infrastruktur sehr verschieden. In

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Abbildung 2.4-4Sektorale Energienachfragein den vier bevölkerungs-reichsten Entwicklungs-ländern China, Indien,Indonesien und Nigeriasowie dem SchwellenlandBrasilien. Zum Vergleich:globaler Mittelwert. AlleWerte für das Jahr 1997.Quelle: WRI, 2002

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28 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

den meisten Entwicklungsländern wird mindestensdie Hälfte der Gesamtenergie in ländlichen Gebie-ten nachgefragt. In diesen Regionen ist das Energie-muster der als absolut arm geltenden Bevölkerungs-gruppen sehr ähnlich: Der geringe Pro-Kopf-Energi-eeinsatz (<30 GJ Primärenergie pro Jahr) wird zuetwa 80% in Haushalten und da ganz überwiegendzum Kochen verwendet (World Bank, 2001a).

In den Schwellenländern hat sich die Endenergie-nachfrage während der letzten Jahrzehnte kontinu-ierlich erhöht. Angestiegen ist sie vor allem in derIndustrie und im Transport. Ein Vergleich der Nach-fragestruktur von Industrie-, Entwicklungs- undTransformationsländern zeigt, dass die Energienach-frage mit der Größe des Industriesektors schwankt.Auffallend ist, wie stark sich die Schwellenländer andas sektorale Muster von Industrieländern angenä-hert haben. Der Transportsektor in den Schwellen-ländern zeigt einen steigenden, aber stark unter-schiedlichen Anteil an der Endenergienutzung. FürSüdkorea etwa ist er mit ca. 20% geringer als in derOECD, wo der Verkehrssektor 1992 bei 32% lag(Brauch, 1998).

2.5Energie in den Transformationsländern

2.5.1Energienutzung

Zu den Transformationsstaaten werden die Staatenaus dem östlichen Mitteleuropa, Ost- und Südost-europa, die baltischen Staaten sowie die Gemein-schaft Unabhängiger Staaten (GUS) gezählt. DerAusbau des Energiesektors in der früheren Sowjetu-nion erfolgte anhand von planwirtschaftlichen Vor-gaben, die keinen Raum für marktwirtschaftlicheund ökologische Kriterien ließen, sondern in ersterLinie politischen Zielen wie der räumlichen Integra-tion der Wirtschaft oder der günstigen Energiever-sorgung von Industrie und Bevölkerung dienten. Diezentrale, hierarchische Planung der verschiedenenEnergieträger führte dabei zur Bildung einheitlicherEnergiekomplexe, durch welche die Versorgung dergesamten Sowjetunion gewährleistet wurde (UN-ECE, 2001). Da Produktion, Transport und Vertei-lung von Energie unabhängig von Kosten- oder Effi-zienzüberlegungen vorgenommen wurden, war ein-erseits die Erschließung entlegener Erdöl- und Gas-vorkommen in den Permafrostregionen Sibiriens

Kasten 2.4-2

Beispiel Indien: Entwicklungsmuster, Reformenund Institutionendesign im Energiesektor

Nachfrage-Angebots-Lücke in derStromversorgungIndien stellt 16% der Weltbevölkerung, nutzt aber lediglich2% des weltweiten Stromangebots. Elektrischer Stromwächst in Indien mit 8% pro Jahr schneller als alle anderenEnergiesektoren. Bei einem Industriewachstum von jähr-lich 9% steigt auch die Nachfrage nach Energie mit 9% unddamit im Vergleich zum BIP (4,5% pro Jahr in den letzten50 Jahren) überdurchschnittlich. Die Stromversorgung istunzulänglich: Die Deckung der Nachfrage hat sich seit 1991weiter verschlechtert, 1997 konnten 12%, zu Spitzenzeitensogar 18% der Haushalte nicht versorgt werden. DieseBedarfslücke verursacht Kosten in Höhe von 1,5–2% desBIP. Die mangelnde Versorgungssicherheit, Stromausfälleund häufige Spannungsschwankungen haben dazu geführt,dass verstärkt Anreize zur Stromsubstitution durch Kero-sinlampen, Dieselgeneratoren und Spannungsregler ge-schaffen wurden. Gleichzeitig ist die Einführung energie-effizienter Technologien erschwert, weil z. B. die Lebens-dauer von Energiesparlampen aufgrund der großen Span-nungsschwankungen verringert wird.

70% der Inder leben in ländlichen Gebieten, davonknapp die Hälfte unterhalb der Armutsgrenze von 1 US-$Pro-Kopf-Einkommen am Tag. Deshalb wird nur ein Drit-tel der Elektrizität in ländlichen Gegenden eingesetzt, auch

wenn bereits 86% der Dörfer elektrifiziert sind. Der Ener-giebedarf wird hier vorwiegend durch Biomasse gedeckt.

Institutionelle Reform des Energiesektors greiftnur langsamMit der Teilliberalisierung des Energiesektors in den1990er Jahren sind Kohle-, Öl- und Technologieimporteverstärkt, Kraftwerke modernisiert und Subventionenschrittweise abgebaut worden. Die Subventionierung desprivaten Stromverbrauchs betrug 1998 aber immer noch64%. Noch stärker wird Energie in der Landwirtschaft sub-ventioniert, die über 20% des Stroms nutzt. Von einer vol-len Liberalisierung und Deregulierung ist der StrommarktIndiens noch weit entfernt. So haben Stromversorgerweiterhin nicht die Möglichkeit, unter verschiedenenAnbietern von Kohle zu wählen, obwohl noch zu 64%Kohle in den Kraftwerken verfeuert wird. Die Betreiberder Kohlekraftwerke können daher kaum schwefel- undschwermetallarme Kohlesorten nutzen. Die Trägheit staat-licher Monopole und die unklare Aufteilung der Zustän-digkeit verschiedener staatlicher Organe haben Liberali-sierung und Deregulierung verzögert. Als Folge der Refor-men, die zu einem allmählichen Abbau von Subventionenund angemessenen Preisen führten, erhöhten sich dieStrompreise beim Endkunden. Obwohl das Energieange-bot stieg, wurden wegen der höheren Preise 75% desgesteigerten Angebots nicht bezahlt, weil der Strom illegalabgezweigt wurde.

Quellen: Lookman und Rubin, 1998; IEA, 1999; Gupta etal., 2001; World Bank, 2001a; Ghosh, 2002

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29Energie in den Transformationsländern 2.5

möglich (von Hirschhausen und Engerer, 1998).Andererseits bestanden im gesamten Energiezykluspraktisch keine Anreize zur Energieeffizienz, zumalin der Regel keine zuverlässige mengenmäßigeErfassung von Förderung, Transport und Nutzungvon Energie erfolgte. Im Ergebnis entstand damit einEnergiesystem, das durch sehr hohe Förderung,exzessiven Energieeinsatz und hohe Verluste beiTransport und Umwandlung gekennzeichnet war.

Mit dem Zusammenbruch des sozialistischenGesellschaftssystems zu Beginn der 1990er Jahresetzte in diesen Staaten ein umfassender Transforma-tionsprozess ein. Die Umwandlung der ehemals sozi-alistischen Plan- zu einer Marktwirtschaft führte inallen Transformationsstaaten zu einer teilweisenDeindustrialisierung. Die GUS steht heute vor derHerausforderung, ihre Energieversorgung mit natio-nal vorhandenen Ressourcen und der übernomme-nen Infrastruktur zu sichern. Die meisten Transfor-mationsländer müssen hohe Summen für den Importvon Primärenergie aufwenden. Aufgrund der gege-benen Infrastruktur besteht dabei eine enge Abhän-gigkeit von Importen aus anderen GUS-Staaten, ins-besondere Russland. Staaten, die über umfassendeEnergieressourcen verfügen, wie Russland, Aser-baidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbeki-stan stehen dagegen in erster Linie vor dem Problem,Kapital für die Entwicklung, Instandhaltung undModernisierung ihrer Erdöl-, Gas- und Elektrizitäts-industrie zu mobilisieren. Es gilt nicht nur die inlän-dische Energieversorgung weiterhin zu sichern, son-dern auch genügend Energieressourcen für denExport bereitzustellen, der in diesen Staaten in derRegel einen hohen Anteil der Exporterlöse bildet. InRussland beträgt z. B. der Anteil der Öl- und Gasex-porte an den gesamten Exporterlösen etwa 50% undam BIP etwa 20% (EBRD, 2001).

Die Energienachfrage in der GUS ging zwischen1990 und 1997 um mehr als 20% zurück und ist seit-her nur leicht angestiegen (UN-ECE, 2001). Hierfürsind in erster Linie der wirtschaftliche Niedergangund die sowohl in der Industrie als auch bei privatenHaushalten weit verbreitete Zahlungsunfähigkeitverantwortlich. Da aus politischen Gründen bei aus-bleibenden Zahlungen eine Einstellung der Energie-versorgung weder gegenüber der Industrie nochgegenüber privaten Haushalten durchsetzbar ist,sind in der Energiewirtschaft erhebliche Zahlungs-rückstände aufgelaufen. Die ausbleibenden Einnah-men fehlen für dringend benötigte Investitionen zurInstandhaltung und Modernisierung des Energiesek-tors. Bei den verschiedenen Energieträgern hat dieseEntwicklung zu unterschiedlichen Ergebnissengeführt (EBRD, 2001; UN-ECE, 2001):• Die Ölproduktion in der GUS ging zwischen 1990

und 2000 von 571 auf 395 Mio. t um ca. 31%

zurück. Ursache hierfür ist in erster Linie die Dif-ferenz zwischen den Weltmarktpreisen und denfestgelegten Inlandspreisen, die den Verkauf vonÖl an inländische Raffinerien – insbesondereangesichts ihrer Liquiditätsprobleme – wenigattraktiv macht.

• Die Kohleförderung sah im gleichen Zeitraumeinen Produktionsrückgang um 56%, von 703Mio. t auf weniger als 300 Mio. t. Zurückzuführenist dies neben der Schließung unwirtschaftlicherFörderstätten auf den Trend zum Einsatz umwelt-freundlicherer und häufig billigerer Energieträ-ger, insbesondere Erdgas.

• Die Gasförderung ging im genannten Zeitraumvon 815 Mrd. m3 auf ca. 700 Mrd. m3 um ca. 14%zurück, wobei der Rückgang der inländischenNachfrage durch eine Steigerung des Exports umca. 12% teilweise kompensiert werden konnte.

• Die Stromerzeugung reduzierte sich insgesamtum 28%, wovon in erster Linie die dominierendenWärmekraftwerke betroffen waren, die für ca.70% der Elektrizitätserzeugung sorgen. Demge-genüber blieb die Elektrizitätserzeugung durchKernkraftwerke (in Russland, der Ukraine undArmenien) und Wasserkraftwerke weitgehendkonstant – ihr Anteil an der Elektrizitätsversor-gung 1997 lag jeweils knapp über 15%.

Erneuerbare Energien spielen in der GUS einegeringe Rolle, sie erreichen nur einen Anteil vonrund 6%, der nahezu ausschließlich durch Wasser-kraft geliefert wird. Nur ein sehr kleiner Teil wird vonder Geothermie geliefert. Es wird erwartet, dass derAusbau der erneuerbaren Energien langsamer alsdas Wachstum der Energienachfrage ausfallen wird.Mittel- bis langfristig könnte sich die Situationjedoch ändern, wenn unsichere Kernkraftwerkeabgeschaltet werden und die Preise für die fossileEnergieerzeugung infolge weiterer Reformen derEnergiemärkte steigen.

2.5.2Trends in der sektoralen Energienachfrage

In der GUS wuchs 1990–1998 im Verlauf der teilwei-sen Deindustrialisierung der Anteil der Dienstleis-tungen am BIP von 35% auf 57%, mit weiter stei-gender Tendenz. Aufgrund der hohen Energiepro-duktivität des Dienstleistungssektors wirkt dieseEntwicklung dämpfend auf die Energienachfrage. Inden anderen Sektoren (Haushalte, Handel, Land-wirtschaft und öffentliche Dienstleistungsbetriebe)ist die Energienachfrage weit weniger zurückgegan-gen als in der Industrie, was vermutlich in der Ener-giepreispolitik und den staatlichen Garantien zurSicherung des Energieangebots begründet liegt

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30 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

(Abb. 2.5-1). Die IEA schätzt, dass die Energienach-frage in diesen Sektoren ab 2010 jährlich um 2,2%zunehmen wird. Die Energienachfrage der Industriewird zwar ebenfalls steigen, jedoch mit niedrigerenWachstumsraten (IEA, 2001b).

Die Energienachfrage im Transportsektor wird inder GUS mit jährlichen Wachstumsraten von 3,1%bis 2020 besonders stark zunehmen. Im Jahr 2020wird der Anteil des Transports am gesamten Erdöl-verbrauch etwa 53% betragen (IEA, 2001b). In derSowjetunion machten umweltfreundliche Verkehrs-träger wie Bahn und ÖPNV sowohl im Personen- alsauch im Güterverkehr im Vergleich zu westlichenIndustriestaaten einen weit höheren Anteil amGesamtverkehrsaufkommen aus. Entsprechend warder Anteil des Verkehrs am Gesamtenergieeinsatzhier weitaus geringer. Seit Mitte der 1990er Jahresteigt der Straßenverkehr jedoch überproportionalan: Mangelnde Investitionen in die Infrastruktur vonSchienenverkehr und öffentlichem Nahverkehrmachen diesen im Vergleich zum Straßenverkehrzunehmend unattraktiv. Zwar kommen in Russlandzur Zeit nur 100 Autos auf 1.000 Personen (Deutsch-land: 510 Autos auf 1.000 Personen; IEA, 2001b), mitden erwarteten steigenden Einkommen ist jedochmit einem wachsenden Autobestand zu rechnen. DieAuswirkungen der EU-Osterweiterung ist in Kasten2.5-1 thematisiert.

2.5.3Subventionierung als Ursache ineffizienterEnergienutzung

Angesichts der energiewirtschaftlichen Situation derGUS wäre zu erwarten, dass Maßnahmen zur Sen-kung der Energieproduktivität sowohl von politi-scher als auch von unternehmerischer Seite höchstePriorität eingeräumt wird. Produktivitätsgewinnekonnten trotz des großen Einsparpotenzials bisherjedoch nur in geringem Umfang realisiert werden.Die Energieproduktivität der GUS-Staaten betrug1997 rund 100 US-$ pro MWh (Kaufkraftparität)und lag damit fast um den Faktor 7 unter dem Durch-schnitt der OECD-Staaten (UN-ECE, 2001). Dasbisher ungenutzte Energieeinsparungspotenzial inden GUS-Staaten beläuft sich insgesamt auf jährlichetwa 15–18 EJ oder fast 40% des gesamten Energie-einsatzes. Davon entfallen allein auf Russland unddie Ukraine nahezu 90% des Einsparpotenzials.Ungefähr ein Drittel dieses Potenzials liegt im Ener-gie- und Treibstoffsektor selbst, noch höher ist derAnteil der möglichen Einsparungen aber im indus-triellen Sektor (Russland: 30–37%, Ukraine: 55–59%). Der dritte große Bereich für Energieeinspa-rungen ist der Gebäudesektor. Der Gebäudebestandder GUS-Staaten ist in der Regel nicht mit Wärme-und Gaszählern ausgestattet. Zudem sind Materia-lien für den Wärmeschutz überteuert. Insgesamt wirddas Einsparpotenzial im Gebäudesektor auf unge-fähr 3 EJ oder 16–18% des Gesamtpotenzialsgeschätzt (UN-ECE, 2001).

Der wohl wichtigste Grund für die fehlendeErschließung des Einsparpotenzials ist die in derüberwiegenden Zahl der GUS-Staaten weiterhinpraktizierte Subventionierung des Energiekonsums.Die Subventionspolitik ist dabei durch folgendeMuster gekennzeichnet:• Die Energiepreise werden durch rechtliche oder

politische Maßnahmen unter den Erzeugungskos-ten gehalten, da große Teile der Industrie und derBevölkerung höhere Energiepreise nicht bezah-len können.

• Es erfolgt eine Quersubventionierung der Haus-halte zu Lasten der Industrie, indem die Energie-preise im industriellen Sektor ungefähr doppelt sohoch gehalten werden wie für den privaten Kon-sum, allerdings nicht hoch genug, um Anreize fürEffizienzsteigerungen zu setzen.

• Auf Zahlungsrückstände darf aus politischenGründen nicht mit einem Einstellen der Energie-versorgung reagiert werden. Insolvenzverfahrenbestehen oder funktionieren nicht. Die Energie-wirtschaft hat in der Vergangenheit eine wichtigeRolle bei der Tolerierung fehlender Zahlungsdis-

Industrie(35%)

Verkehr (12%)

Handel und öffentlicheEinrichtungen (8%)

Land-wirtschaft (7%)

Haushalte (38%)

Abbildung 2.5-1Sektorales Muster der Energienachfrage in Russland, derUkraine und Usbekistan.Quelle: modifiziert nach WRI, 2001

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31Energie in den Transformationsländern 2.5

ziplin in der Industrie gespielt und dadurch eineRestrukturierung des industriellen Sektorsebenso wie die Zunahme der Energieprodukti-vität verhindert (EBRD, 2001).

Die Subventionierung verhindert dabei nicht nur dieWirtschaftlichkeit von Energieeinsparmaßnahmenbei Industrie und Privatkonsumenten, sondern führtauch zu mangelnder Liquidität der Energieversor-gungsunternehmen, die sich nicht in der Lage sehen,Investitionen für die Reduzierung von Transport-und Wandlungsverlusten aufzubringen. Zugleichfehlt es damit an berechenbaren Marktbedingungenund langfristigen Gewinnaussichten für ausländischeInvestoren, ohne deren Kapital eine Modernisierungder Energiesysteme angesichts der latenten Finanz-krise der Energiewirtschaft auf absehbare Zeit kaumrealisierbar sein dürfte.

2.5.4Privatisierung, Liberalisierung und (Re)regulierung der Energiewirtschaft

Die Anstrengungen zur Liberalisierung des energie-wirtschaftlichen Komplexes in den GUS-Staaten fol-gen überwiegend dem angelsächsischen Modell. Die-ses ist durch die Trennung von Energiebereitstellung,Vertrieb und Netzbetrieb, die Aufspaltung und Priva-tisierung staatlicher Energieversorgungsunterneh-men sowie eine unabhängige Regulierungsbehördegekennzeichnet. Die Umsetzung der Liberalisie-rungsbemühungen ist in den einzelnen Staatenunterschiedlich weit: Nur wenige Staaten, wie z. B.Aserbaidschan, haben von Reformen bisher voll-ständig abgesehen, in weiten Teilen der GUS wurdendie verschiedenen Komponenten der Energiewirt-schaft in privatrechtliche Gesellschaften umgewan-delt. Die Kontrolle über diese Gesellschaften ver-blieb bisher allerdings weitgehend in den Händen

Kasten 2.5-1

Die Auswirkungen der EU-Osterweiterung aufdie europäische Energieversorgung

Der Energiesektor der mittel- und osteuropäischen Staa-ten befindet sich noch immer in einer Phase der Restruktu-rierung. Zentrales Ergebnis des Beitritts zur EU wird dieLiberalisierung der leitungsgebundenen Energiewirtschaftsein. Damit wird auch in den Beitrittsstaaten der Energie-trägermix künftig weniger durch staatliche Vorgaben alsdurch den Markt bestimmt werden. Als Folge der Liberali-sierung wird mit einem starken Rückgang des Kohleanteils(von 55% im Jahr 1990 auf 38% im Jahr 2020 bei „businessas usual“) und einer Erhöhung des Erdgasanteils (von 15auf 30% im gleichen Zeitraum) an der Energieversorgunggerechnet. Mit der damit verbundenen Modernisierungvon Kraftwerken und Wärmeversorgung wird ein erheb-licher Rückgang der Schadstoffbelastung und eine Trend-wende bei den nach Jahren wirtschaftlicher Rezessionbereits wieder ansteigenden Treibhausgasemissionenerwartet. Die Steigerung der Energieeffizienz wird ein vor-dringliches Ziel nach dem EU-Beitritt bleiben, zumal hiermit den zur Verfügung stehenden Mitteln die größtenEffekte erzielt werden können. Energiepolitisches Ziel vie-ler künftigen Mitgliedern bleibt aber der Ausbau desExports nach Westeuropa, der zur Zeit aus technischenGründen begrenzt ist.

Problematisch bleibt die Frage nach der Zukunft der 22Kernreaktoren in Mittel- und Osteuropa, die im Durch-schnitt rund 30% der Elektrizitätsversorgung bzw. 6% dergesamten Energieversorgung ausmachen. Bisher hat dieEU die schrittweise Stilllegung von insgesamt 6 Kraft-werksblöcken der ersten Generation sowjetischer Bauartin Bulgarien, Litauen und der Slowakei vereinbart. Die EUstrebt die Stilllegung aller Reaktoren der ersten Genera-tion (weitere 2 Blöcke) sowie die Erhöhung der Sicher-heitsstandards für neuere Reaktoren an. Zweifel bestehenjedoch, ob die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel

(seit 1990 insgesamt 850 Mio. Euro) in ausreichendem Maßzur Finanzierung der erheblichen Kosten von Stilllegungenund sicherheitstechnischen Verbesserungen beitragen.Allein der Bedarf für sicherheitstechnische Maßnahmen inden Beitrittsländern wird für die nächsten 10 Jahre auf 5Mrd. Euro geschätzt.

Zugleich stellt sich die Frage nach den Auswirkungenauf die CO2-Bilanzen der mittel- und osteuropäischen Staa-ten. Sollten die Kernkraftwerke durch Wärmekraftwerkeersetzt werden, ist mit einem Anstieg der CO2-Emissionenin der Größenordnung der im Kioto-Protokoll vereinbar-ten Reduktionsziele (in der Regel 8% verglichen mit 1990)zu rechnen. Angesichts des Rückgangs des Bruttosozial-produkts und der zunehmenden Energieproduktivität wäredie Einhaltung der Kioto-Ziele zwar nicht notwendiger-weise gefährdet. Das potenzielle Volumen des Emissions-rechtehandels unter dem Kioto-Protokoll und der darauszu erzielenden Erlöse würde sich jedoch erheblich reduzie-ren.

Die möglicherweise größte Herausforderung für dieKlimaschutzpolitik der EU und ihrer (künftigen) Mitglied-staaten resultiert aber nicht aus den Entwicklungen imEnergiesektor, sondern aus dem durch die EU-Erweite-rung angetriebenen Wachstum des Verkehrsaufkommens.Es ist zu erwarten, dass sich durch den Beitritt das Wachs-tum des Transportvolumens zwischen den Beitrittsstaatenund der heutigen EU auf 10% und die Exporte der Bei-trittsstaaten auf 6% jährlich verdoppeln werden, wobei sichder Anteil des Schienenverkehrs vermutlich wie bereits inden letzten Jahren kontinuierlich verringern wird. Hinzukommt die in den Beitrittsländern bereits im vergangenenJahrzehnt rasant wachsende Anzahl an privaten Pkw, wassich durch einen EU-Beitritt möglicherweise nochbeschleunigen wird. Der Anteil älterer Autos mit ungünsti-gen Umwelteigenschaften wird auch in Zukunft weit höherliegen als in der heutigen EU.

Quellen: EU-Kommission, 1999b; Matthes, 1999; EU-Kom-mission, 2000b; Jantzen et al., 2000; IPTS, 2001

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32 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

der politischen Elite (in Form staatlicher Beteiligun-gen bzw. durch Übertragung von Gesellschaftsantei-len an vormals staatliche Akteure des energiewirt-schaftlichen Komplexes). Zugleich wurden die Mög-lichkeiten zur Beteiligung ausländischer Investoreneng begrenzt.

Der Restrukturierungsprozess der Energiewirt-schaft könnte beschleunigt werden, wenn Russlandin den nächsten Jahren der Welthandelsorganisation(WTO) beitreten sollte. Die Gesetzgebung und Prak-tiken in den Bereichen der Industriesubventionen,der Besteuerung und der Zollpolitik entsprechenderzeit nicht deren Anforderungen. Es kann davonausgegangen werden, dass eine Anpassung an dieWTO-Bedingungen zu einer höheren Wettbewerbs-intensität im Energiesektor und damit zum Abbaubestehender Ineffizienzen beitragen würde. Zugleichwürde auch die Attraktivität für ausländischeDirektinvestitionen erhöht (EBRD, 2001; CEFIRund Club 2015, 2001).

2.6Wirtschaftliche und geopolitischeRahmenbedingungen

Die zunehmenden Verflechtungen in einer globali-sierten Welt sowie die weltpolitischen Umbrüche seitAnfang der 1990er Jahre haben die Rahmenbedin-gungen der globalen Energiepolitik fundamentalverändert. Zum einen zieht die verstärkte Integra-tion der Weltwirtschaft einen steigenden Energiebe-darf für den Transport und Austausch von Waren,Dienstleistungen und Menschen nach sich. Zumanderen ermöglicht das Ende des Kalten Krieges diegrenzenlose Erschließung von Energieressourcen –selbst in Regionen, die bisher für die transnationalenUnternehmen des Westens nur schwer oder über-haupt nicht zugänglich waren.

2.6.1Globalisierung als neue Rahmenbedingungenergiepolitischen Handelns

Für den Energiesektor ist die Globalisierung nichtneu. Die Internationalisierung von Märkten undMarktakteuren fand als Erstes im Energiebereichstatt und ist dort am weitesten fortgeschritten(Enquete-Kommission, 2001). Weil Gewinnung vonEnergieträgern, Umwandlung und Einsatz von Ener-gie häufig geographisch weit getrennt sind, hat dieserSektor schon immer eine treibende Rolle bei derVertiefung der internationalen Wirtschaftsbeziehun-gen gespielt. Die Liberalisierung der leitungsgebun-denen Energien in zahlreichen Ländern hat den

internationalen Handel mit Energie weiter wachsenlassen.

Im Hinblick auf die Wirkungen des Welthandelsauf Energieversorgung und -nutzung ist zu berück-sichtigen, dass die weltwirtschaftliche Vernetzungden Transfer von Standards für Energieeffizienz,Produkte, Technologien, Produktionsprozesse undManagementsysteme erleichtert. Für diese Dimen-sion der Globalisierung spielen die ausländischenDirektinvestitionen der Industrieländer in den übri-gen Weltregionen eine wichtige Rolle. Diese sind inden 1990er Jahren stark angewachsen: Betrugen dieglobalen ausländischen Direktinvestitionen (Zu-und Abflüsse) im Jahr 1990 2,7% des globalen BSP,so ist die entsprechende Quote elf Jahre später aufmehr als den doppelten Wert (4,3%) geklettert(UNCTAD, 2002).

Die Globalisierung des Welthandels fördert einer-seits die Exportmöglichkeiten für Anlagen zurErzeugung erneuerbarer Energien. Andererseitsbesteht die Gefahr, dass minderwertige, energieinef-fiziente Technologien und Produkte, z. B. veralteteMaschinen, Fahrzeuge und Anlagen, in Entwick-lungs- und Schwellenländern exportiert werden undso die Energieeffizienz negativ beeinflussen (En-quete-Kommission, 2001).

Neben den wachsenden Warenströmen haben dieTransportleistungen von Personen, insbesondere imFlugverkehr, einen unmittelbaren Einfluss auf denEnergiesektor. Seit 1968 hat sich die Zahl der Flug-touristen von 131 Mio. auf 693 Mio. im Jahr 2001mehr als verfünffacht (World Tourism Organization,2002), bis zum Jahr 2020 werden 1,6 Mrd. Touristenerwartet. Das Nachfragewachstum im Weltluftver-kehr beträgt derzeit 4–6% pro Jahr (Lee et al., 2001).Es wird erwartet, dass sich der Anteil des Flugver-kehrs am gesamten Passagiertransportvolumen bis2050 im Vergleich zu 1990 von 9 auf 36% vervierfacht(WBGU, 2002).

Eine weitere energierelevante Erscheinungsformder Globalisierung ist der Transfer westlicherLebensstile in die weniger industrialisierten Weltre-gionen, der unter anderem durch global agierendeMedienkonzerne und die Unterhaltungsindustrievorangetrieben wird. Eine charakteristische Folgedieses Transfers ist die Veränderung von Konsum-strukturen, die sich u.a. in der Zunahme des Energie-einsatzes in Privathaushalten, vor allem beim Woh-nen (Wohnfläche, Kühlung) und der Ausstattung mitelektrischen Haushalts- und Kommunikationsgerä-ten zeigt, sich aber auch auf Mobilität und Freizeit-verhalten auswirkt.

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33Wirtschaftliche und geopolitische Rahmenbedingungen 2.6

2.6.2Geopolitik

Die Verknüpfung zwischen globaler Energieversor-gung und Geopolitik betrifft in erster Linie Mine-ralöl und Erdgas, weil sie in der Erdkruste regionalstärker konzentriert vorkommen als Stein- undBraunkohle. Das räumliche Auseinanderklaffen zwi-schen Energienutzung und Extraktion der Energie-träger führt zu einer hohen Abhängigkeit allerImportländer von einer einzigen geographischenZone: Die so genannte „Rohstoff- und Energie-Ellipse“ umfasst den Nahen Osten sowie die Länderdes kaukasisch-kaspischen Raums (Abb. 2.6-1).Diese Regionen, die zu den politisch instabilsten derWelt zählen, verfügen über 70% der Welterdölreser-ven und 65% der Welterdgasreserven (Tab. 2.6-1).Ihre Bedeutung für die globale Energieversorgungfällt aber unterschiedlich aus: Die Ölreserven desPersischen Golfes sollen bei jetziger Förderquotenoch rund 90, die der kaspischen Region nur noch 20Jahre reichen, die Erdgasreserven für 270 bzw. 80Jahre (Scholz, 2002).Auch die Transportbedingungensind unterschiedlich. Erdöl aus dem Persischen Golfist über Pipelines und Tanker seit langem erschlossenund kann weltweit verteilt werden. Wenn man vonFlüssiggastankern absieht, benötigt Erdgas hingegenein bis zum Endverbraucher vernetztes Rohrlei-

tungssystem, das bisher nur bei Entfernungen von biszu 6.000 km rentabel ist (Müller, 2002).

Da die eigenen Öl- und Gasvorräte der Industrie-länder – soweit vorhanden – stark schrumpfen, mussder Verbrauch heute durch steigende Importegedeckt werden. Für das Jahr 2020 wird eine Energie-importabhängigkeit für Deutschland von 75%, fürdie EU von 70% und für die USA von 62% erwartet(Enquete-Kommission, 2001). Die Erdöl exportie-renden Länder haben sich zur OPEC zusammenge-schlossen und damit eine starke Verhandlungsposi-tion gewonnen (Kasten 2.6-1).

In Zeiten des Kalten Krieges war für die USA undihre NATO-Verbündeten die Sicherung der Ölver-

1 – 10 Mrd. t

10 – 20 Mrd. t

> 20 Mrd. t

Abbildung 2.6-1Länder mit Erdölreserven von mehr als 1 Mrd. t. Die regionale Verteilung der Reserven innerhalb der Länder ist nichtdargestellt. Die so genannte „Rohstoff-und-Energie-Ellipse“ umfasst rund 70% der Welterdölreserven und rund 40% derWelterdgasreserven.Quelle: BGR, 2000

Region Mineralöl[%]

Erdgas [%]

Kohle[%]

Naher Osten 65 35 0GUS 6 38 23Nordamerika 6 5 26Mittel- und Südamerika 9 5 2Europa 2 4 12Afrika 7 6 7Asien/Pazifik 5 7 30Gesamt 100 100 100

Tabelle 2.6-1Regionale Verteilung der Reserven fossiler Energieträger imJahr 2000.Quelle: Enquete-Kommission, 2001

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34 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

sorgung aus dem Nahen Osten wichtig. Diesem geo-strategischen Ziel diente auch die so genannte „Car-ter-Doktrin“, die US-Präsident Jimmy Carter 1980verkündete: „Der Versuch einer auswärtigen Macht,die Kontrolle des Persischen Golfes zu übernehmen,würde als Angriff auf die vitalen Interessen der USAbetrachtet und mit allen Mitteln einschließlich mili-tärischer Gewalt zurückgewiesen.“ („State of theUnion“-Rede vor dem Kongress, 23. Januar 1980).

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ver-schoben sich die weltpolitischen Konstellationen undgeopolitischen Optionen. Das sicherheitspolitischeInteresse der neuen GUS-Staaten in Kaukasien undZentralasien, die Abhängigkeiten von der regionalenVormacht Russland zu verringern, gaben den USAdie Chance, in der Region mit massiver Wirtschafts-und Militärhilfe und nach dem 11. September 2001im Rahmen der „Allianz gegen den Terror“ auch mitMilitärstützpunkten Fuß zu fassen. Daneben wendensich die USA seit den 1990er Jahren auch den ölrei-chen Regionen in Afrika zu: Westafrika produziertbereits 15% der US-amerikanischen Rohölimporte –innerhalb der nächsten zehn Jahre soll dieser Anteildurch den Ausbau der Produktionsanlagen und denBau einer Pipeline zwischen dem südlichen Tschadund den Häfen am Atlantik auf 25% steigen (The

Economist, 14.09.2002). Der Kaukasus und West-afrika könnten mittel- und langfristig eine wichtigeErgänzung zu den Energieressourcen der Golfregionbilden. Der Krisenherd in Nahost und im Irak, diepolitische Unwägbarkeit des Iran, die wachsendeninnenpolitischen Probleme Saudi-Arabiens und dieGefahr des Terrors islamistischer Fundamentalistenin der Region machen den Persischen Golf als För-derregion zunehmend unattraktiv. Dennoch wird dieGolfregion auf absehbare Zeit der wichtigste Öllie-ferant der USA bleiben.

Zu der geopolitisch begründeten Diversifizierungvon Öl- und Gasquellen kommt eine ebenso begrün-dete Diversifizierung der Transportrouten hinzu.Eine Pipeline von Kasachstan durch Russland zumSchwarzmeerhafen Novorossijsk wäre möglichenrussischen Pressionen ausgeliefert. Eine Mittelmeer-route vom Kaspischen Meer durch Aserbaidschan,Armenien, Georgien und die Türkei oder über denIran zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan würdeim ersten Fall durch sehr labile Staatsgebilde und imzweiten Fall durch den Iran führen. Im Vordergrundder derzeitigen Planungen von US-amerikanischenEnergiekonzernen steht deshalb aus sicherheitspoli-tischen Gründen eine Transportroute vom Kaspi-schen Meer über Turkmenistan, Afghanistan und

Kasten 2.6-1

Die OPEC als energiepolitischer Akteur

Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC,Organization of Petroleum Exporting Countries) wurde1960 von den Staaten Saudi-Arabien, Venezuela, Irak, Iranund Kuwait gegründet. Katar (1961), Indonesien (1962),Libyen (1962), die Vereinigten Arabischen Emirate (1967),Algerien (1969) und Nigeria (1971) traten später bei. DieOPEC bildet heute eine mächtige Schwellenländerallianzauf dem internationalen Energiemarkt. Da die Mengeexportierter Energieträger ca. ein Drittel der weltweitenPrimärenergienachfrage ausmacht, führt dies zu erheb-lichen Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der globa-len Energiesysteme. Die 11 Mitgliedstaaten sind nachihrem Selbstverständnis Entwicklungsländer, die das Zielverfolgen, Öleinnahmen und Wirtschaftswachstum lang-fristig zu sichern. Wirtschaftlich und strukturell sind dieÖleinnahmen für die OPEC-Staaten von zentraler Bedeu-tung: Die Ölexporte aller 11 Staaten hatten im Jahr 2000einen Wert von 254 Mrd. US-$. Verglichen mit einemgemeinsamen BIP von ca. 860 Mrd. US-$ im Jahre 2000bedeutet dies einen Anteil von ca. 30%. Das Wohlstandsge-fälle innerhalb der OPEC ist beträchtlich: Auf der einenSeite steht Nigeria mit 319 US-$ BIP pro Einwohner, aufder anderen Katar mit 24.000 US-$ BIP pro Einwohner.Innerhalb der OPEC-Länder wird die Energiewirtschaftvollständig von Öl und Gas dominiert.

Die OPEC repräsentierte 1998 nur 40% des internatio-nalen Rohölmarktes, besitzt aber 78,5% der weltweiten,bekannten Erdölreserven. Dagegen ist der Marktanteil an

den veredelten Produkten der weltweiten Raffineriepro-duktion mit nur ca. 10% gering. Die OPEC tritt am inter-nationalen Ölmarkt als Kartell auf. Ihr Einfluss verringertesich deutlich infolge des Markteintritts der Nicht-OPEC-Staaten Mexiko, Russland, Norwegen, Großbritannien undChina, bleibt aber bis heute global ein mächtiger Faktor.Der innere Zusammenhalt der OPEC wird insbesonderedurch den Konflikt zwischen Ländern mit hoher Bevölke-rung, aber geringen Ölreserven einerseits und den bevölke-rungsarmen Ländern mit hohen Ölreserven andererseits inFrage gestellt. Künftig dürften sich für die OPEC-Staatenmehrere ökonomische Herausforderungen gleichzeitigstellen:• Zunehmende Extraktion von Öl aus Nicht-OPEC-

Quellen;• Neue Entdeckungen durch kleine Produzenten;• Wachsende Produktionskapazitäten innerhalb der Mit-

gliedstaaten, insbesondere in Venezuela und Nigeria;• Nachfrageschwankungen in den Erdöl importierenden

Ländern aufgrund ökonomischer Zyklen;• Größere Konkurrenz innerhalb des Energiemarktes

durch den erwarteten größeren Einfluss der Gasliefe-rungen und -preise;

• Bessere Bohr- und Erkundungstechnologien mit derFolge sinkender operativer Preise.Wenn dadurch Nicht-OPEC-Staaten ihre Ölförderung steigern, verschärftsich die Konkurrenzsituation.

Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Einfluss derOPEC auf dem weltweiten Ölmarkt bzw. die Fähigkeit,hohe Ölpreise durchzusetzen, abnehmen wird.

Quellen: Salameh, 2000; IEA, 2001b; OPEC, 2001; Jabir,2001; Odell, 2001

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35Institutionen globaler Energiepolitik 2.7

Pakistan zum Indischen Ozean – unter der Voraus-setzung, dass die USA eine politische und militäri-sche Sicherheitsgarantie geben können. Tatsächlichhat die Weltbank kürzlich Pläne zum Bau einer Gas-pipeline von Turkmenistan nach Pakistan bekanntgegeben, die über afghanisches Territorium führensoll (Agence France Press, 2002).

Die energie- und geopolitische Strategie der USAgegenüber der „Rohstoff- und Energie-Ellipse“ lässtmehrere Ziele erkennen:• die Sicherung der Energieversorgung durch die

Diversifizierung der Quellen und Transportrou-ten;

• die Verhinderung einer politischen und militäri-schen Kontrolle der Fördergebiete und Transport-routen durch konkurrierende Großmächte (Russ-land und China), durch potenziell feindliche Staa-ten (Iran) oder auch durch lokale Warlords, diedurch terroristische Aktionen die leicht verwund-baren Transportrouten unterbrechen könnten;

• schließlich auch den Aufbau einer Position derStärke gegenüber potenziellen wirtschaftlichenKonkurrenten.

Als geostrategisch wichtige, sensible Schnittstelleamerikanischer, russischer und chinesischer Interes-sen birgt der kaukasisch-kaspische Raum erhebli-ches Potenzial für zwischenstaatliche Konflikte.China bemüht sich um Zugang zu Energiequellen inKasachstan, ein strategisches Ziel ist der Bau einerPipeline von Kasachstan nach China (Morse, 1999).Die kriegerischen Auseinandersetzungen um Tschet-schenien werden in Verbindung mit den strategi-schen Planungen Russlands für Ölpipelinesgebracht.

Zündstoff bieten auch die großen Öl- und Gas-vorkommen im Meeresboden, da die Zugangsrechteumstritten sind (Klare, 2001). So haben sich die fünfAnrainerstaaten des Kaspischen Meers noch nichtüber die Verteilung der Förderrechte einigen kön-nen. Im südchinesischen Meer streiten sich siebenStaaten über die Zugangsrechte. Ähnlich ungeklärteEigentumsrechte gelten für Offshore-Gebiete imPersischen Golf, dem Roten Meer, der Timorsee unddem Golf von Guinea.

2.7Institutionen globaler Energiepolitik

In der Vergangenheit wurde Energiepolitik vor allemals nationalstaatliche Aufgabe wahrgenommen, dieder Maxime der Versorgungssicherheit verpflichtetwar. Im letzten Jahrzehnt haben drei Faktoren anBedeutung gewonnen, die eine stärkere Inter-nationalisierung der Energiepolitik fördern:

• die Erkenntnis, dass der globale Klimaschutzinternationale Zusammenarbeit erfordert;

• die Liberalisierung des Energiesektors in wichti-gen Industrieländern, aber auch in Transforma-tions- und Entwicklungsländern, welche den Han-del mit Gütern und Dienstleistungen des Energie-sektors intensiviert;

• die Notwendigkeit des globalen Ausbaus derEnergieversorgung insbesondere in den Entwick-lungsländern, sowohl unter wirtschaftlichen undpolitischen als auch unter Klimaschutzaspekten.

Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass sichheute zahlreiche Akteure international mit Energie-politik befassen (Abb. 2.7-1).

Eine kohärente globale Energiepolitik bedarf derkoordinierten Herangehensweise und der Verknüp-fung mit verschiedenen anderen Politikbereichen(u. a. Transport, Umwelt- und Entwicklungspolitik).Dies kann international nur durch wirksame und auf-einander abgestimmte Institutionen geschehen. ImFolgenden soll ein Überblick über die bestehendenrechtlichen und institutionellen Grundlagen inter-nationaler Energiepolitik in den KernbereichenWissensbasis, Organisation und Finanzierung gege-ben werden. Dies soll aufzeigen, ob die Vorausset-zungen für eine effektive Energiepolitik auf globalerEbene bereits vorhanden sind und, falls nicht, wonoch Handlungsbedarf besteht. Der Text beschränktsich dabei auf die wichtigsten Institutionen und ihreHauptfunktionen.

2.7.1Wissensbasis

Das Spektrum wissenschaftlicher Positionen zuEnergie- und Klimapolitik ist breit; nicht selten kom-men Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen.Umso größere Bedeutung kommt daher Institutio-nen zu, die es sich zur Aufgabe machen, eine interna-tionale wissenschaftliche Bewertung zu liefern, ausder sich politikrelevante Empfehlungen ableiten las-sen. Die Erkenntnisse des Zwischenstaatlichen Aus-schusses über Klimaänderungen (IntergovernmentalPanel on Climate Change, IPCC) werden bei derEntwicklung der globalen Energiepolitik als wichtiganerkannt. Der Ausschuss wurde 1988 von der WorldMeteorological Organization (WMO) und UNEPgegründet und hat sein Sekretariat bei der WMO inGenf. Die für die Umsetzung des Energieprogrammszuständige Abteilung von UNEP arbeitet eng mitdem unabhängigen UNEP Collaborating Centre onEnergy and Environment (UCCEE) zusammen, dassowohl in Forschung und Analyse als auch bei derUnterstützung der Umsetzung nationaler und regio-naler Programmaktivitäten tätig ist.

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36 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

Das UNDP hat zur 9. Sitzung der UN-Kommis-sion für Nachhaltige Entwicklung (CSD) im Jahr2000 zusammen mit der Abteilung für Wirtschaftli-che und Soziale Angelegenheiten des Sekretariatsder Vereinten Nationen (UNDESA) und dem World

Energy Council (WEC) einen globalen Energiebe-richt erstellt, das „World Energy Assessment“. EineKernforderung des Berichts ist der Aufbau einerweltweiten Grundversorgung mit kommerziellenEnergiedienstleistungen sowie die Beratung von

Mittelgenerierungund -verteilung,Finanzdienst-leistungen

Umsetzung undManagement

Koordination

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Funktionen

Wis

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Institutionen

Informations- undTechnologietransfer

Forschung undBeratung

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

IEA (World Energy Outlook)

UNEP Collaborating Centre on Energy and Environment (UCCEE)

WEC, UNDP und UNDESA (World Energy Assessment)

Politische Zieldeklarationen (UNCED, CSD-9, WSSD usw.)

Internationale Verträge (ECT, UNFCCC, GATT, GATS usw.)

Regionale Energiebehörden (IEA, OLADE)

IAEA

UNESCO, UNDESA, UNEP, UNDP u.a.

Ad-hoc Interagency Task Force on Energy

UN Department of Economic and Social Affairs (UNDESA)

IAEA

EU

UNDP

UNEP

UNESCO

Weltbank

Sonstige: UNIDO, UNDESA, WHO, WMO, UNFPA, FAO,regionale UN-Wirtschaftskommissionen, UN Committee onEnergy and Natural Resources for Development

Private Investitionsströme (Foreign Direct Investment)

Nationale staatliche Finanzierungsmechanismen (ODA, Schulden-erlass, Exportkreditagenturen usw.)

Internationale Finanzierungsinstitutionen (GEF, Klimafonds,Weltbank, regionale Entwicklungsbanken usw.)

Climate Technology Initiative (CTI)

Abbildung 2.7-1Globale Energiepolitik heute: Die wichtigsten Institutionen und ihre Hauptfunktionen. Abkürzungen sieheAbkürzungsverzeichnis.Quelle: WBGU

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37Institutionen globaler Energiepolitik 2.7

Entwicklungsländern bei der Entwicklung undUmsetzung von Energieprojekten.

Der World Energy Outlook, regelmäßig herausge-geben von der Internationalen Energieagentur(IEA), ist weltweit die bedeutendste Quelle fürEnergiestatistiken und Analysen der Energiebran-che und zeigt die Entwicklungen in der globalenEnergieversorgung auf. Der neueste Bericht widmetsich dem Zusammenhang zwischen Energie undArmut (IEA, 2002c).

2.7.2Organisation

Für die globale Energiepolitik sind neben einem wis-senschaftlichen Unterbau auch Institutionen not-wendig, die Ziele vorgeben, Maßnahmen festlegenund diese umsetzen. Eine besondere Bedeutungkommt hier politischen Zieldeklarationen, interna-tionalen Verträgen und der Arbeit relevanter UN-Organisationen zu.

2.7.2.1Politische Zieldeklarationen

Nicht nur die Problembeschreibung durch die Wis-senschaft, sondern auch die Problembearbeitung imRahmen internationaler Konferenzen, Deklaratio-nen und Verträge hat in den letzten JahrzehntenFortschritte gemacht.

Auf der Konferenz über Umwelt und Entwicklung(UNCED) von Rio de Janeiro 1992 hat sich die Völ-kergemeinschaft in der Agenda 21 und in der Rio-Deklaration erstmals umfassende und ehrgeizigeZiele für den zeitgleichen Ausbau von menschlicherEntwicklung und Umweltschutz gesetzt. Die Agenda21 widmet zwar keines ihrer 40 Kapitel explizit denThemen Energie oder Verkehr. Energie taucht aberals Teilabschnitt in Kapitel 9 (Schutz der Erdatmo-sphäre) und Kapitel 14 (Förderung einer nachhalti-gen Landwirtschaft und ländlichen Entwicklung)auf; der Verkehr wird in Kapitel 7 (Förderung einernachhaltigen Siedlungsentwicklung) und ebenfalls inKapitel 9 erwähnt.

Die 19. Sondersitzung der Vereinten Nationen inNew York hat fünf Jahre nach der UNCED einenbesonderen Bedarf für die Unterstützung der Ent-wicklungsländer beim Aufbau einer nachhaltigenEnergieversorgung u. a. durch Technologietransferund Entwicklungszusammenarbeit festgestellt. Eswurde dringend empfohlen, externe Umweltkostenin die Preisstruktur einzubeziehen sowie Subventio-nen für nicht nachhaltige Energieträger abzubauen.Ebenso wurde ein erheblicher Bedarf gesehen, die

Aktivitäten zum Thema Energie innerhalb der Ver-einten Nationen besser zu koordinieren (UN, 1997).

Die UN-Kommission für Nachhaltige Entwick-lung (CSD) hat im April 2001 unter dem Titel„Energy for Sustainable Development“ Empfehlun-gen für die globale Energiepolitik verabschiedet.Diese behandeln den Zugang zu Energie, die Ener-gieeffizienz, erneuerbare Energien, fortschrittlicheTechnologien für fossile Energieträger, Kernkraft,die ländliche Energieversorgung sowie den Verkehr.Als übergreifende Maßnahmen werden vor allemForschung und Entwicklung, Kapazitätsaufbau,Technologietransfer, Zugang zu Informationen,Mobilisierung finanzieller Ressourcen, die Beseiti-gung von Marktverzerrungen sowie die Einbezie-hung Betroffener genannt (UN-ECOSOC, 2001).

Auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung(World Summit on Sustainable Development,WSSD) im Jahr 2002 wurde Energie erstmals zueinem eigenständigen Thema erhoben, der Schwer-punkt lag dabei auf erneuerbaren Energien, demZugang zu Energie, der Organisation der Energie-märkte und der Energieeffizienz. Die Bilanz fälltaber ernüchternd aus: Aufgrund der Blockadehal-tung der USA, Australiens und der OPEC-Staatengelang es nicht, das Ziel für den Anteil erneuerbarerEnergien auf mindestens 15% bis 2010 festzuschrei-ben. Auch andere Ziele wie z. B. Marktverzerrungenaufzuheben oder die Forschung und Entwicklungvon Energieeffizienz zu stärken, sind weder mitErfolgsindikatoren oder Zeitrahmen versehen, nochrechtlich bindend. Zahlreiche so genannte „Typ-2-Initiativen“ wurden aber verabschiedet, in denenStaaten und Unternehmen unter Einbindung vonNRO kooperieren. So kündigte die EU an, in einerKoalition aus gleich gesinnten Staaten und Regionenquantifizierbare, zeitgebundene Ziele beim Ausbauerneuerbarer Energien festlegen zu wollen, sowie700 Mio. Euro aufzubringen, um den Zugang zu ver-lässlicher, günstiger Energie in Entwicklungsländernzu verbessern. UNEP lancierte das Global Networkon Energy for Sustainable Development zur Verbrei-tung „sauberer“ Energietechnologien in Entwick-lungsländern. Der deutsche Bundeskanzler hat zueiner Weltkonferenz für Erneuerbare Energien nachDeutschland eingeladen, die 2004 in Bonn stattfin-den soll.

2.7.2.2Internationale Verträge

Von den zahlreichen Verträgen, die sich mit Aspek-ten internationaler Energiepolitik befassen, sollenhier nur die wichtigsten Abkommen behandelt wer-den: Der Energie-Charta-Vertrag, die WTO/GATT-

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38 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

Regelwerke und die Klimarahmenkonvention mit-samt dem Kioto-Protokoll.

Energie-Charta-VertragDer Energie-Charta-Vertrag (Energy Charter Tre-aty, ECT) ist der bedeutendste internationale Ver-trag zwischen Industrieländern, der sich explizit mitFragen grenzüberschreitender Energiepolitikbeschäftigt. Das aus der Europäischen EnergieCharta von 1991 hervorgegangene Übereinkommentrat 1998 in Kraft. 46 Staaten, überwiegend ausEuropa und Zentralasien, haben das Abkommenratifiziert (Stand 11.09.2002). Einige wichtige Signa-tarstaaten haben bisher allerdings noch nicht ratifi-ziert (Russland, Japan, Norwegen und Australien),andere Staaten wie die USA und Kanada sind nichtbeigetreten.

Ziel des ECT ist die Förderung des Wirtschafts-wachstums durch Liberalisierung von Investitionenund Handel. Dazu werden die GATT-Bestimmungenauf den Energiesektor ausgeweitet. Für Auslandsin-vestitionen und Energietransport wurden Mindest-standards vereinbart. Beide Bereiche sollen, wieauch die Frage des Transits von Energiegütern, inZukunft verbindlicher ausgestaltet werden (EnergyCharter Secretariat, 2000).

Umweltaspekte von Energiepolitik sind allgemeingehalten und als Empfehlungen u. a. in den Berei-chen Energieeffizienz, externe Kosten, saubere Tech-nologien, Kooperation bei Umweltstandards enthal-ten. Sie werden in einem zusätzlichen Umweltproto-koll vertieft, allerdings ohne Rechtsverbindlichkeit(Protokoll zur Energie Charta über Energieeffizienzund verwandte Umweltaspekte – PEEREA).

GATT- und WTO-RegelwerkeLange Zeit waren die Vertragsstaaten der Welthan-delsorganisation bei der Einbeziehung von Energie-trägern in das GATT-Regelwerk zurückhaltend,obwohl diese prinzipiell von den Regelungen erfasstwurden. Dies war zum einen auf die Sonderrolle desEnergiesektors in Bezug auf die nationale Versor-gungssicherheit zurückzuführen, zum anderen aufdie fehlende WTO-Mitgliedschaft der OPEC-Staa-ten, wie auch auf die nationale Regulierung desEnergiesektors, insbesondere die staatlichenEnergieversorgungsmonopole. Speziell für denStromsektor kommt hinzu, dass der internationaleHandel von Strom in Gründungszeiten des GATTnicht angedacht war, und auch heute üblicherweisenicht als Ware, sondern allenfalls als Dienstleistunggilt, auf die das GATT keine Anwendung findet. Erstmit Abschluss der Uruguay-Runde 1994 wurde eineReihe von Energieträgern, insbesondere Kohle, Gasund Erdöl sowie teilweise auch Strom, von den Mit-gliedstaaten stärker in die Welthandelsordnung ein-

bezogen. Dies ist u. a. mit dem Beitritt verschiedenerOPEC-Staaten zur Welthandelsorganisation und derzunehmenden Liberalisierung der Energieversor-gungsmärkte zu erklären. Wesentliche Zollreduzie-rungen für Rohöl, Ölprodukte und andere Energie-träger konnten dabei jedoch nicht erreicht werden,wohl aber Handelserleichterungen für petrochemi-sche Produkte wie Plastik (UNCTAD, 2000).

Strom und energienahe Dienstleistungen werdenbisher kaum vom GATT-Abkommen erfasst. Diemonopolartige Sonderstellung der vertikal hochintegrierten und zumeist staatlichen Energieversor-gungsbranche hat den Handel nicht nur weitgehendverhindert, sondern erklärt auch die Zurückhaltungder Staaten bei Marktöffnungszugeständnissen(WTO, 1998). Die neuesten Verhandlungsvorschlägelassen jedoch erwarten, dass der Marktzugang fürEnergiedienstleistungen zukünftig umfassend er-leichtert wird (WTO, 2001).

Das WTO-Sekretariat sieht die Subventionierungder Bereitstellung von Energie und des Energieein-satzes als wichtigste Barriere für eine Liberalisierungdes Energiehandels an. Mit der vollständigen Einbe-ziehung in das WTO-Regelwerk und der stringentenAnwendung des WTO-Subventionsabkommenswürde zur Reduzierung von Subventionen beigetra-gen und damit zugleich ein wichtiger Beitrag zumKlimaschutz geleistet. Laut WTO könnten durch denAbbau aller Subventionen bis 2010 – bei einer ange-messenen umweltpolitischen Flankierung – weltweitca. 6% der CO2-Emissionen vermieden werden(WTO, 2001). Aus umweltpolitischer Perspektive istallerdings unbefriedigend, dass die volle Integrationder Energiebranche in die WTO den Spielraum fürSubventionen und andere Maßnahmen zur Förde-rung umweltschonender Technologien einengenwürde.

Die energiepolitische Relevanz der WTO-Abkommen geht über die Frage der Anwendbarkeitihrer Regeln auf den Handel mit Energie, Ölproduk-ten und energienahen Dienstleistungen hinaus:Neben den Wirkungen ökonomischer Globalisierungauf Energieangebot und -nachfrage (Kap. 2.1.6) sinddies zum einen die Auswirkungen des Übereinkom-mens über handelsbezogene Aspekte der Rechte desgeistigen Eigentums (Trade-Related Aspects ofIntellectual Property Rights,TRIPS) zum Schutz gei-stigen Eigentums und zum anderen das potenziellkonfliktträchtige Verhältnis zwischen den flexiblenMechanismen des Kioto-Protokolls und dem Regel-werk der WTO (Greiner et al., 2001; Kasten 5.3-2).

Klimarahmenkonvention und Kioto-ProtokollDie Klimarahmenkonvention der Vereinten Natio-nen (UNFCCC) legt Ziele und Prinzipien sowie

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39Institutionen globaler Energiepolitik 2.7

Organe und Prozess der internationalen Klima-schutzpolitik fest. Sie trat 1994 in Kraft und wurdevon 184 Staaten der Welt ratifiziert, einschließlichaller großen Industrie- und Entwicklungsländer.

Klimaschutzpolitik bedeutet vor allem eine drasti-sche Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen.Dies ist nur mit einem weit reichenden Umbau derglobalen Energiesysteme zu erreichen (Kap. 4). Inso-fern kommt der UNFCCC eine Schlüsselfunktion fürdie internationale Energiepolitik zu: Sie ist die trei-bende Kraft und das bedeutendste weltweite Forumvon Staaten, in dem die Schnittstelle von Umwelt-und Energiepolitik diskutiert und maßgebliche Ent-scheidungen getroffen werden.

Das Kioto-Protokoll der UN-Klimarahmenkon-vention wurde 1997 von mehr als 160 Nationen ange-nommen. Das Protokoll setzt konkrete Minderungs-pflichten für eine klar definierte Gruppe von Treib-hausgasen fest. Es verpflichtet die Industrienationenzu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen uminsgesamt mindestens 5% bis zu den Jahren 2008–2012 gegenüber 1990. Die Anlage I des Protokollslegt für jedes Industrieland ein genaues Reduktions-ziel fest (EU -8%, USA -7%, Japan -6%, Australien+8%, Russland 0%). Die Entwicklungsländer ver-weisen darauf, dass die Hauptverursacher des Klima-wandels (d. h. die Industrieländer) vorangehen sol-len, und sind bisher keine quantifizierten Reduk-tionsverpflichtungen eingegangen.

Das Protokoll erlaubt den Industrieländern beider Umsetzung eine gewisse Flexibilität. Ein Indus-trieland, das sein Reduktionsziel übererfüllt, z. B.weil dort die Emissionsreduktion zu geringen Kostenmöglich ist, kann seine überschüssigen Reduktions-anteile über den Emissionshandel an ein anderesLand verkaufen, das seine Verpflichtungen nurschwer einhalten kann. Das Industrieland kann aberauch direkt ein Projekt in einem anderen Industrie-land durchführen, etwa die Modernisierung einesalten Kraftwerkes, und sich die dabei vermindertenEmissionen von Treibhausgasen gutschreiben (JointImplementation, JI). Emissionsminderungen könnenaber auch unter bestimmten Auflagen und Regelnvon Industrieländern in Entwicklungsländern vorge-nommen werden (Clean Development Mechanism,CDM).

Die Vorgaben des Kioto-Protokolls mussten beiweiteren Vertragsstaatenkonferenzen konkretisiertwerden. Erst bei der 7.Vertragstaatenkonferenz 2001gelang es, in Ergänzung der Bonner Vereinbarungenvon 2000, den Weg für das rasche In-Kraft-Treten desKioto-Protokolls zu ebnen. Dies erfordert die Ratifi-kation von so vielen Vertragsstaaten, dass zusammenmindestens 55% der CO2-Emissionen von 1990erfasst werden. Daher ist das In-Kraft-Treten auchohne die USA und Australien möglich, die mittler-

weile das Protokoll ablehnen. Der Vertrag wird vor-aussichtlich 2003 mit der angekündigten Ratifizie-rung durch die Russische Föderation wirksam.

Das Kioto-Protokoll ermöglicht den Vertragsstaa-ten, sich Senken durch Aufforstung, Wiederauffor-stung und Entwaldung (afforestation, reforestation,deforestation – ARD) und andere forst- und land-wirtschaftliche Maßnahmen anrechnen zu lassen.Für den ersten Anrechnungszeitraum des Kioto-Pro-tokolls (2008–2012) werden für die Staaten mitReduktionsverpflichtungen Emissionen von 14 MtKohlenstoff aus ARD erwartet (Tab. 2.7-1; Schulze etal., 2002), die aber durch die Anrechenbarkeit vonetwa 70 Mt Kohlenstoff durch land- und forstwirt-schaftliches Management mehr als ausgeglichen wer-den. Die Dauerhaftigkeit der Bindung von Kohlen-stoff in den Böden nachwachsender Wälder bedarfallerdings einer genaueren Untersuchung. EinigeStudien deuten darauf hin, dass eine Kohlenstoff-speicherung vorwiegend in der organischen Auflageund im Oberboden erfolgt (Thuille et al., 2000).Unklar bleibt aber, ob eine Speicherung in Form sta-biler Humusverbindungen in tieferen Bodenschich-ten erfolgt, die auch in einem veränderten Klimaerhalten bleibt (Kap. 3.6).

Faktisch hat sich das Kioto-Protokoll schon unra-tifiziert auf die internationale Energiepolitik ausge-wirkt. Die EU hat ein Klimaschutzprogramm verab-schiedet, in dem Energieeffizienz, erneuerbare Ener-gien, Nachfragesteuerung („demand side manage-ment“) und auch der Energieeinsatz im Verkehreuropaweit geregelt werden. Viele Industrieländererstellen Klimaschutzprogramme und setzen sie um,was teilweise bereits zu einer stärkeren Gewichtungerneuerbarer Energien in der Energiepolitik geführthat. Mit dem CDM hat die Klimaschutzpolitik einTransferinstrument entwickelt, mit dem moderneTechnologien der Industrieländer wirkungsvoll inEntwicklungsländern verbreitet werden können.

Auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz wurden dieDurchführungsregeln des CDM weit gehend festge-legt, so dass mittlerweile die ersten CDM-Projekteangemeldet sind. Die Regeln sehen u.a. eine Vor-rangsregelung für bestimmte Kategorien kleinerCDM-Projekte vor. Es ist schwierig vorauszusagen,wie groß die Rolle des CDM als Motor des Kapital-transfers für saubere Energie von den Industrie- indie Entwicklungsländer sein wird. Dies liegt zumeinen daran, dass unklar ist, welchen Anteil ihrerReduktionsverpflichtung die Industrieländer überden CDM erfüllen werden. So könnte beispielsweiseallein die von Russland wegen der wirtschaftlichenRezession nicht benötigten Emissionsrechte reichen,um die Reduktionsverpflichtungen aller OECD-Länder abzüglich der USA zu decken (Jotzo undMichaelowa, 2002). In diesem Fall würde der CDM

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40 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

kaum eine Rolle spielen. Zum anderen ist unklar, wiesich der CDM in Senken- und Energieprojekte auf-teilen wird. Die Beschlüsse von Marrakesch lassenSenkenprojekte im Umfang von 1% der 1990erEmissionen des Investorlandes zu.Weil sich nach der8. Vertragsstaatenkonferenz andeutet, dass Senken-projekte wegen ihrer mangelnden Dauerhaftigkeitunattraktiver werden könnten als gemeinhin wegenihrer geringen Kosten vermutet, ist es unsicher, wieviel in nachhaltige CDM-Energieprojekte investiertwerden wird. Einfache Schätzungen halten es fürmöglich, dass etwa ein Drittel aller Reduktionsver-pflichtungen über den CDM erfüllt werden. Davonkönnten etwa zwei Drittel Energieprojekte sein. Miteinem möglichen Volumen von etwa 100 Mt C proJahr und einem geschätzten Preis von rund 1 US-$pro t C könnte das gesamte Investitionsvolumendurch den CDM dann jährlich etwa 1–2 Mrd. US-$betragen (Jotzo und Michaelowa, 2002).

Ob der positive Einfluss der internationalen Kli-mapolitik auf die Energiepolitik weiter anhaltenwird und zum Schrittmacher der Veränderung ausge-baut werden kann, hängt stark vom Verlauf der Kli-maverhandlungen der nächsten Jahre ab. Hier gehtes insbesondere darum, die Ziele für die Industrie-länder angemessen zu verschärfen und die Entwick-lungsländer in einer Weise zu beteiligen, die ihnenRaum für Entwicklung lässt, sie aber dabei frühzeitigauf einen energiepolitisch nachhaltigen Pfad lenkt.

2.7.2.3Operative und koordinierende Tätigkeiteninternationaler Organisationen

UN-Organisationen Auf operativer Ebene sind unter anderem UNEP,UNESCO und UNDP an konkreten Energieprojek-ten, z. B. zur Förderung erneuerbarer Energien undzur Effizienzsteigerung, beteiligt.

Die Aktivitäten des UNEP zielen auf eine stär-kere Nutzung erneuerbarer Energien und die Ver-besserung der Effizienz bestehender Energiesys-teme. Auf politischer Ebene strebt UNEP eine ver-besserte Integration von Umweltaspekten in dieEnergiepolitik sowie die Verbesserung der Analyseund Planung im Energiesektor an.

Mit seinem Energy and Atmosphere Programmeverfolgt UNDP eine integrierte Entwicklungsstrate-gie, in der vielfältige soziale, wirtschaftliche und öko-logische Aspekte des Energiesektors Berücksichti-gung finden sollen. Das Programm hat die Aufgabe,nachhaltige Energiepolitik zu förden und die Umset-zung der UNDP-Energieprogramme voranzutrei-ben.

Mit dem bei der UNESCO angesiedelten WorldSolar Programme 1996–2005 soll der Einsatz erneu-erbarer Energien insbesondere in ländlichen Berei-chen, die bisher keinen Zugang zu Elektrizitäthaben, durch koordinierte Anstrengungen auf natio-naler, regionaler und internationaler Ebene geför-dert werden. Daneben finanziert UNESCO einzelneProjekte, unterstützt Entwicklungsländer bei derErschließung von Finanzierungsquellen und berätStaaten bei der Entwicklung rechtlicher Rahmenbe-dingungen, die die Nutzung erneuerbarer Energienfördern und die Verbreitung der relevanten Techno-logien unterstützen. Durch die Programme GREET(Global Renewable Energy Education and Training)und IREICS (International Renewable EnergyInformation and Communication System) wird dieUNESCO in Zukunft einen stärkeren Schwerpunktauf Informations- und Trainingsaufgaben legen(UNESCO, 2001; UN-Ad Hoc Inter-Agency TaskForce on Energy, 2001).

Zu den weiteren internationalen Organisationen,die im Bereich nachhaltiger Energiepolitik tätig sind,gehören die regionalen UN-Wirtschaftskommissio-nen, das UN Committee on Energy and NaturalResources for Development, die United Nations

Land/Ländergruppe Senken gemäß Art. 3.3 (ARD)[Mio. t C]

Senken gemäß Art. 3.4(Forstmanagement)[Mio. t C]

Berichte der Nationen

AnrechenbareSenken

EU (15) -1 39 5Russische Föderation -8 117 33USA -7 288 0Kanada, Island, Japan,Australien, Neuseeland 3 25 26

Osteuropa, Schweiz,Liechtenstein, Monaco, Island 0 31 5

Ukraine 0 7 1

Alle Annex B-Staaten -13 507 70

Tabelle 2.7-1Senkenpotenziale einzelnerLänder(gruppen) durchAufforstung undWiederbewaldung (Art. 3.3des Kioto-Protokolls) undForstmanagement (Art. 3.4).Negative Werte bedeuteneine C-Quelle, positive eineSenke.Quelle: Schulze et al., 2002

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41Institutionen globaler Energiepolitik 2.7

Industrial Development Organisation (UNIDO), dieWorld Health Organization (WHO), die WorldMeteorological Organization (WMO), der UnitedNations Fund for Population Activities (UNFPA),sowie die Food and Agriculture Organization (FAO) sowie die International Atomic Energy Agency(IAEA).

Diese große Anzahl von Organisationen inner-halb der Vereinten Nationen mit Teilaufgaben in derglobalen Energiepolitik braucht verbesserte Kom-munikation und Koordination. Deshalb wurde 1997die Ad Hoc Inter-Agency Task Force on Energy ein-gesetzt, die zusätzlich die Aufgabe hat, Fallstudiensowie eine Übersicht über die Tätigkeiten der ver-schiedenen UN-Organisationen im Bereich nachhal-tige Energieversorgung zu erstellen.

Die Abteilung für Wirtschaftliche und SozialeAngelegenheiten des UN Sekretariats (UnitedNations Department of Economic and Social Affairs,UNDESA) koordiniert die Energiepolitik mit ande-ren Politikfeldern der Vereinten Nationen.UNDESA unterstützt gleichzeitig die Arbeit derUN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung(CSD). Ebenso fördert UNDESA die Umsetzungeiner nachhaltigen Energiepolitik in Entwicklungs-ländern, z. B. durch ein Programm zur technischenKooperation, das u. a. von UNDP, GEF und der Welt-bank finanziert wird.

Die IAEA spielt eine besondere Rolle, da sie sichausschließlich mit Kernenergie befasst. Struktur undStatut dieser 1957 gegründeten unabhängigen UN-Organisation sind auf die Förderung und Überwa-chung der zivilen Nutzung der Kernenergie ausge-richtet. Die politische Lobbyarbeit der etabliertenOrganisation (Jahresbudget insgesamt etwa 300 Mio.US-$; ca. 2.200 Mitarbeiter) zielt traditionell auf dieStärkung der Kernenergienutzung ab.

Der Wissenstransfer wird u. a. durch die ClimateTechnology Initiative (CTI) unterstützt, die vorallem Transformationsländern in Osteuropa, denSchwellenländern in Asien und den Entwicklungs-ländern in Afrika Wissen über Klimaschutz-technologien vermittelt und Kapazitätsaufbaubetreibt. Die Initiative wurde auf der erstenUNFCCC-Vertragstaatenkonferenz in Berlin 1995von 23 IEA/OECD-Ländern und der EuropäischenKommission ins Leben gerufen.

Europäische UnionEine eigenständige Gemeinschaftszuständigkeit fürEnergiepolitik besteht in der EU nicht, die recht-lichen Rahmenbedingungen für Energiepolitik undEnergiewirtschaft beruhen bisher auf den Binnen-marktregelungen, dem Wettbewerbsrecht und Bei-hilfenkontrollen sowie Umweltschutzvorgaben.Allerdings treffen sich die Energieminister im EU-

Energierat, stimmen die nationalen Energiepolitikenab und erörtern die von der Kommission vorgeschla-genen Gemeinschaftsmaßnahmen. Diese sind auf dieZiele ausgerichtet, die von der EU für Energiepolitikdefiniert werden: Wettbewerbsfähigkeit, Versor-gungssicherheit und Umweltschutz. VorrangigesThema des Energierates ist die Liberalisierung derStrom- und Gasmärkte in der EU zur Schaffungeines Binnenmarktes für leitungsgebundene Ener-gien. Weitere wichtige Themen sind beispielsweiseMaßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienzund die Förderung erneuerbarer Energien.

Vorstöße der Kommission zur EU-weiten Harmo-nisierung der Energiepolitiken sind bisher an denWiderständen der Mitgliedstaaten gescheitert. UmWettbewerbsnachteile ihrer Energiewirtschaften ineinem hart umkämpften Markt zu vermeiden, wer-den sich die Mitgliedstaaten aber voraussichtlichbald dazu veranlasst sehen.

In den Außenbeziehungen der EU nimmt dieEnergiepolitik heute einen breiten Raum ein: durchFörderprogramme, die Kreditvergaben der Europäi-schen Investitionsbank und der Europäischen Bankfür Wiederaufbau und Entwicklung sowie politischeVerträge trägt die EU etwa zur Sicherheit kerntech-nischer Anlagen in Mittel- und Osteuropa bei oderunterstützt beispielsweise eine umweltgerechteEnergiewirtschaft in den Mittelmeer-Anrainerstaa-ten.

2.7.3Finanzierungsstrukturen

Globale Umweltfazilität (GEF) Die GEF (Global Environmental Facility) soll alsFinanzierungsinstrument sechs wichtige Herausfor-derungen des Globalen Wandels bewältigen helfen:Klimaschutz, Erhalt der biologischen Vielfalt, Schutzder Ozonschicht, Zugang zu sauberem Wasser, Redu-zierung persistenter organischer Schadstoffe undSchutz der Böden in Trockengebieten. Die GEFdient als Finanzierungsmechanismus der Klimarah-men- und der Biodiversitätskonvention. Die Deserti-fikationskonvention hatte seit 1996 zur GEF über dieVerknüpfung mit Klimaschutz bzw. den Erhalt derbiologischen Vielfalt zunächst nur indirektenZugang, ab 2003 aber auch direkt. Institutionell wirddie GEF von Weltbank, UNDP und UNEP getragen.Nach Abschluss einer dreijährigen Pilotphase stell-ten 1994 die Geberregierungen, überwiegend ausden Industrieländern, zunächst 2 Mrd. US-$ für denFonds bereit, für die 2. Phase (1998–2002) noch ein-mal den gleichen Betrag, für die 3. Phase (2003–2006) wurde eine Auffüllung von 2,92 Mrd. US-$erreicht. Die GEF ist die wichtigste Einrichtung für

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42 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

die Finanzierung von Projekten zur Verbesserungder Energieeffizienz und Förderung erneuerbarerEnergien für Entwicklungsländer. Bis Ende 2000sind nahezu 570 Mio. US-$ aus Mitteln der GEF unddurch Kofinanzierung 2,5 Mrd. US-$ von anderenInstitutionen für 48 Projekte im Bereich erneuerba-rer Energien in 47 Staaten geflossen. Darüber hinausfördert die GEF zahlreiche Projekte zur Energieeffi-zienz. Mit diesen Mitteln sollen in erster Linie Pilot-projekte gefördert werden, welche die Chancen desEinsatzes erneuerbarer Energien oder energieeffi-zienter Technologien demonstrieren. Bei ihrerUmsetzung wird besonderer Wert auf die beglei-tende Ausbildung des Personals vor Ort sowie denAufbau der notwendigen Institutionen gelegt, um dieweitere Verbreitung der eingesetzten Technologienzu fördern. Daher unterstützt die GEF bei der Ent-wicklung und Umsetzung der Projekte auch gezieltdie Einbeziehung des privaten Sektors (GEF, 2000;UN-Ad Hoc Inter-Agency Task Force on Energy,2001).

Kioto-FondsDa das Finanzvolumen der GEF für die Etablierungeiner nachhaltigen globalen Energieversorgung beiweitem zu gering ist, wurden im Rahmen der Ver-handlungen zum Kioto-Protokoll der UNFCCC dieso genannten Kioto-Fonds ins Leben gerufen: derSpecial Climate Change Fund und der Least Develo-ped Countries Fund sollen die Entwicklungsländerbei Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandelunterstützen, den Technologietransfer von Nordnach Süd fördern und den Entwicklungsländern, dievom Export fossiler Energieträger abhängig sind,einen wirtschaftlichen Strukturwandel erleichtern.

Der dem Kioto-Protokoll zugeordnete Anpas-sungsfonds (Adaption Fund) soll Entwicklungslän-der unterstützen, die unter Folgen des Klimawandelsleiden. Dieser Fonds wird aus einer Abgabe finan-ziert, die bei der Anwendung des Clean Develop-ment Mechanism erhoben wird. Unter der Voraus-setzung, dass der CDM in der Praxis funktioniert,könnte er einen wichtigen Finanzierungsmechanis-mus darstellen.

Allerdings sollte man sich bezüglich der finanziel-len Ausstattung dieser Fonds durch öffentliche Mittelund ihrer Wirksamkeit für den Umbau der Energie-systeme keiner Illusion hingeben. Bei allen Fondswerden eher Anpassungsmaßnahmen als Emissions-minderungsmaßnahmen und Technologietransfer imMittelpunkt stehen. Die EU und einige weitere Staa-ten erklärten auf der Bonner Klimakonferenz von2001, ab 2005 jährlich insgesamt 410 Mio. US-$ indiese Fonds einzuzahlen oder bilateral für die genan-nten Zwecke zur Verfügung zu stellen. Für denAnpassungsfonds und den Special Climate Change

Fund sind bis Anfang 2003 noch keine Auffüllungs-verhandlungen geführt worden. Nur zum LeastDeveloped Country Fund gibt es erste Ankündigun-gen der entwickelten Länder, die vermuten lassen,dass dieser Fond auf ein Volumen von mehreren 10Mio. € jährlich hinauslaufen wird (BMZ, persönl.Mitteilung).

WeltbankNeben der GEF ist die Weltbank der bedeutendsteenergiepolitische Akteur im Finanzierungsbereich,vor allem für Entwicklungsländer. Der Energiesek-tor war seit Gründung der Weltbank einer der wich-tigsten Bereiche der Kreditvergabe, auf den langeZeit bis zu 25% des gesamten Kreditvolumens derWeltbank entfielen. Das Kreditvolumen für Energie-projekte in den Bereichen Elektrizität, fossile Ener-gieträger und Bergbau hat sich jedoch von 1998 bis2001 nahezu halbiert, verbunden mit einem Rück-gang der Zahl der Projekte von etwa 160 auf 110.AlsGrund wird u. a. angegeben: der Ersatz von Welt-bankkrediten durch Privatinvestitionen, die Über-nahme von Krediten durch regionale Entwicklungs-banken sowie die Zurückhaltung von Ländern beider Reform ihres Energiesektors aufgrund der damitverbundenen Risiken (World Bank, 1993, 2001b).

Als Reaktion auf diese Entwicklung versuchte dieWeltbank insbesondere in den 1980er Jahren, stärke-ren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Energie-versorgungsunternehmen zu bekommen. Insgesamtkonnte sie das weitere Absinken des Kreditanteilsfür den Energiesektor in dieser Zeit nicht verhin-dern, obwohl das laufende Kreditvolumen für denEnergiesektor zu Beginn der 1990er Jahre nochimmer bei ca. 40 Mrd. US-$ oder 15% des Gesamt-volumens aller Kredite lag. Die Finanzierung desEnergiesektors durch die Weltbank nahm im Lauf

Region Kraft-werke[Mrd. US-$]

Öl-/Gas-förderung[Mrd. US-$]

Afrika südlich der Sahara 1,92 0,68Ostasien/Pazifik 10,29 0,93Europa/Zentralasien 3,69 1,94Lateinamerika/Karibik 2,01 0,55Naher Osten 0,71 0,28Südasien 5,67 1,04Summe für den Sektor 24,29 5,42

Tabelle 2.7-2Kredite der Internationalen Bank für Wiederaufbau undEntwicklung (IBRD) und der Internationalen Entwicklungs-organisation (IDA), die zur Weltbank gehören, fürKraftwerke und Öl-/Gas-Förderung in den Geschäftsjahren1990–2001. Anteil am gesamten Kreditvolumen von IBRDund IDA: Kraftwerke 9,2%; Öl-/Gasförderung 2,1%.Quelle: World Bank, 2002b

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43Institutionen globaler Energiepolitik 2.7

der 1990er Jahre und vor allem nach der Asienkrise1997 weiter ab, im Jahr 2001 auf ca. 12 Mrd. US-$oder ca. 6% des Kreditvolumens (Tab. 2.7-2).

Die Weltbank strebt für die nächsten 10 Jahre fol-gende weltweite energiepolitische Ziele an:• Steigerung des Anteils der Haushalte mit Zugang

zu moderner Energie von 65% auf 75%;• Erhöhung des Anteils der Städte mit gesundheit-

lich unbedenklicher Luftqualität von 15% auf30%;

• Zudem soll in den nächsten 10 Jahren der Anteilder Entwicklungsländer, in denen industrielleAbnehmer unter mehreren Stromversorgern aus-wählen können, von 15% auf 40% steigen, und derAnteil derjenigen Staaten, in denen die Energie-wirtschaft keine Belastung des Staatshaushaltsdarstellt, von 34% auf 50% erhöht werden (WorldBank, 2001b).

Auch wenn die Konkretisierung der Ziele der Welt-bank (Tab. 2.7-3) anhand der genannten Indikatorenbegrüßenswert ist, bleibt angesichts der bisherigen

Bilanz offen, mit welchen Instrumenten die genann-ten Ziele erreicht werden sollen. Die rückläufigeNachfrage nach Krediten der Weltbank im Energie-sektor deutet darauf hin, dass in den meisten Ent-wicklungsländern noch immer erhebliche politischeVorbehalte gegen eine Restrukturierung oder garPrivatisierung des Energiesektors bestehen. Daherwird der Erfolg der Weltbank auch weiterhin von derin den Entwicklungsländern verfolgten Energiepoli-tik abhängen.

Entwicklungszusammenarbeit und privateDirektinvestitionenDas international vereinbarte Ziel, 0,7% des BIP fürEntwicklungszusammenarbeit (Official Develop-ment Assistance, ODA) aufzuwenden, ist weder inDeutschland (0,27%), noch in der EU (<0,3%), nochin den USA (0,1%) erreicht.Von der gesamten ODAkamen 2000 nur 7,9% bzw. 3,76 Mrd. US-$ Infras-trukturprojekten im Energiesektor zugute (OECD,2001). Im Gegensatz zu den zurückgehenden öffent-

Tabelle 2.7-3Änderungen der Weltbankpolitik im Energiesektor (Auswahl). Die International Finance Corporation (IFC) ist Teil derWeltbankgruppe und die weltweit größte Kreditquelle für Projekte im Privatsektor von Entwicklungsländern.Quelle: World Bank, 2001b

Ehemalige Prioritäten Prioritäten aus jüngerer Zeit Neue Prioritäten

ÄNDERUNG DER PRIORITÄTEN DER INTERNATIONAL FINANCE CORPORATION

Finanzierung großer Kraftwerke, die unter garantierten Preisen an ein staatliches Monopol verkaufen

Hinwendung zu Reformen einzelnerSektoren, Umweltschutz und Zugangzu Energie

Unterstützung von Reformen im Ener-giesektor und Förderung von Wettbe-werb

Verbesserung des Umweltschutzes beider Energiebereitstellung

Versorgung der Menschen ohne Zugangzu Energie

ÄNDERUNG DER PRIORITÄTEN IN DER FÖRDERUNG DER ÖL- UND GASWIRTSCHAFT

1970er Jahre: Unterstützung öffentlicherInvestitionen

1980er Jahre: Reformen in einzelnenSektoren, Liberalisierung, Verbesserungder Rahmenbedingungen für privateInvestitionen sowie aktive Förderungvon Privatinvestitionen

1990er Jahre: Reformen im Öl- und Gas-sektor von Transformationsländern

Stärkere Integration der Aktivitäten in– Umweltschutz (saubere Brennstoffe,

Gas)– Soziale Verankerung (best practice,

Partnerschaften)– Weitere Reformen

(Privatisierung, mehr Wettbewerb)– Governance (Steuerverwaltung,

Transparenz)– Finanzierung ausgewählter Sektoren

der Privatwirtschaft

ÄNDERUNG DER PRIORITÄTEN IN DER FÖRDERUNG DES BERGBAUS

Bis 1990: Investitionshilfen und techni-sche Unterstützung für Kredite zur Ent-wicklung des Bergbauwesens

1991–2000: Förderung besserer Rahmen-bedingungen für private Investitionen imBergbau

Privatisierung, Restrukturierung undSchließung von Minen (Polen,Rumänien, Russland, Ukraine)

Nachhaltiger Bergbau

Regionale/lokale Entwicklung durch Privatinvestitionen im Bergbau

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lichen Beiträgen zur Finanzierung der Entwicklungs-zusammenarbeit haben sich private Investoren inden 1990er Jahren vermehrt im Energiesektor enga-giert. Mehr als 600 Elektrizitätsprojekte mit privaterBeteiligung und einem Gesamtinvestitionswert von160 Mrd. US-$ wurden in den 1990er Jahren in über70 Entwicklungs- und Schwellenländern durchge-führt (Abb. 2.7-2). Investitionen in Energieprojektemit privater Beteiligung erreichten 1997 ihren (vor-läufigen) Höhepunkt, waren danach aufgrund derAsienkrise und negativer Entwicklungen in Latein-amerika jedoch rückläufig.

ExportkreditagenturenIn den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern, insbesondere bei Investi-tionsgütern, spielen die Exportkreditagenturen(Export Credit and Investment Insurance Agencies,ECAs) der OECD-Länder eine wichtige Rolle. Auf-trag dieser zumeist staatlichen Institutionen ist dieStärkung der einheimischen Wirtschaft auf ausländi-schen Märkten. ECAs sichern Ausfuhren in risikorei-che Länder und ausländische Direktinvestitionendurch Bürgschaften, Garantien, Beteiligungen undKredite gegen Zahlung einer vergleichsweise niedri-gen Gebühr ab. Besonders engagiert sind die ECAsim Energiesektor der Entwicklungs- und Transfor-mationsländer. Hier stehen mit fossilen Energieträ-gern betriebene Kraftwerke und Großstaudämme imMittelpunkt. Die Stromerzeugung aus Sonne, Windund Biomasse wird bisher kaum gefördert. Aller-dings kann die Exportförderung auch bei der Nut-zung fossiler Energieträger positive Wirkung erzie-len, wenn Altanlagen durch neue Technologien mithöherem Wirkungsgrad ersetzt werden oder dieEnergieeffizienz gesteigert wird.

Im Kraftwerksbau der Entwicklungs- und Trans-formationsländer belief sich das ausländische finan-zielle Engagement zwischen 1996–2001 auf 115,6Mrd. US-$. Davon wurden 50 Mrd. US-$ von Export-

kreditagenturen gestützt. Bei der Öl- und Gasförde-rung erhielten von 97,8 Mrd. US-$ Investitionen 60,6Mrd. US-$ diese Zusicherung.

Auf Empfängerseite ist eine starke geographischeKonzentration zu beobachten. Das Engagement derECAs erstreckt sich ebenso wie die privaten Investi-tionen auf wenige Länder, die aber für die künftigeEntwicklung der globalen Treibhausgasemissionenvon großer Bedeutung sind: China, Indonesien,Indien, Mexiko, Brasilien, die Philippinen und dieTürkei. Tabelle 2.7-4 zeigt die Beteiligung derExportkreditagenturen aus den USA, Japan undDeutschland an Investitionen im Energiesektor derEntwicklungs- und Transformationsländer. Die deut-schen Agenturen liegen in ihrem Engagement deut-lich hinter denen der USA und Japans.

Die Klimarelevanz außenwirtschaftlicher Förder-maßnahmen hat bisher kaum Beachtung gefunden.Eine Ausnahme ist die Berechnung des Institute forPolicy Studies (IPS), wonach die US-amerikanischeExportunterstützung zu Gunsten fossiler Energieträ-ger zwischen 1992 und 1998 zu einer zusätzlichenEmission von 29,3 Mrd. Tonnen CO2 über den ges-amten Lebenszyklus der Projekte führen wird (IPS,1999).

2.7.4Fragmentierte Ansätze einer globalenEnergiepolitik

Den Vereinten Nationen kommt beim Ausbau derEnergieversorgung in Entwicklungsländern einezentrale Rolle zu. Allerdings ist Energiepolitikmomentan auf UN-Ebene kein Arbeitsschwerpunkt.Bereits der kurze Überblick über die Aktivitäten derverschiedenen Einheiten der Vereinten Nationenund ihrer Sonderorganisationen (Kap. 2.7.2) ver-deutlicht außerdem, dass eine kohärente Strategieder UN für den Energiebereich nicht zu erkennen ist.

44 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

25

20

15

10

5

0

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Länder mit niedrigen Einkommen

Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen

Länder mit mittleren und hohen EinkommenLänder mit mittleren und hohen Einkommen

Jahr

Inve

stiti

onen

[Mrd

. US

-$19

98]

Abbildung 2.7-2Gesamtinvestitionen inEnergieprojekte mit privaterBeteiligung in Entwicklungs-und Schwellenländern.Länder mit niedrigemEinkommen: BIP/Kopf1998:<760 US-$. Länder mitniedrigem und mittleremEinkommen: BIP/Kopf1998:761–3.030 US-$. Länder mitmittleren und hohenEinkommen: BIP/Kopf1998:3.031–9.360 US-$.Quelle: Izaguirre, 2000

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45Ausgangslage für globale Energiepolitik 2.8

Der Versuch, die unterschiedlichen Programme undProjekte durch eine aus Vertretern der verschiede-nen Einheiten zusammengesetzte Task Force zukoordinieren, wird nur schwerlich zum Erfolg füh-ren: zum einen verfolgen die verschiedenen Organi-sationen, Programme und Akteure in der Regel Par-tikularinteressen, zum anderen ist das Mandat derTask Force unzureichend. Mechanismen, die dazubeitragen könnten, die im Rahmen der CSD gewon-nenen Erkenntnisse in politische Vorgaben für dieArbeit der UN umzuwandeln, sind allenfalls inAnsätzen vorhanden. Das Fehlen eines klaren politi-schen Programms, in dem die Eckpunkte der UN-Strategie zum nachhaltigen Ausbau der Energiever-sorgung in Entwicklungsländern niedergelegt wer-den könnten, trägt weiter zur Fragmentierung derenergiebezogenen Aktivitäten der verschiedenenUN-Einheiten bei. Hinzu kommt die unzureichendepolitische Koordination der verschiedenen Einzel-strategien der UN mit den Geberstaaten und denwichtigsten Finanzierungsinstitutionen.

Der Überblick über die bestehenden rechtlichenund institutionellen Grundlagen der internationalenEnergiepolitik spiegelt die aktuellen Schwerpunkteund Defizite der Weltpolitik wider (Abb. 2.7-1):Während sich das internationale Wirtschaftsrecht imEnergiebereich mit der fortschreitenden Liberalisie-rung der nationalen Energiemärkte zunehmend aus-differenziert und den Austausch von Waren undDienstleistungen erleichtert, bleiben die ökologi-schen und entwicklungspolitischen Dimensioneneiner nachhaltigen Energiepolitik hinter den Erfor-dernissen zurück. Die Klimarahmenkonvention istmit dem Kioto-Protokoll als erfolgreicher Einstiegzur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zubegrüßen. Für die 2. Verpflichtungsperiode ab 2012

muss eine deutliche Steigerung der Reduktionsver-pflichtungen sowie schrittweise eine angemesseneEinbindung auch eines Teils der Entwicklungsländerangestrebt werden. Vor allem die institutionelleFragmentierung, das Fehlen einer übergreifendenpolitischen Strategie und unzureichende Finanzmit-tel verhindern dabei einen wirkungsvolleren Einsatzder zur Verfügung stehenden Instrumente.

2.8Vorläufiges Fazit: Ausgangslage für globaleEnergiepolitik

• Energie ist von grundlegender Bedeutung für dieEntwicklung der Gesellschaft und für dieBekämpfung der Armut. Bevölkerungswachstum,wirtschaftliche und technologische Entwicklun-gen ließen den Energieeinsatz in den letzten Jahr-hunderten und Jahrzehnten weltweit starkanwachsen. Damit war aber eine zunehmendeUmweltverschmutzung verbunden.

• Die Verfügbarkeit hochwertiger Energieformenist global ungleich verteilt. Etwa ein Drittel derWeltbevölkerung, vor allem Menschen in Ent-wicklungsländern, hat keinen Zugang zu moder-ner Energie. Für diese Menschen, die oft durch dieVerwendung von Holz oder Dung zum Kochenund Heizen großen Gesundheitsrisiken ausgesetztsind, entstehen schwerwiegende Einschränkungenihrer Entwicklungsmöglichkeiten.

• Energiesysteme in Industrieländern sollen vorallem drei Eigenschaften besitzen: Versorgungs-sicherheit, Preisgünstigkeit und Umweltverträg-lichkeit. Traditionell wurden und werden vielfachfossile und nukleare Energieträger staatlich sub-

Tabelle 2.7-4Beteiligung der Exportkreditagenturen von USA, Japan und Deutschland am Kraftwerksbau bzw. Vorhaben im Öl- undGassektor in Entwicklungs- und Transformationsländern (1996–2001). KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau, JBIC JapanischeBank für Internationale Kooperation, NEXI Nippon Export and Investment Insurance, Exim-Bank Export-Import Bank,OPIC Overseas Private Investment Corporation.Quelle: Maurer, 2002

Land Exportkredit-agentur

Kraftwerksbau Vorhaben im Öl- und Gassektor

Gewährleistung/Versicherung[Mrd. US-$]

Ko-Finanzierung

[Mrd. US-$]

Gewährleistung/Versicherung[Mrd. US-$]

Ko-Finanzierung

[Mrd. US-$]

Deutschland Hermes 1,52 - 0,55 -KfW - 2,20 - 1,00

Japan JBIC 1,36 2,50 0,34 3,83NEXI 1,20 0,10 0,20 0,30

USA Exim-Bank 3,72 0,50 3,36 0,55OPIC 1,40 1,20 0,44 0,20

Gesamt 9,20 6,50 4,89 5,88

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46 2 Energiesysteme in Gesellschaft und Wirtschaft

ventioniert, die Stromversorgung unterlag einerumfassenden staatlichen Aufsicht. In jüngster Zeitist eine Abkehr von Subventionen für fossile undnukleare Energieträger, eine Liberalisierung derMärkte für leitungsgebundene Energieversor-gung sowie eine verstärkte staatliche Förderungregenerativer Energien festzustellen.

• Transformationsländer in Ost- und Südosteuropasind durch die Dominanz fossiler Energieträgercharakterisiert. Erneuerbare Energien, wie etwaBiomasse, Wind- und Solarenergie spielen trotzhoher Potenziale eine geringe Rolle. Die Kon-junkturschwäche der beiden letzten Jahrzehnteließ die Energieproduktion zurückgehen. Drin-gend notwendige Investitionen zur Instandhal-tung und Modernisierung des Energiesektorswurden nicht mehr getätigt, wodurch die Effie-zienz der Anlagen auf ein sehr niedriges Niveausank. Als wesentliche Gründe für die Ineffizienzsind die Subventionierung der Energienutzungsowie die enge Verflechtung von politischen undwirtschaftlichen Interessen im Energiesektor zunennen.

• Energiesysteme in Entwicklungs- und Schwellen-ländern besitzen kein einheitliches Muster. Es gibtstarke Disparitäten zwischen Kontinenten, Län-dern, Regionen, städtischen und ländlichenGebieten und Landschaftstypen. Allerdings istgenerell ein Anstieg der kommerziellen Energie-nachfrage mit zunehmender Urbanisierung sowieein Anstieg der Energienachfrage mit steigendemPro-Kopf-Einkommen zu beobachten. Durch diebegrenzten finanziellen Mittel und die zögerlicheAusweitung des Energieangebots sind demAnstieg der Energienutzung allerdings Grenzengesetzt. Die Energiepolitiken der meisten Schwel-len- und Entwicklungsländer sehen weder Effi-zienzstrategien noch Investitionen in regenerativeEnergieträger vor. Vielmehr wird zur Deckungdes größten Teils des Energiebedarfs auf fossileEnergieträger gesetzt.

• Globale Energiepolitik wird durch zunehmendewirtschaftliche und technische Verflechtungenmaßgeblich beeinflusst. So wird etwa der Transferenergieeffizienter Standards und Technologienerleichtert.Andererseits führen der weltweit hoheTransport von Gütern und Personen sowie derTransfer westlicher Lebensstile in weniger indus-trialisierte Weltregionen zu einem Anstieg derglobalen Energienachfrage.

• Eine global koordinierte Energiepolitik ist beiden UN-Organisationen und der Weltbank erstansatzweise vorhanden. Die institutionelle Frag-mentierung und unzureichende Finanzierungs-mechanismen erschweren die Energiewende inRichtung Nachhaltigkeit.

• Viele Entwicklungsländer befinden sich erst imAufbau eines tragfähigen, kommerziellen Ener-giesystems. Da sie auf ein größeres Portfolio tech-nischer Optionen zurückgreifen können als diesbei Industrieländern auf gleicher Entwicklungs-stufe der Fall war, besteht die Chance, Anforde-rungen an ein nachhaltiges Energiesystem schonim Aufbau zu berücksichtigen (Goldemberg, 1996;Murphy, 2001). So könnte etwa durch Investitio-nen in regenerative Energiesysteme eine Strom-versorgung schnell und kosteneffizient in die Flä-che gebracht werden. Dafür ist aber vor allem einekonsequente Umsteuerung der privaten Direktin-vestitionen wie auch der staatlichen Kredite undBürgschaften notwendig, um die Pfadabhängig-keit fossiler Energienutzung auch in den Entwick-lungsländer zu überwinden.

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3

3.1Einleitung

Die Diskussion einer Transformation des globalenEnergiesystems soll technologische Optionen aufzei-gen und vielversprechende, auch wenig bekannteLösungen vorstellen. Auf allen Ebenen von der Pri-märenergiegewinnung bis hin zur Energiedienstleis-tung stehen verschiedenste Technologien zur Aus-wahl, deren Einsatz und Zusammenstellung unterNachhaltigkeitsaspekten zu bewerten sind. Der Bei-rat beginnt seine Analyse mit der Untersuchung derzur Verfügung stehenden Energiequellen und -trä-ger. Für fossile, nukleare und erneuerbare Energienwerden die nachhaltig realisierbaren Potenziale dar-gestellt (Definitionen in Kasten 3.1-1), die Konver-sionstechnologien beschrieben und die Umwelt- undSozialfolgen bewertet.Außerdem werden die derzei-tigen und zukünftigen Kosten der Technologien dis-kutiert.Während konventionelle Energieformen sichdurch Verknappung langfristig verteuern werden, istfür erneuerbare Energien der gegenteilige Trendeiner kontinuierlichen Kostenreduktion absehbar.Eine entsprechende Bewertung darf sich daher nichtauf die Gegenwart beschränken. Aus einer solchenAnalyse ergeben sich die Rahmenbedingungen,unter denen der exemplarische Pfad des WBGU(Kap. 4) für eine nachhaltige Transformation derEnergiesysteme abgeleitet werden kann.

Neben einer nachhaltigen Nutzung der zur Verfü-gung stehenden Energiequellen ist der Einsatz mög-lichst effizienter Technologien bei allen Wandlungs-prozessen von der Primär- zur Nutzenergie sowiebeim Endnutzer selbst unerlässlich. Für den Einsatzfluktuierender erneuerbarer Energiequellen ist eineDiskussion von Technologien zum Fluktuationsaus-gleich bzw. zur Energiespeicherung essenziell. DasKapitel teilt die entsprechende Darstellung auf in dieTeilaspekte verteilte Kraft-Wärme-Kopplung, Ener-gieverteilung/-transport und -speicherung sowienachfrageseitige Energieeffizienz. Im Anschlussdaran werden die Potenziale einer Dekarbonisierungdes Energiesystems durch sichere und langfristige

Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“) unter-sucht. Abschließend wird ein Ausblick auf nachhal-tige Lösungen für den Energieeinsatz im Verkehrs-sektor gegeben.

3.2Energieträger

3.2.1Fossile Brennstoffe

3.2.1.1Potenziale

Heute bestimmen die Energieträger Erdöl, Kohleund Erdgas bei der Bereitstellung von Wärme, elek-trischer Energie und Treibstoffen weltweit die Ener-giesysteme. Diese fossilen Energieträger deckenweltweit 90% des Primärenergieverbrauchs (40%Erdöl, 27% Kohle und 23% Erdgas; BGR, 1998).Hinsichtlich ihrer ökonomischen und technologi-schen Förderbarkeit wird zwischen Reserven,Ressourcen und weiteren Vorkommen unterschie-den (BGR, 1998; Nakicenovic et al., 1998):• Reserven sind bekannte Vorkommen, die mit gro-

ßer Genauigkeit erfasst und heute aus technologi-scher und ökonomischer Sicht jederzeit abbaubarsind.

• Ressourcen sind nachgewiesene oder mit gewisserUnsicherheit als vorhanden eingeschätzte Vor-kommen, die mit heutiger Technologie und unterden heutigen ökonomischen Verhältnissen nochnicht förderbar sind, die jedoch als potenziell för-derbar gelten.

• Weitere Vorkommen können weder als Reservennoch als Ressourcen klassifiziert werden. Sie wer-den geologisch vermutet, aber das Ausmaß derVorkommen und die technologischen und ökono-mischen Bedingungen ihrer Förderbarkeit sindnoch sehr unsicher.

Technologien und nachhaltigePotenziale

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48 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Die Summe aus Reserven und Ressourcen wird alsGesamtressource bezeichnet. Aus Ressourcen kön-nen Reserven werden, z. B. wenn der Preis für Brenn-stoffe steigt oder die Förderkosten durch techni-schen Fortschritt sinken. Weitere Vorkommen kön-nen bei technologischem Fortschritt langfristigzumindest teilweise in die Kategorie Ressourcen ein-geordnet werden und damit die Gesamtressourcevergrößern. Die Unterscheidung zwischen Res-sourcen und weiteren Vorkommen ist wesentlichweniger scharf als diejenige zwischen Reserven undRessourcen (UNDP et al., 2000).

Der kumulierte globale Energieeinsatz betrugvon 1860–1998 13.500 EJ (UNDP et al., 2000). In denheutigen Reserven ist ein Wert von mindestensgleicher Größenordnung gespeichert (Tab. 3.2-1).Betrachtet man zusätzlich die als Ressourcen klassi-fizierten Lagerstätten, dann verzwanzigfacht sich das

gespeicherte Energievolumen. Die optimistischenAnnahmen werden vor allem mit großen Vorkom-men nicht konventioneller Öl- und Gasvorkommenbegründet. Diese unterscheiden sich dadurch vonkonventionellen Vorkommen, dass sie in wesentlichgeringeren Konzentrationen vorkommen, unge-wöhnliche oder höchste technologische Anforderun-gen an die Förderung stellen, aufwändige Konver-sionsverfahren benötigen oder große ökologischeAuswirkungen haben (z. B. Ölschiefer, Ölsände undSchwerstöle sowie Flözgas, Erdgas in dichten Spei-chern und Gashydrate; Nakicenovic et al., 1998). Beihohen Ölpreisen ist ein Teil dieser nicht konventio-nellen Vorkommen (etwa Ölsände) bereits heutewirtschaftlich ausbeutbar und wird deshalb schonden Reserven zugeordnet (Tab. 3.2-1).

Die Kohlevorkommen machen den größtenAnteil bei den fossilen Reserven aus. Sie würden

Kasten 3.1-1

Potenzial-Definitionen

Zur Diskussion der Potenziale verschiedener Energieträ-ger werden meist folgende Begriffe zugrundegelegt: theo-retisches Potenzial, technisches Potenzial und wirtschaftli-ches Potenzial. Der Beirat sieht die Notwendigkeit, zudemdie Begriffe des Wandlungspotenzials und des nachhaltignutzbaren Potenzials einzuführen. Im Rahmen dieses Gut-achtens werden dabei folgende Definitionen unterschie-den:

Theoretisches PotenzialDas theoretische Potenzial bezeichnet die physikalischeObergrenze der aus einer bestimmten Quelle zur Verfü-gung stehenden Energie. Im Fall der Sonnenenergie wäredies die gesamte, auf die jeweils betrachtete Fläche einfal-lende solare Strahlung. Dieses Potenzial berücksichtigt alsoinsbesondere keine Flächennutzungseinschränkungen. DieWirkungsgrade der Konversionstechnologien bleibenunberücksichtigt.

WandlungspotenzialDas Wandlungspotenzial ist technologiespezifisch definiertund leitet sich über den Jahreswirkungsgrad der jeweiligenUmwandlungstechnologie aus dem theoretischen Potenzialab. Das Wandlungspotenzial ist somit kein scharf definier-ter Wert, weil der Wirkungsgrad einer Technologie vomtechnischen Fortschritt abhängt.

Technisches PotenzialDas technische Potenzial leitet sich aus dem Wandlungspo-tenzial ab, indem zusätzlich Einschränkungen bzgl. der fürdie Energiegewinnung realistischerweise zur Verfügungstehenden Flächen berücksichtigt werden. Die bei der Flä-chenauswahl zugrundegelegten Kriterien werden in derLiteratur nicht einheitlich gehandhabt.Technische, struktu-relle und ökologische Restriktionen sowie gesetzliche Vor-gaben werden teilweise hierbei berücksichtigt. Die Höhedes technischen Potenzials der verschiedenen Energiequel-len ist demnach ebenfalls kein scharf definierter Wert, son-dern von zahlreichen Randbedingungen und Annahmenabhängig.

Wirtschaftliches PotenzialDieses Potenzial bezeichnet den unter den ökonomischenRahmenbedingungen (zu einem bestimmten Zeitpunkt)wirtschaftlich nutzbaren Anteil des technischen Potenzials.Für Biomasse werden hierunter beispielsweise jene Men-gen verstanden, die in Konkurrenz mit anderen Produktenund Landnutzungen wirtschaftlich erschließbar sind. Dieökonomischen Rahmenbedingungen sind insbesonderedurch politische Maßnahmen deutlich beeinflussbar.

Nachhaltig nutzbares PotenzialDieses Potenzial einer Energiequelle berücksichtigt alleDimensionen der Nachhaltigkeit. Hierzu müssen in derRegel verschiedene ökologische und sozioökonomischeAspekte gegeneinander abgewogen und bewertet werden.Die Abgrenzung des nachhaltig nutzbaren Potenzials istunscharf, da je nach Autor auch beim technischen oderwirtschaftlichen Potenzial bereits ökologische Aspekteberücksichtigt werden. Der Beirat entwirft einen exempla-rischen Transformationspfad des globalen Energiesystems(Kap. 4) auf der Basis der nachhaltig nutzbaren Potenziale,deren Aktivierung innerhalb gegebener Zeit als realistischeingeschätzt wird.

Im Kapitel 3.2 werden die Potenziale der Energieträgerund -quellen unter einem globalen Blickwinkel untersuchtund diskutiert. Insbesondere wurden für dieses Gutachtenglobale Karten des Wandlungspotenzials für folgende Tech-nologien berechnet:• photovoltaische Module (ohne optische Konzentra-

tion);• solarthermische Kraftwerke;• Solarkollektoren zur Wärmeerzeugung;• Windenergiekonverter.Auf Basis dieser Karten kann die räumliche Verteilung derprinzipiell gewinnbaren technisch nutzbaren Energie abge-schätzt werden. Die Berechnung wurde in einem globalenRaster mit einer Auflösung von 0,5 ° geographischer Längeund Breite durchgeführt. Die resultierenden Potenzialewerden als mittlere Leistungsdichte pro Bodenfläche oderpro geneigter Modul-/Konverterfläche angegeben, so dasssie immer die Dimension „Leistung pro Fläche“ haben.

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49Energieträger 3.2

genügen, um den voraussichtlichen Energiebedarfbis weit über 2100 hinaus zu decken. Bei derzeitigerTechnologie, also vom Einsatz der Kohleverflüssi-gung abgesehen, ist Kohle als Energielieferant fürden schnell wachsenden Verkehrssektor ohneBedeutung. In erster Linie liegen ihre Wachstums-prognosen daher hinter denen von Öl zurück. DerKohleanteil am fossilen Energiemix wird nach denmeisten Szenarien (Kap. 4) bis 2100 abnehmen.

Bei gleich bleibendem gegenwärtigen Verbrauchwürden die Gasreserven die Nachfrage noch rund 60Jahre decken. Werden auch die Ressourcen berück-sichtigt, verlängert sich die Reichweite auf 170–200Jahre (IEA, 2002c). Da aber der Gasverbrauch vonallen fossilen Energieträgern die steilsten Wachs-tumsraten aufweist und von 2000–2030 eine Ver-dopplung des Verbrauchs erwartet wird (IEA,2002c), könnten die Gasreserven schneller erschöpftsein. Eine potenziell sehr große Quelle für Methanstellen die Gashydratlagerstätten im Meeresboden

und in Permafrostböden dar, die meist zu den weite-ren Vorkommen gerechnet werden. Könnten sie aus-gebeutet werden, würde die fossile Ressourcenbasisum ein Vielfaches vergrößert. Die Nutzbarkeit derMethanhydratvorkommen wird im Moment aller-dings zurückhaltend bewertet. Weder gibt es abgesi-cherte wissenschaftliche Aussagen über die Mächtig-keit der Vorkommen noch attraktive technische Vor-schläge zu ihrer Förderung (UNDP et al., 2000), hierist noch Grundlagenforschung notwendig.

3.2.1.2Technik / Konversion

Zentrale Großkraftwerke prägen derzeit die Strom-versorgung in den Elektrizitätsnetzen der Industrie-länder. Bezogen auf die in Deutschland im Jahr 1999gesamte installierte elektrische Leistung von ca.119.000 MW beträgt der Anteil zentraler Kraftwerke

Tabelle 3.2-1Reserven, Ressourcen und weitere Vorkommen fossiler Energieträger nach verschiedenen Autoren. k konventionell (Erdölmit bestimmter Dichte, freies Erdgas, Erdölgas, nk nicht konventionell (Schweröl, Schwerstöl, Ölsände und -schiefer, Flözgas,Aquifergas, Erdgas in dichten Speichern, Gashydrate). Die weiteren Vorkommen werden geologisch vermutet, ihrewirtschaftliche Ausbeutung ist zur Zeit aber völlig ungewiss. Zum Vergleich: Im Jahr 1998 betrug der globalePrimärenergiebedarf 402 EJ (UNDP et al., 2000).Quellen: Tabelle

Energieträger Brown,2002

IEA,2002c

IPCC,2001a

Nakicenovic et al.,1998

UNDP et al.,2000

BGR,1998

[EJ]

GAS

Reserven

Ressourcen

WeitereVorkommen

5.600

9.400

6.200

11.100

k 5.400nk 8.000k 11.700nk 10.800

796.000

k 5.900nk 8.000k 11.700nk 10.800

799.700

k 5.500nk 9.400k 11.100nk 23.800

930.000

k 5.300nk 100k 7.800nka) 111.900

ÖL

Reserven

Ressourcen

WeitereVorkommen

5.800

10.200

5.700

13.400

k 5.900nk 6.600k 7.500nk 15.500

61.000

k 6.300nk 8.100k 6.100nk 13.900

79.500

k 6.000nk 5.100k 6.100nk 15.200

45.000

k 6.700nk 5.900k 3.300nk 25.200

KOHLE

ReservenRessourcenWeitereVorkommen

23.60026.000

22.500165.000

42.000100.000

121.000

25.400117.000

125.600

20.700179.000

16.300179.000

Gesamtressource (Reserven +Ressourcen)

GesamteVorkommen

180.600 223.900 212.200

1.204.200

213.200

1.218.000

281.900

1.256.000

361.500

a)einschließlich Gashydrate

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50 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

(Anlagen >100 MW) rund 80%. Davon entfallen aufKohlekraftwerke ca. 52.000 MW und auf Erdgas-kraftwerke ca. 16.000 MW. Im Einsatz sind bei derKohlekonversion heute überwiegend klassischeDampfkraftwerke (DKW) und bei Erdgas kombi-nierte Gas- und Dampfkraftwerke (GuD; Hassmann,persönl. Mitteilung, 2000). Beide Kraftwerkstypenwerden in der Grund- und Mittellast zur Stromer-zeugung ohne Wärmeauskoppelung eingesetzt,daher ist ein hohes Potenzial durch Effizienzsteige-rung gegeben. Bei dieser Betriebsweise verhält sichdie CO2-Emission proportional zum elektrischenWirkungsgrad, wobei der Mittelwert der deutschen,fossil befeuerten Kraftwerke bei ca. 39% liegt.Bereits nachgewiesene elektrische Wirkungsgradevon über 45% bei Kohlekraftwerken und von fast60% bei GuD-Erdgas-Kraftwerken zeigen, dass hierein deutliches Reduktionspotenzial für CO2-Emis-sionen vorhanden ist. Neben den „klassischen“Kraftwerken werden weitere Typen entwickelt, dieeine Nutzung von Kohle auch in Gasturbinen ermög-lichen sollen, wobei die Wirkungsgrade deutlich

erhöht und Emissionen stark zurückgehen können(Tab. 3.2-2).

3.2.1.3Umwelt- und Sozialfolgen

Anthropogene KlimaveränderungenDie weltweiten CO2-Emissionen aus der Nutzungvon Erdöl, Kohle und Erdgas betrugen 1990 ca.6,0 Gt C (IPCC, 2001a), woran die Verbrennung vonErdöl mit 44% den größten Anteil hatte. Hinzukamen noch 1,8 Gt Ceq Methan- und 2,5 Gt Ceq Lach-gasemissionen, vor allem aus der Landwirtschaft(IPCC, 2000a). In den vergangenen 100 Jahren hatsich die mittlere Lufttemperatur in Oberflächennäheund der unteren Atmosphäre um 0,6 ± 0,2 °C erhöht.Bis 2100 wird ohne klimapolitische Maßnahmen miteiner globalen Erwärmung zwischen 1,4 und 5,8 °Cgerechnet. Diese Erwärmung führt zu erhöhteratmosphärischer Feuchte und häufig auch höheremNiederschlag, zu Änderungen der atmosphärischen

Tabelle 3.2-2Entwicklungslinien moderner fossiler Kraftwerke.Quelle: Hassmann, persönl. Mitteilung, 2002

Brenn-stoff

Anlage Leistung Nettowir-kungsgrad

CO2-Emissionen

GeschätzteKosten

Stand F&EBemerkungen

Zeithori-zont

[MW] [%] [g CO2/kWh] [€/kW]

Kohle Dampfkraftwerk mithohen bzw. höchstenDampfzuständen 350 bar/700 °C

700–900 >50 168 >700 um 2010 geplant,Werkstoffentwicklung

um 2010

Kombikraftwerk (Gas-und Dampfturbine)mit zirkulierenderDruckwirbelschicht (2. Generation)

700–800 54–55 150 650–700 Heißgasreinigung,robuste Gasturbine

nach 2010

Kombikraftwerk mitDruck-Kohlevergasung(IGCC)

400–500 >45 184 ca. 1.000 Niedrige Verfügbarkeit Demon-strations-anlagenbereits realisiert

Kombikraftwerk mitDruckkohlenstaub-feuerung

400 54–55 150 >750 Heißgasreinigung,robuste Gasturbine

nach 2015

Erdgas Fortschrittliche kombi-nierte Gas- undDampfturbinen-Kraftwerke (GuD)

400 >60 80 ca. 500 Entwicklungsbedarf:Verdichter, Gasturbineniedrig, NOX-Brenner,Werkstoffentwicklungfür katalytische Ver-brennung, heiße Teile(Brennkammerausklei-dung, Übergangsstü-cke, Schaufeln, Schau-felkühlung), Verdichter

ab 2005

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51Energieträger 3.2

und ozeanischen Zirkulation, zu Meereis- undSchneeschmelze sowie Meeresspiegelanstieg (IPCC,2001a). Durch die prognostizierte Verschiebung derKlimaregionen und durch häufigere Wetterextremewie Überschwemmungen und Dürren werden nega-tive ökologische und soziale Folgen erwartet (IPCC,2001b). Bei empfindlichen Ökosystemen sind dieSchäden teils sogar schon nachweisbar (Kap. 4.3.1.2).Das Risiko einer irreversiblen Schädigung von Öko-systemen steigt mit zunehmender Erwärmung undsteigender Erwärmungsrate (IPCC, 2001b).

Seit 25 Jahren nehmen wetterbedingte Schädenzu, wobei große jährliche Schwankungen festzustel-len sind. Die steigenden ökonomischen Folgekostenvon Überschwemmungen und Dürren können in vie-len Regionen gut gemessen werden (IPCC, 2001b;Münchner Rückversicherung, 2001; Swiss Re, 2001).Nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreu-zes waren hiervon in den vergangenen 26 Jahren ca.2,5 Mrd. Menschen betroffen (IFRC-RCS, 2001). Diemeisten Schäden waren in den 1990er Jahren zu ver-zeichnen, dem wärmsten Jahrzehnt seit Beginn derAufzeichnungen von Wetterdaten (Milly et al., 2002;Münchner Rückversicherung, 2001). In den Jahren2000 und 2001 war eine deutlich höhere Zahl derglobal von Dürren Betroffenen (176 bzw. 86 Mio.gegenüber 20 Mio. im Jahr 1998), ein Rückgang anÜberschwemmungen (62 bzw. 34 Mio. Menschengegenüber 290 Mio. im Jahr 1998) und ein gleich blei-bende Zahl bei den von Stürmen Betroffenen (15bzw. 29 Mio. gegenüber 26 Mio.) zu verzeichnen(CRED, 2003). Ein Zusammenhang zwischen zuneh-menden Unwetterfolgen und dem beobachteten Kli-mawandel ist wahrscheinlich.

Infolge des Klimawandels drohen den Entwick-lungsländern aufgrund ihrer geographischen Lageund unzureichenden Anpassungsfähigkeiten großeSchäden (IPCC, 2001b), die bis zur Auslöschung ein-zelner Staaten durch steigenden Meeresspiegel rei-chen können. Diese Länder haben bisher kaum Prä-ventions- und Nothilfestrukturen entwickelt.

LuftverschmutzungDie Emissionen von Benzol, Ruß und anderen Teil-chen aus industriellen Verbrennungsprozessen,Kraftwerken und dem Verkehr führen zu zahlreichenökotoxischen Wirkungen. Stickoxide, Kohlenwasser-stoffe und Kohlenmonoxid verändern zudem dieOxidationskapazität der Atmosphäre, wodurchregional nicht nur mehr bodennahes Ozon entstehenkann, sondern die Reinigungskraft der Atmosphäreinsgesamt verändert wird. Die bei Verbrennungs-prozessen in großen Mengen emittierten Stick- undSchwefeloxide nehmen zusammen mit Ammoniakaus der Massentierhaltung eine Schlüsselposition beider Veränderung biogeochemischer Kreisläufe durch

den Menschen ein. Diese Vorläufersubstanzen fürSäuren werden in der Atmosphäre chemisch umge-wandelt und durch „sauren Regen“ in die Böden ein-getragen. Während Entschwefelungs- und Entsti-ckungsanlagen dieses Problem in Industrieländernerfolgreich mindern konnten, stehen Maßnahmen inEntwicklungs- und Schwellenländern meist noch aus.

Belastungen durch Förderung undTransport fossiler BrennstoffeDie Gewinnung fossiler Energieträger beeinflusstdie Böden: Zum einen werden vor allem beim Kohle-und Erztagebau große Bodenvolumina bewegt,wodurch die Morphologie der Böden geändert wirdund Setzungserscheinungen der Landoberfläche auf-treten. Zum anderen entstehen erhebliche Auswir-kungen auf hydrologische Prozesse wie den Abfluss,die Sedimentbelastung von Flüssen und den Grund-wasserspiegel, mit möglichen Folgewirkungen fürBöden und Ökosysteme. In fast allen Industrielän-dern ist die Zwischenlagerung der Böden beim Tage-bau inzwischen gesetzlich vorgeschrieben.

Vor allem Ölleckagen führen bei Förderung undTransport zu schweren ökologischen Schäden. InWestsibirien liefen zwischen 1980 und 1990 jährlichschätzungsweise 2,8 Mio. t Erdöl aus und zerstörten55.000 km2 des Permafrostökosystems (Stüwe, 1993).Zwischen 1967 und 2002 wurden 22 große Tankerha-varien (Ölverlust > 10.000 t) gezählt, bei denen über2,4 Mio. t Erdöl in das Meer gelangten (Greenpeace,2002) und große ökologische Schäden auslösten.Jährlich werden zudem ca. 520.000 t Öl durch dieReinigung von Tankern und illegales Abpumpen vonMaschinenölen in die Meere gespült. Dies ist dasDoppelte der natürlichen Öleinträge durch Quellenim Meeresboden. Bei der Offshore-Ölförderunggelangen weitere 57.000 t pro Jahr in die Meere(Feldmann und Gradwohl, 1996).

Wirkungen auf die menschliche GesundheitDie Nutzung von fossilen Brennstoffen und Holz zurEnergieerzeugung ist eine der Hauptquellen derLuftverschmutzung, etwa durch NOX, SO2, CO, poly-aromatische Kohlenwasserstoffe oder Formaldehyd.Diese Substanzen stellen für viele Menschen einegesundheitliche Belastung dar (Kap. 4.3.2.7). Aberauch Stäube, darunter Bodenteilchen, Mineralascheoder kleine Partikel gefährden die Gesundheit. Mehrals 1,1 Mrd. Menschen sind Konzentrationen vonAerosolteilchen ausgesetzt, die oberhalb der Richtli-nien der WHO liegen (UNDP et al., 2000).Besonders schwerwiegend ist die Belastung derBevölkerung in den großen Städten, vor allem in denrasch wachsenden Megastädten Asiens, Afrikas undLateinamerikas.

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52 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Luftverschmutzung löst eine Reihe akuter undchronischer Krankheiten aus wie z. B. Atemwegser-krankungen (Asthma, Lungenirritationen und-krebs) und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsys-tems. Nach Aussage der Weltgesundheitsorgani-sation (WHO, 2000, 2002b)• gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen

Mortalitätsraten und der täglichen Exposition mitAerosolteilchen. Jährlich sterben 0,8 Mio. Men-schen an den Folgen städtischer Luftverschmut-zung;

• wird die Lebenserwartung in einer Bevölkerung,die hohen Konzentrationen von Partikeln in derLuft ausgesetzt ist, erheblich verringert;

• müssen in stark belasteten Regionen 30–40% derAsthmafälle und 20–30% aller Atemwegserkran-kungen der Luftverschmutzung zugerechnet wer-den.

3.2.1.4Bewertung

Die Folgen der Förderung, des Transports und vorallem der Nutzung fossiler Energieträger betreffenheute jeden Menschen auf der Erde.Viele erkrankendirekt durch das Einatmen von Luftschadstoffen, allesind dem Klimawandel mit zunehmenden Extrem-wetterereignissen ausgesetzt. Auch die Ökosystemenehmen schweren Schaden, von Ölkatastrophen ausTankerunfällen bis hin zur Versauerung von Binnen-gewässern.

Am schwersten wiegen die Folgen des Klimawan-dels, die bei ungemindert fortgesetzter Nutzung fos-siler Brennstoffe zu befürchten sind (Kap. 4.3.1.2).Die vorhandenen Reserven fossiler Energieträger werden nicht annähernd ausgenutzt werden können,da die Emissionen von Kohlendioxid wegen ihrerKlimawirksamkeit begrenzt werden müssen undeiner Speicherung von Kohlendioxid aus technischenund ökonomischen Gründen enge Grenzen gesetztsind (Kap. 3.6). Um eine Stabilisierung der Kohlen-dioxidkonzentration gemäß Art. 2 der UN-Klima-rahmenkonvention zu erreichen und zu erhalten,müssen die anthropogenen Emissionen langfristig –im Zeitraum von Jahrhunderten – auf ein so niedri-ges Niveau zurückgehen, dass sie durch persistentenatürliche Senken aufgenommen werden können.Diese werden als sehr gering eingeschätzt (wenigerals 0,2 Gt C pro Jahr, im Vergleich zu 6,3 Gt C proJahr Emissionen aus fossilen Brennstoffen undZement, gemittelt über die 90er Jahre; IPCC, 2001a).Daher muss aus Sicht des WBGU langfristig eineAbkehr von den fossilen Energieträgern erfolgen.Dieses Ziel bis 2100 zu erreichen, ist allerdings unre-

alistisch und für eine Stabilisierung der CO2-Konzen-tration auch nicht notwendig.

Kurzfristig sind bessere Umweltstandards,umweltschonendere Abbau-, Transport- und Nut-zungstechniken wichtige Elemente des Umwelt-schutzes. Erforderlich sind das rechtzeitige Umsteu-ern zu zukunftsfähigen Brückentechnologien (z. B.der Substitution von Kohle und Erdöl durch Erdgas),die Investition in erhöhte Effizienz bei Energieum-wandlung und Endnutzung sowie längerfristig dieSubstitution fossiler durch erneuerbare Energieträ-ger (Kap. 4).

3.2.2Kernenergie

3.2.2.1Potenziale

KernspaltungBei der Spaltung schwerer Atomkerne wird Energiefrei. Einige der schweren chemischen Elementeeröffnen dabei die Möglichkeit einer kontrolliertenKettenreaktion, die die Freisetzung sehr großerEnergiemengen aus kleinen Spaltstoffmengenerlaubt. In Kernkraftwerken wird daraus zunächstWärme und schließlich Elektrizität gewonnen. Dieheutige Kerntechnik basiert auf Uran als spaltbaremMaterial, wobei das nur zu 0,7% im Natururan ent-haltene radioaktive Isotop U-235 als Brennstoff ein-gesetzt wird. Im Kernreaktor wird daraus unter Neu-tronenbeschuss auch das ebenfalls spaltbare Pluto-nium gebildet. Die in einem üblichen Kernreaktorfreigesetzte Bindungsenergie der Atomkernestammt daher aus der Spaltung von Uran und Pluto-nium. Um eine umfassende Abschätzung des Poten-zials der Kernenergie vorzunehmen, muss nebenUran und Plutonium auch Thorium betrachtet wer-den, weil auch dessen spontane Spaltung eine Ket-tenreaktion auslösen kann, wozu allerdings andereals die derzeit verwendeten Reaktortypen benötigtwürden.

Derzeit werden weltweit in 440 Kernkraftwerken(hauptsächlich Leichtwasser-Reaktoren, LWR) miteiner installierten elektrischen Leistung von 354 GWbei einer mittleren Nutzungsdauer (bezogen aufVollzeitbetrieb mit Nennleistung) von etwa 80%jährlich 2,5 PWh elektrische Energie erzeugt, dassind 17% der weltweiten Stromerzeugung. Aus 22 t(Natur)uran werden etwa 1 TWh Strom gewonnen(UNDP et al., 2000), was zu einem jährlichen Bedarfvon rund 55.000 t Natururan führt. Die Nutzung derKernspaltungsenergie ist in ihrer heutigen Form alsodurch die natürlichen Uranvorkommen auf der Erde

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53Energieträger 3.2

beschränkt. Die weltweit 3,2 Mio. t Uranreserven(Kilopreis unter 130 US-$; UNDP et al., 2000) wer-den bei gegenwärtigem Verbrauch knapp 60 Jahrereichen. Berücksichtigt man auch die vermutetenRessourcen, so steigt das weltweite Vorkommen aufca. 20 Mio. t, also auf etwa 360 Jahre Reichweite beigegenwärtigem Verbrauch. Dies entspräche einerStromproduktion von etwa 3.200 EJ. Diese Reich-weite ließe sich erheblich steigern, wenn es gelänge,das in Meerwasser gelöste Uran zur Energiegewin-nung zu nutzen (Urankonzentration 3 mg pro t, ins-gesamt ca. 4,5 Mrd. t). Die großtechnische Anwend-barkeit entsprechender Extraktionsverfahren wurdejedoch noch nicht bewiesen. Die Thoriumreservenund -ressourcen werden unter Auslassung nichtnäher quantifizierter Vorkommen in China und inder GUS auf rund 4,5 Mio. t geschätzt.

Plutonium kommt in der Natur praktisch nichtvor, entsteht jedoch im Uran-Kernreaktor. DurchWiederaufarbeitung kann es z. B. in Mischoxid(MOX)-Brennelementen wieder als Reaktorbrenn-stoff eingesetzt werden, wodurch sich rund ein Drit-tel des verwendeten Natururans ersetzen lässt.Ebenso kann Plutonium aus Kernwaffen dem zivilenBrennstoffkreislauf wieder zugeführt werden, sodass sich auch hier Verlängerungen der Reichweitenergeben.

Die oben diskutierten Reichweiten ließen sich beiEinsatz von Brütertechnologien stark erhöhen.Diese werden jedoch derzeit nirgendwo beherrscht.Der zugrundeliegende Prozess ist die Bildung spalt-baren Plutoniums aus dem stabilen Uran-Isotop U-238. Auf diese Weise kann 50- bis 100-mal mehrEnergie aus 1 kg Natururan gewonnen werden.Neben den ungelösten technologischen Problemenmuss in diesem Zusammenhang allerdings auch dasbesondere Proliferationsrisiko bei der Erzeugungsolch großer Mengen Plutoniums betont werden(Kap. 3.2.2.3).

KernfusionBei der Fusion leichter Atomkerne wird Energie frei.Während der „Fusionsreaktor“ der Sonne normalenWasserstoff verwendet, ist für entsprechende techno-logische Prozesse auf der Erde die Verschmelzungder Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zuHelium vorgesehen. Für eine hypothetische künftigeNutzung der Kernfusion zur Deckung eines weltwei-ten Strombedarfs in Höhe des derzeitigen Gesamt-bedarfs von 15 PWh pro Jahr würden pro Jahr etwa600 t Deuterium und 900 t Tritium an Fusionsbrenn-stoffen sowie 2.000 t Lithium zum Erbrüten von Tri-tium benötigt. Die Deuteriumvorräte im Meerwasser(33 g pro t) würden bei Deckung des gegenwärtigenStromverbrauchs durch Kernfusion einige Milliar-den Jahre reichen, die Lithiumvorräte in der Erd-

kruste (im Mittel 170 g pro m3 Gestein) einige tau-send Jahre, aber bei Nutzung des im Meerwassergelösten Lithiums einige Millionen Jahre. Die theo-retischen Potenziale der Kernfusion sind dahernahezu unbegrenzt. Da die Kraftwerke – wenn über-haupt – frühestens in der zweiten Hälfte unseresJahrhunderts zur Verfügung stehen werden undzudem ein ebenfalls beträchtliches Gefährdungspo-tenzial absehbar ist (s. unten), ist es nach Ansicht desWBGU nicht zu verantworten, zukünftige Energie-strategien heute auch nur teilweise auf der Kernfu-sion basieren zu lassen.

3.2.2.2Technik/Konversion

Kernspaltung88% der weltweit installierten Kernkraftwerksleis-tung entfallen auf Leichtwasserreaktoren, wobei dreiverschiedene Reaktortypen besonders hervorzuhe-ben sind: Druckwasserreaktor, Siedewasserreaktorund der russische graphitmoderierte Siedewasser-Druckröhrenreaktor (RBMK; Tab. 3.2-3). DieseTypen erreichen heute elektrische Wirkungsgradevon 30–35% (Wärme zu Strom). Unter anderem sindfolgende Steigerungen der Wirtschaftlichkeit undSicherheit geplant:• Bei wassergekühlten Reaktoren geht es vor allem

um die Einführung so genannter passiver Sicher-heitssysteme.

• Bei gasgekühlten Reaktoren geht es darum, dieSicherheitseigenschaften keramisch beschichteterBrennstoffpartikel auszunutzen und bei weithöheren Betriebstemperaturen höhere Wirkungs-grade sowie Prozesswärmenutzung zu realisieren.

Die bis vor wenigen Jahren noch von einigen Län-dern verfolgte Weiterentwicklung des Brutreaktorswurde inzwischen aus Sicherheits- und Kostengrün-den weitgehend eingestellt.

KernfusionUm die Energie liefernden Verschmelzungs-reaktionen zwischen den beiden Wasserstoff-Isoto-pen Deuterium und Tritium auszulösen, müssen Tem-peratur und Dichte des Brennstoffs bestimmte Werteüberschreiten (Hamacher und Bradshaw, 2001).Weltweit werden dabei zwei Konzepte verfolgt: mag-netischer Einschluss des Brennstoffs und Trägheits-fusion. Im ersteren Fall schließen starke Magnetfel-der den Brennstoff als heißes Plasma ein und haltenihn von den Wänden fern. Bei der Trägheitsfusionwerden kleine Brennstoffkügelchen durch Beschussmit Teilchen oder durch elektromagnetische Wellenzur Implosion gebracht.

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54 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Am weitesten fortgeschritten ist in der EU derzeitdas Gemeinschaftsexperiment JET. Hier konnten1997 mit 12 MW über etwa eine Sekunde bereitserhebliche Fusionsleistungen erzielt und 65% derzur Aufheizung des Plasmas verbrauchten Leistungper Fusion zurückgewonnen werden (Keilhacker etal., 1999). Beim nächsten großen Schritt der weltwei-ten Fusionsforschung (IAEA, 1998, 2001), dem inter-nationalen Experimentalreaktor ITER, soll erstmalsdeutlich mehr Fusionsleistung erzeugt werden als zurErhitzung des Plasma aufgewendet werden muss.Nach Auswertung des ITER-Experiments könnte inrund 25 Jahren mit dem Bau eines ersten Prototyp-Fusionskraftwerks begonnen werden, mit kommer-ziellen Kraftwerken wäre in etwa 50 Jahren zu rech-nen (Bosch und Bradshaw, 2001). Die elektrischeLeistung solcher Fusionskraftwerke wird nach erstenheutigen Studien 1–2 GW betragen. Der Wirkungs-grad der Stromerzeugung könnte bei wassergekühl-ten Kraftwerken wahrscheinlich 33% betragen undbei Helium gekühlten Kraftwerken zwischen 38–44% liegen. Die Kosten der Fusion lassen sich, danoch keine Pilotanlagen existieren, heute nur mitextrem hohen Unsicherheiten angeben.

3.2.2.3 Umwelt- und Sozialfolgen

Sicherheit und gesellschaftspolitischeAkzeptanzDer WBGU hat in seinem Gutachten 1998 die Kern-technik zu den Technologien gezählt, die bei den glo-balen Umweltrisiken im Grenzbereich zwischenNormal- und Verbotsbereich liegen (WBGU, 1999).Die Zahl der jährlich weltweit ans Netz gehendenKernkraftwerke erreichte in den Jahren 1984 und1985 mit über 30 den bisherigen Höhepunkt. Schonvor dem Unfall von Chernobyl 1986 gab es Länder,die die Atomkraft aus grundsätzlichen Erwägungenals inakzeptabel erachteten. In Österreich verhin-derte 1978 ein Volksentscheid einen Einstieg in dieseTechnologie. Nach dem Unfall von Chernobyl wuchs

die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Kern-kraft. Daraufhin ging die Zahl der weltweit jährlichans Netz gehenden Reaktoren stetig zurück, in eini-gen Ländern wurde der Ausstieg aus der nuklearenEnergietechnologie beschlossen (z. B. Deutschland,Belgien, Schweden).

WirtschaftlichkeitIn liberalisierten Märkten sind es private Investoren,die die Erzeugungsseite des Stromsektors bestim-men. Für sie wird Kernenergie aus mehreren Grün-den zunehmend unattraktiv:• Das Verhältnis von Kapital- zu Betriebskosten ist

bei Kernkraft ungünstiger als bei anderen kon-ventionellen Energieträgern (verzögerte Ren-dite). Analysen zeigen, dass von wenigen Ausnah-men abgesehen Strom aus Kernkraftwerken inOECD-Ländern wegen der hohen Kapitalkostenteurer ist als der aus Kohle- oder Gaskraftwerken(IEA, 1998; COM, 2000).

• Die hohen absoluten Investitionskosten macheneine Vielzahl von Vertragsparteien notwendig, diezu komplexen Investitions- und Verwaltungs-strukturen führen. Die Sicherheitsbestimmungenerfordern lange Genehmigungsfristen für dieIndustrie.

• Wenn sich die Betreiber von Kernkraftwerkenähnlich wie die Betreiber von fossilen Anlagengegen alle auftretenden Risiken versichern müs-sten, könnte dies zu extrem hohen finanziellenBelastungen für die Betreiber führen.

EntwicklungsländerBisher ist die Kernkraft in Entwicklungsländern ausfolgenden Gründen kaum genutzt worden:• Die häufig dezentrale Versorgungsstruktur passt

nicht zu dem zentralisierten Versorgungssystem,das für die Kernenergienutzung wegen der Kraft-werksgrößen im Gigawatt-Bereich derzeit charak-teristisch ist.

• Bau, Wartung und Betrieb kerntechnischer Anla-gen erfordern strenge sicherheitstechnische Vor-gaben, gutes Management und Kontrolle. Die

Tabelle 3.2-3Heutige und möglicheWeiterentwicklung derKernspaltungstechnologien.„Schnell“ meint hierenergiereiche „schnelle“Neutronen. „Unterkritische“Reaktoren benötigen zurAufrechterhaltung einerKettenreaktion eine externeNeutronenzufuhr. LWRLeichtwasserreaktor. HTRHochtemperaturreaktor.Quelle: Kröger, persönl.Mitteilung, 2002

2000 2020 2050

Wichtigste Technologie LWR LWR, HTR auch schnelle kritische undunterkritische Anlagen

Wirkungsgrad [%] 30–35 40–45 60 (mit nuklearem GuD-Zyklus)

Hochaktive und langlebige mittelaktive Abfälle.[mg/kWh]

9–11 2,4 0,5 (mit weitgehender Abtrennung und Transmu-tation von Actiniden)

Produktionskosten[€-Cent/kWh]

3–5 < 4 k. A.

Leistungsbereich [MWel] 1.000–1.500 150–1.500 (150–1.500)

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55Energieträger 3.2

Weltbank und EU-Kommission stellten fest, dassEntwicklungsländer in der Regel signifikante Pro-bleme haben, diese Voraussetzung zu erfüllen(World Bank, 1991; COM, persönl. Mitteilung,2002).

• Bei typischerweise angespannten Staatshaushal-ten sind Kernkraftwerke nur schwer finanzierbar(COM, persönl. Mitteilung, 2002).

EndlagerungWie sicher eine Endlagerstätte im Hinblick auf dieLagerung nuklearer Abfälle ist, kann heute nurschwer festgestellt werden. Eines der Hauptpro-bleme der Endlagerung nuklearen Abfalls ist dieextrem lange Zeitspanne, über die ein sichererAbschluss gewährleistet sein muss. Plutonium-239hat beispielsweise eine Halbwertszeit von 24.000 Jah-ren, wobei die Halbierung der Strahlung noch kei-nesfalls das Ende der Lagerung bedeutet. Nach 10Halbwertszeiten ist die Radioaktivität erst auf 0,1%abgefallen. Die strahlenden Elemente mit Atomge-wichten über dem des Urans (Transurane) müssenca. 1 Mio. Jahre sicher gelagert werden. Der Beirat istder Auffassung, dass eine einmalige Einlagerungüber diese langen Zeitspannen keinen sicherenAbschluss von der Biosphäre garantieren kann.

Durch Beschuss mit Teilchen aus Beschleunigernkönnten die Abfälle prinzipiell in kurzlebigere radio-aktive Isotope verwandelt werden, wodurch diesichere Endlagerung von Atommüll nur für deutlichgeringere Zeitabschnitte notwendig wäre. Da dieserProzess in der technischen Anwendung unterUmständen mehr Energie freisetzt als die Teilchen-beschleuniger benötigen, ist ein nahezu Nachwärmefreies Spaltkraftwerk ohne die Gefahr einer Ketten-reaktion denkbar. Eine entsprechende Technologieist im Pilotmaßstab allerdings noch nicht nachgewie-sen.

WiederaufbereitungDerzeit gibt es drei große kommerzielle Anlagen zurWiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennstoffe:La Hague (Frankreich), Windscale-Sellafield (Groß-britannien) und Chelyabinsk-Ozersk (Russland).Diese Anlagen verarbeiten ca. 25% der weltweitabgebrannten Brennstäbe. Bei der Wiederaufberei-tung sind mehrfach Strahlungsmengen freigesetztworden, die über den zulässigen Grenzen liegen(EU-Parlament, 2001). Die entsprechende Technolo-gie kann heute nicht als sicher beherrscht angesehenwerden.

Proliferation und TerrorismusDie Konstruktion von Atomwaffen benötigt wenigKnow-how (UNDP et al., 2000). Das Hauptproblembei der Herstellung solcher Waffen besteht in der

Verfügbarkeit waffenfähigen Plutoniums oder hoch-angereicherten Urans. Beide fallen auch bei der zivi-len Nutzung der Kernenergie an, beispielsweise imRahmen der Wiederaufarbeitung. Zudem ist dieKernforschung eine weitere potenzielle Plutonium-quelle. In den G8-Staaten gibt es derzeit etwa 430 tPlutonium, weitere ca. 800 t sind in abgebranntenBrennelementen vorhanden (ISIS, 2000). Da nur einViertel der abgebrannten Brennelemente derWiederaufarbeitung zugeführt wird, kommen jähr-lich etwa 10 t Plutonium hinzu. Für den Bau einerAtombombe werden dagegen nur ca. 6 kg Plutoniumbenötigt (Froggart, 2002). Das Problem der Entsor-gung waffenfähigen Materials beschäftigt regelmä-ßig die G8-Staaten, ohne dass bisher eine Lösunggefunden bzw. deren Finanzierung zugesagt werdenkonnte.

Um die Verbreitung von militärischen Nuklear-technologien und spaltbarem Material zu unterbin-den und zu kontrollieren, wurde 1968 der Atomwaf-fensperrvertrag unterzeichnet. 182 Staaten habendiesen bisher ratifiziert, wozu allerdings nicht dieNuklearwaffen besitzenden Länder Indien, Pakistanund Israel zählen. Nordkorea erklärte im Januar 2003seinen Ausstieg aus dem Vertrag. Die InternationaleAtomenergieorganisation führt die Kontrollendurch, ohne, laut eigener Aussage, ihrem Kontroll-auftrag gerecht werden zu können (IAEA, 2001).Die IAEA-Datenbank zum Schwarzhandel vonNuklearmaterial verzeichnete seit 1993 weltweitmehr als 550 Fälle, wovon 16 Fälle Plutonium oderangereichertes Uran betrafen. Über die entspre-chende Dunkelziffer ist nichts bekannt, eine voll-ständige Erfassung gestohlenen spaltbaren Materialserscheint unmöglich (UNDP et al., 2000). Beste-hende Sicherheits- und Registrierungsniveaus variie-ren, ohne dass es einen bindenden internationalenStandard gibt.

Nach den Anschlägen des 11. September 2001rückten auch potenzielle terroristische Angriffe aufKernkraftwerke in das politische Bewusstsein,obwohl es bereits seit 1972 angedrohte und/oderdurchgeführte Anschläge in Argentinien, Russland,Litauen, Frankreich, Südafrika und Südkorea gab(Bunn, 2002; WISE, 2001). Untersuchungen undTests zeigen, dass Kernkraftwerke z. B. durch Ver-kehrsflugzeuge, aber auch durch innere Sabotageoder Überfall in hohem Maß verwundbar sind(Bunn, 2002).

Ausblick auf die spezifischen Risiken derKernfusionDa es noch keine Pilotanlagen bzw. realisiertenFusionskraftwerke gibt, ist ein Ausblick auf die Risi-ken dieser Technologie sehr schwierig. Die Untersu-chungen zu den Umweltauswirkungen der Fusion

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56 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

konzentrieren sich derzeit im Wesentlichen auf diemöglichen Risiken und Auswirkungen der radioakti-ven Inventare eines Kraftwerks, also den radioakti-ven Brennstoffbestandteil Tritium sowie die Radio-isotope in der Brennkammerwand, die durch nukle-are Reaktionen zwischen Wandmaterialien und denbei der Fusion frei werdenden Neutronen entstehen(Cook et al., 2001; Raeder et al., 1995).

Die Auswirkungen von Störfällen werden wegendes geringen Energieinventars wahrscheinlich aufdas Kraftwerksinnere beschränkt bleiben. Mengeund Toxizität der radioaktiven Stoffe, die in einemFusionskraftwerk erzeugt werden, hängen stark vonder zuvor gewählten Zusammensetzung der Materi-alien ab. In ihren Eigenschaften unterscheiden sichKernfusions- und Kernspaltungsabfälle erheblich.Dies zeigt sich am deutlichsten im Abklingverhaltender Radiotoxizität – einem Maß für die biologischeGefährlichkeit der Stoffe. Im Fall der Kernspaltungbleibt die Radiotoxizität eines Großteils der erzeug-ten Abfälle über viele Jahrhunderte nahezu kon-stant. Dagegen fällt die Radiotoxizität der Fusions-abfälle bereits in den ersten 100 Jahren um drei bisvier Größenordnungen ab. Eine sichere Endlagerunggrößerer Mengen radioaktiven Abfalls über hun-derte von Jahren wäre jedoch auch hier unerlässlich.

3.2.2.4Bewertung

Das theoretische Potenzial der Kernenergie ist zwargroß. Weil die Nutzung aber mit inakzeptablen Risi-ken verbunden ist, empfiehlt der WBGU, bestehendeKernkraftwerke mit dem Ende der derzeitigenBetriebsgenehmigungen auslaufen zu lassen undkeine weiteren mehr zu bauen.

Das Gefährdungspotenzial von Fusionskraftwer-ken scheint ebenfalls beträchtlich zu sein. Da dieseKraftwerke – wenn überhaupt – frühestens in derzweiten Hälfte unseres Jahrhunderts zur Verfügungstehen, empfiehlt der Beirat, Fusionskraftwerke fürdie Energiewende nicht zu berücksichtigen.

Das nachhaltige Potenzial der Kernenergie wirdvom Beirat daher mit Null angenommen. Wegen derbestehenden Pfadabhängigkeiten wird ein realisti-sches weltweites Ausstiegsszenario diesen Wert aberkaum vor 2050 erreichen können. Dabei wird davonausgegangen, dass die derzeit im Bau befindlichenKernkraftwerke in Asien sowie Mittel- und Osteu-ropa noch ans Netz gehen. Der maximale Beitrag derKernenergie zur weltweiten Stromversorgungkönnte im Zeitraum 2010–2020 bei 12 EJ pro Jahr lie-gen (Tab. 4.4-1).

3.2.3Wasserkraft

3.2.3.1Globale Potenziale

Heute sind weltweit 45.000 große Staudämme inBetrieb, davon etwa 300 „Megastaudämme“(ICOLD, 1998). Nahezu alle großen Staudämmehaben neben Hochwasserschutz,Wasserspeicherung,Bewässerungslandwirtschaft und Verbesserung derSchifffahrtswege auch Elektrizitätsgewinnung alseines der wesentlichen Ziele (WCD, 2000). KleineWasserkraftwerke erfordern höhere Investitionskos-ten pro installierter Leistung, daher werden 97% desStroms aus Wasserkraft von großen Wasserkraftwer-ken mit mehr als 10 MW Leistung geliefert (UNDPet al., 2000). Das theoretische Wasserkraftpotenzialder Erde wird auf ca. 150 EJ pro Jahr geschätzt.Davon können ca. 50 EJ pro Jahr als technischesPotenzial und ca. 30 EJ pro Jahr als wirtschaftlichesPotenzial eingestuft werden (Horlacher, 2002; Tab.3.2-4).Andere Autoren kommen zu ähnlichen Schät-zungen (UNDP et al., 2000; IPCC, 2001c). Das glo-bale wirtschaftliche Potenzial der Wasserkraft ist bis-her zu ca. einem Drittel ausgenutzt, wobei sich derGrad der Ausnutzung zwischen den Ländern undRegionen erheblich unterscheidet. Große Wasser-kraftpotenziale sind noch in Afrika, Asien und Süd-amerika vorhanden, während sie in Nordamerikaund Mitteleuropa (auch in Deutschland) weitgehendausgenutzt sind. Es gibt Prognosen, nach denen sichdie installierte Leistung in 50 Jahren auf weltweitüber 1.400 GW mehr als verdoppeln ließe (Horla-cher, 2002). Megaprojekte mit einer Leistung vonüber 10 GW werden dabei die Ausnahme sein. DieMehrheit der neuen Projekte wird im mittleren Leis-tungsbereich von 0,1–1 GW liegen.

3.2.3.2Technik

Die bei Wasserkraftanlagen verwendete Technik istausgereift und gilt als äußerst zuverlässig. Entwederwird durch das Aufstauen eines Gewässers die zurWasserkraftnutzung erforderliche Fallhöhe erreicht,oder es wird bei geringem Gefälle eine hohe Abfluss-menge direkt durch Turbinen geleitet (Laufwasser-kraftwerke). Wasserkraftanlagen benötigen sehrhohe Investitionen für den Bau, haben jedoch dafüreine hohe Lebensdauer (≥100 Jahre), niedrigeBetriebskosten, einen geringen Wartungsaufwandund einen sehr hohen Wirkungsgrad. Das Betriebs-

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57Energieträger 3.2

mittel Wasser ist erneuerbar und kostenlos. Kraft-werke mit Stauseen haben eine schnelle Einsatz-bereitschaft (z. B. 1 GW in ca. 5–10 min) und könnensomit zur Spitzenstromerzeugung und zum Ausgleichextremer Laständerungen in einem elektrischen Ver-sorgungsnetz verwendet werden (Kap. 3.4.3). MitWasserspeicheranlagen (Pumpspeicherwerke) kön-nen große Energiemengen bei nur geringen Verlus-ten gespeichert werden.

3.2.3.3Umwelt- und Sozialfolgen

Wichtige Motivation für wasserbauliche Großpro-jekte ist die zunehmende Nachfrage nach Elektri-zität und Bewässerungslandwirtschaft, häufig gekop-pelt mit dem Wunsch nach effektiver Hochwasser-kontrolle und dem Ausbau der Schifffahrtswege. Inder Tat haben viele große Dämme diese Erwartun-gen erfüllt und erhebliche sozioökonomische Vor-teile und wichtige Beiträge für die Entwicklunggebracht, die aber häufig ungenügend mit den ökolo-gischen und sozialen Nachteilen abgewogen wordensind (WCD, 2000).

Wirkungen auf ÖkosystemeGroße Staudämme lösen oft komplexe Nebeneffekteauf Landschaften und Ökosysteme aus (WCD, 2000;McCully, 1996; Pearce, 1992). Zunächst verursachtein Stausee den direkten Verlust von Landflächenund ihren Ökosystemen. Außerdem haben die Sper-rung eines Flussabschnitts und Umwandlung in einstehendes Gewässer weit reichende hydrologischeund ökologische Folgen. Die Speicherung oderUmleitung von Wasser durch den Damm verändertdas Abfluss- und Sedimentregime in Quantität, Qua-lität und Dynamik auf drastische Weise.

Stauseen wirken als Sedimentfallen, so dass welt-weit jährlich 0,5–1% der Speicherkapazität der Stau-seen durch Versandung verloren gehen (Mahmood,1987). Unterhalb des Damms ist die Sedimentmengeverringert und die Sedimentdynamik verändert, wasnicht nur die Ökologie des Flussbetts selbst negativbeeinflusst, sondern auch an der Flussmündungerhebliche Schäden durch Küstenerosion verursa-chen kann (z. B. Nil: Stanley und Warne, 1993; Indus:Snedacker, 1984). Auch andere wichtige Faktoren(Nährstoffe, Temperatur und Wasserchemie) werdenverändert, so dass die negativen ökologischen Aus-wirkungen flussabwärts weithin spürbar sind. Insge-samt sind Dämme ein wesentlicher Faktor für dieweltweite Gefährdung der biologischen Vielfalt derSüßwasserfauna und -flora (McAllister et al., 2000).

Emissionen von TreibhausgasenDie einfache These der Klimafreundlichkeit vonWasserkraft lässt sich nicht bei allen Projekten auf-recht erhalten, denn durch den Abbau von Biomasseim Stausee gelangen die Treibhausgase Kohlendioxidund Methan in die Atmosphäre (WCD, 2000). Durcheine Aufstauung werden häufig naturnahe Wälder,die eine Senke für Treibhausgase bilden können,durch einen Stausee ersetzt, der eine Emissions-quelle darstellt, aber durch Sedimentbildung auchKohlenstoff speichern kann (Raphals, 2001). Diesegegenläufigen Effekte sind stark abhängig u. a. vomKlima, der Geländetopographie sowie den Klimabi-lanzen der überfluteten Ökosysteme und des entste-henden Stausees. Bei einem flachen, tropischen Stau-see z. B. können die Emissionen größer sein als beieinem fossilen Kraftwerk gleicher Leistung (Fearn-side, 1995, 1997; IPCC, 2001b), während bei tiefenStauseen in hohen geographischen Breiten oderwenn die überfluteten Ökosysteme stark Treibhaus-gase emittiert haben, die fossile Option deutlich kli-maschädlicher sein dürfte (Svensson, 1999). Für die

Region theoretischesPotenzial[EJ/a]

technisches Potenzial[EJ/a]

wirtschaftlichesPotenzial[EJ/a]

bereits genutz-tes Potenzial[EJ/a]

derzeit instal-lierte Leistung[GW]

im Bau odergeplant[GW]

Afrika 14,0 6,8 4,0 0,3 20,6 76,8

Asien 69,8 24,5 13,0 2,9 241 223

Australien 2,2 1,0 0,4 0,2 13,3 0,9

Europa 11,6 3,7 2,8 2,1 176 10

Nord- und Mittelamerika 22,7 6,0 3,6 2,5 158 16

Südamerika 22,3 9,7 5,8 1,9 111,5 50,2

Welt 143 51,7 29,5 9,9 720 377

Tabelle 3.2-4Potenziale der Wasserkraft nach Kontinenten. Erläuterungen zu den Definitionen der unterschiedlichen Potenziale s. Kasten3.1-1.Quelle: Horlacher, 2002

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58 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Beurteilung der Klimawirkung von Wasserkraftwer-ken müssten für jeden Einzelfall die langfristigenTreibhausgasbilanzen vor und nach der Überflutungmiteinander verrechnet und dabei auch die Sekun-däreffekte berücksichtigt werden (z. B. durchUmsiedlung ausgelöste Rodung, veränderte Kohlen-stoffflüsse oberhalb und unterhalb des Damms;WCD, 2000). Das Erstellen von vollständigen Klima-bilanzen von Wasserkraftprojekten bleibt eine wich-tige Forschungsaufgabe für die Zukunft.

TechnologierisikenStaudämme können brechen, was durch plötzlichesFreiwerden großer Wassermassen zu vielen Opfernund schweren Schäden führen kann. Die bisherschwerste Staudammkatastrophe ereignete sich wäh-rend eines Taifuns im August 1975 in Henan, China.62 Staudämme wurden zerstört, allein durch denBruch des Banqiao-Damms wurden 500 Mio. m3

Wasser freigesetzt, Dörfer und kleine Städte ausge-löscht. Mehr als 200.000 Menschen verloren ihrLeben (McCully, 1996). 2,2% aller vor 1950 gebautenDämme haben versagt, während bei den spätergebauten Dämmen dieser Anteil mit unter 0,5%deutlich niedriger liegt (WCD, 2000). Da bei der Pla-nung von Dämmen meist vom bisherigen langjähri-gen Mittel der klimatischen und hydrologischen Ver-hältnisse ausgegangen wurde, kann der globale Kli-mawandel durch veränderte extreme Niederschlags-ereignisse zusätzliche Sicherheitsrisiken mit sichbringen. Weitere Risiken liegen im vorsätzlichenZerstören von Staudämmen bei militärischen Kon-flikten oder durch Terrorismus.

Wirkungen auf die menschliche GesundheitDurch den Stausee und angeschlossene Bewässe-rungsprojekte werden große Flächen mit stehendemWasser bedeckt. Dies führt in den Tropen zu einemerhöhten Risiko für an Wasser gebundene Infek-tionskrankheiten (Nash, 1993). Nach dem Bau tropi-scher Staudämme treten häufig erheblich erhöhteInfektionsraten von Bilharziose auf, z. B. stiegenbeim Akosombo-Damm in Ghana die Raten bei Kin-dern von unter 10% auf 90% (1966–69; McCully,1996). Malaria, Enzephalitis, Rift-Valley-Fieber, Fila-riosen, Vergiftungen durch Toxine aus giftigen Blau-algen und durch aus dem überfluteten Boden gelös-tem Quecksilber sind weitere Beispiele für lebensbe-drohliche direkte Gesundheitsfolgen (WCD, 2000;McCully, 1996). Es müssen aber auch die indirektenKonsequenzen durch die schlechtere Wasserqualitätdes stehenden Gewässers (Diarrhö) und Mangel-ernährung als Folge der Zerstörung gesellschaft-licher Lebenszusammenhänge, durch die Überflu-tung fruchtbarer Böden und die Umsiedlung derlokalen Bevölkerung bei der Bewertung berücksich-

tigt werden (Lerer und Scudder, 1999). Im günstigenFall können Stauseen die Wasserversorgung verbes-sern sowie Bewässerungslandwirtschaft und Fische-rei ermöglichen, was sich positiv auf die Ernährungs-sicherheit auswirkt.

Soziale und gesellschaftliche Folgen Wasserkraft liefert etwa 19% des weltweiten Strom-angebots und ist somit derzeit die bei weitem größteerneuerbare Energiequelle für die Stromproduktion.In 24 Ländern trägt sie mit mehr als 90% zur Strom-versorgung bei. Beim Bau der meisten großen Was-serkraftwerke gab es zwar Kosten- und Zeitüber-schreitungen, aber die geplanten elektrischen Leis-tungen und die ökonomische Profitabilität wurden inder Regel erreicht (WCD, 2000).

Großstaudämme bringen aber auch Verlierer her-vor, vor allem die unter Zwang und teils erheblicherVerletzung der Menschenrechte umgesiedelteBevölkerung. Im 20. Jahrhundert waren davon 30–80Mio. Menschen betroffen und das 21. Jahrhundertbeginnt ähnlich: der Drei-Schluchten-Damm inChina wird mehr als 1,1 Mio. Menschen vertreiben,der Pa-Mong-Damm (Laos und Thailand) 500.000Menschen (WCD, 2000; UNDP et al., 2000). Häufighaben die betroffenen Bevölkerungsgruppen wederadäquate Kompensation für die erlittenen Vermö-genseinbußen noch geeignete landwirtschaftlicheErsatzflächen erhalten, erst Recht nicht, wenn sieweit entfernt flussabwärts siedeln. Nicht monetär zuerfassen ist der Verlust an kulturellen und religiösenWerten sowie an sozialem Zusammenhalt und gesell-schaftlicher Identität. Dies trifft besonders die indi-genen Gemeinschaften, deren Kultur und Lebensstilin der Tradition verwurzelt und sehr eng mit demStandort und seinen natürlichen Ökosystemen ver-knüpft ist (McCully, 1996). Die Analyse von Fallstu-dien belegt, dass Partizipation der betroffenen Men-schen bei bisherigen Staudammprojekten kaum eineRolle spielte, Entschädigungszahlungen meist unzu-reichend waren und die angesprochenen sozialenEffekte in den Planungen der Dammkonstrukteureregelmäßig unberücksichtigt blieben (WCD, 2000).

Nachhaltigkeit von WasserkraftZwangsumsiedlung, mangelnde Partizipation, unge-rechte Verteilung der ökonomischen Vorteile undnegative ökologische Konsequenzen der Dammbau-ten schaffen gesellschaftliches Konfliktpotenzial(Bächler et al., 1996).Als Reaktion nahm in den letz-ten Jahrzehnten der politische Widerstand gegenStaudämme zu (UNDP et al., 2000), was nicht ohneEinfluss auf Kreditgeber und internationale Institu-tionen blieb. Es setzte langsam ein Umdenken undschließlich ein offener Diskussionsprozess ein. ZumBeispiel überprüfte die Weltbank, die einen erheb-

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59Energieträger 3.2

lichen Anteil an der Finanzierung vieler großerDammbauten in Entwicklungsländern hatte, imNachhinein die von ihr mit finanzierten Projekte. DieUmwelt- und Sozialverträglichkeit neuerer Projektehat heute bei den multilateralen Finan-zierungsinstitutionen einen wesentlich höheren Stel-lenwert.

Für alle wasserbaulichen Projekte sollte die Ein-haltung international vereinbarter Leitlinien derNachhaltigkeit (z. B. Weltbank, OECD) dafür sor-gen, dass sie ökologisch und sozial verträglich umge-setzt werden. Wasserkraftprojekte sind demnachimmer dann zu meiden, wenn alternative, nachhalti-gere und langfristig nicht erheblich teurere Energie-optionen entwickelt werden können. Diese interna-tionalen Leitlinien stehen nicht unbedingt in Ein-klang mit der oft weniger anspruchsvollen nationa-len Gesetzgebung, die häufig zum Nachteil derbetroffenen Bevölkerung und des Naturschutzesangewandt wird. So wurde z. B. die Hälfte der großenStaudämme ohne Beachtung der Umweltfolgen fürdie stromabwärts liegenden Ökosysteme gebaut(Dixon et al., 1989).

Auf internationaler Ebene fand die Nachhaltig-keitsdiskussion in den Analysen und Empfehlungender World Commission on Dams ihren vorläufigenHöhepunkt (WCD, 2000). Die Kommission hat es indiesem schwierigen Umfeld vermocht, durch dasZusammenführen von Repräsentanten mit unter-schiedlichen Interessen auf internationaler Ebene ineinem ergebnisoffenen und konsensualen Prozesseine Grundlage für die Bewertung von großen Stau-dammprojekten zu erarbeiten (WCD, 2000). DasErgebnis ist beeindruckend: auch wenn einige Staa-ten (z. B. China, Indien, Türkei) und Akteure (z. B.International Commission on Large Dams – ICOLD,International Hydropower Association – IHA, Inter-national Commission on Irrigation and Drainage –ICID;Varma et al., 2000) nicht mit allen Ergebnisseneinverstanden sind, haben der Bericht der Kommis-sion und die dort enthaltenen Empfehlungen insge-samt ein positives Echo hervorgerufen. Es mangelthäufig weder an Problembewusstsein noch an Leitli-nien für Nachhaltigkeit, sondern an den institutionel-len Rahmenbedingungen. Daher ist die kohärenteAnwendung der Nachhaltigkeitsleitlinien in der Pra-xis nur selten in zufrieden stellender Weise möglich.Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen, wenn imLaufe der kommenden Jahrzehnte ein zunehmenderTeil der ökonomisch attraktiven Projekte nachhaltiggeplant und durchgeführt werden soll:• Naturschutz sicherstellen: Ein weltweites Schutz-

gebietssystem zur Erhaltung des Naturerbes (Kap.4.4.1.3; WBGU, 2000) sollte garantieren, dass vonden unterschiedlichen Typen von Flussökosyste-men (inklusive ihrer Einzugsgebiete) jeweils ein

bestimmter Anteil unberührt, d. h. vor allem freifließend bleibt. Die bisherigen Erfahrungen zei-gen, dass besonders im Einzugsbereich möglicherzukünftiger Wasserkraftprojekte rasch ein vor-sorglicher Schutz ökologisch wertvoller Gebieteerfolgen muss, da anderenfalls – allen Leitlinienzum Trotz – vorzeitig „Tatsachen“ in Form vonAbholzung usw. geschaffen werden könnten.

• Wissenschaftliche Basis schaffen: Oft fehlen öko-logische, soziale und andere orts- und fallspezifi-sche Grunddaten für Nachhaltigkeitsanalysen undden Vergleich mit alternativen Optionen. Erhebli-che Investitionen in eine bessere wissenschaftli-che Datenbasis über die kommenden 5–15 Jahresind daher eine zentrale Voraussetzung für dennachhaltigen Ausbau der Wasserkraft (Kap. 6.3.1).Diese Datenbasis sollte unabhängig von Einzel-projekten auf der Basis der Einzugsgebiete vonunabhängigen regionalen Forschungszentrenerarbeitet werden (z. B. INPA im Amazonasgebietoder ICIMOD im Himalaya; von BiebersteinKoch-Weser, 2002).

• Teilnahme der betroffenen Bevölkerung sicherstel-len: Durch detaillierte Vorarbeiten und Partizipa-tion der betroffenen Bevölkerung können vielenegative Auswirkungen mit Vorsorge- und Kom-pensationsmaßnahmen eingedämmt werden. Bis-herige Konsultationen kranken oft daran, dass siedie Besorgnisse, Forderungen oder ProtesteBetroffener an die Öffentlichkeit bringen, ohnedass diese von Projektleitung oder Regierungs-stellen wirklich berücksichtigt würden.

• Institutionelle Mängel vor Ort beheben: Eine stär-kere Vertrauensbasis und bessere Akzeptanz las-sen sich durch ein effizientes Mediations- undGerichtsbarkeitssystem schaffen. Umweltverträg-lichkeitsprüfungen (UVP) dürfen nicht erst nach-träglich zur Rechtfertigung des Projekts durchge-führt werden, sondern müssen vor der Festlegungzu Gunsten einer bestimmten Projektoption aus-gewertet werden. Die zuständigen Regierungs-behörden der Entwicklungsländern müssen in derLage sein, die UVP auf hohem technischenNiveau und mit ausreichender Ortskenntnis prü-fen und hinterfragen zu können. Daher sindweiterhin erhebliche Investitionen in den Aufbauvon Kapazitäten notwendig. Für grenzübergrei-fende Einzugsgebiete sollten länderübergreifendeRegionalinstitutionen zur Wasserkraftentwick-lung geschaffen werden. Diese könnten bei derAnalyse regionaler Standortalternativen helfen,die auch indirekte und kumulative Auswirkungen(z. B. Serien von Projekten an einem Fluss) imBlick haben.

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60 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

3.2.3.4Bewertung

Es sind keineswegs alle Dammbauprojekte negativzu beurteilen (WCD, 2000). Die Umsetzung der inKap. 3.2.3.3 vorgestellten Empfehlungen kannzusätzliches nachhaltiges Potenzial der Wasserkraftzugänglich machen, was allerdings ein hohes Maß anlangfristiger, internationaler Zusammenarbeit unddie enge Integration von Entwicklungspolitik,Exportfinanzierung und Energieplanung (z. B. Welt-bank, Regionalbanken und Exportkreditagenturen)voraussetzt.

Allgemeine Angaben über das weltweite nachhal-tige Potenzial von Wasserkraft können kaum gewagtwerden, da sie von vielen Faktoren und der Entwick-lung der oben genannten wissenschaftlichen undinstitutionellen Rahmenbedingungen abhängen. Esbleibt zwar ein großes technisches Wasserkraftpoten-zial (Kap. 3.2.3.1; Tab. 3.2-4; Horlacher, 2002), dieRealisierung in den kommenden Jahrzehnten imSinn der Nachhaltigkeit ist aber nur in Ausnahmefäl-len verantwortbar (von Bieberstein Koch-Weser,2002).

Der Beirat schätzt die nutzbaren Potenziale insge-samt geringer ein als andere Quellen (z. B. UNDP etal., 2000), da die fehlenden Voraussetzungen für dieAnwendung international anerkannter Nachhaltig-keitskriterien den Spielraum stark einengen. Diemeisten der wirtschaftlich attraktiveren, wenigerkontroversen Projekte sind bereits in der Vergangen-heit realisiert worden. So sind z. B. in Nordamerikaund Mitteleuropa (auch in Deutschland) kaumzusätzliche nachhaltig nutzbare Potenziale vorhan-den. Außerdem werden zukünftige Wasserkraftpro-jekte wegen der zu Recht gestiegenen Anforderun-gen an Umwelt- und Sozialverträglichkeit deutlichschwieriger umzusetzen sein. Viele der verbleiben-den Projektoptionen befinden sich in schwer zugäng-lichen Tropenwald- oder Bergregionen, wo die Kom-plexität der Ökosysteme (Südamerika, Südostasien,Afrika), die Verletzlichkeit indigener Bevölkerungen(Kolumbien, Brasilien, Laos, Vietnam) oder geologi-sche Risiken (Himalaya) große Herausforderungendarstellen. Andere Projektoptionen befinden sich indicht besiedelten Regionen, wo große Umsiedlungs-programme erforderlich wären (Indien, China, Süd-brasilien).

Wenn während der nächsten 10–20 Jahre die not-wendigen Rahmenbedingungen (Investitionen inForschung, Institutionen, Kapazitätsaufbau usw.)geschaffen werden, könnte bei entsprechenderUmsicht nach und nach etwa ein Drittel des heutegenutzten Potenzials zusätzlich zugänglich gemachtwerden, das sind insgesamt ca. 12 EJ pro Jahr bis2030. Nur bei Erfüllung der oben genannten Voraus-

setzungen könnte sich der Wert bis 2100 auf ca. 15 EJpro Jahr steigern lassen (Tab. 4.4-1).

3.2.4Bioenergie

3.2.4.1Potenziale moderner Bioenergie

Nach Angaben der Weltbank beträgt der Anteil tra-ditioneller Biomassenutzung derzeit 7,2% des globa-len Primärenergieeinsatzes. In den Entwicklungslän-dern werden durchschnittlich 35% der Energie ausBiomasse gewonnen, in manchen Ländern Afrikassogar bis zu 90%. Rund 2,4 Mrd. Menschen hängenzur Energieversorgung ausschließlich von traditio-neller Biomassenutzung ab (IEA, 2002c). Hierzuzählt der Einsatz von Brennholz, Holzkohle undDung zum Kochen und Heizen in privaten Haushal-ten. Die Verwendung traditioneller Biomasse vor-wiegend in den ärmsten Ländern sowie ihre Nach-teile für Umwelt und Gesundheit sind der Grund fürihren schlechten Ruf als veraltete Energiequelle.Dennoch bietet Biomasse für die zukünftige Ener-giegewinnung ein erhebliches Potenzial, das effizien-ter und weitgehend frei von gesundheitlichen Wir-kungen genutzt werden könnte.

Formen energetisch nutzbarer Biomasse undTechnologienUnter energetisch nutzbarer „moderner“ Biomasseversteht man folgende Komponenten:• landwirtschaftliche Reststoffe (z. B. Stroh, Dung,

Reisspelzen), soweit ohne Nährstoffverluste derAckerböden verwertbar;

• Waldrest- und Schwachholz, soweit es nicht ausökologischen Gründen im Wald verbleiben mussoder aus ökonomischen Gründen anderweitigverwendet wird;

• Industrierestholz und Gebrauchtholz (ebenfallsunter ökonomischen Restriktionen);

• speziell zum Zweck der Energiegewinnung ange-baute ein- oder mehrjährige Energiepflanzen.

Die Möglichkeiten der energetischen Nutzung vonBiomasse hängen vom Spektrum der eingesetztenBioenergieträger ab. Neben der Verbrennung vonBiomasse zur Erzeugung von Wärme und/oderStrom befinden sich verschiedene weitere Technolo-gien im Versuchsstadium bzw. auf dem Weg zurMarktfähigkeit. Erprobt wird auch die Weiterent-wicklung der Stromerzeugung durch Vergasungfester Biomasse sowie eine Kopplung mit der Was-serstoffwirtschaft.

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61Energieträger 3.2

Technische und wirtschaftliche Potenzialeder Biomassenutzung in DeutschlandTabelle 3.2-5 fasst die technischen und wirtschaft-lichen Potenziale von Biomasse für eine energetischeNutzung in Deutschland zusammen. Anhand derdetaillierten Erhebung für Deutschland soll das Prin-zip erläutert werden, nach dem die Potenziale aufeuropäischer und globaler Ebene erhoben wurden.

FlächenverteilungDie Fläche Deutschlands von 35,7 Mio. Hektar istaufgeteilt in landwirtschaftlich genutzte Flächen(53,5%),Wald (29,4%), Siedlungen (12,3%) und son-stige Flächen (4,7%) (Statistisches Bundesamt,2002). Naturschutzgebiete (ohne Wattenmeerflä-chen) machen 2,6% der Landesfläche aus, National-parke und Biosphärenreservate weitere 6,4% (BfN,2002). Da sich ein Teil der Naturschutzgebiete mitden Kernzonen der Biosphärenreservate und Natio-nalparke überschneidet, beziffert die EuropeanEnvironment Agency den Anteil der geschütztenLandbiotope an der Gesamtfläche mit 8,3% (Moss etal., 1996). Angestrebt wird durch die Novellierungdes Bundesnaturschutzgesetzes die Einrichtungeines Biotopverbundsystems, das mindestens 10%der Landesfläche umfassen soll.

2 Mio. ha Stilllegungsflächen (Kaltschmitt et al.,2002), d. h. vorübergehend nicht der Nahrungsmittel-produktion dienende Agrarflächen, könnten entwe-der als Anbauflächen für Energiepflanzen, als Natur-schutzflächen oder als Aufforstungsflächen zur Koh-lenstoffspeicherung gemäß Kioto-Protokoll verwen-det werden. Je nach Nutzungsform ergeben sichdabei unterschiedliche technische und wirtschaftli-che Potenziale der Bioenergieerzeugung bzw. derEinsparung von Kohlendioxidemissionen.

Potenziale der ForstwirtschaftIn Deutschland werden vom Holzzuwachs mit 40,3Mio. t Trockenmasse pro Jahr (UN-ECE und FAO,2000) nur knapp 17 Mio. t als Derbholz stofflichgenutzt. Für die energetische Nutzung stünden damit9,6 Mio. t Waldrestholz, 7 Mio. t Schwachholz und 6,6Mio. t ungenutzter Zuwachs zur Verfügung (Tab. 3.2-5). Aus waldbaulichen und ökonomischen Gründenbeträgt das wirtschaftlich und nachhaltig nutzbarePotenzial bei Schwach- und Waldrestholz nur ca. 10Mio. t pro Jahr. Hinzu kommen etwa 8,2 Mio. t anIndustrieholz und Gebrauchtholz. Es scheint nichtprofitabel zu sein, die 0,2 Mio. t Landschaftspflege-holz zu bergen. Auch die energetische Verwertungdes ungenutzten Zuwachses ist aus ökologischerSicht abzulehnen. So stehen von 31,7 Mio. t nur ca. 18Mio. t Trockenmasse pro Jahr als wirtschaftlich nutz-bares Potential zur Verfügung. Das wird sich auch bis2030 kaum ändern, da ein zunehmender Bedarf für

die stoffliche Verwertung (Papier, Verpackungenusw.) zu erwarten ist. Das Energiepotenzial holzarti-ger Biomasse sinkt damit auf ca. 340 PJ pro Jahr,äquivalent zu ca. 6,8 Mio. t Kohlenstoff. Berücksich-tigt man die Nährstoffversorgung der Wälder, dannist es langfristig nicht nachhaltig, Reisholz und dünneÄste energetisch zu nutzen. Das ökologisch nachhal-tige Potenzial liegt deshalb ca. 20% unter dem wirt-schaftlichen Potenzial.

Potenziale der LandwirtschaftIn der Landwirtschaft kann mit einem nachhaltigenEnergiepotenzial von 315 PJ pro Jahr (entsprechend6 Mio. t Kohlenstoff pro Jahr) gerechnet werden.10% des Mähguts von Dauergrünland, 20% desStrohs, Exkremente und verschiedene Abfälle könn-ten energetisch genutzt werden (z. B. für die Biogas-produktion; Kaltschmitt et al., 2002). Je nach Ener-gieträger gäbe es ein zusätzliches Energiepotenzialvon 100–420 PJ pro Jahr (1,8–8 Mio. t Kohlenstoff),wenn Stilllegungsflächen für Energiepflanzen ge-nutzt würden. Die hohe Spannbreite ergibt sich ausunterschiedlichen Zuwächsen und dem Aufwand fürdie Kultivierung energetisch nutzbarer Pflanzen. Beider Bewertung dieses Potenzials ist jedoch zuberücksichtigen, dass die derzeitige Praxis der Flä-chenstilllegung durch eine langfristige ökologischeFlächenstilllegung ersetzt werden soll, die keineMöglichkeit der Förderung der Energiepflanzener-zeugung mehr bietet (EU-Kommission, 2002).

Subventionen, betriebliche Flexibilität undandere Gründe führen dazu, dass die Landwirte denAnbau einjähriger Pflanzen bevorzugen, die denEinsatz von Pestiziden und Dünger erforderlichmachen. Da mehrjährige Pflanzen bei geringeremDüngerverbrauch, ohne Pestizideinsatz und beigeringer Bodenbearbeitung höhere Energieerträgeliefern, sind sie aber vorzuziehen (Börjesson et al.,1997). Für einjährige Arten liegt das ökologischnachhaltige Potenzial ca. 30% unter dem wirtschaft-lichen Potenzial.

Bioenergie könnte in Deutschland maximal ca.11% der energiebedingten Kohlendioxidemissionenaus dem Jahr 2000 kompensieren sowie 7–9% derEnergienachfrage decken (technische Potenziale;Tab. 3.2-6).

Potenziale der Biomassenutzung undKohlenstoffspeicherung in der EUDie Unsicherheit bei der Schätzung der technischenPotenziale der Biomassenutzung in der Europäi-schen Union (EU-15) ist selbst für eine Region mitguter statistischer Dokumentation groß. Die Potenzi-alabschätzungen reichen von 4.300 bis zu 10.100 PJpro Jahr, mit einem Median bei 5.700 PJ pro Jahr undeinem Mittelwert bei 6.100 ± 1.900 PJ pro Jahr. Die

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62 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Tabelle 3.2-5Technisches und wirtschaftliches Bioenergiepotenzial Deutschlands. Die C-Äquivalente geben an, welche Menge anklimawirksamen Emissionen (Kohlendioxid, Lachgas, Methan, jeweils ausgedrückt in C) gegenüber der Nutzung fossilerEnergieträger vermieden wurde (bezogen auf den aktuellen Brennstoffmix Deutschlands). Gesamtfläche Deutschlands:35,7 Mio. ha. Das wirtschaftliche Potenzial bezieht sich auf das Jahr 2001.Quellen: Kaltschmitt et al., 1997; Hanegraaf et al., 1998; Freibauer, 2002; Kaltschmitt et al., 2002

Fläche

[Mio. ha]

nutzbare Menge

[Mio. tTG/a] [t/ha/a]

Biogas

[Mio. m3/a]

Heizwert

[MJ/kg]

Energie-potenzial[PJ/a]

C-Äquivalente

[Mio. t/a]

TECHNISCHES POTENZIAL

Wald 10,5Waldrestholz 9,6 0,9 18,6 179 3,6Schwachholz 7,0 0,7 18,6 130 2,6Zuwachs Stamm 6,6 0,6 18,6 123 2,5Industrieholz 3,1 18,6 58 1,2Gebrauchtholz 4,3–6,0 18,6 80–112 1,6–2,4Landschaftspflege 0,4 0,2 0,5 18,6 4 0,1Summe Energieholz 10,9 30,8–32,5 573–605 11,5–12,1

LandwirtschaftDauergrünland 5,1

Wiesen 4,1 0,9–1,4 0,2–0,3 750–1.100 17,7 16–24 0,3–0,5Sonstige 1,0

Ackerland 11,8Getreide, Mais, Raps 8,1 7,6 0,9 17,0 130 2,5Anderes Ackerland 3,7 0,8–1,5 0,1–5,0

Andere LW-Flächen 2,2Summe Landwirtschaft 19,1 9,3–10,5 750–1.100 146–154 2,8–3,0

Siedlungen und SonstigeSiedlungen 4,4Sonstige 1,7Landschaftspflege 0,4–0,9 280–560 14,2 6–12 0,2Exkremente 15,5 4.500 6,2 97 1,8Siedlungsabfälle 1,5 580 8,3 13 0,2Industrieabfälle 0,5–1,0 300–375 12,5 6–12 0,2Klär-/Deponiegas 2,0 2.450–3.050 18,8 35–41 0,7Summe Abfälle 20–21 8.110–9.065 156–174 3,1

Stilllegungsfläche a) 2Kurzumtriebswälder 2 18 9,0 18,5 333 >6,4Energiegräser 2 24 12,0 17,6 422 7,5–8,1Getreideganzpflanzen 2 20 10,0 17,0 340 3,3–6,5Rapsöl 2 37,3 102 1,8Summe Energiepflanzen 2 18–24 9,0–12,0 102–422 1,8–8,1

Gesamtsumme 77–88 8.860–10.165 977–1.355 18,9–25,8

WIRTSCHAFTLICHES POTENZIAL

Wald 18,2 339 6,8Waldrestholz 6,5 18,6 121 2,4Schwachholz 3,5 18,6 65 1,3Industrieholz 3,1 18,6 58 1,2Gebrauchtholz 5,1 18,6 95 1,9

Landwirtschaft u. Abfälle 29–35 315 6,0Grünland 1,1 17,6 20 0,4Stroh 7,6 17,0 130 2,5Biogas 20,5 8.588 165 3,1

Energiepflanzen 18–24 17,0–18,6 102–422 1,8–8,1

Gesamtsumme 65–77 756–1.076 14,6–20,9

a)alternative Nutzungen

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63Energieträger 3.2

folgenden Betrachtungen beziehen sich auf Kalt-schmitt et al., 2002 (mit Ergänzungen), dessen Wertmit 5.200 PJ pro Jahr unterhalb des Mittelwerts derSchätzungen aus der Literatur (Hall und House,1995; EU-Kommission, 1998;AEBIOM, 1999; Grassi,1999; Ministry of Trade and Industry, 1999; FNR,2000; fesa, 2002) liegt, dem Medianwert jedoch nahekommt.

Die technischen und wirtschaftlichen Potenzialeder Bioenergie sowie der C-Speicherung durch ver-änderte Bewirtschaftungsmethoden in der EU sindin Tab. 3.2-7 dargestellt. Das technische Bioenergie-potenzial der EU beträgt 5.225 PJ pro Jahr, womit8,6% des Energieeinsatzes des Jahres 2000 (60.926PJ; Eurostat, 2002) gedeckt werden könnten. Dasgesamte C-Einsparungspotenzial durch die Nutzungvon Bioenergieträgern und die Schaffung von Sen-ken durch veränderte Bewirtschaftungsmethodenliegt bei ca. 160 Mio. t C-Äquivalenten (14% derenergiebedingten Emissionen des Jahres 1990). Daswirtschaftliche Potenzial liegt wesentlich unter die-sem Wert, da Senkenkapazität und Bioenergie teil-weise um die gleichen Flächen konkurrieren. Auchökologische Restriktionen wie das vermehrte Auf-treten von Lachgasemissionen bei reduziertem Pflü-gen schränken das Potenzial weiter ein (Freibauer etal., 2002). Bei nachhaltiger Nutzung von 60% destechnischen Potenzials erreicht der Anteil der Bio-energie mit 3.134 PJ pro Jahr nur 5,1% des Primär-energieeinsatzes (Jahr 2000). Das wirtschaftlicheSenkenpotenzial läge bei 119 Mio. t C oder 10,3%der Emissionen.

Die energetische Nutzung von Biomasse ersetztetwa die gleiche Menge an fossilem Kohlenstoff wiedie durch Bewirtschaftungsmaßnahmen mögliche

Kohlenstoffspeicherung. Dabei wurde die Anrechen-barkeit der Speicherung im Kioto-Folgeprozessdurch das Bonner Abkommen 2001 begrenzt. DerZuwachs der Wälder in der EU beträgt 164 Mio. tKohlenstoff pro Jahr, 103 Mio. t davon werden gefällt(UN-ECE und FAO, 2000), und die verbleibenden 60Mio. t Kohlenstoff pro Jahr werden als Volumenzu-wachs in der Biomasse gespeichert. Diese Mengekann aus betrieblichen Gründen nicht zur energeti-schen Nutzung geerntet werden, sondern ist demSpeicher zuzuordnen. Der tatsächliche Effekt derForstwirtschaft liegt damit sogar 30% höher alsgeschätzt (60 Mio. t C gegenüber 39,4 Mio. t C; Tab.3.2-7).

Die Anrechnung der Speicherung durch Manage-ment ist für der Kohlenstoffbilanz der Erde vonaußerordentlicher Bedeutung, weil es der einzigeMechanismus ist, über den die Kohlenstoffvorräte inden Böden geschützt werden. Mit 1.500–2.000 Gt isteine außerordentlich große Menge Kohlenstoff inden Böden der terrestrischen Ökosysteme gespei-chert, die ca. 300 Jahre Emissionen durch Nutzungfossiler Brennstoffe bei derzeitigem Verbrauch ent-spricht. Da dieser Kohlenstoff durch Bewirtschaf-tungsmaßnahmen teilweise freigesetzt werden kann,muss der Schutz dieser Vorräte ein vorrangiges Zielzur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und Kli-mabedingungen sein (Kap. 3.6).

Globale Potenziale der BioenergieDer WBGU geht von einem global nachhaltig nutz-baren Bioenergiepotenzial von rund 100 EJ pro Jahraus (Tab. 3.2-8). 40% kommen aus forstwirtschaft-lichen Rückständen und Nebenprodukten, 17% auslandwirtschaftlichen Abfällen und etwa 7% aus der

Tabelle 3.2-6Zusammenfassung der technischen und wirtschaftlichen Potenziale für die energetische Nutzung von Biomasse und dieSpeicherung von Kohlenstoff in Deutschland. Zum Vergleich der Energieeinsatz in Deutschland in den Jahren 1990 und 2000.Quellen: Kaltschmitt et al., 1997; Hanegraaf et al., 1998; Freibauer, 2002; Kaltschmitt et al., 2002

Energiebilanz Kohlenstoffbilanz Anteil an Emissionen

[PJ/a] [Mio. t Ceq/a] [% Ceq]

Energieeinsatz 1990 17.402 330 100Energieeinsatz 2000 14.278 270 82

technisch wirtschaftlich technisch wirtschaftlich technisch wirtschaftlich

Bioenergie 977–1.355 756–1.076 19,2–26,3 14,6–20,9 5,8–8,0 4,4–6,3Forstwirtschaft 573–605 339 11,5–12,1 6,8 3,5–3,6 2,1Landwirtschaft 302–328 315 5,9–6,1 6,0 1,8–1,9 1,8Energiepflanzen 102–422 102–422 1,8–8,1 1,8–8,1 0,6–2,5 0,6–2,5

C-Speicherung 14,8 11 4,5 2,8–2,9Forstwirtschaft 8,5 8,5 2,6 2,6Aufforstung 1,2 0,0 0,4 0,0Landwirtschaft 5,1 0,5–1 1,5 0,2–0,3

Gesamt 34–41 26–32 10–13 7,2–9,1

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64 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Verbrennung von Dung. Energiepflanzen spielen mitweiteren 36% eine wichtige Rolle.

Um das Potenzial der Energiepflanzen zu ermit-teln, muss die maximale Anbaufläche bekannt sein.Dabei sind Nutzflächen zur Nahrungsmittelproduk-tion bei wachsender Weltbevölkerung sowie Schutz-flächen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt undder Ökosystemfunktionen zu berücksichtigen. Wüs-ten (19%) und Hangflächen in Gebirgen mit mehrals 30% Neigung (11%) kommen ebenfalls nicht inFrage (FAO Land and Plant Nutrition ManagementService, 2002).

Der Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche an derglobalen Landfläche beträgt rund 12,5%, davon wer-den 26,5% als Weiden genutzt. Wald wächst auf etwa30%. Weist man 20% als Schutzfläche bei Wäldernund natürlichen Grasländern aus, blieben global

maximal 10% für den Biomasseanbau übrig. Um dieNachhaltigkeit einer solchen Nutzung überprüfen zukönnen, muss das Potenzial für die einzelnen Konti-nente getrennt betrachtet werden (Tab. 3.2-9). Dabeifällt auf, dass im asiatischen Raum die vorhandenenBioenergiepotenziale bereits heute übernutzt wer-den.

Das errechnete technische Potenzial für Ener-giepflanzen erfordert eine Fläche von 322 Mio. Hek-tar, also etwa 2,5% der Landoberfläche, wenn inIndustrieländern und in Lateinamerika moderateErträge für Bioenergiepflanzen von ca. 6–7 t Tro-ckengewicht pro Hektar und Jahr erzielt werden sol-len. In Afrika sind Erträge dieser Größenordnungwegen magerer Böden und kleinbäuerlich organi-sierter Landwirtschaft vielerorts nur beim Anbauschnell wachsender Bäume wie beispielsweise Euka-

Fläche Tierzahl Nutzbarer Ertrag Gesamt-menge

Technisches Potenzial

[Mio. ha] [Mio. Stück Vieh] [tTG/ha/a] [t/Stück Vieh/a] [Mio. tTG/a] [PJ/a]

Forstwirtschaft 4.173 0,5 2.237 41.600Landwirtschaft 1.505 0,7 994 17.200Energiepflanzen 322 6,6 2.113 37.400Dung 1.599 0,8 1.220 7.600

Summe 103.800

Tabelle 3.2-8Globales technisches Potenzial biogener Festbrennstoffe. Da die Potenzialabschätzung vorsichtig vorgenommen wurde,können die angegebenen Werte als nachhaltig betrachtet werden.Quellen: FAO, 2002; Kaltschmitt et al., 2002

Heiz-wert[MJ/kg]

Menge

[Mio. tTG/a]

Energie-potenzial[PJ/a]

C-Äqui-valente[Mio. t Ceq/a]

Fläche

[Mio. ha]

ENERGIEPOTENZIAL

Forstwirtschaft 171,6 3.192 63,8 113Waldrest-/Brennholz 18,6 44,5 828 16,6Schwachholz 18,6 25,0 465 9,3Industrierestholz 18,6 67,0 1.246 24,9Altholz 18,6 26,8 498 10,0Landschaftspflegeholz 18,6 8,3 154 3,1

Landwirtschaft 63,8 1.098 20,3 74Stroh 17,2 53,2 915 16,9 36Nebenprodukte/Abfälle 17,0 10,6 183 3,4 38

Energiepflanzen 17,7 52,8 935 17,8 7,4

Summe (technisch) 288 5.225 101,9

Summe (wirtschaftlich) 3.134 61,1

SENKENPOTENZIAL

ARD-Bilanz 1,4 7,4Management Forst 39,4 108Management Agrar 16,4–19,1 74

Summe 57,2–59,9

GesamtesEinsparpotenzial 119,6

Tabelle 3.2-7Technische Potenziale derBiomassebereitstellung fürenergetische Nutzung nachStoffgruppen in der EU. ImBasisjahr 1990 wurden 1.157Mio. t C aus fossiler Brenn-stoffen freigesetzt. Die C-Äquivalente bezeichnen dieklimawirksamen Emissionen(CO2, N2O, CH4), diegegenüber der Nutzungfossiler Energieträgervermieden wurden. DieARD-Bilanz gibt dasSenkenpotenzial aus Auf-forstung (Afforestation),Wiederaufforstung (Refor-estation) und Entwaldung(Deforestation) an.Quellen: Freibauer et al.,2002; Kaltschmitt et al.,2002; Schulze et al., 2002

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65Energieträger 3.2

lyptus denkbar, da sie in Abhängigkeit von derNiederschlagsmenge Erträge von 0,5–30 t, im Mittel8,5 t pro Hektar und Jahr bringen, während Getrei-deerträge bei unter 2 t pro Hektar und Jahr liegen(Marrison und Larson, 1996; FAO, 2002).

Neben Energiepflanzen tragen land- und forst-wirtschaftliche Reststoffe wesentlich zum globalenPotenzial der Bioenergie bei.Auch hier ist eine nach-haltige Nutzung Voraussetzung für die Potenzialbe-rechnung. Die Hochrechnung nutzt FAO-Daten zuLandnutzung, landwirtschaftlicher Produktion undHolzproduktion (FAO, 2002).

BewertungIm Vergleich mit bisherigen Abschätzungen des glo-balen Bioenergiepotenzials liegen die Werte desWBGU niedrig. Eine Ursache ist die Berücksichti-gung konkurrierender Landnutzungsansprüche. Sogibt der IPCC (2001c) für 2050 als globales Bioener-giepotenzial 396 EJ pro Jahr an und sieht dabei inAfrika und Lateinamerika sehr hohe Anteile von16% bzw. 32% der gesamten Landfläche für denAnbau von Energiepflanzen vor. Gegenwärtig sindin Lateinamerika 30% der Fläche Weideland, unddiese Zahl wird aufgrund steigenden Fleischkonsumsnicht zurückgehen. Die notwendige Ackerflächewird sich laut IPCC sogar auf 15% erhöhen, 9% desKontinents bestehen aber aus ariden Gebieten. Umdie Werte des IPCC zu erreichen, müsste sich also dienatürliche Waldfläche Südamerikas von gegenwärtig46% auf etwa 16% verringern, was aus Sicht desNaturschutzes keinesfalls als nachhaltig bezeichnetwerden kann (WBGU, 2000). Eine ähnliche Argu-mentation gilt für Afrika.

Bezüglich der Erträge geht der IPCC von rund 15t pro ha und Jahr aus. Dies entspricht in etwa denWerten für Zuckerrohr von 19,5 t pro ha und Jahr(Kheshgi et al., 2000). Für Chinaschilf (Miscanthus)werden je nach Anbauregion und Bodenverhältnis-

sen 2–44 t pro ha und Jahr angenommen (Lewan-dowski et al., 2000), für Switchgrass (Panicum virga-tum) 4–34,6 t pro ha und Jahr (Paine et al., 1996; San-derson et al., 1996). Die Erträge holziger Energie-pflanzen in den gemäßigten und nördlichen Breitenwerden für Pappeln mit 7–10 t pro ha und Jahr(Hanegraaf et al., 1998; Kheshgi et al., 2000), für Wei-den mit 4,7–12 t pro ha und Jahr angegeben (Tahva-nainen und Rytkönen, 1999; Goor et al., 2000). Nurwenige Autoren gehen bei Weiden von Erträgen über15 t pro ha und Jahr aus (Boman und Turnbull, 1997).Für viele Regionen sind die vom IPCC angesetztenErträge also zu hoch. Dies gilt insbesondere für diekleinbäuerliche Landwirtschaft Afrikas. Daher wur-den vom WBGU nur mittlere Trockenmasseerträgevon 6–7 t pro ha und Jahr angenommen.

Auch andere Autoren errechnen bei vergleichba-rer Flächenverteilung ein Bioenergiepotenzial von350–450 EJ pro Jahr (Fischer und Schrattenholzer,2001). Das Potenzial landwirtschaftlicher Rück-stände ist bei ihnen mit 35 EJ pro Jahr doppelt sohoch, weil für die Entnahme pro Flächeneinheit dop-pelte Werte angenommen wurden. 1,2 t pro ha undJahr landwirtschaftlicher Rückstände sind zwar inden gemäßigten Breiten realistisch, nicht aber in denTropen, wo die Bodenstruktur durch eine hohe Koh-lenstoffzufuhr in den Boden stabilisiert werden muss.Während der WBGU etwa 0,5 t pro ha und Jahr anerschließbaren forstwirtschaftlichen Rückständenannimmt und dabei ökologischen und ökonomischenRestriktionen Rechnung trägt (keine Nutzung inUrwäldern, keine Nutzung in schlecht erschlossenenRegionen), gehen Fischer und Schrattenholzer(2001) von 1,4 t pro ha und Jahr energetisch nutzba-rer forstlicher Biomasse aus. Diese mag in Wirt-schaftswäldern der gemäßigten Zonen gerechtfertigtsein, für tropische und boreale Regionen erscheintder Wert zu hoch. Bei den Energiepflanzen sind dievon Fischer und Schrattenholzer angenommenen

Tabelle 3.2-9Geographische Aufteilung der technischen Energiepotenziale biogener Festbrennstoffe.Quelle: Kaltschmitt et al., 2002

Europa EhemaligeUdSSR

Asien Afrika NaherOsten

Nord-amerika

Latein-amerika

Summe

Summe Energiepotenzial [PJ/a]

Holz 4.000 5.400 7.700 5.400 400 12.800 5.900 41.600Halmgut 1.600 700 9.900 900 200 2.200 1.700 17.200Energiepflanzen 2.600 3.600 1.100 13.900 – 4.100 12.100 37.400Dung 700 300 2.700 1.200 100 800 1.800 7.600

Summe 8.900 10.000 21.400 21.400 700 19.900 21.500 103.800

Derzeitige Nutzung 2.000 500 23.200 8.300 – 3.100 2.600 39.700

[Mio. ha]

Fläche Energiepflanzen 22 32 10 124 0 36 108 332

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66 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

mittleren Erträge von 4,7 t pro ha und Jahr moderat,die Einbeziehung der globalen Graslandfläche ineine energetische Nutzung würde jedoch ökologi-sche Prinzipien verletzen (WBGU, 2000).

3.2.4.2Umwelt- und Sozialfolgen traditionellerBiomassenutzung in Entwicklungsländern

Wirkungen auf die natürliche UmweltBiomasse wird insbesondere in Trockengebieten wiedem Sahel oder in den Steppen Asiens knapp (BMZ,1999), da hier mehr entnommen wird als nachwächst.In Asien werden jährlich 1.700 PJ aus nicht nachhal-tiger Holznutzung gewonnen, etwa 20% der aus Bio-masse genutzten Energie. Auch in Afrika undLateinamerika liegt der nicht nachhaltig gewonneneAnteil bei 30% bzw. 10% (Kaltschmitt et al., 1999).Die nicht nachhaltige Biomassenutzung zerstörtWälder, degradiert Böden, mindert die biologischeVielfalt und schädigt die Wasserressourcen.

Wirkungen auf die menschliche GesundheitWeltweit sterben nach Schätzungen der UN jährlich1,6 Mio. Menschen an den Folgen von Luftver-schmutzung in Innenräumen (WHO, 2002b). Dengesundheitsschädlichen Wirkungen der traditionel-len Biomassenutzung ist etwa die Hälfte der Weltbe-völkerung ausgesetzt, überwiegend Frauen und Kin-der (Bruce et al., 2000; Tab. 3.2-10). Die besondereGefährdung liegt in unvollständigen Verbrennungs-

prozessen von Holz oder Dung in traditionellen,technisch unzureichenden Kochherden, deren Emis-sionen von Ruß- und Schwebstoffen sowie Kohlen-monoxid gesundheitsverträgliche Werte erheblichüberschreiten (UNDP et al., 2000). Vor allem diekleinen Partikel (am gefährlichsten sind Teilchen voneinem Durchmesser <2,5 µm), SOX, NOX, O3 undpolyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe ber-gen Gesundheitsrisiken. Die Anfälligkeit für akuteAtemwegsinfektionen liegt bei Kindern, die Rauchund Abgasen der Biomasseverbrennung ausgesetztsind, erheblich höher als bei Kindern in Haushaltenmit moderner Brennstoffnutzung (Behera et al.,1998; Smith et al., 2000). Bei Müttern und Kindernerhöht sich zudem das Risiko, an chronisch obstruk-tiven Lungenerkrankungen, Lungenkrebs, Tuberku-lose, Asthma oder ischämischen Herzerkrankungenzu erkranken (Smith et al., 2000; Smith, 2000; Kasten3.2-1).

3.2.4.3Bewertung

Der Beirat schätzt das globale moderne Bioenergie-potenzial auf etwa 100 EJ pro Jahr, die sich zu 20%aus der Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffesowie zu jeweils etwa 40% aus forstwirtschaftlichenReststoffen und Energiepflanzen ergeben. Ein der-artiger Ausbau ist aber nur innerhalb von Jahrzehn-ten erreichbar (Tab. 4.4-1). Das langfristige Potenzialder traditionellen Biomassenutzung liegt bei etwa

Tabelle 3.2-10Gefährdung der Gesundheitbei verschiedenenAbschnitten imBrennstoffzyklus vonBiomasse. Cor pulmonaleRechtsherzinsuffizienzdurch chronischeLungenerkrankung.Quelle: WHO, 2002a, c

Stufen im Brennstoffzyklus Mögliche gesundheitliche Wirkungen

ProduktionDungbrennstoffHolzkohle

InfektionenVergiftung durch Kohlenmonoxid,Verbrennungen/Traumata

Sammlung von Brennstoffen Verringerte KinderfürsorgeVerminderte Zeit zur Zubereitung der LebensmittelVerschlechterung der Ernährung der Familie

VerbrennungRauch (akute Wirkungen)

Rauch (chronische Wirkungen)

Toxische Gase (z. B. Kohlenmonoxid)

Hitze

Entzündung der BindehautReizung/Entzündung der oberen LuftwegeAkute AtemwegsinfektionenPositive Wirkung: Fernhalten von Insekten, Spinnen usw.

LungenkrebsChronische obstruktive pulmonale Krankheiten,

chronische BronchitisTuberkuloseCor pulmonale

VergiftungFötus: geringes Geburtsgewicht, Schädigung

Verbrennungen (akute Wirkung)Linsentrübung (chronische Wirkung)

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67Energieträger 3.2

5 EJ pro Jahr. Die WBGU-Abschätzung berücksich-tigt die Nachhaltigkeit der Biomassenutzung, z. B. dieNichtumwandlung natürlicher Ökosysteme zumAnbau von Energiepflanzen oder eine ausreichendeNährstoffrückführung in Wald- und Ackerbödenstärker als vergleichbare Studien. Sie liegt daherdeutlich niedriger als andere aktuelle Potenzialab-schätzungen, wie sie beispielsweise durch den IPCC(2001c) oder von Fischer und Schrattenholzer (2001)vorgelegt wurden.

3.2.5 Windenergie

3.2.5.1Potenziale

Für die Berechnung des Potenzials der Windenergie-nutzung an Land und auf See wird ein fortschritt-licher Multimegawatt-Windenergiekonverter ange-nommen (Abb. 3.2-2). Die bei der Berechnung desWandlungspotenzials zugrunde gelegten Windge-schwindigkeiten entstammen meteorologischenDaten, aus denen der Wert für die entsprechendeNabenhöhe interpoliert wurde. Hierbei wurde übereinen 14-jährigen Zeitraum gemittelt (1979–1992).Zur Berechnung eines globalen technischen Potenzi-als (Kasten 3.1-1) müssen jedoch neben dem Wand-lungspotenzial verschiedene weitere Einschränkun-

gen berücksichtigt werden. So wurden beispielsweiseStadtgebiete, Waldflächen, Feuchtgebiete, Schutzge-biete, Gletscher und Sanddünen bei der Berechnungausgeschlossen. Landwirtschaft hingegen wurdenicht als mit der Windenergie konkurrierende Land-nutzung angesehen. Daneben kann jedoch auch dieGeländeform aufgrund der herrschenden Windver-hältnisse (z. B. Schlucht, Kessel) oder der Gelände-steigung (Problem der Fundamentierung) den Ein-satz von Windkraftanlagen verbieten. Ebensomüssen gewisse Mindestabstände beispielsweise zuSiedlungsgebieten eingehalten werden. Im Offshore-Bereich werden Meerestiefen über 40 m derzeitausgeschlossen. Auch die mittlere jährliche Meereis-bedeckung und ein regional unterschiedlicher Min-destküstenabstand (0–12 Seemeilen) wurden be-rücksichtigt. Sowohl für Offshore- als auch fürOnshore-Anwendungen wurden kleinräumige Aus-schlusskriterien (kleinere Schutzgebiete, Infrastruk-turflächen, militärische Sperrgebiete usw.) durcheinen Korrekturfaktor berücksichtigt, der sich ausder jeweiligen Bevölkerungsdichte ableitet. UnterZugrundelegung der sich aus diesen Ansätzen erge-benden Flächenrestriktionen ergibt sich das Integralfür das globale technische Potenzial zu 1.000 EJ proJahr für land- und seegestützte Anwendungen. DerBeirat hält 10–15% dieses technischen Potenzials fürnachhaltig nutzbar und empfiehlt etwa 140 EJ proJahr als langfristig erreichbaren Beitrag der Wind-energie zu einer nachhaltigen Energieversorgung.

Kasten 3.2-1

Biomasseöfen machen krank – Beispiel Indien

Drei Viertel der indischen Haushalte (etwa 650 Mio. Men-schen) sind auf Biomasse angewiesen, mit der 85–90% desEnergiebedarfs gedeckt werden. Diese Energiequelle stelltvor allem für Frauen und Kinder wegen mangelhafter Ver-brennungstechnik eine große Gefährdung der Gesundheitdurch Emissionen dar. In Indien sind die Gesundheitsrisi-ken durch Verschmutzung von Innenraumluft auch in dengroßen Städten weit größer als durch Verschmutzung derAußenluft (Abb. 3.2-1 und Kap. 4.3.2.7). Schätzungen erge-ben, dass etwa 500.000 frühzeitige Todesfälle bei Frauenund Kindern unter 5 Jahren auf die Nutzung fester Brenn-stoffe in Haushalten zurückzuführen sind. Das entspricht5–6% der nationalen Krankheitsbelastung und übersteigtdamit die weitaus häufiger erwähnten Risiken des Rau-chens oder der Malaria.

In Indien fördern staatliche und private Programme dieEinführung verbesserter Öfen. Im Jahre 1992 waren schät-zungsweise 7,6 Mio. effiziente Öfen in Haushalten imGebrauch.

Quellen: Terivision, 2002; Smith, 2000; UNDP et al., 2000;Murray und Lopez, 1996.

Akute Infekte (11,80)

COPD (0,54)

Lungenkrebs (0,01)

Tuberkulose (1,85)

Asthma (0,46)

IHK (1,33)

Abbildung 3.2-1Geschätzte Verteilung der jährlichen Gesundheitsbe-lastung in DALYs (Disability Adjusted Life Years), die aufLuftverschmutzung der Innenräume durch Kochen inIndien zurückzuführen ist. COPD chronische obstruktiveAtemwegserkrankungen; IHK ischämische Herzkrank-heiten (z. B. Herzinfarkt).Quelle: Smith, 2000

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68 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

3.2.5.2Technik / Konversion

Windkraftanlagen wandeln die kinetische Energiebewegter Luft in mechanische Rotationsenergie undanschließend in Elektrizität um. Dem Wind kanndabei maximal knapp 60% seiner Leistung entzogenwerden (Dwinnell, 1949).

Der weltweite Markt für Windenergieanlagengliedert sich derzeit in zwei grundlegend verschie-dene Einsatzgebiete: Während in Asien sehr kleine,dezentrale Anlagen als Batterieladestationen zehn-tausendfach verbreitet sind, kommt der Windenergieunter quantitativen energiewirtschaftlichen Ge-sichtspunkten insbesondere auf dem Gebiet dernetzgebundenen Großturbinen globale Bedeutungzu.

Im Gegensatz zu traditionellen Windmühlen, dienach dem Widerstandsprinzip arbeiten, nutzenmoderne Rotoren das vom Flugzeugflügel bekannteAuftriebsprinzip. Neben dem Rotor bestehen dieGroßanlagen im Wesentlichen aus Generator undTurm.Von den verschiedenen Ausführungen hat sichmittlerweile der auf einem Stahlrohrturm montierte,horizontal gelagerte Dreiflügler durchgesetzt. In derRegel ist ein mechanisches Getriebe zwischen

Rotorachse und Generator erforderlich, um dieDrehzahl des Rotors an die erforderliche Generator-drehzahl anzupassen. Mittlerweile hat sich jedochauch eine getriebelose Generatortechnik am Marktetabliert. Die Nennleistungen der netzgebundenenAnlagen sind in den letzten 30 Jahren von typischer-weise 30 kW auf mittlerweile bis zu 3 MW angestie-gen, 5 MW sind für Offshore-Anwendungen projek-tiert.

Aufgrund fluktuierender Windgeschwindigkeitliegt die mittlere jährliche Leistung der Windturbi-nen nur bei 20–25% der Nennleistung (Offshoreüber 30%): Allgemein gilt, dass die in Wind enthal-tene Leistung der dritten Potenz der Luftgeschwin-digkeit proportional ist. Moderne Anlagen beginnenetwa ab 3 m pro Sekunde Windgeschwindigkeit mitder Energieproduktion. Ab etwa 25 m pro Sekundewerden die Anlagen abgeregelt, um Schäden zu ver-meiden. Da die mittlere Windgeschwindigkeit inRotorhöhe eine wichtige Kenngröße für den Ertragvon Windkraftanlagen ist, hat sie wesentlichen Ein-fluss auf die Stromgestehungskosten. Diese liegenheute unter Berücksichtigung der Betriebs- und War-tungskosten an geeigneten Standorten in Deutsch-land zwischen 5,5 und 13 €-Cent pro kWh (BMU,2002b).

Wandlungspotenzial [W/m2]

Windenergie

0 1,5 2,5 3,5 4,5 5,50,5

Ausschnittsvergrößerung Europa

Abbildung 3.2-2Globale Verteilung des Wandlungspotenzials der Windenergie auf Landflächen und Offshore bis zu einer Tiefenlinie von 40 m.Das Wandlungspotenzial ist aus dem theoretischen Potenzial abgeleitet und berücksichtigt den prognostizierten Jahres-wirkungsgrad eines Multimegawatt-Windenergiekonverters im Jahr 2050 (vgl. Kasten 3.1-1). Ökonomische und Flächen-restriktionen sind in der Darstellung nicht berücksichtigt. Die Auflösung der Berechnung beträgt 0,5*0,5°, entsprechend etwa50*50 km.Quelle: Kronshage und Trieb, 2002

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69Energieträger 3.2

Gute Standorte an Land können bei verstärkterWindenergienutzung knapp werden, so dass bereitserste Windparks auf See in Erprobung sind.Währendsich die entsprechende Volllaststundenzahl in derNordsee auf bis zu 4.000 Stunden pro Jahr erhöhenkann, verdoppeln sich in etwa auch die Installations-kosten. In der Summe werden Offshore-Anwendun-gen also nicht in erster Linie wegen eines möglichenPreisvorteils angestrebt, sondern um geeignete neueStandorte zu erschließen. Die in diesem Zusammen-hang für Deutschland weitgehend konfliktarm reali-sierbare installierte Leistung wird auf bis zu 25 GWgeschätzt.

Während einer 20-jährigen Nutzungsdauer lässtsich mit einer Windkraftanlage je nach Standort biszu etwa 80-mal soviel Energie gewinnen, wie für ihreHerstellung, Nutzung und Entsorgung derzeit ver-braucht wird (Bundesverband Windenergie, 2001).Folglich können die Anlagen ihren Energieaufwandzur Errichtung der Anlage bereits in etwa drei Mona-ten wieder einspielen. Wie bei vielen anderen For-men der Nutzung erneuerbarer Energien fallen auchhier die Emissionen von Treibhausgasen nicht beimBetrieb der Anlage an, sondern infolge des Energie-aufwands bei Herstellung und Entsorgung. Dabei istder gemittelte CO2-Ausstoß pro kWh Windstromvom Strommix im Herstellungsland der Anlageabhängig. Je weiter der Transformationsprozess hinzu einer nachhaltigen Energieversorgung fortge-schritten ist, desto geringer werden die spezifischenCO2-Werte sein. Von einer expliziten Angabe wirdhier daher abgesehen.

3.2.5.3Umwelt- und Sozialfolgen

Beim Thema Windenergie rufen im Wesentlichen diefolgenden Punkte gelegentlich Bedenken wegenmöglicher Umwelt- und Sozialfolgen hervor:• Landverbrauch: Einerseits zählt die Windenergie

heute zu den ökonomisch günstigsten Formenerneuerbarer Energiegewinnung, andererseits istsie durch vergleichsweise geringe Energiedichtengekennzeichnet. Der Gewinn signifikanter Ener-giemengen ist daher mit der Nutzung großerLandflächen verbunden, typischerweise 0,06–0,08 km2 pro MW (EUREC Agency, 2002). Esbesteht jedoch kein Grund, mit Windkraftanlagenbebaute Landfläche nicht weiterhin auch land-wirtschaftlich zu nutzen, so dass der tatsächlichLandverbrauch für die Anlagen (z. B. Funda-mente, Zufahrtsstraßen) mit 1% der oben angege-benen Fläche sehr klein ist.

• Lärmbelästigung: Die von Windkraftanlagen her-vorgerufenen akustischen Störungen entstehen

durch mechanische Quellen und Strömungsgeräu-sche. Beide Komponenten sind jedoch durchmoderne Techniken (akustisch optimierte Rotor-profile, Direktantrieb des Generators, moderateUmdrehungsfrequenz) erfolgreich reduziert wor-den. Wenn ausreichender Abstand zu Siedlungeneingehalten wird, stellen die Geräuschemissionenheutiger Windkraftanlagen daher kein Problemmehr dar.

• Optische Belästigung: Gelegentlich wird derAnblick von Windkraftanlagen als störend emp-funden. Während dieser subjektive Effekt schwie-rig zu quantifizieren ist, stellt er doch eines derHaupthindernisse für den Ausbau der Windener-gie dar. Zudem werden Schattenwurf und Refle-xionen zu den optischen Beeinträchtigungengezählt. Dies kann jedoch bei sorgfältiger Auswahlder Standorte und angepasster Technologie (z. B.matte Lackierungen) weitgehend vermieden wer-den.

• Naturschutz bei Offshore-Anlagen: Umweltaus-wirkungen der Windenergienutzung auf See sindderzeit Gegenstand intensiver ökologischerBegleitforschung (BMU, 2002c). So sind u. a. Lageund Größe eines Windparks, Schallemissionenund Auswirkungen der Energieübertragung aufVögel, Meeressäugetiere und Fische zu untersu-chen. Konkurrierende Nutzungen des Meeresdurch beispielsweise Fischerei, Militär, Ölindus-trie und Schifffahrt sind zu bewerten.

3.2.5.4Bewertung

Strom aus Windenergie kann bereits heute unter dengegebenen energiepolitischen Randbedingungenpreisgünstig bereitgestellt werden. Die Umweltrele-vanz der Technologie (Ressourcenverbrauch, Treib-hausgasemissionen, Materialrecycling) ist positiv zubeurteilen. Der Beirat befürwortet daher einen wei-teren zügigen Ausbau dieser erneuerbaren Energie-quelle. Hierbei kann nur ein gewisser Anteil desberechneten globalen technischen Potenzials alsnachhaltig nutzbar angesehen werden. Der Beiratempfiehlt daher global etwa 140 EJ pro Jahr als lang-fristig erreichbaren Beitrag der Windenergie zu einernachhaltigen Energieversorgung.

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70 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

3.2.6Solarenergie

3.2.6.1Potenziale

Die Wandlungspotenziale der Solarenergienutzungwurden für vier verschiedene Technologien berech-net:• zentrale solarthermische Kraftwerke mit opti-

scher Konzentration (Abb. 3.2-3);• zentrale Photovoltaik-Kraftwerke ohne optische

Konzentration (Abb. 3.2-4);• dezentrale photovoltaische Module ohne optische

Konzentration (Abb. 3.2-5);• thermische Solarkollektoren (Abb. 3.2-6).Für die Photovoltaik wird dabei, ohne Festlegung aufeine bestimmte Technologie, im Jahr 2050 ein Jahres-systemwirkungsgrad von 25% angenommen. Bei densolarthermischen Anlagen wurde in den Potenzial-karten die Kraft-Wärme-Kopplung nicht berücksich-tigt. Für Solarkollektoren zur Wärmeerzeugung wirdfür 2050 ein Jahreswirkungsgrad von 40% alserreichbar angesehen. Auf Basis dieser Wandlungs-potenziale wurden bei Beachtung von Flächenres-triktionen zudem technische Potenziale berechnet(vgl. Kasten 3.1-1 zu den Potenzialdefinitionen).Hierbei ergeben sich für jede der betrachteten Kon-versionstechnologien Werte, die in dem jeweiligenSektor einem Vielfachen aller Zukunftsprojektionendes menschlichen Energieeinsatzes entsprechen. Dieglobalen technischen Potenziale können vor diesemHintergrund als quasi unbegrenzt bezeichnet wer-den. Charakteristisch für den jährlichen Solarener-giefluss ist seine weitgehende Gleichverteilung überdie stärker bewohnten Gebiete der Erde. Diese vor-teilhafte Eigenschaft wird auf den Karten, die Tech-nologien ohne optische Konzentration betreffen,deutlich. In höheren Breiten sind allerdings die jah-reszeitlichen Schwankungen beträchtlich, so dass zuderen Ausgleich weitere Technologien eingesetztwerden müssen.

3.2.6.2Technik / Konversion

PhotovoltaikPhotovoltaische Zellen („Solarzellen“) wandelnLicht direkt in elektrische Energie um. Solarzellenbestehen derzeit aus mehreren übereinander liegen-den Schichten verschiedenartiger halbleitenderMaterialien. Für die Anwendung werden sie elek-trisch in Serie geschaltet und in Modulen verkapselt.

Auf diese Weise werden technisch gut handhabbareelektrische Spannungen erreicht. Die Verkapselungschützt die Halbleiterelemente vor Umwelteinflüs-sen und garantiert somit eine hohe technischeLebensdauer. Photovoltaische Module werden beiBedarf elektrisch zu Modulfeldern verschaltet undüber eine Anpassungselektronik mit Verbrauchernoder dem elektrischen Netz gekoppelt. Bei nichtnetzgekoppelten Anlagen wird in der Regel ein Spei-cherelement (z. B. Akkumulator) in das System inte-griert.

Seit der Entwicklung der ersten Solarzelle im Jahr1954 dominiert kristallines Silizium als Ausgangsstoffdie Zellenherstellung. Aufgrund der notwendigenhohen Reinheit des Materials sind Solarzellen beiderzeitiger Zellendicke recht teuer. Zahlreiche alter-native Technologien werden entwickelt, um Materi-aleinsatz und Kosten deutlich zu reduzieren (Lutheret al., 2003; Tab. 3.2-11).

Für langfristige globale Strategien ist bei derBewertung der Zelltechnologien neben Wirkungs-grad und Preis auch die Verfügbarkeit der Ausgangs-stoffe zu bedenken. Dabei ist Silizium als zweithäu-figstes Element der Erdkruste unkritisch, währendandere Elemente, wie Indium und Tellur, die in eini-gen Dünnschichttechnologien eingesetzt werden, beihoher Produktion knapp werden könnten.

Weiterhin zu bedenken ist die energetische Amor-tisationszeit der Anlagen. Moderne netzgekoppelteSysteme produzieren die zu ihrer Herstellung not-wendige Energie in Mitteleuropa in etwa drei Jahren.Dieser Zeitraum ist kurz im Vergleich zur gesicher-ten technischen Lebensdauer der Anlagen von gut 20Jahren (Pehnt et al., 2003). Dabei ist zu berücksichti-gen, dass heutige Anlagen hinsichtlich ihrer energeti-schen Amortisationszeit nicht optimiert worden sind.

Wie bei der Windenergie fallen auch bei derPhotovoltaik die Emissionen von Treibhausgasennicht beim Betrieb der Anlage sondern bei Herstel-lung und Entsorgung an. Der mittlere CO2-Ausstoßpro kWh Solarstrom ist daher vom Strommix desHerstellungslands der Anlage abhängig (Kap.3.2.5.2).

Weil Solarzellen in Modulen verschaltet und diesewiederum zu Systemen beliebiger Größe kombiniertwerden können, gibt es für die Photovoltaik einextrem breites Feld möglicher Anwendungen. Netz-ferne Kleinstanlagen liefern typischerweise einigezehn Watt, netzgebundene Großkraftwerke könnenbis in den MW-Bereich hinein ausgelegt sein. Wäh-rend Photovoltaiksysteme in netzfernen ländlichenGebieten bereits heute in der Regel kostengünstigerals eine Ausweitung des zentralen Netzes sind, ist diePhotovoltaik im Vergleich zu konventionellen Groß-kraftwerken in ausgedehnten Netzen bei weitemnoch nicht wettbewerbsfähig. Im Rahmen des exem-

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71Energieträger 3.2

Abbildung 3.2-3Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für die Energiekonversion mittels solarthermischerKraftwerke mit optischer Linearkonzentration. Die angegebenen Leistungsdichten beziehen sich auf die eingesetzteBodenfläche. Die entsprechend des heutigen Status definierten Jahressystemwirkungsgrade sind wie bei den photovoltaischenKraftwerken vom Breitengrad abhängig, weil die aktive Kollektorfläche pro Bodenfläche infolge von Abschattung zu denPolen hin abnimmt. Kraft-Wärme-Kopplung wurde nicht berücksichtigt. Die Auflösung der Berechnung beträgt 0,5*0,5°,entsprechend etwa 50*50 km. Zur Definition der verschiedenen Potenziale s. Kasten 3.1-1.Quelle: Kronshage und Trieb, 2002

Wandlungspotenzial pro Bodenfläche [W/m2]

ZentraleSolarthermische Kraftwerke

0 25 40 55 70 8510

Wandlungspotenzial pro Bodenfläche [W/m2]

Zentrale Photovoltaik-Kraftwerke

0 25 40 55 70 8510

Abbildung 3.2-4Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für die Energiekonversion mittels zentraler Photovoltaik-Kraftwerke ohne optische Konzentration. Die angegebenen Leistungsdichten beziehen sich auf die eingesetzte Bodenfläche.Die entsprechend des Status 2050 definierten Jahressystemwirkungsgrade sind wie bei den solarthermischen Kraftwerken vomBreitengrad abhängig, weil infolge von Abschattung die aktive Modulfläche pro Bodenfläche zu den Polen hin abnimmt. DieAuflösung der Berechnung beträgt 0,5*0,5°, entsprechend etwa 50*50 km. Zur Definition der verschiedenen Potenziale s.Kasten 3.1-1.Quellen: Wirkungsgradabschätzung: WBGU; technische Umsetzung der Karte: Kronshage und Trieb, 2002

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72 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Wandlungspotenzial pro Modulfläche [W/m2]

DezentralePhotovoltaik-Anwendungen

0 25 40 55 70 8510

Abbildung 3.2-5Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für die dezentrale solarelektrische Energiekonversion mittelsoptisch nicht konzentrierender Photovoltaikmodule. Die angebenen Leistungsdichten beziehen sich nicht auf die horizontaleErdoberfläche sondern auf die geneigte Modulfläche. Für das den Karten zugrunde liegende Jahr 2050 wird einJahressystemwirkungsgrad von 25% angenommen. Die Auflösung der Berechnung beträgt 0,5*0,5°, entsprechend etwa 50*50km. Zur Definition der verschiedenen Potenziale s. Kasten 3.1-1.Quellen: Wirkungsgradabschätzung: WBGU; technische Umsetzung der Karte: Kronshage und Trieb, 2002

Wandlungspotenzial pro Kollektorfläche [W/m2]

Thermische Solarkollektoren

0 50 70 90 110 13030

Abbildung 3.2-6Globale Verteilung des flächenspezifischen Wandlungspotenzials für die dezentrale Energiekonversion mittels thermischerSolarkollektoren. Die angebenen Leistungsdichten beziehen sich nicht auf die horizontale Erdoberfläche sondern auf diegeneigte Kollektorfläche. Für das den Karten zugrunde liegende Jahr 2050 wird ein Jahressystemwirkungsgrad von 40%angenommen. Die Auflösung der Berechnung beträgt 0,5*0,5°, entsprechend etwa 50*50 km. Zur Definition der verschiedenenPotenziale s. Kasten 3.1-1.Quelle: Kronshage und Trieb, 2002

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73Energieträger 3.2

plarischen WBGU-Szenarios (Kap. 4) werden fürnetzgebundene Anlagen im Jahr 2020 Installations-preise von jeweils etwa 1 € pro Watt für das Modulsowie die restlichen Systemkomponenten für realis-tisch gehalten. Dies entspricht nur etwa einem Drit-tel der heutigen Investitionskosten. Damit ergäbensich für 2020 im globalen Mittel etwa 12 €-CentStromkosten pro kWh. Die Kosten sind abhängig vonder geographischen Breite und in tropischen Tro-ckengebieten nur etwa halb so hoch wie in Europa.2020 wird für kristallines Silizium eine Massenpro-duktion im 10 GW-Maßstab erwartet. Für verschie-dene Dünnschichttechnologien sollte bis dahin dieMassenproduktion erreicht sein (Lux-Steiner undWilleke, 2001).Auch zukünftig werden unterschiedli-che Solarzellentechnologien parallel Verwendungfinden, wobei neben den Kosten der Anwendungsbe-reich, das regionale Einsatzgebiet und die technolo-gische Verfügbarkeit die spezielle Auswahl bestim-men werden.

Mittel- und langfristig können weitere Technolo-gien zur Kostensenkung und Erschließung neuerEinsatzgebiete beitragen, die heute im Labor entwi-ckelt werden:• photovoltaische Kraftwerke im Leistungsbereich

von einigen 100 kW bis MW mit optischer Kon-zentration kombinieren kostengünstige Konzen-tratoren (z. B. Fresnel-Linsen) mit hocheffizien-ten Solarzellen (Abb. 3.2-7);

• Solarzellen aus u. a. organischen Verbindungen,Farbstoffsolarzellen.

Die grundlagenorientierte Forschung arbeitet außer-dem an visionären Photovoltaikkonzepten, derenPotenzial noch nicht abgeschätzt werden kann (Kap.6). Tabelle 3.2-12 fasst heute erzielte Wirkungsgradetypischer Technologien zusammen.

Solarthermische StromerzeugungIn solarthermischen Kraftwerken wird direktes Son-nenlicht mit optischen Elementen auf einen Absor-ber konzentriert, die absorbierte Strahlungsenergieerhitzt ein Wärmeübertragungsmedium. Diese Wär-meenergie kann anschließend zum Antrieb weitge-hend konventioneller Kraftmaschinen, wie Dampf-turbinen oder Stirlingmotoren, eingesetzt werden.Solarthermische Kraftwerke sind daher eng mit derklassischen Kraftwerkstechnik verwandt, wobeianstelle fossiler Brennstoffe Sonnenenergie genutztwird. Alle bisher gebauten solarthermischen Anla-

Sonne

Fresnel-Linse

Solarzelle

Kühlkörper Beispielhafter Aufbau

Abbildung 3.2-7Schema zukünftiger solarer Kraftwerke auf der Basis optischkonzentrierender Photovoltaik. Die Solarstrahlung wirddurch kostengünstige Linsen auf eine sehr kleineSolarzellenfläche konzentriert (links). Die Konzentrations-faktoren könnten dabei den Wert 1.000 erreichen. DieModulsysteme müssen dem Sonnenstand nachgeführtwerden (rechts). Es ist zu erwarten, dass Mehrkosten, diedurch Optik und Mechanik der Nachführung entstehen,durch Einsparungen und Wirkungsgradsteigerungen bei denHalbleitersolarzellen wettgemacht werden. Kraftwerke mitdieser Technologie könnten bereits in naher Zukunft zurSpitzenlastbereitstellung (z. B. hervorgerufen durchelektrische Kühlanlagen) eingesetzt werden.Quelle: WBGU

Tabelle 3.2-11Zukünftige Entwicklung derPhotovoltaik. Wegen derhohen Modularität dieserTechnologie könnenAnwendungenverschiedensterAnforderung realisiertwerden. Deshalb wirderwartet, dass die technischeVielfalt photovoltaischerStromerzeugung erhaltenbleibt. Die Energiekostensind im Wesentlichenumgekehrt proportional zurjährlichen solarenEinstrahlung (Abb. 3.2-3).Quelle: WBGU

2000 2020 2050

WichtigstemarktbeherrschendeTechnologien

Kristalline Silizium-Solarzellen

Kristalline Si- und Dünnschichtsolar-zellen. Tandemso-larzellen für PV-Kraftwerke mit optischer Konzen-trationOrganische undFarbstoffsolarzellen

Dünnschicht-Solar-zellen (auch Si),Tandemsolarzellen,Organische undFarbstoffsolarzel-len, neue Konzepte

Modulwirkungsgrad [%] 14–15 Si Wafer Module:18–20Dünnschicht: 15Organisch usw.: 10Tandem: 40

k. A.

Kosten [€/kWh] ~0,6 (Standort mit 1.000Volllaststunden)

~0,14 (Standort mit 1.300Volllaststunden)

~0,06 (Standort mit 1.300Volllaststunden)

Leistungsbereich W–MW W–MW W–MW

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74 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

gen basieren auf einer starken Konzentration desSonnenlichts, so dass ihr Einsatz nur in Gegendenmit hohem Anteil direkter Sonnenstrahlung sinnvollist. Drei verschiedene Technologien wurden bereitsrealisiert:• Parabolrinnenkraftwerke: In parabolisch geform-

ten linearen Reflektoren, die der Sonne einachsignachgeführt werden, wird die Sonnenstrahlungauf einen rohrförmigen Lichtabsorber fokussiert,der in der Regel ein spezielles Öl als Wärmeüber-tragungsmedium enthält. Das auf etwa 350–400 °C erhitzte Öl erzeugt anschließend in einemWärmetauscher Dampf für eine weitgehend klas-sische Dampfturbine. Die Systeme sind leicht aufrelativ große Leistungen auszulegen und habenderzeit typischerweise Nennleistungen von 30–80 MW. In Kalifornien liefern solche Kraftwerkebereits seit mehr als 10 Jahren Strom bei einerinstallierten Gesamtleistung von etwa 350MW.Eine weitere deutliche Kostenreduktion könntesich durch die Direktverdampfung von Wasser inden Absorberröhren ergeben (Abb. 3.2-8).

• Solarturmkraftwerke: Ein großes Feld beweg-licher Spiegel fokussiert das Sonnenlicht auf einenEmpfänger, der auf einem Turm montiert ist. Dortwird der Wärmeträger (Wasser, Salz, Luft) auf500–1.000 °C erhitzt. Aufgrund der hohen Nutz-temperaturen kann die Energie prinzipiell auchdirekt in eine Gasturbine bzw. in ein modernesGuD-Kraftwerk eingekoppelt werden. Für Turm-kraftwerke sind Nennleistungen um 200MWgeplant, die etwa einen Faktor 10 über derzeitigenPilotanlagen liegen.

• Paraboloidkraftwerke: Bei diesem System werdender Sonne nachgeführte Parabolspiegel einge-setzt, in deren Brennpunkt ein Medium auf 600–1.200 °C erhitzt werden kann. Die Anlagen sind inder Regel eher klein (einige 10 kW Nennleistung).Sie bieten sich daher für dezentrale Anwendun-gen an. Die Wärmeenergie wird in Kraftmaschi-

nen in mechanische und schließlich in elektrischeEnergie umgewandelt. Diese Technologie befin-det sich in der technischen Erprobung.

Allgemein werden Systeme mit hohen Arbeitstem-peraturen angestrebt, da dann die Umwandlung vonWärme in Elektrizität in thermodynamischenMaschinen höhere Wirkungsgrade erlaubt (Tab. 3.2-13).

Eine wesentliche Erweiterung für die solarthermi-sche Kraftwerkstechnik liegt in der mittelfristigenWärmespeicherung (Stunden, Tage). Mit geschmol-zenen Salzen als Speicher hat diese Technologiebereits bewiesen, dass solarthermische Anlagen, dierund um die Uhr Strom produzieren, ohne konven-tionelle Zufeuerung realisierbar sind.

Abbildung 3.2-8Schema eines zukünftigen solarthermischenRinnenkraftwerks. Das Solarfeld ist in diesem Beispiel alsFresnel-Konzentrator aufgebaut, bei dem die erforderlicheParabolform als segmentiertes Reflektorfeld aus kleinerenebenen Glasspiegeln realisiert wird. Im Gegensatz zu heuteüblichen Anlagen wird in Zukunft vermutlich Wasser alsWärmeträgermedium direkt in den Absorberrohrenverdampft. Dadurch werden voraussichtlich geringereKosten erreicht und Probleme mit Wärmeträgerölenvermieden. Der in der Abbildung eingezeichnete thermischeSpeicher soll einen Betrieb des Kraftwerks auch nachSonnenuntergang ermöglichen.Quelle: WBGU

~

<

Turbine

Generator

Zirkulationspumpe Abwärme

Thermischer Speicher

warm

AbsorberSonne

kaltKondensator

Zelltechnologie W/D Wirkungsgrad im Labor [%]

Wirkungsgrad desFlachmoduls [%]

einkristallines Silizium W 24,7 13–15multikristallines Silizium W 19,8 12–14amorphes Silizium (inkl.Si-Ge-Tandem) D 13,5 6–9

Kupfer-Indium/Gallium-Diselenid D 18,9 (8–11)

Cadmiumtellurid D 16,5 (7–10)III-V Konzentratorzellen(inkl. Tandem und Tripel) W und D 33,5 (25)

Kristalline Dünnschicht-Siliziumzelle D 19,2

Organische und Farbstoff-solarzellen D 2–11

Tabelle 3.2-12Wirkungsgrade vonSolarzellen im Labor und imFlachmodul. Zahlen inKlammern bezeichnenWerte aus Pilot- oder erstenkommerziellen Produk-tionen. W Wafertechnologie,D Dünnfilmtechnologie.Quellen: Green et al., 2002;UNDP et al., 2000; Hein etal., 2001; Hebling et al., 1997

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75Energieträger 3.2

Die enge Verwandtschaft solarthermischer Anla-gen mit konventionellen Kraftwerken erlaubt dieIntegration von fossiler Feuerung und Solarthermiein so genannten Hybridkraftwerken. Die Erweite-rung bestehender fossiler Kraftwerke um eine solar-thermische Zusatzeinheit wird in einstrahlungsstar-ken Regionen als ein wichtiger kurz- und mittelfristi-ger Markt für erneuerbare Energien angesehen.

Ebenso ist die Kombination solarthermischerKraftwerke mit thermischer Biomasseverwertungdenkbar. Dies ermöglicht den kontinuierlichenBetrieb von Kraftwerken im Multi-Megawatt-Bereich ausschließlich auf der Basis erneuerbarerEnergien.

Solarthermische Kraftwerke können außerdem inKraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, indemneben elektrischer Energie beispielsweise Trinkwas-ser aus einer Meerwasserentsalzungsanlage (z. B.über thermische Destillationsprozesse) gewonnenwird. In Kraft-Wärme-Kopplung sind solare Wir-kungsgrade von bis zu 85% denkbar.

Langfristig erscheinen die Konzepte der Parabol-rinnen oder der Solartürme vielversprechender alsdie kleinerer Paraboloidkraftwerke, da letzteregegenüber der Photovoltaik die Nachteile zweierverschleißbehafteter mechanischer Systeme (opti-sche Nachführung des Paraboloids, thermodynami-sche Maschine) aufweisen. Bei großen Kraftwerkenin sonnenreichen Gebieten stellen Parabolrinnenund Solartürme die derzeit mit Abstand kostengün-stigste Möglichkeit zur Nutzung der Sonnenenergiezur Stromerzeugung dar. Aufgrund der unterschied-lichen Eigenschaften ist zu erwarten, dass beideTechnologieoptionen je nach Rahmenbedingungen(Kraftwerksgröße, Infrastruktur, lokaler Strombe-darf, Möglichkeiten des Stromferntransports, Ein-strahlungsbedingungen usw.) breiten Einsatz findenwerden.

SolarwärmeSolarkollektoren setzen die Strahlung der Sonne inWärme um.Typische Anwendungen, bei denen in derangegebenen Reihung das Temperaturniveau derbenötigten Wärme steigt, sind Schwimmbadheizun-gen, Brauchwassererwärmung, Raumheizung undProzesswärmebereitstellung. Je höher das ange-strebte Temperaturniveau, desto komplexer der ein-zusetzende Kollektor, da ein höherer Aufwand zurVermeidung von Wärmeverlusten betrieben werdenmuss. Man unterscheidet im Wesentlichen die folgen-den Typen thermischer Kollektoren:• Kollektoren mit unabgedecktem Absorber: In die-

ser einfachsten Ausführung eines Solarkollektorsfließt ein Wärmeträger (z. B. Wasser) durch nichtabgedeckte, schwarze Kunststoffmatten. Die Wär-meverluste durch Konvektion und Wärmeleitungsind groß, so dass keine hohen Temperaturenerreicht werden können.Wegen der geringen Kos-ten sind diese Kollektoren zur Erwärmung vonSchwimmbädern etabliert.

• Flachkollektoren: Bei diesem Kollektortyp wer-den Wärmeverluste meist durch zwei Maßnahmenverringert. Zum einen ist der Absorber zur Sonnehin mit einer Glasscheibe und auf der Rückseitemit Dämmmaterial isoliert. Zum anderen werdenoptisch selektive Absorber eingesetzt, die imsichtbaren und nahen infraroten Spektralbereichstark absorbieren und im Wärmestrahlungsbe-reich (thermisches Infrarot) nur wenig abstrahlen.Dadurch erhöhen sich die erzielbaren Temperatu-ren im Vergleich zum unabgedeckten Absorberdeutlich. Flachkollektoren werden derzeit inerster Linie bei der Brauchwassererwärmung ein-gesetzt, wobei in Deutschland typischerweise etwa60% des jährlichen Wärmebedarfs solar gedecktwerden: Während im Sommer eine vollständigeDeckung erzielt wird, wird das solar vorgewärmteWasser im Winter konventionell nacherhitzt. In

2000 2020 2050

Wichtigste Technologien

Parabolrinnen Parabolrinnen undSolarturm

Parabolrinnen undSolarturm

Wirkungsgrad elektr. [%] 14 20–25 25–30

Kosten [€/kWh] 0,14–0,2 ~0,07–0,14 ~0,06

Charakteristik Integrierter Wärme-speicher für mehrere Stunden

Integrierter Wärme-speicher für mehrere Stunden

Leistungsbereich Mehrere 10 MW

Mehrere 10–100 MW

Mehrere 10–100 MW

Tabelle 3.2-13Wirkungsgrade, Kosten,Leistungsbereich undBesonderheiten solarther-mischer Kraftwerke imreinen Solarbetrieb. DerBegriff „Parabolrinnen“umfasst hier auch die aufFresnel-Kollektorenbasierenden Systeme(Abb.3.2-8). Die Angaben zumWirkungsgrad beziehen sichauf den elektrischenJahressystemwirkungsgradpro Aperturfläche und prodirekter Einstrahlungsenkrecht auf dieKonverterfläche („directnormal incidence“, DNI)Quelle: WBGU

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76 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

zunehmendem Umfang werden thermische Kol-lektoren in so genannten Kombianlagen auch zurHeizungsunterstützung eingesetzt.

• Vakuumröhrenkollektoren: Bei diesen Kollekto-ren sorgt eine Vakuumisolierung dafür, dass dieWärmeverluste durch Leitung und Konvektionder in gläsernen Röhren liegenden Absorber fastgänzlich unterbunden werden. So wird auch imWinter ein guter Wirkungsgrad mit hohen Tempe-raturen erreicht. Derartige Kollektoren eignensich besonders für höhere geographische Breiten,Winterbedingungen und Prozesswärmeanwen-dungen. Wegen der hermetischen Kapselung desAbsorbers werden sie aber auch in großem Maß-stab bei der Brauchwassererwärmung in Ländernmit geringer entwickelter technischer Infrastruk-tur angewandt.

Die in einer Solarkollektoranlage gesammelte Wär-meenergie wird in der Regel in einen Speicher über-führt, damit die Unterschiede zwischen Wärmenach-frage und -angebot für einige Tage ausgeglichen wer-den können. Speicher, die Wärme aus den Sommer-monaten sogar bis in den Winter hinein bereithaltenkönnen, wurden in Pilotanlagen bereits erfolgreichgetestet. Da Wärmeverluste mit dem Verhältnis ausOberfläche zu Volumen ansteigen, müssen saisonaleSpeicher (soweit sie auf der Nutzung sensiblerWärme basieren) vergleichsweise groß sein, was ihreEinbindung in ein Nahwärmeversorgungsnetz not-wendig macht.

Die Modularität von Solarkollektoren erlaubtihren Einsatz prinzipiell in allen erforderlichen Leis-tungsbereichen. Die Wärmekosten liegen für einentypischen Standort in Deutschland heute bei 3–7 €-Cent pro MJ (BMU, 2002b), für sonnenreichereStandorte entsprechend niedriger. Die in thermi-schen Solarkollektoren verwendeten Materialiensind in der Regel umweltverträglich und könnenzudem nahezu vollständig wiederverwertet werden.

Kühlen mit SonnenenergieKühlung und Gebäudeklimatisierung sind idealeAnwendungen von Solarenergie, da der Bedarf zeit-lich mit dem Energieangebot weitgehend zu-sammenfällt. Zwei Methoden können verwendetwerden: Zum einen kann Solarstrom für den Betriebeiner konventionellen Kompressionskältemaschineeingesetzt werden. Zum anderen kann Solarwärmeüber Sorptions- oder Adsorptionsverfahren zumAntrieb thermodynamischer Kühlprozesse einge-setzt werden. Hybridkühlsysteme mit solarer undkonventioneller Energieversorgung können über dieHälfte der für den Betrieb einer konventionellenAnlage benötigten Primärenergie einsparen.

Für Schwellen- und Entwicklungsländer in niede-ren geographischen Breiten sind solare Kühltechno-

logien eine interessante Alternative: Die Raumküh-lung ist mit erheblichem Energiebedarf verbunden.Außerdem kommen solare Kühltechnologien denmeist dezentralen Energiestrukturen in diesen Län-dern entgegen. Kühl- und Klimatisierungstechnolo-gien bei Nutzung der Sonnenwärme können in vielenEinsatzbereichen und Weltregionen zukünftig starkan Bedeutung gewinnen.

3.2.6.3Umwelt- und Sozialfolgen

Mögliche Umweltbeeinträchtigungen einer photo-voltaischen Energietechnologie ergeben sich durchden Herstellungsprozess und die im Endprodukt ver-wendeten Materialien. Während die Herstellungdurch geeignete Verfahren prinzipiell umweltscho-nend gehandhabt werden kann, lassen sich Umwelt-risiken für einige Dünnschichttechnologien nichtvollständig ausschließen. Prinzipiell könnten beiUnfällen (z. B. Bränden) oder Beschädigung derSolarmodule Schadstoffe freigesetzt werden. BeimEinsatz dieser Technologien ist ein sicheres Recy-cling wesentlich. Bei Verwendung von Silizium fürSolarzellen bestehen keine derartigen Gefahren.Solarthermische Kraftwerke sind unbedenklich,solange umweltverträgliche Wärmeträgermedienverwendet werden. Das Gleiche gilt für Solarkollek-toren. Die Potenzialkarten in Kapitel 4 zeigen außer-dem, dass eine Versorgung Europas mit Sonnenener-gie bei Energieimport aus angrenzenden strahlungs-reichen Weltregionen einfacher als eine autonomeEnergieversorgung verwirklicht werden kann (Abb.4.4-5). Der Aufbau entsprechender Infrastruktur inden Ländern des Maghrebs und des Nahen Ostenssowie der Übertragungsleitungen nach Europa wäresowohl politisch-strategisch als auch entwicklungs-politisch von Bedeutung.

3.2.6.4Bewertung

Sonnenenergie ist die Quelle für solare Elektrizitätsowie für Warmwasserbereitung, Heizung undRaumkühlung. Für alle Anwendungsbereiche stehenTechnologien zur Verfügung, die teilweise heute abernoch kostenreduzierende Lernprozesse durchlaufenund durch weitere Forschung und Entwicklung ver-bessert werden müssen. Eine engagierte Ausbauratemuss mittelfristig gesichert werden, damit solareTechnologien ausreichend kostengünstig zur Verfü-gung stehen, wenn der Ausbau anderer erneuerbarerEnergieformen an die Grenzen der nachhaltig nutz-baren Potenziale stößt. Im Gegensatz zu allen ande-

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77Energieträger 3.2

ren Formen erneuerbarer Energien sind die techni-schen und auch die nachhaltig nutzbaren Potenzialeder Sonnenenergie vor dem Hintergrund allerZukunftsprojektionen menschlichen Energieeinsat-zes praktisch unbegrenzt.

3.2.7Erdwärme

3.2.7.1Potenziale

Die Energiequelle für oberflächennahe Anwendun-gen der Bodenwärme z. B. in Wärmepumpen ist dieSonne. Wenn Anlagen die Wärme tiefergelegenerSchichten nutzen, zapfen sie dagegen Wärmequellender Erde an: einmal die thermische Energie aus denZeiten der Entstehung unseres Planeten, überwie-gend aber die Energie aus dem Zerfall radioaktiverElemente. Die sehr hohen Temperaturen im Erdin-neren (wahrscheinlich um 5.000 °C) verursacheneinen kontinuierlichen Wärmestrom von ca. 0,1 Wattpro m2 in Richtung Oberfläche durch die Erdkrustehindurch. In Gebieten geothermischer Anomalien,z. B. in Vulkangebieten, kommen hohe Temperatu-ren bis nahe an die Erdoberfläche vor. Unter 100 °Ceignet sich diese geothermische Wärme nur zu Heiz-zwecken, darüber aber auch zur Stromerzeugung.

Allgemeine Potenzialangaben sind schwierig:Während die oberflächennahe Nutzung der Erd-wärme prinzipiell überall möglich ist, bleibt die sogenannte hydrothermale Nutzung an heiße Thermal-wässer gebunden. Die Nutzung der Wärme in trocke-nen, tiefen Gesteinen befindet sich noch in der Ent-wicklung.

Schätzungen zufolge erreichen die innerhalb dernächsten 10–20 Jahre ökonomisch nutzbaren Reser-ven die Höhe des derzeitigen globalen Primärener-gieeinsatzes (UNDP et al., 2000). Um die Nachhal-tigkeit der globalen Erdwärmenutzung nicht zugefährden, sollte allerdings nicht mehr Erdwärmeabgeschöpft werden als der natürliche Wärmestromder Erde nachliefert. Das entsprechende regionalverfügbare Potenzial ist oft nicht bekannt. Wegennoch offener Fragen zur technischen Umsetzungsowie zu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten beider Nutzung (z. B. ungeklärte Entsorgung großerMengen Abwärme infolge geringer Konversionswir-kungsgrade bei Niedertemperaturprozessen) setztder Beirat ein realistisch umsetzbares nachhaltigesPotential von 30EJ pro Jahr bis 2100 an.

3.2.7.2Technik / Konversion

Tiefes, heißes Gestein oder heißeSedimenteBeim so genannten Hot-Dry-Rock-Verfahren wer-den Bohrungen niedergebracht, durch die kaltesWasser in die Tiefe gepresst und das erhitzte Wasserwieder gefördert wird. Voraussetzung sind trockeneheiße Gesteinsschichten mit Rissen und Spalten fürden Wärmeaustausch mit Wasser. Mit diesem Ver-fahren können vergleichsweise hohe Temperaturenvon etwa 100–180 °C erreicht werden. An anderenStandorten wird Wasser durch die Poren heißenSedimentgesteins gepresst, wobei sich aber nur Tem-peraturen um 100 °C erreichen lassen.

Die auf beide Arten gewonnene Wärme kann inNah- und Fernwärmenetze eingespeist werden oderin der Industrie als Prozesswärme dienen. Je höherdie Temperatur, umso effezienter wird aber auch dieStromerzeugung. Während bei Temperaturen über150 °C Wasserdampf direkt in angepassten konven-tionellen Dampfturbinen zur Stromerzeugung ge-nutzt werden kann, müssen für niedrigere Tempera-turen in der Regel so genannte Binäranlagen ver-wendet werden. Hierbei wird die Wärmeenergie desWassers in einem Wärmetauscher auf eine weitereFlüssigkeit übertragen. Die elektrischen Wirkungs-grade solcher Anlagen liegen je nach Temperatur dergeothermischen Wärme bei nur 10–16%, bei Tempe-raturen von ca. 80 °C aber auch darunter (BMU,2002b). Entsprechend viel Abwärme kann lokalgenutzt bzw. muss entsorgt werden. Die derzeit pro-gnostizierten Kosten der Stromerzeugung variierenzwischen 7–15 €-Cent pro kWhel. Wegen der Kon-stanz des geothermischen Wärmeflusses eignen sichgeothermische Kraftwerke mit einigen MegawattLeistung vor allem für den Grundlastbetrieb.

Hydrothermale SystemeIm Gegensatz zu trockenen und heißen Gesteinen istan anderen Stellen bereits Dampf oder heißes Was-ser im Untergrund vorhanden, das man über Boh-rungen fördern und direkt zum Heizen oder für dieStromproduktion einsetzen kann. Über eine zweiteBohrung sollte es wieder in die Tiefe gebracht wer-den, um den Wasserkreislauf aufrecht zu erhaltenund die Belastung der Oberflächengewässer durchden hohen Gehalt an Mineralien zu verhindern. BeiTemperaturen zwischen 40–120 °C wird die Erd-wärme aus Thermalwässern bisher nur zur Gebäude-und Wasserheizung genutzt.

Oberflächennahe ErdwärmeDie Schlüsseltechnologie zur Nutzung oberflächen-naher Erdwärme ist die Wärmepumpe. Sie fördert

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78 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Wärme unter Einsatz zusätzlicher Energie voneinem niedrigen auf ein höheres Temperaturniveau.In der Regel wird dem Boden durch Wärmetauscher,die in 1–2 m Tiefe verlegt werden, Erdwärme im Tem-peraturbereich von 5–10 °C entzogen.

Alle Wärmepumpen brauchen zum Betrieb hoch-wertige Energie, deren Berücksichtigung für dieenergetische Bewertung unerlässlich ist. Diesgeschieht mit der so genannten „Arbeitszahl“, diedas Verhältnis von eingesetzter Energie (z. B. Strom,Gas) zur Nutzenergie (genutzte Heizwärme) be-schreibt. Da im konventionellen Kraftwerk nur etwaein Drittel der Primärenergie in Strom überführtwird, sollte eine strombetriebene Wärmepumpebeim heutigen Energiemix eine Jahresarbeitszahldeutlich größer 3,6 haben. Bei allen anderen Wärme-pumpen, bei denen in der Energiebilanz keineAbwärmeverluste in Kraftwerken auftreten, istschon eine Arbeitszahl von 1,1 ausreichend. Derzei-tige Prototypen und Kleinprodukte thermisch ange-triebener Wärmepumpen (Erdgas) erreichen Jahres-arbeitszahlen von 1,3. Bei elektrisch angetriebenenKompressionswärmepumpen werden Arbeitszahlenvon über 3,6 erreicht.

In Verbindung mit Wärmepumpen kann dasErdreich als Wärmespeicher genutzt werden, wenndie gleichen Anlagen im Sommer zur Kühlung/Kli-matisierung dienen. In diesem Fall wird die beimKühlprozess anfallende Abwärme im Erdreichgespeichert, wodurch die Temperatur für den winter-lichen Heizbetrieb angehoben werden kann.

3.2.7.3Umwelt- und Sozialfolgen

Bei aus der Tiefe geförderten heißen Wässern ist eineReinjektion notwendig, weil sie nicht nur Mineralien,sondern auch Schwefelwasserstoff, Ammoniak,Stickstoff, Schwermetalle und Kohlendioxid enthal-ten. Die entsprechende Technologie ist vorhanden.Bei der Stromerzeugung mit thermodynamischenMaschinen auf der Basis leichtflüchtiger Arbeits-mittel sollte das eingesetzte organische Mediumungiftig sein und kein wesentliches Treibhauspoten-zial besitzen. Aufgrund niedriger Vorlauftemperaturund geringer Umwandlungswirkungsgrade fällt beigeothermischen Stromerzeugung zudem lokal einegroße Menge Abwärme an, die entsorgt werdenmuss.

Bei elektrischen Wärmepumpen ist die Gesamt-energiebilanz kritisch zu betrachten. Ebenso müssendie Niedertemperatur-Wärmequellen sorgfältig aus-gewählt werden: Eine starke Abkühlung von Grund-wasser sollte vermieden werden, aber aus durch

Abwärme belasteten Flüssen kann ein Wärmeentzugdurchaus ökologisch sinnvoll sein.

3.2.7.4Bewertung

Erdwärme hat ein großes technisches Potenzial undsteht im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergiekontinuierlich zur Verfügung. Das nachhaltig nutz-bare Potenzial wird vom Beirat dennoch bis 2100 nursehr vorsichtig auf 30 EJ pro Jahr eingeschätzt.

Bei Nutzung von Erdwärme aus großer Tiefe aufhohem Temperaturniveau sind Stromerzeugung,Nutzung für Nah- und Fernwärmenetze und Kombi-nation beider möglich. Für niedrige Temperatur-niveaus kommen hingegen nur thermische Anwen-dungen in Frage. Der Beirat empfiehlt, die entspre-chenden Technologien weiter zu entwickeln und denAusbau zu fördern. Bei Wärmepumpen zur Nutzungoberflächennaher Wärme sollte dabei auf ausrei-chend hohe Arbeitszahlen geachtet werden.

3.2.8Andere erneuerbare Energien

Neben den bisher beschriebenen Technologien zurNutzung erneuerbarer Energiequellen, von derengroßskaligem Einsatz in einem nachhaltigen Ener-giesystem ausgegangen werden kann, gibt es andereAnsätze zur Energiekonversion erneuerbarer Ener-giequellen.

Als marine Energiequellen werden in erster LinieGezeiten- und Wellenenergie genannt. Unterbestimmten geomorphologischen Bedingungen, dieeine Strömung einengen und dadurch beschleunigen,kann die Wassergeschwindigkeit durch Gezeitenströ-mung für eine Gewinn bringende energetische Nut-zung ausreichen. Wegen der im Vergleich zu Luftdeutlich höheren Dichte des Wassers genügt hierzueine viel niedrigere Strömungsgeschwindigkeit alsbei der Windenergie. Schon ab etwa 1 m pro SekundeGezeitenströmung erscheint die Nutzung lohnend.Zudem kann in Ästuaren und Flussmündungen derTidenhub mehr als 2 m betragen, der in Gezeiten-kraftwerken für den Betrieb von Turbinen genutztwerden kann. Wellenenergie entsteht durch dieWechselwirkung von Meeresoberfläche und Wind.Die Energiedichte nimmt allerdings mit der Annähe-rung an die Küste ab. Daher besteht die technischeHerausforderung darin, Anlagen für küstenferneStandorte zu entwickeln. Vielfältige Konzepte sindbereits angedacht, manche werden erprobt.

In vielen Prozessen der chemischen, petrochemi-schen oder verwandter Industrien werden fossile

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79Kraft-Wärme-Kopplung 3.3

Energieträger nicht nur als Ausgangsstoffe für Pro-dukte sondern teilweise auch energetisch genutzt.Um energetische und nicht energetische Verwendun-gen fossiler Energieträger zu entkoppeln, kann dieSonne die Energiefunktion an vielen Stellen direktübernehmen. Für Prozesse bei hohen Temperaturenkönnen beispielsweise technische Konzepte ange-wendet werden, die denen solarthermischer Kraft-werke (Kap. 3.2.6.2) ähneln.

Sonnenlicht kann aber auch in photochemischenund -katalytischen Anwendungen eingesetzt werden,bei denen heute künstliche Lichtquellen dominieren.Die photochemische Synthese flüssiger Energieträ-ger ist prinzipiell denkbar. In Ergänzung dazu sindauch der Photosynthese verwandte Membransys-teme sowie photochemische und -biologische Was-serstoffherstellung vielversprechende Ansätze fürdie zukünftige Nutzung der Sonnenenergie.

Im Forschungskapitel (Kap. 6.3.1) werden Ener-giekonversionskonzepte angesprochen, die sich nachAnsicht des Beirates im Laufe von 10–20 Jahren zumarktreifen Technologien entwickeln können. Insge-samt schätzt der Beirat das Potenzial dieser noch imEntstehen befindlichen Energiewandlungsverfahrenvorsichtig auf 30 EJ pro Jahr im Jahr 2100.

3.3Kraft-Wärme-Kopplung

3.3.1Technologie und Effizienzpotenziale

In Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird aus dem eingesetzten Brennstoff nicht nurStrom erzeugt, sondern gleichzeitig auch dieAbwärme z. B. für Heizzwecke genutzt. Sie erreichendaher einen hohen Gesamtnutzungsgrad des einge-setzten Brennstoffs, der bei gut ausgelegten Anlagenbei 80–90% liegen kann. KWK ist somit eine wich-tige Technologie für die Einsparung von Primärener-gie.

KWK-Anlagen können überall eingesetzt wer-den, wo neben der Stromerzeugung Bedarf anNiedertemperaturwärme (bis ca. 120 °C) oder Pro-zesswärme (bis ca. 200 °C) vorhanden ist. Es gibt einegroße Bandbreite von KWK-Technologien in einemLeistungsbereich von etwa 1 kWel bis zu mehreren100 MWel (Tab. 3.3-1). Die im KWK-Betrieb erreich-baren Stromnutzungsgrade reichen derzeit von 15%für kleinere Dampfturbinen bis zu 45% in hocheffi-zienten Motor-/Generatorsystemen und könnenzukünftig auf 60–65% ansteigen, z. B. bei Kombina-tionskraftwerken mit ausgereiften Brennstoffzellen.Dementsprechend variiert die Stromkennzahl

(Energieverhältnis von Strom zu Nutzwärme) zwi-schen 0,20 und 1,50, langfristig sogar bis zu 2,50.Hohe Stromkennzahlen sind für den Einsatz vonVorteil, da tendenziell der Wärmebedarf typischerVersorgungsobjekte relativ zum Stromverbrauchsinkt. Zudem verbessern sie die Wirtschaftlichkeitder Anlagen, da Stromerlöse meist höher sind alsWärmeerlöse.

Als Brennstoff können fossile Träger, z. B. Kohle,Öl oder Gas genutzt werden, aber auch Brennstoffe(später auch Wasserstoff) aus regenerativen Quellen.Dampfturbinen und Stirlingmotoren können auchfeste Brennstoffe (z. B. Kohle, Holz) nutzen, alleanderen Technologien benötigen aber flüssige odergasförmige Brennstoffe, teilweise mit hohemAnspruch an ihre Reinheit. Bei Brennstoffzellenkommt die externe oder interne Erzeugung von Was-serstoff aus wasserstoffhaltigen Brennstoffen hinzu.Der eigentliche Energiewandler ist also nur ein Teildes Gesamtsystems, das im Hinblick auf Nutzungs-grade und Kosten immer als Ganzes betrachtet wer-den muss.

KWK-Anlagen sind in der Regel primärenerge-tisch effizienter als die getrennte Bereitstellung vonStrom und Nutzwärme. Die Höhe der realistischerreichbaren Energieeinsparung und der damit ver-knüpften CO2-Reduktion hängt dabei sehr stark vonGröße und Bauart der KWK-Anlage, ihrer Ausle-gung, den Vergleichssystemen und den eingesetztenBrennstoffen ab. Typische Werte für die Primärener-gieeinsparung von KWK-Anlagen liegen bei 15–30%, was einer CO2-Reduktion bis zu 50% ent-spricht, wenn Erdgas-KWK mit getrennter Erzeu-gung von Strom und Wärme aus Kohle verglichenwird. Bei Gutschrift der vermiedenen zusätzlichenWärmeerzeugung liegen typische spezifische CO2-Emissionen der KWK (mit Erdgas) bei 0,19–0,25 kgpro kWhel (Nitsch, 2002). Je höher der Gesamtnut-zungsgrad und die Stromkennzahl einer KWK-Anlage sind, desto höher fallen ihre energetischenund ökologischen Vorteile aus; längerfristig sind alsodie entsprechenden Technologien (GuD-Anlagen,Brennstoffzellen, sehr effiziente Motoren) vorteil-hafter.

3.3.2Einsatzmöglichkeiten

Im Prinzip kann mit KWK ein sehr hoher Anteil desRaumheizungs- und Warmwasserbedarfs (ca. 65%)und des industriellen Prozesswärmebedarfs (bis zu80% der Mitteltemperaturwärme) gedeckt werden.Auch zur Kühlung, Lufttrocknung, Klimatisierungund zur Meerwasserentsalzung (z. B. durch solarther-mische Kraftwerke in Ländern mit hoher Sonnenein-

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80 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

strahlung) kann die KWK-Technologie eingesetztwerden.

Im Siedlungsbereich reichen die Möglichkeitender KWK von der Versorgung von Ein- und Mehrfa-milienhäusern sowie von Büro- und Gewerbegebäu-den über Gebäudeensembles bis hin zu ganzenWohnsiedlungen und/oder Gewerbegebieten. Zu-sätzliche Optionen der KWK ergeben sich durch dieeffektivere Nutzung der vorhandenen Fernwärme-versorgungsnetze und den Ersatz von Heizwerkendurch Heizkraftwerke.

In der Industrie steht die Modernisierung „tradi-tioneller“ KWK im Vordergrund, z. B. der Ersatz vonDampf- bzw. einfachen Gasturbinen durch Motor-,GuD- und mittelfristig Brennstoffzellenanlagen,aber auch die Ausweitung für Prozesswärmeerzeu-gung. Insbesondere dezentrale KWK-Anlagen(Motoren, Gas- und Mikrogasturbinen, Stirling-Motoren, Brennstoffzellen) entwickeln sich tech-nisch und ökonomisch rasch weiter, so dass derAnwendungsbereich für KWK ständig erweitertwird.

Derzeit stellt die KWK in Deutschland 165 TWhWärme pro Jahr (11% des gesamten Wärmebedarfs)und 72 TWh Strom pro Jahr (13% der Bruttostrom-erzeugung mit einer Stromkennzahl von 0,43) bereit.Sie vermeidet derzeit rund 30 Mio. t CO2 pro Jahrgegenüber getrennter Erzeugung von Elektrizitätund Wärme. Damit liegt Deutschland im Mittelfeldeuropäischer Länder. Außereuropäisch ist die KWK

eher gering verbreitet. Das theoretische Nutzungs-potenzial der KWK in Deutschland beläuft sich mitetwa 500 TWhel Strom bzw. rund 110 GWel installier-ter Leistung jedoch auf das Siebenfache des heutigenAnteils und entspricht damit nahezu der gesamtenheutigen Stromerzeugung. Für diese Rechnung sindein deutlicher Rückgang des Nutzwärmebedarfs aufca. 60% des heutigen Niveaus und die weitere tech-nologische Entwicklung der KWK-Technologien mitentsprechender Steigerung der mittleren Strom-kennzahl auf rund 1,0 angenommen worden (Nitsch,2002). Bis 2030 kann von einem relativ sicherumsetzbaren Gesamtpotenzial von rund 200 TWhKWK-Strom pro Jahr und 280 TWh Nutzwärme proJahr ausgegangen werden, also einer Verdreifachungdes heutigen Wertes bei einer mittleren Stromkenn-zahl von 0,7. Dazu wären rund 20.000 MWel zusätzli-che KWK-Leistung erforderlich, wovon etwa zweiDrittel auf dezentrale Anlagen (<10 MWel) entfallen.Das mobilisierbare CO2-Reduktionspotenzial liegtbei rund 80 Mio. t CO2 pro Jahr und entspricht rund7% der deutschen Emissionen im Referenzjahr 1990.

3.3.3Wirtschaftlichkeit

Aus Sicht der Strombereitstellung arbeitet eineKWK–Anlage dann wirtschaftlich, wenn die Mehr-aufwendungen für Wärmeauskopplung und verrin-

Tabelle 3.3-1Überblick über die technischen Daten von Systemen mit kompletter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Werte in Klammern sindzukünftig erreichbare Maximalwerte des Stromnutzungsgrads. HKW Heizkraftwerk, BHKW Blockheizkraftwerk, GuD Gas-und Dampfkraftwerk, PAFC phosphorsaure Brennstoffzelle, PEMFC Brennstoffzelle mit Protonenaustauschermembran,MCFC Schmelzkarbonatbrennstoffzelle, SOFC keramische Festoxidbrennstoffzelle.Quelle: Nitsch, 2002 und WBGU

Technologien Leistung

[MW]

ElektrischerNutzungsgrad[%]

Stromkennzahl Technischer Status und Potenziale

Dampfturbinen-HKW 1–150 15–35 0,20–0,50 ausgereifte Technik

Gasturbinen-HKW 0,5–100 25–35 (40) 0,30–0,60 noch Entwicklungspotenziale

GuD-HKW 20–300 40–55 (60) 0,60–1,20 noch Entwicklungspotenziale

Motoren-BHKWOttomotorenDieselmotoren

0,005–200,005–10,05–20

25–45 (50)25–37 (45)35–45 (50)

0,40–1,000,40–0,800,60–1,00

noch Entwicklungspotenziale, speziell beikleinen Leistungen

Mikrogasturbinen 0,02–0,5 20–30 (35) 0,30–0,50 noch deutliche Entwicklungspotenziale,beginnender Markteintritt

Stirlingmotoren 0,001–0,05 30–35 (45) 0,30–0,60 noch Entwicklungspotenziale,beginnender Markteintritt

BrennstoffzellenPAFCPEMFCMCFCSOFC

0,001–200,1–0,20,001–0,20,1–100,001–20

30–50 (60)35–4030–40 (50)45–50 (55)40–45 (60)

0,80–1,500,80–1,000,80–1,001,00–1,401,00–1,50

noch hohe Entwicklungspotenziale

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81Energieverteilung, -transport und -speicherung 3.4

gerte Stromerzeugung gegenüber konventionellenKraftwerken durch die Erlöse aus dem Verkauf vonWärme mindestens kompensiert werden. Für heu-tige größere KWK-Anlagen auf Turbinen- undMotorbasis liegen die so ermittelten Stromgeste-hungskosten bei 3,5 €-Cent pro kWhel und für klei-nere Anlagen bei 6 €-Cent pro kWhel.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist ihre Wirtschaft-lichkeit bereits heute gegeben, erst Recht dann, wennman die externen Kosten einbezieht. Wie schon inder Vergangenheit ist zudem mit einem weiterenRückgang der Investitions- und Betriebskosten ins-besondere von kleineren KWK-Anlagen zu rechnen.Wird dagegen auf der Basis kurzfristiger Grenzkos-ten verglichen – also auf aktuell niedrige Strombe-zugskosten des derzeitigen, teilweise abgeschriebe-nen Kraftwerksparks bezogen – so ist eine Wirt-schaftlichkeit von KWK-Anlagen nur in günstigenAusnahmefällen gegeben. Die wirtschaftlichen Pro-bleme der bestehenden KWK-Anlagen werden fastausschließlich durch sinkende Strompreise als Folgeder Liberalisierung der Strommärkte verursacht. Dieweiteren Marktchancen für KWK-Anlagen hängensomit stark von den energiepolitischen Rahmenbe-dingungen (z. B. KWK-Gesetz) ab.

Für neue KWK-Systeme wie Brennstoffzellen,Stirlingmotoren und Mikrogasturbinen existierenbei der Einführung ähnlichen Hemmnisse. Um einebreite Marktakzeptanz zu erreichen, müssen siezunächst mindestens das Kostenniveau der heutebereits eingesetzten KWK-Systeme erreichen, d. h.für Brennstoffzellen-KWK-Anlagen Systemkostenum 1.000–1.200 € pro kWel. Dies bedeutet eine not-wendige Kostenreduktion um rund eine Größenord-nung. Wenn man die Lernkurven vergleichbarerdezentraler Technologien betrachtet, dürfte dies beigrößerem Marktvolumen durchaus erreichbar sein.

3.3.4Bewertung

Wegen ihrer energetischen und ökologischen Vor-teile bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit insbeson-dere bei Berücksichtigung externer Kosten ist dieKWK-Technologie ein unverzichtbarer Bestandteiljeder Effizienzstrategie für die Transformation vonEnergiesystemen. Insbesondere die modernenKWK-Technologien fügen sich dabei sehr günstig inden sich abzeichnenden Trend zu einer stärkerenVernetzung und „Dezentralisierung“ der Energie-versorgung ein.

Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung ist somiteine bedeutende Einzelmaßnahme zur Effizienzstei-gerung des Energiesystems auf der Versorgungsseite.Während aus volkswirtschaftlicher Sicht ihre Wirt-

schaftlichkeit bereits gegeben ist, sind die derzeitigam Markt herrschenden Bedingungen schwierig. DerBeirat empfiehlt daher, den Ausbau der KWK durcheine Verbesserung der energiepolitischen Rahmen-bedingungen stärker zu fördern.

3.4Energieverteilung, -transport und -speicherung

3.4.1Grundlegende Eigenschaften vonElektrizitätsversorgungsstrukturen

Die regionalen Strukturen der globalen Energiever-sorgung weisen große Unterschiede auf, da Energie-nachfrage und -angebot von zahlreichen lokalen Fak-toren abhängen. Es lassen sich zusammenhängendedicht besiedelte und ausgedehnte dünn besiedelteRegionen unterscheiden. Während erstere oft übergroßflächige Strom- und Gasnetze verfügen, wird fürletztere meist ein dezentraler Ansatz über Inselnetz-und Einzelhausversorgungen verfolgt (netzferneKonzepte; Kap. 3.4.2). Die Qualität der Energiever-sorgung muss sich bei den beiden grundlegend ver-schiedenen Konzepten nicht notwendigerweiseunterscheiden. Versorgungsstrategien für großflä-chig vernetzte Regionen verdienen besonderesAugenmerk, da hier der mit Abstand größte Anteilder Energie eingesetzt wird (Kap. 3.4.3).

In Stromnetzen müssen Erzeugung und Ver-brauch elektrischen Stroms zu jedem Zeitpunktgleich groß sein. Übersteigt die Erzeugung denaktuellen Verbrauch, steigen Frequenz und Span-nung im Netz, liegt sie darunter, sinken sie. Wirdnicht gegengesteuert, können an das Netz ange-schlossene Geräte beschädigt werden. Zur Steue-rung von Stromnetzen ist daher die Kenntnis sowohlder statistischen als auch der determinierten Anteilevon Erzeugung und Verbrauch entscheidend, wobeisich charakteristische Tages- und Jahresgänge beob-achten lassen. Da das Netz aus mehreren Spannungs-ebenen aufgebaut ist, müssen die Lastgänge auf allenEbenen berücksichtigt werden, denn selbst bei aus-geglichener Bilanz auf der Höchstspannungsebenekönnte sonst z. B. ein Teilnetz auf Mittelspannungs-ebene überlastet werden. Mit der zunehmendenBedeutung fluktuierender regenerativer Energie-quellen wie Windkraft und Photovoltaik tritt zusätz-lich auch auf der Angebotsseite eine dynamischeGröße auf. Für die bestmögliche Abstimmung zwi-schen fluktuierender Energiebereitstellung und-nachfrage bieten sich mehrere Strategien an:

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82 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

• Anpassung der Energienachfrage an das Energie-angebot (Lastmanagement);

• Veränderung der Strukturen auf der Erzeuger-seite mit dem Ziel, die Stromerzeugung der Ener-gienachfrage anzupassen;

• großflächige Vernetzung von Energieerzeugernund -verbrauchern, um über statistische Aus-gleichseffekte eine Anpassung von Erzeugungund Bedarf zu erreichen;

• Speicherung von Energie.

3.4.2Versorgungsstrategien für Elektrizitätsinseln

Insbesondere in den ländlichen Regionen der Ent-wicklungsländer fehlt neben zahlreichen Grundgü-tern wie sauberem Trinkwasser oder Telekommuni-kation auch die Versorgung mit Energiedienstleis-tungen (Kap. 2.4). Ein Netzausbau in diesen Regio-nen ist in vielen Fällen unrealistisch, da der zuerwartende geringe Stromverbrauch der Nutzer beigleichzeitig weiter räumlicher Verteilung in keinemVerhältnis zu den hohen Kosten einer Netzerweite-rung steht. Daher muss die Versorgung mit Stromebenso wie auch die mit anderen Energiedienstleis-tungen vorzugsweise dezentral erfolgen.

Die Technologien zur dezentralen Stromversor-gung („Elektrizitätsinseln“) lassen sich in zweiKategorien einteilen: isolierte Systeme für einzelneNutzer sowie Inselnetze für größere Nutzergruppenwie z. B. Dörfer. Zur Stromerzeugung werden Die-sel-, Biomasse-, Wind-, Photovoltaik- oder Kleinst-Wassergeneratoren eingesetzt, die zur optimalenAnpassung und damit zur Kostenreduktion auchkombiniert werden können. Isolierte Systeme fürindividuelle Nutzer müssen meist nur sehr kleineEnergiebedürfnisse befriedigen, für die in ersterLinie die Photovoltaik geeignet ist, da sie angepassteGeneratorgrößen bietet und ohne wartungsintensiveMechanik betrieben werden kann. Die typische tech-nologische Umsetzung eines Individualsystems istunter dem Begriff „Solar-Home-System“ bekannt.Ein solches System umfasst üblicherweise ein Photo-voltaik-Modul, eine Batterie und einen Laderegler.Während kleinere Systeme auf Gleichspannung aus-gelegt sind und beispielsweise mehrere Fluoreszenz-lampen und ein Radio versorgen, können größereAnlagen Wechselstrom liefern und damit sogar Farb-fernseher und andere Haushaltsgeräte versorgen.Ein großes Hindernis bei der Einführung solcherSysteme ist die relativ hohe Anfangsinvestition beigleichzeitig fehlendem Mikrokreditwesen. Vielfachkonzentriert man sich daher auf Modelle, bei denenein Investor beim Kunden ein System installiert, dasnur gegen Gebühr Strom liefert (so genannte „Fee-

for-service-Konzepte“). Insgesamt sind die sozioöko-nomischen Barrieren einer solchen Individualversor-gung oft größer als die technischen. Berechnet mandie Kosten heute eingesetzter Technologien (Primär-batterien, Petroleumlampen, Dieselgeneratoren)über die Lebensdauer regenerativ versorgter Sys-teme, dann sind Photovoltaik, Wasser oder Wind inder Regel bereits heute die wirtschaftlich bessereWahl. Eine weitere Individualanwendung mit großerVerbreitung sind photovoltaische Pumpsysteme. Beidiesen Systemen wird durch verbesserte landwirt-schaftliche Produktion häufig zusätzliches Einkom-men geschaffen.

Unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. ausrei-chend kleiner Häuserabstand) kann es günstigersein, anstelle von Individualsystemen Inselnetze fürgrößere Nutzergruppen aufzubauen. Wegen der ins-gesamt höheren Stromnachfrage sind hier bei derAuswahl des Stromgenerators größere Freiheitengegeben. Zudem kann man ein Inselnetz bereits sokonstruieren, dass bei Erweiterung des nationalenNetzverbunds auch die Insel als ganzes angeschlos-sen werden kann.

3.4.3Versorgungsstrategien innerhalb vonElektrizitätsnetzen

3.4.3.1Die fluktuierende Energienachfrage inElektrizitätsnetzen

Die Stromnachfrage in ausgedehnten Stromnetzenwie dem Europäischen Verbundnetz setzt sich auseiner großen Zahl von Verbrauchern unterschied-licher Leistungsabnahme und unterschiedlichenZeitverhaltens zusammen. Die meisten Verbrauchernutzen einen zeitlich vorhersagbaren Anteil: Stromfür das Kochen oder Licht wird zu bestimmten Tages-zeiten gebraucht. Die genauen Zeitpunkte des Ein-und Ausschaltens sind zwar nicht vorhersagbar, aberdurch die große Anzahl räumlich verteilter Strom-verbraucher verwischen diese statistischen Schwan-kungen zu relativ glatten Tages- und Jahresgängen.

Die Verbrauchsmuster sind zwischen Ländern,Regionen oder Klimazonen unterschiedlich. So wirdder Tagesgang in heißen Ländern erheblich durchden Einsatz von Klimaanlagen beeinflusst. DieStromnachfrage in Deutschland ist durch einenhohen Bedarf während des Tages und in den Abend-stunden gekennzeichnet. Man kann erkennen, dasseine Leistungsnachfrage etwas unterhalb der Hälftedes Tageshöchstwerts nie unterschritten wird(„Grundlast“). Zur Deckung der schwankenden

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83Energieverteilung, -transport und -speicherung 3.4

Nachfrage wird die heutige Stromversorgung durcheine Kombination von im Zeitverhalten trägenGrundlastkraftwerken (z. B. Kohle, Laufwasser) imVerbund mit zusätzlichen, schneller regelbaren Anla-gen wie Gas- und Pumpspeicherkraftwerkengewährleistet. Insgesamt müssen genügend Kraft-werke zur Deckung der Spitzenlast bereit stehen. Dasie aber nicht die ganze Zeit Strom erzeugen, ist dieLeistungsbereitstellung ein Kostenfaktor. Deshalbwurde in den letzten Jahrzehnten durch Steuerungder Energienachfrage (Lastmanagement bei großenVerbrauchern in der Industrie, billiger Nachtstromusw.) zunehmend das Verhältnis von Spitzenlast zuGrundlast verkleinert.

3.4.3.2Das fluktuierende Energieangebot auserneuerbaren Energiequellen

Das Angebot erneuerbarer Energiequellen wie Windund Sonne ist starken Schwankungen unterworfen.Welche Zeitbereiche dabei relevant sind, hängt vonder erzeugten Endenergieform (Strom oder Wärme)und ihrer Speicherbarkeit ab. Aufgrund der einge-schränkten Transportierbarkeit von Wärme ist einAusgleich des Tagesganges durch großräumige Ver-netzung für die Wärmeversorgung nicht möglich.Hier wird deshalb auf die im Vergleich zu Strom vieleinfacheren lokalen Speichermöglichkeiten zurück-gegriffen. Bei der Elektrizität können die Fluktuatio-nen im Sekunden-/Minutenbereich, im Stundenbe-reich und im jahreszeitlichen Gang getrennt betrach-tet werden.

Fluktuation im Sekunden-/MinutenbereichIn diesem Zeitbereich treten bei Windkraft undSolarenergie zufällige Schwankungen durch Wolken-zug und Böen auf. Diese statistischen Schwankungensind aber bei räumlich verteilten Anlagen nicht mit-einander korreliert: vernetzt man viele Anlagen, glei-chen sich diese kurzfristigen Fluktuationen aus(Abb. 3.4-1). Daher sind in gut ausgebauten bidirek-tionalen Netzen in diesem Zeitbereich keine Pro-bleme zu erwarten. Auch extreme Schwankungen,z. B. durch Notabschaltungen bei Sturm, sind tech-nisch beherrschbar. Die in den Netzen verbleibendenVariationen der Stromproduktion aus Wind undsolaren Quellen müssen durch gut regelbare Kraft-werke (Gasturbinen, Pumpspeicheranlagen usw.)ausgeglichen werden.

Fluktuation im StundenbereichDie Leistungsabgabe von solaren Energieanlagenhängt über den Sonnenstand von der Tageszeit ab, sodass gut vorhersagbare Schwankungen in Stunden-

bereich entstehen. Der Anteil der Zeit, in der Stromaus Solarenergie zur Verfügung steht, kann durcheine Vernetzung in Ost-West-Richtung vergrößertwerden (Abb. 3.4-2).

Durch den Einsatz solarthermischer Kraftwerkezur Stromerzeugung kann diese Zeitspanne nochweiter ausgedehnt werden. Diese Kraftwerke kön-nen nach Sonnenuntergang mit thermischenZwischenspeichern einen Nachlauf von gut 5 Stun-den ermöglichen (Nitsch und Staiß, 1997). Der Ein-satz solcher Kraftwerke ist insbesondere in den west-lichen Teilen eines vernetzten Gebietes sinnvoll, fürEuropa also etwa in Spanien.

Die Windgeschwindigkeit zeigt keinen ausgespro-chenen Tagesgang. Im Mittel ist sie bei starkerBewölkung höher als bei schwacher, so dass Sonnen-und Windenergieangebot negativ korrelieren. Damitergeben sich im Stundenbereich durch eine Kombi-nation von Wind- und Solarenergiekonvertern Aus-gleichseffekte.

JahReszeitliche SchwankungDie aus Sonnenenergie zu gewinnende Leistungändert sich mit der Jahreszeit und dem Breitengrad.In Äquatornähe und in hohen Breiten beeinflussenRegenzeiten bzw. starke Bewölkung den Jahresgangzusätzlich. Bei der Stromversorgung können dieseEffekte prinzipiell durch großräumige Nord-Süd-Vernetzung kompensiert werden (Abb. 3.4-3).

Die Jahreszeitenschwankung des Windkraftange-bots ist stärker lokal geprägt und schlechter prognos-tizierbar als die Sonneneinstrahlung. Das Wasser-kraftangebot zeigt in den meisten Regionen einendeutlichen Jahresgang (z. B. durch Regenzeiten), derteilweise durch Speicherung in Stauseen ausge-glichen werden kann. Für die Energiegewinnung ausBiomasse ist wegen der guten Lagerbarkeit eineAbhängigkeit von der Jahreszeit kaum gegeben.

3.4.3.3Strategien zur Abstimmung von Energieangebotund -nachfrage

Eine wesentliche Herausforderung an eine Energie-versorgung auf der Basis erneuerbarer Energiequel-len ist die Deckung der fluktuierenden Nachfragedurch ebenfalls fluktuierende Quellen. Im Folgen-den werden entsprechende Instrumente beschrie-ben, die jeweils an die regionalen Besonderheitenangepasst werden müssen.

Stromtransport und -verteilungDie angebotsseitigen Schwankungen (Kap. 3.4.3.2)legen es nahe, Strombereitstellungstechnologien undRegionen großräumig zu vernetzen, um zu jeder

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84 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Tages- und Jahreszeit ein der Nachfrage möglichstentsprechendes Energieangebot zu realisieren. DieTransportierbarkeit elektrischer Energie eröffnet dieMöglichkeit, auch weit auseinanderliegende Regio-nen mit zeitlich verschobenen Energieproduktions-und -verbrauchsmustern zu verbinden.

Um unterschiedliche regionale Versorgungsstra-tegien zu identifizieren, ist es sinnvoll, zwischen dergroßräumigen globalen Vernetzung von Regionenund der feinmaschigen Vernetzung für die örtlicheBevölkerung zu unterscheiden: Es ist denkbar, dassgroße Strommengen in Gebieten produziert werdenkönnen, die auf lange Sicht kein eigenes feinmaschi-ges Netz aufweisen werden. Die Energie könnte vondort ohne all zu große Verluste in hoch industriali-sierte Zentren transportiert werden. Beim Transportvon Solarstrom durch Hochspannungsgleichstrom-übertragung von Nordafrika nach Mitteleuropa über

eine Strecke von ca. 3.300 km würden z. B. Übertra-gungsverluste von etwa 10% auftreten. Letztlich sindsogar trans- und interkontinentale Vernetzungen bishin zu einem „Global Link“ insbesondere bei Durch-brüchen in der technologischen Entwicklung (z. B.Supraleitung) denkbar.

Steuerung der Stromnachfrage,LastmanagementMit geeigneten Anreizen und Technologien lässt sichdie Lastkurve an die vorhandene Angebotsstrukturanpassen (Kap. 3.4.3.1). Durch solche Maßnahmenwürden sich bei einem steigenden Anteil regenerati-ver Quellen die Übertragungsverluste und derBedarf an Speichern reduzieren lassen. Die Potenzi-ale sind derzeit schwer einzuschätzen, dürften abermindestens bei etwa 20% des Strombedarfs im Win-ter und etwa 10% im Sommer bzw. 10% des Haus-haltsstrombedarfs liegen. Sie lassen sich vor allemdurch lastabhängige Tarife erreichen, die auf der Ver-

Abbildung 3.4-1Ausgleich der Fluktuationbei der Photovoltaik-stromerzeugung durchVernetzung vieler Anlagen.Vergleich zwischen einerstark schwankendenEinzelanlage und demMittelwert von 100 räumlichgetrennten Anlagen gleicherLeistung.Quelle: Wiemken et al., 2001

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0 12 24 36 48 60 72

100 Systeme

1 System

Stunden

Nor

mie

rte

Leis

tung

sabg

abe

Zwischen-speicher

Leis

tung

Uhrzeit MEZ

06:00 12:00 18:0000:00 00:00

Moskau Berlin Lissabon

Abbildung 3.4-2Solarenergieangebot in Europa als Funktion der Tageszeitund des Ortes. Bei solarthermischen Kraftwerken kann dietägliche Betriebsdauer durch thermische Zwischenspeicherverlängert werden.Quelle: Quaschning, 2000

Abbildung 3.4-3Jahresgänge der Bestrahlungsstärke der Sonne auf der Nord-und Südhalbkugel für Algier, Berlin und Kapstadt.Quelle: Quaschning, 2000

Algier

Kapstadt

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BerlinStr

ahlu

ngss

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Mon

atsm

ittel

Monat

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85Energieverteilung, -transport und -speicherung 3.4

braucherseite technisch z. B. mit Hilfe von Tarifam-peln oder -schaltern eingeführt werden könnten.Dadurch würden Anreize für „intelligente“ Geräteentstehen (z. B. Kühlschränke oder Elektroautos),die automatisch Elektrizität nur bei niedrigen Tari-fen beziehen.

EnergiespeicherungTransport und direkter Verbrauch von Strom in aus-gedehnten Netzen dürfte auch langfristig kostengün-stiger bleiben als die Speicherung, so dass diese aufein Mindestmaß beschränkt bleiben sollte. Selbst beioptimiertem Lastmanagement wird aber ab einemAnteil fluktuierender erneuerbarer Energiequellenim Stromnetz von etwa 50% erwartet, dass im Tages-und Jahresverlauf Überschuss- oder Mangelsituatio-nen auftreten und somit zusätzliche Energiespeichernotwendig werden. Für die Ansprechgeschwindig-keiten, Leistungen und Speicherkapazitäten gibt eseine Reihe unterschiedlicher technischer Lösungen.Man kann die Technologien grob einteilen in eherflinke Speicher großer Leistung (z. B. Kondensato-ren, Schwungräder, Supraleiterspeicher) und eherträge Speicher großen Energieinhalts (z. B. Pump-speicherkraftwerke, Druckluftspeicher, elektroche-mische Speicher). Aus Kostengründen sind heute füreine großskalige Netzunterstützung bei mittel- bislangfristiger Energiespeicherung Pumpspeicher-kraftwerke am vorteilhaftesten. Als zukünftige Spei-chersysteme werden vor allem elektrochemischeRedoxsysteme, insbesondere unter Einsatz von Was-serstoff, entwickelt.

Synergien von Strom und WärmeDie Stromnachfrage ist in nördlichen Breiten im Jah-resgang mit der Wärmenachfrage korreliert. EineEnergieversorgung, die maßgeblich durch die Nut-zung von Sonnenenergie geprägt ist, hat im Wintermit einer Verknappung des Stromangebotes zu rech-nen. Ist die Stromerzeugung durch Windkraft domi-niert, dann ist in den Wintermonaten eher mit Strom-überschüssen zu rechnen. Durch die Verwendungvon Wärmepumpen kann der Stromverbrauch mitdem Wärmebedarf gekoppelt werden, so dass einhöherer Wärmebedarf durch das höhere Stromange-bot gedeckt werden kann.

Strom- und Wärmenachfrage lassen sich aberauch durch eine größere Wärmespeicherkapazitätentkoppeln. So können z. B. Regelungsreserven imStromnetz als KWK-Anlagen ausgelegt werden. Dieüberschüssige Wärme kann gespeichert und so dieGesamteffizienz erhöht werden. Über Wärmepum-pen können zudem auch potenzielle Stromüber-schüsse für die Speicherung von Wärme genutzt wer-den.

3.4.4Wasserstoff

3.4.4.1Grundlagen

Wasserstoff ist seit langem ein wichtiger, universelleinsetzbarer Grundstoff in der Metallurgie und fürdie Synthese chemischer Verbindungen. In der Ver-gangenheit fand er in Deutschland zudem als wesent-liche Komponente des sog. Stadtgases breite energe-tische Anwendung. Das heute verbrauchte Volumenan Wasserstoff entspricht etwa einem Fünftel desweltweiten Erdgasverbrauchs. Aus energetischerSicht ist der Einsatz von Wasserstoff dennoch bishervernachlässigbar. Seine Bedeutung für die Transfor-mation des Energiesystems beruht darauf, dass zuseiner Herstellung im Wesentlichen nur Wasser undEnergie notwendig sind und bei seiner Nutzungnahezu keine Schadstoffe entstehen. Eine Wasser-stofftechnologie gestattet die Langzeitspeicherungvon Energie in großem Umfang, und ein Transportdes energiereichen Gases ist leicht möglich. In Kom-bination mit erneuerbaren Energiequellen hat Was-serstoff daher das Potenzial, neben elektrischerEnergie zukünftig als zentraler Sekundärenergieträ-ger in einem nachhaltigen Energiesystem zu dienen.

3.4.4.2Herstellung

Es gibt zwei wesentliche Pfade der Wasserstoffher-stellung: die Gewinnung aus organischen Stoffen(fossile Rohstoffe oder Biomasse) sowie die Zerle-gung von Wasser durch den Einsatz von Strom(Elektrolyse). Aus Kohlenwasserstoffen (z. B. Erd-gas, Öl, Kohle, Biomasse) kann in Reformierungsver-fahren großtechnisch Wasserstoff hergestellt werden.Die Wärme für die teils hohen Reaktionstemperatu-ren (850–2.000 °C) wird dabei durch partielle Ver-brennung der Rohstoffe gewonnen. Etwa 60% desEnergieinhalts bei Kohle und bis zu 85% bei Erdgaskann in chemische Energie des Wasserstoffs über-führt werden. Durch Einsatz von Hochtemperatur-solarwärme ließe sich die Energiebilanz des Prozes-ses langfristig noch verbessern. Die Wasserstofftech-nologie eröffnet insbesondere eine effiziente Optionzur Nutzung von Biomasse: Da durch die Vergasungein wasserstoffhaltiges Synthesegas zur Verfügungsteht, das etwa 75% der in der Biomasse gespeicher-ten chemischen Energie enthält, sind bei Nutzungeffizienter Energiewandler (z. B. Brennstoffzellen)

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86 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Gesamtwirkungsgrade der Stromerzeugung von biszu 40% denkbar.

Neben der Biomassekonversion ist bei den erneu-erbaren Energien die Wasserelektrolyse der wichtig-ste Weg zur Erzeugung von Wasserstoff ohne Neben-produkte und Schadstoffemissionen.Alle erneuerba-ren Energiequellen, die zur Stromerzeugung genutztwerden können, sind damit auch zur Herstellung vonWasserstoff nutzbar. Ein besonderer Vorteil der Was-serelektrolyse ist ihre Fähigkeit, auch das schwan-kende Stromangebot aus regenerativen Quellen effi-zient ausgleichen zu können (Kap. 3.4.3.2). Die der-zeit größten Elektrolyseanlagen weisen Anschluss-leistungen von 150 MWel auf.Während die alkalischeElektrolyse bei Umgebungsdruck seit langem kom-merziell genutzt wird und entsprechend ausgereiftist, befinden sich fortgeschrittenere Konzepte nochin der Entwicklung, z. B. die Hockdruckelektrolyse.Tabelle 3.4-1 stellt die wichtigsten Wasserstoffher-stellungsverfahren einander gegenüber. Sie enthältauch diejenigen Daten, die zum Zeitpunkt derMarkteinführung von Wasserstoff gemäß des exem-plarischen Transformationspfads des WBGU (etwaab 2020, Kap. 4) maßgebend sein dürften. Die Wir-kungsgrade aller Verfahren, mit Anlagenbau undRohstoffbeschaffung, liegen mit Werten von gut 60%(zukünftig knapp 70%) eng beieinander.

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal derHerstellungsverfahren ist die Leistung pro Anlage.Konversionsanlagen für Erdgas haben aus Kosten-gründen eine möglichst große Leistung pro Einheit,bei der Biomassevergasung begrenzt dagegen der

Transportaufwand des primären Energieträgers dieAnlagengröße. Die Elektrolyse kann als modulareTechnik sowohl dezentral, also verbrauchernah (z. B.an Tankstellen), als auch zentral errichtet werdenund sich somit der Leistung der stromerzeugendenAnlage anpassen.

Bei Stromkosten von beispielsweise 4 €-Cent prokWh wären längerfristig Wasserstoffkosten um 7–8€-Cent pro kWh erreichbar (Nitsch, 2002). Aus Erd-gas erzeugter Wasserstoff ist demgegenüber mit etwa4 €-Cent pro kWh heute noch um den Faktor 2 kos-tengünstiger, allerdings wird bei diesem Herstel-lungspfad zwangsläufig CO2 an die Atmosphäreabgegeben. Wasserstoff, der mit regenerativer Elek-trizität erzeugt wird, hat aus ökonomischer Sicht denprinzipiellen Nachteil, dass er wegen seiner Herstel-lung aus Strom teurer sein muss als der Strom selbst.

3.4.4.3Speicherung und Verteilung

Wasserstoff kann wie Erdgas komprimiert oder ver-flüssigt sowie in Flüssiggas- und Druckbehälterngespeichert und transportiert werden. Hinzu kommtdie Möglichkeit, Wasserstoff z. B. an Metallhydrideanzulagern und so drucklos zu speichern. Energie-wirtschaftlich von Bedeutung wird vermutlich lang-fristig die Speicherung sehr großer Wasserstoffmen-gen zum täglichen und saisonalen Leistungsausgleichwerden. Hier stehen mit Untertagespeichern wie lee-ren Salzkavernen oder Gas- und Öllagerstätten

Dampfreformierungvon Erdgas

Vergasung von Biomasse

Wasserelektrolyse(Modul)

heute >2020 heute >2020 heute >2020

H2-Produktion[m3/h][MWH2]

100.000300

100.000300

13.00040

13.00040

5001,5

5001,5

Lieferleistung Rohstoff[MW] 405 385 551) 531)

Strombedarf[MW] 1,5 1,5 3,0 2,8 2,1 2,0

Prozessnutzungsgrad[%] 74 78 73 76 73 77

Wasserbedarf[m3/h] 58 58 28 28 0,4 0,4

Arbeitsdruck[bar] 30 30 50 50 30 100

Nutzungsgrad bzgl. gas-förmigen Wasserstoffs frei Verbraucher[%]

64 68 60 66 632) 672)

Investitionskosten[€/kWH2] 350 350 ca. 700 ca. 500 1.000 ca. 700

Tabelle 3.4-1Eckdaten ausgewählterVerfahren zurWasserstoffherstellung,heute und ab 2020.1) entspricht rund 12 t/hHolz; 2) ohneBereitstellung desregenerativen Stroms,jedoch mit Verlusten beiTransport über 3.000 kmals Hochspannungs-gleichstrom.Quellen: WBGU unterNutzung von Nitsch, 2002;Pehnt, 2002; Dreier undWagner, 2000; Winter undNitsch, 1989; BMBF, 1995;DLR und DIW, 1990

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87Energieverteilung, -transport und -speicherung 3.4

bewährte Technologien der Erdgasinfrastruktur zurVerfügung.Wegen der geringeren Energiedichte vonWasserstoff liegen die Speicherkosten etwa doppeltso hoch wie für Erdgas. Angesichts ihres geringenAnteils an den Gesamtkosten wirkt sich dies aberinsgesamt nur gering aus. Für den mobilen Einsatzsind neben der Verflüssigung – die allerdings rundein Drittel des Energieinhalts des Wasserstoffs benö-tigt – insbesondere Verbundstoffhochdruckbehältermit bis zu 700 bar Druck von Interesse. Der für denmobilen Einsatz von Wasserstoff deutlich höheranzusetzende Speicheraufwand im Vergleich zu Ben-zin und Diesel, wird neben den höheren spezifischenKraftstoffkosten den Trend zu deutlich sparsamerenFahrzeugen stark unterstützen.

Bei der Bewertung der zur Nutzung von Wasser-stoff notwendigen Infrastruktur muss berücksichtigtwerden, dass Wasserstoffherstellung und -nutzungeng mit der Stromversorgung verknüpft sein werden,weil Elektrolyseure dezentral und angepasst an Ver-brauchsschwerpunkte (z. B. Blockheizkraftwerke mitNahwärmenetzen, Tankstellen, Industriebetriebe)angeordnet werden können. Zudem liegt ein großerVorteil von Wasserstoff als Energieträger darin, dassauch die vorhandene Erdgasinfrastruktur für Trans-port und Verteilung genutzt werden kann. Für denBetrieb reiner Wasserstoffnetze liegen schon lang-jährige Erfahrungen vor. Insgesamt sind auf derBasis der gut ausgebauten Erdgasinfrastruktur gün-stige Voraussetzungen für einen langfristig angeleg-ten kontinuierlichen Übergang zu Wasserstoff alsEnergieträger für die stationäre Nutzung gegeben.

Für den längerfristig erforderlichen Ferntransportvon Energie über mehrere 1.000 km steht mit derHochspannungsgleichstromübertragung eine be-währte Technologie zur Verfügung. Erst mit dergroßskaligen Etablierung einer regenerativen Was-serstoffwirtschaft, in der dann sehr große Energie-mengen transportiert würden, wäre ein Pipelinetrans-port erforderlich und wirtschaftlich attraktiv. Einetypische Pipeline, z. B. aus Nordafrika, hätte beieinem Durchmesser von 1,6–1,8 m eine Leistung vonetwa 23 GW H2, womit rund 10% des derzeitigenEndenergiebedarfs Deutschlands bereitgestellt wer-den könnten (Nitsch, 2002). Die Transportkostenbelaufen sich bei diesen Abmessungen und einerTransportentfernung von 3.000 km auf ca. 1,5 €-Centpro kWh H2 (Winter und Nitsch, 1989). Dieser Wertberücksichtigt Energieverluste von 15% durch Kom-pression und Transport des Gases. Eine weitere Fern-transportoption ist der Transport verflüssigten Was-serstoffs in Tankschiffen. Während der Tankertrans-port selbst sehr kostengünstig ist und dabei nurgeringe Verluste auftreten, sind für die Verflüssigungvon Wasserstoff bei -253 °C rund 10 kWh Strom pro

kg H2 notwendig. Der Gesamtsystemwirkungsgradvon etwa 75% für gasförmigen Wasserstoff sinktdamit für flüssigen Wasserstoff auf rund 60%. FallsWasserstoff jedoch in flüssiger Form genutzt werdensoll (z. B. als Treibstoff), sind die großtechnische Ver-flüssigung und der Tankertransport dennoch eineinteressante Option.

3.4.4.4Nutzung von Wasserstoff

Wasserstoff ist in seinen Nutzungsmöglichkeitendem Erdgas sehr ähnlich. Alle gängigen Energie-wandler (Flammenbrenner für Heizungen, Industrie-und Kraftwerkskessel und zum Antrieb von Turbi-nen; Verbrennung in Motoren) können nach mode-raten Anpassungen auch mit Wasserstoff bzw. was-serstoffreichen Gasgemischen betrieben werden.

Auch die Verbrennung von Wasserstoff in Moto-ren ist Stand der Technik mit dem Benzinbetrieb ver-gleichbaren Wirkungsgraden. Die als Schadstoffeeinzig entstehenden Stickoxide können durch Opti-mierung des Verbrennungsvorgangs sehr niedriggehalten werden (Kap. 3.4.4.5). Sowohl im stationä-ren (Motoren-BHKW) als auch im mobilen Einsatzwürde Wasserstoff, selbst beim ausschließlichen Ein-satz „konventioneller“ Nutzungstechniken, die Pro-bleme der lokalen Schadstoffemissionen weitgehendbeseitigen, da im Abgas weder Kohlenmonoxid,Schwefeldioxid, Kohlenwasserstoffe, Bleiverbindun-gen noch Rußpartikel enthalten sind. Auch die reineH2/O2-Verbrennung ist von Interesse, bei der direkt(d. h. ohne Wärmetauscher) Heißdampf entsteht, derunter Zumischung von weiterem Wasser konditio-niert werden kann. Diese Technologie ist für dieBereitstellung von Prozessdampf in der Industrieund zur Erzeugung von Spitzenlaststrom geeignet.

Wasserstoff kann aber auch mit Techniken genutztwerden, die für Kohlenwasserstoffe weniger gutgeeignet sind oder deren vorherige Reformierungerforderlich machen. Das bekannteste Verfahren istdie Brennstoffzellentechnologie. Daneben ist jedochauch die katalytische Verbrennung zu nennen, die beiTemperaturen unter 500 °C abläuft und nur nochminimale NOX-Emissionen aufweist. Sie erlaubt dieKonstruktion offener katalysatorbelegter Heizflä-chen z. B. für Raumheizung mit „Nullemission“.

Die Brennstoffzelle ist ein wichtiger Bausteineiner auf regenerativen Wasserstoff gestützten Ener-giewirtschaft, da sie Wasserstoff direkt, effizient undemissionsfrei in Strom und Nutzwärme wandelnkann. Brennstoffzellen sind im Leistungsbereichweniger Watt (portable Systeme) über Anlagen imkW-Bereich (kleine und mittelgroße Blockheizkraft-werke) bis mehreren MW (Heizkraftwerke) als

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88 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Pilot- und Demonstrationsanlagen und in Kleinse-rien verfügbar. Sie arbeiten bei Temperaturen von80–800 °C (Abb. 3.4-4). Auch Kombikraftwerke mitBrennstoffzellenvorschaltstufe im 50–100 MW-Bereich sind bereits projektiert. Intensive Entwick-lungen laufen in der Automobilindustrie, um Brenn-stoffzellen als emissionsfreie Antriebsaggregate fürFahrzeuge serienreif zu machen. Die in kommerziel-len Systemen kurzfristig als erreichbar angesehenenStromwirkungsgrade liegen zwischen 45% (fürPEMFC; langfristig wahrscheinlich bis über 60%)und 55–60% (für MCFC, SOFC). In Verbindung mitKombianlagen werden Wirkungsgradpotenziale biszu 70% gesehen (Tab. 3.3-1). Bemerkenswert ist, dassaufgrund ihrer modularen Bauweise diese Wirkungs-grade auch bei kleinen Leistungen im kW-Bereicherreichbar sind, wodurch sich Brennstoffzellen sehrgut für effiziente, dezentrale Kraft-Wärme-Kop-plungssysteme mit hohem Gesamtnutzungsgrad eig-nen (Kap. 3.3). Die bisher im Praxisbetrieb nachge-wiesenen Wirkungsgrade liegen allerdings noch um5–10% unter diesen Zielwerten.

Für eine kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit vonBrennstoffzellen sind neben weiteren technologi-schen und systemtechnischen Fortschritten auch dieenergiepolitischen Rahmenbedingungen deutlich zuverbessern, vor allem bei der Kraft-Wärme-Kopp-lung. Nur so lassen sich die technische Weiterent-wicklung und die mit der Markteinführung verbun-denen Vorleistungen absichern.

Die Entwicklung von Energiewandlern führt zueiner wachsenden Bedeutung effizienter Systemekleinerer Leistung. Was bei den regenerativen Ener-gietechnologien schon vor gut einem Jahrzehntbegonnen hat, setzt sich derzeit bei Blockheizkraft-

werken, Mikrogasturbinen, Stirlingmotoren undBrennstoffzellen fort. Auch Kraftwerke werden alsGuD-Anlagen mit deutlich kleineren Leistungen bismaximal 200 MW projektiert. Fortschritte in derElektronik und Computertechnologie erlauben dieKombination einer immer größeren Anzahl kleine-rer Einheiten zu verteilten Kraftwerken. Der libera-lisierte Energiemarkt honoriert derartige Entwick-lungen, weil mit diesen Anlagen flexibel und mitüberschaubarem Investitionsvolumen auf die Anfor-derungen des Marktes reagiert werden kann.

3.4.4.5Potenzielle Umweltschädigungen durchWasserstoff

Bei der Verbrennung von Wasserstoff ist darauf zuachten, dass die hohen Flammentemperaturen nichtzu erhöhten NOX-Emissionen führen. Entspre-chende technische Lösungen stehen aber bereits zurVerfügung, da die Optimierung des Verbrennungs-vorgangs wegen des Fehlens anderer Schadstoffe aufdie Minimierung von NOX konzentriert werdenkann.

Das Wasserstoffmolekül ist ein natürlicherBestandteil der Atmosphäre mit einer Konzentrationvon rund 0,5 ppm in Bodennähe.Wenn Wasserstoff ingroßem Umfang genutzt wird, kann die Konzentra-tion in der Atmosphäre durch Lecks erhöht werden,wodurch chemische Reaktionen ausgelöst werden,die indirekt die Konzentration des TreibhausgasesMethan ansteigen lassen könnten. Erste Abschätzun-gen ergaben allerdings, dass gegenwärtig anthropo-gener Wasserstoff die Methankonzentration nur

Abbildung 3.4-4Prinzipbild eines Haus-energiesystems auf Wasser-stoffbasis. Solche Häuserkönnen auch an einWasserstoffnetzangeschlossen werden. Diedezentrale Gasreformierungund -reinigung entfallen indiesem Fall.Quelle: WBGU

Gas

Gasaufbereitung

Strom für lokalenVerbrauch undNetzeinspeisungLuft

Brenn-stoffzelle

Stromauf-bereitung

Wärme-tauscher

Wärme-speicher

Wärme für Haushalt

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89Steigerung der Energieeffizienz 3.5

unwesentlich beeinflusst (IPCC, 2001a). Selbst bei50%igem Ersatz fossiler Brennstoffe durch H2-Brennstoffzellen und weniger als 3% Leckage ent-stünde keine zusätzliche Quelle, die über die bishe-rige Wasserstoffquelle (flüchtige organische Verbin-dungen einschließlich Methan) hinausginge (Zittelund Altmann, 1996). Angesichts bestehender Unsi-cherheiten sollten diese Probleme in die Forschungs-aufgaben der Atmosphärenchemie integriert wer-den. Auch der Wasserstoffabbau in den Böden müs-ste untersucht werden.

3.4.5Elektrizität versus Wasserstoff: Bewertung

Die grundsätzlichen Effizienz- und Kostenverhält-nisse bei der Herstellung regenerativen Stroms undregenerativen Wasserstoffs mittels Elektrolyse sindin Tabelle 3.4-2 zusammengestellt. Gasförmiger Was-serstoff in Mitteleuropa enthält noch etwa 65% derEnergie des solaren Stroms am Bereitstellungsort.Bei flüssigem Wasserstoff stehen dem Nutzer nochetwas mehr als 50% der ursprünglichen Energie desSolarstroms zur Verfügung.

Aus heutiger Sicht stellt die Elektrolyse die nebender Biomassereformierung günstigste Wandlungs-technik für regenerative Energien aus Wasserstoffdar. Regenerativer Wasserstoff als Energieträgerwird somit weniger effizient und zudem kostspieligerals regenerativer Strom bereitgestellt. Er wird alsonur dann in der Energiewirtschaft von Bedeutungsein, wenn er energetisch und ökonomisch sinnvolleEinsatzgebiete neben dem aus Nutzersicht universelleinsetzbaren Energieträger Elektrizität findet.Hauptargument für die Einführung einer Wasser-stofftechnologie wird in diesem Zusammenhangseine gute Speicherbarkeit sein.

Die meisten Energiedienstleistungen (Heizung,Warmwasser, Prozesswärme, Antriebskraft, Lichtund Kommunikation) können durch Nutzwärme undElektrizität bereitgestellt werden, die aus erneuerba-ren Energiequellen gewonnen werden. Beide sindkostengünstiger als regenerativer Wasserstoff. Nurwenn aus technischen oder strukturellen Gründendie direkte Nutzung von Strom und Wärme nichtmöglich ist (z. B. im Verkehr; zu hohes momentanes

Angebot an regenerativem Strom), ist der Einsatzvon Wasserstoff sinnvoll. Der Gewinn an Speicher-bzw. Einsatzfähigkeit muss dann gegenüber denzusätzlichen Kosten und Wandlungsverlusten abge-wogen werden. Dies gilt sowohl für Einzelanwen-dungen (Nischenmärkte) als auch für das Energie-system insgesamt.

Die energiewirtschaftliche Bedeutung von Was-serstoff liegt also in der Möglichkeit, die Nutzungs-grenzen von erneuerbaren Energiequellen zu erwei-tern. Dies setzt selbstverständlich zunächst einewesentlich stärkere direkte Nutzung dieser Energie-quellen voraus. Die Bedeutung von Wasserstoff istalso unmittelbar mit der Intensität und Kontinuitäteiner Gesamtstrategie zur Erschließung von erneu-erbaren Energiequellen verknüpft.Aus den energeti-schen Funktionen, der Speicherfähigkeit und derTransportfähigkeit von Wasserstoff lassen sich ver-schiedene Einsatzfelder ableiten:• die Speicherung großer Mengen fluktuierenden

Stroms aus erneuerbaren Quellen, wenn sehrhohe regenerative Anteile erreicht werden undkonventionelles Lastmanagement oder Speiche-rung nicht mehr ausreichen;

• der Transport von Energie über größere Entfer-nungen bis hin zu interkontinentalen Distanzen;

• die Forderung nach Nullemission entweder inlokalen Bereichen oder im gesamten Energiesys-tem (CO2-freies Energiesystem). Dies erforderteine entsprechende Energieversorgung von Nut-zern auch in Bereichen, die für Strom nicht odernur schwer zugänglich sind (z. B. Verkehr, speziellLuftverkehr; Anteile des industriellen Hochtem-peraturwärmebedarfs).

Bis zu einem Anteil von etwa 50% erneuerbarerEnergieträger an der Gesamtstromerzeugung kön-nen die Angebotsfluktuationen durch großeVerbundnetze und die Kombination verschiedenerregenerativer Energien sowie durch Lastmanage-ment beim Nutzer und (thermische) Energiespeiche-rung beispielsweise in solarthermischen Kraftwer-ken ausgeglichen werden. Bei einer höheren Durch-dringung der Netze mit Strom aus erneuerbarenEnergiequellen ist aller Voraussicht nach die groß-maßstäbliche Einführung von Technologien zur Spei-cherung hochwertiger Energie unumgänglich.

Nutzungsgrad Kosten

Nur Herstellung

EinschließlichLangstrecken-transport

Nur Herstellung

EinschließlichLangstrecken-transport

Strom 1 0,9 1 1,5H2, gasförmig 0,75 0,65 1,65 1,90H2, flüssig 0,6 0,52 2,5 4

Tabelle 3.4-2Relative Effizienz- undKostenverhältnisse zwischenregenerativem Strom(Erzeugung = 1,0) undregenerativem Wasserstofffür fortschrittlicheTechnologien.Quelle: Nitsch, 2002

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90 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Wasserstoff kann diese Aufgabe erfüllen. Er hatzudem den Vorteil, dass derzeit Erdgas an Bedeu-tung gewinnt und als fossile „Übergangsenergie“ beieiner Transformation des Energiesystems in Rich-tung regenerative Energien und Wasserstoff dienenkann. Dies ist günstig angesichts der Infrastrukturin-vestitionen, die oft die Einführung neuer Energieträ-ger erschweren. Neben dem Aufbau dezentralerWasserstoffnetze kann die vorhandene Erdgasinfra-struktur vorzüglich für die Einspeisung von Wasser-stoff genutzt werden.

3.5Steigerung der Energieeffizienz

Der heutige Energieeinsatz der Industriestaatenweist in den verschiedenen Umwandlungsstufen undim Nutzenergieeinsatz noch erhebliche Energiever-luste auf:• etwa 25–30% im Umwandlungssektor von der Pri-

märenergie bis zur Endenergie;• im Mittel etwa ein Drittel bei der Wandlung von

Endenergie zu Nutzenergie, mit hohen Verlustenvon etwa 80% bei den Antriebssystemen von Stra-ßenfahrzeugen;

• etwa 30–35% durch unnötig hohen Nutzenergie-bedarf z. B. bei Gebäudeklimatisierung und indus-triellen Hochtemperaturprozessen (Abb. 3.5-1).

Theoretisch könnte der Energiebedarf je Energie-dienstleistung um mehr als 80–85% des heutigenEnergiebedarfs reduziert werden (Jochem, 1991).Dieses Potenzial wurde in der Schweiz im Rahmender Überlegungen zu nachhaltiger Entwicklung zurGrundlage der technologischen Vision einer „2000-Watt-Gesellschaft“, die bis etwa Mitte dieses Jahr-hunderts erreichbar sein könnte (ETH-Rat, 1998).

Neben technischen Gesichtspunkten der Energie-und Materialeffizienz sowie einer Kreislaufwirt-schaft muss jedoch auch die Nachfrage nach Energie-und Materialdienstleistungen diskutiert werden, diesich mit zunehmendem Einkommen, höherer Res-sourceneffizienz und dem Wandel zur Wissensgesell-schaft ändert. Die Frage ist hier, ob langfristig auchSuffizienz (Selbstgenügsamkeit) in materiellen Din-gen (einschließlich der Mobilität) in einer post-industriellen Gesellschaft notwendig wird. Eine stag-nierende Weltwirtschaft ist dadurch nicht zu befürch-ten, weil das Wachstum an immateriellen Gütern(z. B. Dienstleistungen) keineswegs eingeschränktwäre.

3.5.1Effizienzsteigerungen in Industrie und Gewerbe

Das allgemeine Ziel der Effizienzsteigerung lässtsich technologisch wie folgt differenzieren:• erheblich verbesserte Wirkungsgrade bei den bei-

den Umwandlungsstufen Primärenergie/End-energie und Endenergie/Nutzenergie, häufig mitneuen Technologien, z. B. Kraft-Wärme- undKraft-Kälte-Kopplungsanlagen, Brennstoffzellen-technik, Substitution von Brennern durch Wärme-pumpen (Williams, 2000);

• erheblich verminderter Nutzenergiebedarf proEnergiedienstleistung durch Niedrigenergiege-bäude, Substitution thermischer Produktionspro-zesse durch physikalisch-chemische oder biotech-nologische, leichtere Bauweisen bewegter Teileund Fahrzeuge, Rückspeisung bzw. Speicherungvon Bewegungsenergie (Levine et al., 1995; IPCC,2001b);

• Minderung der Leerlaufverluste, also des End-energieeinsatzes, der während der Lebenszeit derGeräte und Anlagen auftritt, ohne einer Dienst-leistung zu dienen. Dies kann u. a. durch Minde-rung der Leerlaufzeiten und -leistung erfolgen,indem effizientere Techniken eingesetzt und dasNutzerverhalten beeinflusst werden;

• verstärktes Wiederverwerten energieintensiverWerkstoffe sowie erhöhte Materialeffizienz durchverbesserte Konstruktionen oder Werkstoffeigen-schaften mit deutlich verminderter Primärmateri-alnachfrage je Werkstoffdienstleistung (Angerer,1995);

• intensivere Nutzung langlebiger Investitions- undGebrauchsgüter durch Maschinen- und Geräte-verleih, Car-Sharing und andere produktbeglei-tende Dienstleistungen (Stahel, 1997);

• die räumliche Anordnung neuer Industrie- undanderer Siedlungsgebiete nach Exergiegesichts-punkten (Kashiwagi, 1995) sowie eine bessereDurchmischung von Siedlungsfunktionen zur Ver-meidung motorisierter Mobilität.

Grundsätzlich lassen sich die Möglichkeiten, denEnergiebedarf der industriellen Produktion beiweiterhin ansteigendem Bedarf nach Energiedienst-leistungen zu vermindern, in fünf Kategorien unter-scheiden, von denen lediglich zwei thermodynamischbegrenzt sind (Jochem, 1991).

Verbesserung der Effizienz derEnergiewandlerEnergiewandlersysteme (z. B. Brenner, Turbinen,Motoren usw.) können technisch etwa durch hitzebe-ständigere Materialien, bessere Regelung usw. ver-bessert werden. Auch bieten beispielsweise die Sub-

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91Steigerung der Energieeffizienz 3.5

stitution von Brennern durch Gasturbinen im Mittel-temperaturprozessbereich, der Einsatz von Wärme-transformatoren und die Ansiedlung von neuenIndustriegebieten mit kaskadenförmiger Nutzungder Wärme weitere Potenziale (Stucki et al., 2002;Kashiwagi, 1995).

Verminderung des Nutzenergiebedarfesdurch Prozessverbesserungen und-substitutionenProzessverbesserungen und -substitutionen bietenerhebliche Möglichkeiten der Energieeffizienzstei-gerung. Beispiele sind:• Substitution des Walzens von Metallen einschließ-

lich der Zwischenwärmöfen durch endabmes-sungsnahes Gießen und in fernerer Zukunft durchSprühen von geformten Blechen in ihre Endform;

• Substitution thermischer Trennverfahren durchMembran-, Adsorption- oder Extraktionsverfah-

ren, die in der Nahrungsmittel- und pharmazeuti-schen Industrie bereits angewendet werden;

• der Einsatz neuer enzymatischer oder biotechno-logischer Verfahren zur Synthese, zum Färbenoder Stofftrennen; die Verbesserung mechani-scher Trocknungsverfahren oder Ergänzung/Kombination durch neue Prinzipien (z. B. Ultra-schall, Impulsverfahren);

• die Substitution der Verfahren zur Wärmebehand-lung durch solche mit höherer Zielgenauigkeitund Steuerungsfähigkeit (z. B. elektrische Ultra-kurzerhitzung durch Mikrowellen, Laserverfah-ren);

• Rückspeisung von Bremsenergie in das Stromnetzdurch eine entsprechende Leistungselektronik.

Energiedienst-Leistungen

Nutzungs-grad [%]

Nutzenergie derEndenergiesektoren

Primärenergie14.565 PJ

(100%)

(65%)

Endenergie9.469 PJ

(16,4%) (10,5%) (19,6%) (18,5%)

Industrie Gewerbe, Handel,Dienstleistung

Haushalt Verkehr

2.686 PJ2.859 PJ1.533 PJ2.391 PJ

Verluste4.478 PJ(30,7%)

535 PJ(3,7%)

2.015 PJ(13,8%)

9.29 PJ(6,4%)

1.512 PJ(10,4%)

Gesamte Nutzenergie 4.991 PJ (34%)

Nicht energetischerVerbrauch

1.052 PJ (7,2%)

Umwandlungsverluste 4.044 PJ (27,8%)

Temperierte Raumwärme 76Räume

Industrie- Prozeßwärme 57produkte

Mobilität Antriebsenergie 19 Verkehr

Automation, Sonst. Antriebe 59Kühlung

Beleuchtete Beleuchtung 9Flächen

PC-, Telefon-, Information u. k.A.Internetbetrieb Kommunikation

Abbildung 3.5-1Energieverluste im Energienutzungssystem Deutschlands im Jahr 2001. Dieses Jahr erforderte einen Primärenergieeinsatz von14.565 PJ. Nach den Umwandlungsverlusten und nicht energetischem Verbrauch ging die verbliebene Endenergie von 9.469 PJan die Verbrauchssektoren. Die dortige Umwandlung in Wärme, mechanische Energie usw. führte zu erheblichen Verlustenvon insgesamt 4.478 PJ. Der Kasten zeigt den Nutzungsgrad bei der Umwandlung von End- in Nutzenergie bei verschiedenenEnergiedienstleistungen. Letztlich wurden 4.991 PJ oder 34% des Primärenergieeinsatzes in Nutzenergie überführt.Quelle: IfE/TU München, 2003

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92 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Verstärktes Wiederverwerten undverbesserte Materialeffizienz Die Herstellung von energieintensiven Werkstoffenaus gebrauchten Materialien benötigt häufig deutlichweniger Energie als die Neuproduktion, selbst wennman die Energie für die Recyclingprozesse mitrech-net. Bei seit vielen Jahrzehnten genutzten Werkstof-fen hat die Wiederverwertung bereits heute relativhohe Quoten erreicht (z. B. in Deutschland: Roh-stahl: 42%, Papier: 60%, Behälterglas: 81%); dagegenliegen die Werte bei jüngeren Werkstoffen niedriger(z. B. Kunststoffe: 16%). Durch weitere Ausschöp-fung des Recyclingpotenzials könnte der gesamteindustrielle Energiebedarf um mindestens 10%reduziert werden (Angerer, 1995). Hinzu kommendie Potenziale durch einen geringeren Werkstoffbe-darf je Werkstoffdienstleistung, die durch veränderteWerkstoffeigenschaften und konstruktive Änderun-gen des Produkts (z. B. dünnere Verpackungsmateri-alien, Schäume, dünnere Oberflächenaufbauten)ausgeschöpft werden können (Enquete-Kommis-sion, 2002).

Substitution von Werkstoffen undMaterialien durch weniger energieintensiveWerkstoffeDurch Werkstoffsubstitution eröffnen sich erhebli-che Energieeinsparpotenziale. Über Werkstoffe undihre Substitution wird heute in erster Linie aufgrundvon Kosten, Werkstoff- und Nutzungseigenschaftensowie des Werkstoffimages und bestehender Mode-trends entschieden. Ein möglichst geringer Gesamt-energiebedarf bzw. niedrige Gesamtemissionen soll-ten künftig verstärkt angestrebt werden. Biogeneund biotechnologisch herstellbare Werkstoffe undProdukte (z. B. Holz, Flachs, Stärke, natürliche Fetteund Öle) können so zu interessanten Alternativenwerden.

Intensivere Nutzung von GebrauchsgüternAuch durch eine intensivere Nutzung von Ge-brauchsgütern lassen sich Material- und Energie-effizienz verbessern. Der Begriff der Parallelwirt-schaft („Nutzen statt besitzen“) beschreibt die Idee,Güter aus einem Pool mehreren Nutzern zugänglichzu machen. Bekannte Beispiele dafür sind die Ver-mietung von Maschinen für Bau- und Landwirt-schaft, elektrischen Werkzeugen, Reinigungsmaschi-nen, Pkw (Car-Sharing) oder Fahrrädern. So kanneine geringere Gütermenge die gleichen gesellschaft-lichen Bedürfnisse befriedigen (Fleig, 2000).

Das in diesen fünf Optionen liegende Energieein-sparpotenzial ist noch unzureichend untersucht undkünftige technologische Entwicklungen sind ohne-hin nur schwer prognostizierbar. Insgesamt wird dasgesamte technische Energieinsparpotenzial auf über

50% des heutigen industriellen Energiebedarfsgeschätzt (Jochem und Turkenburg, 2003).

3.5.2 Effizienzsteigerungen und Solarenergienutzung inGebäuden

Eine Diskussion von Effizienzgewinnen beim Ener-gieeinsatz in Gebäuden muss den global sehr unter-schiedlichen Rahmenbedingungen gerecht werden,denn ökonomische, soziale und naturräumliche Ein-flüsse (z. B. Bautraditionen, verfügbare Materialien,Bevölkerungsdichte, Familienstrukturen und vorallem das Klima) führen zu verschiedenen Bauwei-sen. Sogar in einem einzelnen Land führen dieGegensätze arm/reich, Stadt/Land und Altbau/Neu-bau dazu, dass Effizienzgewinne im Gebäudesektoraus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werdenmüssen.

RaumheizungIn hohen Breiten und dann vor allem bei kontinenta-lem Klima wird für die Raumheizung der größte Teildes häuslichen Energieeinsatzes benötigt, so dass dieverbesserte Wärmedämmung der Gebäude einenSchwerpunkt der Maßnahmen bilden muss. Derzeitsind beispielsweise Vakuumdämmungen in der Ent-wicklung, die bei gleicher Dicke bis zu 10fach besserisolieren als die üblichen Dämmstoffe und für dieAltbausanierung besonders interessant sind. Einweiteres Beispiel für einen innovativen Ansatz isttransparente Wärmedämmung, die an den Außen-wänden von Gebäuden aufgebracht wird. Währenddas Sonnenlicht das Material durchdringen kann undauf der dahinterliegenden dunklen Wand absorbiertwird, kann die freiwerdende Wärme durch dasDämmmaterial nicht mehr entweichen und trägtsomit zur Heizung des Gebäudes bei.

Weitere Stichworte zur technischen Effizienzstei-gerung sind effiziente Gasbrennwertkessel, Verzichtauf elektrische Widerstandsheizung sowie Anschlussan Fern- und Nahwärmenetze oder Blockheizkraft-werke. Energieeffiziente Gebäude benötigen insge-samt eine Wärmeversorgungstechnik, die den ver-bleibenden geringen Wärmebedarf effizient und kos-tengünstig deckt. So werden Kleinstwärmepumpenin Zukunft an Bedeutung gewinnen, da sie die vor-handene Strominfrastruktur nutzen und als Massen-produkte kostengünstig angeboten werden können;auch Kleinst-BHKW mit Brennstoffzellentechnikkönnen in Zukunft interessant werden (Kap. 3.4.4.4).

Verbesserte ökonomische Anreize haben eben-falls große Potenziale. In Osteuropa konnte alleindurch die Einführung einer individuellen Kosten-abrechnung bei Fernwärme der Bedarf um bis zu

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93Steigerung der Energieeffizienz 3.5

20% gesenkt werden. Ähnlich groß ist das Potenzialbei der Umstellung von manueller Kontrolle derFernwärmenetze auf automatische Regelung.

FensterBeim solaren und energieeffizienten Bauen wirdeine neuartige Hülle für ein Gebäude angestrebt, dieEnergie-, Licht-, Schall- und Stoffaustausch an Jah-reszeiten und Nutzerwünsche angepasst regelt.Besonders wichtig sind dabei die Fenster, wobei sichzwei verschiedene Anforderungen gegenüberstehen:Während man zur Beleuchtung und (insbesondereim Wohnungsbau) zur Wärmegewinnung möglichstviel Sonnenlicht durch ein Fenster in einen Raumgelangen lassen möchte, muss zur Bewahrung desRaumklimas gleichzeitig der Wärmeabfluss durchein Fenster minimiert werden. Beispielsweise kön-nen in einem Mehrscheibensystem die einanderzugewandten Glasflächen so beschichtet werden,dass sichtbares Licht in den Raum gelangen kann,infrarote Wärmeabstrahlung jedoch weitgehendunterdrückt wird. Eine moderne Dreifachverglasungkann durch Verwendung selektiver Beschichtungenund Füllung mit schwerem Edelgas die Wärmever-luste durch ein Fenster auf das sehr niedrige Niveauvon ca. 0,5 W pro m2 und K senken (K-Wert = Wär-medämmvermögen eines Fensters). Vakuumfensterkönnen zukünftig noch zu einem weiteren Fortschrittführen.

Um Überhitzung im Sommer zu vermeiden, kön-nen im Fenster optische Schaltfunktionen implemen-tiert werden, die die optischen Eigenschaften einesFensters steuern, ohne seine wärmetechnischenEigenschaften signifikant zu beeinflussen und ohnekonventionelle Abschattungsmechanismen (z. B.Lamellen) zu verwenden. Die technische Entwick-lung geht zu Beschichtungen, deren optische Eigen-schaften in weiten Bereichen reversibel verändertwerden können (z. B. elektrochrome oder gas-chrome Verglasung).

BrauchwassererwärmungDie Sonnenenergie ist für die Brauchwassererwär-mung wegen der dabei angestrebten verhältnismäßigniedrigen Temperatur hervorragend geeignet (Kap.3.2.6.2). Wird komplementär noch fossile oder elek-trische Energie eingesetzt, stellen der Gasbrennwert-kessel oder die Wärmepumpe wie bei der Raumhei-zung eine energetisch sehr günstige Lösung dar. Einegute Wärmedämmung von Rohren und Boilernsowie Vorrichtungen zum Wassersparen zählen zuden einfachen und ökonomischen, aber leider nichtselbstverständlichen Maßnahmen.

RaumkühlungIn vielen Ländern wird im Sommer oder ganzjährigdie Raumluft gekühlt. Der weltweite Trend zur Ver-städterung wirkt dabei verstärkend. Bei gleicherTemperaturdifferenz zur Außenluft ist der Energie-einsatz zum Kühlen höher als zum Heizen, auch weilsehr oft schlecht wärmegedämmte Gebäude gekühltwerden. Vorschläge zur Effizienzsteigerung sind:• Gebäude: Die Technologien für Klimaanlagen

können verbessert werden, insbesondere sindautomatisierte Komplettlösungen für gewerblichgenutzte Gebäude mit zahlreichen vernetztenEinzelkomponenten interessant. KontrollierteBe- und Entlüftung in Kombination mit Wärme-tauschern und Wärme- oder Kältespeichern bieteterhebliches Potenzial. Die Möglichkeiten zur akti-ven Gebäudekühlung mit Sonnenenergie wurdenin Kap. 3.2.6.2 dargestellt. Zudem lassen sich Kon-zepte zur passiven Kühlung einsetzen, mittelsderer im Sommer mittlerer Breiten auch ohneKältemaschinen ein angenehmes Raumklimaerreicht wird. Geeignet sind beispielsweise dieNachtlüftung und die Betonkernkühlung mit Erd-sonden oder Wärmepumpen. Ein innovativer Wegführt über die Verwendung mikroverkapselterPhasenwechselmaterialien, mit denen leichteBauten „thermisch schwer“ gemacht werden kön-nen. Hierbei werden die am Tag anfallenden Wär-melasten durch das Schmelzen der Materialien beinahezu konstanter Temperatur gespeichert undzeitverzögert nachts wieder an die Außenluftabgegeben.

• Städtebau: Mehr Grünanlagen und eine bessereDurchlüftung von Gebäudeagglomerationen be-einflussen das Stadtklima positiv. In Analogie zurNahwärme könnten Nahkältenetze mit effizien-ten zentralen Kühleinrichtungen sinnvoll sein.Analog zur KWK bietet sich hier eine Kraft-Kälte-Kopplung über angepasste thermodynami-sche Wärmetransformatoren an.

KochenIn Industrieländern sollte Strom beim derzeitigenEnergiemix nicht zum Kochen genutzt werden, dadie Nutzung von Gas energetisch vorteilhafter ist. InEntwicklungsländern sind Flüssiggas- oder Kerosin-kocher den traditionellen Kochstellen mit Holz undHolzkohle als Brennstoff vorzuziehen (Kap. 3.2.4).

BeleuchtungEine gute Nutzung des Tageslichts kann in Büroge-bäuden sowohl Energie bei der künstlichen Beleuch-tung einsparen als auch den Arbeitskomfort erhö-hen. Tageslichtsysteme versuchen daher, den Hellig-keitsunterschied zwischen fensternahen und -fernenRaumteilen zu verringern und die natürliche

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94 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Beleuchtung so zu verbessern, dass weniger Kunst-licht benötigt wird. Diese Maßnahme reduziert denStrombedarf für Beleuchtung und die damit einher-gehende Wärmeentwicklung, die dann auch nichtdurch zusätzliches Kühlen kompensiert werdenmuss. Wo dies nicht möglich ist, sollten anstelle vonGlühlampen die bis zu 5fach effizienteren Fluore-szenzlampen eingesetzt werden. In Entwicklungslän-dern ist der mit der Elektrifizierung verbundeneÜbergang von der Kerosinlampe zur Fluoreszenz-lampe anzustreben.

Sonstige elektrische GeräteWie alle Endenergieformen sollte auch Strom mög-lichst effizient genutzt werden. Obwohl entspre-chende Geräte in der Anschaffung oft höhere Kostenverursachen, wird dies in der Regel durch einengeringeren Verbrauch über die Gerätelebensdauerkompensiert. Insbesondere die Leerlaufverluste derGeräte sind problematisch. Vor allem die Geräte derUnterhaltungs- und Kommunikationselektronikwerden beim Ausschalten per Fernbedienung nichtvom Stromnetz getrennt, sondern bleiben mit redu-ziertem Stromverbrauch in einem Ruhezustand(„Standby“). Eine komfortable Option zur Vermei-dung dieses unnötigen Stromverbrauches stellenAutomatikausschalter dar, die zwischen Gerät undSteckdose geschaltet werden und im Standby dasjeweilige Gerät vom Netz trennen. Zur weiteren Ver-breitung sparsamer elektrischer Haushaltsgerätesollte zudem beim Kauf leicht erkennbar sein, ob sichein Gerät durch einen niedrigen Stand-by-Verbrauchauszeichnet oder sogar gänzlich vom Stromnetz tren-nen lässt.

Bei Haushaltsgroßgeräten (z. B. Spül- und Wasch-maschinen, Kühlschränke) konnten verpflichtendeEU-Effizienzkennzeichnungen den Stromverbrauchder erhältlichen Geräte spürbar senken. GezielteInformation der Verbraucher kann zudem auch ohnejede technische Investition die Effizienz der Energie-nutzung deutlich erhöhen. So verbrauchen beispiels-weise Kühlschränke deutlich weniger Energie, wennsie kühl und gut belüftet aufgestellt werden, undmechanische Schleudern brauchen viel wenigerStrom als Wärmetrockner, um nasser Wäsche Wasserzu entziehen.

Abbau struktureller HindernisseIm Gebäudebereich sollten auch strukturelle Barrie-ren abgebaut werden: z. B. werden Architekten in derRegel nur nach dem Wert des errichteten Gebäudesund nicht nach dessen Effizienz bezahlt. AlsAnsprechpartner des Bauherren kommt Architektenund Installateuren eine große Aufgabe in der Ener-gieberatung zu, für die sie entsprechend ausgebildetwerden müssen. Aufmerksamkeit verdient zudem

das so genannte Vermieter-/Mieter-Dilemma, dennersterer ist zur Investition in verbesserte Dämm- undHeizungstechnik oft nicht motiviert, weil er dieInvestitionskosten nicht vollständig auf die Mieteumlegen kann, der Mieter jedoch den Nutzen gerin-gerer Energiekosten hat. Der Mieter dagegen wirdderartige Investitionen nicht tätigen, weil sich dieKosten in einer vergleichsweise kurzen Mietzeitnicht amortisieren werden.

3.6Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“)

Kohlendioxid kann der Atmosphäre auf drei Wegenentzogen werden: durch die natürlichen Vorgängeder Aufnahme in die Biosphäre und der Lösung undSedimentierung im Meerwasser sowie durch diemenschliche Aktivität des technischen Kohlenstoff-managements. Unter technischem Kohlenstoffma-nagement werden die Abscheidung von CO2 voroder nach dem Verbrennungsprozess fossiler Ener-gieträger, die Umwandlung in die flüssige oder festePhase, der Transport zu Lagerstätten und die dauer-hafte Einlagerung (Sequestrierung) in geeignetengeologischen Speicherformationen oder in der Tief-see zusammengefasst (Reichle et al., 1999; Ploetz,2002).

3.6.1Technisches Kohlenstoffmanagement

Die technische Abscheidung von CO2 kann mithoher Ausbeute an punktförmigen Emissionsquellenwie Kohle- und Gaskraftwerken, Zementfabriken,Stahlwerken und Ölraffinerien erfolgen. Grundsätz-lich lassen sich bei der CO2-Abscheidung zwei Pro-zesstypen unterscheiden:• die Rauchgaswäsche, bei der CO2 mittels Ab- oder

Adsorption, Membranen oder Destillationsver-fahren aus dem Rauchgasstrom entfernt wird;

• die Abscheidung vor der Verbrennung, bei derzunächst aus Kohle oder Erdgas durch Kohlever-gasung bzw. Dampfreformierung ein wasserstoff-reiches Synthesegas erzeugt wird, aus dem dasCO2 vor dem Verbrennungsprozess entfernt wird.

Durch die CO2-Abscheidung und Lagerung wird derWirkungsgrad von Kraftwerken verringert. Hauptur-sache ist der Energieaufwand für die Regenerationvon Absorptions-, Trenn- und Lösungsmitteln, fürderen Herstellung bzw. Entsorgung sowie für denTransport des CO2 (Tab. 3.6-1).

Die geschätzten Kosten für die Abscheidung desCO2 einschließlich der Komprimierung (Verflüssi-gung) für den Transport machen etwa drei Viertel der

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95Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“) 3.6

Gesamtkosten der Speicherung sowohl im Ozean alsauch in geologischen Formationen aus (Reichle etal., 1999; Grimston et al., 2001). Sie sind daher derkostenbestimmende Faktor. Hendricks und Turken-burg (1997) nennen für ein StandardkraftwerkAbscheidungskosten von 100–250 € pro Tonne C, füreinen Gas-/Dampfturbinenkombiprozess mit inte-grierter Kohlevergasung weniger als 100 € pro TonneC.

Schätzungen künftiger Potenziale der CO2-Sequestrierung konzentrieren sich derzeit auf dieSpeicherkapazität. Sie dürfte weniger durch die tech-nische Machbarkeit als durch die Wirtschaftlichkeitim Vergleich zu anderen CO2-Minderungsstrategiensowie die gesellschaftliche wie auch politische Ak-zeptanz bestimmt sein. Es wird geschätzt, das sichbeim großtechnischen Einsatz der geologischenSequestrierung die Stromkosten für den Endver-braucher um 40–100% erhöhen könnten (Grimstonet al., 2001).

Bisherige Potenzialabschätzungen erscheinen innationalen Forschungsprogrammen als mittel- undlangfristige Ziele. So nennt das amerikanische Fede-ral Energy Technology Center (FETC) das Ziel, dieKosten für die CO2-Sequestrierung um den Faktor10–30 bis zum Jahr 2015 zu senken. Ab 2050 sollenetwa die Hälfte der erforderlichen Emissionsreduk-tionen (bezogen auf ein 550 ppm-Stabilisierungssze-nario für CO2) durch CO2-Sequestrierung erzieltwerden. Allerdings geht das US Department ofEnergy nicht davon aus, dass die Sequestrierung vor

2015 überhaupt im großtechnischen Maßstab ein-satzfähig ist (US-DOE, 1999).

Lagerung in geologischen FormationenZiel der CO2-Speicherung ist es, das Treibhausgas fürmöglichst lange Zeiträume der Atmosphäre zu ent-ziehen. Dazu muss das CO2 nach der Abscheidung anOrten gelagert werden, die vom Kontakt mit derAtmosphäre isoliert werden können. Als Spei-cheroptionen kommen tiefe geologische Formatio-nen wie Salzstöcke, tiefe Kohleflöze, ausgeförderteund aktive Gas- und Ölfelder sowie tiefe (saline)Aquifere in Frage. Bei der Bewertung der Speichermuss allerdings zwischen Permanentspeichern undsolchen unterschieden werden, in die CO2 nur alszusätzliche wirtschaftliche Maßnahme eingepresstwird. So dient die Einpressung von CO2 in tiefe, nichtabbaubare Kohleflöze der Methangewinnung(Bachu, 2000). CO2 reduziert auch die Zähflüssigkeitdes Öls, weshalb es weltweit in der Ölförderung zurVerbesserung der Ausbeute eingesetzt wird. Aller-dings ist dabei die Verweilzeit mit einigen Monatenbis Jahren für so sequestriertes CO2 gering (Bachu,2000). Daher sind beide Optionen hinsichtlich ihrerKohlenstoffbilanz kritisch zu bewerten. Bei denAbschätzungen des weltweiten Speicherpotenzialswird meist der theoretisch verfügbare Speicher ange-geben (Tab. 3.6-2), nicht jedoch das technische oderökonomische Potenzial. Die Angaben variierenstark, zumal auch erst wenige systematische Unter-suchungen der Speicherkapazitäten vorliegen.

Tabelle 3.6-2Vergleich verschiedenergeologischerSpeicheroptionen.EOR Enhanced OilRecovery, EGR EnhancedGas Recovery.Quellen: Parson und Keith,1998; IPCC, 2001c; Herzog,2001

Speicheroption GeschätzteKapazität[Gt C]

Relative Kosten Speicher-integrität

TechnischeMachbarkeit

Aktive Ölquellen (EOR) klein sehr niedrig gut hoch

Tiefe Kohleflöze (EGR) 40–300 niedrig unbekannt unbekannt

Erschöpfte Öl- und Gasreservoire 200–500 niedrig gut hoch

Tiefe Aquifere,Kavernen/Salzstöcke 100–1.000 sehr hoch gut hoch

Tabelle 3.6-1Effizienz der CO2-Rückhaltung undWirkungsgradeinbuße beiunterschiedlichenAbscheidungsverfahren.Quelle: Göttlicher, 1999

Prozess CO2-Rückhaltung[%]

Wirkungsgradverlustbei Stromerzeugung[%]

CO2-Abtrennung aus Synthesegasen nach CO-Umwandlung (aus Kohlevergasung oderDampfreformierung von Erdgas 90 7–11

CO2-Aufkonzentration im Abgas (meistensdurch Verbrennung in einer Atmosphäre ausSauerstoff und rezirkuliertem Rauchgas) ~100 7–11

CO2-Abtrennung aus Rauchgasen k. A. 11–14Kohlenstoffabtrennung vor der Verbrennung k. A. 18CO2-Rückhaltung in Kraftwerken mit Brenn-stoffzellen

k. A. 6–9

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96 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Wenn große Mengen CO2 unter Tage gelagertwerden, besteht das Risiko, dass das Gas durch Auf-treten von Leckagen freigesetzt wird. Da CO2 schwe-rer ist als Luft, könnte sich an der Austrittsstelle inBodennähe ein CO2-See bilden, in dessen Umfeldalle Lebewesen ersticken würden (Holloway, 1997).Der Speicherpermanenz kommt daher hohe Bedeu-tung zu. Als sichere Speicher sind bisher nurerschöpfte Gas- und Ölfelder anzusehen, in kleine-rem Umfang auch Salzkavernen. Für die tiefen Aqui-fere ist die Sicherheit der Speicher bisher unbekannt,es wird aber vermutet, dass sie über eine hohe Spei-cherintegrität verfügen. Pilotanwendungen wie dieim Sleipner-Feld in der Nordsee scheinen das zubestätigen (Baklid et al., 1996; Torp, 2000). Bisherexistieren aber keine Sicherheits- und Überwa-chungsrichtlinien oder Kriterien für Anforderungenan die Speicherqualität (Gerling und May, 2001).

Lagerung im MeerDie Nutzung des Ozeans als sehr großen CO2-Spei-cher, mit einer geschätzten Kapazität für anthropo-genes CO2 von weit mehr als 1.000 Gt C (IPCC,2001c; Herzog, 2001), ist nach heutigem Kenntnis-stand mit hohen Risiken sowohl bezüglich der Spei-cherdauer als auch bezüglich der Umweltwirkungenbehaftet. Die Speicherdauer hängt vom Eintragungs-ort und den vorherrschenden Meeresströmungensowie von der Einbringtiefe ab. Modellierungenergeben, dass CO2 in größere Tiefen eingebrachtwerden muss, um ein schnelles Entweichen in dieAtmosphäre zu verhindern. Ab 950 m Ausbringtiefekönnte CO2 an günstigen Eintragungsorten länger-fristig (Größenordnung 1.000 Jahre) im Ozean ver-bleiben (Drange et al., 2001).

Durch die Einleitung wird der CO2-Partialdruckerhöht und gleichzeitig der pH-Wert des Meerwas-sers erniedrigt. Die biologischen Konsequenzen sindbis heute zwar unzureichend untersucht, geben aberAnlass zu Besorgnis. Nachgewiesen sind signifikanteÄnderungen in der Struktur mikrobieller Lebensge-meinschaften, die Hemmung von Stoffwechselpro-zessen und eine deutliche Empfindlichkeit marinerLebensgemeinschaften gegenüber einer Absenkungdes pH-Wertes. Eine Störung des Säure-Base-Gleichgewichts aufgrund der Absenkung des pH-Wertes kann zur Auflösung kalkhaltiger Skelettesowie zu Stoffwechseländerungen führen, die Wachs-tum und Aktivität der Organismen verringern kön-nen (Nakashiki und Oshumi, 1997; Seibel und Walsh,2001). Beobachtet wurde auch Atemnot bei Fischen(Tamburri et al., 2000). Die Kosten für die Lagerungvon CO2 im Meer (einschließlich Abscheidung undTransport) werden heute mit 30–90 US-$ pro t CO2

angegeben (Hendriks et al., 2001; DeLallo et al.,2000).

3.6.2Potenziale der Speicherung als Biomasse

Kohlenstoffspeicherung in terrestrischenÖkosystemen Die terrestrischen Ökosysteme speichern gegenwär-tig etwa 460–650 Gt Kohlenstoff in der Vegetationund 1.500–2.000 Gt C im Boden (Abb. 3.6-1; IPCC,2000a, 2001a). 30–50% des Kohlenstoffs liegen inleicht abbaubarer Form vor, d. h. dass bei fehlenderVorsorge etwa 700 Gt Kohlenstoff durch Landnut-zungsänderungen kurzfristig freigesetzt werdenkönnten. Andererseits könnten nach Modellrech-nungen diese Speicher bis zum Jahr 2050 um etwa 70Gt C in Wäldern und weitere 30 Gt C in landwirt-schaftlich genutzten Böden anwachsen (IPCC,2001c). Die terrestrische Biosphäre kann trotz ihrerbeachtlichen Senkenleistung die anthropogenenTreibhausgasemissionen einschließlich der Emissio-nen aus der Landnutzung nur zu einem kleinen Teilausgleichen – wie die steigende CO2-Konzentrationder Atmosphäre belegt. Durch Zunahme der Bio-masse in den Wäldern Nordamerikas und Europaswurden seit Beginn der 1990er Jahre etwa 10% derglobalen Emissionen aufgenommen (IPCC, 2001c).Die Analyse der Kohlenstoffflüsse gesamter Konti-nente zeigt, dass beispielsweise die sibirischenUrwälder der Atmosphäre einen großen Teil derCO2-Emissionen Russlands und der EU durch eineintensivierte Photosynthese wieder entziehen(Schulze, 2002).

Natürliche Ökosysteme können entgegen derHypothese des ökologischen Gleichgewichts (Odum,1969) und trotz relativ konstanter Stammbiomassegroße Mengen CO2 binden (Schulze et al., 1999). Pri-märwälder fungieren innerhalb des Klimasystems alswichtige CO2-Senken, sind aber zunehmend durchmenschliche Eingriffe bis hin zur völligen Vernich-tung bedroht. Ihr Schutz hätte sowohl für den Klima-schutz als auch den Naturschutz positive Auswirkun-gen.

Das Verhalten der natürlichen Kohlenstoffspei-cher in den Böden ist unter dem Einfluss einer Tem-peraturerhöhung gegenwärtig nur schwer abschätz-bar, da sich die Klimaeffekte in den Tropen andersauf die Höhe der Vorräte auswirken werden als inborealen Zonen. Schwerwiegender als möglicheEffekte des Klimawandels erscheinen jedoch dieAuswirkungen anthropogener Landnutzungsände-rungen auf die Kohlenstoffvorräte der Böden.Gemäß IPCC (2000a, 2001a) wurden in den 1980erund 1990er Jahren 1,6–1,7 Gt C pro Jahr aus terres-trischen Ökosystemen freigesetzt. Auch wenn esgelingt, den Verbrauch fossiler Brennstoffe stark ein-zuschränken, könnte ein fehlender Schutz der

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97Kohlenstoffspeicherung („Sequestrierung“) 3.6

Bodenkohlenstoffvorräte die Anstrengungen zumSchutz der Atmosphäre zunichte machen. Eine Mög-lichkeit zur Förderung der Kohlenstoffspeicherungbietet ein verändertes Management land- und forst-wirtschaftlich genutzter Ökosysteme, das auf Koh-lenstoffspeicherung ausgelegt ist. Forstliche Maß-nahmen umfassen beispielsweise die Vermeidungvon Kahlschlag sowie eine naturnahe Bewirtschaf-tungsweise. In der Landwirtschaft bestehen jedochhohe Unsicherheiten sowohl über die geeignetenFlächen als auch über die Höhe und Dauerhaftigkeitder erzielbaren Speicherung. Ein verändertesManagement landwirtschaftlicher Böden (z. B. ver-änderte Pflügetechniken) könnte mit verstärktenLachgasemissionen und einem höheren Düngerein-satz verbunden sein und damit zu einer Freisetzungvon Kohlendioxid führen (Freibauer et al., 2002).

Kohlenstoffspeicherung in marinenÖkosystemen Einzellige Algen in den Weltmeeren (Phytoplank-ton) sind etwa für die Hälfte der globalen Kohlen-stofffixierung durch Photosynthese verantwortlich.In einigen Meeresgebieten ist das Wachstum desPhytoplanktons durch Mangel des MikronährstoffsEisen stark eingeschränkt, z. B. im subarktischenNordostpazifik, im äquatornahen Pazifik und imSüdlichen Ozean. Verschiedene Ozeandüngungs-

experimente haben nachgewiesen, dass durch dieZugabe von Eisen lokal und kurzfristig eine Algen-blüte ausgelöst werden kann (Martin et al., 1994;Boyd et al., 2000).

Watson et al. (2000) gehen bei der Abschätzungder Speicherdauer davon aus, dass stetig Eisen zuge-führt werden müsste, um einen dauerhaften Entzugvon CO2 aus der Atmosphäre zu erzielen. Falls daszusätzliche Phytoplankton nicht absinken, sondernin oberflächennahen Gewässern verbleiben würde,käme der Kohlenstoff innerhalb eines Jahres in dieAtmosphäre zurück. Trotz der großen Unsicherhei-ten existieren bereits kommerzielle Projekte (Mar-kels und Barber, 2001).

Das globale Potenzial der biologischen marinenCO2-Sequestrierung ist auf die Ozeangebiete mitDefiziten an Mikronährstoffen begrenzt, wie etwa imSüdlichen Ozean. Da im Südlichen Ozean Tiefen-wasser gebildet wird, das die Auftriebsgebiete in denTropen speist, könnte dort ein nährstoffärmeres Auf-triebswasser zu Einbußen in der Primärproduktionführen. Damit wäre die Eisendüngung in derGesamtbilanz ein Nullsummenspiel. Durch Eisen-düngung sind zudem schwerwiegende Folgen für diemarinen Ökosysteme zu erwarten (Chisholm et al.,2001): Reduktion der Artenvielfalt und -zusammen-setzung in den Phytoplanktongesellschaften,Zunahme Toxin produzierender Cyanobakterien

RodungCO2 (3,5)CO (0,5)

KohlenstoffhaltigeAerosole (< 0,1)

Ozean[39.000]

Vegetation [460–650]

Boden [1.500–2.000]

DOC-Export(0,4)

Holzkohle-bildung(< 0,1)

Atmosphäre[730] (Zunahme pro Jahr: 3,2)

Verbrennung fossilerEnergieträger

(6.3)OzeanischeAufnahme (1,9)

(4)

Land-nutzungs-

änderung (1,7)

Land-aufnahme

(1,9)

Photosynthese(110)

AutotropheAtmung (50)

HeterotropheAtmung (55)

AustauschOzean -

Atmosphäre(90)

Abbildung 3.6-1Globale Kohlenstoffvorräte und -flüsse in der Vegetation, dem Boden, den Ozeanen und der Atmosphäre. Alle Werte in GtKohlenstoff (Vorräte: eckige Klammern) bzw. Gt Kohlenstoff pro Jahr (Flüsse: runde Klammern und kursiv).Quelle: verändert nach Ciais et al., 2003.

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98 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

sowie Eutrophierung und verstärkter Sauerstoffver-brauch in den tieferen Ozeanschichten mit der Folgeanoxischer Abbauprozesse, wodurch Treibhausgasewie Methan oder Lachgas freisetzt werden können.

3.6.3Bewertung

Grundsätzlich sind alle Optionen des Kohlenstoff-managements weniger nachhaltig als Maßnahmenzur Emissionsreduktion durch Effizienzsteigerungund Substitution fossiler Brennstoffe: Aus den stabi-len fossilen Speichern gelangt Kohlenstoff in einenKreislauf, der mit mehr oder weniger großem Risikoauch in die Atmosphäre führt und dort seine Treib-hauswirkung entfaltet. Fossile Energieträger werdenjedoch in vielen Ländern noch über Jahrzehnte diedominante Energiequelle bilden (Kap. 4). Daher lie-fert die End-of-pipe-Technologie der Kohlenstoff-speicherung (Sequestrierung) eine Option für denKlimaschutz, um zu hohe Emissionen insbesonderein diesem Jahrhundert zu verhindern. Kriterien zurBewertung der einzelnen Optionen des Kohlenstoff-managements sind die Speicherdauer und -sicherheitsowie die Umweltauswirkungen.

Der Beirat sieht in der geologischen Speicherungein vorübergehend nutzbares Potenzial zum Entfer-nen von CO2 aus der Atmosphäre, unter der Voraus-setzung, dass die Speicherintegrität gewährleistetund die Rückhaltezeit hinreichend groß ist (>1.000Jahre). Das ist bei heutigem Erkenntnisstand für dieSpeicherung in ausgeförderten und aktiven Gas- undÖlfeldern sowie in Salzkavernen der Fall. DerWBGU schätzt das nachhaltige Potenzial hierfürvorsichtig mit etwa 300 Gt C ab. Das größere techni-sche Potenzial der CO2-Speicherung in salinen Aqui-feren (mehr als 1.000 Gt C), bewertet der WBGUbeim jetzigen Kenntnisstand als nicht nachhaltig, daweder die Langfristigkeit und Sicherheit der Spei-cherung noch die Vermeidung schädlicher Umwelt-wirkungen hinreichend nachgewiesen sind. Hier istweitere Forschung notwendig.

In der Speicherung im Ozean – sowohl durchInjektion in die Tiefsee als auch durch Eisendüngung– sieht der WBGU wegen der ökologischen Risikenund wegen der Unsicherheiten in Bezug auf dieLangfristigkeit der Speicherung (insbesondere beider Eisendüngung) kein nachhaltiges Potenzial.

Die terrestrische Biosphäre leistet einen wichti-gen Beitrag zur Stabilisierung der atmosphärischenKohlendioxidkonzentration. Dieser Speicher ist aberkaum erweiterbar, da die natürlichen Ökosystemewie Primärwälder und Feuchtgebiete in ihrer Flächebegrenzt sind und zudem durch menschliche Ein-griffe häufig gestört werden. Deshalb stellt die Schaf-

fung zusätzlicher Senken keine Alternative zur Ver-meidung fossiler Emissionen dar.

3.7Energie für den Verkehr

Dem Verkehr kommt aufgrund seines hohen Anteilsan der Energienachfrage eine entscheidende Rollefür die Transformation der Energiesysteme zu. DieHerausforderung besteht darin, Mobilität möglich zumachen und gleichzeitig den Verbrauch fossilerBrennstoffe zu senken. Neben Vermeidung und Ver-lagerung von Verkehr geben Konzepte der Trans-porteffizienz entscheidende Impulse für die politi-sche Debatte um nachhaltige Entwicklung und Kli-maschutz. In der EU und in Japan werden inzwischendie Trends zur Effizienzsteigerung sichtbar: sparsa-mere Flugzeugtriebwerke, die Marktreife des 3-Liter-Autos und die beginnende Serienproduktionvon Brennstoffzellenfahrzeugen zeigen, dass dieIndustrie bereits wirtschaftliche Potenziale sieht.

3.7.1Technologieoptionen für den Straßentransport

Der Weg zum umweltverträglichen Straßentransportist durch eine Vielzahl von Optionen für effizienteund regenerative Antriebs- und Kraftstoffsystemecharakterisiert, ein „Königsweg“ ist allerdings nochnicht erkennbar (Wancura et al., 2001). Von denTechnologien, für die in den nächsten 30 Jahren derbreite Markteinsatz zu erwarten ist, werden nurwenige eine Entlastung von Umwelt und Klimaerzielen können. Bei einigen werden sogar zusätzli-che Treibhausgasemissionen erwartet, etwa bei derHerstellung von Methanol aus Steinkohle oder derGewinnung von Wasserstoff in konventionellenKraftwerken (ETSU, 1998).

Fahrzeuge mit BrennstoffzellenBei Fahrzeugen mit Hybrid-Brennstoffzellen-Antrieb ist eine nahezu 100%ige Emissionsreduk-tion für Treibhausgase und Luftschadstoffe möglich.Der gasförmige oder flüssige Energieträger erzeugtin einer elektrochemischen Oxidation Strom, wobeials Abfallprodukt nur Wasser und Wärme entstehen.Der Antrieb erfolgt dann durch einen Elektromotor,auch in Kombination mit Batteriesystemen. AlsBrennstoffe sind bisher Wasserstoff, Methanol undBenzin im Einsatz. Wasserstoff kann aus Erdgas oderüber die Elektrolyse von Wasser gewonnen werden,wobei der Strom aus fossilen oder regenerativenQuellen stammen kann (Kap 3.4.4). Der hohe Was-serstoffanteil von aus Erdgas gewonnenem Metha-

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99Energie für den Verkehr 3.7

nol und von Benzin lässt sich direkt in der Brenn-stoffzelle abspalten und nutzen.

Die Schwachstelle bei dieser Technik ist bisher derhohe Energieeinsatz für die Bereitstellung desBrennstoffs. Im günstigsten Fall wird eine ca. 50%igeSenkung der CO2-Emissionen im Lebenszyklus einesBrennstoffzellenautos im Vergleich zum durch-schnittlichen Diesel- und Benzinfahrzeug abge-schätzt (Bates et al., 2001). Außerdem ist die Spei-cherung des Wasserstoffs im Pkw noch nicht wirt-schaftlich gelöst. Bei breiter Anwendung der Brenn-stoffzellen und hohem Anteil regenerativerEnergieträger in der Produktion können die meistenSchadstoffe zu über 90% reduziert werden (IABG,2000b).

ErdgasDie Erdgasnutzung im Verkehr ist eine aus Umwelt-sicht positiv zu bewertende Brückentechnologie aufdem Weg von fossilen Brennstoffen zu regenerativenLösungen (Kap. 3.2.1). Erdgas kann im Vergleich zuBenzin und Diesel die Treibhausgasbilanz verbessernund die städtische Luftverschmutzung verringern.Die weitere Verbreitung durch Ausbau der Gastank-stellennetze und Fahrzeugumrüstungen sollte vorallem in belasteten Städten und Regionen gefördertwerden. Bi-fuel-Technologien kombinieren die Nut-zung von zwei Kraftstoffen (z. B. Erdgas und Benzin)in einem Fahrzeug und stellen so bei noch unvoll-ständiger Flächendeckung des Gasangebots einewichtige Übergangsoption bereit (Halsnaes et al.,2001).

Hybridantriebe und BatterienHybridantriebe kombinieren Elektro- und Verbren-nungsmotoren und werden derzeit für Pkw, Busseund kleine Lkw getestet. Es wird eine Verdopplungder Primärenergieeffizienz bei Hybridantrieben mitelektrischen Motoren erwartet (Johansson undAhman, 2002). Moderne Batterie- und Speichertech-nologien sind außerdem für das gesamte Energiesys-tem strategisch bedeutsam und speziell in der Kom-bination mit dem Brennstoffzellenantrieb unerläss-lich (Kap. 3.4; IABG, 2000b; Halsnaes et al., 2001).Fahrzeuge mit Hybridantrieb und Elektrofahrzeugebenötigen weitere technische Verbesserungen beiden Batterienkapazitäten, dem Ladevorgang undden Ladestationen, bevor eine breite Markteinfüh-rung einsetzen kann (Fischedick et al., 2002).

Effizienzsteigerung konventionellerFahrzeugeDie Entwicklung effizienterer Antriebstechnologienist heute eine Standardstrategie aller europäischenAutomobilhersteller. Intensiv wird zur Zeit dieErhöhung der Effizienz bei den Verbrennungsvor-

gängen erforscht (z. B. Integration keramischer Bau-teile, neue Zündungssysteme, variables Ventilma-nagement, verbesserte Turbolader; Halsnaes et al.,2001). Im Vergleich zu 1995 konnte bei Dieselmoto-ren bereits eine Kraftstoffeinsparung und damit Sen-kung des emittierten CO2 pro km um 20% erreichtwerden. Eine Senkung der Energie- und Umweltkos-ten um weitere 50% wird als machbar eingeschätzt(Johansson und Ahman, 2002). Der Vorteil optimier-ter konventioneller Antriebssysteme ist die Möglich-keit der raschen Markteinführung. Die Fahrzeugewerden aber auch durch Bauweise und Designbewusst so verändert, dass für die gleiche Mobilitäts-dienstleistung weniger Energie benötigt wird. DieseEffizienzpotenziale sind jedoch weit geringer als beiden Antriebs- und Kraftstofftechnologien. Die CO2-Vermeidung durch die bisher erreichte Gewichtsre-duzierung liegt bei maximal 6%, der verringerteRollwiderstand spart nur 1% (Bates et al., 2001).

Antriebssysteme mit regenerativenTreibstoffenRegenerative Treibstoffe wie Biogas, Biodiesel,Ethanol, Methanol aus Restholz und Wasserstoffwerden zur Zeit am Markt eingeführt. Sie haben nurteilweise niedrigere Umwelt- und Energiekosten,aber die Preise liegen höher (z. B. für Wasserstoff ausWind- oder Solarstrom), weshalb eine Subventionie-rung zur Markteinführung mittelfristig erforderlichsein wird.

3.7.2Effizienzgewinne durch Informationstechnologieund Raumplanung

Die Informationstechnologie hat den Verkehrssek-tor bereits revolutioniert, so dass Personen undGüter heute erheblich effizienter bewegt werdenkönnen (Golob und Regan, 2001). Insbesondere derGütertransport besitzt aber im Zeitalter weltweitwachsender Warenströme weiteres Potenzial fürerhebliche Effizienzsteigerungen. So könnte dasaußerörtliche Lkw-Verkehrsaufkommen durch denEinsatz von Telematik im Flottenmanagement kurz-fristig um bis zu 8% reduziert werden (Kämpf et al.,2000). Das gesamte Reduktionspotenzial durch Effi-zienzmaßnahmen wird im Straßengütertransport aufüber 60% geschätzt (IPCC, 2001c). Da dieser inDeutschland nur ca. 5% aller CO2-Emissionen aus-macht, wird hierdurch allerdings bei gleich bleiben-der Gesamtfahrleistung eine Minderung von maxi-mal 2–3% der bundesdeutschen CO2-Emissionen zuerzielen sein. Das beste kurzfristige Ergebnis (10–15% Effizienzsteigerung) wird von einer elektroni-schen Gebührenerhebung erwartet (ETSU, 1998).

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100 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Die Investitionen in Telematik und Informations-systeme werden derzeit vor allem durch den Wunschnach verbessertem Verkehrsfluss und weniger durchUmweltaspekte motiviert. Problematisch ist derbeobachtete Nebeneffekt der Telematik: als Folgedes verbesserten Verkehrsflusses könnte das Ver-kehrsaufkommen weiter steigen und so die erreich-ten Emissionsminderungen wieder kompensiert wer-den.

Bei den Ansätzen der Multimodalität und des„Kombi-Verkehrs“ werden mit Hilfe der Informa-tionstechnologie die Übergänge zwischen Straße,Bahn, öffentlichem Personennahverkehr undBinnenschiff erleichtert. Ziel aller Ansätze der För-derung multimodaler Infrastruktur ist es, Nachfrageund Attraktivität umweltfreundlicher Verkehrsträ-ger zu erhöhen. Das weltweite Potenzial einer Effi-zienzsteigerung durch den Ausbau multimodalerInfrastrukturen ist sehr groß. In diesem Zusammen-hang ist insbesondere die Nutzung der Bahn durchpolitische Vorgaben attraktiver zu gestalten (Kap.5.2.4.1). Derzeit hat die Bahn eine schwache Wettbe-werbsposition gegenüber dem Auto. Das Schienen-netz ist unzureichend in die Fläche ausgebaut. Auchist ihr Angebot preislich und umsteigetechnischwenig attraktiv. Vor allem die Bewohner kleinererStädte können die Bahn nur beschränkt nutzen.

Moderne Konzepte der Raum-, Stadt und Ver-kehrsplanung gehen weit über technische Effizienz-verbesserungen hinaus und können eine Nettosen-kung der Verkehrsleistung pro Kopf oder pro TonneGüter erzielen. Neue Siedlungen werden heute sogebaut, dass Verkehr von vornherein vermiedenwird, weil eine Nutzungsmischung für kurze Wegesorgt oder eine gute Anbindung an den öffentlichenPersonennahverkehr und eine hohe Einwohner-dichte zu einer guten Auslastung führen. Diese Kon-zepte sind bisher kaum umgesetzt und bieten welt-weit ein hohes Potenzial für höhere Energieeffizienzim Transport.

3.7.3Nachhaltigkeit und externe Effekte des erhöhtenEnergiebedarfs für den Transport

Der Straßentransport verursacht nicht nur diebekannten Umweltwirkungen fossiler Brennstoffe(Kap. 3.2.1) sondern auch viele andere negative„externe Effekte“ (Unfälle, Flächenversiegelung,Lärm usw.; UNEP, 2002). Die Emissionen aus demLuftverkehr sind besonders klimawirksam, da sie intypischen Reiseflughöhen nicht nur über den CO2-Effekt, sondern auch durch Ozon- und Kondensstrei-fenbildung zum Treibhauseffekt beitragen. Eineumfassende Bewertung der unterschiedlichen Ver-

kehrstechnologien aus Nachhaltigkeitssicht fehltallerdings bis heute (Enquete-Kommission, 1995).Um zu vermeiden, dass neue Technologien ohneBeachtung von Umweltbelangen erarbeitet werden,empfiehlt der Beirat die Evaluierung der Optionenzukünftiger Verkehrstechnologie unter Einbindungvon Fachleuten der Sektoren Klima, Energie, Ökolo-gie und Städtebau.

Regenerativen Kraftstoffen wie Biodiesel(Methylester), Ethanol und Methanol aus Biomassewird zwar großes technologisches Potenzial zuge-schrieben, sie müssen aber in ihrer Umwelt- und ins-besondere Klimabilanz durchaus kritisch betrachtetwerden. Werden sie in konventioneller Landwirt-schaft erzeugt, kann die Emission von Treibhausga-sen (N2O, CH4) während der Produktion die Wirkungder CO2-Emissionsminderung biogener Kraftstoffeu. U. sogar völlig kompensieren. Daher kann ihreHerstellung nur sinnvoll sein, wenn nachhaltige land-wirtschaftliche Methoden angewandt werden, ausrei-chend Fläche zur Verfügung steht und insgesamt einepositive Klimabilanz erreicht wird (IPCC, 2000a).Angesichts der Markteinführung von Biotreibstof-fen und -ölen ist es sinnvoll, integrierte Forschungentlang der Kette „Anbaumethode – industrielleAufbereitung – Treibstoffnutzung“ zu fördern, umdie Bedingungen ihrer nachhaltigen Produktion undVerwendung definieren zu können.

3.7.4Bewertung

Eine Energiewende im Verkehr ist vor allem durchEffizienzsteigerung existierender Technologien (z. B.verbesserte Motoren, Kraftstoffe) und verstärkteNutzung regenerativer, umweltverträglicherer Ener-giequellen für den Antrieb zu erreichen. Angesichtsder Flächenallokationsprobleme (Kap. 3.2.4; Kap.4.3.1.3) und der mit 1% nur geringen natürlichenUmwandlungsrate von Sonnenenergie in Biomasseempfiehlt der Beirat, die Technologieoption „bio-gene Kraftstoffe“ nur eingeschränkt zu verfolgenund die derzeitige Förderung zu reduzieren. Die För-derprioritäten sollten vor allem bei Brennstoffzellen-antrieben, Erdgas- und Hybridfahrzeugen,Telematikund Multimodalität gesetzt werden. Der TreibstoffErdgas hat im Vergleich zu Benzin und Diesel ökolo-gische Vorteile vor allem für Klima und Luftqualität.Daher sollte seine Verbreitung als Brückentechnolo-gie gefördert werden. Langfristig bietet der Brenn-stoffzellenmotor bei Anwendung von Brennstoffenaus Solar- oder Windkraft eine interessante Lösungim Sinn der nachhaltigen Entwicklung.

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101Zusammenfassung und Bewertung 3.8

3.8Zusammenfassung und Bewertung

In Kap. 3 wurden die nachhaltig nutzbaren Potenzi-ale fossiler, nuklearer und erneuerbarer Energie-quellen und -träger unter Berücksichtigung der ent-sprechenden Konversionstechnologien nach Analyseder Umwelt- und Sozialfolgen abgeschätzt.

Bei fossilen Brennstoffen erscheint die Ressour-cenbasis – ohne Berücksichtigung möglicher geopo-litischer Entwicklungen – ausreichend, um noch überdas kommende Jahrhundert hinaus einen weltweitwachsenden Energiebedarf befriedigen zu können.Dies erscheint allerdings aus Klimaschutzgründennicht akzeptabel (Kap. 3.2.1). In der geologischenSpeicherung von Kohlendioxid sieht der WBGU nurein begrenztes Potenzial von – vorsichtig geschätzt –etwa 300 Gt C bei Nutzung ausgeförderter Öl- undGaskavernen. Die weiteren Optionen zur CO2-Spei-cherung hält der WBGU beim jetzigen Kenntnis-stand nicht für nachhaltig nutzbar (Kap. 3.6).

Der WBGU bewertet die Nutzung der Kernener-gie als nicht nachhaltig, da sie mit intolerablen Risi-ken verbunden ist (z. B. Proliferation, Terrorismus,fehlende sichere Endlagerung).Auch bei der Kernfu-sion sieht der Beirat derzeit keine Potenziale für eineNutzung im Rahmen eines nachhaltigen Energiesys-tems. Diese Technologie würde nicht rechtzeitig fürden Transformationsprozess zur Verfügung stehenund zudem ebenfalls mit beträchtlichen Gefährdun-gen einhergehen (Kap. 3.2.2).

Die derzeit noch in vielen Entwicklungsländernvorherrschende Nutzung traditioneller Biomassebewertet der WBGU nicht als nachhaltig, weil sieu. a. erhebliche Gefahren für die Gesundheit mit sichbringt (Kap. 3.2.4.2).

Die nachhaltigen Potenziale der Wasserkraftschätzt der Beirat mit 15 EJ pro Jahr (in 2100) ver-gleichsweise vorsichtig ein, da vor allem in vielenEntwicklungsländern kaum die Voraussetzungengegeben sind, um den zu Recht gestiegenen Anfor-derungen an Umwelt- und Sozialverträglichkeitgerecht zu werden (Kap. 3.2.3).

Große nachhaltige Potenziale für die Zukunft lie-gen jedoch bei den neuen erneuerbaren Energie-quellen: Sonnenenergie, Windkraft, moderne Bio-massenutzung, Erdwärme und andere. Während dienur begrenzt ausbaubaren Quellen (z. B. Windkraft,Bioenergie) bereits heute oft konkurrenzfähigePreise aufweisen, sind die praktisch unbegrenzt aus-baubaren Quellen (z. B. Photovoltaik, solarthermi-sche Kraftwerke) heute betriebswirtschaftlich nochvergleichsweise teuer. Zum Durchlaufen kosten-reduzierender Lernprozesse auf dem Gebiet dersolarelektrischen Energiekonversion muss eine

engagierte Ausbaurate mittelfristig gesichert wer-den. Nur dann werden die quasi unbegrenzt ausbau-baren Technologien ausreichend kostengünstig zurVerfügung stehen, wenn der Ausbau anderer erneu-erbarer Energieformen an die Grenzen der nachhal-tig nutzbaren Potenziale stößt.

Der Beirat schätzt das globale nachhaltige Poten-zial der Bioenergie auf etwa 100 EJ pro Jahr. Diesliegt deutlich niedriger als andere aktuelle Potenzial-erhebungen, weil die aus Nachhaltigkeitsbetrachtun-gen herrührenden Limitierungen der Biomassenut-zung vom Beirat stärker gewichtet wurden (Kap.3.2.4). Strom aus Windenergie kann bereits heuteumweltfreundlich und in manchen Fällen betriebs-wirtschaftlich preisgünstig bereitgestellt werden. Dasnachhaltig nutzbare Potenzial wird vom Beirat aufca. 140 EJ pro Jahr geschätzt (Kap. 3.2.5). Das nach-haltig nutzbare Potenzial der Sonnenenergie ist mitBlick auf alle Prognosen menschlichen Energieein-satzes lediglich durch das aus technologischen undökonomischen Gründen begrenzte Wachstum derinstallierten Leistung limitiert, nicht aber durch dasAngebot (Kap. 3.2.6; Abb. 4.4-5). Bis zum Ende desJahrhunderts könnte die Leistung auf über 1.000 EJpro Jahr gesteigert werden (Tab. 4.4-1). Die Geother-mie hat bis 2100 ein vom Beirat wegen der technolo-gischen Unsicherheiten vorsichtig geschätztes nach-haltiges Potenzial von 30 EJ pro Jahr (Kap. 3.2.7).Neben den oben genannten Formen der Nutzungregenerativer Energie darf erwartet werden, dass inder Zukunft derzeit noch nicht vorhersehbare tech-nische Entwicklungen zur Erschließung anderererneuerbarer Energiequellen oder neuartiger Kon-versionstechnologien führen werden (Kap. 3.2.8).Der Beirat trägt dieser Erwartung Rechnung durchdie Berücksichtigung eines zugehörigen nachhaltignutzbaren Potenzials von 30 EJ pro Jahr in 2100 (Tab.4.4-1).

Der Beirat betont die großen Potenziale zur Erhö-hung der Effizienz bei Wandlungsprozessen entlangder gesamten Kette des Energiesystems, z. B. durchAusbau der Kraft-Wärme-(/Kälte)Kopplung (Kap.3.3). Darüber hinaus bestehen große Potenziale zurEffizienzsteigerung bei der Nutzung von Endenergiesowie an zahlreichen weiteren Stellen in Industrie,Gewerbe und Gebäuden (Kap. 3.5).

Fragen des Transports, der Verteilung und derSpeicherung von Energie werden bei zunehmenderNutzung fluktuierender erneuerbarer Energie-quellen eine immer größere Rolle spielen. Hier gibtes erhebliche technische Entwicklungspotenzialeetwa zur Gestaltung der Stromnachfrage und derzunehmenden Vernetzung der Stromproduktion bishin zu einem weltweiten Verbund (Kap. 3.4). Lang-fristig kann Wasserstoff als Energieträger und zurSpeicherung eine entscheidende Rolle spielen. Ein

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102 3 Technologien und nachhaltige Potenziale

Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft ist durchdie verstärkte Nutzung von Erdgas und den damitverbundenen Aufbau geeigneter Infrastruktur mög-lich (Kap. 3.4.4).

Für den Verkehrssektor sieht der Beirat mittelfris-tig die zentralen Herausforderungen bei Effizienz-steigerungen existierender Technologien sowie inneuen Mobilitätskonzepten. Der Brennstoffzellen-antrieb im Rahmen einer Wasserstoffwirtschaft wirdals vielversprechende Langfristoption gesehen, wäh-rend der großmaßstäbliche Einsatz biogener Kraft-stoffe nur eingeschränkt befürwortet wird.

Die vom Beirat vorgenommene Abschätzungnachhaltig nutzbarer Potenziale der weltweit zurVerfügung stehenden Energieträger zeigt, dass diederzeitigen globalen Energiesysteme, die im wesent-lichen auf fossilen Energieträgern und auf Kernener-gie sowie in Entwicklungsländern auf der Nutzungtraditioneller Biomasse beruhen, einer langfristigangelegten Transformation bedürfen. Diese globaleEnergiewende in Richtung Nachhaltigkeit muss vorallem auf den starken Ausbau erneuerbarer Energie-träger sowie auf Effizienzsteigerungen setzen (Kap.4). Die Analyse der nachhaltig nutzbaren Potenzialezeigt, dass langfristig die Sonnenenergie das zentraleElement der globalen Energieversorgung werdenmuss.

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4

4.1Ansatz und Methode zur Ableitung einesexemplarischen Transformationspfads

In den ersten Kapiteln dieses Gutachtens wurden dieAusgangslage (Kap. 2) sowie die technischen undnachhaltigen Potenziale der derzeitigen globalenEnergiequellen (Kap. 3) diskutiert. Das heutige glo-bale Energiesystem ist als nicht nachhaltig zubezeichnen, weil es insbesondere durch seine Wir-kung auf das Klima die Lebensgrundlagen derMenschheit gefährdet, durch Luftverschmutzungund nicht nachhaltige Nutzung von Biomasse erheb-liche Gesundheitsprobleme verursacht und derzeitnoch etwa 2 Mrd. Menschen keinen Zugang zumodernen Energieformen haben.

AnsatzIn Kapitel 4 wird eines von vielen möglichen Szena-rien zur Transformation der derzeitigen Energiesys-teme hin zu einer nachhaltigen Energiezukunft abge-leitet. Die Betonung liegt hierbei auf „möglich“. Essind viele Entwicklungen denkbar, die die gegenwär-tigen weltweiten Energiesysteme nachhaltig umge-stalten würden. Insofern ist das in diesem Kapitelabgeleitete Szenario nicht präskriptiv zu verstehen,sondern als Illustration. An ihm soll gezeigt werden,dass die globale Energiewende technologisch undökonomisch machbar ist.

MethodeZur Ableitung eines Transformationspfads verwen-det der Beirat das schon früher genutzte Prinzip dernormativen Setzung von Leitplanken (WBGU, 1997;Toth et al., 1997; Petschel-Held et al., 1999; Bruckneret al., 1999). Dies beruht auf der Vorstellung, mögli-che zukünftige Entwicklungen durch Leitplankeneinzugrenzen. Leitplanken liefern also Kriterien, dieein Szenario notwendigerweise erfüllen muss, wennes nachhaltig sein soll (Abb. 4.1-1). Das Einhaltender Leitplanken ist eine notwendige, wenn auchkeine hinreichende Bedingung für die Nachhaltig-keit eines Pfads, da sich Leitplanken etwa durch neue

Kenntnisse verändern oder ganz neue Leitplankenhinzukommen können. Der Beirat verfolgt diesenAnsatz, weil es generell schwierig ist, nachhaltigeZukünfte positiv zu definieren. Es ist leichter, denBereich abzugrenzen, der als inakzeptabel erkanntwird. Innerhalb des nachhaltigen Bereichs existierenunter den genannten Einschränkungen keine weite-ren Vorgaben an ein Zukunftsszenario. Dieses kanndort beliebige Verläufe annehmen. Solange es dabeimit keiner Leitplanke kollidiert, bleibt es nachhaltig.

Der Leitplankenansatz zur Auswahl nachhaltigerSzenarien gleicht einem Filter, der eine Reihe plau-sibler Zukunftsszenarien auf ihre Verträglichkeitgegenüber einem Satz von Leitplanken überprüft.Gleichzeitig werden im Rahmen eines Modell-ansatzes Simulationsrechnungen durchgeführt, dienachhaltige Pfadverläufe ermitteln. Die Leitplankenwerden vom WBGU formuliert (Kap. 4.3). Mit derFiltermethode erhält man letztlich nicht nur eineneinzigen gangbaren Pfad, sondern beschränkt ledig-lich die Vielfalt möglicher Zukünfte.

Aus den Leitplanken können auch die Felder fürmögliche Maßnahmen hergeleitet werden, mit denendas System entweder aus dem Verbotsbereich in dennachhaltigen Bereich geführt werden kann oder voneinem gegenwärtig noch im nachhaltigen Bereichverlaufenden Kollisionskurs mit einer Leitplankeumgesteuert werden kann (Abb. 4.1-1). Solche Maß-nahmen werden in Kapitel 5 diskutiert.

Abbildung 4.1-2 konkretisiert die Analysephiloso-phie des Leitplankenkonzepts am Beispiel des Kli-masystems. Dabei wird die Leitplankenmethode wiefolgt angewendet:1. Zunächst wird ein Grundbestand an Zukunftssze-

narien vorgestellt (Kap. 4.2).2. Der WBGU wählt ein Szenario aus (Kap. 4.2.6),

das bezüglich der Wandelbarkeit seiner Struktu-ren hin zu weniger energieintensiven Produktenund Dienstleistungen konservativ ist. Wenn dieTransformation zur Nachhaltigkeit an so einemBezugsszenario demonstriert werden kann, danngilt der Nachweis auch für Szenarien, die hinsicht-lich dieser Strukturen weniger konservativ sind.

Ein exemplarischer Pfad für einenachhaltige Transformation derEnergiesysteme

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104 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

3. Dann werden die Leitplanken vorgestellt und dasausgewählte Szenario einer Leitplankenprüfungunterzogen (Kap. 4.3). Dabei zeigen sichbestimmte Probleme dieses Szenarios. Insbeson-dere verletzt es die Klimaleitplanke (Kap. 4.3.1.2),ebenso wie alle anderen im ersten Schritt unter-suchten Grundszenarien.

4. Daraufhin wird das ausgewählte Szenario somodifiziert, dass es die Leitplanken einhält. DasErgebnis ist ein exemplarischer Transformations-pfad (Kap. 4.4).

5. Schließlich erfolgen Simulationen mit einemanderen, neu entwickelten Modellkonzept, umden exemplarischen Pfad zu untermauern. Dazuwerden unter Vorgabe der Klimaleitplanke kos-teneffektive Pfade bestimmt und Handlungsspiel-räume bei Vorgabe verschiedener Leitplankenausgelotet. Anhand dieser zusätzlichen Analysenwerden die Eigenschaften des exemplarischenTransformationspfads diskutiert (Kap. 4.5).

4.2Energieszenarien für das 21. Jahrhundert

Aus den vielen verfügbaren Energieszenarien wähltder WBGU die IPCC-Szenarien als Grundlage für

seine Analyse aus. Der Fokus auf das Klimaproblementspricht den Prioritäten des Beirats. Die IPCC-Szenarien zeichnen sich dadurch aus, dass sie von derinternationalen Wissenschaftlergemeinschaft aner-kannt sind und auf konsistenten Annahmen über dieAntriebskräfte von Treibhausgasemissionen beru-hen.

4.2.1SRES-Szenarien als Ausgangsbasis

Die Analyse möglicher langfristiger Entwicklungendes Energiesystems stützt sich auf verschiedene vomIPCC (2000b, 2001c) entwickelte Szenariogruppen:Die im IPCC-Sonderbericht entwickelten Emis-sionsszenarien ohne klimapolitische Maßnahmen(im Folgenden „SRES-Szenarien“ genannt; SpecialReport on Emission Scenarios, SRES; IPCC, 2000b)dienen als Referenzszenarien für die darauf aufbau-enden IPCC-Klimaschutzszenarien („Post-SRES-Szenarien“; IPCC, 2001c). Die SRES-Szenarienzeigen die große Bandbreite plausibler zukünftigerEntwicklungen, die verursacht wird durch die Unsi-cherheit über die Antriebskräfte, ihrer Wechselwir-kungen sowie der Mechanismen, die in verschiede-nen Modellen nachgebildet werden (IPCC, 2000b).

nicht nachhaltiger Bereich

Leitplanke

Ist-Zustand

Ist-Zustand

Maß

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Ziel: Vermeidung nicht nachhaltiger Entwicklungen

Ziel: Herausführen aus dem nicht nachhaltigen Bereich

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Grenzbereich

Maß

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Abbildung 4.1-1Zusammenhang vonLeitplanken, Maßnahmenund zukünftigerSystementwicklung.Die Abbildung zeigtmögliche Zustände einesSystems bezüglich seinerNachhaltigkeit, aufgetragenüber der Zeit. Dermomentane Zustand einesSystems relativ zurLeitplanke (Ist-Zustand)kann im grünen Bereichliegen („nachhaltigerBereich“ nach bestemderzeitigen Kenntnisstand),oder im roten „nichtnachhaltiger Bereich“. Wennsich ein System im nichtnachhaltigen Bereichbefindet, muss es durchgeeignete Maßnahmen sogesteuert werden, dass es„durch“ die Leitplanke inden nachhaltigen Bereichhinein kommt. Von dieserSeite aus ist die Leitplanke

also durchlässig. Befindet sich ein System im nachhaltigen Bereich, gibt es zunächst keine weiteren Vorgaben. Das System kannsich im freien Spiel der Kräfte entwickeln. Erst wenn das System sich von der nachhaltigen Seite aus auf Kollisionskurs miteiner Leitplanke befindet, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verletzung der Leitplanke zu verhindern. Von dieserSeite aus ist die Leitplanke also undurchlässig. Da die Leitplanken sich durch künftigen Wissensfortschritt verändern können,ist das Einhalten der derzeitigen Leitplanken kein hinreichendes, sondern nur ein notwendiges Kriterium für Nachhaltigkeit.Quelle: WBGU

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105Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 4.2

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106 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Viele der Szenarien gehen von sehr starken umwelt-oder sozialpolitischen Eingriffen aus, was sie von her-kömmlichen Business-as-usual-Szenarien unter-scheidet.

Die insgesamt 40 Szenarien wurden in vier Fami-lien gruppiert. Alle Szenarien einer Familie habeneine charakteristische „Geschichte“ (storyline), alsoeine Beschreibung der Beziehungen zwischenEinflussfaktoren und ihrer Entwicklung. Die vierFamilien lassen sich vereinfacht in zwei Dimensionenunterscheiden: Die erste Dimension unterscheideteine Welt mit starker Ausrichtung auf Wirtschafts-wachstum (A) von einer Welt, die auf Nachhaltigkeitausgerichtet ist (B). In der B-Welt werden umwelt-politische Maßnahmen etwa zur Luftreinhaltungberücksichtigt, nicht jedoch Maßnahmen, die spezi-fisch auf den Klimaschutz ausgerichtet sind (bei-spielsweise CO2-Steuern). Die zweite Dimensionerlaubt die Unterscheidung zwischen einer Weltzunehmender ökonomischer Konvergenz und sozia-ler und kultureller Interaktion zwischen den Regio-nen (Globalisierung, 1) von einer Welt mit stärkererBetonung regionaler Unterschiede und lokalerLösungen (Regionalisierung, 2).

Es ergeben sich vier Szenariofamilien: A1 (HohesWachstum), B1 (Globale Nachhaltigkeit), A2 (Re-gionalisierte Wirtschaftsentwicklung), B2 (RegionaleNachhaltigkeit).

4.2.2Grundannahmen der SRES-Szenarien

A1-Welt: Hohes WachstumDie A1-Storyline weist folgende Charakteristika auf:starke Marktorientierung, anhaltendes Wirtschafts-wachstum (weltweit etwa 3% jährlich, entsprechenddem Wachstum der letzten 100 Jahre), starke Beto-nung von Investition und Innovation in Bildung,Technologie und Institutionen, rasche Einführungneuer, effizienter Technologien, zunehmende Mobi-lität und zunehmende soziale und kulturelle Interak-tionen sowie Konvergenz zwischen Regionen (etwain Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen). Die heutein Industriestaaten beobachteten demographischenEntwicklungen (sehr niedrige Fertilitätsraten, hoheAlterung) werden wegen der in der A1-Welt ange-nommenen globalen Konvergenz langfristig auch aufdie Entwicklungsländer übertragen. Dies führt nacheinem Anstieg der Bevölkerung auf etwa 9 Mrd.Menschen ab 2050 zu einer Abnahme auf etwa7 Mrd. in 2100. Diese Bevölkerungsentwicklung liegtim unteren Bereich der existierenden Projektionen,aber noch über der niedrigsten UN-Projektion(IPCC, 2000b).

Die Energieproduktivität steigt jährlich um etwa1,3% – schneller als im Mittel der letzten 100 Jahre.Allerdings gibt es wegen der niedrigen Energiepreisewenig Anreize für eine effiziente Endenergienut-zung, so dass der Primärenergieeinsatz sehr hoch istund Motorisierung und Zersiedelung weltweit starkansteigen. Die Szenarien übertragen quasi die öko-nomische Entwicklung Japans und Südkoreas nachdem 2. Weltkrieg bzw. Chinas in den letzten Jahrenauf alle Entwicklungsländer (Roehrl und Riahi,2000). Insofern sind sie in Bezug auf das Wirtschafts-wachstum und die globale Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen sehr optimistische Szenarien.

Innerhalb der A1-Szenariofamilie wurden je nachangenommener Technologieentwicklung vier ver-schiedene Pfade unterschieden: Der kohleintensivePfad A1C, der öl- und gasintensive Pfad A1G, derPfad A1T mit einem hohem Anteil nicht fossilerEnergieträger und schließlich der mittlere Pfad A1B,für den ähnlich schnelle Fortschritte für alle Energie-träger bzw. Technologien angenommen werden.Anhand dieser Unterscheidung wird der Einfluss derTechnologieentwicklung bei sonst gleichen Antriebs-kräften (insbesondere gleicher wirtschaftlicher Ent-wicklung) sichtbar (Kap. 4.2.5).

B1-Welt: Globale NachhaltigkeitDie B1-Szenarien gehen von der gleichen Bevölke-rungsentwicklung und einem ähnlich starken Wirt-schaftswachstum wie die A1-Szenarien aus. Auchhier wird eine Konvergenz der Entwicklungen in denverschiedenen Regionen angenommen („Globalisie-rung“). Einkommensdisparitäten schließen sichebenso rasch wie in den A1-Szenarien.

Die B1-Welt unterscheidet sich jedoch von derA1-Welt durch ein starkes soziales und Umwelt-bewusstsein – sie wird von de Vries et al. (2000) als„wohlhabend, gerecht und grün“ charakterisiert. DieWelt ist durch hohe Effizienzsteigerungen auch imEnergiebereich gekennzeichnet. Produktions- undEinkommenszuwächse werden in hohem Maß fürden Ausbau sozialer Institutionen, Umverteilungs-maßnahmen und Umweltschutz verwendet. Wirt-schaftsstrukturen verändern sich zügig in Richtungauf eine Dienstleistungs- und Informations-gesellschaft, in der Materialien sparsam eingesetztwerden. Saubere und effiziente Technologien werdenrasch eingeführt. Auch vollzieht sich ein Wertewan-del in Richtung auf nicht materielle Einstellungen.

Die Energienachfrage ist somit – trotz starkenWirtschaftswachstums – niedrig und beträgt im Jahr2100 nur etwa ein Viertel derjenigen in den A1-Sze-narien. Die Energieintensität nimmt im Mittel umetwa 2% jährlich über die nächsten 100 Jahre ab, wasim Vergleich zur historische Rate von 1% jährlicheine sehr schnelle Steigerung ist, die insbesondere

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107Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 4.2

durch hohe Energiepreise erzielt wird. Ein hoherEinkommenstransfer und hohe Steuern prägen dieseWelt. Globalisierung und Liberalisierung sind miteiner starken internationalen Nachhaltigkeitspolitikverbunden. Forschung und Entwicklung werdenintensiv gefördert. Städte entwickeln sich kompaktund mit hohem Anteil an nicht motorisiertem Ver-kehr. Zusätzlich wird der Urbanisierungstrendgebremst. Selbst ohne klimapolitische Maßnahmenführen diese Entwicklungen zu geringen Treibhaus-gasemissionen, weil sie bezüglich des Klimaschutzesbereits sehr effektiv sind.

A2-Welt: RegionalisierteWirtschaftsentwicklungDie A2-Welt ist heterogen, da die Regionen ihrenationalen, kulturellen und religiösen Identitätenbewahren wollen und unterschiedliche Entwick-lungspfade einschlagen (Sankovski et al., 2000). Esbilden sich getrennte wirtschaftliche Regionen aus.Das Wirtschaftswachstum ist deshalb geringer als inanderen Szenariofamilien, ebenso die Geschwindig-keit technologischer Entwicklungen. Technologienverbreiten sich zögerlicher, Handelsströme sind nie-driger als in A1-Szenarien. Auch das Pro-Kopf-Ein-kommen konvergiert nicht so stark wie in den A1-oder B1-Szenarien. Es wird ein sehr hohes Bevölke-rungswachstum (15 Mrd. Menschen in 2100)zugrunde gelegt, da im Unterschied zu A1- und B1-Szenarien die Fertilitätsmuster nicht konvergieren.Die Energieproduktivität steigt nur um 0,5–0,7%jährlich, die Energienachfrage ist hoch, wenn auchnicht so hoch wie in den A1-Szenarien. Die Energie-systeme der A2-Welt sind sehr heterogen. Der Ener-gieträgermix in den einzelnen Regionen hängt starkvon der Ressourcenverfügbarkeit ab.

B2-Welt: Regionale NachhaltigkeitDie B2-Storyline beschreibt eine Zukunft, in derlokalen und regionalen Lösungen für eine nachhal-tige Entwicklung eine große Rolle zukommt. Inter-nationale Institutionen und Strukturen nehmendagegen an Bedeutung ab. Umweltschutz wirdbetont, allerdings nur auf nationaler und regionalerEbene. Das Bevölkerungswachstum ist geringer alsin A2-Szenarien (etwa 10 Mrd. Menschen im Jahr2100). Das Wirtschaftswachstum ist moderat, dieTechnologieentwicklung weniger ausgeprägt als inder B1- oder A1-Welt. Viele Projektionen entspre-chen den heutigen Trends, etwa in Bezug auf dasBevölkerungs- und Wirtschaftswachstum oder dieSteigerung der Energieproduktivität. Die Energie-nachfrage ist niedriger als in den A1- und A2-Szena-rien, aber höher als in der B1-Szenarien. Auch derderzeitige Trend abnehmender Forschungs- und Ent-wicklungsinvestitionen setzt sich fort.

4.2.3Emissionen in den SRES-Szenarien

Die Emissionen von Treibhausgasen und Schadstof-fen variiert stark zwischen und innerhalb der Szena-riofamilien. Die höchsten CO2-Emissionen weisendie fossilintensiven Wachstumsszenarien A1C undA1G auf. Aber auch A2-Szenarien haben sehr hoheEmissionen: Zwar ist das Wirtschaftswachstum weni-ger stark, aber die langsamere Technologieentwick-lung führt zu einer geringeren Minderung der Koh-lenstoff- und Energieintensität. A1B- und auch B1-Szenarien weisen dagegen etwa ab 2050 eine Wendein Richtung Emissionsminderung auf. Dies ist zumeinen auf die Trendwende in der Bevölkerungs-entwicklung zurückzuführen, zum anderen auf dieVerbesserung der Produktivität. Diese Trends glei-chen das Wirtschaftswachstum mehr als aus. Die A2-und B2-Szenarien zeigen dagegen stetig wachsendeCO2-Emissionen. Die geringsten CO2-Emissionenaller Szenarien weisen B1- sowie A1T-Szenarien auf.Beiden gemeinsam ist eine schnelle Entwicklungnicht fossiler Technologien, sie unterscheiden sichaber stark im Energieeinsatz.

Die Szenarien variieren auch in Bezug auf dieLandnutzung und ihre Änderung: Der Trend zurAbnahme der globalen Waldflächen wird in denmeisten Szenarien umgekehrt, besonders in B1- undB2-Szenarien. Methan- und Lachgasemissionen sindin A1- und B1-Szenarien wegen des angenommenengeringeren Bevölkerungswachstums und der Bevöl-kerungsabnahme nach 2050 sowie der gesteigertenProduktivität in der Landwirtschaft weit geringer alsin den A2- und B2-Szenarien. Schwefelemissionensind generell niedriger als in früheren Projektionen,weil angenommen wird, dass die Belastung durchlokale und regionale Luftverschmutzung weit früherzu einer Emissionsminderung führen wird.

Die global gemittelte bodennahe Temperatursteigt nach diesen Modellrechnungen von 1990 bis2100 um 1,4–5,8 °C (IPCC, 2001a). Die Schwan-kungsbreite ergibt sich aus den Unsicherheitensowohl über das Klimasystem als auch die sozioöko-nomischen Antriebskräfte. Selbst die B1- und A1T-Szenarien mit den geringsten Emissionen verletztendie Leitplanke des WBGU-Klimafensters (Kap. 4.3).Im Folgenden werden deshalb die IPCC-Klima-schutzszenarien dargestellt, die auf diesen SRES-Szenarien aufbauen.

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108 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

4.2.4IPCC-Klimaschutzszenarien („Post-SRES“-Szenarien)

Im 3. IPCC-Sachstandsbericht wurden möglichePfade zum Erreichen verschiedener Stabilisierungs-ziele für die CO2-Konzentration der Atmosphäre(zwischen 450 ppm und 750 ppm CO2-Konzentra-tion) auf der Basis der SRES-Szenarien als Refe-renzszenarien entwickelt (IPCC, 2001c). Die Annah-men zu den wesentlichen Antriebskräften (Bevölke-rung, Wirtschaftswachstum, Nachfrage nachEnergiedienstleistungen) entsprechen den jeweili-gen SRES-Szenarien. Zusätzlich wurde als Bedin-gung die Stabilisierung der CO2-Konzentration bisspätestens 2150 vorgegeben. Allerdings werden nurdie energiebedingten Treibhausgasemissionen redu-ziert: CO2-Emissionen aus Landnutzungsänderungsowie die Emission anderer Treibhausgase (soweitnicht energiebedingt) bleiben die gleichen wie imReferenzszenario.

Selbst für ein Stabilisierungsniveau von 450 ppmbleibt die erwartete globale Erwärmung im 21. Jahr-hundert nur für mittlere bis niedrige Werte der Kli-masensitivität unterhalb der WBGU-Leitplanke(globale Erwärmung von weniger als 2 °C verglichenmit vorindustriellen Werten; Kap. 4.3.1.2). Im lang-fristigen Gleichgewicht ist selbst bei schwacher Kli-masensitivität mit einer globalen Erwärmung zurechnen, die über die vom WBGU-Klimafenstergesetzten Grenzen hinausgeht (IPCC, 2001d). Solldie WBGU-Leitplanke des Klimafensters eingehal-ten werden, kommen deshalb nur Stabilisierungsni-veaus von 450 ppm oder niedriger in Betracht. Es lie-gen allerdings keine Post-SRES-Stabilisierungs-szenarien mit niedrigeren Zielniveaus vor. AndereSzenarien (z. B. Azar et al., 2001) zeigen jedoch, dassetwa durch starken Einsatz von Biomasse in Verbin-dung mit Kohlenstoffspeicherung Stabilisierungsni-veaus von 350 ppm erreicht werden können. DerWBGU will mit der Auswahl eines 450 ppm-Szena-rios nicht die Aussage treffen, dass dies ein sicheresNiveau der Konzentration von Treibhausgasen imSinn von Artikel 2 UNFCCC sei. Für die Einhaltungdes WBGU-Klimafensters ist vielmehr eine Analyseintegrierter Klimaschutzstrategien (nicht nur derEnergiepolitik) und die Entwicklung damit konsis-tenter Szenarien notwendig.

Vorhandene Szenarien machen aber deutlich(IPCC, 2001d): Um Stabilisierungsniveaus von 450ppm CO2 oder darunter zu erreichen, muss deransteigende Trend der globalen Emissionen sehrschnell – innerhalb von 10–20 Jahren – umgekehrtwerden, danach ist eine zügige Minderung auch überdie folgenden Jahrzehnte notwendig. Berücksichtigt

man zusätzlich die langen Investitionszyklen etwavon Kraftwerken und Transportnetzen, so folgt dar-aus, dass die nächsten 10–20 Jahre das entscheidendeZeitfenster für die Transformation der Energiesys-teme bilden.

4.2.5Technologiepfade in der A1-Welt

Die A1-Szenarien zeigen die unterschiedlichen tech-nologischen Pfade, die bei gleichen ökonomischen,sozialen, politischen und demographischen Antriebs-kräften denkbar sind. Für alle kann eine Stabilisie-rung auf 450 ppm erreicht werden, was allerdings mitsehr unterschiedlichen Energiestrategien sowie Kos-ten und Risiken verbunden ist.

4.2.5.1Vergleich der Energiestrukturen undKlimaschutzstrategien

Im Folgenden werden die A1-450-Stabilisierungssze-narien und ihre jeweiligen Referenzpfade innerhalbder A1-Szenariogruppe genauer untersucht. Dabeiwird auf die Quantifizierung durch das dynamischeOptimierungsmodell MESSAGE, gekoppelt mitdem makroökonomischen Modell MACRO zurück-gegriffen (Messner und Schrattenholzer, 2000).MESSAGE minimiert die aggregierten Kosten derEnergieproduktion bei gegebener Nachfrage nachEnergiedienstleistungen (die vom makroökonomi-schen Modell vorgegeben wird) und berechnet aufdieser Basis einen kostenoptimalen Energieträger-mix. Dabei wird in den hier analysierten Szenariendie Veränderung der Nachfrage, die sich aus Maß-nahmen zur Begrenzung der CO2-Emissionen erge-ben (beispielsweise durch eine CO2-Steuer), nichtberücksichtigt. Der Primärenergieeinsatz nimmt des-halb in den Stabilisierungsszenarios bezogen auf dasjeweilige Referenzszenario nicht ab. In den Stabili-sierungsszenarien mit starkem Einsatz fossiler Ener-gieträger steigt der Primärenergiebedarf sogar starkan. Dies ist auf den Einsatz der energieintensivenKohlendioxidabtrennung für die Kohlenstoffspei-cherung zurückzuführen (Kap. 3.6.1; Tab. 3.6-1).

Abhängig von den Annahmen über die technolo-gischen Pfade in den Referenzszenarien unterschei-den sich die Entwicklungspfade für die Energiesys-teme in den A1-Szenarien bei gleichem Stabilisie-rungsziel. Dies verdeutlicht die Pfadabhängigkeit,die mit der Bevorzugung bestimmter Technologienin den einzelnen Referenzszenarios verbunden ist.So nimmt im A1T-Pfad der Anteil der Solarenergieaufgrund klimapolitischer Maßnahmen zu, währendim „ausgewogenen“ A1B-Szenario sowie im kohle-

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109Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 4.2

intensiven A1C-Szenario der Anteil der Kernenergiestark zunimmt (Roehrl und Riahi, 2000).

Kohle und Kernenergie intensiver Pfad:A1CDie A1C-Szenarien sind durch die Nutzung Schad-stoff reduzierter Kohletechnologien charakterisiert,die ohne zusätzliche klimapolitische Maßnahmen zusehr hohen Treibhausgasemissionen führen, aber –vom Problem der Klimaänderung abgesehen –umweltfreundlich sind. Sie beruhen auf derAnnahme, dass die konventionellen Öl- und Gas-reserven schnell abnehmen, so dass stark in kosten-intensive neue Kohletechnologien investiert wird(Kohlevergasung und -verflüssigung, Hochtempera-tur-Brennstoffzellen). Aber auch die Kernenergiewird weiterentwickelt (etwa die Uran-Extraktions-technologien), da insbesondere in Regionen mitgeringen Kohlevorkommen intensiv auf Kernenergiegesetzt wird. Im Jahre 2100 ist Kohle im A1C-Refe-renzpfad mit einem Anteil von 47% an der Primär-energie der Hauptenergieträger. Der Kernenergie-anteil beträgt 18%. Wegen der hohen Nachfragenach Kohle, die nicht in allen Regionen mit heim-ischer Kohle befriedigt werden kann, entwickelt sichein intensiver globaler Methanolhandel, da Metha-nol (aus Kohle gewonnen) insbesondere im Trans-portsektor benötigt wird. Wichtigste Klimaschutz-maßnahmen zum Erreichen des 450-ppm-Stabilisie-rungsziels sind Kohlenstoffspeicherung und erhöhteEffizienz. Aber auch die Kernenergie muss bei die-sen Szenarien stark ausgebaut werden.

Öl- und gasintensiver Pfad: A1G Charakteristisch für die A1G-Szenarien ist die Nut-zung der unkonventionellen Öl- und Gasressourcen,inklusive der Ölschiefer und Ölsande sowie derMethanhydrate (Kap. 3.2). Es wird ein rascher tech-nologischer Fortschritt bei den Extraktions- undKonversionstechnologien für Öl und Gas angenom-men. Der globale Handel mit Öl und Gas nimmtstark zu; neue Gaspipelines werden ab 2010 bzw.2020 gebaut. Der Primärenergiebedarf ist wegen desEnergiebedarfs für Extraktion und Gastransportbesonders hoch. Im Jahre 2100 ist im A1G-Referenz-pfad Gas der Hauptenergieträger (Anteil von 45%an der Primärenergie), gefolgt von erneuerbarenEnergieträgern (25%) und Öl (14%). Aber auch dieKernenergie hat einen hohen Anteil (12%). Selbstdiese öl- und gasintensiven Szenarien nutzen im 21.Jahrhundert mit einem kumulierten Verbrauch vonetwa 34.000 EJ Öl und 59.000 EJ Gas nur einenBruchteil der fossilen Vorkommen aus (Nakicenovicund Riahi, 2001). Es wird angenommen, dass ein klei-ner Teil der heute als zusätzliche Vorkommen bewer-

teten Vorkommen bereits im 21. Jahrhundert förder-bar ist (Tab. 3.2-1).

Auch hier sind Kohlenstoffspeicherung underhöhte Effizienz die wichtigsten Klimaschutz-maßnahmen zum Erreichen des Stabilisierungszielsvon 450 ppm CO2. Dabei spielt die Reinjektion vonCO2 in Öl- und Gasfelder eine wichtige Rolle. Aller-dings wird deutlich, dass im 22. Jahrhundert drasti-sche Strukturveränderungen notwendig würden, dadie Kapazitätsgrenzen für die Reinjektion in Gasfel-der erreicht werden.

Gemischter Pfad: A1BDie A1B-Szenarien („balanced technology“) gehenvon der Annahme aus, dass sich alle Technologiengleichmäßig entwickeln. Es wird somit keine sostarke Pfadabhängigkeit angenommen wie in denanderen A1-Szenarien: Eine koordinierte globaleStrategie der Forschung, Entwicklung und Anwen-dung von Technologien führt zur regional differen-zierten Spezialisierung auf verschiedene Technolo-gien. In A1B-Szenarien wird zur Kohlendioxidstabi-lisierung sowohl auf Kohlenstoffspeicherung als auchauf eine verstärkte Entwicklung nicht fossilerEnergieträger und Konversionstechnologien gesetzt,insbesondere neue Kernreaktoren, Wasserstoff-Brennstoffzellen im Transportsektor sowie zusätzli-che Wasserkraftanlagen. Wasserstoff wird überwie-gend aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen.

Forcierte Entwicklung nicht fossilerEnergieträger: A1TDie A1T-Szenarien zeichnen sich durch eine schnelleEntwicklung solarer und nuklearer Technologiensowie den Einsatz einer Wasserstofftechnologie imgroßen Maßstab aus.Voraussetzung hierfür sind sehrgroße und zielgerichtete Investitionen in Forschung,Entwicklung und Anwendung dieser Technologien,etwa in neue, „inhärent sichere“ Kernenergietechno-logien (z. B. Hochtemperaturreaktor) und erneuer-bare Energien. Auch höhere Investitionen in Ener-gieeffizienz werden angenommen, so dass beigleicher Nachfrage nach Energiedienstleistungen dieNachfrage nach Endenergie geringer ist als in denanderen A1-Szenarien. Im Mittel nimmt die Energie-produktivität um 1,4% jährlich zu. 2100 machenerneuerbare Energien und Kernenergie 86% der Pri-märenergieträger aus.

In den A1T-Szenarien sind wegen der ohnehinschon geringen CO2-Emissionen nur wenige Re-duktionsmaßnahmen notwendig, um das 450-ppm-Stabilisierungsziel zu erreichen. Von der Kohlen-stoffspeicherung wird deshalb nur maßvollGebrauch gemacht. Hier sind die Fortschritte in derTechnologie ähnlich wie in den A1B-Szenarien, wennauch die Abkehr vom fossilen Pfad noch deutlicher

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110 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

wird. Das A1T-450-Szenario illustriert somit die Ent-wicklung hin zu einer Wasserstoffwirtschaft. DerWasserstoff wird mit Kernreaktoren und erneuerba-ren Energieträgern (etwa Solarthermie) gewonnen.Die Kohlenutzung läuft zum Ende des Jahrhundertsaus. Die Nutzung der Kernenergie (Hochtempera-turreaktoren) wird geringfügig gesteigert, ebenso dieNutzung von Wasserstoff-Brennstoffzellen im Trans-port.

4.2.5.2Rolle der Kohlenstoffspeicherung

Da die CO2-Speicherung kostenintensiv ist (Kap.3.6.1), wird sie in den Referenzszenarien ohne klima-politische Maßnahmen nicht eingesetzt, abgesehenvon der Reinjektion in Öl- und Gasfelder.Allerdingswird sie in allen A1-Post-SRES-Stabilisierungsszena-rien genutzt, wenn auch in sehr unterschiedlichemAusmaß (Tab. 4.2-1). Die Zahlen sind mit denAbschätzungen für Potenziale zur Kohlenstoffspei-cherung in Öl- und Gasfeldern (200–500 Gt C) sowiein tiefen Aquiferen (100 bis über 1.000 Gt C) zu ver-gleichen (Kap. 3.6), die allerdings mit großen Unsi-cherheiten behaftet sind. Die fossil intensiven PfadeA1C-450 und A1G-450, aber auch der „mittlere“Pfad A1B-450 übersteigen die vom WBGU gesetzteLeitplanke von 300 Gt C als Obergrenze für die Koh-lenstoffspeicherung im 21. Jahrhundert bei weitem(Kap. 4.3). In den Szenarien A1C-450 und A1G-450ist die erforderliche CO2-Sequestrierung größer alsdie für eine geologische Speicherung abgeschätztenPotenziale, so dass eine Speicherung im Tiefenwasserdes Ozeans notwendig wäre. Die anthropogene Koh-lenstoffspeicherung im Ozean bewertet der WBGUals nicht nachhaltig (Kap. 3.6.3).

4.2.5.3Vergleich der Kosten

Abbildung 4.2-1 zeigt, wie die Energiesystemkostenvon der technologischen Entwicklung in den Refe-renzszenarien und vom Stabilisierungsziel abhängen(Roehrl und Riahi, 2000). Die Energiesystemkostensind als Summe der Investitions-, Betriebs- und War-tungskosten definiert, einschließlich der Kosten fürdie Verteilung sowie für die Umwelttechnologie.Obwohl das Modell MESSAGE die Energiesystem-kosten bei ihrer Minimierung mit einem Satz von 5%diskontiert, sind sie in Abbildung 4.2-1 nicht diskon-tiert dargestellt worden.

Es fällt auf, dass die Kostendifferenzen zwischenReferenzszenario und zugehörigen Stabilisierungs-szenarios meist geringer sind als die Kostendifferen-zen zwischen den einzelnen Referenzszenarien. Bei-spielsweise ist die Differenz zwischen den Kosten derfossilintensiven Pfade (A1G,A1C) und dem stark aufnicht fossile Technologien beruhendem A1T-Pfadweit größer als die Kosten der Stabilisierung auf 450ppm etwa für den ausgewogenen Pfad A1B oder fürden A1T-Pfad. Der fossile Pfad ist also ein inhärentteurer Pfad. Der Hauptgrund für die hohen Kostenist die Festlegung auf teilweise veraltete Energie-strukturen (Pfadabhängigkeit), in denen vergleichs-weise geringe Lerneffekte zu erwarten sind. Hinzukommen steigende Kosten der Ressourcenextrak-tion, weil unkonventionelle Ressourcen abgebautwerden müssen (Kap. 3.2.1). Im kohleintensiven Pfadmuss ein großer Teil des zukünftigen Bedarfs an flüs-sigen Treibstoffen aus Kohleverflüssigung oderdurch Methanolerzeugung bereitgestellt werden, wasnur unter hohen Kosten möglich ist.

Für den kohleintensiven Pfad, dessen Referenz-szenario schon die höchsten Kosten aufweist, sind diezusätzlichen Kosten, die für eine Stabilisierung derKohlendioxidkonzentration auf 450 ppm anfallen,besonders hoch. Die Festlegung auf einen kohlein-tensiven Pfad führt also nicht nur zu einem langfris-tig teureren Energiesystem, sondern verursacht bei

Szenario A1B A1B-450 A1G A1G-450 A1 C A1C-450 A1T A1T-450

[Gt C]

EOR + EGR 28 98 171 366 0 63 29 69Andere Speicherung 0 762 0 1.148 0 1.492 0 148

Summe 28 860 171 1.514 0 1.555 29 217

Tabelle 4.2-1Gesamte gespeicherte CO2-Menge für den Zeitraum 1990–2100 in ausgewählten A1-Szenarien (Referenz- und 450 ppm CO2-Stabilisierungsszenarien). EOR Enhanced Oil Recovery, EGR Enhanced Gas Recovery (Kap. 3.6.1). A1C kohleintensiverPfad, A1G öl- und gasintensiver Pfad, A1B gemischter Pfad, A1T starke Entwicklung nicht fossiler Technologien,450 Stabilisierung auf 450 ppm CO2.Quelle: Roehrl und Riahi, 2000

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111Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 4.2

einem Stabilisierungsziel von 450 ppm auch sehrhohe CO2-Reduktionskosten.

Allerdings sind Forschungs- und Entwicklungs-ausgaben und darüber hinausgehende volkswirt-schaftliche Anpassungskosten ebenso wie Ausgabenfür die Entwicklung und Anschaffung von Endnut-zungsgeräten (etwa Fahrzeuge, Fertigungsanlagen,Haushaltsgeräte) in den hier dargestellten Energie-systemkosten nicht enthalten. Die Ausgaben für For-schung und Entwicklung sind für das A1T-Szenariohöher als in den anderen Szenarien. So erreicht dieForschungsintensität des Energiesektors (also derAnteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklungam Umsatz) im A1T-Szenario im Zeitraum 1990–2050 global gemittelte Werte zwischen 4–13%, jenachdem wie stark Forschungs- und Entwicklungs-ausgaben die Technologiekosten beeinflussen (Riahi,persönl. Mitteilung). Die extrem forschungsintensivePharmaindustrie weist zum Vergleich heute eine For-schungsintensität von etwa 10% auf (Kap. 2.3.1). Imkohle- und nuklearintensiven Szenario A1C dagegenerreicht die global gemittelte Forschungsintensitätim gleichen Zeitraum nur einen Wert von etwa 0,3%.Dies entspricht der derzeitigen Forschungsintensitätdes Energiesektors in den OECD-Ländern. Die –entgegen dem derzeitig abnehmenden Trend – mas-sive Steigerung der Forschungs- und Entwicklungs-ausgaben im Energiesektor auf 8.000–25.000 Mrd.US-$1990 für den Zeitraum 1990–2050 ist eine not-wendige Voraussetzung für die in den A1T-Szenarienerreichten Kostenreduktionen für Technologien zurNutzung erneuerbarer Energieträger. Die Mehraus-gaben für Forschung und Entwicklung im Vergleichzu den A1C-Szenarien, wo nur etwa 1.000 Mrd. US-$1990 aufgewendet werden, werden wegen der Kos-tenreduktionen und den damit weit geringeren

Investitionskosten mindestens ausgeglichen. DieInvestitionskosten betragen im gleichen Zeitraumfür die A1T-Szenarien etwa 51.000 Mrd. US-$, für dieA1C-Szenarien jedoch etwa 73.000 Mrd. US-$. Den-noch liegen selbst in den A1C-Szenarien die Investi-tionskosten nur bei maximal 1,7% des BIP. Noch grö-ßer ist der Unterschied in den gesamten Energiesys-temkosten: Diese betragen für die A1C-Szenarien imgleichen Zeitraum etwa 230.000 Mrd. US-$, in denA1T-Szenarien dagegen nur etwa 190.000 Mrd. US-$.Neben dem starken Marktwachstum sind höhereAusgaben für Forschung und Entwicklung in dennächsten Dekaden die Voraussetzung für die Reali-sierung der vergleichsweise sehr hohen angenomme-nen Lernraten (Kostensenkung pro Verdopplung derinstallierten Leistung: 26% für solare Photovoltaik,11% für Windenergie, 10% für Biomasseverstro-mung, 8% für Kernenergie, 10% für Erdgas-Brenn-stoffzellen; Riahi, 2002).

Für die Transformation der Energiesysteme sindnicht nur die kumulierten Kosten entscheidend, son-dern auch ihre Entwicklung im Zeitverlauf (Abb.4.2-2). So zeigen sich die Kostenvorteile des nicht fos-silen Pfads A1T gegenüber anderen Pfaden beimVergleich der nicht diskontierten energiespezifi-schen Energiesystemkosten erst nach mehr als 20Jahren. Der Kostenvorteil des nicht fossilenKlimaschutzpfads im Vergleich zum kohleintensivenReferenzpfad macht sich erst ab etwa 2040 bemerk-bar. Allerdings ist der kohleintensive Klimaschutz-pfad A1C-450 von Beginn an teurer als die anderenPfade, weil dort wegen der hohen Emissionen imReferenzpfad teure Maßnahmen, beispielsweiseSequestrierung, notwendig sind (Roehrl und Riahi,2000).

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Abbildung 4.2-1Gesamte (nicht diskon-tierte) Energiesystemkosten(1990–2100) aufgetragengegen die kumulierten CO2-Emissionen für dieReferenz- undStabilisierungsszenarien(Stabilisierungsniveaus 750,650, 550 und 450 ppm CO2).Jeder Punkt entsprichteinem Szenario.A1C kohleintensiver Pfad,A1G öl- und gasintensiverPfad, A1B gemischter Pfad,A1T starke Entwicklungnicht fossiler Technologien.Quelle: Roehrl und Riahi,2000

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112 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Das macht die Gefahr einer Pfadabhängigkeitdeutlich, wo der fossile, insbesondere kohleintensivePfad nur noch unter sehr hohen Kosten eingehaltenwerden kann. Die von Anfang an hohen Kosten deskohleintensiven Klimaschutzpfads A1C-450 lassendie politische Durchsetzbarkeit ehrgeiziger klimapo-litischer Maßnahmen in einer Welt, die einen solchenPfad einschlägt, fraglich erscheinen.

4.2.5.4Umweltauswirkungen

Abbildung 4.2-3 zeigt die jährlichen Emissionen vonKohlendioxid, Methan, Schwefeldioxid sowie denTemperaturverlauf für die kohleintensiven sowie dienicht fossilen Pfade, sowohl für die jeweiligen Refe-renzszenarien als auch für die 450-ppm-Stabilisie-rungsszenarien.

Es wird deutlich, dass der nicht fossile Klima-schutzpfad weit geringere Schwefeldioxidemissionenverursacht als der kohlenstoffintensive Pfad. Im koh-lenstoffintensiven Pfad steigen sie trotz der erheb-lichen Investitionen in schadstoffarme Kohletechno-logien innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf fast dasDoppelte des heutigen Werts, um erst dann abzuneh-men (Abb. 4.2-3b).Wegen der abkühlenden Wirkungder Sulfataerosole führt das bei gleichem CO2-Stabi-lisierungsziel zu einer zunächst geringeren Erwär-mung im fossilen Pfad, trotz der höheren Methan-emissionen.

4.2.6Auswahl eines Szenarios zur Entwicklung einesexemplarischen Pfads

Aus Sicht des WBGU beschreiben die A2-Szenarieneine Entwicklung, für die schwer vorstellbar ist, dasssie in den nachhaltigen Bereich geführt werden kann.Die Kombination aus fehlender globaler Konver-genz, der damit verbundenen langsamen Technolo-gieentwicklung und geringen Effizienzsteigerungsowie Dekarbonisierung zusammen mit dem Fehleneiner generellen umweltpolitischen Ausrichtungmacht etwa das Einhalten von Klimaschutzzieleninnerhalb des WBGU-Klimafensters äußerst schwerund teuer, wenn nicht gar unmöglich.

Ein B2-Szenario käme durchaus für die Entwick-lung eines beispielhaften Pfads in die Nachhaltigkeitin Frage, auch wenn es in Bezug auf die sozioökono-mischen Leitplanken (Kap. 4.3) den nachhaltigenBereich später erreicht als die von starker Konver-genz geprägten A1- und B1-Szenarien. Da jedochkein B2-Szenario mit einem Energiesystemmodell,das die notwendige technologische Detailgenauig-keit aufweist, mit Stabilisierung der CO2-Konzentra-tion auf 450 ppm vorliegt (Morita et al., 2000), hat derBeirat die B2-Szenarien aus pragmatischen Gründennicht für die weitere Untersuchung ausgewählt.

Da eine Welt der globalen Konvergenz (A1- undB1-Szenarien) schneller in den durch die vomWBGU entwickelten sozioökonomischen Leitplan-ken (Kap. 4.3) definierten nachhaltigen Bereichführt, böte sich das B1-450-Stabilisierungsszenariowegen seiner Ausrichtung sowohl auf soziale als auchauf Umweltverträglichkeit als Grundlage für einennach WBGU-Kriterien modifizierten Pfad an. Eserscheint dem Beirat jedoch ratsamer, die Möglich-

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Abbildung 4.2-2Spezifische (nichtdiskontierte) Systemkosten(bezogen auf Endenergie)für die A1C- und A1T-Referenzszenarien sowie fürdie A1C- und A1T-450-Stabilisierungsszenarien.Zusätzlich zum Vergleichder Kostenpfad für das B2-Referenzszenario. Für dieInvestitionsentscheidungenin MESSAGE werdenzukünftige Kosten mit 5%diskontiert. Für dieseAbbildung wurde keineDiskontierungvorgenommen, um dieEntwicklung der Kosten inder Zeit nicht verzerrtdarzustellen.Quellen: Roehrl und Riahi,2000; Riahi, 2002

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113Energieszenarien für das 21. Jahrhundert 4.2

keit einer Energiewende auf der Basis eines Szena-rios zu zeigen, das von einem starken Wachstum derPrimärenergienachfrage ausgeht. Damit wird dieMöglichkeit eines Strukturwandels hin zu wenigerenergieintensiven Produkten und Dienstleistungenoder einer Änderung von Präferenzen, Konsum-gewohnheiten und Lebensstilen vorsichtiger einge-schätzt.

Die fossil- und kernenergieintensiven Pfade derA1-Szenarien (globale Konvergenz, hohes Wachs-tum, schnelle Technologieentwicklung) erweisen sichaus WBGU-Sicht als nicht nachhaltig, selbst wenndie sozioökonomischen Mindestvorgaben (Kap.4.3.2) und eine Stabilisierung der Kohlendioxidkon-zentration auf 450 ppm CO2 erreicht werden können.Diese Stabilisierung ist nur mit umfangreicherSequestrierung möglich, so dass am Ende des 21.Jahrhunderts die Grenzen der Speicherkapazität ingeologischen Formationen erreicht werden. Viel-leicht müsste sogar auf die vom Beirat als nicht nach-haltig bewertete Speicherung im Tiefenwasser der

Ozeane zurückgriffen werden. Die Leitplanke für diemaximal zu tolerierende Nutzung der Kohlenstoff-speicherung (Kap. 4.3.1.2) wird in diesen Szenarienmehrfach verletzt. Außerdem erschweren diesePfade die Transformation des Energiesystems fürzukünftige Generationen, da sie im 22. Jahrhundertvoraussichtlich nicht fortgeführt werden können.Auch der hohe Anteil der Kernenergie ist aus Sichtdes WBGU nicht nachhaltig. Schließlich sind dieEnergiesystemkosten für diese fossil-nuklearen Sze-narien sehr hoch. Eine Stabilisierung der CO2-Kon-zentration auf 450 ppm scheint nur mit sehr hohenKosten möglich. Auch sind – bei gleichem Stabilisie-rungsniveau der Kohlendioxidkonzentration in derAtmosphäre – die Umweltauswirkungen der fossilenPfade durch die Emission anderer Schadstoffe (etwaSO2) deutlich stärker als im nicht fossilen Pfad,obwohl erhebliche Investitionen in die Entwicklungemissionsärmerer Kraftwerke angenommen werden.

Da selbst der A1B-Pfad mit einer ausgewogenenTechnologiemischung für eine Stabilisierung auf 450

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Abbildung 4.2-3Umweltauswirkungen für einen Pfad mit starkem Ausbau nicht fossiler Technologien (A1T, rot) und einen kohleintensivenPfad (A1C, schwarz), bei gleichen Annahmen zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung. Dargestellt sind jeweils dieAuswirkungen für den Referenzpfad (durchgezogene Linie) und das Stabilisierungsszenario (Stabilisierung derKohlendioxidkonzentration auf 450 ppm, gestrichelte Linie). Die Stabilisierung im kohleintentiven Pfad A1C ist nur mitumfangreicher Sequestrierung möglich.a) Anthropogene Kohlendioxidemissionen.b) Anthropogene Schwefeldioxidemissionen.c) Anthropogene Methanemissionen.d) Globale mittlere Erwärmung (bezogen auf 1990) bei einer angenommenen Klimasensitivität von 2,5 ºC.Quelle: Riahi, 2002.

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ppm in einem für den Beirat nicht akzeptablem Maßauf geologische Speicherung angewiesen ist, benutztder WBGU für die Entwicklung eines exemplari-schen Pfads das Post-SRES-Szenario A1T mit 450ppm Stabilisierungsziel, weil es mit Modifikationenalle Leitplanken einhalten kann. Es vermeidet eineVertiefung der Abhängigkeit von fossilen Techno-logien, weist niedrige Emissionswerte auf und gehtvon anhaltendem Wirtschaftswachstum und einerökonomischen Konvergenz der Länder sowie einerstarken Technologieentwicklung aus.

Mit dieser Auswahl ist keine Aussage darübergetroffen, welche der SRES-Welten der WBGU fürdie wahrscheinlichste hält. Im Gegenteil: Da der A1-Welt optimistische Annahmen, insbesondere inBezug auf den raschen Abbau der Divergenz zwi-schen reichen und armen Ländern sowie auf eingeringes Bevölkerungswachstum zugrunde liegen,hängt die Realisierung eines (modifizierten) A1T-450-Pfads nicht nur von energiepolitischen sondernauch von wirtschafts- und entwicklungspolitischenMaßnahmen ab. Für robuste Schlussfolgerungenwäre es daher sinnvoll, auch einen entsprechendenPfad in der B2-Welt zu untersuchen. Dazu wärejedoch die Neuentwicklung eines entsprechendentechnologieaufgelösten Klimaschutzszenarios in derB2-Welt notwendig.

4.3Leitplanken für die Transformation derEnergiesysteme

Leitplanken sind quantitativ definierbare Schadens-grenzen, deren Verletzung heute oder in Zukunftintolerable Folgen mit sich brächte, so dass auchgroße Nutzenvorteile diese Schäden nicht ausglei-chen könnten (WBGU, 2000). Der Beirat stellt imfolgenden Leitplanken zum Schutz der natürlichenLebensgrundlagen und zur Operationalisierungsozialethischer Ziele des Leitbilds „nachhaltige Ent-wicklung“ vor (ökologische Leitplanken, Kap. 4.3.1;sozioökonomische Leitplanken, Kap. 4.3.2). Sie zei-gen konkrete Grenzen auf, die bei der Energienut-zung gesetzt werden müssen, um nachhaltig zu leben(Kasten 4.3-1). Szenarien für die Energiezukunftkönnen an diesen Leitplanken auf Nachhaltigkeitgetestet werden. Leitplanken sind keinesfalls im Sinnvon Zielen zu verstehen, weil es sich nicht um anzu-strebende Werte oder Zustände handelt, sondern umdie absoluten Minimalanforderungen, die man imSinn der Nachhaltigkeit stellen muss. Es lassen sichaber dennoch konkrete Ziele aus dem Leitplanken-konzept ableiten (Kap. 5).

Wenn die Leitplanken eingehalten werden,bedeutet das nicht, dass damit alle sozioökonomi-schen Missstände oder ökologischen Schäden abge-wendet werden können. Auch berücksichtigen glo-bale Leitplanken nicht, dass sich die Auswirkungendes Globalen Wandels regional und sektoral deutlichunterscheiden können. Außerdem können die vomBeirat genannten Leitplanken nur Vorschläge sein,denn die Festlegung nicht tolerierbarer Belastungenkann nicht allein der Wissenschaft überlassen wer-den, sondern sollte – unterstützt durch wissenschaft-liche Expertise – in einem weltweiten demokrati-schen Entscheidungsprozess erfolgen (WBGU, 1997;Kasten 4.3-2).

4.3.1Ökologische Leitplanken

4.3.1.1Schutz der Biosphäre

Die fünf „biologischen Imperative“, die der WBGUin früheren Gutachten als allgemeine Grundsätzeformuliert hat (WBGU, 2000), bilden die Basis füreinen nachhaltigen Umgang mit der Biosphäre unddamit auch mit Energie. Dazu zählen:• Bewahrung der Integrität von Bioregionen;• Sicherung biologischer Ressourcen;• Erhalt von Biopotenzialen für die Zukunft;• Bewahrung des globalen Naturerbes;• Erhalt der Regelungsfunktionen der Biosphäre.Auf dieser normativen Grundlage werden im Fol-genden ökologische Leitplanken definiert.

4.3.1.2Klimaschutzfenster

Die globale Klimaänderung ist wesentlich vomgegenwärtigen Energiesystem mit verursacht undwird nicht ohne Folgen für die Ökosysteme und diemenschliche Zivilisation bleiben (Kap. 3.2.1). Im Fol-genden wird daher eine Leitplanke für den Klima-schutz hergeleitet, die intolerable ökologische wiesozioökonomische Klimawirkungen ausschließensoll.

Definition der LeitplankeDer Beirat hat das Klimafenster bereits in früherenGutachten begründet (WBGU, 1995, 1997). Die Fest-legung der intolerablen Erwärmung orientiert sichdabei an den Belastungsgrenzen der Gesellschaftund der beobachteten Schwankungsbreite im jünge-

114 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

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115Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

ren Quartär, das unsere heutige Umwelt geprägt hat.Sie soll die natürliche Umwelt als Existenzgrundlagefür den Menschen und die belebte Umwelt bewahrenund bildet somit eine wichtige Grundlage für dieUmsetzung der Klimarahmenkonvention, in der dasZiel gesetzt wird, „die Stabilisierung der Treibhaus-gaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einemNiveau zu erreichen, auf dem eine gefährlicheanthropogene Störung des Klimasystems verhindertwird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeit-raums erreicht werden, der ausreicht, damit sich dieÖkosysteme auf natürliche Weise den Klimaände-rungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeu-gung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Ent-wicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werdenkann“ (Art. 2, UNFCCC).

Neuere Bewertungen des IPCC (2001a) bestärkenden Beirat, am WBGU-Klimafenster als Leitplankegegen intolerable Klimaänderungen festzuhalten.Demnach sind eine Temperaturänderungsrate von0,2 °C pro Jahrzehnt und mehr sowie eine mittlereglobale Temperaturänderung von 2 °C und mehrgegenüber dem Wert vor der Industrialisierung nichtmehr zu vertreten. Dabei ist auch die Form desWBGU-Klimafensters zu beachten (Abb. 4.3-1),denn die maximal tolerable Temperaturänderungs-rate nimmt bei Annäherung an die maximal tolerableabsolute Temperatur ab, d. h. das Klimafenster istnicht „eckig“. Im Folgenden wird die Leitplankegenauer begründet.

Kasten 4.3-1

Leitplanken nachhaltiger Energiepolitik

Ökologische Leitplanken

KlimaschutzEine Temperaturänderungsrate über 0,2 °C pro Jahrzehntund eine mittlere globale Temperaturänderung über 2 °Cgegenüber dem Wert vor der Industrialisierung sind intole-rable Werte einer globalen Klimaänderung.

Nachhaltige Flächennutzung10–20% der weltweiten Landfläche sollten dem Natur-schutz vorbehalten bleiben. Nicht mehr als 3% sollten fürden Anbau von Bioenergiepflanzen bzw. für terrestrischeCO2-Speicherung genutzt werden. Dabei ist eine Umwand-lung natürlicher Ökosysteme zum Anbau von Bioenergie-trägern grundsätzlich abzulehnen. Bei Nutzungskonfliktenmuss die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung Vor-rang haben.

Schutz von Flüssen und ihren Einzugsgebieten Wie bei den Landflächen, so sollten auch etwa 10–20% derFlussökosysteme inklusive ihrer Einzugsgebiete demNaturschutz vorbehalten sein. Dies ist ein Grund dafür,warum die Wasserkraft – nach Erfüllung der notwendigenRahmenbedingungen (Investitionen in Forschung, Institu-tionen, Kapazitätsaufbau usw.) – nur in Grenzen ausgebautwerden kann.

Schutz der MeeresökosystemeDer WBGU hält die Nutzung des Ozeans zur Kohlenstoff-speicherung nicht für tolerierbar, weil die ökologischenSchäden groß sein könnten und das Wissen über die biolo-gischen Folgen zu lückenhaft ist.

Schutz der Atmosphäre vor LuftverschmutzungKritische Belastungen durch Luftschadstoffe sind nichttolerierbar. Als erste Orientierung für eine quantitativeLeitplanke kann festgelegt werden, dass die Belastungennirgendwo höher sein dürfen, als sie heute in der EU sind,auch wenn dort die Situation noch nicht bei allen Schad-stoffen zufrieden stellend ist. Eine endgültige Leitplankemuss durch nationale Umweltstandards und multilateraleUmweltabkommen definiert und umgesetzt werden.

Sozioökonomische Leitplanken

Zugang zu moderner Energie für alle MenschenDer Zugang zu moderner Energie sollte für alle Menschengewährleistet sein. Dazu muss der Zugang zu Elektrizitätsichergestellt und die Nutzung gesundheitsschädigenderBiomasse durch moderne Brennstoffe ersetzt werden.

Deckung des individuellen Mindestbedarfs anmoderner EnergieDer WBGU erachtet folgende Endenergiemengen alsMinimum für den elementaren individuellen Bedarf: Spä-testens ab 2020 sollten alle Menschen wenigstens 500 kWhpro Kopf und Jahr an Endenergie und spätestens ab 2050wenigstens 700 kWh zur Verfügung haben. Bis 2100 sollteder Wert auf 1.000 kWh steigen.

Begrenzung des Anteils der Energieausgaben amEinkommenArme Haushalte sollten maximal ein Zehntel ihres Ein-kommens zur Deckung des elementaren individuellenEnergiebedarfs ausgeben müssen.

GesamtwirtschaftlicherMindestentwicklungsbedarfZur Deckung des gesamtwirtschaftliche Mindestenergie-bedarf pro Kopf (für indirekt genutzte Energiedienstleis-tungen) sollte allen Ländern mindestens ein Bruttoinlands-produkt pro Kopf von etwa 3.000 US-$1999 zur Verfügungstehen.

Risiken im Normalbereich haltenEin nachhaltiges Energiesystem sollte auf Technologienberuhen, deren Betrieb im „Normalbereich“ der Umwelt-risiken liegt. Die Kernenergie kollidiert mit diesen Anfor-derungen insbesondere durch intolerable Unfallrisikenund ungeklärte Abfallentsorgung sowie wegen der Risikendurch Proliferation und Terrorismus.

Erkrankungen durch Energienutzung vermeidenDie lokale Luftverschmutzung in Innenräumen durch Ver-brennung von Biomasse und in Städten durch Nutzung fos-siler Energieträger verursacht weltweit schwere Gesund-heitsschäden. Die hierdurch verursachte Gesundheitsbe-lastung sollte in allen WHO-Regionen jeweils 0,5% dergesamten Gesundheitsbelastung der Region (gemessen inDALYs, „disability adjusted life years“) nicht überschrei-ten.

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116 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Verschiebung der KlimazonenDie Klimarahmenkonvention soll u. a. sicherstellen,dass die Ökosysteme sich auf natürliche Weise anden Klimawandel anpassen können (Art. 2UNFCCC). Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme der Erde sind derzeit zwar nurunzureichend geklärt, aber es kann als gesichert gel-ten, dass die geographische Ausdehnung der Schädenan Ökosystemen mit der Rate der Klimaverände-rung und ihrer absoluten Höhe zunimmt und mitVerlust biologischer Vielfalt verbunden ist (IPCC,2001a). Bei zu raschen oder zu großen Klima-verschiebungen werden mehrere der biologischenImperative verletzt. Eine Gefährdung einzelnerbesonders empfindlicher Ökosysteme (z. B. Koral-lenriffe, tropische Wälder, Feuchtgebiete) ist ab einerTemperaturerhöhung von 1–2 °C zu erwarten undteils heute bereits sichtbar (Kasten 4.3-3).

Bei einer globalen Erwärmung um mehr als 2 °Ckönnten sich viele natürliche Systeme grundlegendverändern, was mit starken zusätzlichen Treibhaus-gasemissionen verbunden wäre (IPCC, 2001a). Auchdas Risiko extremer Klimaereignisse nimmt dannstark zu. Ab einer Temperaturerhöhung von 3,5–4 ºCsind für die meisten Regionen der Erde negative Ein-flüsse auch für anthropogene Ökosysteme zu erwar-ten (IPCC, 2001a).

Die Verschiebung der Klimazonen löst Migrationvon Tieren und Pflanzen aus. Verkehrswege undanthropogene Landnutzung (Landwirtschaft, Sied-lungsgebiete usw.) behindern diese Anpassung(WBGU, 2000), so dass der Verlust von Ökosystemenund Arten zu befürchten ist.

Thermohaline ZirkulationDie thermohaline Zirkulation des Ozeans ist vongroßer Bedeutung für den globalen Wasser- und

Kasten 4.3-2

Konkretisierung von Leitplanken durchVölkerrecht?

Eine verbindliche Konkretisierung von Leitplanken einernachhaltigen Energiepolitik kann international vor allemdurch das Völkerrecht geschaffen werden. Dabei istzunächst an verbindliche Grundsätze und Ziele in völker-rechtlichen Übereinkommen zu denken. Vorstellbar istjedoch auch, dass sich Leitplanken bereits aus dem Völker-gewohnheitsrecht ergeben. Politische Absichtserklärun-gen, Resolutionen und andere Vereinbarungen des „softlaw“ können auch ohne rechtliche Bindung zur Konkreti-sierung völkerrechtlicher Grundsätze beitragen.

Das bisher wichtigste Instrument für die Konkretisie-rung einer nachhaltigen Energiepolitik ist das Rahmen-übereinkommen der Vereinten Nationen zu Klimaverän-derungen (UNFCCC) mit dem Kioto-Protokoll. Laut Ziel-vorgabe des Kioto-Protokolls muss in den Industrie- undTransformationsstaaten zwischen 2008 und 2012 eineReduktion der Treibhausgasemissionen um durchschnitt-lich 5% gegenüber 1990 erreicht werden. Dies kann abernur als ein erster Schritt auf dem Weg zur Festlegung lang-fristiger verbindlicher Klimaleitplanken angesehen wer-den.

Auch aus diesem Grund wird immer häufiger diskutiert,ob staatliche Verpflichtungen nicht schon aus dem Völker-gewohnheitsrecht und hier insbesondere aus dem völker-gewohnheitsrechtlichen Prinzip des Verbots grenzüber-schreitender Umweltbeeinträchtigungen abgeleitet wer-den können. Tuvalu, die Malediven und Kiribati, die durchden klimabedingten Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenzbedroht sind, haben eine Klage gegen verschiedeneIndustriestaaten vor dem Internationalen Gerichtshof vor-bereitet. Daher wird die Frage nach der völkerrechtlichenHaftung der Industriestaaten für künftig zu erwartendeSchäden in Entwicklungsländern und insbesondere den amstärksten gefährdeten kleinen Inselstaaten stärker als bis-her diskutiert. Bisher waren Staaten eher zurückhaltend,Haftungsansprüche gegenüber anderen Ländern geltend

zu machen. Meist werden diplomatische Lösungen bevor-zugt, oder es werden internationale Instrumente zurBegründung einer grenzüberschreitenden zivilrechtlichenHaftung entwickelt. Angesichts des Ausmaßes der Klima-schäden und der völlig unzureichenden finanziellen Aus-stattung des Anpassungsfonds zum Kioto-Protokoll könn-ten besonders stark betroffene Staaten künftig stärkerAnsprüche der Staatenverantwortlichkeit geltend machen.Auch eine Zunahme zivilrechtlicher Klagen gegen Groß-emittenten ist zu erwarten.

Neben vielen praktischen Problemen ist die Durchset-zung von Ansprüchen der Staatenverantwortlichkeit mitrechtlichen Fragen verbunden, die nicht eindeutig zubeantworten sind. Dazu gehören etwa Reichweite undAnwendungsbereich des Prinzips des Verbots grenzüber-schreitender Umweltbeeinträchtigungen sowie die Frage,ob die Klimakonvention und das Kioto-Protokoll zwi-schenstaatliche Haftungsansprüche möglicherweise aus-schließen und welche Handlungen eine Staatenverantwort-lichkeit für Klimaschäden überhaupt begründen könnten.Hier, wie auch bei der zivilrechtlichen Haftung, bestehtnoch erheblicher Forschungsbedarf.

Während das Kioto-Protokoll für den ersten Verpflich-tungszeitraum 2008–2012 zu einer Konkretisierung derLeitplanke „Klimaschutz“ geführt hat, haben die sozioöko-nomischen Leitplanken (Kap. 4.3.2) bisher kaum Eingangin rechtlich verbindliche Instrumente gefunden.

Die fehlende Entwicklung, Harmonisierung und Kon-kretisierung von Leitplanken für eine nachhaltige globaleEnergiepolitik und die mangelnde Einbeziehung energie-relevanter Entwicklungsziele in die Klimaschutzpolitik istein Defizit der bisherigen internationalen Energiepolitik.Der WBGU empfiehlt die Entwicklung einer Weltener-giecharta als ersten Schritt hin zur Umsetzung einer nach-haltigen Energiepolitik. Um die Widerstände gegen das –zunächst unverbindliche – Abkommen zu überwinden,wird es von zentraler Bedeutung sein, die Staatengemein-schaft von dem Mehrwert einer solchen globalen Energie-strategie zu überzeugen (Kap. 5.3.2.2).

Quellen: WBGU, 2001b; Tol und Verheyen, 2001

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117Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

Wärmehaushalt. Sie wird durch das Absinken kaltensalzreichen Wassers vor allem in der Labrador- undGrönlandsee aber auch dem Weddell-Meer angetrie-ben. Das kalte Wasser strömt in der Tiefe südwärtsdurch den Atlantik, während als Ausgleich warmesOberflächenwasser aus tropischen Regionen u. a.durch den Golfstrom nach Norden transportiertwird. Werden bestimmte Schwellen der Klima-erwärmung überschritten, wären sowohl ein Ausfall

regionaler Komponenten (z. B. in der Labradorseeoder in der Grönlandsee) als auch ein kompletterZusammenbruch der Zirkulation denkbar. Die aus-gelösten Veränderungen könnten plötzlich einsetzenund wären über einen Zeitraum von Jahrhundertennicht mehr umkehrbar (IPCC, 2001a). Das KlimaWest- und Nordeuropas könnte sich innerhalb weni-ger Jahrzehnte um etwa 4 °C abkühlen – mit unab-sehbaren Folgen für die Ökonomie und ÖkologieEuropas. Der Zusammenbruch der thermohalinenZirkulation kann bei Einhalten der oben definiertenKlimaleitplanke mit hoher Wahrscheinlichkeit aus-geschlossen werden (WBGU, 1999).

Anstieg des MeeresspiegelsDer Anstieg des mittleren Meeresspiegels ist Folgeeiner durch die Treibhausgasemissionen verursach-ten Temperaturerhöhung. Im 20. Jahrhundert betrugder absolute mittlere Meeresspiegelanstieg bereits10–20 cm (IPCC, 2001a), etwa das Zehnfache desgemittelten Anstiegs während der letzten 3.000Jahre. Dabei ist die große Trägheit des Klimasystemszu berücksichtigen: die vom Menschen bereits heuteverursachten Emissionen und die dadurch verur-sachte thermische Expansion des Meerwassers wer-den den Meeresspiegel erst in Jahrhunderten aufeinem neuen Niveau stabilisieren lassen. Wenn mandas Abschmelzen der Inlandgletscher wie in Grön-land berücksichtigt, sind die Zeitkonstanten nocherheblich länger.

Nach Meinung des WBGU muss das Abschmel-zen des Grönlandeises auf jeden Fall verhindert wer-den, da ein solcher Prozess einen Anstieg des mittle-

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Abbildung 4.3-1Das WBGU-Klimaschutzfenster. Dargestellt ist die tolerableÄnderungsrate der Temperatur in Abhängigkeit von derbereits erreichten Temperaturzunahme. Mit zunehmenderAnnäherung an die maximale Temperaturerhöhung um 2 °Cgegenüber dem vorindustriellen Wert sinkt die vertretbareÄnderungsrate.Quelle: WBGU, 1995

Kasten 4.3-3

Gefährdung der Korallen durch Klimawandel

Durch den Temperaturanstieg in der Deckschicht der tro-pischen Meere werden bereits heute die Korallenriffebedroht. Bei Temperaturen über 30 °C verlieren Korallenzunehmend die mit ihnen in Symbiose lebenden Algen(Zooxanthellen), was zu vermindertem Skelettwachstumund verringerter Reproduktionsfähigkeit und Stressresis-tenz führt. Riffe sind wesentliche Träger biologischer Viel-falt: Obwohl sie weniger als 1% des Meeresgrundes bede-cken, lebt in ihnen ein Drittel der bekannten marinenArten. Sie haben zudem wichtige Nutzungsfunktionen, z. B.für Küstenschutz, Fischerei und Tourismus. Da viele Riff-bildende Korallen nahe an ihrer oberen Temperaturgrenzeleben, führt schon ein geringfügiger Anstieg der Wasser-temperatur zu einem verstärkten Ausbleichen. Dieses Phä-nomen wird mit dem Klimawandel zunehmen und istbereits heute während eines El Niño zu beobachten. EineErholung der Korallen ist bei kurzen Zeiträumen zwischenEl-Nino-Ereignissen kaum mehr möglich. Die Folge ist derVerlust unersetzlichen Naturerbes mit seinen Biopotenzia-

len. Modellrechnungen deuten an, dass die Temperaturto-leranz Riff-bildender Korallen innerhalb der nächstenJahrzehnte überschritten wird.

Korallenriffe sind außerdem durch den Meeresspiegel-anstieg gefährdet. Gesunde Riffe können ein vertikalesHöhenwachstum von bis zu 100 mm pro Jahrzehnt errei-chen, was an der oberen Grenze des von IPCC abgeschätz-ten Meeresspiegelanstiegs von 20–90 mm pro Jahrzehntliegt. Wegen der vielen zusätzlichen anthropogenen Stress-faktoren ist es aber fraglich, ob das derzeitige Korallen-wachstum ausreicht, um den vorhersehbaren Meeresspie-gelanstieg ausgleichen zu können. Einer der Gründe ist,dass die Riffe als Folge des Anstiegs der atmosphärischenCO2-Konzentration in der Atmosphäre und Deckschichtdes Ozeans einer Abnahme des Calciumcarbonatgehaltsdes Meerwassers ausgesetzt sind. Dies reduziert die Wuchs-raten der Korallenriffe und erschwert somit die Anpassungan den steigenden Meeresspiegel.

Eine Leitplanke von maximal 2 °C mittlerer globalerErwärmung ist wahrscheinlich bereits zu hoch angesetzt,um das Überleben vieler Korallenriffe zu sichern.

Quellen: Gattuso et al., 1999; Hoegh-Guldberg, 1999; IPCC,2001a; Coles, 2001

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118 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

ren Meeresspiegels um einige Meter über viele Jahr-tausende bewirken würde (IPCC, 2001a). NachModellrechnungen liegt hierfür die kritische Tempe-raturerhöhung über Grönland bei etwa 3 °C. Dielokale Erwärmung über Grönland ist um etwa einenFaktor 1,3–3,1 höher als die globale Erwärmung(IPCC, 2001a). Rechnet man beispielsweise miteinem Verstärkungsfaktor von 2, so könnte bereitseine globale Erwärmung um etwa 1,5 °C zu einemirreversiblen Abschmelzen des gesamten Grönland-eises führen.

Die vom Beirat nicht mehr akzeptierte mittlereglobale Erwärmung von 2 °C gegenüber dem vorin-dustriellen Wert entspricht über die kommenden 100Jahre einem absoluten Meeresspiegelanstieg von0,25–1 m (je nach Modell; IPCC, 2001a). Es ist alsowahrscheinlich, dass die vom Beirat in einem frühe-ren Sondergutachten diskutierte Obergrenze von15–25 cm mittlerem Meeresspiegelanstieg bereits indiesem Jahrhundert deutlich überschritten wird(WBGU, 1997). Laut Szenario A1T-450 (Kap. 4.2.5)wird bei einer Klimasensitivität (das ist die globaleErwärmung bei Verdopplung des vorindustriellenCO2-Gehalts der Luft) von 2,5 °C der Anstieg bis2100 bei etwa 50 cm liegen. Bereits dieser Anstiegwird mit sozialen Härten, erheblichen Kosten für dieAnpassung der Küsteninfrastruktur und mit Verlus-ten wertvoller Küstenökosysteme verbunden sein(IPCC, 2001a).

Diese neueren Erkenntnisse bestärken die Rich-tigkeit des WBGU-Klimafensters. Der Beirat betont,dass diese Leitplanke das Risiko des Abschmelzensdes Grönlandeises nicht vollständig ausschließenkann. Außerdem wäre die Existenz einiger kleinerInselstaaten gefährdet und die Anzahl der durchSturmfluten gefährdeten Menschen würde deutlichsteigen.

Neben dem absoluten Anstieg ist auch dieGeschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs vonBedeutung, da die Anpassungsfähigkeit der Men-schen und Ökosysteme bei einem schnellerenAnstieg abnimmt und große sozioökonomische wieökologische Schäden in Küstenregionen vorauszuse-hen sind. Die Geschwindigkeit des Anstiegs ist dabeiabhängig vom absoluten Anstieg, denn der Verlaufdes Meeresspiegelanstiegs ist bei unterschiedlichenStabilisierungskonzentrationen und Modellen fürdas 21. Jahrhundert sehr ähnlich (IPCC, 2001a). Dadas Verhältnis von der maximalen zur durchschnitt-lichen Steigung des Meeresspiegelanstiegs konstantzu sein scheint, lässt sich eine Leitplanke für dieGeschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs in eineLeitplanke für den absoluten Temperaturanstiegumrechnen. Würde eine Leitplanke von 50 mm proDekade postuliert, so wäre diese beim A1T-450-Sze-nario nur knapp verletzt. Eine geringfügig niedrigere

Stabilisierungskonzentration würde die Leitplankevoraussichtlich einhalten. Da das WBGU-Temperaturfenster also die Geschwindigkeit desMeeresspiegelanstiegs bereits begrenzt, scheint eineeigene Leitplanke nicht notwendig.

Ökonomische AnpassungsfähigkeitEine grobe Abschätzung (WBGU, 1995, 1997) ergab,dass ab einer Temperaturänderung von 0,2 °C proDekade bereits derart hohe Klimafolgekosten ent-stünden, dass die Anpassungsfähigkeit von Volks-wirtschaften überschrittten würde und es zu intolera-blen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungenkäme. Somit ist das WBGU-Klimafenster auch ausökonomischen Gründen einzuhalten.

ErnährungssicherheitDer Klimawandel hat erheblichen Einfluss auf dielandwirtschaftlichen Ökosysteme und somit auf dieErnährungssicherheit (IPCC, 2001b). Global gese-hen wird sich der Klimawandel nicht negativ auf dieNahrungsmittelproduktion auswirken, da sowohlTemperaturerhöhung als auch zunehmende Nieder-schläge in einigen „Gewinnerregionen“ die Verlustein den „Verliererregionen“ kompensieren können.Bei einer Erhöhung von 2 °C wird global sogar miteiner Zunahme der Getreideproduktion von 3–6%gerechnet (Fischer et al., 2001). Dabei sind dieGewinner überwiegend Industrie- oder Transforma-tionsländer, die durch ihre Lage in kälteren Regio-nen vom Temperaturanstieg profitieren würden (u. a.Kanada und Russland). Die Verlierer finden sichdagegen in den Entwicklungsländern, vor allem inAfrika südlich der Sahara und in Lateinamerika(Fischer et al., 2002). Dabei sind allerdings Effektewie zunehmende Extremwetterereignisse und sichverschärfende Bodendegradation noch nicht berück-sichtigt, so dass die „Gewinner“ lediglich zu „wenigerBetroffenen“ werden könnten. Selbst die Zunahmenur kurzzeitig andauernder Temperaturextremedurch eine globale Klimaänderung könnte bei Nutz-pflanzen bereits zu großflächigen Ernteausfällenführen (IPCC, 2001d). Ein Klimawandel um 2 °Cwürde zwar keine akute globale Lebensmittelkriseauslösen, aber voraussichtlich das bereits bestehendeglobale Ungleichgewicht der Nahrungsmittel-versorgung auf inakzeptable Weise verschärfen.

Menschliche GesundheitBei den Auswirkungen des Klimawandels auf diemenschliche Gesundheit ist zu erwarten, dass dienegativen Effekte die positiven überwiegen werden(IPCC, 2001b). Eine Zunahme von Extremereignis-sen wie Hitzewellen, extremen Stürmen oder Flutenwürde das Risiko von Infektionskrankheitenbesonders in Entwicklungsländern vergrößern. So

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119Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

könnte z. B. der Temperaturanstieg die Ausbreitungvon Infektionskrankheiten in Gebiete bewirken, indenen das Immunsystem der Einwohner nicht ange-passt ist (IPCC, 2001b). Die Datenlage erlaubt der-zeit allerdings nicht, die Konsequenzen des Klima-wandels auf die Gesundheit realistisch zu modellie-ren. Eine Aussage über die noch zu tolerierendeGrenze des Klimawandels in Bezug auf Gesundheitkann daher derzeit nicht getroffen werden.

Prüfung der LeitplankeDas vom WBGU als Grundlage für seinen Transfor-mationspfad ausgewählte Basisszenario A1T-450(Kap. 4.2.6) läuft leicht aus dem Klimafenster hinaus,wenn eine Klimasensitivität von 2,5 °C angenommenwird (Abb. 4.3-2). Die Stabilisierung bei 450 ppmreicht also nicht aus, um die Leitplanke unter allenmöglichen Werten der Klimasensivität einzuhalten.

Diese Aussage ist allerdings mit weiteren Unsi-cherheiten behaftet:• Rundung: Die Rundung des Klimafensters am

rechten oberen Rand ist bisher wissenschaftlichnicht quantitativ definiert, sondern reflektiertlediglich allgemeine systemtheoretische Überle-gungen (WBGU, 1995).

• Absolut versus relativ: Die absolute Erwärmungs-obergrenze von 2 °C wird für eine Klimasensiti-vität von 2,5 °C in diesem Jahrhundert knapp ein-gehalten. Die Erwärmungsraten überschreitenzwischen 2010 und 2030 die zulässige Obergrenzevon 0,2 °C pro Jahrzehnt.

• Klimasensitivität: Die Klimasensitivität ist einesehr schwer abschätzbare Variable, aber zentralfür die weitere Debatte (Abb. 4.3-2; Kap. 4.5.2.1).Der IPCC (2001a) gibt als Bandbreite möglicherWerte 1,7–4,2 ˚C für die Klimasensitivität an, dieaus Klimamodellrechnungen mit sieben verschie-denen gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Land-Modellen folgt. Der IPCC verzichtet auf die Fest-legung eines wahrscheinlichsten Wertes undbetont, dass die Klimasensitivität auch außerhalbdes angegebenen Bereichs liegen kann (IPCC,2001a).

• Klimamodellierung: Es gibt noch weitere Fakto-ren, die beachtet werden müssen: die Reaktion derKohlenstoffreservoire auf die Klimaänderung, dieKlimawirkung von Aerosolen (direkte und indi-rekte Effekte; Kap. 4.5) und troposphärischemOzon, Kondensstreifen und anderen Eiswolkenals Folge des Flugverkehrs sowie die Auswirkun-gen des Kioto-Protokolls. Die ersten Faktorensind naturwissenschaftlicher Natur und verstär-ken bzw. schwächen (Aerosole) die mittlere glo-bale Erwärmung. Das Kioto-Protokoll ist in demA1T-450-Szenario indirekt enthalten und bewirkteine Minderung der Treibhausgasemissionen derIndustrieländer. Da aber mit dem Ausstieg derUSA und der Anrechnung von Kohlenstoffsenkenim Protokoll gegenwärtig eher nur von einer Sta-bilisierung der Emissionen der Industrieländerausgegangen werden muss, führt auch dieseUnsicherheit eher zu einer Unterschätzung derErwärmung.

Das A1T-450-Szenario liegt also bei der angenom-menen Klimasensitivität von 2,5 °C im Grenzbereichdes Klimaschutzfensters, teilweise auch vorüberge-hend außerhalb. Das Szenario ist daher bei einerStabilisierungskonzentration von 450 ppm keines-wegs als „sicher“ im Sinn von Artikel 2 der UNFCCCzu verstehen. Die Unsicherheit bezüglich der Klima-sensitivität wirkt sich dabei viel stärker aus als einigeGigatonnen zusätzlich emittierten CO2. Nach demVorsorgeprinzip muss also zum A1T-450-Szenarioeine deutlich verstärkte Klimaschutzpolitik auchaußerhalb des Energiesektors hinzu kommen, umdaraus ein nachhaltiges Szenario zu entwickeln.

Die geologische CO2-Speicherung in erschöpftenoder noch genutzten Öl- und Gasfeldern hat einnachhaltig nutzbares Potenzial, das allerdings derzeitnicht genau zu beziffern ist, aber insgesamt in derGrößenordnung von hunderten Gt C liegen dürfte.Zur Prüfung der vorliegenden Szenarien wird inerster Näherung eine Leitplanke von 300 Gt C ange-nommen (Kap. 3.6). Die Gesamtsumme der geologi-schen Speicherung von Kohlenstoff zwischen 1990und 2100 liegt beim A1T-450-Szenario mit 226 Gt Cunterhalb dieser Leitplanke. Bei der geologischen

Abbildung 4.3-2Das A1T-450-Szenario im Klimafenster bei sehrunterschiedlicher Empfindlichkeit des Klimasystems (1,5 °C,2,5 °C und 4,5 °C Klimasensitivität). Die Klimasensitivität istdie Erwärmung bei Verdopplung des vorindustriellen CO2-Gehalts der Luft.Quelle: WBGU, unter Verwendung von Daten von IIASA

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120 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Speicherung in tiefen salinen Aquiferen ist dasPotenzial erheblich größer, die Unsicherheit überMachbarkeit und Umweltfolgen allerdings auch.Angesichts des unzureichenden Wissensstands undmöglicherweise erheblicher Folgen für die Ökosys-teme lehnt der WBGU eine Anwendung ab, bevornicht eine eingehende Technologiefolgenanalysestattgefunden hat (Kap. 3.6).

4.3.1.3Nachhaltige Flächennutzung

Der Beirat hat in einem früheren Gutachten ersteÜberschlagsrechnungen vorgenommen, wie einenachhaltige Nutzung der Biosphäre für heutige undkommende Generationen gewährleistet werdenkann (WBGU, 2000). Demnach sollten 10–20% derweltweiten terrestrischen Biosphäre durch ein welt-umspannendes Netzwerk von Schutzgebieten gesi-chert werden. Da dabei aber nach Biomen, Ländern,Regionen usw. differenziert werden sollte, kann esauch Regionen geben, für die ein weit höherer AnteilNaturschutzvorrangfläche angemessen ist; bei ande-ren Regionen könnten 2–5% bereits ausreichen.

Die Bevölkerungszunahme verschärft zusätzlichden Nutzungskonflikt zwischen Land- bzw. Forst-wirtschaft und dem Naturschutz. In den bevölke-rungsreichen Regionen Südasiens werden bereits85% der potenziellen Anbaufläche zur Nahrungsmit-telproduktion genutzt, dennoch ist die landwirt-schaftliche Fläche pro Kopf kleiner als für dieErnährungssicherung erforderlich (WBGU, 2000).Der IPCC rechnet für das 21. Jahrhundert mit einerZunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche umweltweit ca. 30%, wobei die Spannweite von 7,5% inentwickelten Ländern bis 96% in Afrika reicht(IPCC, 2001b).

Definition der LeitplankeZur Vermeidung von Konflikten um Flächen ist esnotwendig, Grenzen für den Anbau von Bioener-giepflanzen bzw. für terrestrische CO2-Speicherungzu definieren. Dazu sind die beiden folgendenPunkte zu beachten:• Die Produktion von Bioenergieträgern und die

terrestrische CO2-Speicherung dürfen die Umset-zung des WBGU-Flächenziels von 10–20% fürden Naturschutz nicht gefährden. Da die derzei-tige weltweite Schutzfläche insgesamt nur 8,8%beträgt (Gebiete der Kategorien I-VI; Green undPaine, 1997), ist eine Umwandlung natürlicherÖkosysteme in Anbauflächen für Bioenergieträ-ger grundsätzlich abzulehnen;

• Die Produktion von Nahrungsmitteln muss Vor-rang vor der Produktion nachwachsender Ener-gieträger bzw. vor Speicherung haben.

Auf Basis dieser Grundsätze kann die maximaleAnbaufläche von Bioenergiepflanzen abgeschätztwerden, die global bzw. in bestimmten Regionen zurVerfügung stehen sollte.Als globale Leitplanke emp-fiehlt der WBGU, höchstens 3% der terrestrischenErdoberfläche für derartige Energiezwecke zur Ver-fügung zu stellen. Durch Anbau von Bioenergie-pflanzen könnten auf dieser Fläche jährlich etwa45 EJ Primärenergie gewonnen werden. Eine detail-lierte Betrachtung einzelner Kontinente ist wegender unterschiedlichen lokalen Bedingungen aberunumgänglich, um Nutzungskonflikte mit der Nah-rungsmittel- und Holzproduktion sowie dem Schutznatürlicher Ökosysteme zu vermeiden. In Tabelle4.3-1 finden sich die Vorschläge des Beirats für regio-nale Leitplanken. Vor der Umsetzung muss aller-dings sichergestellt sein, dass die Forderung nacheinem weltweiten Schutzgebietsnetzwerk realisiertworden ist (WBGU, 2000).

Begründung der leitplanke Kaltschmitt et al. (2002) geben als potenzielleAnbaufläche für Energiepflanzen in der Europäi-sche Union 10% der Ackerfläche (7,4 Mio. ha) an,vor allem bedingt durch den Rückgang landwirt-schaftlicher Nutzflächen (Kap. 3.2.4.2). Geht man fürGesamteuropa davon aus, dass in Zukunft jeweils10% des Ackerlands und 10% des Weidelands fürEnergiepflanzen zur Verfügung stehen, so erhält maneine Fläche von ca. 22 Mio. ha bzw. 4,5% der Land-fläche als Leitplanke (Tab 4.3-1).

In Asien stehen wegen der lokal bereits nachge-wiesenen Übernutzung von Biomasseressourcen(Kaltschmitt et al., 1999) nur geringe Flächen zurVerfügung. Für Australien liegen keine Abschätzun-gen vor, angesichts der großen Wüsten- und Halb-wüstenflächen sind die Möglichkeiten zum Anbauvon Energiepflanzen sehr begrenzt.

Die Abschätzung von Marrison und Larson (1996)für Afrika berücksichtigt eine Zunahme des Acker-landes um das 2,4fache und eine gleich bleibendeFläche von Wäldern und Naturlandschaften. Schnei-der et al. (2001) schätzen für Südamerika, dass einAnteil von 16% der Landfläche für den Anbau vonBioenergiepflanzen in Frage kommen würde (exten-sives Grasland, degradierte Böden), ohne dass natür-liche Ökosysteme umgewandelt werden müssten. Daihr Untersuchungsgebiet Nordostbrasilien jedoch imStaat Maranhao nur geringe Anteile an tropischenRegenwäldern umfasst, diese aber im restlichenLateinamerika in stärkeren Maß vertreten sind, wirddie Leitplanke für den gesamten Subkontinent auf

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121Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

8% der Fläche angenommen, um so den Schutz dertropischen Primärwaldreste zu gewährleisten.

40% der von Cook et al. (1991) für die USA ange-gebenen Bioenergie-Anbauflächen sind nicht mehrgenutzte landwirtschaftliche Flächen, die anderen60% kommen zu etwa gleichen Anteilen aus Wiesen,Weiden und Wäldern. Schließt man die Umwidmungvon Wäldern aus und reduziert wegen bestehenderBedarfsunsicherheiten die in Frage kommendenWiesen und Weiden um jeweils die Hälfte, so erhältman eine mögliche Anbaufläche von 61 Mio. ha.Addiert man zu diesem Wert 10% für Kanada, sokommt man zu einer maximal nutzbaren Fläche fürNordamerika von 67 Mio. ha oder 3,6% der Landflä-che.

Leitlinien für die Grenzen derBiomassenutzungEnergiepflanzen: Auf allen Flächen, die nach Abwä-gung verschiedener Nutzungen zum Anbau von Bio-masse als Energieträger oder zur Kohlenstoffspei-cherung verwendet werden können, muss der Anbaunachhaltig und ökologisch sinnvoll sein. Der Einsatzvon Düngern und Pestiziden muss daher möglichstgering gehalten werden und die Bodenbearbeitungmuss schonend sein, um Erosion zu minimieren.Diese Forderungen sind beim Anbau mehrjährigerGräser und schnell wachsender Bäume einfacherumzusetzen als beim intensiven Anbau einjährigerEnergiepflanzen (Graham et al., 1996; Paine et al.,1996; Zan et al., 2001). Außerdem sollte beim Anbauvon Energiepflanzen in Plantagen ein Minimum anArten- und genetischer Vielfalt sowie strukturellerDiversität innerhalb der Flächen gewahrt bleiben.Sie sollten sich zudem in die umgebende Landschaftintegrieren.

Nutzung von Reststoffen: In der Landwirtschaft istdarauf zu achten, dass die Nutzung von Stroh undanderen Reststoffen langfristig den Erhalt derBodenstruktur, die Nährstoffrückführung und denAnteil an organischer Bodensubstanz nicht gefähr-

det. Je nach Nährstoffversorgung und Bodenstruktursind unterschiedliche Entnahmemengen möglich, dieauf armen tropischen Böden (z. B Oxisols, Ultisols)gegen Null gehen, auf reicheren Böden jedoch durch-aus bei 1–2 t pro ha und Jahr liegen können. Legtman ein globales Mittel von 0,7 t pro ha und Jahrsowie einen Heizwert von 17,6 MJ pro kg zugrunde,so ergibt sich bei einer landwirtschaftlichen Nutzflä-che von weltweit 1.500 Mio. ha ein Potenzial von 18EJ pro Jahr.

Auch die Nutzung forstlicher Reststoffe darf dieNährstoffrückführung nicht beeinträchtigen. Außer-dem ist zu beachten, dass eine ausreichende Mengean Totholz im Wald verbleibt. Für europäische Ver-hältnisse kann von ca. 1,5 t pro ha und Jahr an nach-haltig nutzbarem Waldenergieholz ausgegangen wer-den. Angesichts der Unzugänglichkeit und Schutz-würdigkeit weiter Teile der borealen und tropischenWälder erscheint es sinnvoll, global von etwa einemDrittel des europäischen Werts auszugehen, d.h.nicht mehr als 0,5 t pro ha und Jahr zu entnehmen.Dies ergibt bei einer globalen Waldfläche von 4.170Mio. ha und einem Heizwert für Holz von 18,6 MJpro kg ein nachhaltiges Potenzial von 39 EJ pro Jahr.

Insgesamt erhält man also durch den Anbau vonEnergiepflanzen (ca. 45 EJ pro Jahr), durch die Nut-zung landwirtschaftlicher Reststoffe (18 EJ pro Jahr)und forstwirtschaftlicher Reststoffe (39 EJ pro Jahr)ein nachhaltig nutzbares Potenzial moderner Bio-masse von ca. 100 EJ pro Jahr. Hinzu kommen wei-tere 5–7 EJ pro Jahr aus der traditionellen Nutzungvon Rinderdung zur Energiegewinnung (Kap.3.2.4.2).

CO2-Speicherung in terrestrischenÖkosystemenAuch für die Speicherung von Kohlenstoff in biologi-schen Senken muss eine nachhaltige Zuweisung derFlächen gewährleistet sein. Ziele der Nahrungsmit-telproduktion und des Naturschutzes dürfen nichtgefährdet werden. Die verstärkte Nutzung von Bio-

Tabelle 4.3-1Potenzielle Fläche fürEnergiepflanzen sowie ihreregionale Verteilung und dieaus ihnen jährlich zugewinnende Energiemenge.Die Energiemengeerrechnet sich aus einemmittleren Ertrag von 6,5t/ha/a und einem Heizwertder Biomasse von 17,6MJ/kg. Die Prozentanteilebeziehen sich auf dieGesamtflächen derjeweiligen Kontinente.Quelle: ZusammenstellungWBGU

Region Potenzielle Fläche Quelle WBGU-Leitplanke

[Mio. ha] [%] [Mio. ha] [%] [EJ/a]

Europa 22 4,5 Kaltschmitt et al., 2002 22 4,5 2,5

Asien und Australien 37 0,7 IPCC, 2001c 29 0,5 3,3

Afrika 111 3,8 Marrison und Larson,1996

111 3,8 12,7

Lateinamerika 323 16 Schneider et al., 2001;nur Brasilien

165 8 18,8

Nordamerika 101 5,9 Cook et al., 1991;nur USA

67 3,6 7,7

Welt 595 4,6 394 3,0 45,0

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122 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

masse als erneuerbarer Energieträger konkurriertmit der Kohlenstoffspeicherung auf gleicher Fläche.Da es ein zentrales Ziel des Beirats ist, den Anteil anerneuerbarer Energie zu erhöhen, ist die energeti-sche Nutzung der Biomasse auf den in Frage kom-menden Flächen einer reinen Kohlenstoffspeiche-rung durch Aufforstung von „Kioto-Wäldern“ vorzu-ziehen. In den bestehenden Wäldern ist aber derSchutz der Vorräte vorrangig, denn der CO2-Anstiegin der Atmosphäre, der durch die Vernichtung ihrerKohlenstoffvorräte ausgelöst würde, ist größer alsdie CO2-Einsparung, die durch die im Kioto-Proto-koll im ersten Verpflichtungszeitraum angerechne-ten Maßnahmen erreicht werden kann. Für diezukünftigen Verpflichtungszeiträume ist deshalbüber eine angemessene Verpflichtung auch zumSchutz natürlicher Vorräte nachzudenken.

Prüfung der LeitplankeIm A1T-450-Szenario stellt die moderne Bioenergieim Jahr 2050 etwa 205 EJ an Primärenergie. ZurErzeugung der notwendigen Biomasse sieht das Sze-nario große Flächen für den Anbau von Bioenergie-trägern vor, die sowohl global als auch auf den ein-zelnen Kontinenten die WBGU-Leitplanke für einenachhaltige Biomassenutzung überschreiten (Tab.4.3-2). Das Szenario setzt einen Energieertrag von112 GJ pro ha und Jahr voraus (entspricht etwa 6,6 tpro ha und Jahr bei einem Heizwert von 17,6 MJ prokg), der durchaus realistisch scheint.

Die Herkunft der Flächen zum Anbau von Ener-giepflanzen bleibt bei diesem Szenario unklar. DieFlächen für Wälder, Grasländer und Ackerbauändern sich im betrachteten Zeitraum nur unwesent-lich, während die Flächen, die unter der Kategorie„other“ zusammengefasst werden, bis zum Jahr 2100von 3.805 auf 3.253 Mio. ha abnehmen. Nimmt manan, dass es sich dabei neben Wüsten, Gebirgen undbebauten Flächen vorwiegend um aride und semia-ride Gebiete handelt, dann stellt sich die Frage, obauf diesen Flächen die Erträge möglich sind, die fürdie Bioenergiegewinnung vorausgesetzt werden. Einnachhaltiges Szenario wird mit deutlich geringeren

Mengen an Energie aus Biomasse auskommen müs-sen.

4.3.1.4Biosphärenschutz in Flüssen und ihrenEinzugsgebieten

Ähnlich wie bei der terrestrischen Flächennutzunggibt es auch für Süßwasserökosysteme (Seen, Flüsse)und ihre Einzugsgebiete Grenzen der nachhaltigenNutzung. Für den Energiebereich ist vor allem dieNutzung der Wasserkraft von großer Bedeutung,denn Staudämme haben zahlreiche ökologische Aus-wirkungen, die sich nicht nur auf den Standort desKraftwerks beschränken (Kap. 3.2.3.3). 46% der 106großen Einzugsgebiete der Welt sind durch mindes-tens einen Staudamm verändert (Revenga et al.,1998), was sich bereits heute zu einem erheblichennegativen Einfluss auf die aquatischen Ökosystemesummiert. Oft sind auch Menschen betroffen (etwadurch Zwangsumsiedlungen), die sich mit Lebensstilund Traditionen ihrem Fluss angepasst hatten. Ausdiesen Gründen muss der Ausbau von Wasserkraftim Rahmen einer nachhaltigen Entwicklungbegrenzt werden.

Nachhaltigkeit von WasserkraftEine einfache absolute und globale Leitplanke fürdie Nachhaltigkeit von Wasserkraftprojekten kannnicht angegeben werden, weil zu viele Faktorenzusammenspielen (Kap. 3.2.3.3). Im Folgenden sollenaber Rahmenbedingungen aufgeführt werden, derenEinhaltung beim Bau von Wasserkraftwerken uner-lässlich sind (Kap. 3.2.3.4).• Naturschutz: Wie bei den Landflächen, so sollte

auch ein bestimmter Teil (etwa 10–20%) derFlussökosysteme inklusive ihrer Einzugsgebietedem Naturschutz vorbehalten sein. Besonders imEinzugsbereich möglicher zukünftiger Wasser-kraftprojekte muss rasch ein vorsorglicher Schutzökologisch besonders wertvoller Gebiete erfolgen(Kap. 3.2.3.4).

Szenarioregion Landfläche und Anteil an der Gesamtfläche WBGU-Leitplanke

Hohe Schätzung Niedrige Schätzung

[Mio. ha] [%] [Mio. ha] [%] [%]

Europa 144 29,4 129 26,2 4,5Asien 589 12,1 494 10,2 0,5Australien 186 21,9 147 17,4 0,5Afrika 288 9,7 241 8,1 3,8Lateinamerika 266 13,2 225 11,2 8Nordamerika 353 18,9 294 15,7 3,6

Welt 1.826 14,0 1.529 11,7 3

Tabelle 4.3-2A1T-450-Szenario:Geschätzter Anteil derAnbaufläche vonBioenergiepflanzen im Jahr2050 an der gesamtenLandfläche im Vergleich zuden vom WBGUaufgestellten Leitplanken.Quelle: WBGU

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123Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

• Grundsätze für wasserbauliche Großprojekte: Füralle wasserbaulichen Projekte sollten die beste-henden, internationalen Richtlinien für Nachhal-tigkeit (Weltbank, OECD) Anwendung finden.Auch die World Commission on Dams hat ineinem weltweiten Diskussionsprozess wichtigeGrundlagen erarbeitet (WCD, 2000). Die Umset-zung der Richtlinien auf nationaler Ebene setztden Aufbau technischer und institutioneller Kom-petenz sowie langfristige Verantwortlichkeitenvoraus. Außerdem müssen zur Erarbeitung vonNachhaltigkeitsanalysen zunächst die wissen-schaftlichen Grundlagen geschaffen werden. DieForschung muss für die spezifischen Einzugs-gebiete und losgelöst von konkreten Projektenvon unabhängigen regionalen Zentren betriebenwerden (Kap. 6.3.1). Sie können auch die Grund-lage für den Vergleich regionaler Standort-alternativen schaffen und indirekte und kumula-tive Auswirkungen (z. B. eine Serie von Projektenan einem Fluss) im Blick haben (Kap. 3.2.3.3).

Definition der LeitplankeWenn während der nächsten 10–20 Jahre die not-wendigen Rahmenbedingungen (Investitionen inForschung, Institutionen, Kapazitätsaufbau usw.,Kap. 3.2.3) geschaffen werden, könnte bei entspre-chender Umsicht bis 2030 nach und nach etwa einDrittel des heute genutzten Potenzials zusätzlichzugänglich gemacht werden (Stromproduktion voninsgesamt ca. 12 EJ pro Jahr). Nur bei Erfüllung deroben genannten Voraussetzungen könnte sich derWert bis 2100 auf ca. 15 EJ pro Jahr steigern lassen.

Prüfung der LeitplankeDas A1T-450-Szenario sieht bei der Wasserkrafteinen Ausbau von heute ca. 9,5 EJ auf 35 EJ in 2100vor, d. h. mehr als eine Verdreifachung. Dieser Wertüberschreitet die vom WBGU gesetzte Leitplankeum ein Mehrfaches.

4.3.1.5Schutz der Meeresökosysteme

Die marine Biosphäre wird bereits von den konven-tionellen Energiesystemen beeinträchtigt, etwadurch Ölverschmutzung, Aufheizen von Fluss-mündungen und Küstengewässern oder Verklappenvon Atommüll. Im Zusammenhang mit dem Umbauder globalen Energiesysteme werden heute neueEnergietechniken diskutiert, die für die Meere eben-falls erhebliche Umweltfolgen haben könnten.Daher ist zu entscheiden, welche dieser Technikennicht nachhaltig sind. Diese Abschätzung ist schwie-rig, weil die Ökosysteme der Meere vergleichsweise

wenig erforscht und somit die Folgen von Eingriffenschwer zu beurteilen sind. Daher muss dem Vorsor-geprinzip besondere Bedeutung eingeräumt werden.Da es nicht möglich ist, eine generelle Leitplanke fürden Meeresschutz zu definieren – sie müsste zu sehrim Allgemeinen bleiben – werden hier die in Fragekommenden Toleranzgrenzen jeweils für die einzel-nen Techniken betrachtet.

Definition der LeitplankeFür die Kohlenstoffspeicherung im Ozean werdenzwei Optionen diskutiert: die Lösung in Meerwasserund die Speicherung in marinen Ökosystemen (Kap.3.6). Durch Injektion von Kohlendioxid in die Tiefseewird der CO2-Partialdruck erhöht und gleichzeitigder pH-Wert des Meerwassers erniedrigt. Die biolo-gischen Konsequenzen sind bis heute unzureichenduntersucht.Auch bei der Eisendüngung etwa im Süd-lichen Ozean sind schwerwiegende Folgen für diemarinen Ökosysteme zu befürchten. Bei beidenOptionen bestehen erhebliche Unsicherheiten inBezug auf die Langfristigkeit der Speicherung. DerWBGU empfiehlt daher, unter Beachtung des Vor-sorgeprinzips beide Optionen nicht für ein nachhalti-ges Energiesystem zu verwenden.

Nutzung von Offshore-WindkraftGrundsätzlich kann die Windenergie nicht nur alseine erneuerbare, sondern auch als eine umweltscho-nende Form der Energieerzeugung betrachtet wer-den. Durch die Entwicklung der küstennahen Off-shore-Technik hat die Windenergie ein großes neuesPotenzial, wodurch ihre Entwicklung voraussichtlichnoch weiter beschleunigt wird. Der Aufbau großerWindenergieparks vor den Küsten hat aber mögli-cherweise unerwünschte Folgen für die marine Bio-sphäre (z. B. Vogelschutz), die derzeit in Forschungs-projekten überprüft werden (Kap. 3.2.5).Auf wissen-schaftlicher Grundlage müssen Richtlinien zumUmgang mit dieser Technologie entwickelt werden,um die Umweltfolgen zu minimieren. Bei der Aus-weisung von Flächen zur Energiegewinnung durchOffshore-Windparks sind z. B. Gebiete mit bestehen-dem naturschutzrechtlichem Status ebenso auszu-schließen wie Flächen, die von der Habitatrichtlinieder EU betroffen sein könnten sowie wichtige Vogel-brut- oder -zuggebiete.Auch bei der Offshore-Wind-energienutzung gibt es also Konkurrenz um Flächen:Anforderungen der Schifffahrt, der Ölindustrie, derFischerei, des Naturschutzes usw. müssen in der Pla-nung miteinander vereinbart werden. Die vorlie-gende Datengrundlage reicht für die Definition einerallgemein gültigen Leitplanke nicht aus.

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124 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

4.3.1.6Schutz der Atmosphäre vor Luftverschmutzung

Die ökologischen Wirkungen der Atmosphärenver-schmutzung sind vielfältig. Die bei Verbrennung fos-siler Brennstoffe und von Biomasse entstehendenEmissionen an Stickoxiden (NOX) und Schwefeloxi-den (SOX) nehmen eine Schlüsselstellung bei derVeränderung biogeochemischer Kreisläufe durchden Menschen ein. Sie führen zu Belastungen inBöden, terrestrischen Ökosystemen und Gewässernund sind z. B. eine Ursache von Waldschäden. Boden-nahes Ozon, das aus den Emissionen von NOX undKohlenwasserstoffen bei Sonnenschein in einerSmogreaktion gebildet wird, erhöht die Atmung derPflanzen bei gleichzeitiger Reduktion der Biomasse-bildung und verstärkter Anfälligkeit für Schädlingeund Krankheiten (Percy et al., 2002). Durch dieReduktion der Biomassebildung wird die Senken-wirkung der Biosphäre geschwächt und der anthro-pogene Treibhauseffekt verstärkt. Die Emission vonflüchtigen organischen Verbindungen, Ruß undanderen Schwebeteilchen sowie Schwermetallen undpersistenten organischen Verbindungen ausVerbrennungsprozessen führt zu direkten toxischen,aber auch ökotoxischen Wirkungen, wenn dieseStoffe in Ökosysteme gelangen und sich in den Orga-nismen anreichern.

Versuch einer LeitplankendefinitionKritische Belastungen („Critical Loads and Levels“)sind naturwissenschaftlich begründete Obergrenzenfür unterschiedliche Schadstoffe und verschiedenempfindliche Rezeptoren (Ökosysteme, Teil-ökosysteme, Organismen bis hin zu Materialien).Diese Belastungsgrenzen müssen vorrangig rezep-tornah und wirkungsbezogen formuliert werden(UBA, 1996; SRU, 1994). Als Zahlenwert wird dieje-nige Rate der Ablagerung bestimmt, bei derenUnterschreitung nach derzeitigem Kenntnisstandkeine Schäden für Rezeptoren zu erwarten sind. DieFestlegung und Überprüfung der Obergrenzen istaufwändig und komplex, weil für jeden Schadstoffräumlich hoch aufgelöste Kartierungen der verschie-denen Rezeptoren (z. B. Ökosystem- oder Bodenty-pen) und der Schadstoffbelastung vorgenommenwerden müssen. Dieses Konzept wird durch das Gen-fer Luftreinhalteübereinkommen von 1979 umge-setzt, das aber bisher auf Europa und Nordamerikabeschränkt blieb. Daher lässt sich auf dieser Grund-lage keine globale Leitplanke ableiten.

Als Hilfskonstruktion für die Leitplanke für welt-weite Emissionen könnte als Kriterium herangezo-gen werden, dass der Eintrag anderswo keinesfallshöher sein darf als er heute in Europa ist. Da die Situ-ation in Europa aber nicht bei allen Schadstoffen

zufrieden stellend ist, kann dies nur eine absoluteMinimalforderung sein. Dies bedeutet auch eineReihe problematischer Annahmen, z. B. Ähnlichkeitder regionalen Verteilung von Schadstoffen, Ver-nachlässigung der Im- und Exporte von Schadstoffenoder die vergleichbare Empfindlichkeit von Ökosys-temen oder Bodentypen. Regionale Leitplankenkönnten durch Vereinbarung von nationalenUmweltstandards bzw. multilateralen Umwelt-abkommen auf der Grundlage des Critical-Loads-Konzepts festgelegt und umgesetzt werden. Setztman die gleiche Menge genutzter Energiedienstleis-tungen voraus, so ist zu vermuten, dass eine konse-quente Anwendung des Stands der Technik in Kraft-werken, Haushalten und Verkehr das Einhalteneiner solchen Leitplanke ermöglichen würde.

Prüfung LeitplankeUm eine vorläufige Abschätzung zu erreichen, wur-den die SOX-Emissionen pro Fläche in den verschie-denen Regionen errechnet, was ein sehr grobes Maßfür die Umweltfolgen der Emissionen ergibt. Dabeiwerden erhebliche Fehler in Kauf genommen, z. B.wird der Transport von Schadstoffen über Länder-grenzen hinweg oder auf See nicht berücksichtigt.Die Prüfung ergibt, dass im A1T-450-Szenario vorallem Ostasien (China, Korea und Nachbarn) sowieOsteuropa unter hohen Belastungen leiden. In derzweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts wird in diesemSzenario die Leitplanke überall eingehalten, weil dieTechnik für die Vermeidung dieser Emissionenbereits vorhanden ist und zunehmend auch in den„kritischen“ Regionen angewandt wird, in denen einstarkes Wachstum der Energienachfrage zu erwartenist. Ein schnellerer Umbau in Richtung erneuerbareEnergien würde die Einhaltung der Leitplankenbeschleunigen.

4.3.2Sozioökonomische Leitplanken

4.3.2.1Schutz der Menschenrechte

Bei der Formulierung energiepolitischer Transfor-mationsstrategien orientiert sich der WBGU auch anmenschenrechtlichen Imperativen, also allgemeingültigen Grundsätzen gesellschaftlicher Systeme.Zur Konkretisierung und Operationalisierung sozial-ethischer Ziele des Leitbilds nachhaltige Entwick-lung kann auf völkerrechtlich kodifizierte Normen,wie die Konventionen zu Menschenrechten undArbeitsrecht, und auf universelle Gerechtigkeits-

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125Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

prinzipien, etwa zur Gleichverteilung des globalenUmweltraums, zurückgegriffen werden.

Individuellen Grundbedarf an EnergiedeckenZu den Zielen einer nachhaltigen Transformationder Energiesysteme muss nach Auffassung des Bei-rates gehören, weltweit allen Haushalten denZugang zu moderner Energie zu ermöglichen. DiesesZiel wird durch den Pakt über wirtschaftliche, sozialeund kulturelle Rechte (Sozialpakt) unterstützt. InArt. 11 des Sozialpaktes erkennen die Vertragsstaa-ten das Recht jedes Menschen auf einen angemesse-nen Lebensstandard sowie auf eine stetige Verbesse-rung der Lebensbedingungen für sich und seineFamilie an.

Bestandteil dieses Rechts ist auch die angemes-sene Unterbringung, die u. a. den Zugang zu Energiezum Kochen, Heizen und für Beleuchtung umfasst(CESCR, 1991). Zugleich ergibt sich aus der Verbin-dung mit Art. 12 des Sozialpakts, dem Recht aufGesundheit, dass eine angemessene Wohnung ihreBewohner vor Gesundheitsrisiken schützen muss.Demnach ist die traditionelle Nutzung von Biomasseals Brennstoff immer dann nicht mit dem Sozialpaktvereinbar, wenn dadurch die Luft in den Innenräu-men gesundheitsgefährdend verschmutzt wird (Kap.3.2.3, 4.3.2.7). Die Energieversorgung muss so gestal-tet werden, dass Frauen und Männer gleichermaßenin vertretbarer Weise belastet und die besonderenSchutzrechte von Kindern (Kinderrechtskonven-tion) gewahrt werden. Konkrete Hinweise auf einenverpflichtenden Zeitrahmen, innerhalb dessen dieGrundversorgung mit Energie gewährleistet werdenmuss, können dem Sozialpakt nicht entnommen wer-den.

Energiebezogene Grundlagen des Rechtsauf Entwicklung sichernDa die ausreichende Versorgung mit Energie einewichtige Voraussetzung für wirtschaftliche und sozi-ale Entwicklung ist (Kap. 2.2), könnte aus dem„Recht auf Entwicklung“ ein kollektiver Rechtsan-spruch auf diejenige Energiemenge abgeleitet wer-den, die Entwicklung ermöglicht und fördert. DieUN-Generalversammlung verabschiedete 1986 eineDeklaration, in der das „Recht auf Entwicklung“ denStatus eines „universellen und unveräußerlichenRechts und integralen Bestandteils der grundlegen-den Menschenrechte“ erhielt. Auf der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien 1993 gaben auchdie westlichen Staaten ihre Vorbehalte gegenüberdieser Deklaration auf. In Art. 4 Abs. 1 der völker-rechtlich unverbindlichen Deklaration von 1986wurde den Staaten die Verpflichtung auferlegt, „ein-zeln und gemeinschaftlich Maßnahmen zur Aufstel-

lung internationaler Entwicklungspolitiken zuergreifen, die darauf gerichtet sind, die volle Ver-wirklichung des Rechts auf Entwicklung zu erleich-tern“. Ungeklärt bleibt aber, was Entwicklung imEinzelnen bedeuten soll wie auch die Frage ob undwelche konkreten Leistungen aus diesem „Recht aufEntwicklung“ abgeleitet werden können. Nur Art. 8enthält einen Zielkatalog für „die Chancengleichheitfür alle beim Zugang zu Grundressourcen, Erzie-hung, Gesundheitsdiensten, Nahrung, Unterkunft,Arbeit und einer gerechten Einkommensvertei-lung“. Ein Rechtsanspruch auf ausreichendeEnergieversorgung könnte deshalb allenfalls aus derForderung nach „Chancengleichheit für alle beimZugang zu Grundressourcen“ abgeleitet werden.

Ein „Recht auf Entwicklung“, das nicht einge-klagt werden kann, ist zwar wenig wert. Dennochkönnte es – in Verbindung mit Art. 11 des Sozial-pakts – auch einen menschenrechtlich begründetenAnspruch auf eine ausreichende Versorgung mitEnergie unterstützen, weil dies nicht nur für die Ent-wicklung von Landwirtschaft und Industrie, sondernauch für die „stetige Verbesserung der Lebensbedin-gungen“ notwendig ist. Und dieser Rechtsanspruchist auch im Völkerrecht unumstritten.

4.3.2.2Zugang zu moderner Energie für alle Menschen

Zu den elementaren Energiedienstleistungen zählenBeleuchtung, gekochtes Essen, erträgliches Raum-klima, Kühlung von Lebensmitteln und Transport(UNDP et al., 2000), aber auch der Zugang zu Infor-mationen und Kommunikation sowie die Erleichte-rung einfacher handwerklicher und landwirtschaft-licher Arbeiten. Zur Sicherstellung dieser Energie-dienstleistungen ist nach Auffassung des WBGU derZugang zu modernen Energieformen notwendig,weil die Verwendung traditioneller Biomasse insbe-sondere für Kochen und Heizen sowohl ein Entwick-lungshemmnis als auch ein Gesundheitsproblem istund überwunden werden muss (Kap. 3.2.4.2, 4.3.2.7).Darüber hinaus ist die Versorgung mit Strom vongroßer Bedeutung. Elektrizität ermöglicht nebenBeleuchtung, Kühlung und der Unterstützung haus-halts- und handwerklicher Tätigkeiten den Zugangzu Kommunikation, wodurch Bildungschancen eröff-net und Partizipationsmöglichkeiten erweitert wer-den.

Aus Kapitel 2.2 wird deutlich, dass die heutigeSituation noch weit von dieser Zielvorstellung ent-fernt ist: Bei der Fortschreibung der aktuellen Trendswird es z. B. in Südasien mehr als 40 Jahre dauern, bisallen Haushalten der Zugang zu Strom angebotenwerden kann, in Afrika südlich der Sahara etwa dop-

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126 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

pelt so lange (IEA, 2002c). Berücksichtigt manzusätzlich die zu erwartende Bevölkerungsent-wicklung, dürfte der Zeitraum noch länger sein.Diese Perspektive ist nach Ansicht des WBGU nichtzu tolerieren. Zusätzliche Anstrengungen müssenunternommen werden, um den Zugang zu modernerEnergie sicherzustellen.

Definition der LeitplankeAls Mindestanforderung an die Nachhaltigkeit derEnergiewende rät der WBGU, dass der Zugang zumoderner Energie schrittweise für die gesamte Welt-bevölkerung gewährleistet werden sollte. Diesbetrifft insbesondere die Umstellung gesundheits-schädigender Biomassenutzung zum Kochen undHeizen auf moderne Energieträger (Kap. 3.2.4.2)sowie diejenigen Energiedienstleistungen, die vomZugang zu Elektrizität abhängen. Aus dieser Leit-planke leitet der WBGU Ziele ab, die in Kapitel 7.3.1konkretisiert werden.

Prüfung der LeitplankeDas Testszenario A1T-450 bietet nicht die erforder-lichen Daten, um diese Leitplanke quantitativ prüfenzu können. Da es sich aber um ein Szenario mithohem Wirtschaftswachstum handelt, scheint dasErreichen der Leitplanke binnen einiger Jahrzehntedurchaus realisierbar. Der World Energy Councilhält sogar die Elektrifizierung aller momentan nichtelektrifizierten Haushalte binnen 20 Jahren für mög-lich (WEC, 2000). Angesichts des jüngeren ErfolgsChinas, durchschnittlich 6 Mio. Menschen pro Jahr inentfernteren ländlichen Gegenden an das Stromnetzanzuschließen (Chen et al., 2002), sollte weltweit dasZehnfache machbar sein, vor allem, wenn zunächstInsellösungen (z. B. Dorfstromversorgungssysteme)geschaffen werden.

4.3.2.3Individueller Mindestbedarf an moderner Energie

Definition der LeitplankeUm den individuellen Mindestbedarfs der Weltbe-völkerung an moderner Energie zu decken, emp-fiehlt der Beirat (folgende Angaben beziehen sichauf Endenergie):• spätestens ab 2020 sollten alle Menschen wenig-

stens 500 kWh pro Kopf und Jahr zur Verfügunghaben;

• spätestens ab 2050 sollten alle Menschen wenig-stens 700 kWh pro Kopf und Jahr zur Verfügunghaben;

• spätestens bis 2100 sollten alle Menschen wenig-stens 1.000 kWh pro Kopf und Jahr zur Verfügunghaben.

Der WBGU schätzt den absoluten individuellenMindestbedarf an Energie auf ca. 450 kWh pro Kopfund Jahr (in einem 5-Personen-Haushalt; Tab. 4.3-3)bzw. 500 kWh pro Kopf und Jahr (in einem 2-Perso-nen-Haushalt). Der Wert liegt damit in dem Intervallvon 300–700 kWh pro Kopf und Jahr, das auch in derLiteratur meist angegeben wird. Nach Meinung ein-zelner Autoren des WEC sind sogar 1.000 kWh proKopf und Jahr der adäquate Mindestbedarf (WEC,2000). 450 bzw. 500 kWh pro Kopf und Jahr könnennur ein absolutes Minimum darstellen, da Heizen,Transport und die Unterstützung haus- und subsis-tenzwirtschaftlicher Tätigkeiten unberücksichtigtbleiben. Außerdem ist das in den Berechnungenunterstellte Effizienzniveau zwar wünschenswertund grundsätzlich umsetzbar, möglicherweise müs-sen aber Abstriche gemacht werden. Andererseitskönnte der technische Fortschritt künftig ermög-lichen, dass langfristig der oben genannte Grundbe-darf mit weniger Primärenergie gedeckt werdenkann. Im Folgenden wird die Leitplanke genauerbegründet.

Tabelle 4.3-3Mindestbedarf anEndenergie pro Kopf. DieUnterschreitung muss alsnicht nachhaltig eingestuftwerden. Grundlage derBerechnung ist ein 5-Personen-Haushalt.Quellen: WBGU; G8Renewable Energy TaskForce, 2001

Energie-dienstleistung

Erläuterungen Bedarf an Endenergie[kWh pro Kopf und Jahr]

Trinkwasser Elektrische Pumpe für 5 l pro Kopf und Tag 2

Beleuchtung 5 h am Tag mit 20 W pro Haushalt 7

Information,Kommunikation

Kommunikationsgeräte (Radio, TV u.a.)5 h mit 50 W pro Haushalt

18

Kühlung 0,4 kWh pro Tag und Haushalt, besonders für Lebensmittel

29

Zwischensumme 56 (Elektrizität)

Kochen 1,5 gekochte Mahlzeiten pro Tag 400 (Brennstoff)

Summe 456

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127Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

Begründung der Leitplanke Die Ermittlung eines Mindestbedarfs an Energie proKopf ist mit erheblichen Problemen normativer wiemethodisch-technischer Art behaftet. U. a. müssenklimatisch-geographische Aspekte ebenso berück-sichtigt werden wie kulturelle, demographische undsozioökonomische Faktoren. Ferner müssen bei derÜberführung der Energiedienstleistungen in diebenötigen Energiemengen Annahmen über die ein-gesetzten Technologien getroffen werden. Daher gibtes in der Literatur kaum differenzierte Angabenüber solch einen Mindestbedarf.

Trotz dieser Probleme erscheint die Ableitungvertretbar (Tab. 4.3-3), da dieser Mindestbedarf nichtals Ziel definiert wird, sondern als absolutes Mini-mum, dessen Verfehlung als nicht nachhaltig ein-gestuft werden muss. In Tabelle 4.3-3 werden effi-ziente Technologien vorausgesetzt, die dem momen-tanen Stand der Technik entsprechen.

Bedarf an elektrischer EnergieDer individuelle Mindestbedarf an elektrischerEnergie zur Sicherstellung einer Grundversorgungfür Beleuchtung, Kühlung von Lebensmitteln undKommunikation liegt demnach bei ca. 60 kWh proKopf und Jahr für den Fall eines 5-Personen-Haus-halts. Für 2-Personen-Haushalte, deren Zahl auch inEntwicklungsländern zunimmt, müsste unter derAnnahme eines etwas niedrigeren Haushaltsbedarfs,wie z. B. ein kleinerer Kühlschrank, ca. 100 kWh proKopf und Jahr angesetzt werden.

Die Studie der G8 Renewable Energy Task Force(2001) ist eine der wenigen, die den Grundbedarf anelektrischer Energie quantitativ aufgeschlüsselt hat.Sie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Eine chinesi-sche Untersuchung unterscheidet zwischen niedri-gem, mittlerem und hohem Grundbedarf eines 4-Personen-Haushalts und setzt den Bedarf für Chinaauf umgerechnet 37, 94 bzw. 668 kWh pro Kopf undJahr fest (Chen et al., 2002). Anders als in Tabelle4.3-3 ist allerdings Kühlung im niedrigen und mittle-ren Grundbedarf nicht enthalten, und zum hohenGrundbedarf wird eine Waschmaschine und eineTiefkühltruhe gerechnet.

Der World Energy Council (WEC) schätzt denmomentanen Elektrizitätsverbrauch der Menschenin Entwicklungsländern, die Zugang zu elektrischemStrom haben, auf durchschnittlich 1.300 kWh proKopf und Jahr. Im Fünftel mit dem niedrigsten Ein-kommen und Stromzugang liegt der Durchschnittbei 340 kWh pro Kopf und Jahr (WEC, 2000). Wür-den die eingesetzten Technologien durch effizientereersetzt, könnte dieser Stromverbrauch sogar mehrals den Mindestbedarf decken.

Energiebedarf zum Kochen und HeizenDer Energiebedarf zum Kochen und Heizen istgetrennt von den anderen Energiedienstleistungenzu betrachten, da hierfür keine Elektrizität einge-setzt werden muss. In den Entwicklungsländern wer-den rund 0,15 EJ aus Biomasse zum Kochen verwen-det (IEA, 2001b; G8 Renewable Energy Task Force,2001). In Tabelle 4.3-3 wird angenommen, dass zumGrundbedarf des Menschen durchschnittlich 1,5gekochte Mahlzeiten pro Tag zählen (Grupp et al.,2002). Bei Einsatz sehr effizienter Gaskocher ergibtsich ein Energiebedarf von 700–750 Wh pro gekoch-ter Mahlzeit und somit ein Bedarf von rund 400 kWhpro Kopf und Jahr.

Der WBGU hat das Heizen von Räumen bei derErmittlung des individuellen Grundbedarfs inTabelle 4.3-3 nicht aufgenommen. Dafür sprechenvor allem zwei Gründe: Zum einen hängt die Not-wendigkeit zum Heizen und die Menge der hierfürverwendeten Energie von den jeweiligen klimati-schen und baulichen Bedingungen ab, die inter- undintranational so stark divergieren, dass eine Aussageüber einen durchschnittlichen Heizbedarf nicht sinn-voll ist. Zum anderen ist in einem Großteil der Län-der mit niedriger Elektrifizierungsrate und hohemAnteil traditioneller Biomassenutzung das Heizenvon Wohnräumen kaum notwendig. Im Einzelfallkann der Energiebedarf für das Heizen jedoch sehrhoch sein. Zum Beispiel werden für das Beheizeneines Raums mit 20 m2 selbst in einem Niedrigener-giehaus in Deutschland rund 800 kWh pro Jahr benö-tigt.

Energiebedarf für TransportEs besteht ein Mindestbedarf an Mobilität, weilSchulen, medizinische Einrichtungen und Märkte fürjedermann unter zumutbaren Bedingungen erreich-bar sein müssen. Dieser Mindestbedarf variiert ver-mutlich noch stärker als in den zuvor behandeltenBereichen, weil z. B. Infrastruktur und Entfernungensehr unterschiedlich sind. Die Umrechnung desGrundbedarfs an Transportdienstleistungen in Ener-gieeinheiten ist kaum möglich, da pauschale Annah-men über das Transportmittel (Kfz, Fähre, Fahrrad,Tier usw.) nicht getroffen werden können. Daher istEnergie für Mobilitätserfordernisse in Tabelle 4.3-3nicht enthalten. Gleichwohl sollte eine „weiche“, d.h.rein qualitative Mobilitätsleitplanke mitgedacht wer-den.

Abbau der Disparitäten in derEnergieversorgungDie Unterschiede in der Deckung des Mindestener-giebedarfs pro Kopf können sowohl zwischen denLändern als auch zwischen den Bevölkerungsgrup-pen innerhalb eines Landes sehr groß sein. Die Dis-

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128 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

paritäten zwischen den am besten und den amschlechtesten ausgestatteten Personengruppen sindoft so groß, dass letztere nicht in zufrieden stellenderWeise am ökonomischen, politischen oder kulturel-len Leben teilnehmen können. Daher empfiehlt derBeirat, die absolute Leitplanke „Individueller Min-destbedarf an moderner Energie“ durch relativeUntergrenzen zu ergänzen. Dies gilt nicht zuletztdeshalb, weil – ähnlich wie im Zusammenhang mitArmut – nicht nur die tatsächliche, sondern auch diewahrgenommene Verfügbarkeit von Energiedienst-leistungen bedeutsam ist. Eine absolute quantitativeLeitplanke für die intra- wie international noch ver-tretbaren Disparitäten lässt sich hingegen nicht pau-schal herleiten. Außer normativ-ethischen und tech-nisch-methodischen Schwierigkeiten stehen demu. a. klimatische und soziokulturelle Unterschiedezwischen den Regionen und Ländern entgegen.Ana-lysen zeigen allerdings, dass die gegenwärtigen Dis-paritäten zwischen den Ländern bzw. Regionen weitvon dem entfernt sind, was der WBGU als nachhaltigeinstuft. Dies gilt auch dann, wenn Extremwertenicht in die Berechnung aufgenommen werden. Inso-fern sieht der Beirat als realistische Mindest-bedingung vor, dass im Szenario die derzeitigen Dis-paritäten spürbar reduziert werden.

Dynamisierung der LeitplankeDer Mindestbedarf an Energie ist ebenso wie dassoziokulturelle Existenzminimum (Mindesthaus-haltseinkommen) keine vom Systemzustand unab-hängige Größe. Aus diesem Grund erscheint eineDynamisierung der Leitplanke „Individueller Min-destbedarf an moderner Energie“ geboten. Damitwird auch dem Disparitätenaspekt der Leitplankeimplizit Rechnung getragen. Wenn Einkommen undEnergienutzung in den Entwicklungsländern anstei-gen (Leitplanke „Gesamtwirtschaftlicher Mindest-entwicklungsbedarf pro Kopf“; Kap. 4.3.2.5), ver-langt die hier zugrunde gelegte Verteilungsnormeiner relativen Untergrenze, dass die Energiemenge,die den „energieärmsten“ Haushalten zur Verfügungsteht, ebenfalls ansteigt.

Prüfung der LeitplankeGeht man von der Energiemenge aus, die den unte-ren 10% der Bevölkerung pro Kopf zur Verfügungstehen, so können im A1T-450-Szenario die ange-strebten Leitplanken nahezu überall eingehaltenwerden. Ausnahmen sind in 2020 der MittlereOsten/Nordafrika und Südasien, wo die Werte knappverfehlt werden.

4.3.2.4Begrenzung des Anteils der Energieausgaben amEinkommen

Der Beirat hält es für gerade noch zumutbar, wennarme Haushalte maximal ein Zehntel ihres Einkom-mens zur Deckung ihres elementaren Energiebe-darfs (500 kWh pro Kopf und Jahr) ausgeben müs-sen. Damit wäre gegenüber der aktuellen Situation inarmen Entwicklungsländern ein deutlicher Fort-schritt erzielt. Dennoch wäre der Ausgabenanteildamit immer noch rund 6-mal so hoch wie in Indus-trieländern.

Definition der LeitplankeDer Beirat schlägt als Leitplanke vor, dass die Aus-gaben zur Deckung des elementaren individuellenEnergiebedarfs maximal 10% des Haushaltseinkom-mens betragen sollen.

Begründung der leitplanke Die Festlegung einer quantitativen Leitplanke, wel-che den maximalen Anteil des Einkommensbeschreibt, den ein Haushalt zur Deckung des Min-destbedarfs an Energiedienstleistungen aufwendensollte, ist ebenfalls mit erheblichen normativen undmethodischen Problemen behaftet. Mit solch einemProzentsatz trifft man z. B. unmittelbar auch Annah-men darüber, welcher Anteil für die übrigen Bedürf-nisse angemessen ist. Außerdem muss das unter-schiedliche Einkommen der Haushalte berücksich-tigt werden.

Eine Annäherung an einen Leitplankenwerterlauben Schätzungen über den heute ausgegebenenAnteil. Verschiedene Studien sehen übereinstim-mend den Anteil in der OECD bzw. den Industrie-ländern bei ca. 2% (G8 Renewable Energy TaskForce, 2001; World Bank, 2002a). Für die Entwick-lungsländer liegen nur wenige Fallstudien vor(LSMS, 2002; World Bank, 2002a). Allgemeiner Ein-druck ist, dass Menschen in Ländern ohne „moder-nen“ Energiezugang einen deutlich höheren Anteilihres Einkommens für Energie ausgeben als dieMenschen in Ländern oder Gebieten mit gesicher-tem Zugang. Die Schätzungen über den Anteil amverfügbaren Einkommen, der für Energie von armenBevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern aus-gegeben wird, schwanken zwischen 10% und 33%, jenach Energiedienstleistungen, Art und Größe derbetrachteten Gruppe (ESMAP, 1998, 1999; WorldBank, 2002a). Die Energieausgaben für das Kochensind darin oft nicht enthalten. Sie sind, wenn Brenn-material unentgeltlich gesammelt wird, in vielenländlichen Gegenden zwar sehr niedrig, aber den-noch mit zum Teil hohen „Kosten“, d. h. Belastungen

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129Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

wie Zeitaufwand und Gesundheitsschäden verbun-den (Kap. 2.6, 3.2.4).

Bei schätzungsweise 1,2 Mrd. Menschen, die heuteunter der Armutsgrenze von 1 US-$ pro Tag leben,bedeutet die 10%-Leitplanke, dass es diesen Men-schen möglich sein muss, höchstens 37 US-$ pro Jahrfür die Deckung ihres elementaren Energiebedarfsauszugeben. Für weitere 1,6 Mrd. Menschen (1–2US-$ pro Tag) liegt der zumutbare Betrag bei 37–73 US-$ pro Jahr. Unter der extrem vereinfachtenAnnahme, dass das Einkommen und seine Vertei-lung unverändert bleiben und alle der ca. 2,8 Mrd.Ärmsten genau 365 US-$ pro Jahr zur Verfügunghaben, dürfte ihnen für die ersten 500 kWh pro Jahrnicht mehr als durchschnittlich 7,3 US-Cent pro kWh(Strom bzw. Brennstoff) in Rechnung gestellt wer-den. Die dann notwendige Quersubventionierungoder die sozialen Transfers („Heiz- und Stromgeld“)nimmt mit wachsendem Einkommen der Armen ab.Hier sollte sich auch der einkommensschaffendeEffekt des Zugangs zu moderner und bezahlbarerEnergie beschleunigend auswirken.

Prüfung der LeitplankeWährend das A1T-450-Szenario nicht die Daten lie-fert, die zur Prüfung dieser Leitplanke notwendigsind (z. B. Strompreise, Einkommen bzw. Konsum),kann das Szenario B1-450 dafür herangezogen wer-den. Es wird angenommen, dass der durch-schnittliche private Konsum in den armen Schichtenzunächst dem privaten Einkommen gleichzusetzenist. Dann wird über die Verteilung der Einkommen inden ärmsten Entwicklungsländern ein Schätzwert fürdas Einkommen der ärmsten 10% der Bevölkerungerrechnet. Da von diesem Wert maximal 10% für 500kWh pro Kopf und Jahr zur Verfügung stehen, lässtsich ein noch tolerierbarer Strompreis errechnen undmit dem Preis im Szenario vergleichen. Diese Rech-nung ist mit vielen Unsicherheiten behaftet, so sindz. B. die Strompreise innerhalb eines Landes sehrunterschiedlich: In ländlichen Räumen, in denenStrom mit Dieselgeneratoren produziert wird, liegtder Preis erheblich höher als in Städten. Unter-schiedliche Subventionspraktiken verzerren dieWerte zusätzlich. Das Ergebnis der Berechnung fürdas B1-450-Szenario zeigt, dass die Einhaltung derLeitplanke ab Mitte dieses Jahrhunderts gewährleis-tet werden kann. Da das A1T-450-Szenario aberhöhere Wirtschaftswachstumsraten und damitEinkommenszuwächse aufweist, wird die Lage dorteher besser sein. Der WBGU hält es aus diesenGründen für realistisch, dass die Leitplanke späte-stens ab 2050 eingehalten werden kann.

4.3.2.5GesamtwirtschaftlicherMindestentwicklungsbedarf pro Kopf

Der gesamte Bedarf eines Menschen an Energiemuss auch die indirekt genutzten Energiedienstleis-tungen umfassen, die für Herstellung und Vertrieballer vom Menschen verbrauchten privaten undöffentlichen Güter eingesetzt werden. Hierzu zählenz. B. auch Transportdienstleistungen, die aus metho-dischen Gründen bei der Ermittlung des individuel-len Energiebedarfs (Leitplanke „Individueller Min-destbedarf an moderner Energie“; Kap. 4.3.2.3) nichtberücksichtigt sind. Ein brauchbarer Indikator fürdie Summe der erstellten Waren und Dienstleistun-gen ist das Bruttoinlandsprodukt, obwohl er ver-schiedene Mängel aufweist und zum Beispiel deninformellen Sektor sowie Familien- und ehrenamtli-che Arbeit nur unzureichend erfasst. Der Beirat istsich bewusst, welche normativen Probleme miteinem Mindestwert für den Indikator BIP pro Kopfund Jahr verbunden sind. Da jedoch dieser Grenz-wert nicht als Ziel, sondern als Leitplanke definiertwird, dessen Unterschreitung als nicht sozial undökonomisch nachhaltig angesehen wird, schlägt derBeirat dennoch die folgende Definition vor.

Definition der LeitplankeJedes Land soll ein Bruttoinlandsprodukt von min-destens 2.900 US-$ pro Kopf und Jahr (in Preisen von1999) erreichen.

Begründung der leitplankeDie Leitplanke wurde wie folgt ermittelt: es wurdenach den 10 der 70 ärmsten Länder gesucht, die einenrelativ hohen Wert des Human Development Index(HDI) und des einkommensbereinigten HDI miteinem niedrigen Wert des Human Poverty Indexkombinieren (Tab. 4.3-4).

Die 10 ausgewählten Länder weisen einen berei-nigten HDI von 0,7–0,8 sowie einen HPI von 11–29auf. Sie gehören somit trotz des relativ niedrigen BIPzu den Ländern, die UNDP in den mittleren Bereichmenschlicher Entwicklung einordnet und sie zählenzu der Hälfte der Entwicklungsländer mit einemHPI<30 (UNDP, 2002a). Unter ihnen befinden sichlateinamerikanische und asiatische, aber keine afri-kanischen Länder. Das BIP pro Kopf und Jahr der 10Länder wurde arithmetisch gemittelt. Das Ergebnisist ein Wert von 2.900 US-$ pro Kopf und Jahr, dernach Überlegungen des WBGU die Untergrenzedarstellt, bei der ein menschenwürdiges Leben mög-lich erscheint. 60 Länder mit insgesamt 2,2 Mrd. Ein-wohnern erreichten diesen Wert im Jahr 1999 nicht.In 21 Ländern mit insgesamt 375 Mio. Einwohnernlag der Indikator sogar unter 1.000 US-$.

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130 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Grundsätzlich ließe sich aus dem Primärenergie-einsatz der 10 ausgewählten Länder auch ein gesamt-wirtschaftlicher Mindestbedarf an Energie pro Kopfund Jahr ableiten. Nimmt man Jamaika angesichtsseines extrem hohen Verbrauchs aus der Betrach-tung heraus, liegt der Pro-Kopf-Einsatz an kommer-zieller Energie in den verbleibenden 9 Ländern bei4.500–10.500 kWh pro Kopf und Jahr und einemMittel von 7.500 kWh pro Kopf und Jahr (Tab. 4.3-4).

Alternativ könnte die Untergrenze von 2.900US-$ pro Kopf und Jahr auch unmittelbar für dieHerleitung des gesamtwirtschaftlichen Mindestener-giebedarfs herangezogen werden. Nimmt man diemittlere Primärenergie, die alle Länder mit einemBIP von 2.600–3.200 US-$ pro Kopf und Jahr für dieHerstellung eines Produkts im Wert von 1 US-$ imJahr 1998 benötigten, folgt ein gesamtwirtschaft-licher Mindestbedarf an Primärenergie von 7.250kWh pro Kopf und Jahr. Schließlich könnte auch aufdie durchschnittliche Energieintensität der OECD-Länder zurückgegriffen werden (Tab. 4.3-4). Dadiese ebenfalls bei 2,5 kWh pro US-$ liegt, gelangtman zu einem identischen Ergebnis.

Allerdings wird der Energieeinsatz durch traditio-nelle Biomassenutzung, der in fast allen Entwick-lungsländern eine signifikante Rolle spielt (Tab.4.3-4), mangels verfügbarer Daten mit diesem Wertnur unzureichend erfasst. Seine vollständige Berück-sichtigung dürfte den Durchschnittswert um mindes-tens 1.000 kWh pro Kopf und Jahr erhöhen.

Angesichts der großen Spannbreite der Energie-intensität, des schwierigen sektoralen und geographi-schen Vergleichs der Volkswirtschaften sowie desunterschiedlich hohen Anteils an traditioneller Ener-gie verzichtet der Beirat darauf, eine „harte“, quanti-tative Leitplanke für den Mindestenergieeinsatz zusetzen.

Es wird lediglich geprüft, ob und ab welchem Zeit-punkt die verschiedenen Szenarien es ermöglichen,weltweit einen Energiebedarf von 7.250 kWh proKopf und Jahr zu realisieren. Unter der Annahmeeiner jährlichen Effizienzsteigerung um 1,4% (bis2040) und 1,6% (ab 2040) läge die Grenze im Jahr2020 bei ca. 5.400 kWh pro Kopf und Jahr und im Jahr2050 bei nur noch ca. 3.500 kWh pro Kopf und Jahr.

Tabelle 4.3-4Indikatoren ausgewählter Niedrigeinkommensländer mit akzeptablen Erfolgen sowohl im Bereich Entwicklung als auch beider Armutsvermeidung. HDI Human Development Index, HPI Human Poverty Index, BIP Bruttoinlandsprodukt. DieDurchschnittswerte wurden als ungewichtetes arithmetisches Mittel berechnet.Quellen: UNDP, 2002a; World Bank, 2002a

Land BIP proKopf (1999)

[PPP US-$/Kopf/a]

HDI (1999)

HDI umEinkom-mensindexbereinigt

HPI(1999)

Bevölke-rung (1999)

[Mio.]

Einsatz kommerziel-ler Energie(1997)

[kWh/Kopf]

Einsatz kommerziel-ler Energie/BIP (1997)

[kWh/PPP US-$]

TraditionelleEnergie(1997)

[% des Gesamt-einsatzes]

Vietnam 1.860 0,68 0,78 29,1 77,1 6.044 2,9 37,8Nicaragua 2.279 0,64 0,69 23,3 4,9 6.394 2,9 42,2Honduras 2.340 0,63 0,69 20,8 6,3 6.171 2,6 54,8Bolivien 2.355 0,65 0,71 16,4 8,1 6.354 3,0 14Indonesien 2.857 0,68 0,74 21,3 209,3 8.039 2,5 29,3Ecuador 2.994 0,73 0,81 16,8 12,4 8.271 2,7 17,5Sri Lanka 3.279 0,74 0,81 18,0 18,7 4.478 1,5 46,5Jamaika 3.561 0,74 0,81 13,6 2,6 18.003 5,3 6China 3.617 0,72 0,78 15,1 1.264,8 10.521 3,0 5,7Guayana 3.640 0,70 0,76 11,4 0,8 – – –

Durchschnitt 2.878 0,69 0,76 18,6 8.253 2,9 28,2

ZUM VERGLEICH:

Entwicklungs-länder 3.530 0,65 0,68 4.609,8 2,7 16,7

Polen 8.450 0.83 0,87 38,6 31.564 3,6 0,8 Portugal 16.064 0.87 0,89 10 23.792 1,7 0,9 Deutschland 23.742 0.92 0,93 82 49.080 2,1 1,3USA 31.872 0.93 0,92 280,4 93.682 3,0 3,8Osteuropa und

GUS 6.290 0,78 0,82 398,3 5,6 1,2OECD 22.020 0,90 0,90 1.122 2,5 3,3

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131Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

Prüfung der LeitplankeUm diese Leitplanke einzuhalten, müssen alle Län-der ein Pro-Kopf-Einkommen von 2.900 US-$ (1999)überschreiten. Dies ist im A1T-450-Szenario bereitsab 2020 der Fall, allerdings liegen diese Daten nur fürvier Weltregionen vor. In der Länderbetrachtungkönnte es bis 2050 durchaus ein Problem darstellen,die oben genannte Energiemenge zur Verfügung zustellen, was wegen der fehlenden Daten allerdings imSzenario nicht geprüft werden kann.

Aus dieser Leitplanke folgt z. B. im Jahre 2020 beica. 7,6 Mrd. Menschen je nach Effizienzsteigerungein weltweiter Primärenergieeinsatz von 104–137 EJ.Da heute bereits weltweit 400 EJ genutzt werden undder Primärenergieeinsatz bis 2020 im A1T-450-Sze-nario auf 650 EJ wächst, wirft die Leitplanke wohlkaum ein grundsätzliches Energiemengenproblemauf, sondern allenfalls Verteilungsprobleme.

4.3.2.6Technologierisiken

Definition der LeitplankeEin nachhaltiges Energiesystem soll auf Technolo-gien beruhen, deren Betrieb über die gesamte Kettevon den verschiedenen Primärenergieträgern biszum Endverbraucher und eventuellen Abfällen im„Normalbereich“ der Umweltrisiken liegt. Der„Normalbereich“ ist im Unterschied zum Grenz-und Verbotsbereich dabei wie im WBGU Jahresgut-achten „Strategien zur Bewältigung globalerUmweltrisiken“ definiert (WBGU, 1999).

Bei Förderung und Transport fossiler Brennstoffeund beim Betrieb fossiler Kraftwerke kann es unge-wollt oder durch Sabotage zu Unfällen kommen. Dadiese räumlich und zeitlich begrenzt sind, können siezum Normalbereich der Umweltrisiken gezählt wer-den (WBGU, 1999). Die Risiken der Emissionen sinddurch andere Leitplanken begrenzt (CO2: LeitplankeKlimaschutz; andere Emissionen: Leitplanke Atmo-sphärenschutz). Andere erneuerbare Energieträger(„kleine“ Wasserkraft, Wind, verschiedene Formenvon Solarenergie, Biomasse, Erdwärme usw.) sindwegen ihrer ungefährlichen Primärenergieträger imNormalbereich der Umweltrisiken fern der Risiko-leitplanke angesiedelt. Wasserkraftwerke mit großenStaudämmen zählen auch im Normalbetrieb zumGrenzbereich der Umweltrisiken und können dahermit der Leitplanke kollidieren (WBGU, 1999; Kap.3.2.3.3). Dies gilt insbesondere für die Gefährdungdurch Terrorismus.

KernenergieDie derzeitige Nutzung der Kernenergie (von derExtraktion des Urans bis zur Wiederaufbereitung) ist

mit Freisetzung radioaktiver Strahlung verbundenund somit ein Umweltrisiko. Bei der Kernenergiegibt es vor allem zwei Bereiche, die mit der Risiko-leitplanke kollidieren: Normalbetrieb und Abfallent-sorgung sowie Proliferation und Terrorismus (Kap.3.2.2).1. Normalbetrieb und Abfallentsorgung: Die Risiken

im Normalbetrieb von Kernkraftwerken sind zumGrenzbereich der Umweltrisiken zu zählen(WBGU, 1999). Ein Beispiel international festge-legter Grenzwerte für Strahlenbelastungen sinddie OSPAR-Grenzwerte für die Einleitung in dieMeere. Sie sehen Hintergrundwerte der Schad-stoffkonzentration von nahe Null für synthetischeSubstanzen vor. Die Einleitung flüssiger radioak-tiver Schadstoffe bei der Wiederaufarbeitung vonKernbrennstoffen in den Anlagen von Sellafieldund La Hague führte für beide Anlagen regionalzur Überschreitung der Grenzwerte (EU-Parla-ment, 2001). Weiterhin gibt es für eine akzeptableStrahlendosis pro Mensch und Jahr den Richtwertder Internationalen Strahlenschutzkommission(ICRP, 1991). Bei der Wiederaufbereitung vonKernbrennstoffen wurde auch dieser Grenzwertin der Region um die Anlagen um ein Mehrfachesüberschritten (EU-Parlament, 2001). Die inEuropa heute praktizierte Wiederaufarbeitungvon Kernbrennstoffen überschreitet die interna-tional vereinbarten Grenzwerte. Aufgrund der inKapitel 3.2.2 diskutierten Situation bei der ange-strebten Endlagerung der Abfälle ist der Beiratder Auffassung, dass auch die Abfallentsorgungzum Grenzbereich gezählt werden muss.

2. Proliferation und Terrorismus: Aufgrund derungelösten Probleme (Kap. 3.2.2) ordnet derWBGU sowohl die Proliferation als auch denNuklearterrorismus dem Risikotypus geringer bismittlerer Eintrittswahrscheinlichkeit bei hohemSchadensausmaß zu. Dieser liegt an der Grenzezwischen Grenz- und Verbotsbereich und stehtdaher in Konflikt mit der Risikoleitplanke.

Da man bis heute weit davon entfernt ist, den siche-ren Betrieb von Kernkraftwerken, die langfristigungefährliche Lagerung von Atommüll sowie dieNichtweitergabe bzw. Vermeidung von Zweckent-fremdung radioaktiven Materials für terroristischeZwecke weltweit garantieren zu können, rät der Bei-rat, langfristig von der Nutzung der Kernkraft abzu-sehen.

Prüfung der LeitplankeDa das A1T-450-Szenario einen großen Anteil Kern-energie enthält, verstößt es gegen diese Leitplanke.

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132 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

4.3.2.7Gesundheitsfolgen der Energienutzung

Der Sozialpakt formuliert Gesundheit als fundamen-tales Menschenrecht (Art. 12), aber ebenso dasRecht auf einen angemessenen Lebensstandard(Art. 11) und meint damit auch den Zugang zu Ener-gie, z. B. um zu kochen und zu heizen (LeitplankeZugang zu moderner Energie). In vielen Ländernund Regionen der Erde ergibt sich daraus ein Span-nungsverhältnis, weil keine „saubere“ oder der Nut-zungsform angepasste Energie zur Verfügung steht.Die dort eingesetzten Energieträger können diemenschliche Gesundheit erheblich belasten. Insge-samt werden ca. 25–33% der Gesundheitsbelastungauf Umweltrisikofaktoren zurückgeführt (Smith etal., 1999), aber es ist schwierig, zwischen der Gewin-nung und dem Einsatz von Energie auf der einenSeite und Gesundheitsschäden auf der anderen Seiteeindeutige Kausalketten zu bilden. Neben dengrundsätzlichen Risiken, die beim Umgang mit Ener-gie nicht zu vermeiden sind, sind es vor allem zweiBereiche, deren Gesundheitsfolgen nachgewiesensind und die dem Beirat für die Definition von Leit-planken global relevant scheinen:1. Die lokale Luftverschmutzung in Städten und in

Innenräumen wird weltweit als einer der wichtig-sten Risikofaktoren für Gesundheitsschäden undMortalität genannt (vor allem bei Atemwegs-erkrankungen; Michaud et al., 2001;WHO, 2002b).Verursacher sind Emissionen aus der Verfeuerungfossiler Brennstoffe oder von Biomasse (Kap.3.2.1, 3.2.4). Die Technik der Verbrennung (vomDrei-Steine-Herd bis zum modernen emissionsar-men Kraftwerk) ist dabei ganz entscheidend fürdas Ausmaß der Gesundheitsfolgen.

2. Radioaktive Strahlung ist gesundheitsschädlich,so dass die Nutzung der Kernenergie (von derExtraktion des Uran bis zur Wiederaufbereitungund Endlagerung) immer mit Gesundheitsrisikenverbunden ist (Kap. 3.2.2).

Zur Formulierung von Gesundheitsleitplanken imSinn tolerierbarer Grenzen der Gesundheitsbelas-tung (Morbidität) als Folge von Energiegewinnungund -nutzung können DALYs (Disability AdjustedLife Years) herangezogen werden. DALYs sind einin verringerter Lebenszeit ausgedrücktes Maß fürdie Gesundheitsbelastung. Sie setzen sich zusammenaus Lebensjahren, die mit Gesundheitseinschrän-kungen oder Krankheit gelebt werden müssen undden Lebensjahren, die durch vorzeitigen Tod verlo-ren gehen (Murray und López, 1996). Dieser Indika-tor wird allerdings wegen der Gewichtung des Altersund bestimmter Krankheiten kritisiert, weil dadurchbestimmte Gesundheitsfolgen über- bzw. unterbe-wertet werden können (z. B. UNDP, 2002b). Den-

noch sind DALYs im Moment das beste zur Verfü-gung stehende Maß für standardisierte und ver-gleichbare Aussagen. Die WHO hat im World HealthReport 2002 bereits begonnen, konkrete Risikofak-toren bestimmten Gesundheitsfolgen und -belastun-gen zuzuordnen und den verursachten Anteil inForm von DALYs zu quantifizieren, so auch für Luft-verschmutzung in Städten und Rauch in Innenräu-men (WHO, 2002b).

Definition der LeitplankeBei Verfeuerung fossiler Brennstoffe und von Bio-masse entsteht Luftverschmutzung durch Gase undPartikel, die erhebliche gesundheitliche Risiken fürdie exponierte Bevölkerung birgt (Abb. 4.3-3).

Städtische Luftverschmutzung verursacht vorallem in den rasch wachsenden Megastädten in Ent-wicklungs- und Transformationsländern erheblicheGesundheitsbelastungen, an deren Folgen jährlich0,8 Mio. Menschen sterben (Kap. 3.2.1.3). Nahezu dieHälfte der weltweit 7,9 Mio. DALYs, die der städti-schen Luftverschmutzung zuzurechnen sind, belas-ten die Bevölkerung in der westlichen Pazifikregionund in Südostasien (insbesondere China).

Rauch in Innenräumen durch Verfeuerung festerBrennstoffe in Haushalten (vor allem von Biomasse)ist eine noch größere Gefährdung, die jährlich ca. 2Mio. Menschen vor allem in Entwicklungsländerndas Leben kostet (Kap. 3.2.4.2; UNDP, 2002a). Vonden durch Innenraumluftverschmutzung verursach-ten DALYs sind jeweils ca. ein Drittel Afrika undSüdostasien zuzuordnen. In Indien ist die Krank-heitsbelastung durch Verschmutzung der Innen-raumluft sogar größer als durch Rauchen oder Mala-ria (Kasten 3.2-1).

Bereits heute werden für städtische Luftver-schmutzung und Verschmutzung der Innenraumluftin großen Teilen der Welt Werte unter 0,5% Anteil anden regionalen DALYs erreicht (Abb. 4.3-3). DerBeirat schlägt daher als Leitplanke vor, dass derAnteil der regionalen DALYs, welcher durch beideRisikofaktoren verursacht wird, für alle WHO-Regionen und -Subregionen auf unter 0,5% gesenktwerden soll.

Dazu ist der Ausstieg aus den gesundheitsschädi-genden Formen der traditionellen Biomassenutzungund die Entwicklung und Umsetzung entsprechen-der Alternativen notwendig, was eine große Heraus-forderung darstellt (Bereitstellung sauberer Brenn-stoffe, verbesserte Verbrennungs- und Belüftungs-technik; Kasten 2.4-1; Kap. 5.2.3.2). Zur Einhaltungder Leitplanke kann man Grenzwerte für Luftschad-stoffe festlegen. Die WHO evaluiert seit den 1950erJahren die gesundheitlichen Folgen der Emission vonLuftschadstoffen, hat 1987 die „Air Quality Guideli-nes for Europe“ formuliert und später auf die globale

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133Leitplanken für die Transformation der Energiesysteme 4.3

0,5 1 2 3 4 keineDaten

>4

Anteil an DALYs der Subregion [%]

b

a

Abbildung 4.3-3Der lokalen Luftverschmutzung zugerechnete Gesundheitsbelastung. Als Indikator wird der prozentuale Anteil an den DALYsder jeweiligen Subregion verwendet. Werte über 0,5% liegen jenseits der von WBGU vorgeschlagenen Leitplanke und sind rotgefärbt.a) Gesundheitsbelastung durch Luftverschmutzung in Städten.b) Gesundheitsbelastung durch Rauch in Innenräumen.Quelle: WHO, 2002b

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134 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Ebene ausgeweitet (WHO, 1999). Sie schlagen Leitli-nien und Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Ozon,Kohlenmonoxid, flüchtige organische Verbindungen,Stickoxide, Schwefeloxide und kleine Schwebeteil-chen vor und können als Grundlage für die Formu-lierung nationaler Standards dienen. Es ist Aufgabeder Länder, auf der Basis der Vorarbeiten der WHOentsprechend angepasste nationale Emissionsstan-dards für die Verbrennung fossiler Brennstoffe bzw.von Biomasse festzulegen und deren Einhaltung zuüberwachen.

Prüfung der LeitplankeDie Szenarien geben keine Werte für DALYs an, sodass eine direkte Prüfung der Leitplanke nicht mög-lich ist. Huynen und Martens (2002) stellen in einerÜbersicht von 31 Szenarien fest, dass die Gesundheitnur in 14 Szenarien angemessen beschrieben wirdund nur 4 Szenarien soziokulturelle, ökonomischeund ökologische Faktoren als Antriebskräfte für dieEntwicklung von Gesundheit berücksichtigen. DasA1T-450-Szenario hält die Leitplanke zum Atmos-phärenschutz in der zweiten Hälfte des Jahrhundertsüberall ein (Kap. 4.3.1.6) und verzichtet bis 2100weitgehend auf die Verwendung traditioneller Bio-masse. Die im Szenario angenommenen hohenWachstumsraten lassen somit eine Umsetzung derhier gegebenen Empfehlungen bis 2050 als machbarerscheinen.

4.4 Ein exemplarischer Transformationspfad für dieEnergiewende zur Nachhaltigkeit

4.4.1Ansatz und Methode

Im vorhergehenden Kapitel wurde das A1T-450-Sze-nario daraufhin geprüft, ob es mit den Leitplankenverträglich ist. Dabei zeigte sich, dass dieses Szenarioverschiedene Leitplanken verletzt, wie z. B. die Risi-koleitplanke mit dem Ausbau der Kernenergie oderdie ökologischen Leitplanken mit dem sehr ehrgeizi-gen Ausbau der Biomassenutzung. Auch die Klima-schutzleitplanke wird bei mittlerer Klimasensitivitätverletzt. Dennoch ist das A1T-450-Szenario alsAusgangspunkt für die Empfehlungen des WBGUwertvoll, da hier gleichzeitig eine Stabilisierung derKohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre beidynamischem Wirtschaftswachstum ohne tief grei-fende Änderung der Konsumgewohnheiten erreichtwird (Kap. 4.2). Das Szenario weist Spielraum fürweitere Klimaschutzmaßnahmen durch zusätzlicheSteigerung der Energieproduktivität auf, die eine

weitere Reduktion der Emissionen auf Werte mög-lich erscheinen lassen, mit denen die Klimaleitplankeeingehalten werden könnte.

Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel einmodifiziertes A1T-450-Szenario entwickelt, das dieEinhaltung aller Leitplanken gewährleisten soll. Dasmodifizierte Szenario stellt die technologische, ange-botsseitige Ausprägung eines exemplarischen Trans-formationspfads dar. Mit exemplarisch ist gemeint,dass die technologischen Details des Pfads nicht dieeinzig mögliche Lösung für einen Transformations-pfad zu einem nachhaltigen globalen Energiesystemdarstellen. So könnte z. B. der Energieträgermixunter den erneuerbaren Energien anders aufgeteiltsein.Auch müssten weniger Primärenergie und weni-ger fossile Energieträger einsetzt werden, wenn nichtvon einem Szenario mit ausgesprochenem Energie-hunger ausgegangen würde, sondern von einem Pfadmit stärkerer Berücksichtigung von Maßnahmen zurMinderung der Energienachfrage (z. B. B1-Szenario,Kap. 4.2). Daher gilt der exemplarische Pfad als„Existenzbeweis“ dafür, dass auch bei starkemWachstum des Energiebedarfs ein Umbau des globa-len Energiesystems in mit den Leitplanken verträg-licher Weise durchführbar ist.Andere Pfade könntendies aber ebenfalls leisten.

4.4.2Modifikation des Szenarios A1T-450 zumexemplarischen Pfad

In diesem Abschnitt werden die vom WBGU vorge-nommenen Modifikationen am A1T-450-Szenariovorgestellt und diskutiert, bevor dann in Kapitel 4.4.3der exemplarische Pfad im Überblick vorgestelltwird. Alle Parameter, die in diesem Kapitel nichterwähnt werden, bleiben im exemplarischen Pfadgegenüber dem A1T-450-Szenario unverändert.

Da das A1T-450-Szenario auf einer Reihe sichbedingender Annahmen beruht, kann es nicht belie-big modifiziert werden, ohne inkonsistent zu werden.Insbesondere müssen alle Grundannahmen bezüg-lich des Wirtschaftswachstums, der Investitionen, destechnischen Fortschritts, des Verhältnisses Industrie-länder–Entwicklungsländer, der internationalen Ko-operation, der Bevölkerungsentwicklung usw. beibe-halten werden. Deswegen hat sich der WBGU aufdie technologische Modifikation des Szenariosbeschränkt. Die Energiewirtschaft des A1T-450-Sze-narios erhält bis 2100 eine starke Wasserstoffkompo-nente, die die Hälfte des globalen Energieeinsatzesabdeckt. Um vor diesem Hintergrund die Verträg-lichkeit des exemplarischen Pfads mit dem A1T-450-Szenario zu gewährleisten, werden u. a. die Verhält-nisse Elektrizität/Wärme/Wasserstoff sowie fossi-

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135Exemplarischer Transformationspfad für die Energiewende 4.4

ler/nicht fossiler Anteil des Energieeinsatzes mög-lichst identisch beibehalten. Da aus Wasserstoff undElektrizität jederzeit effizient Wärme bereitgestelltwerden kann und nur die umgekehrte Umwandlungverlustreicher ist, genügt hierzu der Nachweis, dassim exemplarischen Pfad zu jeder Zeit mindestenssoviel Elektrizität und Wasserstoff wie im A1T-450-Szenario bereitgestellt werden kann. Dieser Nach-weis ist nicht trivial und wurde im Rahmen detail-lierter Rechnungen erbracht, die hier allerdings nichtim Einzelnen ausgeführt werden sollen.

Generell ist anzumerken, dass die A1T-Szenarien1997 starten. Die Werte für das Jahr 2000 sind also imA1T-450-Szenario bereits Projektionen. Im exempla-rischen Pfad werden dagegen für 2000 die beobach-teten Werte verwendet.

Methode zur Bilanzierung derPrimärenergieDie gemeinsame Darstellung verschiedener Ener-gieformen und -quellen in einem globalen Mengen-gerüst stellt ein prinzipielles Problem dar, weil übereinige Konversionspfade direkt hochwertige End-energie bereitgestellt wird (z. B. Strom oder Wasser-stoff aus Sonnenenergie), während andere Konver-sionspfade entsprechende Endenergieformen übereinen Wärmezwischenschritt generieren (z. B. fossileKraftwerke). Im Folgenden wird in Anlehnung andie Welt der SRES-Szenarien bei der Darstellung desEnergiegerüsts die „direkte äquivalente Methode“verwendet: Für Kernenergie und alle erneuerbarenEnergien, die direkt Elektrizität oder Wasserstoff alsEndenergie liefern (Wind, Wasserkraft, Photovol-taik, andere erneuerbare Energieträger), entspre-chen die angegebenen Werte der hochwertigen End-energie. Für Energieformen, die erst über denUmweg der Wärmeerzeugung in Strom oder Wasser-stoff als Energieträger veredelt werden können (z. B.fossile Brennstoffe, Biomasse, Geothermie), ent-spricht die angegebene Energiemenge dem thermi-schen Primärenergieäquivalent. In der Darstellungder Szenarien werden die beiden Energiebewertun-gen ohne Korrektur addiert.

Erneuerbare Energien und KernenergieFolgende Modifikationen bezüglich der erneuerba-ren Energien und der Kernenergie wurden vomWBGU am A1T-450-Szenario vorgenommen:• Kernenergie: Die aus Kernenergie bereit gestellte

Energiemenge für das Jahr 2000 basiert im exem-plarischen Pfad auf realen Zahlen der IEA. Fürdas Jahr 2010 wurde der A1T-450-Wert übernom-men. In Abwandlung des A1T-450 läuft die Nut-zung der Kernenergie jedoch im exemplarischenPfad bis zum Jahr 2050 aus. Ersatz für Strom oderWasserstoff aus Kernenergie wird über erneuer-

bare Energieträger und zeitlich begrenzt auchdurch Erdgas geschaffen.

• Wasserkraft: Der Einstiegswert für 2000 wurdevon der IEA übernommen. Danach wird dieKapazität moderat ausgebaut, wobei schließlich15 EJ pro Jahr (im Vergleich zu 35 EJ pro Jahr imA1T-450) erreicht werden.

• Biomasse: Der Einstiegswert für das Jahr 2000beruht auf Schätzungen (Kaltschmitt et al., 2002).Dieser Wert ist mit nennenswerten Unsicherhei-ten behaftet, liegt aber dicht bei den Schätzungendes A1T-450. Die Aufteilung zu etwa gleichen Tei-len in moderne/traditionelle Nutzung wird inAnlehnung an das A1T-450-Szenario übernom-men. Langfristig wird die traditionelle Biomasse-nutzung in ähnlicher Weise zurückgefahren wie imA1T-450; dabei bleibt ab 2050 eine Restenergieer-zeugung von 5 EJ pro Jahr dauerhaft bestehen(gegenüber 0 in A1T-450). Da davon auszugehenist, dass diese Energiemenge dann auch ohneLuftverschmutzung in Häusern genutzt werdenkann, ist diese Modifikation mit der Leitplanke„Gesundheit“ kompatibel. Die moderne Bio-massenutzung wird ähnlich zu A1T-450 hochge-fahren, langfristig aber weniger stark ausgebautund schließlich auf 100 EJ pro Jahr begrenzt (imVergleich zu 260 EJ pro Jahr in A1T-450).

• Windenergie: Der Einstiegswert der Windenergiewurde aus realen Daten zur weltweit installiertenKapazität abgeleitet (BTM Consult, 2001). Bis2020 wird ein jährliches Wachstum von 26% ange-setzt (Verzehnfachung pro Dekade), das dannabflacht. Insgesamt wird die Windkraft erheblichstärker ausgebaut als im A1T-450. Der Endausbauauf 135 EJ pro Jahr liegt aber dennoch deutlichunter dem in Kapitel 3 abgeleiteten technischenPotenzial der Windenergie.

• Solarstrom: Dem Startwert der solaren Stromer-zeugung für das Jahr 2000 liegen reale Datenzugrunde. Danach wird angenommen, dass sichdie Stromerzeugung aus den solaren Quellen (ver-teilte Photovoltaik, photovoltaische und solar-thermische Kraftwerke) bis 2040 jeweils proDekade verzehnfacht. Die aggregierte Wachs-tumskurve solarer Stromerzeugung schneidet sichkurz vor dem Jahr 2050 mit den Werten des A1T-450, die nach Ansicht des Beirats in den davor lie-genden Jahren auf einem unrealistisch hohenNiveau liegen. Gegen 2100 gleicht sich der exem-plarische Pfad dann langsam wieder dem A1T-450an. Potenzialobergrenzen (Kap. 3) werden bis2100 bei weitem nicht erreicht.

• Solarwärme: Im exemplarischen Pfad wird diethermische Nutzung der Solarenergie („Solar-wärme“) ähnlich der A1T-450-Daten erhöht. DerA1T-450-Wert für das Jahr 2000 ist schwer zu bele-

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136 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

gen, da die solare Brauchwassererwärmung imJahr 1998 global tatsächlich wesentlich tiefer lag.Die Beiträge der aktiven und insbesondere passi-ven Nutzung der Solarwärme sind jedoch nurschwierig abzuschätzen, so dass der A1T-450-Werttrotz der bestehenden Bedenken übernommenwurde.

• Geothermie: Diese Energieform wird im A1T-450nicht gesondert ausgewiesen. Der WBGU hältjedoch das Potenzial der Geothermie sowohl mitBlick auf thermische Anwendungen als auch zurStromproduktion für so bedeutsam, dass er eineeigene Kategorie einrichtet. Bei der Strom-/Wärme-Verteilung wurde die Annahmezugrunde gelegt, dass die Hälfte der Primärener-gie thermisch genutzt wird (Heizen, Kühlen, Pro-zesswärme) und die andere Hälfte zur Stromer-zeugung eingesetzt wird. Die entsprechenden Wir-kungsgrade sind hier kleiner als jene fossilerKraftwerke, da geothermische Wärme meist aufeinem vergleichsweise geringen Temperaturni-veau vorliegt. Der Einstiegswert für das Jahr 2000wurde aus dem World Energy Assessment über-nommen (UNDP et al., 2000).

• Andere erneuerbare Energien: Hier wurden Pri-märenergiebeiträge angesetzt, die deutlich opti-mistischer als die des A1T-450 sind. Der WBGUist der Auffassung, dass die Entwicklung neuerTechnologien zur Nutzung erneuerbarer Energie-quellen bei weitem noch nicht abgeschlossen ist.Beispiele solcher bereits heute diskutierten Tech-nologien sind Solarchemie (Erzeugung speicher-barer Energieträger), Gezeiten- und Wellenener-gie sowie der Photosynthese verwandte Energie-konversion mit Hilfe künstlicher Membransys-teme.

Fossile EnergienDiese sind entscheidend für die CO2-Emissionen unddamit für die Klimaleitplanke. Sie wurden nur in sehrgeringem Ausmaß modifiziert. Für das Jahr 2000wurde der reale Energieeinsatz in den exemplari-schen Pfad aufgenommen. Die entsprechendenDaten beruhen auf aktuellen Statistiken der US-Regierung (US-DOE, 2002). Ab 2010 bis 2050 wur-den die Beiträge der einzelnen fossilen Quellennahezu unverändert aus A1T-450 übernommen.Lediglich der vorübergehende Strom-Engpass zuBeginn des Jahrhunderts, der sich durch dievergleichsweise vorsichtigere Nutzung von Biomasseund Wasserkraft ergibt, wird durch einen zusätz-lichen, zeitlich befristeten Einsatz von Gaskraftwer-ken gedeckt. Dies führt vorübergehend zu einemgeringfügigen Anstieg des Energiebedarfs gegenü-ber dem A1T-450-Szenario. Das Gas muss ausrei-chend Elektrizität liefern, um die entsprechenden

Ausfälle bei den nicht fossilen Energien zu kompen-sieren. Dies resultiert in etwa 17 Gt C zusätzlichenCO2-Emissionen des exemplarischen Pfads gegenü-ber A1T-450 im Zeitraum bis 2050, wenn man einen50%igen Kraftwerkswirkungsgrad ansetzt.

In der zweiten Jahrhunderthälfte konnten die fos-silen Energieträger dagegen insgesamt etwas niedri-ger als im A1T-450-Szenario angesetzt werden, dadann auch der Energiebedarf durch stärkere Effi-zienzsteigerung sinkt. Zunächst wird er dabei im fos-silen und nicht fossilen Sektor gleichermaßen redu-ziert. Damit ergibt sich eine Reduktion der energie-bezogenen CO2-Emissionen von etwa 24 Gt C zwi-schen 2050 und 2100, die den erhöhten Gasverbrauchin der ersten Jahrhunderthälfte überkompensiert.

EnergieproduktivitätAb 2040 wird eine Verbesserung der Energieproduk-tivität gegenüber dem A1T-450-Szenario angenom-men. Während seit Beginn der Industrialisierungeine Verbesserung der Energieproduktivität umetwa 1% im jährlichen globalen Mittel erzielt wor-den ist, setzen die A1T-Szenarien etwa 1,3% pro Jahran. Szenarien, die an diesem Punkt noch ehrgeizigereAnnahmen treffen, veranschlagen sogar 2% pro Jahr(B1; Kap. 4.2). Im exemplarischen Pfad werden ab2040 1,6% pro Jahr Steigerung angenommen. Dieseist noch konsistent mit den Annahmen der A1-Welt,weil das A1T-450-Szenario Maßnahmen zur Minde-rung der Energienachfrage, etwa über Preisanreize,kaum berücksichtigt und somit noch Spielraum fürdie Annahme einer weiteren Steigerung der Energie-produktivität lässt, ohne dass – wie in der B1-Welt –ein Werte- und Strukturwandel hin zu weniger ener-gieintensiven Produkten und Dienstleistungen derWirtschaft vorausgesetzt werden müssten. Damitwird im Jahr 2100 eine Reduktion des Energieeinsat-zes von 22% gegenüber dem A1T-450-Szenarioerzielt.

Kohlendioxid-Speicherung(„Sequestrierung“)Diese kann unterschieden werden in Kohlendioxid-speicherung bei fossilen und bei Biomassekraftwer-ken.• Kohlendioxid-Speicherung bei fossilen Kraftwer-

ken: Im A1T-450-Szenario werden bis 2100 insge-samt etwa 218 Gt C gespeichert, im Jahr 2100 nochmit einer Rate von 1,7 Gt C pro Jahr. Da der Bei-rat eine zeitliche Begrenzung der Kohlendioxid-Speicherung wegen der begrenzten Kapazität derEndlagerstätten für wichtig hält, wird die Speiche-rung im exemplarischen Pfad zeitlich so verteilt,dass sie bis Ende des 21. Jahrhunderts beendetwird. Da im A1T-450-Szenario allerdings bereitsder wesentliche Teil des in Kraftwerken anfallen-

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137Exemplarischer Transformationspfad für die Energiewende 4.4

den Kohlenstoffs gespeichert wird, ist der Spiel-raum für entsprechende Umverteilungen sehrgering und die kumulierte Menge gespeichertenKohlenstoffs muss im exemplarischen Pfad gegen-über dem A1T-450-Szenario leicht abgesenkt wer-den.

• Kohlendioxid-Speicherung bei Biomassekraftwer-ken: An Biomassekraftwerken sowie an Anlagenzur Herstellung von Synthesegas (Wasserstoff)aus Biomasse kann der in Biomasse enthalteneKohlenstoff in Form von CO2 aus dem Abgasabgetrennt und der Speicherung zugeführt wer-den. Netto wird dadurch der Atmosphäre Kohlen-dioxid entzogen. Die entsprechende Technologiewird im exemplarischen Pfad ab 2040 eingeführtund ausgebaut, wobei in den Dekaden zwischen2060 und 2080 in Anlagen mit Speicherung jähr-lich 25 EJ Energie aus Biomasse angesetzt wer-den. Gegen Ende des Jahrhunderts kann aus die-ser Technologie wieder ausgestiegen werden. Beieinem angenommenen Wirkungsgrad der Spei-cherung von 70% liefert dieser Zeitverlauf gegen-über dem A1T-450-Szenario eine zusätzliche Ein-sparung von etwa 21 Gt C bei den CO2-Emissio-nen. Die Kohlenstoffspeicherung im exemplari-schen Pfad ist in Abbildung 4.4-1 derjenigen inA1T-450 gegenübergestellt.

Gesamte CO2-EmissionenUnter Berücksichtigung aller oben diskutierten Mo-difikationen verlaufen die energiebedingten CO2-Emissionen im exemplarischen Pfad im Vergleichzum A1T-450-Szenario wie in Abbildung 4.4-2 vorge-stellt. Die Unterschiede sind vergleichsweise gering.

Unter Einbeziehung der unverändert übernomme-nen nicht energiebezogenen CO2-Emissionen resul-tieren beide Szenarien in kumulierten CO2-Emissio-nen von knapp 650 Gt C bis 2100. Auch die zeitlicheVerteilung der Emissionen ist in beiden Szenariensehr ähnlich. Selbst wenn man die in diesem Kapiteldiskutierten Unsicherheiten berücksichtigt, geltendaher alle Aussagen bezüglich der globalen Erwär-mung, die sich bei der Prüfung der Klimaleitplankenfür A1T-450 ergaben, auch für den exemplarischenPfad. Zum Vergleich sind die CO2-Emissionen einesanderen Pfads angegeben („MIND“), der aus einerweiteren Modellrechnung abgeleitet wurde (Kap.4.5)

4.4.3Der Technologiemix des exemplarischen Pfads imÜberblick

Mit den diskutierten Modifikationen wird die Vertei-lung der Energienachfrage auf Energieträger imexemplarischen Pfad in Tabelle 4.4-1 dargestellt.Tabelle 4.4-2 gibt einen Überblick über die CO2-Emissionen sowie die CO2-Speicherung. Abbildung4.4-3 zeigt die Verteilung der Energienachfrage aufEnergieträger im exemplarischen Pfad. Wegen derUnsicherheiten für langfristige Projektionen sind inder Abbildung vom Zeitraum 2050–2100 nur die letz-ten Jahre dargestellt. Die Projektion für das Jahr2100 zeigt die überragende Bedeutung der Sonnen-energie in diesem Szenario.

Wesentlich für den exemplarischen Pfad ist nichtnur die Befriedigung der Energienachfrage durch

2000 2020 2040 2060 2080 21000

1

2

3

4

5

6

Koh

lens

toffs

peic

heru

ng [G

t C/a

]

A1T-450

ExemplarischerPfad

Jahr

Abbildung 4.4-1Kohlenstoffspeicherung im A1T-450-Szenario und imexemplarischen Pfad.Quelle: WBGU und Riahi, 2002

Abbildung 4.4-2Energiebedingte CO2-Emissionen im A1T-450-Szenario, imexemplarischen Pfad und dem durch das Modell MINDberechneten UmBAU-Pfad.Quelle: WBGU und Riahi, 2002 sowie Edenhofer et al., 2002

2000 2020 2040 2060 2080 21000

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Ene

rgie

bedi

ngte

CO

2-E

mis

sion

en [G

t C/a

]

A1T-450

ExemplarischerPfad

MIND-Pfad

Jahr

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138 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

einen bestimmten Energieträgermix, sondern auchdie angenommene, im Vergleich zum A1T-450-Sze-nario höhere Steigerung der Energieproduktivität.Eine solche Steigerung kann z. B. durch eine preisin-duzierte Minderung der Energienachfrage, die zurEffizienzsteigerung sowohl bei der Energiekonver-sion als auch bei der Endenergienutzung führt, aberauch beispielsweise durch sektoralen Strukturwan-del und veränderte Siedlungs- und Verkehrsstruktu-ren sowie verändertes Konsumverhalten erreichtwerden. Dadurch kann insgesamt soviel Energieein-satz vermieden werden, dass dieser Bereich zu einertragenden Säule des exemplarischen Pfads wird(Abb. 4.4-4).

4.4.4Fazit: Die globale Energiewende ist möglich

Im vorigen Abschnitt konnte das BezugsszenarioA1T-450 durch den WBGU konsistent so modifiziert

werden, dass es alle Leitplanken einhält (zur Klima-leitplanke Kap. 4.5.2). Das Ergebnis ist ein exempla-rischer Transformationspfad, der demonstriert, dassauch in einer Welt mit stark wachsendem Energie-hunger eine Transformation der globalen Energie-systeme zur Nachhaltigkeit möglich ist. Dieser Pfadhat einige wesentliche Eigenschaften, die hier her-vorgehoben werden sollen.

Der exemplarische Pfad weist hohe Wachstumsra-ten sowohl beim Energieeinsatz (Verdreifachung bis2050) als auch bei der wirtschaftlichen Entwicklungauf (Versechsfachung bis 2050). Er besteht aus dreiSäulen: Den auslaufenden fossilen Energien, denansteigenden erneuerbaren Energien und der wach-senden Energieproduktivität. Die erneuerbarenEnergien übernehmen ab der Jahrhundertmitte dengrößten Anteil an der Energiebereitstellung. Imexemplarischen Pfad beträgt ihr Anteil in 2050 etwa50% und 2100 fast 90%. Um dieses Ziel zu erreichen,sind während mehrerer Jahrzehnte gewaltige Steige-rungsraten von knapp 30% jährlich notwendig. Dies

Tabelle 4.4-1Globale Energienachfrageim exemplarischen Pfad,aufgeschlüsselt nachEnergieträgern. Dieangegebenen Werte wurdenmit der Direktäquivalent-methode berechnet (Kap.4.4.2).Quelle: WBGU

2000 2010 2020 2030 2040 2050 2100

[EJ]

Öl 164 171 187 210 195 159 52Kohle 98 111 138 164 126 84 4Gas 96 138 196 258 310 306 165Kernenergie 9 12 12 6 3 0 0Wasserkraft 9 10 11 12 12 12 15Biomasse,

traditionell 20 17 12 8 7 5 5Biomasse,

modern 20 48 75 87 100 100 100Wind 0,13 1,3 13 70 135 135 135Solarstrom 0,01 0,06 0,6 6 63 288 1.040Solarwärme 3,8 9 17 25 42 43 45Andere erneuerbare

Energien 0 0 2 4 10 15 30Geothermie 0,3 1 3 10 20 22 30

Gesamt 420 519 667 861 1.023 1.169 1.620

Tabelle 4.4-2CO2-Emissionen und CO2-Speicherung im exemplarischen Pfad.Quelle: WBGU

2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100

[Gt C]

Jährliche Energie bezogeneCO2-Emissionen 7,3 8,4 9,4 9,5 7,8 5,6 4,3 4,0 3,9 3,7 3,6

Jährliche Energie bezogeneCO2-Sequestrierung 0 0,1 0,9 3,0 4,1 4,5 4,2 1,5 0,7 0,3 0

Jährliche nicht Energie bezo-gene CO2-Emissionen (z. B.Abholzung) 1,1 1,1 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1

Gesamt 8,4 9,5 9,8 9,7 8,0 5,7 4,4 4,1 4,0 3,8 3,8

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139Diskussion des exemplarischen Pfads 4.5

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

2000 2010 2020 2030 2040 2050 2100

Prim

ären

ergi

eein

satz

[EJ/

a]

0

Jahr

Öl

Kohle

Gas

Kernenergie

Wasserkraft

Biomasse(traditionell)

Biomasse(modern)

Wind

Solarstrom(Photovoltaik undsolarthermischeKraftwerke)

Solarthermie(nur Wärme)

AndereErneuerbare

Geothermie

Abbildung 4.4-3Energieeinsatz nach Energieträgern für den exemplarischen Transformationspfad. Dieser Pfad demonstriert, dass dernachhaltige Umbau der globalen Energiesysteme technologisch möglich ist. Ein anderer Technologiemix bei den erneuerbarenEnergien könnte dies ebenfalls leisten.Quelle: WBGU

Abbildung 4.4-4Energieeffizienzsteigerung im exemplarischen Pfad. Ab 2040 werden für den exemplarischen Pfad 1,6% jährliche Steigerungder Energieproduktivität angenommen, gegenüber einem historischen Trend von 1% jährlich.Quelle: WBGU

2000 2010 2020 2030 2040 2050 2100

Ene

rgie

eins

atz

bzw

. Ene

rgie

effiz

ienz

stei

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ng [E

J/a]

2.000

1.500

1.000

500

Jahr

2.500

0

Summe der fossilen Energieträgersowie Kernenergie

Summe der erneuerbarenEnergieträger

Energieeinsparungen durch Steigerung der Energieproduktivität

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140 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

liegt aber auch im Bereich des Möglichen, wie zuletztdie Zuwachsraten bei Wind- und Sonnenenergie ineinigen Ländern demonstriert haben. Eine wichtigeEigenschaft des exemplarischen Pfads ist das erheb-liche Wachstum der Solarenergie. In Abbildung 4.4-5wird der Flächenbedarf veranschaulicht, der zurDeckung des im exemplarischen Pfad für Westeu-ropa und Nordamerika prognostizierten Solarstromsnotwendig wäre, wenn alle Solarkraftwerke aufeinem Ort konzentriert würden. Dies ist allerdingsnicht vorgesehen; tatsächlich würden die Anlagenstark dezentral genutzt, auch in den mittleren Brei-ten und in den Industrieländern. Ein globales Ener-giesystem, das wesentlich auf Solarstrom beruht,erfordert im Vergleich zu Siedlungen und bisherigerInfrastruktur keine unvertretbar großen Flächen,zumal die Nutzung in ariden Gebieten kaum mitanderen Nutzungsformen konkurriert und Doppel-nutzungen etwa auf Dächern oder Verkehrsflächenmöglich sind.

Die rasante technologische Entwicklung im exem-plarischen Pfad vollzieht sich im zugrunde liegendenSzenario dadurch, dass weltweit und insbesondere inden Entwicklungsländern die Wirtschaft raschwächst und genügend Mittel für die Transformationzur Verfügung stellt. Weniger energiehungrige Pfadelassen bei entsprechenden Rahmenbedingungen fürWirtschafts- und Technologieentwicklung wahr-

scheinlich noch mehr Spielraum für die Transforma-tion zu. Das bestätigt die wichtigste Aussage desexemplarischen Transformationspfads: Die nachhal-tige Transformation der globalen Energiesysteme istmachbar.

4.5Diskussion des exemplarischen Pfads

In diesem Kapitel soll der zuvor abgeleitete exem-plarische Pfad detaillierter untersucht werden. Dazugehört insbesondere die Diskussion um die Unsi-cherheiten und die Kosten dieses Pfads. Um dieseDiskussion führen zu können, werden in Kapitel4.5.1 mit einem endogen arbeitenden Modell alter-native Modellrechnungen vorgenommen, um denHandlungsspielraum für den Umbau des Energiesys-tems unter Beachtung definierter Leitplanken auszu-leuchten. Der exemplarische Pfad wird danach inKapitel 4.5.2 vor allem bezüglich der Einhaltung derKlimaleitplanke diskutiert.

ba

Abbildung 4.4-5Visualisierung des Flächenbedarfs für Solarstrom. Die Quadrate veranschaulichen die Flächen, die zur Produktion desSolarstroms notwendig wären, der im exemplarischen Pfad für 2050 veranschlagt ist. (a) für Nordamerika benötigte Flächen,bei Erzeugung in Texas (100% Erzeugung in Solarkraftwerken). (b) für Westeuropa benötigte Flächen, wobei zwei Drittel desSolarstroms in Mitteleuropa gewonnen werden (oberes Quadrat; Einstrahlungswerte von Belgien, 25% Erzeugung inSolarkraftwerken, 75% dezentral), ein Drittel in der Sahara (unteres Quadrat; Einstrahlungswerte von Algerien, 100%Erzeugung in Solarkraftwerken). Die Regionen Westeuropa (WEU) und Nordamerika (NAM) sind definiert wie inNakicenovic et al., 1998. Der Berechnung liegen die technischen Potenziale zugrunde. Die Leitungsverluste wurden pauschalmit 10% berücksichtigt.Quelle: WBGU

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141Diskussion des exemplarischen Pfads 4.5

4.5.1Das MIND-Modell

Um die Ergebnisse des Kapitels 4.4 makroökono-misch zu untermauern, nutzt der WBGU ein innova-tives Modellkonzept, welches eine Konsistenzprü-fung des exemplarischen Pfads ermöglicht. Dazuwird das Modell MIND (Model of Investment andTechnological Development; Edenhofer et al., 2002)verwendet. MIND ist ein endogenes Energiesystem-modell, welches an ein Klimamodell gekoppelt ist.

Der im Kapitel 4.4 abgeleitete exemplarische Pfadberuht stark auf den Annahmen des A1T-450-Szena-rios (Kap. 4.2). Diese betreffen u.a. Bevölkerungs-entwicklung, Wirtschaftswachstum, Entwicklung desEnergiebedarfs und technologischen Fortschritt, dieexogen vorgegeben sind.

Ein alternativer Ansatz besteht darin, zentraleVariablen wie Wirtschaftswachstum, Energiebedarfsowie Effizienz- und Produktivitätssteigerungenendogen, d. h. innerhalb des Modellrahmens, zubestimmen. Im Gegensatz zum MESSAGE-Modell,mit dem die Rechnungen zum A1T-Szenario durch-geführt wurden, sind in MIND nur wenige Rahmen-daten und ein Satz plausibler Entscheidungskriterienfür die dynamische Optimierung vorgegeben. Zwarliefert MIND keine regionale und auch keine tech-nikspezifische Auflösung, jedoch ermöglicht dieseralternative Zugang weitere Plausibilitätstests desexemplarischen Pfads. MIND ist ein globales Modellund ermöglicht die Bewertung langfristiger Hand-lungsoptionen für den Klimaschutz bezüglich dererforderlichen Investitionen sowie der technologi-schen Entwicklungsdynamik. Es ermöglicht insbe-sondere eine kritische Überprüfung der Hypothese,die Kosten eines Umbaus seien viel zu hoch undstünden in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Dem Modell werden im wesentlichen nur Bevöl-kerungsentwicklung, Lernkurven für Technologienund Verfügbarkeit von Kohle, Öl und Gas vorgege-ben. Die zukünftigen Entwicklungen, wie z. B. dieNachfrage bei fossilen und erneuerbaren Energie-trägern sowie der Konsum, werden vom Modellendogen berechnet. Wie in der wirtschaftlichenWachstumstheorie üblich, wird ein Investor an-genommen, der versucht, den Pro-Kopf-Konsum vonProdukten und Dienstleistungen über die Zeit hin-weg zu maximieren (Ramsey, 1928). Die Emissions-pfade werden auf der Basis eines endogenisiertentechnischen Fortschritts bestimmt, denn die techno-logische Entwicklung ist ein Prozess, welcher ent-scheidend durch ökonomische Aktivitäten mitbe-stimmt wird. Dies gilt insbesondere dann, wennKnappheiten Innovationen hervorrufen wie z. B. eineÖlkrise (Ruttan, 2000; Goulder und Mathai, 2000).

MIND berücksichtigt zudem Effekte, die durchRationalisierungsmaßnahmen und Lernen induziertwerden, z. B. durch wachsende Produktionsmengenoder durch eine Ressourcenverknappung. Des weite-ren verwendet der WBGU in MIND keine Kosten-Nutzen-Analysen, wie sie in der Klimaökonomieüblich sind (z. B. Nordhaus und Boyer, 2000). DerGrund liegt darin, dass es dem WBGU äußerstschwierig erscheint, Klimaschäden angemessen zumonetarisieren.

MIND enthält drei unterschiedliche Energiesek-toren, die aggregiert betrachtet werden: erneuerbareEnergien, Energiegewinnung aus fossilen Brennstof-fen und Extraktion fossiler Brennstoffe. Der fossileEnergiemix wird nicht explizit modelliert, sondern eswird der zeitliche Verlauf des Kohlenstoffgehalts desfossiler Energiemixes aus dem exemplarischen Pfadübernommen. Die fossilen Primärenergieträger wer-den in MIND im fossilen Energiesektor zu Endener-gie umgewandelt. Die Umwandlungseffizienz kanndabei durch die Substitution von Primärenergiedurch Kapital endogen verändert werden. Zur End-energie aus fossilen Quellen wird die Energie ausnicht fossilen Quellen addiert. Dieser Ansatz ent-spricht der direkten Äquivalentmethode, die auchfür den exemplarischen Pfad angewandt wurde. Miterneuerbaren Energieträgern sind in MIND die„neuen“ erneuerbaren Energieträger bezeichnet,d.h. diejenigen, die sich in der Zukunft noch techno-logisch entwickeln können (beispielsweise Sonnen-energie, Wind, moderne Biomasse). Auch sie werdenaggregiert modelliert. Die konventionellen erneuer-baren Energieträger wie traditionelle Biomasse undWasserkraft werden in MIND nicht explizit model-liert. Die aus diesen Quellen und der Kernkraftgewonnene Energiemenge wird aus dem exemplari-schen Pfad übernommen (Kap. 4.4). Das gleiche giltfür die Emissionen der anderen Treibhausgase(Methan, Lachgas, CO2 aus Landnutzungsänderungund die fluorierten Gase) und die Kohlenstoffspei-cherung in geologischen Formationen. Damit istgewährleistet, dass alle Faktoren, die von MINDnicht modelliert werden, mit denen des exemplari-schen Pfads übereinstimmen. MIND berechnetunterschiedliche Szenarien für den BAU- („businessas usual“) und UmBAU-Fall. Für den BAU-Fall wer-den kosteneffektive Pfade ohne Beschränkungenberechnet, während im UmBAU-Fall zusätzlich dieEinführung der vom Beirat definierten Klimaleit-planke erfolgt. Schließlich werden Korridore zukünf-tiger Emissionspfade berechnet, die mit der Klima-leitplanke verträglich und unter Entwicklungsaspek-ten ökonomisch vertretbar sind.

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142 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

Ergebnisse von MINDAbbildung 4.5-1 zeigt die Ergebnisse der MIND-Simulationen für die Entwicklung des Primärenergi-eeinsatzes und dessen Aufteilung in erneuerbare undfossile Energien. Im BAU-Fall werden neue erneuer-bare Energien erst zu Beginn des 22. Jahrhundertsökonomisch rentabel, weil dann die höheren Explo-rations- und Förderkosten für Kohle, Öl und Gas zumassiven Investitionen in erneuerbare Energien füh-ren (Abb. 4.5-1a). Die Modellrechnungen zeigenaber auch, dass unter diesen Bedingungen mit einemAnstieg der globalen Mitteltemperatur von mehr als4 ºC gerechnet werden muss (Abb. 4.5-2c). Das Kli-maproblem löst sich also nicht allein durch die Ver-knappung der fossilen Ressourcen. Daher werden ineinem zweiten Fall UmBAU-Szenarien unter Set-zung der Klimaleitplanke untersucht.

Trotz des unterschiedlichen Ansatzes im Vergleichzum A1T-450-Szenario kommt MIND im UmBau-Szenario (Abb. 4.5-1b) zu ähnlichen Energiebedarfs-entwicklungen bei fossilen und erneuerbaren Ener-gien wie der exemplarische Pfad (Abb. 4.4-3).Weiterhin zeigt sich, dass erneuerbare Energienunter einem solchen Szenario erheblich früher volks-wirtschaftlich rentabel werden. Durch die Modell-simulationen kann also die Machbarkeit des exem-plarischen Pfads nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass im Ver-gleich zum BAU-Pfad die CO2-Emissionen imUmBAU-Fall massiv gesenkt werden können (Abb.4.5-2a,b). Die Klimaleitplanke kann aber nur danneingehalten werden, wenn im Verlauf der nächsten100 Jahre ca. 200 Gt C in sicheren geologischen For-mationen sequestriert werden (Abb. 4.5-2b,c). Im

Vergleich zum exemplarischen Pfad enthält derUmBAU-Pfad insgesamt von 2000–2100 etwa 100 GtC weniger; damit steigt für das UmBAU-Szenarioder atmosphärische Gehalt an CO2 auf nicht mehr als410 ppm (im Jahr 2100) an.

Notwendige InvestitionenMIND bestätigt als gekoppeltes Klima-/Energiesys-temmodell, dass Emissionsziele glaubhaft angekün-digt werden müssen, wenn sich die Erwartungen derKapitalgeber so verändern sollen, dass sie in einenUmbau des Energiesystems investieren. KönnenInvestoren damit rechnen, dass die Politik die Lizen-zen für Emissionen in die Atmosphäre langfristigverknappen wird, z. B. durch Zertifikatehandel oderauch durch Umweltqualitätsziele, geht dies bereitsheute in das Investitionskalkül ein.

Für den UmBAU-Fall berechnet MIND von2000–2100 kumulierte Investitionen in das globaleEnergiesystem von 330.000 Mrd. US-$, für den BAU-Fall 300.000 Mrd. US-$. Diese Angaben sind nurschwer mit empirischen Investitionsdaten der letztenJahre zu überprüfen, da die Abschätzung zukünftigerglobaler Investitionen große Unsicherheiten auf-weist (UNDP et al., 2000).

Die MIND-Simulationen zeigen, dass im Jahr2000 im BAU-Fall Investitionen von 3,9% des welt-weiten BIP (Extraktion, aber ohne F&E) in den fos-silen Energiesektor erfolgen. Der World EnergyAssessment Report von UNDP et al. (2000) weisthierfür nur einen Anteil von 1–1,5% aus. Allerdingsschätzt auch UNDP diese Quote als zu niedrig ein (inder Diskussion sind ca. 3%), weil die Kapitalkostendeutlich unterschätzt werden. MIND wird mit einer

Abbildung 4.5-1Energieeinsatz im MIND-Modell in den Fällen (a) BAU und (b) UmBAU unter Beachtung der Klimaleitplanke, jeweilsaufgeteilt in fossile, neue erneuerbare und traditionelle nicht fossile Energien. Bei BAU sinkt der Energieeinsatz zum Ende des21. Jahrhunderts leicht, weil dann die Verknappung fossiler Ressourcen wirksam wird. Durch die massive Einführungerneuerbarer Energieträger steigt aber nach 2100 auch hier der Energieeinsatz wieder an (hier nicht gezeigt). Da MIND ab1995 rechnet, weichen bereits im Jahr 2000 die Werte im UmBAU und im BAU-Fall voneinander ab, weil die Investoren imUmBAU-Fall ihre Entscheidungen bereits unter Berücksichtigung der Klimaleitplanke treffen.Quelle: Edenhofer et al., 2002

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143Diskussion des exemplarischen Pfads 4.5

relativ hohen Investitionsquote initialisiert, weildiese mit den in diesem Report genannten Kapital-kosten annähernd konsistent ist.

Unabhängig von diesen Unsicherheiten zeigen dieMIND-Rechnungen, dass im Business-as-usual-Fallin erneuerbare Energien erst investiert wird, wenndie fossilen Ressourcen versiegen. Im UmBAU-Fallkommt es frühzeitig zu einer Verhaltensänderungder Investoren; die Klimaleitplanke kann ohneschwerwiegende volkswirtschaftliche Verluste einge-halten und die Transformation der globalen Energie-systeme wesentlich beschleunigt werden. Mit Beginnder Umbauphase entstehen zwar leichte Konsum-und Einkommensverluste (weniger als 4% Verände-rung), aber nach Abschluss der Umbauphase (nach2100) aufgrund steigender Skalenerträge sogarWohlfahrtsgewinne (Abb. 4.5-3a). Die zugrunde lie-genden Lernkurven müssen dabei historische Ratennicht übersteigen. Dabei wurden über den relevan-

ten Zeitraum (2000–2100) für die erneuerbarenEnergien aggregierte Lernkurven mit konstanterLernrate angenommen. Dies beinhaltet auch dieAnnahme, dass neue Technologien auf den Marktkommen, deren Durchschnittskosten durch „learn-ing by doing“ gesenkt werden können. Sensitivitäts-analysen zeigen aber, dass sich die Ergebnisse auchbei Lernkurven mit abnehmender Lernrate qualita-tiv nicht ändern. Ein Umbau zur Nachhaltigkeit istohne große volkswirtschaftliche Verluste möglich,wenn der erneuerbare Energiesektor seine historischerzielten Lernraten fortschreiben kann (Abb. 4.5-3b).

Zulässige EmissionskorridoreIm Rahmen des Szenariokalküls werden, wie inKapitel 4.1 beschrieben, nicht nur kosteneffektivePfade hinsichtlich der Einhaltung einer Klimaleit-planke untersucht, sondern es erfolgt auch eine Ana-

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Landnutzungsänderung

Energieeinsatz

BAU-Pfad

UmBAU-Pfad

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Landnutzungsänderung

Energieeinsatz

Jahr Jahr

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Abbildung 4.5-2CO2-Emissionen im MIND-Modell für den Fall (a) BAU- und (b) UmBAU. Im UmBAU-Fall sind zusätzlich die durchSpeicherung vermiedenen CO2-Emissionen dargestellt. Abbildung (c) zeigt Klimafenster und Temperaturentwicklung für dieJahre 2000–2100 für die beiden Szenarien (BAU rot, UmBAU schwarz). Da MIND ein Optimierungsmodell ist, verläuft imUmBAU-Fall die Temperaturentwicklung in Teilen direkt entlang der Grenze des Klimafensters. Es wurde eineKlimasensitivität von 2,5 °C Erwärmung bei Verdopplung der vorindustriellen CO2-Konzentration angenommen. Dietatsächlichen Emissionen sind durch die Summe aus roter und hellroter Fläche gegeben. Die extrahierten Ressourcen werdendurch die Summe aus schwarzer und hellroter Fläche gekennzeichnet. Da für MIND das Startjahr 1995 ist, weichen bereits imJahr 2000 die Werte für UmBAU und BAU voneinander ab, weil die Investoren im UmBAU-Szenario für ihre Entscheidungendie Klimaleitplanke bereits zu berücksichtigen haben.Quelle: Edenhofer et al., 2002

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lyse, welcher Spielraum diese Vorgabe dem vonMIND definierten ökonomischen System für dieExtraktion fossiler Ressourcen und den damit ver-bundenen Emissionen noch belässt. Fragen in diesemKontext lassen sich durch den Fensteransatz (Toler-able Windows Approach: WBGU, 1995; Toth et al.,1997; Petschel-Held et al., 1999; Bruckner et al., 1999)beantworten. Der Fensteransatz stellt ein Verfahrenzur Bestimmung von Emissionskorridoren bereit(Leimbach und Bruckner, 2001). Emissionskorridorestellen die Menge aller Emissionswerte in der Zeitdar, die von einem mit den Leitplanken verträglichenEmissionspfad angenommen werden können. ImRahmen des Fensteransatzes erfolgt keine Optimie-rung des ökonomischen Systems, so dass neben derKlimaleitplanke noch sozioökonomische Leitplan-

ken eingeführt werden, um den Raum zulässigerEmissionszukünfte (Kap. 4.3) sinnvoll zu begrenzen.Hierfür wurde eine Untergrenze für das Wachstumdes durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsums gefor-dert, um dem Entwicklungsanspruch der Entwick-lungsländer Rechnung zu tragen. Zudem wurde einezu starke Verknappung des ProduktionsfaktorsEnergie ausgeschlossen.

Abbildung 4.5-4 zeigt leitplankenverträglicheKorridore für die Emissionen und die Ressourcenex-traktion. Der Unterschied in den Korridoren ergibtsich vor allem aus der Sequestrierung eines Teils derenergiebedingten CO2-Emissionen. Zusätzlich füh-ren landnutzungbedingte Emissionen zu einem wei-teren Unterschied. Innerhalb der Korridore werdenjeweils die kosteneffektiven Pfade gezeigt

Abbildung 4.5-4Korridore für (a) CO2-Emissionen mit Berücksichtigung der CO2-Speicherung sowie (b) Ressourcenextraktion. Die Korridorewurden unter Vorgabe des Klimafensters und sozioökonomischer Leitplanken berechnet. Außerhalb der Korridore befindetsich der nicht nachhaltige Bereich. Allerdings sind nicht alle Pfade innerhalb der Korridore unbedingt nachhaltig. So verletztein Pfad, der ständig an der Obergrenze des Korridors verläuft, das Klimafenster. Die Einhaltung des Korridors stellt einenotwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Einhaltung der Leitplanken dar.Quelle: Edenhofer et al., 2002

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144 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

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Abbildung 4.5-3(a) Prozentuale Verluste an Konsum und Einkommen für das UmBAU Szenario im Vergleich zum BAU Szenario: Einkommen(rot), Konsum (schwarz). (b) Entwicklung des globalen BIP im BAU (rot) und UmBAU-Fall (schwarz).Quelle: Edenhofer et al., 2002

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145Diskussion des exemplarischen Pfads 4.5

(UmBAU-Pfade), die die Klimaleitplanke einhalten.Da diese innerhalb der Korridore liegen, erfüllen sieauch die beiden anderen gesetzten Leitplanken.Zudem liegen die Pfade im oberen Teil der Korri-dore, d.h. es sind im Rahmen der sozioökonomischenLeitplanken sogar noch drastischere Emissionsre-duktionen möglich. Das von MIND modellierte öko-nomische System ist also flexibel genug, durch einenfrühen Umbau des Energiesystems den Anteil fossi-ler Energieträger an der Energieproduktion ausrei-chend schnell zurückzufahren, um Klimaschutz auchunter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ent-wicklung sicherzustellen.

MIND berechnet also einen Klimaschutzpfad, derbei einer mittleren Klimasensitivität im Klimafensterbleibt und dennoch Politiker nicht vor unlösbareAllokationsprobleme stellt. Damit wird der vomWBGU verwendete exemplarische Pfad bestätigt.Allerdings benötigt dies eine massive Erhöhung derInvestitionen in den erneuerbaren Energiesektor.Das Zusammenspiel von Fördermaßnahmen – zurBeschleunigung des Lernens – und langfristigerEmissionsbegrenzung für den Klimaschutz ermög-licht eine effektive Steuerung des Umbaus in einenachhaltige Zukunft.

4.5.2Der exemplarische Pfad: Bedeutung,Unsicherheiten und Kosten

In diesem Abschnitt wird der exemplarische Pfad ausKapitel 4.4 diskutiert. Dabei stehen die Unsicherhei-ten bezüglich der zulässigen Emissionsmengen unddie Finanzierbarkeit des Pfads im Vordergrund.

4.5.2.1Unsicherheiten bei den erlaubtenEmissionsmengen

Der exemplarische Pfad enthält kumuliert von 2000bis 2100 etwa 100 Gt C mehr CO2-Emissionen, alsder Pfad, der vom MIND-Modell im UmBAU-Sze-nario berechnet wurde. Allerdings zeigt die Diskus-sion in Kapitel 4.4.2, dass der exemplarische Pfad denzur Reduktion von CO2-Emissionen vorhandenenSpielraum ausreizt. So wären beispielsweise eineangenommene stärkere Erhöhung der Energiepro-duktivität nicht mehr konsistent mit der zugrundeliegenden A1-Welt, mehr CO2-Speicherung wider-spräche der Forderung nach Auslaufen der Speiche-rung bis 2100 und ein schnelleres Hochfahren dererneuerbaren Energien ist nicht möglich. Im Folgen-den soll gezeigt werden, wie empfindlich alle Szena-rien bezüglich der Unsicherheiten der Klimasensiti-

vität sind, was in Kapitel 4.3.1.2 bereits qualitativ dis-kutiert wurde.

Klimasensitivität des exemplarischen PfadsKriegler und Bruckner (2003) haben mit einemEnergiebilanz-Klimamodell ermittelt, wie viel kumu-lierte Kohlenstoffemissionen ein reines CO2-Emis-sionsszenario, dass den Nettostrahlungsantrieb vonAerosolen und anderen Treibhausgasen vernachläs-sigt, in den Jahren 2000–2100 maximal enthalten darf,um eine Erwärmung von nicht mehr als 2 °C gegen-über der vorindustriellen Epoche zu verursachen. Siekommen zu den in Tabelle 4.5-1 aufgeführten Ergeb-nis.

Deutlich ist zu sehen, dass die zulässigen Emissio-nen zwischen den beiden Extremwerten der Klima-sensitivität um mehr als 1.500 Gt C auseinander lie-gen können, mehr als die gesamten kumuliertenEmissionen des exemplarischen Pfads (650 Gt C).Um diese Werte näherungsweise auf den exemplari-schen Pfad beziehen zu können, der auch andereTreibhausgase und Aerosole enthält, müssen dierelativen Unterschiede zwischen den zulässigenEmissionen auf die Kohlendioxidemissionen desexemplarischen Pfads übertragen werden. EinAbschätzung ergibt, dass der exemplarische Pfad beieiner angenommenen Klimasensitivität von etwa2,2 °C das Klimafenster einhalten würde.

Die in Tabelle 4.5-1 angenommenen Klimasensiti-vitäten spiegeln in ihrer Bandbreite den Stand desheutigen Wissens wider (IPCC, 2001a). Dabei ist zubetonen, dass aufgrund der hohen Unsicherheiteninsbesondere bei den indirekten und Rückkopp-lungseffekten im Klimasystem der IPCC keinen Wertmehr als den wahrscheinlichsten ausweist. Dennochlässt sich feststellen, dass ein Wert von 2,2 °C in dervom IPCC angegeben Spanne liegt und damit einplausible Annahme ist. Neuere Studien versuchen

Tabelle 4.5-1Zulässige kumulierte CO2-Emissionen von 2000–2100 füreine absolute Erwärmung unter 2 °C gegenübervorindustriellen Werten in Abhängigkeit von derKlimasensitivität. Der IPCC gibt die Spannbreite derKlimasensivität mit 1,5–4,5 °C an (IPCC, 2001a). ZumVergleich: der exemplarische Pfad erhält kumuliert von2000–2100 rund 650 Gt C.Quelle: nach Kriegler und Bruckner, 2003

Angenommene Klimasensitivität [°C]

Zulässige kumulierteCO2-Emissionen [Gt C]

1,5 1.780–1.950

2,5 850–910

3,5 530–560

4,5 ca. 380

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die Klimasensitivität aus Vergleichen zwischenModellsimulationen und empirischen Daten überWahrscheinlichkeitsdichtefunktionen zu rekonstru-ieren und diskutieren dabei auch Klimasensitivitä-ten, die 4,5 °C deutlich überschreiten (Andronovaund Schlesinger, 2001; Forest et al., 2002; Knutti et al.,2002). Für eine genauere Abschätzung der Klimasen-sivität besteht dringender Forschungsbedarf (Kap.6.1).

Ein weiteres Ergebnis lässt sich aus Tabelle 4.5-1ableiten: Wenn der exemplarische Pfad nicht beieiner Klimasensitivität von 2,2 °C, sondern bei etwa3 °C die absolute Klimaleitplanke erfüllen müsste,würde die zulässige kumulierte Emission um etwa200 Gt C schrumpfen. Eine Klimasensivität von 3 °Cspiegelt im Rahmen der Diskussion ebenfalls eineplausible Annahme wider, die deswegen in ihrenKonsequenzen diskutiert werden soll. Es stellt sichdabei die Frage, wie der dann größere Minderungs-bedarf für Treibhausgasemissionen realisiert werdenkönnte. In Tabelle 4.5-2 sind verschiedene Optionenaufgeführt, wie im exemplarischen Pfad noch mehrEmissionen vermieden werden könnten.

Die 200 Gt C könnten durch Kohlenstoffspeiche-rung, in der Landwirtschaft und durch eine schnel-lere Erhöhung der Energieproduktivität eingespartwerden. Dabei ist festzustellen, dass Einsparungen inder Landwirtschaft schwierig zu erschließen seinwerden. So zeigen erste Studien zu Methanemissio-nen aus Reisfeldern und zum Einsatz stickstoffhalti-gen Düngers, dass Emissionsreduktionspotenzialeentweder einen Eingriff in die Anbautechnik erfor-dern (Mitra et al., 1999; Bharati et al., 2001) oderlimitiert bzw. schwer umsetzbar und zum Teil auch

teuer sind (Scott et al., 2002). Daher ist ein großesPotenzial, wie in Tabelle 4.5-2 angegeben, sehrschwer zu erreichen.

Wenn in der Landwirtschaft nur wenig reduziertwerden kann, müssten die fehlenden 200 Gt C haupt-sächlich durch raschere Erhöhung der Energiepro-duktivität bzw. durch erhöhte Speicherung erreichtwerden. Etwa 100 Gt C könnten zusätzlich gespei-chert werden, ohne die WBGU-Leitplanke zur siche-ren Speicherung in geologischen Formationen zuverletzen. Dazu dürfte allerdings im exemplarischenPfad die CO2-Speicherung gegen 2100 nicht auf Nullabfallen.

Etwa 200 Gt C können durch schnellere Erhö-hung der Energieproduktivität erreicht werden. Derhier genannte Wert von 2,5% Steigerung pro Jahrwird dabei in der Literatur als Grenze des möglichenangesehen (Hoffert et al., 1998). Es ist dabei zu beto-nen, dass solche Raten der Energieproduktivitäts-steigerung von 2% (B1-Szenarien) oder gar 2,5% nurerzielt werden können, wenn gleichzeitig die techni-sche Effizienz stark steigt und, wie im Szenario B1dargestellt (Kap. 4.2), sich ein Strukturwandel hin zuweniger energieintensiven Produkten und Dienst-leistungen vollzieht, einschließlich der Änderungvon Siedlungs- und Verkehrsstrukturen sowie vonLebensstilen. Diese zusätzliche Produktivitätssteige-rung des Energiesektors erfordert starke Anreize zurMinderung der Energienachfrage.

Tabelle 4.5-2Klimasensitivität undmögliche Potenziale fürReduktionen derTreibhausgasemissionen imexemplarischen Pfad.Quelle: WBGU

Unsicherheitsfaktoren undOptionen im exemplarischenPfad

Äquivalent weltweit erlaubterTreibhausgasemissionen,kumuliert (2000–2100)

Kommentar

Änderung der angenomme-nen Klimasensitivität von2,2 °C auf 3 °C

Exemplarischer Pfad hättezusätzlich etwa 200 Gt Ceq

zu viel

Der IPCC gibt als Spanne derKlimasensivität 1,5–4,5 ºC an

Landwirtschaft: 50% Reduk-tion der CH4 und N2O Emis-sionen in der Landwirtschaft

Brächte Ersparnis von etwa200 Gt Ceq

50% ist sehr viel. Ob über-haupt eine Emissionsstabili-sierung erreichbar ist, kannkaum abgeschätzt werden

Speicherung bis zur von derWBGU-Leitplanke begrenz-ten Höchstmenge (300 Gt Cstatt 200 Gt C)

Brächte Ersparnis von etwa100 Gt Ceq

Dabei würde im exemplari-schen Pfad die CO2-Speiche-rung bis 2100 nicht auf Nullabfallen

Erhöhung der Energiepro-duktivitätsrate von 1,3% p.a.auf 2% p.a.

Brächte Ersparnis von etwa120 Gt Ceq

Entspricht dem Übergang vonder A1-Welt zur B1-Welt inden SRES-Szenarien

Erhöhung der Energiepro-duktivitätsrate von 1,3% p.a.auf 2,5% p.a.

Brächte Ersparnis von etwa220 Gt Ceq

2,5% p.a. Steigerung könntedie Obergrenze des Möglichensein

146 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

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147Diskussion des exemplarischen Pfads 4.5

4.5.2.2Kosten des exemplarischen Transformationspfadsund Finanzierbarkeit

Für eine Energiewende zur Nachhaltigkeit ist einTransformationsprozess über 100 oder mehr Jahrenotwendig. Wollte man die kumulierten Kosten derEnergiewende berechnen, müsste man die Entwick-lung von Investitions-, Forschungs-, Betriebsmittel-und Wartungskosten nicht nur für den exemplari-schen Pfad, sondern auch die Kosten des BAU-Pfadsund anderer Vergleichsszenarien voraussagen kön-nen. Es liegt auf der Hand, dass Preisentwicklungen,z. B. für Primärenergieträger, nicht über einen Jahr-hundertzeitraum hinweg hinreichend zuverlässiggeschätzt werden können. Gleiches gilt für zukünf-tige, heute noch unbekannte Basisinnovationen inder Energiewandlung und -nutzung sowie die beiihrer Anwendung auftretenden Kosten bzw. Kosten-einsparungen. Sie können mit dem üblicherweiseangewandten Konzept der Skaleneffekte und derLernkurven nicht hinreichend erfasst werden.

Hinzu kommen große Schwierigkeiten bei derErmittlung und Monetarisierung der externen Kos-ten der Energiewende und alternativer Energie-pfade. Auch wenn keine genauen Angaben über dieHöhe externer Kosten gemacht werden können, sindVergleiche möglich. Der exemplarische Pfad zeigtetwa, dass ein Umstieg auf erneuerbare Energieträ-ger sowohl lokale als auch globale Umweltschädenreduziert. Der fossil-nukleare Pfad führt hingegen zumassiven Umweltbelastungen, insbesondere durchden Klimawandel. Der Klimawandel wiederum ver-ursacht volkswirtschaftliche Schäden und Anpas-sungskosten. Die externen Kosten des exemplari-schen Pfads durch Gesundheitsschäden sind eben-falls niedriger. Der exemplarische Pfad birgt gegen-über dem fossilen Pfad außerdem das Potenzial füreine „Sonnendividende“. Damit sind Einsparungenbei den energiepolitisch motivierten Verteidigungs-ausgaben gemeint, deren Notwendigkeit durch denUmstieg auf erneuerbare Energieträger abnimmt, dadie Importabhängigkeit von fossilen Energieträgernsinkt. Es wird geschätzt, dass allein die energiepoli-tisch motivierten Verteidigungsausgaben der USAca. 33 Mrd. US-$ jährlich betragen (Hu, 1997). Dazukämen außerdem vermiedene Ausgaben gegenNuklearterrorismus.

Aufgrund der Unsicherheiten und Unwägbarkei-ten bei der Kostenermittlung verzichtet der WBGUauf eine quantitative Abschätzung der gesamtenKosten. Da jedoch die Frage der Finanzierbarkeit derEnergiewende und damit die Höhe der erforder-lichen Investitionen von unmittelbar praktischenInteresse ist, werden die Daten der Modellläufe her-angezogen, um eine grobe Vorstellung über die

Investitionen zu geben, die bei der Umsetzung desexemplarischen Pfads auftreten können. Das MIND-Modell berechnet für den Zeitraum 2000–2100kumulierte Investitionen in das globale Energiesys-tem in Höhe von 300.000 Mrd. US-$ für BAU und330.000 Mrd. US-$ für UMBAU. Das Ausgangssze-nario für den exemplarischen Pfad A1T-450 erfor-dert nach den Berechnungen von IIASA im gleichenZeitraum kumuliert etwa 190.000 Mrd. US-$, wäh-rend der Kohle intensive und nukleare Wachstums-pfad A1C-450 etwa 500.000 Mrd. US-$ Investitionenerfordern würde. Der exemplarische Transforma-tionspfad weist insgesamt weniger Energiebedarf alsdas A1T-450-Szenario auf. Die fossilen Energien unddie Speicherung von Kohlenstoff sind in beiden Sze-narien fast identisch, dagegen enthält der exemplari-sche Pfad weniger Kernenergie, Wasserkraft, Solar-thermie und Biomasse und benötigt daher voraus-sichtlich bei diesen Energien auch weniger kumu-lierte Investitionen. Nur bei der Windkraft und derSteigerung der Energieproduktivität werden diekumulierten Investitionen diejenigen des A1T-450-Szenarios überschreiten. Der Beirat geht anhandeigener Überlegungen davon aus, dass sich beiBerücksichtigung aller relevanten Kosten die Modi-fikationen des A1T-450-Szenarios zum exemplari-schen Pfad finanziell annähernd ausgleichen könn-ten. Die vorliegenden Schätzungen beziehen sich aufSzenarien mit einem sofortigen Einstieg in die Ener-giewende. Würde die Energiewende um einige Jahr-zehnte verschoben, stiegen die Investitionskostenund, gleich bleibende Bedingungen vorausgesetzt,die Transformationskosten aufgrund der Verfesti-gung der Pfadabhängigkeit jedoch beträchtlich. DerBeirat ist sich bewusst, dass der exemplarische Pfadmit der starken Anschubhilfe für neue erneuerbareEnergien kurzfristig teurer ist als ein Pfad, in demzunächst auf die Ausschöpfung der kostengünstig-sten Treibhausgasreduktionspotenziale zurückge-griffen würde. Allerdings sollte der exemplarischePfad langfristig kostengünstiger sein, weil nur er dienotwendigen solaren Energieversorgungskapazitä-ten in einigen Jahrzehnten zur Verfügung stellt, diezur Abwendung größerer Treibhausschäden notwen-dig sind. Aus all dem folgt:• Angaben über die Kosten des Umbaus des globa-

len Energiesystems sind mit großen Unsicherhei-ten behaftet. Unterschiedliche Modelle bezifferndie kumulierten Investitionskosten für den Zeit-raum von 2000 bis 2100 auf mehrere 100.000 Mrd.US-$;

• Auf der Grundlage modifizierter Modellergeb-nisse können für den exemplarischen Pfad von2000 bis 2100 kumulierte Investitionen zwischen190.000–330.000 Mrd. US-$ abgeschätzt werden;

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148 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

• Der exemplarische Pfad erfordert langfristig bis2100 deutlich niedrigere Investitionen als einKohle intensiver und nuklearer Pfad und wendetaußerdem erheblichen volkswirtschaftlichenSchaden ab.

Für die Finanzierbarkeit der Transformation istjedoch weniger die absolute Höhe der über 100 Jahrekumulierten Investitionen ausschlaggebend, sondern 1. die relative Höhe der erforderlichen Energiein-

vestitionen (z. B. gemessen am Bruttoinlandspro-dukt);

2. die Zuwachsrate, mit der die Investitionen kurz-bis mittelfristig gesteigert werden müssen.

Sowohl bei den IIASA-Szenarien als auch imMIND-Modell ist ein starker, langfristig anhaltenderAnstieg der Energieinvestitionsquote (Energiein-vestitionen im Verhältnis zum BIP) nicht erforder-lich. Die Investitionen in den Energiesektor über-schreiten niemals das 2fache des heutigen Anteils amBIP.

Von größerer Bedeutung für die Einschätzung derFinanzierbarkeit ist der zweite Faktor, also die Rate,mit der die Investitionen in einem gegebenen Zei-traum gesteigert werden müssen. Die Investitionenin den notwendigen Umbau des Energiesystemsmüssen überwiegend von privaten Akteuren getätigtwerden. Private Investitionen erfolgen auf der Basisvon Renditeüberlegungen. Daher kann es auch keineabsolute Leitplanke für die Höhe der Investitionenin das Energiesystem geben, z. B. in der Form einesmaximalen Anteils am BIP. Eine Änderung der vonder Politik gesetzten Rahmenbedingungen für Inves-titionen kann die Renditeaussichten für Investitio-nen in Energieeffizienz und erneuerbare Energienwesentlich verbessern. Jedoch führt eine Änderungder Rahmenbedingungen zu einer Umlenkung vonKapitalströmen, die besonders für diejenigen Wirt-schaftssektoren problematisch ist, aus denen Kapitalabgezogen wird. Dies kann zu erheblichen Anpas-sungsschwierigkeiten in wirtschaftlicher und sozialerHinsicht führen. Das wirtschaftliche Wachstumspo-tenzial würde geschwächt, insbesondere wenn dieserProzess abrupt und innerhalb eines kurzen Zeit-raums erfolgt. Eine Verdopplung der Investitionen inden Energiesektor innerhalb weniger Jahre könntedie Anpassungsfähigkeit von Volkswirtschaftendaher übersteigen. Innerhalb von ein bis zwei Deka-den hingegen ist eine Verdopplung ohne signifikanteReibungsverluste möglich. Die historische Entwick-lung zeigt, dass sich in anderen, ähnlich großen Sek-toren die Investitionsquoten (Sektorinvestitionen imVerhältnis zum BIP) binnen eines Jahrzehnts sogargelegentlich mehr als verdoppelt haben, ohne dassnennenswerte volkswirtschaftliche Verwerfungenauftraten.

Um die Finanzierbarkeit und damit die wirtschaft-liche Machbarkeit der Energiewende nicht zugefährden, ist eine langfristige Transformationsstra-tegie erforderlich (Kap. 5), die das Anpassungspo-tenzial des marktwirtschaftlichen Mechanismusnicht beeinträchtigt, sondern für die Transformationnutzt. Eine Voraussetzung dafür ist Planungssicher-heit für die wirtschaftlichen Akteure. Ihnen müssenfür einen Zeitraum von mindestens 10–20 Jahrenverlässliche energiepolitische Rahmenbedingungengarantiert werden. Können sich die Akteure anZwischenzielen und Instrumenten im Sinn einesTransformationsfahrplans (Kap. 7) orientieren, wirdsich das Investitionsverhalten entsprechend anpas-sen. Daher ist es für den WBGU eine unabdingbareVoraussetzung, dass die Politik keine weitere Zeitverstreichen lässt und eindeutige Signale in Richtungeiner Energiewende setzt. Dies muss national undinternational geschehen. Unter diesen Bedingungeneiner Transformationsstrategie ist der Beirat derÜberzeugung, dass der ausgewählte nachhaltige Pfadfinanzierbar und ohne signifikante wirtschaftlicheEinbußen begehbar ist. Zwar lassen sich im Einzel-nen kurzfristige Anpassungskosten nicht vermeiden,aber durch den richtigen Instrumentenmix minimie-ren (Kap. 5). Insgesamt wird die konsequente, lang-fristig orientierte Umsetzung der Energiewende diegesellschaftliche Wohlfahrt steigern und neue Wohl-fahrtspotenziale erschließen.

4.6Fazit

Aus der Analyse von Szenarien zur langfristigen Ent-wicklung der Energiesysteme (Kap. 4.2) und der Ent-wicklung eines mit den WBGU-Leitplanken (Kap.4.3) konsistenten exemplarischen Pfads (Kap. 4.4,4.5) ergeben sich eine Reihe von Schlussfolgerungen,die auch Grundlage für die in Kapitel 5 entwickeltenHandlungsempfehlungen sind.• Globale Kooperation und Konvergenz, sowohl

wirtschaftlich als auch politisch, erleichtern einefür die Transformation notwendige schnelleTechnologieentwicklung und -diffusion. HohesWirtschaftswachstum kann dann in Verbindungmit einer starken Minderung der Energie- undKohlenstoffintensität zu einer nachhaltigen Ener-gieversorgung führen. Heutige Entwicklungslän-der können davon profitieren: durch ein raschesAufschließen an die Entwicklung in den Indus-trieländern, Technologie- und Kapitaltransfersowie die Chance, die sich aus dem Export hoch-wertiger Energieprodukte ergibt. So kann insbe-sondere auch frühzeitig das Ziel erreicht werden,allen Menschen einen Zugang zu modernen, sau-

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149Fazit 4.6

beren Energieformen zu ermöglichen. Dies erfor-dert allerdings nicht nur energiepolitische, son-dern auch entwicklungs- und wirtschaftspolitischeMaßnahmen.

• Nur mit verbindlichen CO2-Reduktionsvorgabenund den damit verbundenen Preissignalen undanderen Anreizen können Energiestrukturenschnell genug so transformiert werden, dass sieMinimalanforderungen an einen Klimaschutzerfüllen können. Bis 2050 ist gegenüber 1990 eineMinderung der globalen CO2-Emissionen ummindestens 30% notwendig, wobei die Industrie-länder ihre Emissionen um etwa 80% reduzierenund die Entwicklungsländer ihren Anstieg derEmissionen auf etwa 30% beschränken müssen.

• Flankierend zur Energiepolitik sind Maßnahmenzur Minderung nicht energiebedingter Emissio-nen (etwa aus der Landwirtschaft) sowie zumSchutz natürlicher Kohlenstoffvorräte notwendig.

• Auch wenn der WBGU hier einen exemplarischenPfad auf der Basis einer Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf 450 ppmentwickelt hat, bedeutet dies angesichts der Unsi-cherheiten bezüglich der Antriebskräfte und derKlimaentwicklung nicht, dass dieses Stabilisie-rungsniveau als sicher gelten kann. Unter Vorsor-gegesichtspunkten empfiehlt der WBGU deshalb,sich die Option niedrigerer Stabilisierungszielefür CO2 offen zu halten.

• Ein fossil-nuklearer Pfad ist selbst bei Einhaltungder Klimaschutzziele mit wesentlich höheren, fürden WBGU intolerablen Risiken sowie mit weit-aus größeren Umweltbelastungen verbunden undzudem mittel- und langfristig deutlich teurer alsein Pfad, der – wie der vom WBGU exemplarischentwickelte – auf regenerative Energieträger undSteigerung der Energieeffizienz setzt. Aus demexemplarischen Pfad lassen sich folgende Emp-fehlungen ableiten: der Anteil der erneuerbarenEnergieträger sollte bis 2050 weltweit etwa 50%Prozent, bis 2100 etwa 85% betragen. Die Ener-gieproduktivität sollte langfristig um jährlich1,6% steigen. Die Kohlenutzung sollte zum Endedes Jahrhunderts auslaufen, die Kernenergienut-zung bereits 2050.

• Wegen der langen Investitionszyklen etwa vonKraftwerken oder Transportnetzen stellen dienächsten 10–20 Jahre das entscheidende Zeit-fenster für die Transformation der Energiesys-teme hin zu einem nachhaltigen Pfad dar. Wirddiese Chance genutzt, ist die Transformation mitnur geringen Einkommensverlusten möglich.Eine Vertiefung der Pfadabhängigkeit von denheutigen fossil-nuklearen Energiesystemen kanndamit vermieden werden.Außerdem können Ent-

wicklungsländer nicht nachhaltige Technologienüberspringen.

• Die Transformation gelingt nur dann, wenn einverstärkter Kapital- und Technologietransfer vonIndustrie- in Entwicklungsländer stattfindet.Allerdings müssen Industrieländer dazu die Tech-nologieentwicklung zu Energieeffizienz underneuerbaren Energieformen deutlich verstärken,etwa durch Steigerung und Umlenkung der For-schungs- und Entwicklungsausgaben, Marktein-führungsstrategien, Preisanreize und den Aufbaugeeigneter Infrastruktur. Dadurch können diezunächst hohen Kosten der Energiewende redu-ziert und rasch Marktreife erreicht werden, waswiederum den Transfer in die Entwicklungsländererleichtert.

• Kurz- und mittelfristig müssen diejenigen erneu-erbaren Energiequellen zügig ausgebaut werden,die heute technisch beherrscht und relativ preis-wert sind. Das sind insbesondere Windkraft undBiomassenutzung, eingeschränkt auch die Wasser-kraft. Da ihr nachhaltiges Potenzial begrenzt ist(Kap. 3), droht ihr engagierter Ausbau allerdingsbereits in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts anseine Grenze stoßen.

• Langfristig kann der steigende Primärenergiebe-darf nur durch eine entschiedene Sonnenenergie-nutzung gedeckt werden, die das mit weitemAbstand größte langfristige Potenzial besitzt. Die-ses Potenzial kann nur erschlossen werden, wenneine Verzehnfachung pro Dekade schon jetzt undauch langfristig sichergestellt wird.

• Die Nutzung fossiler Energieträger, die auch inden nächsten Jahrzehnten weiter notwendig ist,muss möglichst so erfolgen, dass Effizienzpotenzi-ale ausgeschöpft werden und Infrastrukturen undKraftwerkstechnologien leicht auf erneuerbareEnergieträger umgerüstet werden können.Besonders die effiziente Nutzung von Gas etwa inBrennstoffzellen und bei Kraft-Wärme-Kopplungkann eine wichtige Brückenfunktion hin zu einerWasserstoffwirtschaft darstellen.

• Um das weltweite Potenzial der Solarenergie nut-zen und regionale Schwankungen ausgleichen zukönnen, ist langfristig der Aufbau globaler Ener-gietransportnetze notwendig („Global Link“).

• Auch eine im Vergleich zu fossilen Szenarien maß-volle Speicherung von Kohlendioxid in geologi-schen Formationen (Öl- und Gaskavernen), abernicht im Ozean, wird bei stark ansteigender Pri-märenergienachfrage als Übergangstechnologiein diesem Jahrhundert notwendig sein. Bei dernachhaltigen Nutzung von Biomasse durch Verga-sung und Speicherung des dabei anfallendenKohlendioxids ergibt sich sogar die Möglichkeit,eine Kohlendioxidsenke zu schaffen.

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150 4 Nachhaltige Transformation der Energiesysteme

• Neben einer veränderten Angebotsstruktur derEnergieversorgung ist eine Strategie zur Steige-rung der Energieproduktivität weit über histori-sche Trends hinaus erforderlich – von heute etwa1% auf im langjährigen globalen Mittel mindes-tens 1,6% jährlich. Das bedeutet, dass innerhalbvon 60–70 Jahren mindestens eine Vervierfachungder globalen Energieproduktivität notwendig ist.Bis 2050 sollte eine Verdreifachung angestrebtwerden. Dies erfordert Maßnahmen (wie bei-spielsweise Preisanreize) zur Erhöhung der Effi-zienz und Minderung der Energienachfragesowohl bei der Energiekonversion als auch bei derEndenergienutzung, aber auch beispielsweise eineauf veränderte Verkehrs- und Siedlungsstruktu-ren abzielende Infrastrukturpolitik.

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5

5.1Kernelemente einer Transformationsstrategie

In den bisherigen Kapiteln dieses Gutachtens wurdedeutlich gemacht, welchen Anforderungen globalnachhaltige Energiesysteme genügen müssen. Heu-tige und künftige Generationen sollen über diejeni-gen Ressourcen und Güter verfügen, die sie für dieBefriedigung ihrer Bedürfnisse benötigen, ohne dassUmweltveränderungen die natürlichen Lebens-grundlagen der Menschheit gefährden oder inakzep-table gesellschaftliche Entwicklungen eintreten. Dernicht nachhaltige Bereich wurde durch die ökologi-schen und die sozioökonomischen Leitplanken inKapitel 4.3 dieses Gutachtens definiert. Bewegt mansich innerhalb des durch die verschiedenen Leitplan-ken aufgespannten Raums an Handlungsmöglichkei-ten, besteht die Chance, dass künftige Generationenüber ähnliche Gestaltungsspielräume wie die heutigeverfügen können. Der WBGU-Transformationsstra-tegie hin zu global nachhaltigen Energiesystemenliegen somit zwei zentrale Ziele zugrunde:Ziel 1: Natürliche Lebensgrundlagen schützen (Ein-

haltung der ökologischen Leitplanken);Ziel 2: Zugang zu moderner Energie weltweit für

alle Menschen sichern (Einhaltung der sozio-ökonomischen Leitplanken).

Die Berechnungen in Kapitel 4 ergeben, dass nichtjede beliebige Entwicklung der Energiesysteme mitden eben genannten Anforderungen vereinbar ist.Mit dem exemplarischen Pfad wurden eine möglichenachhaltige Entwicklung skizziert und Kernele-mente einer globalen, nachhaltigen Energiestrategieentwickelt. Die Schlussfolgerungen in Kapitel 4.6weisen folgende zentrale Handlungsfelder aus: dieKlimapolitik, die Entwicklung und Anwendungneuer Technologien, die Einbindung der Entwick-lungsländer sowie eine verstärkte Kooperation undKonvergenz auf globaler Ebene und eine kohären-tere Politik. Dabei ist zu beachten, dass die nächsten10–20 Jahre die entscheidende Gelegenheit für einenUmbau der Energiesysteme bieten – in dieser Zeitmüssen die Weichen für die Transformation gestellt

werden. Der WBGU konzentriert sich mit seinenEmpfehlungen daher auf diesen Zeitraum.

Die Herleitung des exemplarischen Transforma-tionspfads verdeutlicht, dass bis 2020 der Anteilerneuerbarer Energien am globalen Energiemix vonderzeit unter 13% auf mindestens 20% erhöht wer-den sollte, um bis 2050 einen Anteil von über 50% zuerreichen. Eine zielführende Maßnahme stellt diepolitische Festlegung von Mindestquoten für erneu-erbare Energien dar, die stufenweise erhöht werdensollten (Kasten 5.2-1). Um den gesamten globalenEnergiemix zu erfassen, sollten sich idealerweise alleStaaten zu verbindlichen Quoten verpflichten. Dadas nachhaltige Ausbaupotenzial der einzelnenerneuerbaren Energien sehr unterschiedlich ist, sindnach Energieträgern differenzierende Teilquotenanstrebenswert. Unter ökonomischen Gesichtspunk-ten ist die langfristige Flexibilisierung der zu verein-barenden Länderquoten hin zu einem System han-delbarer Quoten wünschenswert. Das heißt, dass einLand seine Quote nicht ausschließlich im Inlanderfüllen müsste, sondern sich alternativ einen Teil derquotierten Menge „grüner“ Energie aus Ländernanrechnen lassen kann, die ihre Quote übererfüllen.

Eine andere Frage ist, mit welchen konkretenMaßnahmen der Anteil erneuerbarer Energienerhöht und eine Transformation der heute existieren-den Energiesysteme in global nachhaltige Systemegelingen kann. Dies soll im Folgenden gezeigt wer-den. Nationale Maßnahmen (Kap. 5.2) müssen dabeidurch eine kohärente Politik und effektive Institutio-nen auf der internationalen Ebene unterstützt undergänzt werden (Kap. 5.3). Bei der Auswahl vonMaßnahmen orientiert sich der WBGU an bestimm-ten Leitprinzipien (Kasten 5.1-1).

5.2Handlungsempfehlungen für die Länderebene

Um den teilweise sehr unterschiedlichen Rahmenbe-dingungen in den einzelnen Ländergruppen gerechtzu werden, wird bei den nun folgenden Empfehlun-

Die WBGU-Transformationsstrategie:Wege zu global nachhaltigenEnergiesystemen

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152 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

gen nach Industrie-, Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländern unterschieden.

5.2.1Ökologische Finanzreformen

Gegenstand ökologischer Finanzreformen sind dieFinanzbeziehungen von Staat und Bürgern, die nachNachhaltigkeitskriterien ausgestaltet werden sollen.Auf der Einnahmenseite steht bisher die Besteue-rung nicht erneuerbarer Energien im Mittelpunktder Diskussion. Aber auch andere Umweltabgaben,Steuervergünstigungen und generell die Durchfor-stung des Steuersystems nach ökologisch uner-wünschten Fehlanreizen sind Bestandteil einer öko-logischen Reform des Einnahmensystems. Auf derAusgabenseite des Staates sind es Beihilfen an Wirt-schaftssektoren und einzelne Unternehmen sowie

Forschungssubventionen, aber auch Transfers an pri-vate Haushalte, die unter Umweltgesichtspunktengeprüft und gegebenenfalls neu ausgerichtet werdenmüssen. Nicht zuletzt ist die allgemeine Umwelt-orientierung staatlicher Ausgaben und Programme(z. B. durch eine umweltfreundliche Beschaffung undein Umweltmanagement öffentlicher Einrichtungen)Bestandteil einer ökologischen Ausgabenreform(Burger und Hanhoff, 2002). Im Folgenden konzen-triert sich der WBGU auf die Besteuerung nichterneuerbarer Energieträger und den Abbau umwelt-schädlicher Subventionen als zwei zentrale Elementeökologischer Finanzreformen.

Kasten 5.1-1

Leitprinzipien für die WBGU-Transformationsstrategie

• Gutes Regierungshandeln fördern: Um die globaleEnergiewende auch in den am wenigsten entwickeltenLändern einzuleiten, ist eine Stärkung ihrer Handlungs-fähigkeit erforderlich. Denn Planungssicherheit, funk-tionierende staatliche Strukturen und Märkte sind einewichtige Voraussetzung für die Einwerbung ausländi-scher Direktinvestitionen und die Dauerhaftigkeit undWirksamkeit entwicklungspolitischer Maßnahmen.

• Gemeinsame aber differenzierte Verantwortung wahr-nehmen: Der Klimawandel ist wesentlich eine Folge derheutigen Energienutzung in den Industrieländern. Erwird jedoch stärker in den Entwicklungsländern zu spü-ren sein. Daraus ergibt sich für die Industrieländer dieVerpflichtung, nicht nur selbst die Energiewende einzu-leiten, sondern den Entwicklungsländern dabei auchfinanzielle und technische Unterstützung zu geben.

• Vorsorgeprinzip befolgen: Die globale Energiewende istein Suchprozess, der angesichts ständig wachsenderErkenntnisse und Rahmenbedingungen kontinuierlichneu justiert werden muss. Dabei kommt es im Sinn desVorsorgeprinzips darauf an, die Leitplanken nicht nach-haltiger Entwicklung nicht zu verletzen.

• Subsidiaritätsprinzip beachten: Das Subsidiaritätsprin-zip erfordert, dass die Kompetenz für zu lösende Aufga-ben zunächst grundsätzlich auf der unteren Ebene lie-gen soll. Die nächsthöhere Ebene ist erst dann legiti-miert, wenn sie nachweisen kann, dass sie energiepoliti-sche Strategien effizienter umsetzen und finanzierenkann.

• Regionale Ansätze verfolgen: Regionale Ansätze (Club-lösungen) können die politische Durchsetzbarkeit einerTransformation erleichtern. Erfolgreiche Clublösungensind Anreiz für andere Staaten oder regionale Staaten-organisationen und sollten daher gefördert werden.

• Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Energieträgerschaffen: Die fossile und nukleare Energieerzeugungwird noch immer erheblich subventioniert. ExterneKosten des fossilen und nuklearen Energiesystems sindzudem nur zu einem Bruchteil internalisiert. Die Schaf-fung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Ener-gieformen, insbesondere auch bei Forschung und Ent-wicklung, ist daher eine Grundvoraussetzung für dieEntfaltung marktwirtschaftlicher Impulse zur Transfor-mation der Energiesysteme.

• Liberalisierung nachhaltig gestalten: Die Liberalisierungder Energiemärkte schafft in vielen Fällen die Voraus-setzung für die Nutzung ökonomischer Potenziale. Essollten jedoch auch die besonderen Bedingungen imländlichen Raum der am wenigsten entwickelten Län-der berücksichtigt werden – hier geht es zunächstdarum, die Versorgung sicherzustellen. Liberalisierungmuss mit einer staatlichen Rahmensetzung verbundensein, damit sich die neu geschaffenen Energiemärkteunter Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien entwi-ckeln.

• Transformationspotenziale zügig erschließen: Zur Er-leichterung der politischen Durchsetzbarkeit sindanfangs und vor allem in Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländern die kostengünstigen Transfor-mationspotenziale zu erschließen, z. B. Effizienzsteige-rungen, parallel dazu auch Technologien, die anfangsnicht kostengünstig sind. Durch die so eingespartenMittel können z. B. erneuerbare Energien gezielt geför-dert werden.

• Gesellschaftliche und wirtschaftliche Kräfte nutzen:Durch die Einbindung privater Akteure können Kata-lysatoren für die Transformation gewonnen werden. DieEnergiewirtschaft verfügt über das notwendige Kapitalund teilweise das entsprechende Wissen. Zu diesemZweck muss der Staat geeignete Rahmenbedingungenschaffen: international z. B. durch Öffnung der Märkteund Harmonisierung des internationalen Wettbewerbs-rechts und national z. B. durch Vermeidung von Wettbe-werbsverzerrungen und Beseitigung von Markthemm-nissen.

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153Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

5.2.1.1Internalisierung externer Kosten bei fossiler undnuklearer Energie

Die GrundideeZentrales Hemmnis für die Schaffung global nach-haltiger Energiesysteme ist die unzureichende Inter-nalisierung externer Effekte der fossilen und nuklea-ren Energiekette von der Förderung bis zur Nutzung.Fossile und nukleare Energie sind daher für den ein-zelnen Verbraucher preiswerter als erneuerbareEnergiequellen, deren externe Effekte aber vielgeringer sind. Hierdurch entstehen den erneuerba-ren Energiequellen nachteilige Wettbewerbsverzer-rungen.

Eine vollständige Internalisierung externer Kos-ten würde weltweit den wesentlichsten Beitrag zurSchaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen derverschiedenen Energieformen darstellen. Nur untergleichen Wettbewerbsbedingungen können erneuer-bare Energiequellen und Effizienzsteigerungen ren-tabler als bisherige Energieformen sein. Dadurchwären Chancen für eine rasche Energiewende zurNachhaltigkeit gegeben.

Eine ökologische Steuerreform wird im Wesent-lichen mit zwei Effekten begründet:1. Der ökologische Lenkungseffekt durch die Besteu-

erung nicht erneuerbarer Energieträger: Durcheine Besteuerung fossiler Brennstoffe erhöht sichderen Preis, die Nachfrage bei ansonsten gleichenMarktbedingungen sinkt, und sie werden durchandere Energieträger ersetzt. Außerdem gibt eseinen Anreiz zur Steigerung der Energieeffizienzsowie zur technologischen Entwicklung bei erneu-erbaren Energien.

2. Der fiskalische Effekt durch Verwendung der Ein-nahmen: Streng genommen sind die Einnahmennur ein Nebeneffekt, der für den Internalisie-rungsansatz unwesentlich ist. Wird der „richtige“Steuersatz gewählt, ist die Allokationsverzerrungbeseitigt. Bei ökologischen Steuerreformen gehtes jedoch nicht um die isolierte Einführung einereinzelnen Schadstoffabgabe, sondern darum,andere Einnahmen durch eine effizientereUmweltabgabe zu ersetzen.

Hintergrund dieser Idee ist die These der „doppeltenDividende“ (Goulder, 1995): Neben umweltpoliti-schen Lenkungswirkungen (erste Dividende) kannauch eine Steigerung der Effizienz der nationalenSteuersysteme (zweite Dividende) herbeigeführtwerden. Die zweite Dividende basiert darauf, dassdurch das Steueraufkommen verzerrende und damitEffizienz mindernde Abgaben, wie z. B. die Einkom-mensteuer oder Sozialabgaben, aufkommensneutralgesenkt werden. Sind die Verzerrungen der zu sen-kenden Steuer größer als die Verzerrungen durch

eine Umweltabgabe (etwa Substitutionseffekte imVorleistungsbereich), würde man eine doppelte Divi-dende erzielen. In der Praxis führt jedoch etwa eineEntlastung des Faktors Arbeit durch eine Senkungder Lohnnebenkosten nur unter bestimmten Annah-men über die Arbeits- und Gütermärkte zu einerdoppelten Dividende (SRW, 1998;WissenschaftlicherBeirat beim Bundesministerium der Finanzen, 1997).Aufgrund dieser Unsicherheit schließt sich der Bei-rat der Meinung des Sachverständigenrats fürUmweltfragen an, dass auf nationaler Ebene dieBesteuerung fossiler Energieträger nicht durch diezweite Dividende, sondern allein durch die ökologi-sche Lenkungswirkung gerechtfertigt ist (SRU,2002).

Prinzipiell können mit handelbaren Emissions-rechten (Zertifikaten), d. h. einer Mengenlösung, diegleichen ökologischen Ziele erreicht werden wie mitSteuern; allerdings sind Zertifikate nicht für alleSchadstoffe und nicht für alle Emittenten praktika-bel. Daher dominiert vor allem auf nationaler Ebenemeist die Diskussion einer ökologisch orientiertenBesteuerung. In der globalen und europäischen Kli-mapolitik rückt jedoch vermehrt der Zertifikatsan-satz in den Vordergrund. Damit das zunehmendeNebeneinander von Mengen- und Steuerlösungenweder die nationale noch die internationale Umwelt-und Energiepolitik blockiert, ist künftig insbeson-dere in der internationalen Klimapolitik stärker aufdie Kompatibilität von nationalen mit internationa-len Instrumenten zu achten.

Konkrete SchritteVor dem Hintergrund der oben erläuterten Grund-idee empfiehlt der WBGU der Bundesregierung fol-gende Maßnahmen:• Ökologische Lenkungsanreize durch Besteuerung

nicht erneuerbarer Energieträger stärken: UnterKlimaschutzaspekten müssen die Braun- undSteinkohle am höchsten besteuert werden, gefolgtvon Heizöl, Benzin und Erdgas. Für die dynami-schen Innovationsanreize ist es entscheidend, dassdie Abgabensätze stetig in kleinen Schrittenerhöht werden, damit die Akteure Energiepreis-erhöhungen langfristig in ihren Entscheidungenberücksichtigen können. Ökologisch bedenklicheAusnahmeregeln für energieintensive Branchensind schrittweise abzubauen. In hochintegriertenWirtschaftsräumen wie der EU ist ein gemeinsa-mes Vorgehen essenziell und langfristig auch glo-bal anzustreben.

• Ökologisch effektiven und ökonomisch effizientenInstrumentenmix umsetzen: Die Weiterentwick-lung ökologischer Steuerreformen sollte sich andem im Rahmen des Kioto-Protokolls bzw. EU-

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154 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

weit geplanten CO2-Zertifikatehandel orientieren(Kap. 5.2.4.1). Dabei ist sicherzustellen, dass esunter diesen beiden Systemen zu keiner finanziel-len Doppelbelastung kommt. Dies bedeutet, dassstationäre Großemittenten, die in den Zertifikate-handel eingegliedert werden, keiner Ökosteuerbzw. anderer aus Klimaschutzgründen erhobenenAbgabe unterliegen sollten. Voraussetzung füreine Freistellung von der Ökosteuer wäre aller-dings, dass die mit dem Zertifikatehandel erziel-ten Emissionsreduktionen mindestens denen ausder Ökosteuer entsprechen. Freiwillige Selbstver-pflichtungen sieht der WBGU als ein ergänzendesund integrierbares, aber nicht als ein alternativesKlimaschutzinstrument zu CO2-Abgaben undZertifikaten an.

• Einnahmenverwendung: Der WBGU spricht sichdafür aus, das Aufkommen aus nationalen CO2-Abgaben und anderen Umweltabgaben grund-sätzlich in den allgemeinen Haushalt fließen zulassen und ebenso wie andere Einnahmen nachMaßgabe der parlamentarischen Prioritätenset-zung zu verwenden. Im Sinn einer umfassendenökologischen Steuerreform ist eine paralleleAbsenkung von rein fiskalisch motivierten Steu-ern zu empfehlen, die hohe Allokations- undWachstumsverluste hervorrufen. Eine vorüberge-hende Zweckbindung eines Teils des Aufkom-mens aus der Besteuerung nicht erneuerbarerEnergien zugunsten der Forschung, Entwicklungund Kommerzialisierung erneuerbarer Energienhält der Beirat jedoch für gerechtfertigt, solangedie externen Kosten im Energiebereich nicht voll-ständig durch adäquate Abgaben- oder Mengen-lösungen erfasst sind und Subventionen für nichtnachhaltige Energieträger und -nutzungsformenfortbestehen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass ökologi-sche Finanzreformen vor allem für Industrieländervon zentraler Bedeutung sein dürften. So wichtig dieInternalisierung der externen Kosten fossiler undnuklearer Energieformen auch für Entwicklungs-,Schwellen- und Transformationsländer prinzipiell ist,werden hier kurz- bis mittelfristig ökologischeFinanzreformen an den vielfach unzureichendenstaatlichen Fiskalsystemen scheitern. Der WBGUempfiehlt daher, darauf hinzuwirken, dass ökologi-sche Finanzreformen auf lange Sicht auch in diesenLändergruppen greifen können.

5.2.1.2Abbau von Subventionen für fossile und nukleareEnergie

Die GrundideeWenn Energiesubventionen nicht als Ausgleich füreinen externen Nutzen gezahlt werden, führen sie zuverzerrten Energiepreisen. Der WBGU sieht daherin den meisten offenen und verdeckten Energiesub-ventionen eine der wichtigsten Barrieren für dieTransformation der Energiesysteme. Energiesubven-tionen tragen wesentlich zur Pfadabhängigkeit destraditionellen Energiesystems bei. Bei der fossilenEnergie ist vor allem an Kohle- und Preissubventio-nen für Öl und Gas zu denken, durch die Energie-preise künstlich niedrig gehalten werden. Bei derKernenergie fließen die Subventionen eher indirekt,beispielsweise befreien Staaten ihre Atomindustrievon einer hundertprozentigen Haftpflicht und zahlenin einen Risiko-Absicherungsfonds ein.

Eine Aufhebung derartiger Subventionen hättezwei wünschenswerte Effekte: Einerseits ist ein öko-logischer Lenkungseffekt zu erwarten. Durch diePreiserhöhung ist die Nutzung fossiler Brennstoffeaus Sicht von Energieproduzenten und -konsumen-ten weniger attraktiv. Andererseits ist mit einem fis-kalischen Effekt zu rechnen. Staatliche Budgetmittelwerden frei und können für andere, gerade auchenergiebezogene Zwecke eingesetzt werden, wieetwa verstärkte Forschung bei erneuerbaren Ener-gien und Effizienz.

Es wird geschätzt, dass jährlich weltweit etwa 240Mrd. US-$ an Subventionen im Energiebereich ver-geben werden. Dabei entfallen auf die OECD-Län-der etwa 80 Mrd. US-$ (van Beers und de Moor,2001). Die staatlichen Energiesubventionen in denEntwicklungsländern machten mit 50 Mrd. US-$mehr als die gesamten Mittel der öffentlichen Ent-wicklungszusammenarbeit aus (DFID, 2002). In die-sen Angaben sind die nicht internalisierten externenEffekte noch ausgeklammert (sog. Schattensubven-tionen), weil ihre exakte quantitative Berechnungäußerst schwierig ist. Trotz dieser Quantifizierungs-probleme sollten im Rahmen qualitativer Analysendie externen Kosten stets berücksichtigt werden, dasie von hoher Relevanz für energiepolitische Ent-scheidungen sind.

Durch den Abbau dieser Subventionen könnengroße Einsparpotenziale erschlossen werden. Beieinem vollständigen Abbau von verzerrenden Ener-giesubventionen hat die IEA in einer Studie für ein-zelne Nicht-OECD-Länder durchschnittliche Effi-zienzgewinne in Höhe von 0,7% des BIP berechnet.Darüber hinaus würde ein zu erwartender Rückgangdes Energieeinsatzes von durchschnittlich 13% zu

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155Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

einer Verringerung der CO2-Emissionen um 16%führen (IEA, 1999).

Der Abbau von Subventionen bzw. eine Reformder Subventionspolitik bringt volkswirtschaftlicheVorteile. Dennoch können die Widerstände erheb-lich sein, weil Subventionen immer verteilungspoliti-sche Effekte aufweisen. Betroffene Wirtschafts-zweige werden daher versuchen, eine für sie nachtei-lige Reform der Subventionspolitik zu verhindern.Um diese Widerstände zu reduzieren, sollte die Sub-ventionspolitik stufenweise nach festen Zeitplänenreformiert werden. Dies lässt ausreichend Anpas-sungsspielraum. Mit Blick auf die politische Durch-setzbarkeit könnte ein Teil der frei werdenden Mittelfür die Abfederung sozialer Wirkungen des ausgelös-ten Strukturwandels genutzt werden.

Förderlich für die Reform der bisherigen Subven-tionspraxis in vielen Entwicklungs- und Transforma-tionsländern können zwei Entwicklungen auf derinternationalen Ebene sein:1. Beitritt zur WTO: Der Beitritt zur Welthandelsor-

ganisation ist für viele dieser Länder wie bei-spielsweise Russland ein wichtiges politischesZiel. Ein wesentlicher Streitpunkt bei den Ver-handlungen zu einem WTO-Beitritt sind die weitunter dem Weltmarktniveau liegenden Inlands-preise für Öl, Gas und Strom. Wird ein WTO-Bei-tritt weiter verfolgt, dürfte dies auch die Reformder Subventionspolitik vorantreiben.

2. Internationaler Klimaschutz: Die Verpflichtungzur Reduktion von CO2-Emissionen kann derAuslöser marktwirtschaftlicher Umstrukturierungdes Energiesektors zur Erhöhung der Energiepro-duktivität sein. Durch die Einführung von Markt-preisen für die Energienutzung würden in vielenTransformationsländern Anreize zur Produktivi-tätssteigerung geschaffen. Insofern ist der Abbauvon Subventionen unter Klimaschutzauflagendoppelt sinnvoll – für den Staatshaushalt und fürdie Erfüllung der Reduktionspflichten.

Konkrete SchritteDer WBGU empfiehlt der Bundesregierung dieUmsetzung folgender, aufeinander aufbauenderMaßnahmen:• Erstellung einer umfassenden Dokumentation

generell umweltschädlicher Subventionen undinsbesondere von Subventionen für fossile undnukleare Energie. Diese Dokumentation könntez. B. im Rahmen des regelmäßig veröffentlichtenSubventionsberichts erfolgen. Es sollten nicht nurdirekte Zahlungen, sondern auch Steuer-ermäßigungen aufgeführt werden. Ein solcherBericht über die ökologischen Wirkungen vonSubventionen sollte zusätzlich zumindest einen

qualitativen Eindruck über Schattensubventionen(externe Effekte) vermitteln.

• Die Bundesregierung sollte den Abbau von Ener-giesubventionen für fossile und nukleare Energieauf nationaler Ebene weiter vorantreiben und sichzunächst auf EU- bzw. OECD-Ebene – unddanach auch auf globaler Ebene – für einen inter-national koordinierten Abbau bzw. für die Reformvon Energiesubventionen einsetzen. Dabei ist ins-besondere an den Abschluss eines multilateralenEnergiesubventionsabkommens zu denken (Kap.5.3.5.1). Aus klimapolitischen Gründen ist esbesonders wichtig, dass die Bundesregierung aufder EU-Ebene ihren Widerstand gegen ein Aus-laufen der staatlichen Beihilfen für den Steinkoh-lebergbau aufgibt und das Ziel des Abbaus derKohlesubventionen bis zum Jahr 2010 unterstützt.Dies entspräche auch dem in Marrakesch gefass-ten Beschluss, der die in Anlage II FCCC genann-ten Länder (im Wesentlichen die OECD-Länder)auffordert, Subventionen zugunsten von Treib-hausgase emittierenden Sektoren auslaufen zulassen (UNFCCC, 2002).

• Langfristig sind alle Energiesubventionen abzu-bauen, mit Ausnahme der Förderung der Grund-lagenforschung bei innovativen Energietechnolo-gien, regenerativen Energien und der rationellenEnergienutzung, weil diese Leistungen vomMarkt erfahrungsgemäß nicht in ausreichendemMaß erbracht werden. Hierzu sollte auch For-schung im Zusammenhang mit der Endlagerungradioaktiver Abfälle bzw. generell mit dem Abbauvon Kernkraftwerken gehören.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein konse-quenter Abbau aller staatlicher Subventionen fürfossile und nukleare Energien die Kernenergie auseinzelwirtschaftlicher Sicht voraussichtlich nichtmehr rentabel macht (Kap. 3.2.2). Ein Subventions-abbau ermöglicht das Einhalten der in Kapitel 4beschriebenen Leitplanken. Deutschland hat denAusstieg aus der Kernenergie bereits eingeleitet. DerBeirat empfiehlt, diesen Weg weiterzugehen. Außer-dem sollte Deutschland in verschiedenen Politikbe-reichen versuchen, Einfluss auf andere Industrielän-der, aber auch auf Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländer zu nehmen, um einen stufen-weisen Ausstieg aus der Kernenergie weltweit durch-zusetzen.

Gerade für die zuletzt genannten Ländergruppendürfte der Erfolg solcher Bemühungen vor allem vonder Verfügbarkeit nachhaltiger Alternativen derEnergieversorgung abhängen. Fördermaßnahmenfür erneuerbare Energien, fossile Energien mit redu-ziertem Schadstoffausstoß und insbesondere höhereEffizienz bei Bereitstellung, Verteilung und Nutzungvon Energie (Kap. 5.2.2) sowie Maßnahmen zur För-

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156 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

derung moderner Energieformen und effizienterEnergienutzung in Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländern (Kap. 5.2.3) sind daher vonzentraler Bedeutung.

5.2.1.3 Fazit

Ökologische Finanzreformen sind eine wichtigeKomponente im Maßnahmenbündel zur Transfor-mation von Energiesystemen hin zu globaler Nach-haltigkeit.An oberster Stelle muss dabei die Interna-lisierung externer Kosten fossiler und nuklearerEnergieformen stehen, da sie eine wichtige Voraus-setzung dafür ist, dass nachhaltige Energieformen,die heutzutage in der Regel durch sehr viel geringerenegative Externalitäten, aber höhere Marktpreisegekennzeichnet sind, eine Durchsetzungschancebekommen.Als Instrumente zum Nachteilsausgleichbieten sich Abgaben für fossile und nukleare Ener-gieformen wegen ihrer ökologischen Lenkungswir-kungen und gegebenenfalls eine vorübergehendzweckgebundene Verwendung der resultierendenEinnahmen an. In den OECD-Ländern sollte bis2020, langfristig global, eine ökologische Finanzre-form realisiert werden.

Neben der Internalisierung erscheint ein Abbauder nach wie vor vorhandenen Subventionen für fos-sile und nukleare Energieträger unverzichtbar. Fos-sile und nukleare Energieformen sollen also nichtmehr gefördert, sondern sogar – im Ausmaß dernegativen Externalitäten – fiskalisch belastet wer-den. Ökologische Finanzreformen werden zu einerVerteuerung fossiler und nuklearer Energieträgerführen und damit deren Anteil am globalen Energie-

mix zurückdrängen. Der Anteil erneuerbarer Ener-gien wird folglich ansteigen. Dieser Anstieg wirdjedoch deutlich unter der angestrebten Erhöhungauf 20% bzw. 50% liegen. Der WBGU empfiehltdaher einen aktiven Ausbau erneuerbarer Energien.Während ökologische Finanzreformen zunächst vorallem in Industrieländern verwirklicht werden dürf-ten, sind die im nächsten Kapitel behandelten Maß-nahmen auch in Entwicklungs-, Schwellen und Trans-formationsländern umsetzbar.

5.2.2Fördermaßnahmen

5.2.2.1Förderung erneuerbarer Energien

Die GrundideeErneuerbare Energien decken weltweit bisher nureinen geringen Anteil des Primärenergiebedarfs. Inden Ländern der OECD wird ihr Anteil auf 4%geschätzt, vor allem aus Wasserkraft und Windener-gie (Kap. 2.3). Direkte Fördermaßnahmen für rege-nerative Energien können z. B. staatliche Direktzah-lungen an die betreffenden Akteure, die Befreiungvon Steuerlasten, eine staatliche Finanzierung vonForschung und Entwicklung oder von Maßnahmenzur Markteinführung sein. In den Industrieländernsind unterschiedliche Fördermaßnahmen zu finden(Tab. 5.2-1). Die derzeit schwächste Form der Förde-rung existiert in den USA, wo Ausgaben für F&E-Projekte zur Kommerzialisierung erneuerbarerEnergien mit Steuergutschriften für Kraftwerksbe-treiber, die erneuerbare Energien einsetzen, kombi-

Tabelle 5.2-1Übersicht der politischen Instrumente für den Umweltschutz einzelner Industrieländer. X vorhanden, P in Planung.Quelle: modifiziert nach Espey, 2001

Preissteuerung Mengensteuerung Förderprogramme

Subventio-nen fürerneuer-bareEnergien

Besteu-erung fossilerEnergie-träger

Einspeise-vergütun-gen

Politische Zielvorga-ben in FormquantitativerZiele

Emissions-handel

Ausschrei-bungen

Quoten- modell

StaatlicheF&E

Marktein-führung

Deutschland X X X X X XDänemark X X X X X P XFrankreich X X X X X X XGroßbritannien X X X X X P X XNiederlande X X X X X X XSchweden X X X X P P X XSpanien X X X XUSA X X X P XEU (Rahmen-setzung) X X P X X

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157Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

niert werden (IEA, 2002b). Die Staaten der EU grei-fen stärker in die liberalisierten Energiemärkte ein.Neben F&E-Förderprogrammen nutzen sie vorallem Maßnahmen der Preis- und Mengensteuerung.

Im Rahmen der Preissteuerung werden erneuer-baren Energien bisher überwiegend direkt subven-tioniert. In einigen Staaten der EU, so auch inDeutschland, werden zusätzlich so genannte Einspei-severgütungen gezahlt. Bei diesen bestimmt derStaat zunächst eine Annahmepflicht der Netzbetrei-ber für Elektrizität aus erneuerbaren Energieträ-gern. Für die Einspeisungen wird anschließendgesetzlich oder in freien Verträgen zwischen Erzeu-ger und Netzbetreiber eine über dem Marktpreis lie-gende Vergütung für den Strom vereinbart. Je nachEnergieträger werden unterschiedliche Vergütungs-sätze vereinbart, die sich im Wesentlichen an denKostennachteilen der erneuerbaren Energieträgergegenüber konventioneller Energie orientieren. Dadie Kosten regenerativer Energienutzung durchtechnischen Fortschritt und realisierte Skalenerträgelangfristig sinken werden, sind die Vergütungen inder Regel zeitlich degressiv ausgestaltet.

Annahmepflicht und Einspeisevergütungen kom-men einer Quersubventionierung innerhalb desEnergieversorgungssektors gleich. Sie stellen Mehr-kosten für die Netzbetreiber bzw. Energieversorgerdar, die sie weitgehend auf die Endverbraucher über-wälzen. Daraus resultieren höhere Verbraucher-preise, die zu ressourcenschonenderer, geringererNachfrage führen können. In Deutschland, Spanien,Dänemark und Frankreich hat das System der Ein-speisevergütungen zu kontinuierlich höheren Nut-zung erneuerbarer Energien geführt. In den vergan-genen Jahren haben sich Belgien, Luxemburg undÖsterreich dem Konzept angeschlossen.

Kritisch beurteilt wurde eine preisorientierte För-derpolitik für regenerative Energiequellen hingegenlange Zeit von Seiten der EU (EU-Kommission,1998). Die Kommission argumentiert, dass die Ver-braucher auf einem vollständig liberalisierten euro-päischen Strommarkt den Anbieter mit den günstig-sten Endpreisen auswählen werden, und dass dieseher ein Anbieter aus Ländern ohne kostentrei-bende Einspeisevergütung sein dürfte. Im Konkur-renzkampf mit ausländischen Anbietern wäre eineÜberwälzung der höheren Energiekosten der heimi-schen Versorger nicht mehr möglich. Deshalb befür-wortet die EU-Kommission eine Förderung vonregenerativen Energiequellen über eine Mengen-steuerung (EU-Kommission, 1999a), auch wenn biszu einer für 2005 anvisierten Harmonisierung derFördermechanismen Maßnahmen der Preissteue-rung weiter mit den geltenden Beihilferegelungender EU vereinbar sind und sich die EU gegenwärtig

mit Kritik an den Einspeisevergütungen zurückhält(EU-Kommission, 2001d).

Einfachstes Modell einer mengenbasierten Förde-rung ist die Vorgabe von Quoten für die Energiebe-reitstellung aus erneuerbaren Energiequellen (Kas-ten 5.2-1). Das Modell verpflichtet alle Energiever-sorger bzw. Netzbetreiber, einen bestimmten, gesetz-lich festgelegten Mindestanteil der Wärme- oderStromerzeugung aus erneuerbaren Energien durchEigenerzeugung oder Zukauf zu decken. Auch staat-liche Ausschreibungen bestimmter einzuspeisenderEnergiemengen aus erneuerbarer Energien sinddenkbar. Bei diesem Verfahren schreibt der Staatfestgelegte Einspeisemengen aus bestimmten Ener-giequellen aus, wobei in der Regel der günstigsteInvestor den Zuschlag erhält. Durch den Wettbe-werb auf der Erzeugerebene garantiert das Aus-schreibungsverfahren, dass vor allem die Produzen-ten bzw. Erzeugungstechnologien zum Zuge kom-men, die in kürzester Zeit die Kostenbarriere desMarktzugangs überwinden könnten.

In jüngster Zeit wird innerhalb der EU über han-delbare Quoten und Green Energy Certificates fürden Einsatz regenerativer Energien diskutiert.Grundlage des in den Niederlanden und neuerdingsauch in Dänemark praktizierten Modells ist diestaatliche Festlegung einer Mindestmenge oder einesMindestanteils (Quote) an Strom oder Wärme auserneuerbaren Energieträgern, die flexibel erfüllbarist (Kasten 5.2-1). Handelbare Quoten und GreenEnergy Certificates sorgen für eine flexible und kos-teneffiziente Umsetzung der staatlichen Quotenvor-gabe. Die Erzeugungskapazitäten werden dort aus-gebaut, wo dies am kostengünstigsten möglich ist.Allerdings werden heute noch teure Technologien,die in Zukunft aber in entscheidendem Umfangbenötigt werden, hierdurch nicht gezielt gefördert.Hierfür wäre eine komplementäre staatliche Sub-ventionierung erforderlich.

Konkrete SchritteEinen Königsweg zur Erhöhung des Anteils regene-rativer Energien durch direkte Fördermaßnahmengibt es nicht. Die Notwendigkeit, staatliche For-schungsmittel und Forschungsförderung deutlichauszubauen, ist als einzige Maßnahme weitgehendunumstritten. Angesichts des hohen Anteils, denerneuerbare Energieträger in global nachhaltigenEnergiesystemen bereits in wenigen Jahrzehnteneinnehmen sollen und ihres gegenwärtig sehr gerin-gen Anteils, hält es der WBGU für unumgänglich, dieFörderung staatlicher sowie privater Forschung undEntwicklung bei regenerativen Energien rasch undmassiv zu stärken (Kap. 6).

Nach Auffassung des Beirats sollte die Bundesre-gierung zusätzlich sowohl mengen- als auch preisba-

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158 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Kasten 5.2-1

Quoten, handelbare Quoten, Green EnergyCertificates

Mengenvorgaben für den Einsatz erneuerbarerEnergieträgerAusgangspunkt ist ein Ausbauziel bzw. Mindestziel, das fürdie Nutzung erwünschter Energieformen vorgegeben wird.Die Vorgabe kann ein absoluter Wert oder eine Quote(z. B. 10% der Stromerzeugung) sein, die in einem be-stimmten Zeitraum umgesetzt werden müssen.

Nationale und internationale QuotenDie deutsche Bundesregierung hat das Ziel formuliert, denAnteil erneuerbarer Energien an der Elektrizitätsversor-gung zu verdoppeln, was auf eine nationale Zielvorgabevon 12,5% bis 2010 hinausläuft. Die Europäische Unionhat als Richtwert das Ziel, den Anteil erneuerbarer Ener-gien an der Energieversorgung von 6% (2001) auf 12% zusteigern und speziell bei der Elektrizitätsversorgung auf22% bis 2010 anzuheben. Diese EU-Gesamtquote wird fürdie einzelnen Mitgliedsstaaten in Teilquoten aufgeteilt.Aufwelche Weise die einzelnen Staaten die Quote erreichen, istihnen bisher grundsätzlich freigestellt. Mehrere Staatenhaben sich auch hier für Mengenvorgaben entschieden(Tab. 5.2-1 für die Europäische Union).

Quoten versus handelbare QuotenInnerhalb eines Landes werden zumeist Energieversorgeroder -erzeuger verpflichtet, eine Quote der bereitgestelltenEnergie aus (bestimmten) regenerativen Energieformen zugewinnen. Dieses in Industrieländern relativ weit verbrei-tete Konzept wird als Portfolio-Modell bezeichnet. Durchein Herunterbrechen der gesamten Mengenvorgabe aufdie einzelnen Verpflichteten ist die Zielvorgabe für jedeneinzelnen Akteur quantifiziert.Weiterhin ist eine Überprü-fung des Zielerreichungsgrades in der Regel ohne größereSchwierigkeiten möglich. Allerdings sind starre Quoten-vorgaben nur eingeschränkt ökonomisch effizient.

Da für die Erfüllung der Quote unterschiedliche Kostenbei den Energieversorgern und -erzeugern anfallen, ist eszur Kostenminimierung empfehlenswert, die Quoten durcheinen Handel zu flexibilisieren. Muss etwa ein Strompro-duzent in einem festgelegten Zeitraum eine bestimmteMenge Elektrizität aus erneuerbaren Energien erzeugen,hätte er die Wahl zwischen eigener Erzeugung oder demZukauf „grünen Stroms“ durch einen anderen Stromer-zeuger. Im Ergebnis werden somit diejenigen Erzeuger„grünen Strom“ produzieren, die dies am kostengünstig-sten können, während Erzeuger mit höheren Produktions-kosten ihnen die erzeugte Elektrizität abkaufen. DieGesamtquote würde bei handelbaren Quoten somit gegen-über dem Modell des Portfolio-Standards zu niedrigerenGesamtkosten erreicht.

Bisher werden handelbare Quotenmodelle vorwiegendauf nationaler Ebene praktiziert. Allerdings existieren ver-einzelte Modellprojekte für die Erprobung des internatio-nalen Handels mit Quoten für erneuerbare Energien.

Green Energy CertificatesGrundkonzeptDas Modell der Green Energy Certificates stellt eineWeiterentwicklung flexibilisierter, handelbarer Quotendar. Voraussetzung sind auch hier einzelne Quoten bzw.absolute Mengen, die der Einzelne erfüllen muss. ImUnterschied zu handelbaren Quoten muss der Verpflich-tete jedoch die Energie nicht selbst erzeugen oder im phy-sischen Sinn kaufen, vielmehr genügt zum Nachweis derQuotenerfüllung der Besitz einer entsprechenden Mengevon Green Energy Certificates. Dies sind Bescheinigungen,die ein Erzeuger „grüner“ Energie jeweils als Nachweis fürdie Herstellung einer bestimmten Menge Elektrizität (etwa1 MWh) durch eine staatlich kontrollierte Ausgabeinstanzerhält. Für ein System handelbarer Green Energy Certifi-cates kommen außer Energieversorgern und -erzeugernauch Endverbraucher in Betracht. Bei einer freien Handel-barkeit der Zertifikate entsteht ein neuer Markt, der auchals ökologischer Dienstleistungsmarkt bezeichnet wird.

Preisbildung und ökonomische EffizienzDer Preis auf dem herkömmlichen Markt für Elektrizitätbestimmt sich weiterhin durch einen reinen Preiswettbe-werb. Die Erzeuger „grüner“ Elektrizität können Kosten-nachteile durch die zusätzlichen Einnahmen auf dem sach-lich getrennten Zertifikatsmarkt kompensieren. Die Zerti-fikatsanbieter werden mindestens den Preis fordern, dersich aus der Differenz der Erzeugungskosten für „grünen“Strom und dem Marktpreis für Strom ergibt. Zum Zugekommen die effizientesten Anbieter „grünen“ Stroms. Kos-tenferne Marktpreise, etwa durch Preisabsprachen oderMissbrauch marktbeherrschender Erzeugungsunterneh-men, sind nicht zu erwarten, weil die nachfragenden Ener-gieversorger auch selbst „grünen“ Stroms erzeugen kön-nen, um entsprechende Zertifikate zu erwerben.

Der Vorteil gegenüber handelbaren Quoten besteht vorallem in höherer Transparenz und niedrigeren Vertragskos-ten. Außerdem können Verbraucher besser eingebundenwerden, z. B. auch freiwillige Nachfrager (Umweltschutz-verbände, umweltbewusste Privathaushalte).

Strategien für marktferne TechnologienDem Vorteil der ökonomischen Effizienz kann in der Pra-xis der Nachteil entgegenstehen, dass die Spezialisierungauf die kostengünstigste Erzeugung bzw. Energieformjeweils nur die marktnahen Energieträger fördert, nachgegenwärtigem Stand der Technik etwa Wind- oder Was-serkraft. Damit würden marktferne, aber zukunftsträchtigeEnergieträger aus diesem Fördersystem ausgeschlossenwerden. Daraus ließe sich folgern, dass für solche Techno-logien eigene Quoten vorgegeben und Zertifikatsmärkteetabliert werden müssten – etwa ein Zertifikatsmarkt fürStromeinspeisungen aus Geothermie. Gerade das ist aberbei neuesten Technologien nicht sinnvoll, da das Marktvo-lumen von angebotenen und nachgefragten Zertifikaten zugering wäre, um einen funktionsfähigen Markt zu bilden.Daher kann auf eine Anschubfinanzierung marktfernerEnergien (z. B. staatliche Subventionierung, Einspeisever-gütungen) nicht verzichtet werden. Sobald Technologieneine gewisse Marktreife erreicht haben, ist der Übergangzu Quoten und einem für diesen Energieträger abgegrenz-ten Markt für Green Energy Certificates denkbar.

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159Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

sierte Förderalternativen, und insbesondere einenstufenweisen – d. h. nach Energieträger und Techno-logie differenzierenden – Übergang zu Quotenrege-lungen prüfen. Als Anschubfinanzierung für erneu-erbare Energien sind Einspeisevergütungen eine derbesonders sinnvollen Optionen, insbesondere ummarktferne Technologien zu fördern. Nach bisheri-gen Erfahrungen scheinen Einspeisevergütungenund Subventionen, die differenzierte Vergütungs-sätze erlauben, zum Ausgleich der Kostennachteileerneuerbarer Energieträger wirksamer zu sein alsQuoten. Dafür spricht das Beispiel der zu Beginn der1990er Jahre noch marktfernen Windkraft (Tab. 5.2-2). Zwar könnten alternativ auch für jeden einzelnenEnergieträger Quoten festgelegt werden (DeutscheBank Research, 2001). Dagegen sprechen bei jungenTechnologien aber unter anderem die hohen Kostender technischen Umsetzung und eine unzureichendeAustauschbarkeit der Green Energy Certificates.Deutschland sollte die bisherige Praxis der Einspei-severgütungen mit schrittweise sinkenden Vergü-tungssätzen bei relativ marktfernen Energieträgernbzw. Technologien daher beibehalten.

Einschränkend muss jedoch angemerkt werden,dass die Ergebnisse in Tabelle 5.2-2 weniger aus dergrundsätzlichen Überlegenheit von Einspeisevergü-tungen folgen, sondern vielmehr aus der konkretenAusgestaltung der jeweiligen Instrumente: Die Aus-gestaltung der Quotenmodelle für erneuerbareEnergien ist oft wenig ehrgeizig, während die Sätzefür Einspeisevergütungen relativ hoch sind. Dieslässt vermuten, dass sich eine Förderung über denPreis besser durchsetzen lässt als über Mengenvorga-ben.

Wenn der Marktanteil einer Technologie zum Ein-satz erneuerbarer Energien erkennbar ausgebaut

und die Technologie an Marktreife gewonnen hat,sollte die direkte Förderpolitik für erneuerbareEnergien auf Quoten umgestellt werden, um dieAllokations- und Innovationsfunktion wettbewerb-licher Steuerung bei erneuerbaren Energien besserzu nutzen. Langfristig erscheint der Übergang zueinem Modell von Green Energy Certificates für„grünen“ Strom aus marktnahen erneuerbarenEnergieträgern möglich und sinnvoll, zumal bei des-sen Internationalisierung weitere Effizienzgewinnezu erwarten sind. Der Zeitpunkt des Übergangs vonPreisinstrumenten wie Einspeisevergütungen zuhandelbaren Quoten dürfte sich im Wesentlichennach dem erwarteten Volumen des Quotenmarktsrichten. So ist zu erwarten, dass Wind- und Wasser-kraft vergleichsweise schnell einen großen Anteil ander Elektrizitätserzeugung bereitstellen, währenddies etwa bei Photovoltaik oder Geothermie nichtabsehbar ist. Gleichwohl wird die Politik zur Förde-rung innovativer erneuerbarer Energietechnologienauf die parallele Subventionierung noch länger nichtverzichten können. Zum einen sind Forschungser-gebnisse durch marktwirtschaftlichen Wettbewerbnur unzureichend zu erwarten, zum anderen werdensich in der mindestens 50-jährigen Transformations-phase neue zukunftsträchtige Technologien abzeich-nen, die mangels Marktreife und -größe nicht durchQuotenmodelle gefördert werden können. Damit istfür die erfolgreiche Markteinführung erneuerbarerEnergien kein alleiniger Fördermechanismus zu ver-folgen, sondern vielmehr ein Nebeneinander ver-schiedener Mechanismen, die der jeweiligen Markt-reife einzelner regenerativer Energieträger am ehes-ten gerecht wird. Vor diesem Hintergrund empfiehltder WBGU,

Tabelle 5.2-2Vergleich des Ausbaus an Windenergiekapazitäten bei verschiedenen Fördermodellen im Jahr 2000.Quelle: modifiziert nach Gsänger, 2001

Förder-mechanismen

Land Installierte Kapazität Ende 1999[MW]

InstallierteKapazität Ende 2000 [MW]

Wachstumsrate

[%]

InstallierteLeistung

[W/Kopf]

InstallierteLeistung pro Oberfläche[kW/km2]

Preissteuernd(Einspeisevergü-tungen)

DeutschlandSpanienDänemarka)

4.4431.5421.771

6.1132.5352.282

386429

74,5164,39

430,48

17,125,02

52,95

Mengensteuernd(Ausschreibun-gen, Quoten)

GroßbritannienIrlandFrankreichb)

3447322

4069360

1827

173

6,8825,101,02

1,671,320,11

a)Das hohe Kapazitätsniveau an Windenergie ist in Dänemark vorwiegend auf vorherige staatliche Mindestpreisregelungenzurückzuführen.b)Frankreich ist 2000 zu einem Modell der Preissteuerung ähnlich den deutschen Einspeisevergütungen übergegangen. Dieüberaus hohe Wachstumsrate ergibt sich durch besondere staatliche Subventionen für Windenergie (Förderprogramm EOLE2000).

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• Markteinführungsstrategien (z. B. zeitlich be-grenzte Subventionen, Einspeisevergütungen,Quoten) fortzusetzen und auszubauen. Bis einnennenswertes Marktvolumen erreicht wird (odersich eine Technologie als nicht zukunftsfähigerweist), zählen Einspeisevergütungen mit einerzeitlichen Degression der Vergütungssätze zu denbesonders sinnvollen Optionen.

• Mittelfristig sollten vermehrt Quotenregelungenzum Zuge kommen und in absehbarer Zeit eineuropaweites System handelbarer Quoten undGreen Energy Certificates für Strom aus erneuer-baren Energieträgern eingeführt werden. Für diekonkrete Ausgestaltung und Übertragung handel-barer Quoten auf die globale Ebene bedarf esintensivierter Forschung.

Einem internationalen Einsatz dieser Zertifikatesteht bisher u. a. die Inkompatibilität der nationalenSysteme entgegen. Um zu zeigen, dass ein internatio-naler Austausch bzw. Handel mit Green Energy Cer-tificates möglich ist, entstand auf Initiative europäi-scher Stromversorger das Zertifikatssystem RECS(Renewable Energy Certification System), das ineiner Testphase von 2001 bis Ende 2002 erprobt wird(Kasten 5.2-2). Die Teilnahme an RECS erfolgt bis-her auf freiwilliger Basis. Anreize zur Teilnahmeergeben sich für Unternehmen aus Imagegründen,für private Haushalte (Beispiel Niederlande) aberauch durch Steuergutschriften für von ihnen erwor-bene Zertifikate. Nach Ablauf der Testphase soll dasRECS-System weiter institutionalisiert werden. Eserscheint wünschenswert, dass die richtungweisende

Initiative zur Förderung eines internationalen Han-dels mit Zertifikaten als Vorreiter für eine globaleLösung weiter ausgebaut wird. Der Beirat empfiehlt,dass verstärkt deutsche Institutionen der RECS-Initiative beitreten sollten, um ihre Vorstellungenund Anliegen in das Handelssystem mit einzubrin-gen.

Für einzelne Länder sind die Zeitpunkte und Aus-gestaltungsformen des Übergangs von preis- aufmengengesteuerte Fördersysteme für erneuerbareEnergien entsprechend den spezifischen Rahmenbe-dingungen festzulegen. Hier ist allerdings noch sozi-alwissenschaftlicher Forschungsbedarf zur Identifi-kation optimaler Strategien gegeben (Kap. 6.2).

Um erneuerbare Energien in den Entwicklungs-und Schwellenländern über ihr aktuelles Marktvolu-men hinaus auszubauen, ist eine breitenwirksameEinführung und Förderung entsprechender Techno-logien erforderlich. Der WBGU empfiehlt derBundesregierung, die Entwicklungszusammenarbeitsowohl auf der technischen wie auch auf der finan-ziellen Seite entsprechend auszurichten. Sinnvollerscheinen dabei insbesondere Ausbildungspro-gramme und Demonstrationsprojekte im Energiebe-reich, die Förderung von Vermarktungsprogrammenfür erneuerbare Energien und andere Maßnahmen,die geeignet sind, die Nachfrage nach erneuerbarenEnergien zu verstärken (Kap. 5.2.3).

Der Erfolg erneuerbarer Energien wird in denTransformationsländern davon abhängen, ob diemarktwirtschaftliche Reform des Energiesektorskonsequent fortgeführt wird. Diese würde Subven-

160 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Kasten 5.2-2

Renewable Energy Certification System (RECS)

Teilnehmer des RECS können Stromanbieter (Erzeuger,Händler, Netzbetreiber usw.), staatliche Institutionen, Ver-bände, Dienstleister und Haushalte sein. Bisher sind etwa170 Organisationen Mitglied im RECS-System. Unterihnen befinden sich fast alle EU-Länder, Norwegen unddie Schweiz. Kooperationen bestehen mit Australien,Japan, Neuseeland und den USA. Die Teilnehmer ver-pflichten sich zur Annahme der sog. Basic Commitments,die Handelsinstitutionen und -ablauf definieren. Einegewichtige Rolle kommt den nationalen „Issuing Bodies“zu, die Zertifikate ausgeben und den Handel überprüfen.Zertifikate werden an akkreditierte Erzeuger für Stromausgegeben, der nicht mit fossilen oder nuklearen Energie-trägern erzeugt wurden. Details über die Erzeugung wer-den bei der Akkreditierung überprüft und in nationalenDatenbanken festgehalten. Die Zertifikate des IssuingBody sind in Einheiten zu 1 MWh Elektrizitätserzeugungausgestellt. Um zu verhindern, dass die erzeugte Elektri-zität doppelt zertifiziert wird, enthalten die ZertifikateAngaben über den Standort der Produktionsanlage, dieErzeugungsform, das Ausgabedatum des Zertifikats sowie

eine Identifikation des Zertifizierers. Die Vernetzung derDatenbanken der „Ausgabeorgane“ bildet die informa-tionstechnische Grundlage des Handelssystems. JederErzeuger besitzt ein Konto in den Datenbanken und erhältdie Zertifikate dort für jede in das allgemeine Versor-gungsnetz eingespeiste MWh gutgeschrieben. Die Erzeu-ger können die Zertifikate auf einem Markt anbieten.Marktgegenseite sind in der Regel Anbieter von „grünen“Produkten, private Haushalte (in den Niederlanden), aberauch umweltbewusste Stromabnehmer, die einen Nach-weis des Ursprungs bzw. der Erzeugungsform fordern.Schließlich könnten Energieversorger, die bestimmte Fest-quoten durch erneuerbare Energien einhalten müssen(Portfoliostandards) zum Nachweis der Quotenerfüllungauf die Zertifizierung zurückgreifen. Transaktionen zwi-schen den Marktpartnern müssen an den Issuing Bodygemeldet werden. Er kontrolliert und gleicht die Angabender einzelnen Teilnehmer ab. Ein Zertifikat wird entwertet,sobald es den Kunden eines „grünen“ Produkts erreichthat oder im Beispiel der Niederlande gegen Steuergut-schriften eingetauscht wurde. Bis Mitte 2002 wurden mitdem RECS System Zertifikate im Volumen von mehr alseiner TWh Strom gehandelt.

Quellen: RECS, 2002; Groscurth et al., 2000

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161Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

tionen für fossile und nukleare Energie abschaffenund falsche Marktsignale korrigieren. Ein stabilerund zuverlässiger marktwirtschaftlicher Ordnungs-rahmen für den Energiesektor und entsprechendeQualitäten der öffentlichen Verwaltung sind dabeivon zentraler Bedeutung. Der Einsatz marktwirt-schaftlicher Instrumente wie einer Ökosteuer odereines Zertifikatehandels könnte dann Anreize fürdie Stärkung regenerativer Energien setzen.

Die osteuropäischen EU-Beitrittskandidatenerfüllen bereits wichtige institutionelle Vorausset-zungen, um Instrumente zur Förderung erneuerba-rer Energieformen einsetzen zu können. Eine früh-zeitige Anbindung an den geplanten EU-Zertifikate-handel wäre empfehlenswert, um die ökonomischenKostensenkungspotenziale umfassend auszuschöp-fen. Anders ist jedoch die Instrumentenfrage in denGUS-Staaten zu bewerten. Aufgrund des immernoch hohen Reformbedarfs und der unzureichendenKapazitäten bei Unternehmen und öffentlicher Ver-waltung bestünde sogar die Gefahr, dass eine Ein-führung dieser Instrumente gegenteilige Wirkunghätte (Bell, 2002).

5.2.2.2Förderung fossiler Energien mit verringertenEmissionen

Die GrundideeKurz- oder mittelfristig kann auf fossile Energiennicht verzichtet werden. Ein Verzicht wird erst dannmöglich sein, wenn erneuerbare Energien die entste-hende Versorgungslücke füllen können. Um Versor-gungssicherheit zu wahren, andererseits aber dieAbhängigkeit vom fossilen Pfad zu verringern, sollteauf zwei Dinge geachtet werden: Zum einen solltenmöglichst wenig Neuinvestitionen für fossile Ener-gieträger getätigt werden. Zum anderen sollten dieInvestitionen im fossilen Bereich wie auch diejeni-gen Neuinvestitionen, die im Hinblick auf die sozioö-konomischen Leitplanken unverzichtbar erscheinen,für Energien eingesetzt werden, die weniger Emis-sionen aufweisen und sich in eine flexible Infrastruk-tur einpassen. Ein vorübergehender Ausbau fossilerEnergien kann dadurch so konzipiert werden, dassmittel- und langfristig die neu geschaffenen Anlagen,beispielsweise Kraftwerke oder auch Leitungsnetze,auch mit erneuerbaren Energieträgern betriebenwerden können. Eine Erhöhung des Erdgasanteilskönnte zu der gewünschten Flexibilität führen, wennbeispielsweise Anlagen, die zunächst mit Erdgasbetrieben werden, zu einem späteren Zeitpunkt auchmit biogenem Gas oder Wasserstoff funktionierenwürden.

Konkrete SchritteDer vorübergehende Ausbau fossiler Energien mitverringerten Emissionen ist insbesondere in Ent-wicklungs-, Schwellen- und Transformationsländernwichtig, in denen kurz- und mittelfristig, insbeson-dere bei starkem wirtschaftlichen Wachstum, oftkeine nennenswerten Alternativen für die Energie-versorgung zur Verfügung stehen. Russland hat bei-spielsweise vor, den erwarteten Anstieg der Energie-nachfrage durch eine verstärkte Nutzung der Kohle-vorkommen zu decken, um die Abhängigkeit vomErdgas zu reduzieren (IEA, 2002a). Eine solche Ent-wicklung ist dann weniger kritisch, wenn es gelingt,die zusätzliche Nutzung von Kohle technisch so zurealisieren, dass die Emissionen gesenkt werden.Mindestens in der Übergangsphase muss es darumgehen, moderne Technologie zur Nutzung fossilerEnergieträger in die Transformations- und Entwick-lungsländer zu transferieren. Hier kommt der Ent-wicklungszusammenarbeit direkt oder auch indirekt(etwa in Form von Exportkreditgarantien) einewichtige Bedeutung zu. Als vorteilhaft könnten sichin diesem Zusammenhang auch die flexiblen Kioto-Mechanismen (Joint Implementation und CleanDevelopment Mechanism) erweisen, die Industrie-ländern einen Anreiz für den Transfer emissionsar-mer Technologien für fossile Energieträger in Ent-wicklungs- und Transformationsländer geben.

Probleme könnten vor allem in Entwicklungslän-dern entstehen, wenn ein Land mit Kohlevorkom-men und -kraftwerken auf Erdgas umstellen möchteund damit auf Gasimporte angewiesen wäre, die esnicht bezahlen kann. Finanzielle und technischeUnterstützung sollte daher den Ausbau emissionsar-mer Techniken zur Nutzung fossiler Energien in die-sen Ländern begleiten (Kap. 5.2.3).

Die Ablösung der Nutzung traditioneller Bio-masse zum Kochen scheint mittelfristig am ehestendurch Flüssiggas realisierbar zu sein. Selbst wenn alle2,4 Mrd. Menschen, die derzeit an Energiearmut lei-den, zu Flüssiggas wechselten, würde dies nur ca. 2%der weltweiten Emissionen ausmachen (Smith,2002). Brasilien hat bereits in 94% aller Haushaltedie Verwendung von Biomasse zum Kochen durchFlüssiggas ersetzt.Während hier 40 kg Flüssiggas proKopf und Jahr verbraucht werden, sind es in Chinaund Indien noch 10 kg, in Afrika südlich der Saharaaber weniger als 1 kg (Reddy, 2002). Flüssiggas istnach Ansicht des Beirats als Ersatz für die gesund-heits- und umweltgefährdende Nutzung der Bio-masse besonders geeignet, weil es eine verfügbareund schnell einsetzbare Technologie ist und den spä-teren Übergang hin zu regenerativen Energieträgernerschließt. Langfristig ist die Produktion von Flüssig-gas aus Biomasse anzustreben.

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162 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

5.2.2.3Förderung der Effizienz bei der Bereitstellung,Verteilung und Nutzung von Energie

Die GrundideeBei der Bereitstellung, der Verteilung und der Nut-zung von Energie bestehen große Effizienzpotenzi-ale, zu deren Ausschöpfung verschiedene Technikenbereit stehen: die technisch effiziente und kosten-günstige Bereitstellung von Energiedienstleistungen,die Vermeidung von Transportverlusten bei netzge-bundenen Energietransporten über große Distanzenund die rationelle Energienutzung durch den Kun-den (Kap. 3.5). In Industrieländern gibt es auf derNachfrageseite ungenutzte Effizienzpotenziale vonbis zu 60% (Enquete-Kommission, 2002). In den Ent-wicklungs-, Schwellen- und Transformationsländerndürften hier noch erheblich höhere Effizienzpotenzi-ale liegen.

Effiziente Bereitstellung von EndenergieAnreize für eine effizientere Energiebereitstellunglassen sich vor allem durch die Liberalisierung derEnergiemärkte schaffen. Zentrale Elemente sinddabei die Abschaffung von Investitionsaufsicht,Demarkations- und Konzessionsverträgen, die Tren-nung von Elektrizitätserzeugung und Netzbetriebund eine Beschränkung der Rolle des Staates auf dieRahmensetzung. Bei der leitungsgebundenen Strom-versorgung können die Kunden durch eine Liberali-sierung der Elektrizitätsmärkte den Stromanbieterfrei wählen und so Einfluss auf die Erzeugungsstruk-tur bzw. die -technologie ausüben. Es ist davon aus-zugehen, dass eine Liberalisierung prinzipiell zuStrukturveränderungen bei den Elektrizitätsanbie-tern führen wird. Nur diejenigen Anbieter werdenmittel- und langfristig auf dem Markt bleiben, dieStrom ökonomisch effizient produzieren.Tatsächlichwaren in der EU bis vor kurzem sinkende Strom-preise zu beobachten. Kritiker einer Liberalisierungbefürchten jedoch eine wettbewerbsbeschränkendeUnternehmenskonzentration auf dem Strommarkt(Kainer und Spielkamp, 1999). So stellen etwa inDeutschland die vier größten Unternehmen denüberwiegenden Anteil der Stromversorgung. Einesolche Konzentration ist jedoch keineswegs zwin-gend. Liberalisierung bedeutet ja gerade eine Markt-öffnung, durch die sich die Anbieterzahl auch erhö-hen kann. So kann z. B. seit der Liberalisierung einverstärkter Markteintritt von Anbietern „grünenStroms“ beobachtet werden.

Als Folge der Liberalisierung sind auch langfris-tige Strukturveränderungen bei der Stromerzeugungzu erwarten. Dies kann sich in Form einer stärkerdezentralen Stromproduktion als bisher niederschla-gen. Für Industrieländer bedeutet dies keineswegs

die Rückkehr zu den Insellösungen des letzten Jahr-hunderts, sondern vielmehr eine Einbindung kleine-rer, lokaler Kraftwerke in den Netzverbund. Geradedurch die Entwicklung der Informations- und Kom-munikationstechnologie ist eine verbesserte Bünde-lung und Koordination einzelner kleiner Kraftwerkezu einem sog. Verteilten Kraftwerk möglich (Kap.3.4.3). Da insbesondere in Deutschland in den kom-menden Jahren eine grundlegende Erneuerung desKraftwerksparks ansteht, bietet sich hier die Gele-genheit, mit dem Neubau von Kraftwerken auch dieräumlichen Versorgungsstrukturen zu ändern. NachAuffassung des Beirats sollte die Bundesregierungden Umbau der Versorgungsstrukturen prüfen undmit Pilotprojekten bzw. Markteinführungsprogram-men fördern. Bereits existierende Maßnahmen derEU und Deutschlands sollten weiter ausgebaut wer-den.

Durch eine weniger zentrale Struktur kann auchder Anteil regenerativer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erhöht werden. So warenes in der Vergangenheit hauptsächlich lokale Vertei-ler (Stadtwerke), die im Auftrag der Kommunen inerneuerbare Energien und KWK investierten. Seitmit der vollständigen Liberalisierung die Sonderstel-lung der lokalen Versorger entfallen ist, ist es jedochin Deutschland in einem erheblichen Maß zurAbschaltung von KWK-Kraftwerken gekommen, diedurch Stadtwerke betrieben worden waren (BMU,2000). Nicht zuletzt ist dies Folge der Subventionie-rung fossiler und nuklearer Energien und der unge-nügenden Internalisierung externer Kosten, die zuverzerrten Preisen führen.

Will man also sicherstellen, dass nicht nur von derAngebotsseite, sondern auch von der Nachfrageseitevorhandene Effizienzpotenziale ausgeschöpft wer-den, reicht die Liberalisierung nicht aus (IEA, 2000).Zusätzlich ist über eine Internalisierung der exter-nen Kosten fossiler und nuklearer Energie dafür zusorgen, dass der Preis für effizient produziertenStrom auf dasjenige Preisniveau angehoben wird, dasden gesellschaftlichen Knappheitsverhältnissen ent-spricht. Nur dann kann das zentrale Kriterium, andem sich Endverbraucher bei ihren Kaufentschei-dungen orientieren, nämlich der Strompreis,Anreizefür eine effiziente Energienachfrage geben. Es istaußerdem sinnvoll, eine Kennzeichnungspflicht fürElektrizität aus erneuerbaren Energiequellen einzu-führen. Damit könnte der Wunsch nach Elektrizitätaus regenerativen Energieträgern leichter realisiertwerden und der Wettbewerb auf liberalisiertenMärkten erhielte neben dem Preis auch eine qualita-tive Komponente. Die Kennzeichnung wäre außer-dem ein erster Schritt zu einem System handelbarerGreen Energy Certificates (Batley et al., 2000; Kap.5.2.2.1).

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163Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Liberalisierung bedeutet weiterhin die Öffnungnationaler Strommärkte gegenüber Stromimportenaus dem Ausland, wodurch der Wettbewerb auf demnationalen Strommarkt erhöht wird. Solche Strom-importe führen allerdings nur dann zu Effizienzstei-gerungen auf Angebots- und Nachfrageseite, wenndavon ausgegangen werden kann, dass auch im Aus-land die externen Kosten fossiler und nuklearerEnergie internalisiert werden. Energieimporte ausLändern ohne Internalisierung externer Effektekönnen dazu führen, dass im Inland produzierteEnergie vom Markt verdrängt wird, da diese auf-grund eines höheren Internalisierungsniveaus teurerist (Kap. 5.3.5).

Nach Auffassung des WBGU ist es notwendig,dass der Staat sich in den Prozess der Liberalisierung„einmischt“ und eine begleitende und gestaltendeRolle einnimmt. Es sollten langfristig stabile Rah-menbedingungen für die neuen Märkte geschaffenund für einen funktionierenden Wettbewerb gesorgtwerden. Die zunehmende Integration der Energie-märkte in Europa erfordert die Schaffung einersupranationalen Wettbewerbsaufsicht, etwa in Formeiner Europäischen Wettbewerbsbehörde (Duijm,1998). Dennoch sollte, dem Prinzip der Subsidiaritätentsprechend, die Energiepolitik soweit wie möglichvon nationalen und regionalen Entscheidungsträ-gern bestimmt werden, um nationale und regionaleBesonderheiten beachten zu können.

Große Effizienzpotenziale bietet das gleichzeitigeAngebot von Strom und Wärme bzw. Kälte ausKWK-Kraftwerken (Kap. 3.3). Doch schwächen dieLiberalisierung und die damit verbundenen Preis-senkungen, die noch bestehenden Subventionen fos-siler und nuklearer Energien sowie eine völlig unge-nügende Internalisierung externer Kosten die derzei-tige Wettbewerbsposition dieser vergleichsweiseumweltfreundlichen Technologie. Daher empfiehltder WBGU, KWK-Anlagen gezielt weiter zu fördernund sich auf EU-Ebene für die Einführung einerMengenregelung einzusetzen. Über das Ziel des 6.EU-Umweltaktionsprogramms hinausgehend plä-diert der WBGU dafür, bis 2012 20% des Stroms ausKraft-Wärme-Kopplung anzubieten (EU: 18% bis2012). Über den Vorschlag zu einer europäischenKWK-Richtlinie hinaus, der eine Kennzeichnungvon KWK-Strom bis 2005 fordert und die nationaleFörderung von KWK-Strom nur auf Elektrizitätser-zeugung mit gleichzeitiger Nutzwärmeproduktionbegrenzen will, sollte sich die Bundesregierung füreine zügige Festlegung verbindlicher nationaler Ziel-quoten einsetzen. Handelbare Quoten wären dabeiein Instrument, um wirtschaftlich möglichst effizientEnergie aus KWK-Kraftwerken bereitzustellen. Beidiesen Regelungen sollte das Konzept einer verteil-

ten Stromerzeugung (Kap. 3.4.3) berücksichtigt wer-den.

Effizienzsteigerungen bei der Bereitstellung vonEnergie in Entwicklungs-, Schwellen- und Transfor-mationsländern setzen zunächst oft den Transfer bes-serer Technologien in diese Länder voraus. Währendmanche osteuropäische Kohlekraftwerke nur einenWirkungsgrad von 28% aufweisen und in Chinasogar nur 20%, erreichen moderne Gaskraftwerkeeinen Wirkungsgrad von nahezu 60%. Der WBGUempfiehlt daher, dem Transfer von Energietechnolo-gie größere Bedeutung einzuräumen. Konkret würdedies einerseits einen verstärkten Technologietransferim Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitbedeuten, andererseits aber auch mehr Unterstüt-zung für die Durchführung privater Technologie-transfers. Neben günstigen Kreditbedingungen wäredabei an Steuerbefreiungen oder auch an staatlicheRisikogarantien zu denken. Zudem sollte sich dieBundesregierung für eine stufenweise Etablierunginternationaler Standards für Mindestwirkungsgradefossil betriebener Kraftwerke einsetzen. Solche Stan-dards sollten auf der EU-IPPC-Richtlinie aufbauenund spätestens ab 2005 in Kraft treten.

Effiziente EnergietransportstrukturenÖkologisch wünschenswerte Effizienzsteigerungenkönnten im Zuge einer Liberalisierung der Energie-märkte und einer damit einhergehenden Trennungvon Verteiler und Anbieter auch bei Betreibern vonTransportnetzen erschlossen werden. Bei der Kon-zentration von Firmen auf den Netzbetrieb ist davonauszugehen, dass durch verbesserte Übertragungs-technologien Effizienzpotenziale ausgeschöpft unddamit Übertragungsverluste verkleinert werden.Verbundunternehmen allerdings, die auch Netzei-gentümer sind, haben nur dann einen Anreiz füreinen effizienteren Netzbetrieb, wenn die Erträgeaus verbesserten Übertragungstechnologien größeroder die Skalenerträge bei der zentralen Erzeugungkleiner sind als die Kosten der Netzverluste. Diesdürfte eher selten der Fall sein. Es müssen langfris-tige Strategien entwickelt werden, die die Netze füreine großräumig verteilte Stromerzeugung ertüchti-gen.

In Transformationsländern lassen sich nennens-werte Steigerungen der Energieeffizienz durch Ver-besserungen bestehender Fernwärmesysteme erzie-len. Diese Systeme zeichnen sich bisher durch hoheÜbertragungs- und Verteilungsverluste aus. Durchrelativ einfache Maßnahmen wie Einführung vonVerbrauchsmessungen, in der Geschwindigkeit ein-stellbare Pumpmotoren und Erneuerung bestehen-der Isolierungen von Rohrleitungen könnten großeEffizienzpotenziale erschlossen werden. Investitio-nen dieser Art bringen meist schon nach zwei Jahren

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164 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Gewinn (van Vurren und Bakkes, 1999). Der WBGUempfiehlt, Transformationsländer bei ihren Bemü-hungen zu unterstützen, Übertragungs- und Vertei-lungsverluste deutlich zu verringern.

Effiziente EnergienutzungDie Effizienz der Energienutzung kann auch bei denEndverbrauchern gesteigert werden, die durch ihrNachfrageverhalten den Energieeinsatz in Gebäu-den, von Maschinen, Verbrauchsgeräten, Kraftfahr-zeugen, Transportdienstleistungen usw. mitbestim-men. Private Haushalte sind jedoch nur selten in derLage, sich über die Energiebilanz der einzelnen alter-nativen Produkte bzw. Häuser oder Wohnungen zuinformieren und diese zu bewerten. Daher habensich seit den 1980er Jahren in vielen IndustrieländernKennzeichnungen (Labels) bzw. staatliche Mindest-effizienzstandards etabliert, die dem Verbraucher alsOrientierungshilfe dienen können. Allerdings sinddiese Kennzeichnungen oft freiwillig, bzw. beschrän-ken sich meist nur auf einzelne Marktsegmente. ZumBeispiel gab es im Konsumgüterbereich lange Zeitnur Effizienzklassen und Labels für so genannte„weiße Ware“ (Kühlschränke, Waschmaschinenusw.), während „braune Ware“ (z. B. Fernseher, Ste-reoanlagen) bisher kaum gekennzeichnet ist.

Der Beirat empfiehlt daher, die Kennzeichnungauf alle Verbrauchsgeräte auszudehnen und zu ver-schärfen und diese Entwicklung in der EU weiter zuforcieren. Langfristig ist eine Kennzeichnungspflichtfür möglichst alle energieintensiven Verbrauchs- undGebrauchsgüter, auf Gebäude und Industrieanlagensowie auf Dienstleistungen einzuführen. In der„Energy Performance Directive“ der EU(EU-Kom-mission, 2003) ist bereits das Energie-Labelling vonGebäuden ab 2006 vorgesehen.

Dabei sollten die Anforderungen der Kennzeich-nungen regelmäßig an den aktuellen Stand der Tech-nik angepasst werden. Bei der Revision der Kenn-zeichnungsmerkmale sollte das Augenmerk ver-stärkt auch auf den Verbrauch der Stand-by-Funk-tion vieler Konsumelektronikgeräte gerichtet

werden. Der Stand-by-Verbrauch wird auf rund 10%des häuslichen Elektrizitätsbedarfs der OECD-Län-der geschätzt, wobei der Verbrauch bei Nutzung bes-serer Technologien um durchschnittlich etwa 75%reduziert werden könnte (IEA, 2001c).

Besonders bei Gütern, die in größerem Umfanginternational gehandelt werden, ist eine länderüber-greifende Harmonisierung von Effizienzstandardsund Labels empfehlenswert, um Intransparenz durchzu viele unterschiedliche Labels zu vermeiden. Bila-terale Vereinbarungen der EU können ein Schritt indiese Richtung sein (Kasten 5.2-3). InternationaleLabels werden sich meist nur auf den kleinstengemeinsamen Nenner beziehen, so dass sie ehrgeizi-gere Kennzeichnungssysteme nicht ersetzen, son-dern sich in diese integrieren sollten.Würde langfris-tig zum Beispiel ein „Single Global Energy Star“ fürhandelbare Verbrauchsgeräte eingeführt, solltennach wie vor regionale und nationale Kennzeich-nungssysteme implementiert und fortentwickelt wer-den, die über die Einhaltung weit ehrgeizigerer Effi-zienzstandards informieren, also etwa einen europä-ischen „Double Energy Star“ oder nationalen „Trip-le Star“.

Große Effizienzpotenziale in der Nutzung vonHeiz- und Kühlungsenergie lassen sich auch durchordnungsrechtliche Regelungen in Hinblick aufgeringere winterliche Wärmeverluste (Dämmung,Wärmerückgewinnung) und besseren sommerlichenWärmeschutz von Gebäuden ausschöpfen (Kap.3.5.2). Das Bauwesen könnte dadurch umwelt-freundlicher gestaltet werden, dass die gesetzlichenMindeststandards zukünftig ambitioniertere Ziel-vorgaben und geeignete Fördermaßnahmen enthal-ten. Die „Energy Performance Directive“ sieht bei-spielsweise vor, dass ab 2006 die Energiebedarfsana-lyse von Gebäuden nach Primärenergieaufwand(einschließlich Energie für Kälte und Beleuchtung)vorzunehmen ist, was bereits in Normungsausschüs-sen bearbeitet wird. Dabei können wesentliche Ele-mente der deutschen Energieeinsparverordnung von2002 sowie bereits etablierter Verfahren der Schweiz

Kasten 5.2-3

EU-weite Kennzeichnungspflicht vonVerbrauchsgeräten

Seit August 1999 gilt eine EU-weite Kennzeichnungspflichtvon „weißen“ Haushaltsgeräten (Kühlgeräte, Waschma-schinen usw.). Die einzelnen EU-Staaten setzen die Kenn-zeichnungspflicht um, überwachen sie und stellen sicher,dass die Vielfalt unterschiedlicher Kennzeichnungenbegrenzt bleibt und dass die Verbraucher durch Kampag-nen über die Kennzeichnung informiert werden. Die Aus-

weitung der Kennzeichnung auf „braune“ Ware (Fernse-her, Stereoanlagen usw.) nimmt ebenfalls Gestalt an. So hatdie EU die US-amerikanische Kennzeichnung „EnergyStar“ für Büro- und Telekommunikationsgeräte (PC, Bild-schirme, Fax, Kopierer, Scanner usw.) im Jahr 2001 über-nommen. Für die zunächst bis 2005 befristete Übernahmedes Labels und damit gegen ein eigenes europäisches Labelsprach nicht zuletzt der Wert des transatlantischen Handelsmit diesen Geräten in Höhe von ca. 40 Mrd. US-$. ÄhnlicheAbkommen bestehen zwischen den USA und anderenStaaten wie etwa Australien und Neuseeland.

Quellen: WTO, 2001; Energy Star Australia, 2002

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165Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

übernommen werden. Darüber hinaus werden der-zeit bei der anwendungsnahen Forschung Demon-strationsprojekte gefördert, die eine gesamt-energetischen Bewertung von Heizen, Lüften, Küh-len und Beleuchten vornehmen. Ebenso besteht einnennenswertes CO2-Minderungspotenzial in derUnterstützung einer verbesserten Versorgungstech-nik z. B. durch zinsverbilligte Darlehen (Enquete-Kommission, 2002).

Effizienzpotenziale sollten auf der Nachfrageseiteauch durch Nachfragesteuerung im engeren Sinn,dem so genannten Demand Side Management,erschlossen werden. Dazu käme das Lastmanage-ment in Frage, das die maximale Stromentnahmedurch Verlagerung auf Zeiten mit niedrigem Bedarfreduziert und damit Zahl bzw. Größe der eingesetz-ten Kraftwerke senken hilft. Anreize hierzu gebenvariable Tarife und Fördermaßnahmen fürbestimmte Speichertechnologien (Melchert, 1998).Zwar existieren bereits variable Tarifstrukturen, siewerden von den Verbrauchern jedoch häufig nurunzureichend wahrgenommen. Denkbar wäre hier,eine Anzeige des aktuellen Tarifs in den Wohnungenauf einer elektronischen Anzeige wiederzugebenbzw. Haushaltsgeräte automatisch nach dem aktuel-len Tarif zu steuern.

Zusätzlich ist das „Contracting“ empfehlenswert,und zwar insbesondere für Firmen (Melchert, 1998).Dabei werden energiewirtschaftliche Projekte voneinem Dritten, dem Contractor, vorbereitet, durch-geführt und gegebenenfalls finanziert. Während essich beim Anlagencontracting um die Auslagerungder Einrichtung und des Betriebs einer bestimmtenProduktionsanlage handelt, durchforstet der Con-tractor beim Einspar-Contracting den bestehendenBetrieb nach Einsparmöglichkeiten und führt dieerforderlichen Maßnahmen zur Erschließung derEinsparpotenziale selbst durch (Freund, 2002).Neben Contractor und Kunde profitiert auch dieUmwelt vom Einspar-Contracting, womit es ein för-derungswürdiges Instrument mit drei Gewinnernschafft.

Damit sich Contracting als freiwillige Dienstleis-tung auch auf einem liberalisierten Markt herausbil-den kann, ist eine zügige Umsetzung der vollständi-gen Liberalisierung der Märkte für leitungsgebun-dene Energieversorgung auch hier zentral. Nur sohaben alle Kundengruppen die Möglichkeit, zu Ener-gieversorgern mit einem besonders günstigen Leis-tungsangebot zu wechseln. Auch wären Contracting-Angebote denkbar, die dafür sorgen, dass die benö-tigten Energiedienstleistungen für ein Gebäude odereine Anlage durch regenerative Energien oderKraft-Wärme-Kopplung gedeckt werden können.Schließlich können die Energiedienstleister dazubeitragen, den derzeitigen Markt für Endenergie

(Strom, Gas) in einen Markt für Dienstleistungen(helle und warme bzw. kühle Räume, heiße und kalteSpeisen usw.) umzuwandeln.

Um die Verbraucher mit den einschlägigen Infor-mationen zu versorgen, empfiehlt der Beirat eineverstärkte Verbraucherinformation über Contrac-ting und Demand Side Management. Standardi-sierte, umweltorientierte Musterverträge könntendie Informationskosten und Hemmschwellen geradefür kleine Verbraucher senken.

Zielgruppenspezifische Anreizsysteme Die Strukturen des Energieeinsatzes werdenbesonders in den Industrieländern entscheidend vonden Lebensstilen beeinflusst (Kap. 2.2.3). Dement-sprechend fallen auch die Möglichkeiten, Effizienz-potenziale auf der Nachfrageseite zu nutzen bzw.einen nachhaltigen Energiekonsum zu erreichen, jenach Lebensstil unterschiedlich aus. Die Lebensstil-forschung zeigt, dass sich ökologisch-alternativeLebensstile, wie sie in den 1970er/1980er Jahrenerkennbar wurden, nicht durchgesetzt haben (Reuss-wig et al., 2002). Strategien für einen sparsamenUmgang mit Energie dürften daher bis auf weiteresnur dann erfolgreich sein, wenn nicht der falsche Ein-druck entsteht, es entstünden Einbußen an Lebens-qualität. Das 2000-Watt-Projekt aus der Schweiz istals relativ erfolgreicher Versuch anzusehen, nachhal-tigen Energiekonsum inklusive effizienter Energie-nutzung ohne einen solchen Verzicht zu propagieren(Spreng und Semadeni, 2001).

Für verschiedene Lebensstilgruppen werden ganzunterschiedliche Anreizsysteme greifen. Motiv fürdas Energiesparen kann das „Sparen“ ebenso seinwie die Begeisterung für „moderne Technik/Innova-tion“ oder wie eine verinnerlichte „Verantwortungfür zukünftige Generationen“. Um alle Lebensstil-gruppen zu erreichen, ist daher eine Mischung vonumweltpolitischen Instrumenten erforderlich.

Zielgruppenspezifische Kommunikationskonzep-te scheinen geeignet, die politischen Rahmensetzun-gen zu ergänzen und zu unterstützen. So haben dieStadtwerke Kiel eine Marktanalyse vorgenommen,die mit einem zielgruppengerechten Marketing aufden stark differenzierten Käufermarkt reagierenwollte. Dabei stellten sie fest, dass das Energiespar-verhalten nicht nur von Gruppe zu Gruppe variierte,sondern auch von Sektor zu Sektor (Wärme, Strom,Wasser). Die verschiedenen Gruppen wählen ihrökologisches Verhalten im Allgemeinen und ihreEnergiesparwege im Besonderen aus ganz verschie-denen Gründen, die in ihrem Lebensstil wurzeln(Reusswig, 1994).

Der WBGU empfiehlt, die Diskussion um nach-haltige Lebensstile und Umweltbildung in die lau-fenden Verhandlungen zur Ausgestaltung des Art. 6

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166 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

der Klimarahmenkonvention zu integrieren, der sichmit Bildung, Ausbildung und öffentlichem Bewusst-sein im Bereich des Klimawandels befasst. Bis 2005sollte in den Industrieländern ein Lebensstildiskursin den Schullehrplänen verankert werden. Darüberhinaus sind zielgruppenspezifische Kampagnen inder Bevölkerung durchzuführen. Entscheidend wirdletztlich sein, inwiefern die Konsumenten mit derEnergiewende zur Nachhaltigkeit eine Vision ver-binden, die auch ihnen ganz persönlich etwas bringt:mehr Lebensqualität, größere Wahlfreiheit, mehrArbeitsplätze, technische Innovationen.

5.2.2.4 Fazit

Fossile und nukleare Energien müssen durch geeig-nete fiskalische Maßnahmen gegenüber dem StatusQuo verteuert und damit in ihrer Attraktivitätzurückgedrängt werden. Auf der anderen Seite ist esfür eine Transformation der Energiesysteme aberauch wichtig, durch spezielle Fördermaßnahmen dieAttraktivität von erneuerbaren Energien, fossilenEnergien mit geringen Emissionen und Effizienzstei-gerungen bezüglich Produktion, Verteilung und Nut-zung von Energie direkt zu erhöhen.

Für die Förderung erneuerbarer Energien kom-men grundsätzlich Ansätze der Preis- oder der Men-gensteuerung in Frage. Eine Preissteuerung kann ins-besondere über direkte Subventionen oder über Ein-speisevergütungen erfolgen. Als wesentliches Instru-ment einer Mengensteuerung sind die verschiedenenVarianten von Quoten für Mindestanteile an Stromoder Wärme aus erneuerbaren Energieträgern anzu-sehen. Dabei können die Quoten auch so ausgestal-tet sein, dass Zertifikate über die Produktion vonStrom aus erneuerbaren Energieträgern an einemMarkt gekauft und verkauft werden können.

Grundsätzlich weist die Mengensteuerung denVorteil höherer Zielgenauigkeit auf. HandelbareQuoten – ergänzt um das System der Green EnergyCertificates – stellen außerdem unter dem Gesichts-punkt der Effizienz ein national wie internationalattraktives Instrument zum Ausbau erneuerbarerEnergien dar. Allerdings können gerade neuezukunftsträchtige Technologien mangels Marktreifeund -größe durch das Modell handelbarer Quotennicht sinnvoll gefördert werden, so dass eineAnschubförderung durch Preisinstrumente notwen-dig ist. Der selektive Übergang von einer preisorien-tierten auf eine flexible mengenorientierte Förde-rung ist unter Beachtung technologischer undMarktbesonderheiten sowie länderspezifischerGegebenheiten auszugestalten.

Effizienzsteigerungen können durch Maßnahmenauf der Angebots- wie auch auf der Nachfrageseiteerzielt werden. Dabei kommt staatlichen Regulie-rungen eine wichtige Rolle zu, ebenso wie einerErhöhung des Wettbewerbs (durch Liberalisierung)oder besseren Informationsmöglichkeiten für Ver-braucher durch die Ausweitung von Kennzeich-nungspflichten auf alle energieintensiven Ver-brauchs- und Gebrauchsgüter, auf Gebäude undIndustrieanlagen sowie auf Dienstleistungen. BeiGütern, die in größerem Umfang internationalgehandelt werden, ist eine länderübergreifende Har-monisierung von Effizienzstandards und Labelsempfehlenswert. Zusätzlich sollten die Instrumentedes Demand Side Management und Contracting inliberalisierten Energiemärkten unterstützt und ziel-gruppenspezifisch ausgestaltete Anreiz- und Kom-munikationskonzepte entwickelt werden.

Große Effizienzpotenziale in der Nutzung derHeiz- und Kühlungsenergie lassen sich durch ord-nungsrechtliche Regelungen bei Wärmedämmungund -schutz von Gebäuden ausschöpfen. Empfeh-lenswert sind gesetzliche Mindeststandards, verbun-den mit anspruchsvollen Zielvorgaben und geeigne-ten Förderinstrumenten.

Im Zusammenhang mit der Steigerung der Effi-zienz fossiler Kraftwerke ist der Technologietransfervon Industrie- in Transformations-, Schwellen- undEntwicklungsländer wichtig. Zudem sollte sich dieBundesregierung für internationale Standards fürMindestwirkungsgrade fossil betriebener Kraft-werke einsetzen. Der Beirat empfiehlt zudem diegezielte Förderung von Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Hier sollte sich dieBundesregierung im Rahmen der laufenden Ver-handlungen der EU-KWK-Richtlinie für die zügigeFestlegung von verbindlichen nationalen Zielquoteneinsetzen. Bis 2012 sollte 20% des Stroms in der EUdurch KWK-Kraftwerke erzeugt werden. Handel-bare Quoten wären dabei ein Instrument, um auchauf wirtschaftlich möglichst effizient Energie ausKWK-Kraftwerken bereitzustellen.

5.2.3Moderne Energieformen und effizientereEnergienutzung in Entwicklungs-, Transformations-und Schwellenländern

5.2.3.1Die Grundidee

Für Entwicklungs- und Schwellenländer ist, nichtzuletzt wegen anhaltendem Bevölkerungswachstumbzw. zum Teil überdurchschnittlichem Wachstum des

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167Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Sozialprodukts, von einem starken Anstieg der Nach-frage nach Energiedienstleistungen auszugehen. Diezur Befriedigung dieser Nachfrage notwendigenInvestitionskosten im Energiesektor werden in dennächsten zwanzig Jahren auf 180–215 Mrd. US-$ (imWert des Jahrs 1998) oder 3–4% des BIP dieser Län-der jährlich geschätzt (UNDP et al., 2000; G8 Rene-wable Energy Task Force, 2001). Neueste Schätzun-gen der IEA gehen davon aus, dass Transformations-länder einen ähnlich hohen Bedarf haben. So werdenetwa in Russland im Zeitraum 1999–2020 Investitio-nen in Höhe von 550–700 Mrd. US-$ in die Energie-infrastruktur (inkl. Investitionen in die Energieeffi-zienz und die Förderung erneuerbarer Energien)benötigt (IEA, 2002a). Angesichts der angespanntenFinanzlage dieser Länder und des Umfangs derFinanzierungsaufgabe werden sie in absehbarer Zeitnicht in der Lage sein, die notwendigen Investitionenallein zu finanzieren (Dunkerley, 1995). Aus diesenGründen und weil durch Privatinvestitionen einwesentlich höheres Finanzierungspotenzial als durchMittel der Entwicklungszusammenarbeit zu erwar-ten ist, kann der notwendige Ausbau des Energiesek-tors nur durch eine erhebliche Ausweitung der priva-ten Investitionen besonders aus dem Auslanderreicht werden.

Private Investitionen werden jedoch nur danngetätigt, wenn zumindest mittelfristig angemesseneGewinne erwartet werden.Angesichts des bisherigenenergiepolitischen Umfelds in Entwicklungsländernsind die Anreize für private Investitionen im Ener-giesektor sehr begrenzt. Dies gilt sowohl für den Aus-bau bestehender Elektrizitätsnetze als auch für dieVerbesserung des Zugangs zu moderner Energie inländlichen Gebieten. Deshalb wird der Ausbau derländlichen Energieversorgung durch dezentraleAnsätze und Insellösungen mittelfristig vor allemeine Versorgungsaufgabe des Staates und der Ent-wicklungszusammenarbeit bleiben.

Neben Verbesserungen auf der Seite des Energie-angebots sind für einen verbesserten Zugang zumoderner Energie mit geringen Emissionen aller-dings auch Maßnahmen auf der Nachfrageseite wich-tig. Dabei reicht das Spektrum sinnvoller Maßnah-men von der Subventionierung des effizienten undemissionsarmen Energiekonsums über den Ausbauvon Mikro-Finanzierungssystemen für private Haus-halte bis hin zur Berücksichtigung der Akzeptanzunterschiedlicher Technologien und Finanzierungs-möglichkeiten.

Verschiedene angebots- und nachfrageseitigeMaßnahmen werden nun näher behandelt. Dabei istzu betonen, dass die Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländer untereinander und auchinnerhalb einer Gruppe bezüglich ihrer Energiesys-teme sehr heterogen sind. Wenn im Folgenden Emp-

fehlungen für energiepolitische Maßnahmen gege-ben werden, ist das nicht als Rezept für alle zu ver-stehen. Im Gegenteil: die Vielfalt der demographi-schen, geographischen, kulturellen, sozialen, ökono-mischen oder politischen Gegebenheiten ebenso wiedie Vielfalt der gegenwärtigen Energiesystememachen deutlich, dass Vorschläge für die Energie-wende auf die einzelnen Länder zugeschnitten wer-den müssen.

5.2.3.2Konkrete Schritte auf der Angebotsseite

Schaffung attraktiver Rahmenbedingungenfür private InvestorenErste Erfahrungen einiger Entwicklungsländer mitder teilweisen Privatisierung des Energiesektorshaben gezeigt, dass private Investoren bei entspre-chender Regulierung die Effizienz der Energiever-sorgung erheblich steigern. Gleichzeitig können sievom Zugang zu den internationalen Kapitalmärktenprofitieren (Bond und Carter, 1995). Dies gilt aller-dings nicht für die ärmsten Entwicklungsländer, weilhier nicht ohne weiteres genügend kaufkräftigeNachfrage geschaffen wird, die hohe Investitionenrentabel macht. In vielen Entwicklungsländern,besonders in den ärmeren, beschränken sich dieNetze der staatlichen Energieversorgungsunterneh-men bisher vielfach auf die größeren Städte, insbe-sondere auf die Stadtkerne.

Durch Privatisierung werden Anreize für eineAusweitung und Effizienzsteigerung der Energiebe-reitstellung gesetzt. Der WBGU empfiehlt daher, beider Vergabe von Krediten und Projekten an Ent-wicklungsländer darauf zu achten, dass – abhängigvon den Voraussetzungen im jeweiligen Land – einerder folgenden Privatisierungswege beschritten wird(Bond und Carter, 1995):• Privaten Energieunternehmen wird der Zugang

zu den bestehenden Versorgungsnetzen des staat-lichen Unternehmens gewährt. Nach einer Über-gangszeit wird das staatliche Energieversorgungs-unternehmen (mit oder ohne vorheriger Restruk-turierung) schrittweise oder vollständig privati-siert;

• Das staatliche Energieversorgungsunternehmenwird in kleinere Einheiten unterteilt, wobei eineTrennung von Energieerzeugung, -transport und-vertrieb erfolgt. Danach werden die einzelnenEinheiten privatisiert, zugleich wird unabhängi-gen Erzeugern der Zugang zu den bestehendenVersorgungsnetzen eingeräumt;

• Das staatliche Energieversorgermonopol wird inseiner Gesamtheit privatisiert. Erst später erfolgtdie Öffnung für andere private Anbieter.

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168 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

In vielen Entwicklungsländern ist die Einfuhr vonIndustriegütern mit hohen Einfuhrzöllen belegt.Dadurch wird nicht nur die Errichtung neuer Anla-gen, sondern auch die Beschaffung notwendigerErsatzteile verteuert. Besondere Barrieren bestehenetwa bei Photovoltaikanlagen, die häufig als Luxus-güter angesehen werden und sehr hohen Einfuhrzöl-len unterliegen. Lokal hergestellte Energieanlagenoder Ersatzteile sind andererseits bisher häufig nichtzuverlässig genug, um den reibungslosen Betriebtechnisch komplizierter Anlagen zu gewährleisten(UNEP-CCEE, 2002). Der WBGU empfiehlt des-halb, dass sich die Bundesregierung bei entwick-lungspolitischer Maßnahmen für eine Steigerung derQualität lokal produzierter Anlagen und Komponen-ten einsetzt. Je wettbewerbsfähiger die lokal produ-zierten Komponenten sind, desto geringer ist dieNotwendigkeit, die heimische Industrie durch Zöllezu schützen. Darüber hinaus könnte ein Entgegen-kommen der Industrieländer bei den tarifären undnicht tarifären Handelshemmnissen die Neigung derEntwicklungs- und Schwellenländer erhöhen, ihrer-seits Zollsenkungen vorzunehmen.

Die Voraussetzungen für private Investitionen imEnergiebereich von Entwicklungsländern sind häu-fig auch aufgrund der begrenzten Märkte schlecht.Durch regionale Integration könnten größereMärkte erschlossen werden, die eine effizientereNutzung von Investitionen erlauben und außerdemdazu beitragen würden, kommerzielle Risiken brei-ter zu streuen. Entsprechenden Wettbewerb voraus-gesetzt, führt die Möglichkeit, Skaleneffekte zuerzielen, auch zu sinkenden Preisen für die Verbrau-cher. Um die Integration regionaler Märkte zu för-dern, sollten deshalb technische Standards verein-heitlicht und die Planung von Energieprojekten aufregionaler Ebene koordiniert werden. Der Aufbauder für den transnationalen Energietransport not-wendigen Infrastruktur muss dabei in solchen Fällenals vorrangiges Investitionsziel behandelt werden.Der Ausbau regionaler Handelsorganisationen sollteinsbesondere in Afrika, dessen intraregionaler Han-del nur 6% des Handelsvolumens beträgt, erheblichbeschleunigt werden (Davidson und Sokona, 2001).Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, dieseAspekte in ihre entwicklungspolitischen Überlegun-gen zu integrieren.

Die Attraktivität von Entwicklungs-, Schwellen-und Transformationsländern für ausländische Inves-titionen im Energiebereich kann durch spezifischeMaßnahmen im Energiesektor, aber auch durch all-gemeine wirtschafts- und rechtspolitische Maßnah-men erhöht werden. Hier wäre etwa an Maßnahmenzur Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Verrin-gerung politischer Risiken zu denken (Johnson et al.,1999). Dadurch könnte die Grundlage für die Aus-

breitung von Energiedienstleitungsunternehmen inLändern wie z. B. Russland geschaffen werden, wounklare Rechtsverhältnisse und intransparenteZulassungsverfahren ausländische Investoren bishervor einem Engagement in dem potenziell riesigenMarkt zurückschrecken ließen (EBRD, 2001).

Ausländische Direktinvestitionen im Energiesek-tor von Entwicklungs-, Schwellen- und Transforma-tionsländern sind vor allem dann attraktiv, wenn dieHerkunftsländer der Investoren günstige Krediteund Exportgarantien bereitstellen. Im Hinblick aufdie Förderung global nachhaltiger Energiesystemeist es sinnvoll, solche Vergünstigungen gezielt fürProjektkategorien zu vergeben, die Nachhaltigkeits-kriterien genügen. Es sollten also keine Investitions-bzw. Exportförderungen für Neuanlagen zur Elektri-zitätsgewinnung auf fossil-nuklearer Basis oder fürdie Erschließung und Vermarktung fossiler oder ato-marer Energierohstoffe gewährt werden. Ausnah-men sollten gemacht werden, wenn nachgewiesenwerden kann, dass die kohlenstoffärmste Alternativegewählt wurde, sich das Projekt langfristig in dienachhaltige Energieplanung des Gastlandes einfügtund erneuerbare Energien derzeit keine machbareoder sinnvolle Alternative darstellen. Eine Förde-rung für Altanlagen der fossilen Stromerzeugung istzumindest dann übergangsweise sinnvoll, wenn esausschließlich um die Modernisierung durch Effi-zienzsteigerung und den Ersatz bestehender Kapa-zitäten bei kräftiger Steigerung des Wirkungsgradsgeht.

Der Beirat ist sich bewusst, dass manche Regie-rungen und Nichtregierungsorganisationen in Ent-wicklungsländern, beispielsweise die indische NRO„Centre for Science and Environment“, eine derar-tige Konditionalität ablehnen. Als Begründung wirdangeführt, dass der Norden den Entwicklungspfaddes Südens vorgeben und Mehrkosten für einennachhaltigen Energiepfad einseitig den ärmerenLändern aufbürden wolle (CSE, 2001). Der WBGUhält aber an seiner Überzeugung fest, dass staatlicheInvestitions- und Exportförderung den übergeord-neten Zielen einer nachhaltigen Energiepolitik ver-pflichtet sein müssen. Dies bedeutet allerdings aucheinen energiepolitischen Strukturwandel in denIndustriestaaten.

Eine von der G8 eingesetzte Arbeitsgruppe unter-breitete dem Wirtschaftsgipfel in Genua (Juli 2001)Vorschläge, wie die Exportkreditanstalten eine maß-gebliche Rolle bei der Energiewende übernehmenkönnten (G8 Renewable Energy Task Force, 2001).Staatliche Exportkreditanstalten sollen durch Erwei-terung der für diesen Bereich gültigen OECD-Leitli-nien aktiv werden. Für erneuerbare Energieträgermüssten – analog zu den speziellen Sektorvereinba-rungen für Kernenergie, Kraftwerke, Schiffe und

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169Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Flugzeuge – die Rückzahlungsfristen, Zinssätzesowie die Kriterien bei der Risikoprüfung modifi-ziert werden.

Der zweite Impuls der G8-Arbeitsgruppe berührtdie OECD-Umweltleitlinien für die Exportförde-rung. Diese sollen universell gültige Mindeststan-dards für Energieeffizienz und Kohlenstoffintensitätsowie einen einheitlichen Berichtsrahmen für dielokalen und globalen Umweltwirkungen eines Pro-jekts festschreiben. Der Beirat schließt sich diesenEmpfehlungen an. Um den Aktivitäten der Export-kreditanstalten für die globale Energiewende einemöglichst große Hebelwirkung zu verleihen, tritt derBeirat für weitere Reformschritte ein (Maurer undBhandari, 2000):• Vollkostenrechnung bei energierelevanten Projek-

ten: Um die Abwälzung sozialer und ökologischerSchäden durch den Einsatz fossiler Energieträgerzu unterbinden, müssen die Exportkreditanstaltenauf die mindestens näherungsweise Einbeziehungexterner Kosten bei der projektspezifischen Ren-tabilitätsberechnung bestehen.

• Quoten für Projekte der Energiewende: DieExportkreditanstalten sollten im Rahmen inter-nationaler Absprachen Quoten ihrer Portfoliosfür erneuerbare Energien und für die Steigerungder Energieeffizienz festlegen. Ab 2005 sollten inder Exportkreditförderung progressive Mindest-auflagen für die zulässige Kohlenstoffintensitätbei Energieerzeugungsprojekten festgelegt wer-den.

• Kriterien der Förderung: Bei der Förderung vonGroßstaudämmen muss die Einhaltung der durchdie World Commission on Dams formuliertenKriterien gewährleistet sein. Kernenergie solltenach Meinung des Beirats grundsätzlich nichtmehr gefördert werden.

• Erhöhung der Transparenz: Frühzeitig vor derFörderentscheidung sollte die Öffentlichkeit überdie Einzelheiten des beantragten Projekts, insbe-sondere die ökologischen und sozialen Folgewir-kungen, unterrichtet werden. Die Export-Import-Bank der USA ist in dieser Hinsicht vorbildlich.Sie veröffentlicht die Umweltverträglichkeitsstu-dien für Projekte 30 Tage vor ihrer Entscheidungund führt sämtliche Fördermaßnahmen und invol-vierte Unternehmen einschließlich der betreffen-den Summen in ihrem Jahresbericht auf.

• Limitierung staatlicher Exportförderung: Da einegenerelle Subventionierung von Exportaktivitä-ten, die staatliche Exportkreditanstalten darstel-len, aus ordnungspolitischer Sicht kritisch zubewerten sind, sollten internationale Verhandlun-gen über den Abbau staatlicher Exportkreditver-sicherungen aufgenommen werden mit dem Ziel,nur noch solche Exporte in das Programm der

Exportkreditanstalten aufzunehmen, die aus-drücklich Nachhaltigkeitszielen dienen.

Regulierung des EnergiesektorsNeben einer Regulierung der marktwirtschaftlichenRahmenbedingungen, bei der etwa die Bedingungenfür den Zugang zu Versorgungsnetzen festzulegensind, können weitere Regulierungen wesentlich zurErhöhung der Umweltfreundlichkeit und Effizienzdes Energiesektors beitragen. Um dies sicherzustel-len, müssen Tarife und Standards festgelegt werden.Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, dies beiihren energiepolitischen Aktivitäten in Entwick-lungsländern wie folgt zu berücksichtigen.1. Marktaufsicht und Wettbewerb um den Markt: Der

Wettbewerb in oder um liberalisierte Energie-märkte erhöht die Effizienz der Energieumwand-lung und reduziert die Umwandlungs- und Versor-gungskosten. Bei funktionierendem Wettbewerbwird dies in Form niedrigerer Preise an die Kun-den weitergegeben, wodurch auch den armenBevölkerungsschichten der Zugang zu modernerEnergie erleichtert wird. Oft verbleiben die Effi-zienzgewinne, insbesondere bei den netzgebunde-nen Energieformen, aber mangels ausreichendemWettbewerbs nahezu vollständig bei den Energie-versorgern. In Entwicklungsländern, die in denwenigsten Fällen über eine effektive Politik gegenWettbewerbsbeschränkungen verfügen, ist esdaher sinnvoll, die Energieunternehmen einergezielten Missbrauchsaufsicht zu unterwerfen undregelmäßig zu überprüfen, ob Effizienzgewinne inangemessener Weise an Endkunden weitergege-ben bzw. die in Ausschreibungen gemachten Zusa-gen eingehalten werden. Ein weiteres Problem beider Liberalisierung ist die Benachteiligung vonKunden in eher abgelegenen Gebieten. Um dementgegenzuwirken, sollten die Energieversorgerverpflichtend alle Konsumenten einer bestimmtenRegion beliefern müssen. Um die Effizienz derEnergieversorgung zu sichern, empfiehlt derWBGU Subventionen, die in einem transparentenBieterprozess vergeben werden.

2. Festlegung von Standards: Energiesysteme in Ent-wicklungsländern sind häufig durch geringe Effi-zienz und hohe Transport- und Verteilungsver-luste gekennzeichnet. Auch wenn durch Liberali-sierung Sparanreize und Effizienz steigerndeNachrüstungen entstehen, sollten insbesonderebei der Entwicklung neuer Energieprojekte Qua-litätsstandards vorgegeben werden. Solche Stan-dards stellen die Effizienz und Funktionsfähigkeitvon Energieanlagen sicher und verbessern dieAkzeptanz durch die Bevölkerung, die häufigunter der schlechten Qualität der Energieversor-gung leidet (UNEP-CCEE, 2002). Daneben kann

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170 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

die Vereinheitlichung technischer Standards inbestimmten Marktsegmenten zur Erschließunggrößerer Märkte beitragen. Dies gilt etwa für dieVermarktung von Flüssiggas, die effizient nur beilandesweiter oder mindestens regionaler Nutzungeinheitlicher Gasbehälter erfolgen kann. Um dieKosten möglichst gering zu halten, sollten techni-sche Standards nicht nach westlichem Vorbild,sondern unter Berücksichtigung der häufig deut-lich abweichenden Bedürfnisse der Verbraucherin Entwicklungsländern festgelegt werden. Auchauf der Nachfrageseite können verbindliche Stan-dards für Verbrauchsgeräte zur Steigerung derEffizienz der Energienutzung und damit letztend-lich zu einer Erhöhung der verfügbaren Energie-menge beitragen (Davidson und Sokona, 2001).

5.2.3.3Konkrete Schritte auf der Nachfrageseite

Förderung des Zugangs zu modernenEnergieformenDer Beirat sieht es als eine Mindestanforderung fürdie Nachhaltigkeit der Energiewende an, dass allenMenschen Zugang zu moderner Energie gewährleis-tet werden muss (Kap. 4.3.2.2). Dieser Zugang solltebis 2020 für alle Menschen gesichert sein, wobei spä-

testens ab 2020 allen Menschen zunächst wenigstens500 kWh, spätestens ab 2050 700 kWh und bis 2100schließlich 1.000 kWh pro Kopf und Jahr an moder-ner Energie zur Verfügung stehen sollten(Kap. 4.3.2.3). Da sich der gesamte Energiebedarfeines Menschen neben dem individuellen Energiebe-darf auch aus den indirekt genutzten Energiedienst-leistungen zusammensetzt (Herstellung und Trans-port von Gütern), muss der gesamtwirtschaftlicheEnergiebedarf pro Kopf noch höher angesetzt wer-den (Kap. 4.3.2.5).

Tabelle 5.2-3 enthält eine Auswahl technologi-scher Optionen für die Entwicklung nachhaltigerEnergiesysteme in ländlichen Gebieten. Zum einenmuss dabei der Ausstieg aus den gesundheitsschäd-lichen Formen der traditionellen Biomassenutzungangestrebt werden (Kap. 3.2.4; 4.3.2.7). Zu diesemZweck empfiehlt der WBGU, dass bis 2020 mindes-tens 80% der Weltbevölkerung und spätestens ab2050 die gesamte Weltbevölkerung Biomasse nichtmehr gesundheitsgefährdend nutzen sollte. Ersatzwird vor allem durch Flüssiggas geschaffen werdenkönnen (Kap. 5.2.2.2). Zum anderen muss auch derZugang zu denjenigen Energiedienstleistungengeschaffen werden, die von Elektrizität abhängen(Beleuchtung, Kühlung, Unterstützung haushalts-und handwerklicher Tätigkeiten sowie Zugang zuKommunikation).

Tabelle 5.2-3Beispiele ausgewählter Technologien für die mögliche Entwicklung der Energiesysteme in ländlichen Räumen vonEntwicklungsländern.Quelle: modifiziert nach Reddy, 2002

Aktivitäten Zur Zeit Kurzfristig Mittelfristig Langfristig

Kochen Holzöfen Flüssiggas Biogas Biogenes Flüssiggas

Licht Kerzen,Öl, Fluoreszenzlampen Kerosin, batterie- LED-Lampen versorgte Glühlampen

Antriebskraft Durch Menschen und Elektromotoren für Motoren Tierkraft angetriebene Hocheffiziente Verbrennungsmotoren, mit Biotreibstoff Maschinen, betriebene Antriebsmaschinen Verbrennungsmotoren Mikro-Wasserkraft

Wasser Handpumpen, Elektropumpen (z. B. mit Photovoltaik versorgt), Reinigungstechnologien für Nutzung von Ober- Trinkwasser aus konventionellen Quellen, Aktivierung von Tiefenbrunnen flächenwasser und Hocheffiziente Bewässerungstechnik, Meerwasserentsalzung flachen Brunnen mittels erneuerbarer Energien Telekommuni- TV und Radiokation Mobiltelefon Internet-Anschluss Satellitengestützter Internet- Anschluss Versorgung mit Versorgung mit Photovoltaik Batterien Versorgung mit Windkraft Versorgung mit Dieselaggregaten Versorgung mit fortgeschrittenen Motor-/Generatorsystemen

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171Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Der WBGU empfiehlt, bei allen Maßnahmen zurTransformation der Energiesysteme auf eine Verrin-gerung der Disparitäten zu achten. Im Hinblick aufDisparitäten innerhalb von Ländern kommt es dar-auf an, benachteiligte Gruppen besonders zu fördernund kultur- sowie geschlechtsspezifische Besonder-heiten zu beachten. Im Hinblick auf Disparitätenzwischen Ländern muss es vor allem um eine über-proportionale Steigerung des Pro-Kopf-Einkom-mens in den ärmeren Ländern gehen. Daraus ergibtsich in Einzelfällen die Notwendigkeit zur Quersub-ventionierung bzw. des sozialen Transfers („Strom-und Heizgeld“).

Um den Zugang zu modernen Energiedienstleis-tungen in den Entwicklungs- und Schwellenländernzu verbessern, sind zwei wichtige Voraussetzungen zuerfüllen: Einerseits muss die Infrastruktur der Ener-gieversorgung geschaffen oder ausgebaut werdenund andererseits muss Energie für die gesamteBevölkerung erschwinglich sein. Der WBGU schlägtvor, dass spätestens ab 2050 kein Haushalt gezwun-gen ist, mehr als 10% des Einkommens zur Deckungdes elementarsten Energiebedarfs zu verwenden.Langfristig sollte der Anteil deutlich niedriger sein.Gewinnorientierte Unternehmen werden nur dortfür einen Ausbau des Zugangs zu modernen Ener-gieformen sorgen, wo genügend Kaufkraft vorhan-den ist, um die hohen Investitionskosten sowohl fürden Ausbau netzgebundener als auch dezentralerEnergiesysteme innerhalb relativ kurzer Zeit zuamortisieren. Daher bleibt der Zugang in armen,spärlich besiedelten und entlegenen Regionen, imGebirge oder in den Armutsgebieten der Städte vonöffentlichen Mitteln abhängig, die aus der Entwick-lungszusammenarbeit aufgebracht werden müssen.In solchen Gebieten erscheint außerdem eine voll-ständige Privatisierung auf der Seite des Energiean-gebots ebenso wie eine weitgehende Liberalisierungder Märkte zumindest in einer Übergangszeit nichtangemessen. Geringe Margen und hohe Investitions-risiken müssten etwa durch vorübergehendeGebietsmonopole attraktiver gestaltet werden. Pri-vatisierung und Liberalisierung ohne einen entspre-chenden regulatorischen Rahmen sind hier kontra-produktiv. Im Rahmen von Projekten, die durch dieEntwicklungszusammenarbeit gefördert werden,sollte Public-Private Partnerships eine hohe Bedeu-tung beigemessen werden.

Die dezentrale Energieversorgung (z. B. Hybrid-systeme mit Dieselgeneratoren und Photovoltaik-Anlagen) bietet in dünn besiedelten Gebieten viel-fach die bessere Lösung als die netzgebundeneStromversorgung (BMZ, 1999; Goldemberg, 2001).Eine Erweiterung netzgebundener Energiesystemehängt vor allem von der Entfernung zum bestehen-den Netz, von der Zahl der anzuschließenden Haus-

halte und von der Nachfrage der Haushalte ab(World Bank, 2000). Die kaufkraftbedingt geringeNachfrage sowie die geringe Bevölkerungsdichteerlauben eine Erweiterung des Netzes in der Regelnur, wenn die Entfernung zum bestehenden Netznicht mehr als etwa 10 km beträgt (ESMAP, 2001).

Ärmeren Bevölkerungsgruppen in Entwicklungs-und Schwellenländern, aber auch den Verbrauchernin Transformationsländern wird der Kauf von Ener-giedienstleistungen bisher durch Tarife ermöglicht,die aufgrund staatlicher Subventionen oft weit unterden Erzeugungskosten liegen. Diese Subventionenkommen aber meist der besser verdienenden (städti-schen) Bevölkerung zugute, weil die ländliche Bevöl-kerung keinen Zugang zu den subventioniertenGütern hat oder der Konsum ärmerer Bevölkerungs-gruppen trotz Subventionierung niedrig bleibt(UNDP et al., 2000).Will man den ärmeren Bevölke-rungsgruppen explizit den Zugang zu modernenEnergieleistungen erschließen, sind zielgruppenspe-zifische Subventionen in Kombination mit vomMarkt bestimmten Tarifstrukturen sinnvoller. DerWBGU empfiehlt der Bundesregierung, im Rahmenihrer Entwicklungszusammenarbeit auf entspre-chende Strukturveränderungen hinzuwirken. Umnegative Wirkungen solcher Subventionen zu ver-meiden, sollten sie vier Kriterien genügen (UNEPund IEA, 2001):1. Die Subventionen sollten möglichst auf eine klar

umrissene Zielgruppe beschränkt werden.Zunächst muss eine Analyse der wirtschaftlichen,sozialen und umweltbezogenen Auswirkungenerfolgen, um sicherzustellen, dass die gewünsch-ten positiven Ziele erreicht werden können.

2. Das Programm muss mit geringem Verwaltungs-aufwand laufen.

3. Kosten und Funktionsweise des Programms müs-sen transparent sein. Insbesondere sollten Belas-tungen der öffentlichen Hand im Staatshaushaltausgewiesen werden.

4. Bei der Ausgestaltung ist darauf zu achten, dasslangfristige Anreize zur Bereitstellung von Ener-giedienstleistungen geschaffen werden (UNDP etal., 2000).

Von Interesse ist in Zusammenhang mit dem letztenPunkt etwa das argentinische Modell. Dort wurdeder Ausbau der Stromversorgung in ländlichenRegionen – zu vorgegebenen Tarifen, aber ohne Fest-legung der Art der Elektrizitätsversorgung – ineinem Bieterprozess ausgeschrieben. DerjenigeAnbieter, der den Versorgungsausbau mit dengeringsten Subventionen anbot, erhielt den Zuschlag(ESMAP, 2000). In Südafrika wurde ein ähnlichesModell im Zusammenhang mit der Restrukturierungdes Elektrizitätsmarkts angewandt. Dort wurdenKonzessionen für Gebiete versteigert, die einen

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172 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

gewissen Anteil nicht erschlossener Regionen sowiedie Verpflichtung zum Aufbau der – netzgebundenenoder dezentralen – Stromversorgung enthielten.Während anfängliche Investitionskosten bei diesemModell von staatlicher Seite getragen werden, erfolgtdanach eine Quersubventionierung zwischen denverschiedenen Verbrauchergruppen (Clark, 2001).Auch wenn es zu früh ist, um den Erfolg beiderModelle abzuschätzen, scheinen Subventionen aufVertriebsebene besonders geeignet zu sein, großeländliche Regionen innerhalb vergleichsweise kurzerZeiträume zu erreichen. Bei attraktiven Marktbedin-gungen werden Investoren Interesse an entsprechen-den Konzessionen haben, so dass eine Chance auf einmittel- und langfristig höheres Energieangebotbesteht.

Wichtig ist es, grundsätzlich für eine offene Ausge-staltung von Subventionsmechanismen in einemtransparenten Bieterverfahren zu sorgen, zu demnicht nur Energieversorgungsunternehmen, sondernauch Verbraucher, dörfliche Gemeinschaften oderProjektträger Zugang haben. Neben der explizitenBerücksichtigung unterschiedlicher Zielgruppen beider Subventionierung ist auch die Frist der Subven-tionierung für die Verbesserung des Energiezugangsvon Bedeutung. Hier kann unterschieden werdenzwischen kurzfristigen Krediten, insbesondere derMikrofinanzierung, sowie langfristigen Finanzierun-gen.

Langfristige Finanzierungen können insbeson-dere durch Leasingverträge, Konsumentenkrediteoder so genannte „Pay-for-service-Verträge“ sicher-gestellt werden. In allen Fällen wird die notwendigeFinanzierung durch den Vertreiber der jeweiligenEnergieanlage gesichert. Während das Eigentum beiLeasingverträgen und Konsumentenverträgen nachAblauf der Finanzierungsphase in der Regel beimKäufer verbleibt, zahlt der Kunde bei den „Pay-for-service-Verträgen“ lediglich für die zur Verfügunggestellte Energiedienstleistung. Der Vorteil dieserVertragsgestaltung liegt insbesondere in den starkenAnreizen für Vertreiber, die Funktionsfähigkeit derAnlage aufrechtzuerhalten und ihre Nutzer ausrei-chend über die korrekte Nutzung zu instruieren. EinProblem dieser Finanzierungen ist der Zugang zuStart-up-Kapital für kleinere und mittlere Energie-dienstleister.

Nutzung von MikrofinanzierungssystemenMikrofinanzierungssysteme entstanden in den1980er Jahren als Gegenbewegung zu staatlichenEntwicklungsbanken und subventionierten Kredit-programmen, die in vielen Fällen weder breitenwirk-sam noch wirtschaftlich tragfähig waren.Anstelle derFörderung einzelner staatlicher Kreditprogrammestehen heute überwiegend die Verbesserung institu-

tioneller Rahmenbedingungen und der Aufbau pri-vatwirtschaftlich organisierter Mikrofinanzinstitu-tionen im Vordergrund (GTZ, 1998). Sie haben sichinzwischen in der Praxis bewährt und werden heuteoft auch von NRO durchgeführt. Zum einen sindMikrofinanzierungsprogramme besonders auf ein-kommensschwache Bevölkerungsgruppen zuge-schnitten und zum anderen können durch ihre lokaleKenntnis Fehlentscheidungen eher vermieden undFehlentwicklungen früher erkannt werden. Mikrofi-nanzinstitutionen zeichnen sich dadurch aus, dass• die Kredit- und Sparvolumina gering sind;• sie in räumlicher Nähe zu ihren Kunden liegen,

was zur Vereinfachung und Beschleunigung vonKreditvergabeverfahren führt;

• sie bei der Kreditprüfung weniger auf die wirt-schaftlichen Daten der Vergangenheit als viel-mehr auf die zukünftigen Ertragsaussichten Wertlegen und daher insbesondere die Finanzierunginnovativer Aktivitäten von Kleinunternehmernermöglichen;

• auch nicht bankübliche Kreditsicherheiten akzep-tiert werden (etwa Schmuck, Gruppenhaftung).

Die sinkende öffentliche Zuwendung erfordert eineBündelung der Aktivitäten. Deshalb entstanden inden vergangenen Jahren zahlreiche Netzwerke vonMikrofinanzierungsinstitutionen (z. B. „GrameenTrust“ oder „Banking with the Poor“). Parallel dazuwurden Geber-Koordinationsgremien gegründet(z. B. „Sustainable Banking with the Poor“, „DonorWorking Group for Financial Sector Develop-ment“), die heute vor allem von der Weltbankgesteuert werden.

Mikrofinanzierungsprojekte können einen wichti-gen Beitrag zur Finanzierung von Energieprojektenleisten. Die Verbindung von Mikrokrediten mitInvestitionen in Energieanlagen, insbesonderePhotovoltaik-Anlagen, ist jedoch mit einigenSchwierigkeiten verbunden. Die Kosten einer Photo-voltaik-Anlage, die ca. 500 US-$ betragen, überstei-gen in der Regel die zur Verfügung gestellten Kredit-linien. Zugleich sehen die meisten Mikrofinanzie-rungsorganisationen kurze Laufzeiten von 6 Mona-ten bis höchstens 2 Jahren vor, während der Großteilder potenziellen Abnehmer Laufzeiten von bis zufünf Jahren benötigen würde, um einen Kredit füreine Photovoltaik-Anlage abzubezahlen (Philips undBrowne, o. J.). Dass diese Schwierigkeiten im Einzel-fall überwunden werden können, zeigen positive Bei-spiele wie das Grameen-Shakti-Photovoltaik-Pro-gramm in Bangladesh oder Genesis in Guatemala.

Der Beirat ist der Meinung, dass der Mikrofinan-zierung, insbesondere in ländlichen Gebieten, einenicht zu unterschätzende Bedeutung im Hinblick aufdie Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zumodernen, gesundheits- und umweltschonenden

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173Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Energiedienstleistungen sowohl für private Haus-halte als auch für Klein- und Kleinstbetriebezukommt. Er empfiehlt daher, die bestehendenMikrofinanzierungssysteme auch für Energiezweckezu nutzen und auszubauen. Dazu sollten Mikrofinan-zierungssysteme aus Mitteln der Entwicklungszu-sammenarbeit weiter unterstützt und im Rahmenentwicklungspolitischer Maßnahmen auch einestaatliche Subventionierung erwogen werden.

Kulturspezifische Rahmenbedingungen Selbst wenn es gelingt, in den Entwicklungs- undSchwellenländern für ein höheres Angebot anmoderner Energie zu sorgen und Kaufkraft zur Nut-zung dieses Angebots zu schaffen, ist eine effizienteEnergienutzung nicht garantiert. Kulturell tradierteund akzeptierte Formen der Energienutzung ebensowie mangelndes Wissen über den Umgang mit neuenEnergieträgern oder über die Vor- und Nachteile ver-schiedener Energieträger und -technologien könnensich als Blockaden für die Nutzung nachhaltigerEnergieformen in diesen Ländern erweisen. In Ent-wicklungsländern kann sich der Umstieg vom Drei-Steine-Herd auf einen Gaskocher als ebenso schwie-rig erweisen wie der Umstieg von einer zentralgesteuerten Wärmeversorgung zu einer dezentralenVersorgung mit verbrauchsabhängigen Abrechnun-gen in Transformationsländern. Aber auch neueFinanzierungsmöglichkeiten für moderne Energie-formen, wie z. B. der Kauf von „Solar Home Sys-tems“ oder die monatliche Abrechnung für Strom,werden vermutlich nicht ohne weiteres akzeptiert.

Zur Überwindung solcher Barrieren sind in derEntwicklungszusammenarbeit quantitative und qua-litative Verbesserungen der Ausbildung über Ener-giesysteme und das Wissen zu Investition und Sparennotwendig. Weiter ist die Forschung über die Akzep-tanz technischer und finanzieller Systeme mit Vertre-terinnen und Vertretern der entsprechenden Länder,Regionen und Gemeinden sowie ethnischen odersozialen Gruppen zu intensivieren (Kap. 6.2).

Einbeziehung der FrauenOb moderne Energie genutzt wird, hängt auch davonab, wie die Technologien und ihre Finanzierung aufdie potenziellen Nutzer zugeschnitten sind. Einebesonders wichtige Gruppe, vor allem für die Ener-gienutzung in privaten Haushalten der Entwick-lungsländer, sind die Frauen. Sie sind traditionell fürdie Beschaffung von Energieträgern zum Kochen,Heizen oder Trocknen zuständig (Kap. 2.4). Einestärkere Nutzung moderner Energieformen könntehier für wesentliche Verbesserungen sorgen. Dazumüssen die modernen Energieformen und ihreFinanzierung von den Frauen akzeptiert und ihnender Zugang ermöglicht werden. Auch hier sind aus-

sagekräftige Ergebnisse der Akzeptanzforschungunentbehrlich, genauso wie die Beachtung von Rah-menbedingungen, um entsprechende Anreize fürFrauen zu schaffen. Diese Überlegungen sollten inenergiebezogene Entwicklungsprojekte integriertwerden.

5.2.3.4Fazit

Verbesserungen des Zugangs zu modernen Energie-formen mit geringen Emissionen und eine Erhöhungder Effizienz der Energienutzung in Entwicklungs-,Schwellen- und Transformationsländern sind durchMaßnahmen auf der Angebots- und auf der Nachfra-geseite zu erreichen.

Auf der Angebotsseite sind Privatisierung undLiberalisierung zu kombinieren mit regulatorischenEingriffen des Staats. Je nach den spezifischen Gege-benheiten in einer Region wird der Mix dieser dreiBereiche unterschiedlich ausfallen müssen. Für Libe-ralisierung und Privatisierung sind attraktive Rah-menbedingungen für private Investoren und dieErschließung internationaler Kapitalquellen wichtig.Für die Festlegung von Standards ebenso wie füreinen Ausbau von Public-Private Partnerships, mög-lichst unterstützt durch bilaterale und multilateraleEntwicklungszusammenarbeit, ist ein stärkeresEngagement des Staats wichtig.

Auf der Nachfrageseite muss es darum gehen, dieKaufkraft insbesondere armer Bevölkerungsgrup-pen im Bereich Energie zu erhöhen. Dies kann durchzielgruppenspezifische Subventionen ebenso gesche-hen wie durch einen Ausbau von Mikrofinanzie-rungssystemen. Um nicht nur die Kaufkraft, sondernauch die Bereitschaft zu erhöhen, Energie in nach-haltigerer Weise zu nutzen als bisher, ist bei Maßnah-men auf der Nachfrageseite kultur- und geschlechts-spezifischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tra-gen.

5.2.4Flankierende Maßnahmen in anderenPolitikbereichen

Energiepolitische Maßnahmen müssen durch Maß-nahmen in anderen Politikbereichen flankiert wer-den. Wichtige Bereiche wie Klima-, Verkehrs- undAgrarpolitik werden im Folgenden behandelt.

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174 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

5.2.4.1Klimapolitik

Internationaler Klimaschutz muss durch nationaleKlimapolitik, insbesondere in den Industrieländern,unterstützt und vorangetrieben werden. Der Beiratmöchte in diesem Zusammenhang die positive Rolleder deutschen Bundesregierung hervorheben, die siesowohl beim 5. nationalen Klimaschutzprogramm alsauch bei den Klimaverhandlungen zur Ausgestaltungdes Kiotoprotokolls auf EU- und internationalerEbene gespielt hat. Diese Vorreiterrolle ist einwesentlicher Beitrag für die Weiterentwicklung desProtokolls. In zwei Bereichen erscheint dem WBGUeine solche Vorreiterrolle Deutschlands in Zukunftbesonders interessant: bei internationalen Zertifi-katshandelsmodellen und bei der Schaffung einesCDM-Standards. Zu Handlungsempfehlungen fürden Klimaschutz auf nationaler Ebene verweist derBeirat auf das Umweltgutachten 2002 des Sachver-ständigenrates für Umweltfragen (SRU, 2002).

Vorreiter für anspruchsvolleninternationalen ZertifikatshandelBei der weiteren Ausgestaltung der geplanten EU-Emissionshandelsrichtlinie könnte Deutschlandgemeinsam mit anderen EU-Ländern eine Vorreiter-rolle übernehmen (Kasten 5.2-4):• Die Bundesregierung sollte Kriterien und Strate-

gien entwickeln, die darauf abzielen, dass auchandere Mitgliedsstaaten ihren Industrien ähnlichambitionierte Reduktionsziele auferlegen wieDeutschland. Dies soll verhindern, dass sich

Regierungen unter dem Druck der Industriegegenseitig Wettläufe um schwache Reduktions-ziele liefern oder durch übermäßige Zuteilungvon Emissionsrechten sogar Schattensubventio-nen ermöglichen.

• Für die von der Regierung festzulegenden Reduk-tionspflichten für die Industrie sollte die in derSelbstverpflichtungserklärung der deutschenWirtschaft genannte absolute Emissionsreduktionals Anhaltspunkt dienen. Diese sollte allerdingsangemessen verschärft werden, da ja mit demEmissionshandel der Industrie auch eine Flexibili-sierung gewährt wird. Dies gilt in verstärktemMaß, wenn, wie von der EU-Kommission geplant,Teile der Reduktionspflichten über JI oder CDM-Projekte auch außerhalb der EU erbracht werdendürfen.

• Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, sichdafür einzusetzen, dass die Emittenten nur maxi-mal die Hälfte ihrer Reduktionspflichten über deninternationalen Emissionshandel mit Ländernaußerhalb der EU erbringen dürfen. Dies sollgarantieren, dass der Emissionshandel nicht natio-nale Maßnahmen ersetzt.

• Weiterhin sollte das System im weiteren Verlaufüber den gesamten Europäischen Wirtschafts-raum ausgedehnt werden.Wenn die Einbeziehungder EWR-Staaten gelänge, wären etwa drei Vier-tel der Annex-B-Parteien des Kioto-Protokollsam Handelssystem der EU beteiligt. Damit dürftedie EU auch maßgeblichen Einfluss auf die wei-tere Ausgestaltung des internationalen Emissions-

Kasten 5.2-4

Geplanter Emissionshandel in der EU

Im Dezember 2002 einigte sich der Rat der Umweltminis-ter auf die Einführung eines europäischen Handels mitEmissionsberechtigungen ab 2005. An dem Handel betei-ligt sind zunächst standortfeste Erzeuger der Strom- undWärmeversorgung, Eisen und Stahl, Raffinerien, Papierund Zellstoffe sowie die mineralverarbeitende Industrie(Zement, Glas, Keramik u. a.), wobei einzelne Staaten bis2007 bestimmte Branchen aus dem Handelssystem ausneh-men können (Opt-Out), bzw. ab 2008 zusätzlich hinzuneh-men dürfen (Opt-In). Die Handelsteilnehmer erhalten dieBerechtigungen zunächst kostenlos, ab 2008 sollen aufAnregung des Europäischen Parlaments bis zu 10% ver-steigert werden dürfen. Nach der Erstvergabe der Zertifi-kate kann der Handel mit den CO2-Emissionsberechtigun-gen beginnen. Neben den beteiligten Industrieunterneh-men können auch andere Akteure teilnehmen, z. B. Nicht-regierungsorganisationen. Um sicherzustellen, dass derBerechtigungstransfer bei den beteiligten Emittenten auchmit den entsprechenden Anpassungen der CO2-Emissio-

nen (Reduktion oder Erhöhung nur um die erlaubteMenge) verbunden ist, sieht der Richtlinienvorschlagumfassende Überwachungs- und Berichtspflichten der Mit-gliedsstaaten gegenüber der EU-Kommission vor.

Die weiteren Beratungen im Europäischen Parlament,das ein Vetorecht besitzt, dürften weitere Details der Aus-gestaltung klären. Für jede Tonne CO2-Emissionen, dienicht durch Zertifikate gedeckt ist, gilt nach den Beschlüs-sen des Rates eine Sanktion in Höhe von 40 € (100 € ab2008). Die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidatenkönnen durch ihre Reduktionsverpflichtungen des Kioto-Protokolls direkt in das Handelssystem eingebunden wer-den. Die Kommission will auch die Möglichkeit der Kopp-lung des EU-Handels mit anderen Handelssystemen abwä-gen, bzw. denkt über Möglichkeiten nach, um das EU-Sys-tem auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum(EWR) auszudehnen. Wenn die Einbeziehung aller EWR-Staaten sowie Kanadas und Japans gelänge, wären überdrei Viertel der Annex-B-Parteien des Kioto-Protokolls andem Handelssystem der EU beteiligt. Damit dürfte die EUmaßgeblichen Einfluss auf die endgültige Ausgestaltungdes internationalen Emissionshandels in der ersten Ver-pflichtungsperiode des Kioto-Protokolls besitzen.

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175Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

handelssystems im Rahmen des Kioto-Prozessesausüben.

Schaffung eines „CDM-Standards“ für dieAnerkennung von EmissionsgutschriftenIm Rahmen der Umsetzung des Kioto-Protokolls aufnationaler und EU-Ebene sollte sich die Bundesre-gierung für die Schaffung eines deutschlandweitenund, wenn möglich, EU-weiten Standards für CleanDevelopment Mechanism-Projekte einsetzen. DerStandard soll in der Regel nur CDM-Projekte zurFörderung regenerativer Energien (mit Ausnahmegroßer Wasserkraft wegen derzeit ungelöster Nach-haltigkeitsprobleme; Kap. 3.2.3), zur Steigerung derEnergieeffizienz bestehender Anlagen (auch mit fos-silen Energien betrieben) oder zum nachfrageseiti-gen Management zulassen. Antragsteller von CDM-Projekten zum Auf- oder Ausbau fossiler Energiensollen nachweisen, dass die kohlenstoffärmste Alter-native gewählt wurde, sich das Projekt langfristig indie nachhaltige Energieplanung des Partnerlandeseinfügt und dass erneuerbare Energien in absehba-rer Zukunft keine machbare Alternative darstellen,wobei die Finanzierung kein Argument sein darf.

5.2.4.2Verkehr und Raumordnung

Neben der Energiepolitik kommt auch einer natio-nalen Verkehrs- und Raumplanungspolitik eineessenzielle Rolle bei der Energiewende zur Nachhal-tigkeit zu. Da eine ausführliche Behandlung dieserPolitikbereiche den Rahmen des vorliegenden Gut-achtens sprengt, sollen einige Ansatzpunkte nur kurzskizziert werden.

Der motorisierte Verkehr wächst in den Industrie-ländern kontinuierlich. In den letzten 30 Jahren hatsich die Zahl der Autos in der EU verdreifacht, wobeiein weiterer Anstieg prognostiziert wird. Dies führtzu einem hohen Verbrauch fossiler Energieträger (Kap. 2.3.1). So hängt etwa der Transportsektor derEU zu rund 98% von Erdöl ab, wovon etwa 70%durch Importe gedeckt werden (EU-Kommission,2001c). Der Straßentransport verursacht erheblicheMengen an gesundheitsschädlichen Emissionen.Rund 29% des gesamten CO2-Ausstoßes der OECDsind auf den Transportsektor zurückzuführen (IEA,1997). Verkehrsemissionen werden seit langem vonnationalen und lokalen Umweltbehörden gemessenund durch Gesetzgebung teilweise reguliert. Dies hatzu technischen Verbesserungen geführt (Katalysato-ren, Motoroptimierung usw.) und so die Emissionenbestimmter Schadstoffe teilweise kräftig senken kön-nen (z. B. Blei, SO2; Kap. 3.7). Solche nationalen undlokalen Lösungen sind weiter zu forcieren und deren

Diffusion in Transformations- und Entwicklungslän-der stärker zu unterstützen.

Um den Transportsektor in Richtung Nachhaltig-keit umzusteuern, sollten zudem möglichst umge-hend mehr regenerative Energieträger bzw. kohlen-stoff- und schadstoffarme Energien als Kraftstoffeingesetzt werden. Dazu wäre eine Besteuerung fos-siler Kraftstoffe (ECMT, 2001; Gröger, 2000) undeine (Quer)subventionierung alternativer Kraft-stoffe durch preis- und mengenbasierter Instrumenteempfehlenswert. Wichtig ist, zeitgleich die Marktein-führung der erforderlichen Fahrzeugtechnologien –z. B. wasserstoffbetriebene Pkw – mit umfassendenForschungs- und Entwicklungsvorhaben zu fördernund die erforderliche Infrastruktur aufzubauen.

Der Entwicklungsprozess effizienter Technolo-gien kann durch dynamische Standards (wie z. B. dieEU-Schadstoffnormen EURO 2, 3, 4) weiter forciertwerden, um neuen Technologien den Marktzugangzu erleichtern (Johansson und Ahman, 2002). Grund-sätzlich sind die Fördermaßnahmen so zu konzipie-ren, dass neben einer Emissionsminderung auch derAbbau lokal bzw. regional wirkender Schadstoffe,eine Lärmverringerung, die Reduktion des Flächen-verbrauchs durch Infrastruktur sowie die Minderungvon Unfallgefahren möglich wird.

Auf der Nachfrageseite zeigen sich ebenfalls ver-schiedene Möglichkeiten zu Effizienzsteigerungenbzw. zur Senkung der Nachfrage nach Transport-dienstleistungen. Hierfür sollten Programme entwi-ckelt werden, die zu einer besseren Auslastung desmobilisierten Individualverkehrs (Carsharing usw.)und des öffentlichen Personennahverkehrs führen.Dabei sollte „Multimodalität“ angestrebt werden,d. h. eine Kombination der verschiedenen Verkehrs-mittel Privat-Pkw, ÖPNV, Bahn oder Flugzeug(WBCSD, 2001; Royal Commission on Environmen-tal Pollution, 2000). Multimodale Knotenpunkte wieHäfen, Bahnhöfe und Flughäfen sollten mit Telema-tiklösungen ausgestattet und in ihrer Infrastrukturmodernisiert werden. Langfristig sind solche Maß-nahmen durch neue Raumordnungskonzepte zuergänzen, die für eine räumliche Annäherung vonWohn- und Arbeitsorten sorgen. Forschung undgesellschaftlicher Diskurs über diese Konzepte müs-sen weiter intensiviert werden (Kap. 6.3.3).

Im Schienenverkehr hat die in Industrieländernvielfach zu beobachtende schrittweise Liberalisie-rung bisher nicht zu der erwünschten Stärkung derWettbewerbsposition der Bahn gegenüber anderenVerkehrsträgern geführt. Der Grund hierfür liegtnach Auffassung des Beirats nicht notwendigerweisedarin, dass der Schienenverkehr nicht von einerLiberalisierung profitieren könnte, sondern vielmehrin den ungünstigen Rahmenbedingungen für denSchienenverkehr. So ist die derzeit zu beobachtende

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176 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Ausrichtung der Deutschen Bahn auf immer schnel-lere Fernverkehrsverbindungen bei gleichzeitigerVernachlässigung des regionalen Netzes Folge deseinseitig auf Profitabilitätskriterien ausgerichtetenPrivatisierungsprozesses. Zur Behebung dieser Fehl-entwicklung empfiehlt der Beirat eine Neuausrich-tung beim Ausbau des Schienennetzes zugunsteneiner erhöhten Flächenabdeckung, den stufenweisenAbbau der Entfernungskostenpauschale, die vor-übergehende Subventionierung unrentabler Stre-cken sowie eine Verstärkung des Wettbewerbs. Dabeisollte sich eine dem Nachhaltigkeitsprinzip verpflich-tete Bahn nicht nur als Konkurrentin des Flugzeugs,sondern auch des Pkw verstehen, d. h. Bahnfahrensollte auch für die Bewohner mittlerer und kleinererStädte nicht mit noch mehr Umsteigevorgängen undPlanungszwang belastet werden.

In Entwicklungs-, Schwellen- und Transforma-tionsländern kann von einer deutlichen Steigerungdes Verkehrsaufkommens in den kommenden Jahr-zehnten ausgegangen werden (Kap. 2.4. und 2.5). Mitwachsendem Lebensstandard wird die Anzahl derAutos pro Person ebenso wie das generelle Ver-kehrsaufkommen ansteigen. Daher müssen kurz- bismittelfristig Maßnahmen ergriffen werden, die fürein unterproportionales Wachstum des Energieein-satzes und der Emissionen im Verkehrssektor sor-gen. Technische Maßnahmen allein werden für einenachhaltige Gestaltung des Verkehrs nicht ausrei-chen, es sind auch Veränderungen des individuellenVerhaltens notwendig. Daher wird für den Verkehrs-bereich in Entwicklungs-, Schwellen- und Transfor-mationsländern eine umfassende Strategie benötigt.Zentrale Elemente könnten etwa sein (van Vurrenund Bakkes, 1999):• Aufrechterhaltung und Ausweitung des öffent-

lichen Nahverkehrssystems;• Förderung des Güterverkehrs mit der Bahn;• Förderung von Joint Ventures und anderen For-

men der Zusammenarbeit zwischen Automobil-herstellern aus Westeuropa und den Transforma-tionsstaaten zur Reduzierung des Treibstoffver-brauchs;

• Förderung internationaler Forschungskoopera-tionen zu Energieeffizienz und Emissionsreduk-tion im städtischen Personen- und Güterverkehr(Kap. 6.3.3);

• Einbeziehung externer Kosten in die Preise vonKraftstoffen.

Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, Entwick-lungs-, Schwellen- und Transformationsländer direktoder indirekt – über Konditionierung – bei der Ent-wicklung und Umsetzung umfassender, auf Nachhal-tigkeit ausgerichteter Strategien im Verkehrsbereichzu unterstützen.

5.2.4.3Landwirtschaft

Landwirtschaftliche Aktivitäten tragen in erhebli-chem Maß zur Freisetzung klimaschädlicher Gasebei. Rund 50% der Methan-, 70% der N2O- und 20%der CO2-Emissionen werden durch die Landwirt-schaft verursacht (IPCC, 2001a). Hauptquelle derMethanemissionen ist der Reisanbau sowie die Hal-tung von Wiederkäuern. Für Stickstoffemissionengilt, dass ca. 70% des anthropogen N2O von gedüng-ten Feldern stammt (Beauchamp, 1997), sogar vonsolchen Flächen, die für die Nahrungsmittelproduk-tion stillgelegt wurden.

Methanemissionen aus Reiskulturen könntenbereits heute relativ einfach reduziert werden, z. B.durch eine geschicktere Bewässerungsstrategie oderdurch den Einsatz angepasster Reisarten (Bharati etal., 2001). Die Reduktion der Methanfreisetzung ausWiederkäuermägen ist dagegen ein diffizileres Pro-blem, weil die CH4-Produktion eine Folge des ver-wendeten Futters ist. Durch die Gabe von Futtermit-telzusätzen (Methanoxidantien, Bakterien, die dieMethanogenese hemmen, oder die Erhöhung desStärke-/Zelluloseanteils im Futter) kann zwar eineerhebliche Methanreduktion erreicht werden. IhrEinsatz dürfte in Entwicklungsländern jedoch zuteuer sein.

Ähnliche Schwierigkeiten existieren auch bei derReduktion der N2O-Emissionen. Global gesehennimmt der Düngemitteleinsatz zu, allein in denIndustrienationen bleibt er auf hohem Niveau annä-hernd konstant (Scott et al., 2002). Hoch technisierteAnsätze wie das so genannte „precision farming“(Anwendung von Geographischen Informationssys-temen und Globalen Positionssystemen zur Effi-zienzverbesserung) sind vorhanden, kurzfristig abernur in Industrienationen implementierbar. Für Ent-wicklungsländer sind sie zu teuer, auch fehlt dort inder Regel das nötige Wissen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einenachhaltige Reduktion der Emissionen aus derLandwirtschaft sowohl eine spezifische Infrastrukturals auch spezifisches Wissen erfordert, beides ist vie-lerorts nicht vorhanden. Studien zeigen, dass derLandwirtschaftssektor auch in den Industrienatio-nen klimapolitisch problematisch bleiben wird(Kulshreshtha et al., 2000). Angesichts einer weitersteigenden Nahrungsmittelproduktion dürften Emis-sionsreduktionen nur unter großen Anstrengungenmöglich sein.

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177Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

5.2.4.4 Fazit

Eine erfolgreiche Transformation von Energiesyste-men hin zur globalen Nachhaltigkeit ist nur dann rea-listisch, wenn andere Politikbereiche die Maßnah-men im Energiebereich unterstützen oder zumindestnicht konterkarieren. Es muss dabei vor allem darumgehen, die Energieeffizienz zu erhöhen sowie weni-ger fossile bzw. nukleare und mehr erneuerbareEnergien einzusetzen und Treibhausgasemissionendrastisch zu reduzieren.

Höhere Nachhaltigkeit im Transportbereich, eineVerringerung von Emissionen aus dem Landwirt-schaftsbereich sowie ein entschlossenes Engagementim Bereich der Klimapolitik sind unabdingbar. DieVielfalt einzelner Maßnahmen, mit denen diese Vor-gaben erreicht werden können, ist groß. OptimaleMaßnahmenkombinationen werden von Region zuRegion und von Zielgruppe zu Zielgruppe variieren.Sozialwissenschaftliche Forschung in den genanntenBereichen kann dabei einen wichtigen Beitrag zurHerstellung von Konsistenz und Kohärenz in den ge-nannten Politikfeldern und im Energiebereich leis-ten.

5.3Handlungsempfehlungen für die globale Ebene

Die Durchsetzung ökologischer Finanzreformen, dieRegulierung liberalisierter Energiemärkte nachNachhaltigkeitskriterien, die Förderung von Ener-gieeffizienz, erneuerbaren Energien sowie desZugangs zu modernen Energien sind wichtige Bau-steine der WBGU-Transformationsstrategie. EineVielfalt der Instrumente und ihrer Ausgestaltung aufLänderebene ist grundsätzlich vorteilhaft, da je nachökologischer und geographischer, sozioökonomi-scher und politisch-kultureller Ausgangslage in denverschiedenen Ländern andere Instrumente bzw. einanderer Instrumentenmix angebracht sind. Standort-theoretische Effizienzüberlegungen sprechen eben-falls für einen offenen Wettbewerb zwischen ver-schiedenen Ansätzen.

Trotz dieser Argumente für eine Instrumenten-vielfalt besteht, wie bereits im Zusammenhang mitRECS oder Verbraucherkennzeichnungen erwähnt(Kap. 5.2.2.1, Kap. 5.2.2.3), auch Handlungsbedarfauf globaler Ebene. Hierfür sprechen mehrereGründe:1. Nutzung der Vorteile einer „vernünftigen“ Harmo-

nisierung. Grenzüberschreitende und globaleUmweltbelastungen, die durch den einzelstaat-lichen Umgang mit Energie ausgelöst werden, unddie zunehmende wirtschaftliche Integration der

Staaten gefährden die ökologische Effektivitätund ökonomische Effizienz nationaler Maßnah-men. Die Erhebung einer nationalen CO2-Abgabekann beispielsweise zu Standortverlagerungenund so zur Reduktion der ökologischen Effekti-vität dieser Maßnahme führen (Copeland undTaylor, 2000). Für die ökonomische Effizienz wärees vorteilhaft, wenn die vom WBGU langfristigfavorisierten marktwirtschaftlichen Instrumente,insbesondere Emissionsrechte, handelbare Quo-ten und Green Energy Certificates, über nationaleGrenzen hinaus zur Anwendung kämen. Dafür istjedoch eine Kompatibilität der Instrumente not-wendig; im Einzelfall kann sogar eine Anglei-chung erforderlich sein. Darüber hinaus reduzierteine „vernünftige Harmonisierung“ das Konflikt-potenzial zwischen WTO und Energiepolitik unddaraus resultierende Wohlfahrtsverluste. Ein wei-terer Vorteil ist die rechtzeitige Anpassung aninternationale Klimaschutzinstrumente. Mit demEmissionshandel gibt das Klimaregime den Ver-tragsstaaten einen Rahmen vor, in den die natio-nalen Instrumente eingepasst werden müssen. Eininternational koordiniertes Vorgehen kann künf-tige Erfordernisse vorwegnehmen und die Kostenfür erforderliche Anpassungen der Instrumentemindern.

2. Unzureichende nationale finanzielle Mittel. VieleStaaten, insbesondere ärmere Entwicklungslän-der, verfügen nicht über ausreichende finanzielleRessourcen, um die anfänglichen Mehrkosteneiner Transformation ihrer Energiesysteme zufinanzieren. Hier ist die internationale Gemein-schaft gefordert, diese Länder gemäß dem Subsi-diaritäts- und Leistungsfähigkeitsprinzip beimUmbau und Aufbau ihrer Energiesysteme finan-ziell und technologisch zu unterstützen.

3. Unzureichende administrative Kapazitäten undFähigkeiten. Viele Entwicklungsländer, aber auchmanche Schwellen- und Transformationsländer,verfügen über eine unzureichende staatliche Steu-erungskompetenz, um den Transformationspro-zess anhand von Nachhaltigkeitskriterien zugestalten. Dies betrifft etwa die Förderung erneu-erbarer Energien und von Effizienztechnologiensowie die Internalisierung negativer externerEffekte wie auch die Liberalisierung der Energie-märkte. Hier besteht großer Bedarf an unterstüt-zenden Beratungsleistungen durch die Industrie-länder.

4. Überwindung von Barrieren auf nationaler Ebene.Einheimische Unternehmen befürchten vielfach,durch nationale Maßnahmen zu Emissionsminde-rung, Internalisierung externer Kosten und Sub-ventionsabbau im Energiebereich internationaleWettbewerbsnachteile zu erleiden. Ein internatio-

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178 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

nal koordiniertes Vorgehen reduziert dieseGefahr und trägt somit zur Überwindung von Bar-rieren bei. Ein anderer Aspekt ist die Anreizwir-kung, die von der Internationalisierung einesInstruments ausgehen kann. So werden sich dieWiderstände vieler Entwicklungsländer gegenEmissionsobergrenzen für Treibhausgase dadurchreduzieren lassen, dass sie in den internationalenHandel mit Emissionsrechten eingebunden wer-den und Einnahmen erzielen können. Die Funk-tionsfähigkeit des internationalen Handels mitEmissionsrechten setzt wiederum eine gewisseHarmonisierung der national eingesetzten Klima-schutzinstrumente voraus.

Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Maßnah-men im Rahmen globaler Energie-, aber auchKlima-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik erfor-derlich sind, damit eine Transformation der Energie-systeme zur Nachhaltigkeit gelingen kann.

Die Handlungsempfehlungen spiegeln die Über-zeugung des Beirats wider, dass grenzüberschrei-tende Probleme internationale Kooperation undderen rechtliche Absicherung und Vertiefung durchmultilaterale Regelwerke (Regime) erfordern. Einmultilaterales Vorgehen auf globaler Ebene ist nachAnsicht des WBGU der Schlüssel zur Transforma-tion der Energiesysteme.

5.3.1Ausbau der internationalen Strukturen fürForschung und Beratung im Energiebereich

Die weltweite Transformation der Energiesysteme inRichtung Nachhaltigkeit erfordert eine deutlicheund rasche Verstärkung der Forschungsanstrengun-gen (Kap. 5.2). Aufgaben der Institutionen zur Ener-gieforschung sind nach Ansicht des WBGU vorallem:1. Bewertung: Analyse der globalen Energietrends

und Aufdecken von Handlungsoptionen;2. Koordination: Förderung von Netzwerkbildung

und komplementären Kooperationen, Abstim-mung von Initiativen und Organisationen;

3. Durchführung: Implementierung und Finan-zierung von Forschungsprojekten.

Während in Kapitel 6 die inhaltliche Ausrichtungzukünftiger nationaler und internationaler For-schungsprojekte dargelegt wird, erläutert der fol-gende Abschnitt anhand der genannten Funktionen,wie das Institutionengefüge der Energieforschungauf globaler Ebene ausgestaltet sein sollte.

BewertungDer Beirat hat in seinen Gutachten vielfach auf dieBedeutung einer unabhängigen wissenschaftlichen

Politikberatung für globale Nachhaltigkeitspolitikhingewiesen (WBGU, 1996, 1999, 2000). Für die Pro-blemidentifizierung und -lösung in einer Situation,die häufig durch „Handeln unter Unsicherheit“bestimmt wird, ist es erforderlich, dass in regelmäßi-gen Abständen wissenschaftliche Analysen durchge-führt und politikrelevant aufbereitet werden. Diesystematische Vermittlung wissenschaftlicherErkenntnisse und Handlungsoptionen schafft dieGrundlage für die politischen Steuerungsorgane,Vorsorgestrategien zu ergreifen und bestehendeStrategien neuen Anforderungen anzupassen. DerZwischenstaatliche Ausschuss über Klimaänderun-gen (IPCC) und seine Sachstandsberichte zum Kli-mawandel dienen hier als Vorbild und zeigen, wiedurch die breite internationale Beteiligung von For-schern eine anerkannte wissenschaftliche Grundlagefür klimapolitische Entscheidungen geschaffen wer-den kann. Um den politischen Einfluss auf dieErgebnisse wissenschaftlicher Bewertungsprozessemöglichst gering zu halten, ist die Unabhängigkeitsolcher Beratungsgremien unbedingt zu sichern.

Energiepolitik berührt als klassisches Quer-schnittsthema viele Politikbereiche wie etwaUmwelt-, Entwicklungs-,Wirtschafts-, Handels- oderVerkehrspolitik. Dem WBGU ist es daher wichtig,dass bei der Entwicklung von Zielen, Strategien undInstrumenten zur Förderung der Energiewende dieInteraktionen der Energiepolitik mit anderen Poli-tikbereichen systematisch analysiert und in Hand-lungsempfehlungen berücksichtigt werden. Insbe-sondere sollte dabei auf die Kohärenz politischerMaßnahmen geachtet werden. Eine umfassendeBestandsaufnahme des Zustands und der Trends inder globalen Energiepolitik sollte sich an den Zielenund Inhalten einer zu entwickelnden Weltenergie-charta (Kap. 5.3.2.2) orientieren, um die Fortschrittebei der Transformation der globalen Energiesystemebewerten zu können. Hierzu sind insbesondere fol-gende Themen zu behandeln:• Aufbereitung und Zusammenstellung der Trends

in der Primärenergienutzung zusammen mitAngaben zu der Reichweite, der Energieprodukti-vität und der Anteile der Endverbrauchssektorenan der gesamten Primärenergienutzung, wennmöglich weltweit und nach Regionen aufgelöst;

• Erarbeitung und Fortschreibung von Energiesze-narien;

• Detailbestimmung nachhaltiger Potenziale erneu-erbarer Energien;

• Analyse der Umwelt-, Sozial- und Gesundheits-folgen des gegenwärtigen Energiesystems auflokaler, regionaler und globaler Ebene;

• Darstellung der Entwicklungen in der Grundver-sorgung mit kommerziellen Energiedienstleistun-gen in Entwicklungs- und Schwellenländern;

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179Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

• Aufbereitung politikrelevanter Daten wie z. B. dieHöhe der direkten und indirekten Energiesub-ventionen (weltweit und nach Regionen bzw. Län-dern aufgelöst) und die Höhe der Forschungs- undEntwicklungsausgaben (privat und öffentlich);

• Behandlung geopolitischer Aspekte global nach-haltiger Energiesysteme;

• Darstellung erfolgreicher nationaler Strategienzur Förderung der Energiewende („Beste Prakti-ken“).

Orientierung für die Institutionalisierung einer sol-chen umfassenden Bestandsaufnahme in der globa-len Energiepolitik bietet das 2000 veröffentlichte„World Energy Assessment“, an dem UNDP,UNDESA und der World Energy Council (WEC)beteiligt waren. Ziel sollte es sein, regelmäßig – min-destens alle 5 Jahre – über die Erfolge und Defizitebei der Umsetzung global nachhaltiger Energiesys-teme zu berichten. Daher empfiehlt der Beirat derBundesregierung, sich für die Fortführung des WorldEnergy Assessment einzusetzen, etwa in Form von„Sachstandsberichten zur globalen Energiepolitik“.Angesichts der positiven Erfahrungen mit dem IPCCempfiehlt der Beirat, zu diesem Zweck einen Zwi-schenstaatlichen Ausschuss für nachhaltige Energie (Intergovernmental Panel on Sustainable Energy,IPSE) einzurichten. Hierzu ist eine möglichst hoheregionale Repräsentanz anzustreben, wobei analogzum IPCC-Modell die Teilnahme von Wissenschaft-lern aus Entwicklungsländern durch gezielte Förde-rung unterstützt werden sollte. Langfristig könnte dieneu zu schaffende „Internationalen Agentur fürnachhaltige Energie“ (International SustainableEnergy Agency, ISEA; Kap. 5.3.2.3) die Feder-führung für das World Energy Assessment überneh-men.

KoordinationUm Synergien aus der nationalen Energieforschungzu gewinnen, ist die Koordinierung bestehenderInitiativen und Programme zu empfehlen. Dabei sollaber kein Koordinationsgremium geschaffen wer-den, das eine internationale Arbeitsteilung etabliert,denn die Energieforschung profitiert davon, dassunterschiedliche Forschungsinitiativen z. T. an den-selben Fragestellungen arbeiten und im WettstreitInnovation und Entwicklung vorantreiben. Bei allerZusammenarbeit und Abstimmung auf globalerEbene ist grundsätzlich das Subsidiaritätsprinzip zubeachten und der Wettbewerb unter den nationalenForschungseinrichtungen zu fördern. Um eine Koor-dination der Energieforschung auf globaler Ebenezu stärken, sollte also vielmehr die weltweite Vernet-zung von Forschungszentren gefördert werden. InAnlehnung an das 1980 gegründete Weltklimafor-schungsprogramm empfiehlt der WBGU die Neu-

entwicklung eines bei der UN angesiedelten entspre-chenden Weltenergieforschungsprogramms, etwamit dem Titel „World Energy Research CoordinationProgramme (WERCP)“. Die wissenschaftliche Lei-tung des Programms könnte von einem gemeinsa-men wissenschaftlichen Komitee geleistet werden,das relevante Disziplinen aus Natur-, Ingenieurs- undSozialwissenschaften repräsentiert.

DurchführungDer WBGU setzt auf Pluralismus und Vielfalt derinternationalen Forschungslandschaft sowohl auf derdurchführenden als auch auf der finanzierendenSeite. Das WERCP soll also nicht mit einem Mandatzur Implementierung und Finanzierung internatio-naler Forschungsprojekte ausgestattet sein.Vielmehrsollte ihm die Aufgabe zukommen, die nationalenFördermittel für internationale Forschungsprojektenutzbar zu machen. Das heißt, das Programm könnteals „Clearing House“ für Informationen zu For-schungsmitteln weltweit dienen. Damit würde einWettbewerb nationaler Forschungsinstitutionen umdie Vergabe initiiert. Alle potenziell in Frage kom-menden Forschungseinrichtungen könnten dadurchzur Mitwirkung an der Lösung prioritärer For-schungsfragen im Energiebereich motiviert werden.Ein wesentliches Ziel dabei sollte die Anregunggrenzüberschreitender Zusammenarbeit sein.

Für die Energieforschung wie auch für einenTransfer von Forschungsergebnissen in die Praxiswäre eine Kooperation nationaler Forschungsförde-rungs-Institutionen zu erwägen, etwa nach dem Mus-ter der European Science Foundation (ESF).

5.3.2Institutionelle Verankerung globalerEnergiepolitik

Die globalen Institutionen der Energiepolitik sindstark zersplittert (Kap. 2.7). Doppelarbeit, Über-schneidungen und widersprüchliche Entwicklungenkennzeichnen derzeit die globale Energiepolitik. DerWBGU empfiehlt der Bundesregierung, sich fürmehr Kohärenz in der Energiepolitik einzusetzen.Hierzu ist die Koordinierung einzelner Prozesse undAkteure dringend notwendig.

Vernachlässigt wurde auf globaler Ebene bisherauch die Verbindung von Energiepolitik und ent-wicklungs- und umweltpolitischen Anliegen. Esbesteht dringender Bedarf an einer verbesserten,stärker integrativen Verankerung einer nachhaltigenEnergiepolitik im internationalen Institutionenge-füge. Vor allem der Entwicklungsaspekt legt nahe,den Aufgabenbereich nicht zu eng zu fassen.

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180 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Die UN-Generalversammlung hat bereits imNovember 1990 in einer Resolution besorgt festge-stellt, dass das Handlungsprogramm für die Entwick-lung und Nutzung neuer und erneuerbarer Energienzu langsam umgesetzt und damit den dringendenBedürfnissen der Entwicklungsländer nicht gerechtwerde. Sie betonte den Bedarf an kontinuierlichemEngagement und Handeln der internationalenGemeinschaft und forderte die Mitgliedsländer auf,weitere Maßnahmen zur Förderung der neuen underneuerbaren Energien zu erwägen, einschließlichder Gründung einer internationalen Institution.Trotz wiederholter Appelle der UN wurden aberweder auf den UN-Weltgipfeln in Rio de Janeiro1992 noch in Johannesburg 2002 die institutionelleSchwäche einer globalen Energiepolitik und diemangelnde Koordinierung der relevanten Akteureangegangen. Der WBGU hat bereits die mangelhafteinstitutionelle Verankerung globaler Nachhaltig-keitsthemen kritisiert und Verbesserungsoptionenaufgezeigt (WBGU, 2001a).

5.3.2.1Funktionen internationaler Institutionen

Zur Stärkung des Institutionengefüges sind zunächstdie Funktionen zu benennen, die für eine Transfor-mation der Energiesysteme erforderlich sind. Dieselassen sich in Gruppen gliedern, die hier aufsteigendnach zunehmender Übertragung energiepolitischerKompetenzen auf die globale Ebene geordnet sind.1. Beratungsfunktion: Kontinuierliche Analysen und

Handlungsoptionen durch die Wissenschaft bereit-stellen• Forschungslücken definieren und Forschung

anstoßen, Forschung koordinieren, For-schungsnetzwerke aufbauen;

• Begutachtung der weltweiten Lage durch Sach-standsberichte: Status und Trends der Energie-transformation (z. B. Folgeprozess des WorldEnergy Assessment), Datenerhebung und Sta-tistik organisieren;

• Globale Szenarien für eine nachhaltige Ener-giezukunft entwickeln;

• Handlungsoptionen und Strategien für dieTransformation der Energiesysteme entwi-ckeln.

2. Clearing-House-Funktion: Informations- undTechnologietransfer organisieren• Clearing House für nachhaltige Energiesys-

teme aufbauen: Zusammenfassung und Ver-breitung von Information organisieren;

• Nicht kommerziellen Technologietransferorganisieren, angewandte Techniken und„beste Praktiken“ auswerten.

3. Koordinationsfunktion: Aktivitäten zwischen deninternationalen Institutionen koordinieren und ihreZusammenarbeit stärken, nationale Transforma-tionspolitiken abstimmen• Klare Aufgabenteilung zwischen den Organisa-

tionen sicherstellen und ihre Zusammenarbeitfördern;

• Durch die Angleichung nationaler Instrumenteder Energiepolitik weltweite Kosten der Trans-formation reduzieren, wirtschaftliche Wettbe-werbsverzerrungen abbauen und künftigeAnforderungen (z. B. des Kioto-Protokolls)vorwegnehmen.

4. Implementationsfunktion: nachhaltige Energiepo-litik national und regional umsetzen• Strategische Beratung für Regierungen anbie-

ten: nationale Programme für die Energie-wende bzw. eine nachhaltige Energieinfra-struktur erarbeiten und (mit Hilfe von Part-nern) umsetzen;

• Kapazitätenbildung in Entwicklungsländernfördern: Aus- und Weiterbildung (Beamte,Techniker, Handwerker, kleine und mittlereUnternehmer usw.), Verbreitung von Informa-tion sowie Beratung und Vermittlung vonFinanzierungsmöglichkeiten;

• Einrichtung regionaler Forschungs-, Entwick-lungs- und Transferzentren („Centers of Excel-lence“).

5. Managementfunktion: Instrumentenplattform auf-bauen• Managementkapazität bereitstellen, z. B. für

die Organisation eines weltweiten Handels mitGreen Energy Certificates oder ähnlichen glo-balen oder regionalen Instrumenten;

• Mitwirkung bei der Definition von Umwelt-und Sozialstandards für den Energiebereich.

6. Finanzierungsfunktion• Siehe Kap. 5.3.3.

Diese Funktionen können entweder in bestehendeInstitutionen integriert oder durch neu zu schaffendeInstitutionen ausgeführt werden. Prinzipiell befür-wortet der Beirat die Gründung einer neuen globa-len Organisation, welche die derzeitige Fragmentie-rung energiepolitischer Aktivitäten beheben würde.Die Kompetenz und Gestaltungskraft einer solchenneuen Institution wäre aber für die Nationalstaatenmit einem Souveränitätsverzicht verbunden, so dassmit Widerstand gegen ihre Errichtung zu rechnenwäre. Der Johannesburg-Gipfel hat gezeigt, dass dieBereitschaft, sich auf konkrete Ziele und Maßnah-men zu verpflichten, bei vielen Ländern ausgespro-chen gering ist. Dem Beirat erscheint daher einschrittweises Vorgehen sinnvoll: Es sollte nicht vonvornherein eine neue Institution gefordert, sondernaufbauend auf bestehenden und neuen Initiativen

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181Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

ein Nukleus gebildet werden, der in das UN-Systemeingegliedert sein sollte und sich bei Bedarf weiterausbauen ließe.

5.3.2.2Entwicklung einer Weltenergiecharta

Als gemeinsame inhaltliche Grundlage für dieArbeit der relevanten Institutionen empfiehlt derWBGU zunächst die Entwicklung einer globalenEnergiestrategie, die ohne rechtlich bindenden Sta-tus zwischenstaatlich ausgehandelt werden sollte,etwa in Form einer Weltenergiecharta. Sie sollte diewesentlichen Elemente der globalen Energiepolitikenthalten, zu denen auch kontrollierbare Ziele undZeitpläne gehören (Kasten 5.3-1). Eine solche Welt-energiecharta hat der Beirat bereits in seinem Poli-tikpapier zum Weltgipfel für Nachhaltige Entwick-lung (WSSD) angeregt (WBGU, 2001b).

Die Option einer langfristigen Weiterentwicklungin eine rechtlich bindende Energiekonvention solltenicht ausgeschlossen, aber auch nicht vorrangigangegangen werden. Die Umsetzung der Weltener-giecharta bliebe Aufgabe der einzelnen Staaten undder in den verschiedenen Sektoren tätigen interna-tionalen Institutionen.

Die Entwicklung einer solchen Weltenergiechartawird nur dann aussichtsreich sein, wenn den gegen-wärtigen Widerständen gegen eine stärkere Verbrei-tung nachhaltiger Energie im Vorfeld erfolgreichbegegnet werden kann: Auf Seiten der Industrielän-der sind es vor allem die derzeitigen Regierungen derUSA und Australiens, die sich gegen eine „globaleEnergiewende“ wehren und ihre Versorgung durcheine Ausweitung fossiler Energie sicherstellen wol-len.Auch wenn die Staatengemeinschaft eine globaleEnergiestrategie voraussichtlich zunächst ohne dieBeteiligung dieser beiden Länder entwickeln muss,ist davon auszugehen, dass die Dynamik der Techno-

logieentwicklung bei den erneuerbaren Energienund deren langfristige Überlegenheit gegenüber fos-silen Entwicklungspfaden zu einem Umsteuern füh-ren wird. Auf Dauer ist eine nachhaltige Energiepo-litik ohne Einbeziehung dieser beiden Staaten nichttragfähig.

Auch die Schwellen- und Entwicklungsländer sindskeptisch gegenüber den Bestrebungen, nachhaltigeEnergie zu fördern – sie fürchten, dass hier der Ver-such unternommen wird, sie um die Möglichkeitenkosteneffizienter Entwicklung zu bringen. Um dieEntwicklungsländer in den Entstehungsprozess derWeltenergiecharta einzubinden, sollten diese Be-denken zum Ausgangspunkt der Strategie gemachtwerden. Das erfordert, die Entwicklungsländerdavon zu überzeugen, dass ein Mix aus nachhaltigenEnergien und Effizienzsteigerungen bei fossilenTechnologien ein zukunftsweisender Entwicklungs-pfad ist und sie mit internationaler Unterstützungrechnen können.

Die Weltenergiecharta könnte und sollte ein wich-tiges Ergebnis der Weltenergiekonferenz sein, dievon der deutschen Bundesregierung auf dem Welt-gipfel für Nachhaltige Entwicklung für das Jahr 2004in Deutschland angekündigt wurde.

5.3.2.3Auf dem Weg zu einer „Internationalen Agenturfür nachhaltige Energie“

Auf Grundlage der Weltenergiecharta soll das beste-hende Institutionengefüge gebündelt und gestärktwerden (Abb. 5.3-1): Ausgehend von den oben defi-nierten Funktionen sollte zunächst die Arbeit beste-hender Organisationen fokussiert und aufeinanderabgestimmt werden (1. Stufe). Darauf aufbauendsollten die institutionellen Grundlagen einer globa-len Energiepolitik durch die Bündelung und Stär-kung von Kompetenzen weiter gestärkt werden (2.

Kasten 5.3-1

Elemente einer Weltenergiecharta

1. Natürliche Lebensgrundlagen schützen• Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren;• Subventionen für fossile Energieträger und Kern-

kraft mittelfristig abschaffen;• Effizienz der Energienutzung deutlich erhöhen;• Erneuerbare Energien erheblich ausbauen;• Aus der Kernkraft aussteigen.

2. Zugang zu modernen Energieformen weltweit sichern• Globale Mindestversorgung anstreben;

• Internationale Zusammenarbeit auf nachhaltigeEntwicklung ausrichten;

• Finanzmittel für die globale Energiewende mobili-sieren;

• Handlungsfähigkeit der am wenigsten entwickeltenLänder stärken;

• Modellprojekte als strategischen Hebel nutzen undEnergiepartnerschaften eingehen.

3. Forschung und Entwicklung gezielt vorantreiben

4. Globale Energiepolitik institutionell bündeln und stär-ken• Politikberatung international verbessern;• Koordinationsgremium schaffen.

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182 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Stufe). Bei Bedarf sollte schließlich die Gründungeiner neuen, übergeordneten Institution geprüft wer-den (3. Stufe; Internationale Agentur für nachhaltigeEnergie, International Sustainable Energy Agency –ISEA).

1. Stufe: Die Aufgaben bestehenderInstitutionen fokussieren und koordinieren

Forschung und Beratung stärkenDie Institutionalisierung einer unabhängigen wissen-schaftlichen Politikberatung für globale Energiepoli-tik wie auch einer verbesserten Koordination natio-naler Forschungseinrichtungen und internationalerInitiativen wurde in Kapitel 5.3.1 behandelt.

Informations- und Technologietransfer organisierenZur Unterstützung der Verbreitung und Anwendungnachhaltiger Energietechnologien auf regionalerund nationaler Ebene sollte die weltweite Vernet-zung von Forschungs-, Entwicklungs- und Transfer-zentren vorangetrieben werden. Mit Unterstützungder Bundesregierung hat UNEP hier auf dem WSSDmit dem Global Network on Energy for SustainableDevelopment bereits den Grundstein gelegt. Um

diese Aufgabe zufriedenstellend erfüllen zu können,sollte UNEP ausgebaut und besser finanziert wer-den.

Auch das entstehende Netzwerk nationalerEnergieagenturen wie der Deutsche Energie Agen-tur (DENA), die als Unterbau für international undglobal zuständige Einrichtungen die regionaleUmsetzung von globalen Zielstellungen vorantrei-ben könnten, ist zu unterstützen.

Während andere Autoren empfehlen, die institu-tionelle Verankerung einer globalen Energiestrate-gie generell auf die Stärkung und Verknüpfung vonNetzwerken zu beschränken (Fritsche und Matthes,2002), sieht der Beirat eine „Netzwerklösung“ in derEnergiepolitik als unzureichend an. Die Erfahrungaus anderen Bereichen legt nahe, dass Staatengeneigt wären, sich mit dem Verweis auf die Förde-rung von Netzwerken der Verantwortung für dieGestaltung und Finanzierung einer nachhaltigen glo-balen Energiepolitik zu entziehen. Für einzelneAspekte der globalen Energiestrategie, wie etwa deneben erwähnten Austausch und die Verbreitung vonTechnologien, können Netzwerke wertvolle Diensteleisten, sie müssen nach Ansicht des WBGU aber

Globales Ministerforumfür nachhaltige Energie

Koordination

Funktionen

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isat

ion

Institutionen

Forschung undBeratung

Intergovernmental Panel on Sustainable Energy (IPSE)World Energy ResearchCoordination Programme (WERCP)

IPSE und WERCP

Informations- undTechnologietransfer

Clearing House bei UNEPGlobales Dialogforum bei UNDPRegionale Energiebehörden International

SustainableEnergy Agency(ISEA)

Umsetzung undManagement

Weltbank, GEF, UNDP, UNEP

Globales Ministerforumfür nachhaltige Energie

Weltbank, GEF, UNDP, UNEP

1. Stufe:Fokussierung und Koordinationbestehender Institutionen

2. Stufe: Entstehung eines"Lead"-Akteurs

3. Stufe: Gründungeiner ISEA

Abbildung 5.3-1Auf dem Weg zu einer Internationalen Agentur für nachhaltige Energie.Quelle: WBGU

Page 207: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

183Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

durch gestaltungskräftige Institutionen ergänzt wer-den.

Für die Verbreitung von Informationen, „bestenPraktiken“ und „sauberen Technologien“ ist es sinn-voll, eine zentrale Anlaufstelle zu etablieren. Mankönnte ein solches Clearing House mit eigenemSekretariat an eine UN-Organisation angliedern.Das UNEP wäre durch die Arbeit seiner Division forTechnology, Industry and Economy (DTIE), die sichu. a. mit der Verbreitung sauberer Energietechnolo-gien auseinander setzt, geeignet, diese Funktion zuübernehmen.Allerdings wäre die Bearbeitung dieserAufgabe durch UNEP nur sinnvoll, wenn seine per-sonellen und finanziellen Ressourcen beträchtlichaufgestockt würden.

Um den internationalen Austausch und dieZusammenarbeit im Bereich Energie zu stärken,wäre schließlich auch an ein globales Dialogforum zudenken. Betroffene aus dem öffentlichen und demPrivatsektor erhielten so die Möglichkeit, sich überZielsetzungen, Mechanismen und neue Partner-schaften auszutauschen. Vorbild wären die im Vor-feld des WSSD abgehaltenen Foren wie der „UNDPGlobal Round Table on Energy for SustainableDevelopment“ und der „Multi-Stakeholder RoundTable on Energy for Sustainable Development“ desindischen Tata Energy Research Institute (TERI).Um eine globale Ausrichtung und die Einbeziehungder Entwicklungsländer sicherzustellen, wäre es rat-sam, das Dialogforum bei einer Unterorganisationder UN anzusiedeln. Hier bietet sich UNDP an, da esbereits auf Erfahrungen bei der Organisation einessolchen Forums zurückgreifen könnte. Initiations-veranstaltung könnte die von der Bundesregierungangekündigte internationale Energiekonferenz 2004sein.Anschließend könnte das Forum in einem 2-jäh-rigen Turnus abgehalten werden.

Neben globalen spielen auch regionale Energiefo-ren eine wesentliche Rolle in der Energiepolitik. Umdie regionale Zusammenarbeit und den Erfahrungs-austausch im Energiebereich zu fördern, ist dieGründung regionaler Energieagenturen wie etwader OLADE (Organización Latinoamericana deEnergía) für Mittelamerika sinnvoll.Von der europä-ischen Kommission wird der Aufbau einer europäi-schen Energieagentur vorangetrieben. In Afrikakönnte die entstehende African Energy Commission(AFREC) den Kern einer solchen Organisation bil-den. Die Aktivitäten dieser regionalen Agenturensollten in Einklang mit der Weltenergiecharta stehenund auf internationaler Ebene koordiniert werden,in ihren Namen sollte die Ausrichtung auf eine nach-haltige Energiepolitik deutlich werden.

Die Internationale Energieagentur (IEA) derOECD-Staaten sollte in Richtung einer nachhaltigenEnergiepolitik weiterentwickelt werden: Die 1974 als

Reaktion auf die Ölkrise gegründete Organisationhat das Ziel, durch Förderung der Nutzung fossiler,aber auch erneuerbarer Energien die Abhängigkeitihrer Mitglieder von Ölimporten zu verringern. AlsEnergieagentur der Industriestaaten hat sie bishermit der Auswertung und Aufarbeitung von Informa-tionen über nationale Trends und Instrumente sowie„beste Praktiken“ wichtige Aufgaben geleistet. DieAgentur der Industriestaaten hat sich in den vergan-genen Jahren mit der Einrichtung der Non-Member-Countries-Abteilung und Dialogforen gegenüberden Entwicklungs-, Schwellen- und Transformations-ländern bereits verstärkt geöffnet. Zudem hat sichauch der inhaltliche Fokus der Organisation gewan-delt: Aufgrund des Wunsches nach Diversifizierungder Energieträger zur Versorgungssicherung wieauch unter dem Eindruck des Klimawandels ist dasInteresse der Mitgliedsländer an erneuerbaren Ener-gien gewachsen. Diese positiven Entwicklungenmüssen nach Ansicht des Beirates vorangetriebenwerden.

Koordination zwischen Staaten und InstitutionenverbessernDie positiven Erfahrungen mit dem auf Minister-ebene abgehaltenen globalen Umweltforum legenhierzu die Einrichtung eines Globalen Ministerfo-rums für Nachhaltige Energie nahe. Eine Neuaus-richtung der Energiepolitik kann nur dann zumErfolg führen, wenn sie durch die notwendige politi-sche Führung und Unterstützung der nationalenRegierungen begleitet wird. Das regelmäßig tagendeGlobale Ministerforum für Nachhaltige Energie,dem ein kleines Sekretariat zugeordnet sein sollte,würde über die Ausrichtung der Arbeit der verschie-denen UN-Einheiten und der Weltbank im Energie-bereich beraten und Beschlussempfehlungen für dieInstitutionen erarbeiten. Projektkoordination vorOrt sollte aber weiterhin, je nach Fachkompetenz,von Weltbank, UNDP, UNEP und anderen relevan-ten Akteuren geleistet werden. Zudem sollte dasForum auch für die Koordination, Begutachtung undEntwicklung der stufenweisen institutionellen Stär-kung globaler Energiepolitik auf der Grundlageeiner Weltenergiecharta zuständig sein. Über dieWeltenergiecharta müsste die Einbeziehung umwelt-und entwicklungspolitischer Ziele sichergestellt wer-den, z. B. indem festgelegt wird, dass die Ziele derKlimarahmenkonvention bei den Entschlüssenbeachtet werden müssten. Die Einrichtung desForums könnte auf der geplanten internationalenKonferenz zu Erneuerbaren Energien in Deutsch-land 2004 beschlossen werden.

Ergänzend dazu könnte eine Gruppe gleichgesinnter Staaten als Vorreiter auf dem Weg zu einernachhaltigen Energiepolitik auftreten. Theoretisch

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184 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

wäre dies im Rahmen der OECD denkbar. Hierfürwäre aber eine grundsätzliche Übereinstimmung mitden USA, Japan und Australien über das Ziel not-wendig, den Energiesektor unter Nutzung von Brü-ckentechnologien zugunsten erneuerbarer Energienumzuwandeln. Diese zeichnet sich momentan nichtab. Für eine Führungsrolle käme deshalb eher dieEU in Frage. In hochintegrierten Wirtschaftsräumenwie der EU ist eine gemeinsame Vorgehensweiseleichter zu erreichen als in anderen internationalenBündnissen. Zwar stößt die Aufnahme eines Ener-giekapitels in die EU-Verträge unter den Mitglieds-staaten noch auf Zurückhaltung, die Dynamik desBinnenmarkts führt aber allmählich zu einemUmdenken. Die EU spielt zudem bereits heute eineaktive Rolle bei der Transformation der Energiesys-teme: Die Bestrebungen der Kommission, Umwelt-aspekte verstärkt in die Energiepolitik der Gemein-schaft einzubeziehen, der geplante Emissionshandel,die relativ ehrgeizigen Verpflichtungen im Kioto-Protokoll wie auch die fortschrittlichen Politikan-sätze in den meisten der 15 Mitgliedsstaaten, lassendie EU zu einem wichtigen Akteur der Energie-wende werden.

Es wäre auch denkbar, dass die EU die Führung ineiner größer gefassten Staatengruppe übernimmt:Auf dem WSSD hat sie bereits eine solche Koalitiongleich gesinnter Länder gebildet, welche die freiwil-lige Erfüllung quantifizierter Ziele für den Ausbauerneuerbarer Energien anstreben wird. ZahlreicheEntwicklungsländer haben sich angeschlossen. Auchwenn abzuwarten bleibt, wie dieses Bündnis mitInhalten gefüllt wird, ist dies doch ein Prozess, an denman anknüpfen könnte.

Umsetzungs- und Managementfunktionen stärkenManagement- oder Umsetzungsfunktionen im Rah-men der Weltenergiecharta sind ohne Betreuungeiner UN-Organisation kaum zu erfüllen. Der UN-Generalsekretär und UNDESA schlagen in diesemZusammenhang vor, das World Solar Programm derUNESCO in ein „World Sustainable Energy Pro-gramme“ umzuwandeln. Die UNESCO als eine mitBildung, Wissenschaft und Kommunikation befassteUN-Organisation scheint aber wenig dafür geeignetzu sein, Aufgaben wie etwa die Formulierung undUmsetzung nachhaltiger Energiepolitiken und -stra-tegien auf nationaler und regionaler Ebene zu erfül-len.

Die Umsetzung solcher Aufgaben würde besserder Weltbank und UNDP oder UNEP zukommen.Durch ihre Kompetenz und Gestaltungskraft sind sieam besten geeignet, Regierungen zu beraten, natio-nale Programme zu implementieren und Capacity-building-Aktivitäten durchzuführen. Die Weltbankleistet neben Darlehen vermehrt politische Bera-

tung, technische Unterstützung und Wissenstransfer.Zudem verfügt sie durch ihre 180 Mitgliedsstaatenüber eine große Durchsetzungskraft. Allerdings istsie im Energiesektor Interessenkonflikten ausge-setzt: So weichen beispielsweise ihre Prioritäten beider Energieversorgung deutlich von den Bemühun-gen um eine effektive Klimapolitik ab. UNDP hatzwar mit dem Ruf schlechter Aufgabenerfüllung,stagnierender Beiträge und zunehmender Konkur-renz von der Weltbank zu ringen, ist aber weiterhindas zentrale Finanzierungs-, Koordinierungs- undSteuerungsgremium für die operativen entwick-lungspolitischen Aufgaben der UN und genießt gro-ßes Vertrauen bei den Entwicklungsländern. UNEPwürde die umweltpolitische Expertise einbringen, istaber zur Zeit ebenfalls durch Unterfinanzierung undPersonalmangel in seiner Arbeit eingeschränkt. Zurerfolgreichen Durchführung von Aufgaben gemäßeiner Weltenergiecharta sollte eine klare und ausge-wogene Aufgabenteilung sowie eine koordinierteZusammenarbeit zwischen UNDP, UNEP und derWeltbank festgelegt werden. Anstelle von UNEPkönnte langfristig auch die vom Beirat geforderteinternationale Umweltorganisation entsprechendeUmsetzungsaufgaben übernehmen (WBGU, 2001a).

Managementfunktionen auf internationalerEbene sind auch für einen anderen wichtigen Aspektder angestrebten Transformation der Energiesys-teme erforderlich: die weltweite Abwicklung derKernkraft. Diese Aufgabe wäre am besten bei derInternationalen Atomenergieagentur (IAEA) veror-tet. Die Organisation, die bisher für die Förderungund Überwachung der zivilen Nutzung der Kern-energie verantwortlich ist, lässt sich voraussichtlichzwar kaum schnell und radikal in eine Agentur fürden Ausstieg aus der Kernenergie umwandeln. DerBeirat empfiehlt aber, eine Statutenänderung anzu-streben, welche die weitere Förderung des Ausbausder Kernenergie als ausdrückliches Ziel entfernt.Mittelfristig sollte die Organisation die Abwicklungdes Ausstiegs aus der Kernkraft weltweit überwa-chen und koordinieren. Die IAEA wird auch beieinem weltweit beschlossenen Ausstieg aus derKernenergie unverzichtbar bleiben: für die Überwa-chung der Brennstoffkreisläufe, die Verhinderungder Proliferation des bereits vorhandenen spaltbarenMaterials oder die Sicherung der übergangsweiseweiter arbeitenden Kernanlagen sowie der Endla-gerstätten.

2. Stufe: Bündelung und Stärkung vonKompetenzen auf globaler EbeneIn einem weiteren Schritt der Institutionalisierungweltweiter nachhaltiger Energiepolitik sollten dieZuständigkeiten und Kompetenzen des globalenEnergieforums auf Ministerebene ausgeweitet wer-

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den. Dies erfordert den personellen und finanziellenAusbau des angegliederten Sekretariats. Neben derKoordination der relevanten Akteure sollte das Gre-mium die Umsetzung der Weltenergiecharta fördernund kontrollieren. Zu diesem Zweck sollte es die glo-balen Entwicklungen unter Berücksichtigung derZielsetzung der Charta sowie im Hinblick auf neuewissenschaftliche Erkenntnisse und die Wirksamkeitnationaler Aktivitäten im Energiebereich überprü-fen und Politikempfehlungen aussprechen. Nebendieser Lenkungs- und Politikberatungsfunktionkönnten auch zunehmend Aufgaben bei der Umset-zung der Ziele der Weltenergiecharta und beim Tech-nologietransfers übernommen werden, z. B. bei derUnterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbauvon Forschungs- und Entwicklungszentren oder beider Aus- und Weiterbildung.

3. Stufe: Gründung einer InternationalenAgentur für nachhaltige EnergieWenn selbst mit dem gemäß der 2. Stufe gestärktenInstitutionengefüge die oben genannten Aufgabenauf globaler Ebene nur unzureichend bewältigt wer-den können, sollte die Gründung einer Organisationfür eine nachhaltige globale Energiepolitik erwogenwerden.

Seit einigen Jahren wird die Einrichtung einerinternationalen Organisation für erneuerbare Ener-gien vor allem von NRO und Produzenten erneuer-barer Energiekonversionstechniken gefordert. Diesbirgt jedoch zwei Schwierigkeiten:• Der Weltgipfel in Johannesburg 2002 hat gezeigt,

dass die Gründung einer neuen internationalenOrganisation für erneuerbare Energien zum jetzi-gen Zeitpunkt nur schwer realisierbar ist. Eswurde deutlich, dass die Entwicklungsländer dieneue Institution als Exportförderung für saubereTechnologien von Nord nach Süd sehr kritischsehen und die meisten Industriestaaten jedezusätzliche finanzielle und administrative Belas-tung vermeiden wollen.

• Der Beirat geht davon aus, dass eine neue Organi-sation zur Förderung der Nutzung erneuerbarerEnergien wichtige Aufgaben als Interessenvertre-tung zur Verbreitung nachhaltiger Energieformenund zur Förderung entsprechender Industrienerfüllen könnte. Sie ist aber nicht geeignet, eineglobale Transformation der Energiesysteme vor-anzutreiben. Dafür müsste eine neue Institutionderart aufgestellt sein, dass sie die Gesamtheit derEnergiesysteme in die Reformprozesse einbezie-hen könnte.

Daher empfiehlt der Beirat die Gründung einer„Internationalen Agentur für nachhaltige Energie“(International Sustainable Energy Agency – ISEA),

deren inhaltliche Ausrichtung anhand der Weltener-giecharta erfolgen würde.

Diese neue Agentur könnte aus dem erwähntenMinisterforum entstehen, welches dann als Len-kungsausschuss dienen könnte. Dies hätte den Vor-teil, dass die ISEA die notwendige politische Füh-rung und Unterstützung der Nationalregierungenerhielte. Bei der Gründung der ISEA sollte deutlichwerden, dass neben Umweltaspekten auch entwick-lungspolitische Anliegen im Vordergrund stehen.Dies würde auch die Zustimmung der Entwicklungs-länder erleichtern.

Widerstand gegen einen solchen Weg der Institu-tionalisierung globaler Energiepolitik ist insbeson-dere von einigen Industrieländern zu erwarten (z. B.USA, Japan, Australien). Taktisch ist also im Vorhin-ein das Schmieden von Allianzen zwischen interes-sierten Industrieländern (EU u. a.) und Entwick-lungsländern wichtig. Die Zustimmung der Staatenzum Vorschlag der Gründung einer ISEA wirdwesentlich davon abhängen, welchen Mehrwertdiese in der neuen Institution sehen. Der größte Nut-zen der ISEA wäre, dass erstmals Energie-, Umwelt-und Entwicklungsfragen auf globaler Ebenezusammengebracht und institutionell gebündeltbehandelt werden könnten.Auf Grundlage der Welt-energiecharta könnte es durch das neue Gremiumgelingen, Energie-, Umwelt- und Entwicklungsminis-ter zu einer abgestimmten Energiepolitik zubewegen. Langfristig könnte auch die globale Ener-gieforschung in Form des Intergovernmental Panelon Sustainable Energy (IPSE) und des World EnergyResearch Coordination Programme (WERCP) inder ISEA aufgehen (Kap. 5.3.1). Die ISEA sollte inBezug auf die umweltrelevanten Aspekte der Ener-giepolitik eng mit der vom WBGU empfohlenenGlobalen Umweltorganisation zusammenarbeiten(WBGU, 2001a).

5.3.3Finanzierung der globalen Energiewende

5.3.3.1Prinzipien einer gerechten und effizientenFinanzierung globaler Energiepolitik

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sinddie Empfehlungen des Beirats zur Finanzierung glo-baler Nachhaltigkeitspolitik („Earth Funding“;WBGU, 2001a). Konkret gilt es, ein Finanzierungs-system für die Transformation der globalen Energie-systeme zu entwickeln, das zwei zentrale Herausfor-derungen bewältigt:

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186 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

• Aufbringung von Finanzmitteln zur Deckung desFinanzbedarfs;

• Schaffung von Transfermechanismen, um wirt-schaftlich schwächere Länder bei der Transforma-tion zu unterstützen.

Die Entwicklung eines gerechten und ökonomischeffizienten Finanzierungssystems zum Aufbau einernachhaltigen Energieversorgung ist ein ehrgeizigesProjekt, das einen langfristigen Implementationsplanvoraussetzt. Es sollte sich nach Meinung des Beiratsin erster Linie am Subsidiaritätsprinzip orientieren.Das Subsidiaritätsprinzip bezieht sich zum einen aufdie Aufgaben- und Kompetenzverteilung im öffent-lichen Sektor, und zum anderen beschränkt es auseiner ordnungspolitischen Perspektive die Rolle desStaates auf die Aufgaben, bei denen der private Sek-tor überfordert ist. Aus diesen beiden Funktionensind zwei wichtige Schlussfolgerungen für die Finan-zierung globaler Energiepolitik zu ziehen:1. Die Privatwirtschaft investiert in beträchtlichem

Umfang in den Energiesektor. Aufgabe der Staa-ten ist es, zusätzliche Finanzmittel für die Investi-tionen bereitzustellen, die aus einer engerenbetriebswirtschaftlichen Sicht (noch) nicht renta-bel sind, jedoch zur Entwicklung eines nachhalti-gen globalen Energiesystems beitragen. Gemäßdem Subsidiaritätsprinzip ist nur der Teil derInvestitionskosten von der Staatengemeinschaftzu finanzieren, der einen globalen Nutzen stiftet(Prinzip der vereinbarten Mehrkosten). Um dieHöhe dieser zusätzlichen Kosten zu minimieren,sind bestehende Fehlanreize (insbesondere Sub-ventionen für nicht nachhaltige Energieträger undandere marktverzerrende Regulierungen) abzu-bauen und neue Anreize für Investitionen in dieEnergiewende zu schaffen. Dies kann vielfachauch ohne Einsatz von Finanzmitteln geschehen,so dass in der Verbesserung der institutionellenRahmenbedingungen auf nationaler und interna-tionaler Ebene ein großer Beitrag zur Reduzie-rung des öffentlichen Finanzbedarfs und desFinanztransfers zu sehen ist.

2. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sind zunächstnationale Kapitalquellen für die Finanzierung derTransformation zu nutzen. Allerdings ist die öko-nomische Leistungsfähigkeit der Staaten unddamit ihre Fähigkeit, zur Finanzierung des globa-len öffentlichen Guts „Transformation der globa-len Energiesysteme“ beizutragen, sehr unter-schiedlich. Die ärmsten Länder werden nicht inder Lage sein, ihr Energiesystem eigenständigunter Beachtung von Nachhaltigkeitskriterienumzubauen. Daher sind internationale Transfersnotwendig.

Die Mittel, die weder vom Markt noch vom Ent-wicklungsland selbst aufgebracht werden können,

müssen durch die öffentliche Entwicklungszusam-menarbeit oder andere internationale Quellenbereitgestellt werden. Die Aufbringung der Mittelsollte nach Auffassung des Beirats durch ein mög-lichst gerechtes Verfahren erfolgen. Grundsätzlichsieht der Beirat drei Prinzipien als brauchbareGrundlage einer gerechten Finanzierung an:• Leistungsfähigkeitsprinzip;• Äquivalenzprinzip;• Verursacherprinzip.Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll sich dieAbgabenerhebung nach der individuellen Leistungs-fähigkeit der Besteuerten richten. Im nationalenKontext wird diese meist anhand des Einkommensund des Vermögens des Einzelnen bemessen. In derDiskussion ist ferner seit langem, inwieweit der Kon-sum ein Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähig-keit ist. Auf internationaler Ebene steht weniger diewirtschaftliche Leistungsfähigkeit Einzelner, son-dern die Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaftenim Mittelpunkt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip istmomentan das gängige Finanzierungsprinzip inter-nationaler Organisationen. Als Indikator wird dabeiinsbesondere das BIP pro Kopf verwendet.

Daneben ist auch das Äquivalenzprinzip ein aner-kanntes Finanzierungsprinzip. Danach sollen diejeni-gen eine öffentliche Aufgabe finanzieren, die darausVorteile empfangen. Die Höhe des Finanzierungs-beitrags des Einzelnen orientiert sich dabei an demindividuell empfangenen Nutzen (Nutzenäquiva-lenz). Da der individuelle Nutzen öffentlicher Güterjedoch meist nicht ermittelbar und quantifizierbarist, wird oft auf das Prinzip der so genannten Koste-näquivalenz zurückgegriffen. Danach ergibt sich derFinanzierungsbeitrag des Einzelnen aus den Kosten,den seine Inanspruchnahme der öffentlichen Leis-tung verursacht. Das Äquivalenzprinzip erzeugt einökonomisches Abwägungskalkül zwischen Kostenund Nutzen von Leistungen und fördert eine effi-ziente Bereitstellung von Leistungen.Auf internatio-naler Ebene ist das Äquivalenzprinzip nicht üblich,bei einigen Organisationen fließt es aber in denFinanzierungsschlüssel mit ein (z. B. WTO, interna-tionale Eisenbahnorganisation).

Das Verursacherprinzip ist für die Umweltpolitikvon zentraler Bedeutung, und nach Auffassung desWBGU sollte es auch bei der Finanzierung der Ener-giewende eine tragende Rolle einnehmen. DieAnwendung des Verursacherprinzips bedeutet, dassderjenige, der durch sein Verhalten die Notwendig-keit einer öffentlichen Aufgabe herbeiführt, die ent-stehenden Kosten trägt. Die Grenzen zwischen Ver-ursacher- und Äquivalenzprinzip sind allerdingsunscharf.

Der Beirat orientiert sich bei seinen Empfehlun-gen darüber hinaus an folgenden Kriterien, die bei

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187Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

der Entwicklung eines Finanzierungssystems zuberücksichtigen sind: Ziel- und Systemkonformität,Stabilität und Verlässlichkeit der Einnahmeerzie-lung, politische Durchsetzbarkeit und technischePraktikabilität. Der Beirat misst dabei der Durch-setzbarkeit einen besonders hohen Stellenwert bei.Institutionelle Reformvorschläge sollten sich alsanschlussfähig an den Status Quo, die vorherrschen-den Diskurse und die Interessen der Hauptakteureerweisen, damit sich endogene Kräfte zur Unterstüt-zung der Transformation entfalten können. Diesbedeutet, dass der Beirat einen inkrementalistischenAnsatz verfolgt und seinen Schwerpunkt auf erstepragmatische Schritte in Richtung eines Finanzie-rungssystems für die globale Energiewende legt.

5.3.3.2Aufbringung neuer und zusätzlicher Finanzmittel

Internationaler FinanzierungsbedarfIn den nächsten 20 Jahren werden jährlich Investitio-nen in Höhe von 180–215 Mrd. US-$1998 im Energie-sektor der Entwicklungs- und Schwellenländer getä-tigt werden müssen, um die steigende Energienach-frage zu befriedigen (WEC, 2000; G8 RenewableEnergy Task Force, 2001). Eine höhere Summe isterforderlich, wenn höchsteffiziente Technologienund erneuerbare Energien zum Einsatz kommen sol-len (Ad Hoc Open-ended Intergovernmental Groupof Experts on Energy and Sustainable Development,2001). Welcher Teil der erforderlichen Investitionenvom öffentlichen oder privaten Sektor und vonnationaler oder internationaler Seite aufgebrachtwerden wird bzw. sollte, lässt sich nicht eindeutig fest-legen. Aus Effizienzgründen ist es wünschenswert,dass ein erheblicher Teil der Investitionen vom pri-vaten Sektor finanziert wird. Angesichts des niedri-gen BIP und der extremen Kapitalknappheit in denmeisten Entwicklungsländern ist es nahezu unum-gänglich, dass außerdem ein großer Teil von interna-tionaler Seite aufgebracht wird.

Mobilisierung privaten KapitalsDer Investitionsbedarf macht deutlich, dass zurFinanzierung der Energiewende privates Kapitalerforderlich sein wird. Das letzte Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts war durch einen rasanten Anstieg derprivaten Direktinvestitionen in den Entwicklungs-ländern gekennzeichnet (Kap. 2.7.3). Die Weltbankgibt an, dass 1990–1999 733 Energieprojekte mit pri-vatwirtschaftlicher Beteiligung und einem Investi-tionsvolumen von insgesamt 186,7 Mrd. US-$ insbe-sondere in Lateinamerika und Ostasien durchge-führt wurden (Izaguirre, 2000). Mit der stärkerenEinbindung des privaten Sektors in die Arbeit der

multilateralen Entwicklungsbanken konnte eineVervielfachung der Projektvolumina erreicht wer-den. Zudem besitzen privatwirtschaftliche Akteureein Interesse an einer Verstetigung und langfristigenNutzung ihrer Investitionen. Sie nutzen ihr Exper-tenwissen und setzen sich für eine effiziente Wirt-schaftsweise ein. Dies sind Schlüsselfaktoren fürerfolgreiche Projekte beim Neuaufbau der Energie-versorgung in den Entwicklungs-, Schwellen- undTransformationsländern (G8 Renewable EnergyTask Force, 2001; Enquete-Kommission, 2002).

Es bedarf jedoch weit darüber hinausgehenderAnstrengungen, um ausreichendes ausländisches Pri-vatkapital für Direktinvestitionen im Energiebereichzu gewinnen, zumal sich nennenswerte Investitionenbisher nur auf wenige Länder beschränken. Zuerstsind sowohl auf nationaler als auch auf internationa-ler Ebene die Rahmenbedingungen für eine stabileWirtschafts- und Währungsordnung zu verbessern,da die Vermeidung von Wirtschafts- und Währungs-krisen zu den zentralen Voraussetzungen für Direkt-investitionen zählen. Auf nationaler Ebene ist vorallem Rechtssicherheit zu schaffen, einschließlichder Gewähr, dass Vertragsbestimmungen durchge-setzt werden können. Die Liberalisierung der Ener-giemärkte trägt auch in den Entwicklungsländernwesentlich zu einem höheren Maß an Transparenzund Zugänglichkeit der Märkte bei. Für die Mobili-sierung privaten Kapitels für den Aufbau einer nach-haltigen Energieversorgung ist nicht zuletzt derAbbau von Subventionen für fossile Energieträgervon Bedeutung (Enquete-Kommission, 2002; Kap.5.2.1.2).

Trotz der Bedeutung des privaten Kapitals musskritisch geprüft werden, inwieweit private Investitio-nen zur Erreichung der Ziele der Energiewende tat-sächlich beitragen. Bisher ist eine Dominanz der fos-silen Großkraftwerke festzustellen. Der Anteilerneuerbarer Energien an den privaten Direktinves-titionen in Energieprojekte in Entwicklungsländernbetrug während der 1990er Jahre nur 2% (KfW,2001). Die Bundesregierung sollte die Möglichkeitenzur Umsteuerung dieses Trends nutzen:• Reform der Ausfuhrgewährleistungen, um Ver-

günstigungen gezielt für Projektkategorien zu ver-geben, die Nachhaltigkeitskriterien genügen(Kap. 5.2.3.2);

• Verstärkung der Politikberatung im Rahmen derEntwicklungszusammenarbeit, um die Fähigkei-ten in den Partnerländern zur Schaffung investi-tionsfreundlicher Rahmenbedingungen zu erhö-hen;

• Schaffung eines Förderinstruments „Public-Pri-vate Partnerships für erneuerbare Energien“, uminsbesondere kleinen und mittelständischenAnbietern von erneuerbaren Energietechnolo-

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gien den Zugang zu den Märkten in den Entwick-lungsländern zu erleichtern;

• Unterstützung des Aufbaus von Mikrofinanzie-rungssystemen in Entwicklungsländern, um dieFinanzierung kleinerer Projekte im Bereich derEffizienzsteigerung und der erneuerbaren Ener-gien zu verbessern (Kap. 5.3.3.3).

Zusätzliche private Mittel können auch durch einestärkere Förderung von Stiftungen generiert werden.So vergeben die Ford- und die Rockefeller-StiftungMittel für Projekte im Energiebereich, die sozialenund umweltpolitischen Nutzen stiften (CENR, 2000).In Europa fallen die steuerlichen Anreize zur Unter-stützung von Stiftungen schwächer aus als in denUSA. Hier besteht Spielraum, die Mobilisierung pri-vaten Kapitals zu fördern (World Bank, 2002b).

Der Beirat hält einen internationalen Finanzie-rungsbedarf von mehreren hundert Mrd. $ pro Jahrin den ersten 20 Jahren für plausibel. Angesichtseines Gesamtvolumens ausländischer Investitionenin Entwicklungsländern von momentan 205 Mrd. $pro Jahr (UNCTAD, 2002) und max. weiteren 7Mrd. $, die Non-Profit-Organisationen insgesamt fürdie internationale Entwicklungszusammenarbeitaufbringen (OECD, 2002), ist nicht davon auszuge-hen, dass private Quellen zur Finanzierung derTransformation der Energiesysteme ausreichen wer-den. Hinzu kommt, dass von privaten Investorennicht erwartet werden kann, dass sie auch den Teilder Investitionen vollständig finanzieren, der exter-nen globalen Nutzen erzeugt. Eine Steigerung direk-ter öffentlicher Mitteltransfers in den Energiebe-reich ist daher unverzichtbar.

Erhöhung und Umstrukturierung derMittel für dieEntwicklungszusammenarbeitDie regionalen Schwerpunkte privater Investitionensind heute Ostasien und Lateinamerika. Die meistenLänder Afrikas und Südasiens sind hingegen nurwenig attraktiv für Privatinvestoren. In diesenRegionen befinden sich die ärmsten Entwicklungs-länder mit sehr niedrigem Einkommensniveau,geringer Kaufkraft und extremer Kapitalarmut. DerAufbau eines nachhaltigen Energiesystems wird hierohne die Unterstützung durch die Entwicklungszu-sammenarbeit nicht gelingen. Nach Ansicht des Bei-rats kann die Entwicklungspolitik als Katalysator fürdie Transformation der Energiesysteme wirken.Durch sie kann auf die zentralen Handlungsfeldereiner Energiewende zur Nachhaltigkeit eingewirktwerden: „Förderung von Effizienz und erneuerbarenEnergien“ und „Verbesserung des Zugangs zumodernen Energieformen“. Die bisherigen Finanz-mittel für die Entwicklungszusammenarbeit reichenallerdings bei weitem nicht aus, um global nachhal-

tige Energiesysteme, insbesondere in den ärmstenEntwicklungsländern, zu etablieren. Das gesamteVolumen der öffentlichen Entwicklungszusammen-arbeit (ODA) betrug im Jahr 2000 knapp 54 Mrd.US-$. Schätzungsweise 3,1% der bilateralen ODA(2000: ca. 36 Mrd. $) und damit etwa nur 1,2 Mrd.US-$ floss in den Energiesektor (OECD, 2002). Beider multilateralen Entwicklungsfinanzierung warenes wegen des starken Engagements regionaler Ent-wicklungsbanken im Energiebereich rund 8%(OECD, 2002). Die Weltbankgruppe als größte mul-tilaterale Finanzierungsinstitution stellte 2001gerade einmal 2,2 Mrd. US-$ für umweltbezogeneInvestitionen in den Energiesektor bereit (WorldBank, 2002c). Diese Zahlen verdeutlichen die Grö-ßenordnung zusätzlich notwendiger Investitionsmit-tel.

Der Beirat hat in seinen Gutachten immer wiederkritisiert, dass die Industrieländer ihre bereits auf derUNCED-Konferenz 1992 angekündigte deutlicheSteigerung der finanziellen Unterstützung der Ent-wicklungsländer bisher nicht vollzogen haben. ImJahr 2000 betrug der Anteil der Entwicklungszusam-menarbeit am BIP in den OECD-Staaten nur 0,22%und war damit weit vom international vereinbartenZiel von 0,7% entfernt. Hinzu kommt, dass dieUnterstützung erneuerbarer Energien aus den Mit-teln der Entwicklungszusammenarbeit rückläufig ist.Zwar kann dieser Rückgang teilweise durch dieZunahme der privaten Investitionen ausgeglichenwerden. Jedoch ist der Bedarf für eine programmati-sche Unterstützung der Entwicklungsländer bei derUmstellung der Energieversorgung auf effizientereund erneuerbare Technologien weiterhin groß (G8Renewable Energy Task Force, 2001).

Der Beirat sieht die Ergebnisse der UN-Konfe-renz zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey2002 und den dort bekundeten Willen der USA undder EU, ihre Mittel für die Entwicklungszusammen-arbeit aufzustocken, als einen ersten Schritt an.Auchwenn diese Steigerungen dazu führen sollten, dass imJahr 2006 rund 12 Mrd. US-$ mehr an Mitteln für dieEntwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen,können diese Zusagen nur der Anfang sein. Die EUwürde dann mit 0,39% des BIP immer noch nicht das0,7%-Ziel erfüllen. Deutschland hat sich in Monter-rey dazu verpflichtet, die Mittel für die ODA bis 2006auf 0,33% des BIP zu erhöhen. Der WBGU emp-fiehlt der Bundesregierung nachdrücklich eine deut-lichere Aufstockung der ODA-Mittel über die bis2006 angekündigten 0,33% hinaus und schlägt vor,bis 2010 mindestens 0,5% des BIP für ODA aufzu-wenden. Dem Problemdruck angemessen wäre sogareine Steigerung auf rund 1% des BIP.

Darüber hinaus sollten die Prioritäten in der Ver-wendung der Mittel verändert werden. In diesem

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189Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

Zusammenhang begrüßt der WBGU das auf demWSSD von der Bundesregierung angekündigte Pro-gramm „Nachhaltige Energie für Entwicklung“ zumAufbau strategischer Energiepartnerschaften. Dafürwerden in den nächsten fünf Jahren insgesamt 1 Mrd.€ bereitgestellt: 500 Mio. € für erneuerbare Energienund 500 Mio. € für die Steigerung der Energieeffi-zienz. Nach Auffassung des WBGU sind jedoch 100Mio. € jährlich zur Förderung der Nutzung erneuer-barer Energien im Verhältnis zum Etat des BMZ inHöhe von etwa 3,8 Mrd. € (2001) deutlich zu wenig.Hier empfiehlt der WBGU eine signifikante Erhö-hung des Anteils für nachhaltige Energieprojekte anden ODA-Zusagen im Rahmen der bilateralenZusammenarbeit, der sich bisher auf nur wenige Pro-zent beläuft: 1999 waren es 6,8% (282 Mio. €) und2000 3,3% (105 Mio. €). Ein höherer Stellenwert derEnergie in der Entwicklungszusammenarbeit gehtnicht notwendigerweise zu Lasten der Millenniums-ziele, vielmehr kann die Förderung einer nachhalti-gen Energiepolitik wichtiger Bestandteil einer kohä-renten Armutsbekämpfungsstrategie sein.

Schaffung finanzieller Spielräume für eineEnergiewende in Entwicklungsländerndurch EntschuldungDie Entschuldung von Entwicklungsländern schafftvielfach die Voraussetzung für eine Energiewende.Der Beirat empfiehlt, neue Entschuldungsinitiativenanzustoßen.Auch die von Deutschland auf dem Köl-ner G-7-Gipfel begründete HIPC-Initiative (HeavilyIndebted Poor Countries Initiative oder „Ent-schuldungsinitiative“) spielt eine wichtige Rolle beider Gestaltung einer nachhaltigen Energiepolitik,weil sie die Rahmenbedingungen in den ärmstenEntwicklungsländern verbessert. Der Gesamtum-fang der Entschuldung beläuft sich für die ärmstenEntwicklungsländer auf 70 Mrd. US-$. Das entschei-dend Neue dieser Initiative ist, dass die Entschul-dung an überprüfbare Programme zur Armutsbe-kämpfung gekoppelt ist. Dies schließt auch Maßnah-men im Energiebereich ein. Die Möglichkeiten füreinen Schuldenerlass der ärmsten Entwicklungslän-der könnten im Rahmen dieser Initiative deutlichausgeweitet werden.

Einführung eines emissionsabhängigenNutzungsentgelts für den FlugverkehrDie direkte Finanzierung globaler Energiepolitiküber die öffentliche Entwicklungszusammenarbeithat den Vorteil, dass die Finanzmittel Zuweisungenaus den Haushalten der Industrieländer sind undsomit der regelmäßigen Kontrolle durch die Parla-mente unterliegen. Dadurch wird die Effizienz derMittelverwendung gefördert. Nachteilig ist jedoch,dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit

freiwillig bereitgestellt werden und es daher auchAnreize zum Trittbrettfahrerverhalten gibt. In Zei-ten von Haushaltsengpässen ist damit zu rechnen,dass diese Mittel gekürzt werden. Der Beirat emp-fiehlt daher, die Finanzierung globaler Energiepoli-tik auf zahlreiche Instrumente und Ansätze zu ver-teilen, um einen möglichst kontinuierlichen Fluss derFinanzmittel zu ermöglichen. In diesem Zusammen-hang müssen auch innovative Finanzierungsinstru-mente auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden.

Aufgrund der ökologischen Lenkungswirkungenund der Finanzierungseffekte spricht sich der Beiratfür die Erhebung von Entgelten für die Nutzung glo-baler Gemeinschaftsgüter aus. Diese Idee hat er ineinem Sondergutachten vertieft und konkrete Poli-tikempfehlungen zur Umsetzung abgeleitet(WBGU, 2002). Das Konzept der Nutzungsentgelteorientiert sich am Äquivalenz- und Verursacherprin-zip. Dadurch ist es vielen anderen internationalenAbgabelösungen überlegen. Es wird ein direkterZusammenhang zwischen Abgabenzahlung und zufinanzierender Leistung hergestellt, der die Knapp-heit von Umweltgütern signalisiert. Dies wirkt sichpositiv auf die Effizienz der Umweltnutzung aus.Zudem erhöht sich über die zweckgebundene Mittel-verwendung die politische Durchsetzbarkeit: ImUnterschied zu nationalen Umweltabgaben emp-fiehlt der Beirat bei internationalen Abgabelösungeneine exakt definierte Zweckbindung, weil auf inter-nationaler Ebene eine demokratisch gewählte Insti-tution fehlt, die über die Mittelverwendung auf derBasis der Präferenzen der Bürger entscheidenkönnte. Mit dem Konzept der Nutzungsentgeltebesteht die Chance, erste pragmatische Schritte inRichtung eines internationalen Abgabensystems füreine globale Nachhaltigkeitspolitik einzuleiten.

Mit Blick auf die Transformation des globalenEnergiesystems empfiehlt der Beirat der Bundesre-gierung nachdrücklich, sich für die Erhebung einesemissionsabhängigen Entgelts für die Nutzung derAtmosphäre durch den internationalen Flugverkehreinzusetzen. Der Flugverkehr ist diejenige Quellevon Treibhausgasen, die weltweit am stärkstenwächst. Trotz der erheblichen Klimawirksamkeitunterliegen die Emissionen des internationalen Flug-verkehrs noch keinen Reduktionsverpflichtungen.Solange diese Regelungslücke besteht, sollte einemissionsabhängiges Nutzungsentgelt erhoben wer-den. Mit dem Aufkommen werden neue, zusätzlicheMittel für den Klimaschutz gewonnen, dessen Not-wendigkeit u. a. durch den Flugverkehr erzeugt wird.Der Beirat empfiehlt, die daraus gewonnenen Mittelan die neuen Fonds des Klimaregimes (spezieller Kli-maänderungsfonds, Anpassungsfonds, Fonds für dieam wenigsten entwickelten Länder) und an das Kli-mafenster der GEF zu verteilen. Es sollte jedoch

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190 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

sichergestellt werden, dass diese Ressourcen nichtzur Kürzung der Mittel der Entwicklungszusammen-arbeit verwendet, sondern als zusätzliche Mittelgenutzt werden.

Handelbare Quoten für erneuerbareEnergienInternational handelbare Quoten (z. B. flexible Län-der- oder Unternehmensauflagen bzw. Green EnergyCertificates) würden grenzüberschreitende Zah-lungsströme generieren, deren Ausmaß und Zahler/Empfängerstruktur u. a. von der Höhe der einzelnenQuoten abhängen. Diesem Finanzierungsaspektsollte bei der Konzipierung eines globalen Systemshandelbarer Quoten von Anbeginn Rechnung getra-gen werden. Denn auch wenn mit der Umsetzung desSystems erst langfristig zu rechnen ist, beeinflusst esdie Bereitschaft besonders der ärmeren Länder zumkurz- bis mittelfristigen Ausbau erneuerbarer Ener-gien. Entwicklungsländer dürften umso eher bereitsein, sich zu Mindestquoten für erneuerbare Ener-gien zu verpflichten, je größer die Wahrscheinlichkeitist, dass sie zu Nettoempfängern von Zahlungsströ-men werden, sobald die Quoten in ein globales Sys-tem handelbarer Quoten überführt werden.

Aufbringung neuer Finanzmittel im Rahmender internationalen KlimaschutzpolitikDie Klimarahmenkonvention verpflichtet die imAnnex II aufgeführten Industrieländer, den Ent-wicklungsländern neue und zusätzliche Finanzmittelbereitzustellen und den Technologietransfer zu för-dern, damit diese einen Beitrag zum Klimaschutzleisten können. Die weitere Einbindung der Ent-wicklungsländer in den internationalen Klimaschutzhängt davon ab, ob die Industrieländer dieser Ver-pflichtung zur Übernahme der vollen vereinbartenMehrkosten nachkommen. Diese Frage ist von zen-traler Bedeutung für die zweite Verpflichtungspe-riode des Kioto-Protokolls.

Im zweiten Teil der 6. Vertragsstaatenkonferenzder Klimarahmenkonvention in Bonn 2001 wurdedie Einrichtung von drei neuen Fonds beschlossen.Diese Fonds werden aus freiwilligen Leistungen derIndustrieländer gespeist. Die EU und weitere Staa-ten (Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz)gaben auf der Konferenz eine politische Erklärungab, dass sie ab 2005 jährlich 410 Mio. US-$ in dieseFonds einzahlen werden. Die USA, Japan und Aus-tralien haben keine Beiträge angekündigt. Nur derAnpassungsfonds wird durch einen geregeltenFinanzierungsmechanismus in Form einer 2%igenAbgabe auf Erlöse aus dem CDM gespeist. Der Bei-rat begrüßt die Erklärung der Bundesregierung, dieneuen Fonds des Klimaregimes finanziell zu unter-stützen. Er empfiehlt jedoch, die Finanzierungsstruk-

turen weiter zu entwickeln und sich für eine rechtli-che Verbindlichkeit der Finanzierungsbeiträge ein-zusetzen, um eine willkürliche Ad-hoc-Finanzierungdieser wichtigen Fonds zu vermeiden. In diesemZusammenhang verweist der Beirat auch auf seineEmpfehlung, Teile des Aufkommens aus der Erhe-bung von Nutzungsentgelten für den internationalenFlugverkehr diesen Fonds zuzuweisen.

Auch die projektbasierten Mechanismen des Kli-maregimes werden zu einem zusätzlichen Finanz-und Technologietransfer beitragen, der einer Trans-formation der Energiesysteme nutzen kann. Es wirdgeschätzt, dass durch den CDM bis zu 20 Mrd. US-$zusätzlicher Finanzmittel in den Süden transferiertwerden. Dies entspricht mehr als 50% der gesamtenODA im Jahr 2000. Ein CDM-Marktvolumen inHöhe von 10 Mrd. US-$ könnte zusätzliche Investi-tionen in nachhaltigere Technologien in Höhe von90–490 Mrd. US-$ induzieren (Öko-Institut undDIW, 2001). Projekte im Bereich der erneuerbarenEnergien und der effizienten Energieverwendungweisen aufgrund kleinerer Projektvolumina struktu-relle Nachteile gegenüber den anderen, meist groß-skaligen CDM-Projekten zur Effizienzsteigerungvon Großkraftwerken oder Schaffung von Treib-hausgassenken auf. Insbesondere höhere Transak-tionskosten stellen ein zentrales Hemmnis für dieFörderung der Nutzung von erneuerbaren Energiendurch den CDM dar. Zur Überwindung der Blocka-den bei CDM und JI sollten die projektbasiertenKioto-Mechanismen daher durch die Auflegungeines Fonds nach dem Modell der niederländischenProgramme ERUPT und CERUPT gefördert wer-den.

Vision: Etablierung einesaufkommensstarken Finanzierungs- undTransfermechanismusEin wesentlich größeres Finanzierungspotenzialsteckt in der Weiterentwicklung des im Kioto-Proto-koll vorgesehenen Emissionshandels (Art. 17FCCC). Bisher ist geplant, die maximal zulässigenTreibhausgasemissionen der Staaten in der erstenVerpflichtungsperiode von 2008–2012 festzulegen.Die Vertragsstaaten verfügen damit über ein Nut-zungsrecht an dem globalen Gut „Aufnahmefähig-keit der Atmosphäre für Treibhausgase“ (Brock-mann et al., 1999), das ihnen gleichzeitig eine Decke-lung der Treibhausgasemissionen auferlegt. Liegendie Emissionen unterhalb der maximal zulässigenGrenzen, kann die Differenz an andere Vertragsstaa-ten verkauft werden. Der Erwerb von Emissions-rechten darf jedoch nur ergänzend zu Vermeidungs-aktivitäten im eigenen Land erfolgen. Allerdingswurde die Nutzung der flexiblen Kioto-Mechanis-men zur Erfüllung der Reduktionsverpflichtungen

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191Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

bisher quantitativ nicht genau begrenzt. Der Emis-sionshandel ist in der ersten Verpflichtungsperiodeauf die im Annex B des Kioto-Protokolls aufgeführ-ten Staaten beschränkt und schließt damit Entwick-lungs- und Schwellenländer aus (Öko-Institut undDIW, 2001).

Um das Ziel der Klimarahmenkonvention, eineStabilisierung der Treibhausgase in der Atmosphäreauf einem ungefährlichen Niveau zu erreichen, müs-sen die Entwicklungsländer zukünftig stärker in deninternationalen Klimaschutz eingebunden und insge-samt ehrgeizigere Reduktionsziele vereinbart wer-den. Daher sind bei der instrumentellen Umsetzungder Klimaschutzziele in der nächsten Verpflichtungs-periode die Entwicklungsländer in ein globales Sys-tem handelbarer Emissionszertifikate einzubinden.

Der Beirat hat sich mehrfach dafür ausgespro-chen, bei der Ausgangsverteilung der Emissionszerti-fikate Gerechtigkeitsprinzipien zu berücksichtigen(z. B. WBGU, 2001b). Ethischer Maßstab internatio-naler Klimaschutzpolitik sollte das Recht auf gleichePro-Kopf-Emissionen von Treibhausgasen sein;damit würde auch dem Verursacherprinzip Rech-nung getragen. Demzufolge wären die maximalzulässigen Treibhausgasemissionen auf der Basisgleicher Pro-Kopf-Emissionen zu bestimmen. Dabeikönnten unterschiedliche Energiebedürfnisse jenach Klimazone berücksichtigt werden, und mögli-che Fehlanreize für Bevölkerungswachstum könntenz. B. durch eine Stichtagsregelung umgangen werden.Eine Ausgangsverteilung auf der Basis eines solchenmodifizierten Pro-Kopf-Ansatzes würde – bei Ein-haltung der WBGU-Leitplanken – einen Finanz-transfer von mehreren 100 Mrd. € von den Industrie-ländern zu den Entwicklungsländern auslösen. Dieswürde die bisherigen Mittel der Entwicklungszusam-menarbeit um ein Vielfaches übertreffen. Im Prinzipließe sich mit einem solchen Ansatz ein Weltfinanz-ausgleich auf Kohlenstoffbasis schaffen. Von dieserVision ist man zur Zeit jedoch noch weit entfernt.Die Klimaschutzpolitik könnte jedoch bereits jetzt indiese Richtung weiterentwickelt werden.

Die ökonomischen Effekte auf Länder mit hohenPro-Kopf-Emissionen sind neben der absolutenHöhe auch von der Umsetzungsgeschwindigkeiteines solchen Ansatzes abhängig. Eine Orientierungam Pro-Kopf-Prinzip in der nächsten Verpflichtungs-periode würde die Volkswirtschaften der Industrie-länder zu stark belasten. Daher wäre zu Beginn ambisherigen Ansatz festzuhalten, die Reduktionsquo-ten differenziert z. B. nach historischen Reduktionen,energiepolitischer Ausgangslage und ökonomischenKosten zu bestimmen. Langfristig – mit einem Zeit-horizont von 20–30 Jahren – sollte jedoch verstärktder modifizierte Pro-Kopf-Ansatz als Maßstab die-nen. Eine solche schrittweise Umsetzung würde die

Fähigkeit der Volkswirtschaften, sich strengerenReduktionszielen anzupassen, nicht übersteigen unddie ökonomischen Kosten eines ökologisch effekti-ven Klimaschutzes auf ein tolerables Maß reduzie-ren.

Als marktwirtschaftliche Alternative zu einemmodifizierten Pro-Kopf-Ansatz in einem globalenSystem handelbarer Emissionsrechte wird insbeson-dere eine globale CO2-Steuer diskutiert. Eine solcheSteuer wurde bereits vor der UNCED 1992 als mög-liches globales Instrument des Klimaschutzes inten-siv diskutiert (Pearce, 1991; Cnossen und Vollebergh,1992). Letztlich entschied man sich dann für denMengenansatz und eine Flexibilisierung durch diesog. Kioto-Mechanismen. Die ungeklärte Frage, wiedie ehrgeizigen Entwicklungsziele des UN-Millenni-umsgipfels von 2000 finanziert werden sollen,brachte die globale CO2-Steuer wieder verstärkt aufdie internationale Agenda.

Der Beirat betrachtet die Idee einer internationa-len CO2-Abgabe als einen interessanten Ansatz.Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der imKioto-Protokoll vorgesehene Zertifikatehandel beiEinbindung der Entwicklungsländer und entspre-chender Ausgangsverteilung langfristig auch zueinem beträchtlichen Finanztransfer von Nord nachSüd führt. Daher wäre eine internationale CO2-Abgabe eher als ein vorübergehendes zusätzlichesFinanzierungsinstrument einzuführen, bis ein aufdem Kioto-Protokoll aufbauendes globales Zertifi-katesystem mit ökologisch effektiven Reduktions-verpflichtungen etabliert ist. Dies würde in kurz- undmittelfristiger Perspektive nicht nur die Lenkungsan-reize des Kioto-Protokolls verstärken, sondern auchbestehende Finanzierungslücken im internationalenKlimaschutz decken. Bei entsprechender Ausgestal-tung würde eine internationale CO2-Abgabe auchdem Verursacher- und partiell dem Leistungsfähig-keitsprinzip entsprechen. Es bleibt zu prüfen, ob derVorschlag einer internationalen CO2-Besteuerungnicht zusätzliche politische Blockaden hervorruft,die eine Implementierung unmöglich machen.

Aus diesem Vergleich möglicher Finanzierungsan-sätze zieht der WBGU folgenden Schluss: Er emp-fiehlt der Bundesregierung, gemäß dem Vorsorge-prinzip weiterhin den Mengenansatz des Kioto-Pro-tokolls in Verbindung mit den flexiblen Mechanis-men zu unterstützen. Mit der schrittweisenWeiterentwicklung des Kioto-Ansatzes in Richtungeines modifizierten Pro-Kopf-Ansatzes ließe sich einFinanzierungs- und Transfermechanismus schaffen,der einem Weltfinanzausgleich gleichkäme und inder Geschichte internationaler Politik einzigartigwäre.

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192 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

5.3.3.3Verwendung der Mittel für die Energiewendedurch internationale Finanzinstitutionen

GEF als internationaleFinanzierungsinstitution stärkenMit der Einrichtung der GEF wurden zusätzlicheMittel für den globalen Umweltschutz bereitgestellt,und mit dem Abstimmungsmodus der doppeltgewichteten Mehrheit ein Mechanismus geschaffen,der Industrie- und Entwicklungsländern einen gleichstarken Einfluss auf die Verwendung der Mittelgarantiert. In den vergangenen zehn Jahren hat sichdie GEF als ein wichtiger internationaler Finanzie-rungsmechanismus für den globalen Umweltschutzetabliert. Auf dem WSSD in Johannesburg wurdeeine Auffüllung der Finanzmittel für die dritte Phase(2003–2006) von 3 Mrd. US-$ vereinbart. Zudemwurde die Stellung der GEF durch die Erweiterungder Projektfinanzierung um die Bereiche „Landde-gradation“ (Desertifikation) und „persistente orga-nische Schadstoffe“ aufgewertet.

Diese positiven Entwicklungen legen nahe, dieGEF auch als Finanzierungsinstitution für die glo-bale Energiewende zu nutzen. Dabei sind allerdingsdie an der Arbeit der GEF vorgebrachte Kritik unddie neuen Herausforderungen im Rahmen globalerNachhaltigkeitspolitik zu berücksichtigen. Das Prin-zip der „zusätzlichen Kosten“ ist eine hohe bürokra-tische Hürde für die Finanzierung vieler Projekte,deren Umsetzung aus Sicht nachhaltiger Entwick-lung sinnvoll wäre. Die Ermittlung der zusätzlichenKosten ist zudem vielfach äußerst kontrovers (Hortaet al., 2002). Projekte, die den Transfer kostengünsti-ger Technologie fördern, auf indigenem Wissen derlokalen Bevölkerung aufbauen oder über Investitio-nen in die öffentliche Bildung den Kapazitätsaufbauin den Entwicklungsländern unterstützen, werdenaußerdem mit dem Konzept der zusätzlichen Kostenkaum erfasst und fallen daher meist aus dem Förder-schema der GEF heraus. Globale Nachhaltigkeitspo-litik sollte verstärkt auf katalytische Wirkungen loka-ler und regionaler Ansätze aufbauen und integrierteKonzepte verfolgen. Der GEF wird jedoch vorge-worfen, zu wenig auf lokale Bedingungen einzuge-hen und entsprechende katalytische Effekte unge-nutzt zu lassen (Keohane, 1996).

Trotz dieser Kritik empfiehlt der WBGU, die GEFals Finanzierungsinstitution für die globale Energie-wende auszubauen und als Katalysator für einenumfangreicheren Finanzrahmen zu nutzen. DieAlternative hierzu bestünde in der Errichtung einervöllig neuen Finanzierungsinstitution, z. B. in Formeiner Globalen Nachhaltigen Energiefazilität. Dieswürde jedoch einen langen Aushandlungsprozess aufinternationaler Ebene erfordern, was derzeit nur

geringe Erfolgschancen hätte. Um möglichst raschüber einen wirksamen internationalen Mechanismuszur Finanzierung der globalen Energiewende zu ver-fügen, sollten deshalb die Strukturen der GEFgenutzt werden. Hierzu ist jedoch deren Arbeits-weise verstärkt auf die Förderung global nachhalti-ger Energiesysteme auszurichten. Daher empfiehltder WBGU der Bundesregierung, sich für folgendeReformen in der Organisation, Arbeitsweise undStellung der GEF in der globalen Nachhaltigkeitspo-litik einzusetzen:• Neues Fenster zur Förderung global nachhaltiger

Energiesysteme einrichten: Im Rahmen des Klima-fensters werden bereits Projekte finanziert, dieBarrieren bei der Förderung von Energieeffizienzund erneuerbaren Energien beseitigen und lang-fristig die Kosten für Maßnahmen zur Verminde-rung von Treibhausgasemissionen reduzieren.Darüber hinaus werden zunehmend Mittel zurAnpassung an den Klimawandel zur Verfügunggestellt. Der WBGU empfiehlt, bis 2005 die finan-zielle Förderung von Effizienztechnologien underneuerbaren Energien in einem neuen Fensterder GEF zu bündeln, um eine neue strategischeAusrichtung der GEF-Förderpolitik in diesemBereich zu ermöglichen.

• Kriterien zur Vergabe von Mitteln des neuen „Fen-sters zur Förderung global nachhaltiger Energie-systeme“ modifizieren: Der WBGU betrachtet dasPrinzip der zusätzlichen Kosten als ein wichtigesKonzept für die Finanzierung des globalenUmweltschutzes. Um eine globale Energiewendeim Sinn der WBGU-Transformationsstrategie zubewirken, bedarf es jedoch einer Vereinfachungder Vergabekriterien, um bei der Mittelverwen-dung auch verstärkt entwicklungspolitischeAspekte berücksichtigen zu können, z. B. bei derFörderung der ländlichen Entwicklung durcherneuerbare Energien. Die Modifikation der Ver-gabekriterien sollte sich dabei an der Weltener-giecharta orientieren. Da sich viele Projekte imBereich nachhaltiger Energiepolitik durch eingeringes Finanzierungsvolumen auszeichnen, sindaußerdem die positiven Erfahrungen mit demerfolgreichen Mikrokreditprogramm der GEF(SGP – Small Grant Programme) zu nutzen. Einesolche Modifikation würde einen neuen strategi-schen Rahmen für die Förderung von Effizienz-technologien und erneuerbaren Energien schaf-fen, der verhindert, dass Projekte ohne pro-grammatischen Ansatz auf einer Ad-hoc-Basisfinanziert werden (UNDP et al., 2000).

• Zusammenarbeit mit regionalen Institutionen, derprivaten Wirtschaft und der lokalen Bevölkerungausbauen: Der WBGU begrüßt, dass der Kreis derimplementierenden Institutionen erheblich

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193Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

erweitert wurde. Neben Weltbank, UNDP undUNEP können jetzt auch regionale Entwicklungs-banken, die UNIDO, die FAO und die IFAD(International Fund for Agricultural Develop-ment) Projekte bei der GEF einreichen (Kutter,2002). Der WBGU empfiehlt darüber hinaus, dieZusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft wei-ter auszubauen und die lokale Bevölkerung ver-stärkt einzubinden. Dies erhöht die Erfolgschan-cen von Projekten wesentlich und induziert diegewünschten katalytischen Effekte, wie z. B. denAufbau von Märkten für umweltfreundliche Pro-dukte und die Mobilisierung zusätzlichen privatenKapitals.

• Finanzmittel der GEF weiter aufstocken und Statusder GEF aufwerten: Der WBGU begrüßt die Auf-stockung der GEF-Mittel für die dritte Phase. Ergibt jedoch zu Bedenken, dass gleichzeitig derAufgabenbereich der GEF erweitert wurde. MitBlick auf den hohen Finanzbedarf zur Förderungder globalen Energiewende sind daher die Mittelder GEF weiter aufzustocken. Zugleich sollte dieGEF in ihrem Status aufgewertet werden, um zuverhindern, dass die Bemühungen der GEF durchkonterkarierende Effekte, insbesondere der Pro-gramme anderer multilateraler Organisationen,untergraben werden.

Weltbank und IWF in die Energiewende zurNachhaltigkeit einbindenDie Weltbank, die nicht nur als Kreditgeber fungiert,sondern auch Informationen über die Bonität vonEntwicklungsländern sammelt und mit ihren Sektor-programmen direkten Einfluss auf die nationalenPolitiken von Entwicklungsländern nimmt, legte2001 neue energiepolitische Ziele fest (Kap. 2.7.3).Diese beinhalten die Unterstützung von Reformenim Energiesektor, die Förderung von Wettbewerb,die Verbesserung des Umweltschutzes bei der Ener-gieerzeugung und den Zugang zu Energie für ärmereBevölkerungsgruppen. Die Weltbank koordiniertauch die geplante „Global Village Energy Partner-ship“, die den Armen besseren Zugang zu Energiegewähren soll. Die Bundesregierung hat bereits ihreBeteiligung angekündigt.

Die Aktivitäten der Weltbank gehen nach Ansichtdes WBGU indes nur dann in die richtige Richtung,wenn sie sich nicht weiter am Least-cost-Prinziporientiert, d. h. primär einzelwirtschaftlich rentableEnergieformen unterstützt, ohne eine Internalisie-rung negativer Externalitäten sicherzustellen. Desweiteren ist sicherzustellen, dass langfristige Rah-menbedingungen bei der Implementierung neuer,noch nicht voll marktgängiger Technologien berück-sichtigt werden. Die Weltbank sollte sich auch alseine Förderbank für nachhaltige Energie verstehen

und mit dafür sorgen, dass in den Entwicklungslän-dern wirksamere finanzielle Anreize geschaffen wer-den, damit der Anteil erneuerbarer Energienansteigt. Generell sollten die Weltbank und die regio-nalen Entwicklungsbanken weltweit eine aktivereRolle bei der Transformation der Energiesystemespielen als dies bisher der Fall ist. Bisher wurde derSchritt von der konzeptionellen zur operativenEbene noch nicht ausreichend vollzogen. DerWBGU empfiehlt daher die praktische Umsetzungder neuen Förderkonzeption der Weltbank. Dafürsollte sich die Bundesregierung im Rahmen ihrerMitgliedschaft im Verwaltungsrat der Weltbank starkmachen.

Europäische Investitionsbank alsFörderinstrument nutzen Das Abkommen von Cotonou wurde im Juni 2000zwischen der EU und 77 AKP-Staaten geschlossenund regelt für eine Laufzeit von 20 Jahren die politi-schen, entwicklungs- und handelspolitischen Bezie-hungen zwischen den beiden Ländergruppen. Es istdarauf ausgerichtet, in Einklang mit den Zielen dernachhaltigen Entwicklung und der schrittweisenIntegration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaftdie Armut zu bekämpfen (Artikel 1, Absatz 2). Abdem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Abkom-mens von Cotonou ist eine Investitionsfazilität vor-gesehen, die sich aus Risikokapital (Zeitraum: 2000–2005) in Höhe von bis zu 2,2 Mrd. € aus Mitteln desEuropäischen Entwicklungsfonds und 1,7 Mrd. € inForm von Darlehen aus Mitteln der EuropäischenInvestitionsbank (EIB) zusammensetzt.

Im Rahmen des Finanzprotokolls zu Lomé IV fürden Zeitraum von 1995–2000 verwaltete die EIBbereits Risikokapital in Höhe von 1,3 Mrd. € aus Mit-teln des Europäischen Entwicklungsfonds, hinzukamen rund 1,7 Mrd. € in Form von Darlehen ausihren eigenen Mitteln. Schwerpunktsektoren derInvestitionen der EIB sind Infrastruktur, vor allemEnergie und Transport, und industrielle Entwick-lung. Für den Energiebereich empfiehlt der WBGU,künftig einen Schwerpunkt auf die Förderung erneu-erbarer Energien zu legen. Bisher lag der Schwer-punkt der EIB hier auf der Förderung fossiler Ener-gieträger.

Regionale Entwicklungsbanken stärkenDie regionalen Entwicklungsbanken, die überwie-gend Projekte des öffentlichen Sektors fördern, kon-zentrieren sich im Energiebereich zumeist auf denAuf- und Ausbau der Stromnetze sowie die Reformdes Energiesektors. Die Banken verfolgen entspre-chend der sehr unterschiedlichen Problemlage regio-nalspezifische Ansätze bei der Kreditvergabepolitikund können daher wichtige Partner zur Überwin-

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194 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

dung der Energiearmut in Afrika, Lateinamerika,der Karibik und Asien sein. Voraussetzung ist aller-dings, dass zunächst die Managementkapazitäten derEntwicklungsbanken schrittweise gestärkt und ent-wickelt werden.

Der WBGU empfiehlt, dass sich Deutschland imRahmen seiner Beteiligung an diesen Banken und imRahmen der EU für die Förderung der Energiever-sorgung in den Entwicklungsländern durch die regio-nalen Entwicklungsfonds, die von den Entwicklungs-banken verwaltet werden, einsetzt. Diese Länderschaffen es in der Regel nicht aus eigener Kraft, dieVersorgung ihrer Armutsbevölkerung mit Energie-dienstleistungen zu sichern. Außerdem haben vieleEntwicklungsländer angesichts ihrer hohen Aus-landsverschuldung nur geringe Spielräume, um diezu erwartenden Preissteigerungen bei fossilen Ener-gieträgern zu verkraften und Effizienzverbesserun-gen ihrer Energieversorgung zu finanzieren. Auchden Kauf von Anlagen und Technologien im Bereicherneuerbarer Energien können sich viele dieser Län-der wegen der extremen Schuldenlast nicht leisten.Ohne eine weit reichende Schuldenregulierung undgezielte Unterstützung der Entwicklungsländer mitHilfe regionaler Entwicklungsfonds ist eine Transfor-mation der Energiesysteme in den Ländern desSüdens deshalb kaum vorstellbar. Darüber hinauskönnte sich Deutschland für eine stärkere Umsteue-rung der Förderpolitik der regionalen Entwicklungs-banken zugunsten des Umweltschutzes einsetzen.Einflussmöglichkeiten für Deutschland ergeben sichüber seine Anteile am Grundkapital der regionalenEntwicklungsbanken. Dieser beläuft sich bei derAfrikanischen Entwicklungsbank auf rund 4,1%(innerhalb der Gruppe der Nichtregionalen sogarauf 10%), der Karibischen Entwicklungsbank aufrund 5,8%, der Inter-Amerikanischen Entwicklungs-bank auf 1,9% und der Asiatischen Entwicklungs-bank auf rund 4,5%.

Energieversorgung in den PRSP-ProzessintegrierenAuf den Kölner Beschluss der G-7 im Jahr 1999,beschleunigte Schuldenerlasse an Programme zurArmutsbekämpfung zu koppeln, reagierten IWF undWeltbank rasch (VENRO, 2001). Ende 1999 legtensie erste Papiere vor, in denen sie ihre Politik gegen-über den ärmsten Ländern auf Armutsbekämpfungausrichten. Seither werden in rund 70 Ländern, vorallem armen, hoch verschuldeten Entwicklungslän-dern, in Abstimmung mit ihren Bevölkerungeneigene nationale Pläne zur Armutsbekämpfung, sogenannte „Poverty Reduction Strategy Papers“(PRSP), erarbeitet. Das BMZ unterstützt die Länderbei dieser Arbeit. Die PRSP sollen auch als Steue-rungsinstrumente für die mittelfristige Entwicklung

der Länder dienen sowie Grundlage für die Einwer-bung internationaler Unterstützung sein. Schulden-erlasse im Rahmen der HIPC-Initiative setzen künf-tig ein PRSP voraus. Langfristig noch bedeutsamerist, dass die so genannten IDA-Länder (InternationalDevelopment Association) neue konzessionäreFinanzmittel von multilateralen und bilateralenGebern künftig nur noch auf der Basis der PRSPerhalten sollen. Bisher wird die Energieversorgungin den PRSP-Prozessen nicht verhandelt. DerWBGU empfiehlt, auch die Energieversorgung pro-minent in diese Strategien zu integrieren und eineausreichende Beteiligung zivilgesellschaftlicherAkteure sicherzustellen.

5.3.4Ausrichtung der internationalenKlimaschutzpolitik auf die Energiewende

Ein wichtiger Schritt zur Fortentwicklung des Kioto-Protokolls ist die Konkretisierung der Zielvorgabedes Art. 2 der Klimarahmenkonvention, der Vermei-dung von „gefährlichen Klimaänderungen“. Diesemüsste genauer definiert werden, um konkretereVorgaben für die notwendigen Emissionsreduktio-nen zu erhalten. Dies sollte bis 2005 geschehen, damitdie Ergebnisse schon für die Verhandlungen fürReduktionsziele der zweiten Verpflichtungsperiode,die ab 2005 beginnen, mit eingehen können.

Der exemplarische Pfad (Kap. 4.4) beruht aufeinem Szenario, in dem die Industrieländer bis 2010das Kioto-Protokoll in seiner 1997 verhandeltenForm umsetzen. Bei der technischen Ausgestaltungdes Protokolls wurden den Industrieländern erhebli-che Kohlenstoffsenken zur Anrechnung auf ihreReduktionsverpflichtungen zugebilligt. Zudem exis-tieren für die internationale Luftfahrt und Seefahrtkeine quantitativen Reduktionsverpflichtungen. Ins-gesamt wird deswegen für die Industrieländer stattder ursprünglichen 5%igen Reduktion gegenüber1990 eher mit einem leichten Anstieg der Emissionenbis 2010 gerechnet. Weiterhin besteht kein effektiverSchutz von Kohlenstoffvorräten in der Biosphäre.

Die Leitplankenanalyse in Kapitel 4.3 zeigt, dassgerade die ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhundertskritisch für das Einhalten der tolerablen Erwär-mungsraten sind. Da eine ausreichende Reduktionder Emissionen in Industrieländern nach 2012 (etwa45% von 2010 bis 2020, abgeleitet aus WBGU, 1997)als unerreichbar gilt, können Klimaleitplanken nureingehalten werden, wenn die Entwicklungsländerfrüher als ursprünglich vorgesehen ihre rasch anstei-genden Emissionspfade dämpfen (WBGU, 1997). Bis2020 sollten daher Auflagen zur Emissionskontrollefür Entwicklungsländer greifen. Schwellenländer

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195Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

sollten bereits früher erste quantifizierte Auflagenannehmen.

Dies wird allerdings sehr schwierig umzusetzensein, weil die Industrieländer ihren Reduktions-pflichten nur schleppend nachkommen und die Kli-marahmenkonvention den Grundsatz enthält, dassdie Industrieländer bei den Emissionsreduktionenvorangehen müssen. Daher ist zunächst von berech-tigten Widerständen der Entwicklungsländer gegenjede Form quantifizierter Reduktionsziele auszuge-hen.

Der Beirat empfiehlt deshalb der Bundesregie-rung, sich für eine „Entwicklungsländerinitiative“der EU mit folgenden Charakteristika einzusetzen:• Ziel: Durch eine verstärkte Kooperation ist das

Vertrauen der Entwicklungsländer zurück zugewinnen (historische Allianz der EU und derEntwicklungsländer auf der ersten Vertragsstaa-tenkonferenz in Berlin, 1995) und der Boden fürzukünftige Verhandlungen über Emissionsminde-rungen zu bereiten. Erst wenn die Entwicklungs-länder erkennen, dass das Kioto-Protokoll ihnenVorteile bringt, werden sie auch Pflichten über-nehmen.

• Regionale Partnerschaften: Einzelne EU-Mitglied-staaten suchen in abgestimmten und längerfristigangelegten Initiativen den Kontakt zu bestimmtenEntwicklungsländern oder Ländergruppen, z. B. inForm von Arbeitsgruppen, die gemeinsam Klima-schutz- und andere Entwicklungsziele aufstellen.In Projekten (z. B. im Rahmen von CDM) sollteinsbesondere der Technologietransfer gefördertwerden. Grundsätzlich sollten Initiativen zu sol-chen Partnerschaften auch von Entwicklungslän-dern ausgehen können und langfristig zu beider-seitigem Vorteil führen.

• Vorbildlichkeit: Deutschland und andere Anlage-I-Länder sollten die bestehenden Regelungen imKioto-Protokoll vorbildlich erfüllen. Dies gilt ins-besondere für die „nachweisbaren Fortschritte“bei der Umsetzung der Reduktionspflichten desKioto-Protokolls bis 2005, bei Zulassung, Ausge-staltung und Durchführung von CDM-Projekten,für die Auffüllung der drei neu aufgelegten Fondsfür Entwicklungsländer sowie für vorbeugendeMaßnahmen gegen Folgen der Klimaänderung,den Kapazitätsaufbau und den Technologietrans-fer. Dies würde das Vertrauen in den Prozess stär-ken und die Basis für die Einbeziehung der Ent-wicklungsländer schaffen.

• Machbarkeit: Um die Entwicklungsländer zuüberzeugen, müssen zunächst die kurz-, mittel-und langfristigen Emissionsreduktionspotenzialein den wichtigsten Entwicklungsländern undRegionen ermittelt werden, denn nur so kann ver-mieden werden, dass die Entwicklungsländer jede

Verhandlung über die Dämpfung des Emissions-zuwachses ablehnen.

• Schließung von Lücken: Treibhausgasemissionendes Flug- und Schiffsverkehrs unterliegen bishernoch keinen quantitativen Reduktionsverpflich-tungen. Der WBGU empfiehlt, diese Lücken iminternationalen Klimaschutz zu schließen, indementweder diese Emissionen in das Kioto-Proto-koll integriert werden oder ein Nutzungsentgelterhoben wird (WBGU, 2002; Kap. 5.3.3.2).

In diesem Zusammenhang begrüßt der Beirat dieInitiative der EU auf dem Weltgipfel in Johannes-burg, eine Koalition gleich gesinnter Länder für diefreiwillige Erfüllung quantifizierter Ziele für denAusbau erneuerbarer Energien zu gründen, der sichauch viele Entwicklungsländer angeschlossen haben.Nun gilt es, diese Initiative mit Leben zu füllen.

5.3.5Abstimmung der internationalen Wirtschafts- undHandelspolitik mit den Zielen einer nachhaltigenEnergiepolitik

Die Energiewende zur Nachhaltigkeit muss durchwirtschaftliche, rechtliche und politische Rahmenbe-dingungen flankiert werden.Aus weltwirtschaftlicherPerspektive geht es dabei zum einen darum, attrak-tive Rahmenbedingungen für in- und ausländischePrivatinvestitionen im Energiesektor und für deninternationalen Austausch von nachhaltigen Techno-logien und Wissen zu schaffen. Zum anderen istsicherzustellen, dass das internationale Wirtschafts-recht die Energiestrategie nicht behindert, sondernihre Umsetzung unterstützt.

5.3.5.1Abschluss eines MultilateralenEnergiesubventionsabkommens (MESA)

Der WBGU plädiert für die Aufnahme von Verhand-lungen über ein Multilaterales Energiesubventions-abkommen (MESA) zum stufenweisen Abbau derSubventionen für fossile und nukleare Energieträgerund zur Vereinbarung von Regeln für die Subventio-nierung erneuerbarer Energien und effizientererEnergietechnologien. Europäische und internatio-nale Erfahrungen zeigen, dass ein weltweiter Sub-ventionsabbau am besten durch internationale Ver-einbarungen initiiert werden kann. Denn die wenig-sten Länder werden bereit sein, ihre Subventionenim Alleingang zu senken, weil sie internationaleWettbewerbsnachteile besonders für energieinten-sive Unternehmen und den Sektor der Energiebe-reitstellung befürchten.

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196 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Ein Abkommen über Energiesubventionen solltebaldmöglichst von der Staatengemeinschaft verhan-delt werden und spätestens 2008 in Kraft treten. AlsZiel ist anzustreben,• bis 2015 alle Subventionen für fossile Energien

und Kernkraft in Industrie- und Transformations-ländern abzubauen, bis 2030 weltweit;

• bis 2020 die Subventionierung für die Extraktionfossiler Energieträger (Kohleabbau, Ölbohrungenusw.) in Entwicklungsländern abzubauen.

Hierbei könnte der – mittlerweile ausgelaufene –Ampelansatz des Subventionsabkommens der WTOmodifiziert und übernommen werden. Ein MESAkönnte etwa so aussehen: Prinzipiell verboten undsomit „rot“ sind eindeutig nicht nachhaltige, umwelt-schädliche Subventionen wie allgemeine Energie-preissubventionen. Subventionen an die Erzeugerund Anbieter fossil-nuklearer Energie sollten nurdann nicht als „rot“ eingestuft werden, wenn siegezielt auf die Förderung höherer ökologischer Stan-dards (Energieeffizienz, Filter, umweltschonendereÖl-, Kohle-, Gasförderung) abzielen bzw. der höhe-ren Sicherheit existierender Kernkraftwerke dienen.Für bereits bestehende „rote“ Subventionen solltenZeitpläne für ihren stufenweisen Abbau oder zumin-dest für ihre Umstrukturierung nach Nachhaltig-keitskriterien vereinbart werden. Neue „rote“ Sub-ventionen wären zu verbieten. Zudem wäre ein mitder „Weltenergiecharta“ kompatibler Katalog nichtanfechtbarer, sog. „grüner“ Subventionen auszuar-beiten. Zu den „grünen“ Subventionen könnten zumBeispiel zählen:• Subventionen bzw. Steuererleichterungen für

erneuerbare Energien zum Ausgleich noch nichtinternalisierter Kosten fossiler/nuklearer Ener-gien (einschl. Einspeisevergütungen);

• Forschungssubventionen im Bereich erneuerba-rer Energien und Effizienzsteigerung bis zu einembestimmten Prozentsatz der gesamten For-schungsausgaben;

• Subventionen für die Elektrifizierung armerHaushalte bzw. im ländlichen Raum in Entwick-lungsländern;

• Subventionen für die Substitution traditionellerBiomasse zu Heiz- und Kochzwecken durch nach-haltig erzeugte Brennstoffe;

• Subvention energieeffizienter Gebäudestruktu-ren, Nutzung solarer Techniken im Gebäudebe-reich;

• soziale Transfers an bedürftige Haushalte („Heiz-und Stromgeld“);

• Quersubventionierung der Strompreise für Haus-halte bis zu einem Umfang, der zur Einhaltung derLeitplanke „bezahlbarer individueller Mindestbe-darf“ notwendig ist.

Energiesubventionen, die weder als „rot“ noch als„grün“ klassifiziert sind, wären grundsätzlichanfechtbar. Diese sog. „gelben“ Subventionen kön-nen von anderen Vertragsparteien entweder für ihreInkompatibilität mit den Zielen der „Weltenergie-charta“ oder für die Verletzung der in der WTO(GATT und Subventionsübereinkommen) bereitsverankerten Prinzipien hinterfragt werden.

In den Entwicklungsländern ist auch auf längereZeit ein Ausbau der Nutzung fossiler Energienunumgänglich, um einen wirtschaftlichen und sozia-len Aufschwung zu erreichen. Um dieser besonderenAusgangslage Rechnung zu tragen, könnte ihneneine Vorzugsbehandlung eingeräumt werden. Dashieße etwa, dass für diese Länder über einen gewis-sen Zeitraum weniger strenge Kriterien an die Sub-ventionierung fossiler Energien angelegt werden, alsoben im Zusammenhang mit „roten“ Subventionenvorgeschlagen.

Institutionelle Verankerung von MESAInstitutionell könnte das MESA als eigenständigesAbkommen eingerichtet oder in eine bereits existie-rende Institution integriert werden. Grundsätzlichhält der Beirat eine Institutionalisierung unter demDach einer International Sustainable Energy Agency(ISEA) für empfehlenswert (Kap. 5.3.2.3). Umjedoch den Einstieg in den weltweiten Subventions-abbau nicht unnötig zu verzögern, bezieht der Beiratbereits existierende Institutionen in seine Überle-gungen ein: Hier käme grundsätzlich eine Anbin-dung an eine internationale Energie-, Wirtschafts-oder Umweltorganisation in Frage – z. B. die Ener-giecharta, die WTO oder das UNEP. Gegen eineInstitutionalisierung des MESA im Kontext derEnergie Charta spricht zum jetzigen Zeitpunkt diegeringe Vertragsstaatenzahl dieser Charta, die ihrden Charakter eines eher regionalen Abkommensverleiht, und ihre geringe Bedeutung.

Die Verortung des MESA in das WTO-Regelwerkhätte demgegenüber den entscheidenden Vorteil,dass nahezu alle Staaten erfasst würden. Außerdemist die WTO eine vergleichsweise effektive Organisa-tion, die über hinreichende Erfahrungen mit Subven-tionsvereinbarungen und die erforderlichen Mecha-nismen verfügt, etwa die Streitschlichtung. DasSekretariat der WTO sieht in der vollständigen Auf-nahme des Energiesektors in das GATT und GATSund damit auch in der Anwendung des GATT-Sub-ventionsabkommens eine Win-win-Strategie fürwirtschaftliche Effizienz und Umweltschutz. Aller-dings ist der Beirat der Auffassung, dass zumindestkurzfristig nicht alle Segmente des Energiemarktsvollständig den WTO-Regeln unterworfen werdensollten. Außerdem legt das Subventionsabkommender WTO überwiegend andere Maßstäbe an, als es

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197Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

die Ziele des MESA erfordern. Daher dürfte eineIntegration des Energiesektors in das Subventions-abkommen der WTO nur zu einem teilweisen Abbauumweltschädlicher Subventionen führen, währendnicht ausgeschlossen werden kann, dass umweltpoli-tisch sinnvolle Subventionen angefochten werden.Schließlich bildet die nahezu erreichte Universalitätdes WTO-Subventionsabkommens auch ein Hemm-nis für die politische Durchsetzung eines MESA. Esdürfte vielversprechender sein, ein internationalesEnergiesubventionsabkommen mit einer kleinerenLändergruppe zu beginnen, was Spielraum für unter-schiedliche Zugeständnisse der einzelnen Länderschafft, und auf eine Erweiterung des Mitgliederkrei-ses hinzuarbeiten. Dies und die Besonderheiten desEnergiesektors sprechen eher für ein Energiesub-ventionsprotokoll unter dem Dach der WTO, ähnlichwie es unter dem GATS-Regime Protokolle für ein-zelne Dienstleistungsbereiche gibt.

Alternativ könnten die OECD-Staaten mit einemAbkommen vorangehen, zumal die OECD-Umwelt-minister ohnehin schon vereinbart haben, umwelt-schädliche Subventionen abzubauen. Dafür sprichtzudem die in der IEA angesammelte Fachkompe-tenz. Der Beitritt sollte dann auch für Nicht-OECD-Staaten offen sein, um das MESA langfristig in einglobales Abkommen zu überführen.

Eine Anbindung des MESA an UNEP oder seineIntegration in ein multilaterales Umweltschutzab-kommen, etwa in das Klimaschutzregime, trägt derprimär umweltpolitischen, aber auch entwicklungs-politischen Stoßrichtung des Instruments zweifellosbesser Rechnung als eine Anbindung an die WTO,vor deren Überfrachtung mit nicht handelspoliti-schen Themen ohnehin zu warnen ist. UNEP verfügtjedoch bisher nicht über die erforderlichen Kapazitä-ten und Durchsetzungsmechanismen. Das Klima-schutzregime stellt durchaus eine interessante Alter-native dar – es muss seine Durchsetzungs- und Funk-tionsfähigkeit in den kommenden Jahren allerdingsnoch beweisen.

Auf der Basis dieser Überlegungen empfiehlt derBeirat, das Konzept des MESA parallel in die inter-nationalen Klimaschutzverhandlungen und dieOECD einzubringen. Langfristig wäre eine Einbin-dung in die vom WBGU empfohlene ISEA (Interna-tional Sustainability Energy Agency) anzustreben.Alles in allem besteht aber noch erheblicher Diskus-sions- und Forschungsbedarf über die konkrete Aus-gestaltung eines MESA und den Ort seiner Institu-tionalisierung (Kap. 6.2).

5.3.5.2Transformationsmaßnahmen im Rahmen vonGATT/WTO

Zum jetzigen Zeitpunkt fällt der Energiesektor nurpartiell unter die Bestimmungen der Welthandelsor-ganisation (WTO). Je stärker Energiegüter in dasGATT integriert werden, umso relevanter wird dieFrage nach der Vereinbarkeit von WTO-Vereinba-rungen und Maßnahmen zur Transformation derEnergiesysteme. Dies gilt auch, wenn weit reichendeLiberalisierungszugeständnisse für den Strom- undGassektor oder energienahe Dienstleistungen imRahmen der GATS-Verhandlungen erzielt würden.Zum jetzigen Zeitpunkt beschränken sich die Rei-bungspunkte zwischen energiepolitischen Maßnah-men der Transformation und der Welthandelsord-nung auf einige wenige.

Beispielsweise können die vom Beirat als energie-politisch sinnvoll erachteten Subventionen fürumweltschonende Energietechnologien grundsätz-lich in Konflikt mit dem Subventionsübereinkom-men der WTO geraten. Dies wäre etwa denkbar,wenn die direkte Subventionierung von Energietech-nologien zu spürbaren Wettbewerbsnachteilen ver-wandter Branchen in anderen Ländern führt. DasGATT erlaubt zwar explizit Maßnahmen zum Schutzder Umwelt (GATT Art. XXb), es müssen aber Maß-nahmen sein, die den Handel möglichst wenig ver-zerren. Branchensubventionen erfüllen dieses Krite-rium oft nicht. Dennoch leitet der Beirat aus diesembisher hypothetischen Streitfall keinen dringendenReformbedarf für das GATT ab. Sollte ein derartigerStreitfall tatsächlich eintreten und nicht durch einMESA (Kap. 5.3.5.1) oder ein anderes Energieab-kommen mit Vorrang gegenüber GATT/WTO imVoraus abgewendet werden, lässt sich immer nochentscheiden, ob etwaige Ausgleichszölle des Aus-lands vom subventionierenden Land hingenommenwerden oder auf eine Ausnahmebestimmung im Sub-ventionsübereinkommen gedrängt wird.

Ein weiteres Konfliktpotenzial zwischen energie-politischen Maßnahmen und GATT/WTO könnteaus den leitenden Prinzipien der herrschenden Welt-handelsordnung erwachsen: dem Gebot der Gleich-behandlung in- und ausländischer Produkte sowieder Meistbegünstigungsklausel. Bei ihrer prakti-schen Umsetzung kommt der Frage, welche Güterkonkret gleich behandelt werden müssen und somitdem Begriff der „gleichartigen Waren“ (GATT Art.III 2) zentrale Bedeutung zu. Eine Ungleichbehand-lung gleichartiger importierter Waren aufgrund ihresmittelbaren Energiegehalts oder der Art, wie die zuihrer Produktion benötigte Energie bereit gestelltwurde, dürfte sich mit den Kernprinzipien der Welt-handelsordnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ver-

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198 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

einbaren lassen. Daher wird befürchtet, dass dienationale Förderung nachhaltiger Energiesystemefür zahlreiche einheimische Unternehmen zu Wett-bewerbsnachteilen auf Inlands- und Weltmärktenführt. Dies erhöht zum einen die Anpassungskostenund mindert die Akzeptanz der Transformationsan-strengungen. Zum anderen wird die globale ökologi-sche Wirksamkeit der Förderung nachhaltiger Ener-gieformen gemindert, da sich andere Länder ver-stärkt auf die im Inland verteuerten Produkte spezi-alisieren werden. Viele Länder sehen wegen derbefürchteten Wettbewerbsnachteile Energiesteuer-befreiungen für energieintensive Branchen vor. Diesist im Wesentlichen GATT-konform. Der Beiratweist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass Steuer-

befreiungen für energieintensive Sektoren kein weg-weisendes Instrument zur Etablierung nachhaltigerEnergiesysteme sind.

Alternativ können Grenzausgleichsabgaben ein-gesetzt werden, um einen gewissen Ausgleich fürabgabenpolitisch bedingte Kostennachteile inländi-scher Unternehmen herbeizuführen. Das WTO-Regelwerk erlaubt, dass Importgüter mit sämtlichenProduktsteuern, die im Land gelten, belastet bzw.Exportgüter entlastet werden dürfen. Es ist aber ausGründen der ökologischen Effektivität und Prakti-kabilität häufig notwendig, abgabenpolitisch nichtam Endprodukt anzusetzen, sondern unmittelbardort, wo die Umweltbelastung entsteht. Somit stelltsich die Frage, ob Grenzausgleichsmaßnahmen auch

Kasten 5.3-2

Vereinbarkeit des Kioto-Protokolls mit demWTO-Regelwerk

Die Vereinbarkeit der flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls mit grundlegenden Verpflichtungen aus demWTO-Regelwerk wird zunehmend problematisiert. DerBeirat ist aber der Auffassung, dass durch eine entspre-chende Ausgestaltung der Instrumente des Kioto-Proto-kolls und durch die Weiterentwicklung und Interpretationdes WTO-Regelwerks sowohl der Ansatz des Kioto-Proto-kolls als auch die maßgeblichen Prinzipien der WTOgewährleistet sind.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich nach Auf-fassung des Beirats bei den verschiedenen handel- undübertragbaren Emissionsreduzierungseinheiten nicht umWaren oder Dienstleistungen im Sinn von GATT bzw.GATS handelt. Emissionsreduzierungseinheiten werdenerst durch gesetzgeberische Maßnahmen oder die im Rah-men des Kioto-Protokolls geschaffenen Institutionen wirk-sam und gleichen deshalb einer gesetzlichen Genehmi-gung, die grundsätzlich weder von GATT noch von GATSerfasst wird. Etwas anderes gilt jedoch für Dienstleistun-gen, die beim Handel mit Emissionsreduzierungseinheitenoder im Rahmen des Verfahrens zur Zertifizierungerbracht werden. Diese werden grundsätzlich vom GATS-Abkommen erfasst. Aber selbst dann, wenn sich ein WTO-Mitglied verpflichtet,Anbieter derartiger Dienstleistungenanderer WTO-Mitglieder gleich zu behandeln (Art. IIGATS) und alle relevanten Regeln vor ihrem In-Kraft-Tre-ten zu veröffentlichen (Art. III GATS), werden die Ver-pflichtungen durch das Kioto-Protokoll nicht berührt.

Ein anderer Konfliktpunkt sind die Einschränkungenaus dem Subventionsabkommen zu GATT. Während dasDienstleistungsabkommen bisher keine konkreten Sub-ventionsbeschränkungen enthält, fallen grundsätzlichsämtliche finanziellen Transfers und Abgabenverzichteunter das GATT-Subventionsabkommen. Subventionensind demnach grundsätzlich verboten, wenn sie nur einembestimmten Wirtschaftszweig oder Unternehmen zugäng-lich sind („Spezifität“) und sie zu einer ernsthaften Schädi-gung der Interessen eines anderen Mitgliedsstaaten führen(Art. 5 Subventionsabkommen).

Im Rahmen des Emissionsrechtehandels stellt sichdamit die Frage, ob alle denkbaren Verfahren bei der Erst-

verteilung von Emissionsrechten (freie Verteilung, Verstei-gerung) mit dem Subventionsabkommen zu vereinbarensind. Die Entscheidung über die Erstallokation trägt starkeregulatorische Züge und ist eher mit der Festlegung vonEmissionsstandards oder einer Besteuerung als mit derGewährung von Subventionen zu vergleichen. Eine Unver-einbarkeit mit dem Subventionsabkommen ist deshalbnach Auffassung des Beirats nicht gegeben.

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob die staatli-che Förderung von Clean-Development-Mechanism-Pro-jekten (CDM) im Einzelfall als nicht GATT-konformeSubvention angesehen werden kann. Dabei ist zunächstfestzustellen, dass die finanziellen Transfers von Industrie-ländern oder internationalen Institutionen bei der Ent-wicklung entsprechender Projekte in Entwicklungsländerngrundsätzlich als Entwicklungshilfe und nicht als Subven-tion im Sinn des GATT oder eines künftigen GATS-Sub-ventionsabkommens anzusehen ist. Probleme können aberdann entstehen, wenn das Gastland der CDM-Projektederen Entwicklung finanziell unterstützt, um zusätzlicheAnreize für umweltfreundliche Auslandsinvestitionen zuschaffen. Zwar findet das GATS-Abkommen nach Auffas-sung des Beirats auf Emissionsreduzierungen im Rahmenvon CDM-Projekten keine Anwendung, die im Rahmenvon CDM-Projekten produzierten Güter und Dienstleis-tungen würden jedoch ebenfalls von entsprechenden Sub-ventionen profitieren und könnten deshalb zu einer Verlet-zung des GATT-Subventionsabkommens führen. Die Ver-einbarkeit mit dem WTO-Regelwerk hängt damit zunächstvon der nationalen Ausgestaltung der CDM-Regeln ab undkann sichergestellt werden, indem entsprechende Subven-tionen nicht nur für bestimmte Sektoren bereitgestellt wer-den.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass nur geringe Rei-bungspunkte zwischen dem Kioto-Protokoll und demWTO-Regelwerk existieren. Zur Vermeidung von Konflik-ten sollte bei der Ausgestaltung der Kioto-Mechanismenauch weiterhin – insbesondere auf nationaler Ebene – dar-auf geachtet werden, dass die notwendige Transparenzgewährleistet bleibt, wichtige Entscheidungen nach Mög-lichkeit im Konsens getroffen werden und mögliche Strei-tigkeiten im Rahmen eines Streitschlichtungsverfahrensinnerhalb des Kioto-Protokolls ausgetragen werden kön-nen.

Quellen: Werksmann, 2001; Petsonk, 1999; Wiser, 1999

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199Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

dann WTO-konform sind, wenn das inländischeEndprodukt lediglich indirekt durch nationaleUmweltabgaben belastet wird. Dies können Emis-sionsabgaben, z. B. eine CO2-Steuer oder Betriebs-mittelabgaben, z. B. eine Brennstoffabgabe, sein. DerWTO-Ausschuss „Handel und Umwelt“ hat sichzwar mit Grenzausgleichsabgaben zur Kompensa-tion nationaler Umweltabgaben befasst, aber bisherohne weiterführende Ergebnisse. Alles in allem istdie GATT-Konformität des Ausgleichs von Emis-sionsabgaben bei der Wareneinfuhr höchst umstrit-ten, beim Export wird er mehrheitlich als unverein-bar mit dem GATT eingestuft (Greiner et al., 2001).Grenzabgaben zum Ausgleich der Belastung durchinländische Betriebsmittelabgaben („input taxes“)werden hingegen als vereinbar mit dem GATT ein-gestuft (Jenzen, 1998). In diese Richtung deutendiverse Entscheidungen des WTO-Streitschlich-tungsorgans. Der Beirat empfiehlt der Bundesregie-rung, innerhalb der WTO die Zulässigkeit vonGrenzausgleichsmaßnahmen für CO2-, Brennstoff-und andere Umweltabgaben zu klären und darauf zudrängen, dass pragmatische und vor allem transpa-rente Lösungen zur Vermeidung einer Ungleichbe-handlung verschiedener Abgabenformen undUmweltschutzinstrumente entwickelt werden.

Ebenso wie gelegentlich erörtert wird, ob dasKioto-Regime handelbarer Emissionsrechte mit denWTO-Prinzipien vereinbar ist (Kasten 5.3-2), ließesich über die WTO-Konformität des vom Beiratempfohlenen internationalen Handels mit GreenEnergy Certificates diskutieren. Jedoch stellen dieseZertifikate für grünen Strom oder Wärme, die zurDeckung staatlicher Quoten für erneuerbare Ener-gien eingesetzt werden können, nach Auffassung desBeirats keine Waren oder Dienstleistungen im Sinndes GATT bzw. GATS dar. Sollte ein globales Systemhandelbarer Green Energy Certificates implemen-tiert werden, empfiehlt der Beirat hier ebenso wiebeim Emissionsrechtehandel des Kioto-Protokollsein eigenes Handelsregime.

5.3.5.3Präferenzielle Abkommen im Energiesektor

Durch präferenzielle Abkommen kann im Rahmender WTO vom Grundsatz der Meistbegünstigungabgewichen werden. Die wichtigsten Arten präferen-zieller Abkommen sind Zollunionen mit gemeinsa-mer Außenhandelspolitik (z. B. EU), Freihandelsab-kommen (z. B. NAFTA) und Präferenzsysteme mitbesonders niedrigen Zöllen oder anderen Handels-vorteilen für Einfuhren aus Entwicklungsländern.

Während einzelstaatliche Präferenzsysteme auf-grund der allgemeinen Reduzierung des Zollniveaus

de facto an Bedeutung verloren haben, steigen Zahlund Bedeutung regionaler Handelszusammen-schlüsse weiter an. Dabei müssen Zollunionen undFreihandelszonen sowohl für Waren als auch fürDienstleistungen drei Voraussetzungen erfüllen, umim Rahmen der WTO Anerkennung zu finden: Zoll-union und Freihandelsabkommen müssen grundsätz-lich den Hauptteil des Handels mit Waren undDienstleistungen untereinander erfassen, wobei ein-zelne Sektoren nicht ausgeklammert werden dürfen.Im sachlichen Geltungsbereich des Abkommensmüssen alle Zölle und mengenmäßigen Beschrän-kungen innerhalb von 10 Jahren schrittweise abge-schafft werden und die innere Liberalisierung imRahmen einer Zollunion oder Freihandelszone darfnicht durch neue und zusätzliche Hemmnisse zueiner Erschwerung des Marktzugangs für Produkteaus anderen WTO-Mitgliedsstaaten führen (Cottierund Evtimov, 2000).

Im Energiesektor sind präferenzielle Abkommeninsbesondere deshalb von Interesse, weil sie sowohlbei Waren als auch bei Dienstleistungen eine Libera-lisierung erlauben, die über die im Rahmen der WTOerzielten Vereinbarungen hinausgeht. Damit ergibtsich insbesondere für Entwicklungsländer die Mög-lichkeit, ihren Energiesektor zunächst innerhalbexistierender regionaler Handelszonen zu öffnen,ohne sich dem direkten Wettbewerb mit Produzen-ten und Dienstleistern aus Industrieländern stellenzu müssen. Der Beirat empfiehlt der Bundesregie-rung, solche regional begrenzten Liberalisierungsbe-mühungen zwischen Entwicklungsländern durchentsprechenden Kapazitätsaufbau zu unterstützen.

5.3.5.4Technologietransfer und das TRIPS-Abkommen

Die internationale Diffusion ressourcenschonenderTechnologien ist ein wesentliches Element der Ener-giewende zur Nachhaltigkeit. Dazu zählt auch derTechnologie- und Wissenstransfer von Nord nachSüd. Dieser Transfer wird durch das Abkommenüber handelsbezogene Aspekte der Rechte des gei-stigen Eigentums (TRIPS) beeinflusst. TRIPS ver-pflichtet alle WTO-Mitglieder zu relativ hohen Min-deststandards zum Schutz geistiger Eigentum-srechte. Während Industrieländer die Standards bis1996 umsetzen mussten, gilt für Entwicklungsländereine Übergangsfrist bis 2000 (bzw. bis 2005 für Stoff-patente) und für die am wenigsten entwickelten Län-der bis 2010 und später. Für Industriestaaten bedeu-ten die TRIPS-Bestimmungen vergleichsweisegeringe Änderungen ihres Immaterialgüterrechts;für viele Entwicklungsländer ergibt sich hingegenerheblicher Reformbedarf.TRIPS regelt unter ande-

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200 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

rem den Schutz technischer Erfindungen (Patente)und wirkt sich somit auf den internationalen Techno-logietransfer aus.

Die Umsetzung von TRIPS hat einerseits denTransfer patentierter Technologien in die Entwick-lungsländer erschwert, weil die Kosten durch Lizenz-gebühren steigen und Lizenzverhandlungen geführtwerden müssen, für die vielen Unternehmen in Ent-wicklungsländern weder die Ressourcen noch dasWissen besitzen. Außerdem besteht die Gefahr, dassder Technologietransfer bei sehr restriktiver Lizenz-politik des Patentinhabers unterbleibt (Enquete-Kommission, 2002).

Andererseits weisen empirische Studien daraufhin, dass Länder mit hohem Patentschutz meist mehrausländische Investoren anziehen als andere Länder(Maskus, 2000), so dass die Einführung westlicherPatentstandards unter anderem auch den Transfervon Umweltschutztechnologien fördern dürfte. Dar-über hinaus regt ein wirksamer Patentschutz in Ent-wicklungsländern die Unternehmen sowohl imSüden als auch im Norden zu Forschung und Ent-wicklung von Energietechnologien an, die speziellauf die Bedürfnisse dieser Länder zugeschnittensind.Voraussetzung ist allerdings, dass eine kaufkräf-tige Nachfrage für die – nunmehr weltweit patentier-baren – Innovationen existiert. Dies ist jedoch vorallem in den ärmsten Entwicklungsländern seltender Fall.

Alles in allem sind die Wirkungen von TRIPS aufden Transfer ressourcenschonender Energietechno-logien zwiespältig. Daher empfiehlt der Beirat einezweigleisige Politik zur Steigerung der positivenEffekte bzw. zur Reduzierung der negativen Wirkun-gen. Dazu zählt die Schulung von Institutionen undUnternehmen in Fragen des Patent- und Lizenzwe-sens im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.Außerdem sieht der Beirat Forschungsbedarf darü-ber, welche internationalen Mechanismen geeignetsind, das Anreizpotenzial des Patentschutzes fürInnovationen, die speziell für Entwicklungsländerrelevant sind, zu steigern und zugleich zur Innova-tionsdiffusion beizutragen. Zu denken wäre hierbeiz. B. an eine Subventionierung des Erwerbs vonPatenten und Lizenzen für ressourcenschonendeEnergietechnologien durch Unternehmen in Ent-wicklungsländern, wobei Kriterien und Umfang derSubventionierung den Innovatoren im Voraus inetwa bekannt sein müssen. In eine ähnliche Richtungzielt der Vorschlag eines internationalen Patentfonds(Enquete-Kommission, 2002), der selbst Patenteoder Lizenzen erwirbt, um Lizenzen zu subventio-nierten Preisen und nach vereinbarten Kriterien anUnternehmen oder Institutionen in Entwicklungs-ländern zu vergeben. Solche Maßnahmen stünden imEinklang mit der Zusage der Industrieländer,

Anreize für Unternehmen und Institutionen vorzu-sehen, um den Technologietransfer in die am wenig-sten entwickelten Länder zu fördern und zu unter-stützen (TRIPS Art. 66(2)).

Maßnahmen, die in die Rechte der Patentinhabereingreifen, können demgegenüber Konflikte mit denTRIPS-Bestimmungen hervorrufen. Dies giltbesonders für Zwangslizenzen und den Entzug vonPatenten. TRIPS Art. 27(2) räumt die Möglichkeitein, Erfindungen von der Patentierbarkeit auszu-schließen, wenn die „Verhinderung ihrer gewerb-lichen Verwertung innerhalb ihres Hoheitsgebiets ...zur Vermeidung einer ernsten Schädigung derUmwelt notwendig ist ...“. Außerdem sind Zwangsli-zenzen zulässig, wenn der Patentinhaber Lizenzenverweigert oder wettbewerbswidrige Lizenzierungs-praktiken anwendet (TRIPS Art. 31 u. 40). Schließ-lich dürfen WTO-Mitglieder Maßnahmen ergreifen,die „zum Schutz der öffentlichen Gesundheit undErnährung sowie zur Förderung des öffentlichenInteresses in den für ihre sozioökonomische undtechnische Entwicklung lebenswichtigen Sektorennotwendig sind; jedoch müssen diese Maßnahmenmit diesem Übereinkommen vereinbar sein.“(TRIPS Art. 8(1)). Die Dehnbarkeit dieser Ausnah-mebestimmungen ist umstritten, so dass Streit-schlichtungsverfahren notwendig sein werden, bevorder Spielraum für umweltpolitisch motivierteBeschränkungen des Patentschutzes eingeschätztwerden kann.

Der Beirat erkennt zum jetzigen Zeitpunkt kei-nen Reformbedarf des TRIPS, der sich aus dem Zielergeben könnte, die Energiesysteme weltweit zutransformieren. Er weist aber darauf hin, dass wett-bewerbswidriges Verhalten von Patentinhabern eineBarriere für die Verbreitung nachhaltiger (Energie-)Technologien darstellen kann, zu deren Überwin-dung Art. 31 u. 40 des TRIPS-Abkommens unzurei-chend erscheinen. Unter anderem deshalb empfiehltder Beirat, dass sich die Bundesregierung weiterhinfür eine Internationalisierung und schließlich Globa-lisierung wettbewerbsrechtlicher Kernprinzipieneinsetzt.

5.3.5.5Liberalisierung des Weltmarkts für Energiegüter?

Mobile Primärenergieträger (insbesondereÖl und Kohle)Effizienz- und damit Wohlfahrtsgewinne sprechenzwar für eine vollständige Integration von Öl undKohle in das WTO-Regelwerk, spezifische Interessender Export- und Importländer stehen dem aber ent-gegen. Die großen Erdölexporteure kontrollierenderzeit den Preis u. a. über Ausfuhrmengenbeschrän-

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201Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

kungen. Dies ist mit dem GATT nur bedingt verein-bar. Importnationen haben zwar naturgemäß Inter-esse an niedrigeren Ölpreisen, die aus der Welt-marktliberalisierung resultieren würden. Sie verfol-gen andererseits aber eine Förderung einheimischerfossiler Energien und damit eine Benachteilung vonImporten, um die Importabhängigkeit zu senken.

Leitungsgebundene Energie (insbesondereGas und Elektrizität)Die weltweite Liberalisierung des internationalenAustausches leitungsgebundener Energien stößtzunächst vor allem an technische Umsetzungspro-bleme. Zum einen gibt es kein globales Netz fürStrom oder Gas, sondern lediglich regionale Ver-bünde. Zum anderen sprechen Transportverlustegegen einen regen internationalen Handel, auchwenn sie in absehbarer Zukunft durch effizientereTechnologien der Hochspannungsgleichstromüber-tragung oder gar Wasserstoffpipelines abnehmenwerden (Kap. 3.4). Doch nicht nur der Transport,auch der Transit bereitet Schwierigkeiten: Stromlei-tungen und ganz besonders Gaspipelines befindensich im Besitz privater oder staatlicher Monopole,die Monopolpreise für die Durchleitung fordern undeigenen bzw. nationalstaatlichen Interessen Vorrangvor Freihandelsprinzipien und den Interessen derIm- und Exporteure einräumen. Daher erstaunt esnicht, dass die Liberalisierung des Energiehandels imRahmen des Energie-Charta-Vertrags bisher vorallem an der Frage scheiterte, zu welchen Konditio-nen Russland seine Pipelines zur Verfügung stellt.Der unterschiedliche Liberalisierungsgrad der Ener-giebinnenmärkte spricht außerdem gegen einezügige außenwirtschaftliche Öffnung dieser Märkte.

Schließlich besteht zum jetzigen Zeitpunkt dieGefahr, dass die Unterwerfung des Stromhandelsunter die GATT-Regeln den nationalen umweltpoli-tischen Spielraum spürbar einschränken würde.Während Kohle, Erdöl und Gas trotz ihrer gegensei-tigen Substituierbarkeit nach mehrheitlicher Auffas-sung nicht gleichartig sind, wäre Strom unter demBlickwinkel der WTO gleich Strom. Würden Stro-mimporte ungleich behandelt oder gegenüber ein-heimischen Energien schlechter gestellt, verstießedies gegen die Kernprinzipien des GATT. Dieswürde es erschweren, „grünen Strom“ gegenüberanderem Strom abgaben- oder auflagenpolitisch zubevorteilen. Es ist umstritten, inwieweit der Ausnah-meartikel XX b,g GATT (Schutz der Umwelt bzw.erschöpfbarer Ressourcen) eine Ungleichbehand-lung von Strom aus erneuerbaren Energien undanderen Quellen ermöglichen würde.

Jüngere umweltschutzrelevante Streitschlich-tungsverfahren der WTO deuten allerdings daraufhin, dass das Berufungsorgan des WTO-Streitschlich-

tungsmechanismus eine Ungleichbehandlung vonGütern zumindest dann nicht per se als GATT-inkonform einstuft, wenn einzelne Herstellungsver-fahren erhebliche grenzüberschreitende Umweltbe-lastungen verursachen. Außerdem werden umwelt-politisch motivierte Handelsbeschränkungen umsoeher akzeptiert, je stärker sie auf ein multilateralesUmweltschutzabkommen rekurrieren (WBGU,2001a). Sollte es bei der weiteren Öffnung der Ener-gieversorgungsmärkte – zum Beispiel zwischen Ver-tragsparteien des Energie-Charta-Vertrags – tatsäch-lich zum Dissens über die handelspolitische Besser-stellung von „grünem“ gegenüber anderem Stromkommen, stünden die Chancen somit gut, dass dieBevorzugung von einem Streitschlichtungspanel mitVerweis auf das Klimaschutzprotokoll bzw. auf eine„Weltenergiecharta“ als vereinbar mit den WTO-Bestimmungen eingestuft würde.

Bei den aktuellen WTO-Verhandlungen stehtohnehin nicht die vollständige Integration von Stromins GATT zur Diskussion, denn nur wenige WTO-Mitglieder stufen Strom als Ware ein (WTO, 1998).Vielmehr ist allenfalls die Einbeziehung ins GATS(Abkommen über Dienstleistungshandel) imGespräch. Das System der GATS-Verhandlungen istvergleichsweise kompliziert und beruht darauf, dassjedes Mitglied die Sektoren, für die es Marktzuganggewähren möchte, auswählt und detaillierte Zuge-ständnisse macht. Dabei geht es angesichts derbeschränkten Transportfähigkeit vieler Dienstleis-tungen vor allem um die Niederlassungsfreiheit fürausländische Anbieter und ihre Gleichbehandlunggegenüber Inländern.

Ob Länder Zugeständnisse im Stromsektormachen werden, wird wesentlich davon abhängen, obder Energiesektor als eigenständiger Bereich klassi-fiziert und damit der Weg für ein GATS-Unterab-kommen bzw. Protokoll geebnet wird. Bisher habenacht Länder(gruppen) Vorschläge für Verhandlun-gen gemacht (USA, EU, Kanada, Norwegen, Vene-zuela, Chile, Japan und Kuba). Während Konsens zubestehen scheint, dass energienahe „Non-core servi-ces“ (WTO, 2001) – z. B. Consulting-, Ingenieurs-,Bau- und Wartungsleistungen – Gegenstand der Ver-handlungen sein sollen, bestehen hinsichtlich derenergienahen „Core services“ (Transmission, Distri-bution, Handel) deutliche Vorbehalte.Völlig offen istzum jetzigen Zeitpunkt, ob in absehbarer Zeit überden Zugang ausländischer Energieanbieter zu ein-heimischen Ressourcen (insbesondere Öl, Kohle,Gas) oder die Niederlassungsfreiheit von Energie-versorgern/-erzeugern im GATS verhandelt wird.Prinzipiell steht außer Frage, dass der Einsatz erneu-erbarer Energietechnologien langfristig ein nahezuglobales Netz für Strom und vermutlich auch für

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202 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

Wasserstoff benötigt, um effizient funktionieren zukönnen.

Energienahe DienstleistungenDie außenwirtschaftliche Öffnung der nationalenMärkte für energienahe „Non-core“-Dienstleistun-gen birgt volkswirtschaftliche Effizienzvorteile, dadie Zulassung ausländischer Anbieter den Preis- undQualitätswettbewerb im Inland verstärkt undKosteneinsparungen zum Beispiel bei der Konstruk-tion und Wartung von Versorgungsnetzen oder beimAnlagen- und Einsparcontracting verspricht. Aller-dings dürften sich die statischen und dynamischenEffizienzgewinne nur dann gesamtwirtschaftlich vollentfalten, wenn es bei der Liberalisierung der Elek-trizitäts- und Gasmärkte zu einer faktischen Tren-nung von Energieerzeugung und Netzbetriebkommt.

Energiegewinnung und -erzeugungBei der unmittelbaren Energieerzeugung und-gewinnung generiert die außenwirtschaftliche Öff-nung gleichfalls Effizienzgewinne und trägt zurÜberwindung inländischer Kapital- und Technolo-gieknappheit bei, die vor allem in Entwicklungslän-dern eine ernsthafte Transformationsbarriere dar-stellt. Auf der anderen Seite sind diese Sektoren inpolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht vonsolch zentraler strategischer Bedeutung, dass vieleRegierungen von einer Öffnung für ausländischeAnbieter absehen, weil sie fürchten, die nationaleKontrolle über den Energiesektor zu verlieren(UNCTAD, 2001). Diese Gefahr ist umso größer, jekonzentrierter die Energiemärkte sind. Im ungün-stigsten Fall kann die Marktöffnung für ausländischeInvestoren bei unterschiedlichem Liberalisierungs-stand der nationalen Energiemärkte zu Wettbe-werbsvorteilen einiger marktbeherrschenderund/oder staatlich geschützter Unternehmen führen.Verdrängen diese Unternehmen einheimische,grundsätzlich leistungsfähige Anbieter, droht ein glo-bales Oligopol mit nur wenigen Anbietern, das auf-grund der hohen Anfangsinvestitionen im Energie-sektor nur schwierig wieder aufgebrochen werdenkann. Schließlich müsste speziell bei Verhandlungenüber die Öffnung der leitungsgebundenen Energie-versorgung geprüft werden, inwieweit Niederlas-sungsfreiheit vor Ort und diskriminierungsfreierNetzzugang das Recht nach sich zieht, Strom bzw.Gas zu importieren. Dieses Recht würde ähnlicheumweltpolitische Probleme aufwerfen wie eine Inte-gration der „Ware“ Strom ins GATT.

Handlungsempfehlungen zurLiberalisierungDer WBGU empfiehlt der Bundesregierung, in derEU darauf hinzuwirken, dass sich diese für die Fort-setzung der Integration uneingeschränkt mobilerPrimärenergieträger (Erdöl, Kohle) in das GATTeinsetzt. Dem Anliegen der Importunabhängigkeitkann durch die Förderung erneuerbarer Energienund Effizienzsteigerungen besser Rechnung getra-gen werden als durch die Protektion einheimischerKohle- oder Gasförderung. Gleiches empfiehlt derBeirat hinsichtlich der Einbeziehung aller energiena-hen Dienstleistungen in die GATS-Verhandlungen,die zu globalen Wohlfahrtsgewinnen führen können.Der Beirat betont jedoch, dass damit gleichzeitig dieNotwendigkeit verstärkt wird, die Transformationder Energiesysteme zügig voranzutreiben. Andern-falls ist nicht auszuschließen, dass die Liberalisierungmit steigenden externen Kosten verbunden ist, sodass per saldo Wohlfahrtseinbußen eintreten.

Der Beirat ist hingegen sehr skeptisch gegenübervereinzelten Überlegungen, den Handel mit Stromunmittelbar zu liberalisieren und dem GATT-Regel-werk zu unterwerfen. Sollte der Energieversorgungs-sektor umfassend ins GATS integriert werden, istvorsorgend sicherzustellen, dass umweltpolitischnotwendige Handelsbeschränkungen – etwa fürnicht nachhaltige Energien – nicht anfechtbar sind.Sollten weltweit Quoten für erneuerbare Energiensowie gesundheitliche, ökologische und sozioökono-mische Mindeststandards für die Energieerzeugunggelten, kann sich der Beirat hingegen langfristig einevollständige internationale Liberalisierung des Ener-gieversorgungssektors vorstellen. Damit würde dieImplementierung eines globalen Netzes gefördert,wovon unter bestimmten Bedingungen nicht nurökonomische und ökologische Effizienzgewinne,sondern auch Exportchancen für Entwicklungslän-der ausgehen können.

Der Beirat spricht sich für eine zügige Liberalisie-rung des Handels mit Waren und Dienstleistungenim Bereich der erneuerbaren Energien und derEnergieeffizienz aus. Bestrebungen der WTO-Mit-glieder, Zollfreiheit für Umweltschutzprodukte und-technologien einzuräumen, sind besonders für res-sourcenschonende Energietechnologien zu forcie-ren. Angesichts des noch relativ jungen Marktserscheinen in diesen Bereichen die Chancen derLiberalisierung (Marktgrößenvorteile, Wissenstrans-fer, Technologiediffusion) auch und gerade in Ent-wicklungsländern größer als etwaige Risiken. Umder Bedeutung, die diesen Sektoren künftig zukom-men wird, gerecht zu werden, hält der Beirat denAbschluss eines gesonderten Protokolls zum GATT-und GATS-Abkommen für wünschenswert. Dortsollte nach Möglichkeit auch der Zugang erneuerba-

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203Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

rer Energieerzeugungsanlagen zu bestehenden Ver-sorgungsnetzen festgeschrieben werden.

5.3.5.6Rechte und Pflichten für Direktinvestoren

Private Direktinvestitionen spielen vor allem in Ent-wicklungs-, Schwellen- und Transformationsländernbei der Energiewende eine zentrale Rolle (Kap.5.3.3.2).Während der nach wie vor verbesserungsbe-dürftige Schutz von Direktinvestitionen u. a. durchbi- und multilaterale Abkommen durch den Energie-Charta-Vertrag in den vergangenen Jahren deutlichfortgeschritten ist (Waelde et al., 2000), wird die man-gelnde Verpflichtung von Direktinvestoren, sozialeund Umweltstandards einzuhalten, zunehmend alsRegelungslücke angesehen (Esty, 1995; Subedi,1998).

Die Implementierung anspruchsvoller und effek-tiv durchgesetzter Standards für alle Investoren inallen Ländern ist zwar erstrebenswert, dürfte abernur langfristig realisierbar sein. Vorerst sind daherzumindest ausländische Investoren im Gastland zurEinhaltung bestimmter Umwelt- und Sozialstan-dards zu bewegen. Dies kann nach Auffassung desBeirats nur durch einen Maßnahmenmix erreichtwerden. Außer einer Weiterentwicklung desUmweltvölkerrechts und der bereits angesproche-nen Reform der Exportförderung (Kap. 5.2.2.3) sinddabei vor allem folgende Möglichkeiten zu berück-sichtigen:

Auf internationaler Ebene ist insbesondere übereine stärkere Integration umweltpolitischer Belangein die bestehenden Regelwerke der WTO sowie denEnergie-Charta-Vertrag nachzudenken. Nach Auf-fassung des Beirats wäre die Aufnahme umweltrecht-licher Verpflichtungen in wirtschaftsrechtliche Über-einkommen – wie im Energie-Charta-Vertrag ange-dacht – wünschenswert. Dabei sollte es darum gehen,die Einhaltung internationaler Mindeststandardssicherzustellen. Als weiteres Instrument wäre nachVorbild der NAFTA wünschenswert, die Absenkungvon Umweltstandards zur Einwerbung von Investo-ren zu untersagen (Muchlinski, 1998).

Daneben ist eine stärkere Regulierung derDirektinvestoren seitens ihrer Heimatstaaten zuerwägen. Der Beirat befürwortet – nach Möglichkeitim Rahmen einer europäischen Initiative – die räum-liche Ausdehnung des nationalen Haftungsrechtsnach amerikanischem Vorbild. Nach der amerikani-schen Rechtsprechung können auch ausländischeGeschädigte Schadensersatzansprüche vor amerika-nischen Gerichten geltend machen, wenn der nachder Rechtsordnung des Auslands rechtswidrig verur-sachte Schaden durch ein Tochterunternehmen eines

amerikanischen Konzerns verschuldet wurde. ImEnergiebereich hat die amerikanische Rechtspre-chung insbesondere bei Erdölexploration und -trans-port Wirkung gezeigt. Der Haftungsmaßstab für dieFahrlässigkeit des betroffenen Tochterunternehmenssollte sich dabei nach dem Kenntnisstand der Kon-zernmutter richten (Subedi, 1998).

Außerdem unterstützt der Beirat die Entwicklungrechtlich unverbindlicher Verhaltenskodizes für denEnergiesektor. Inhaltlich könnte ein entsprechenderKodex etwa auf Art. 19 des Energie-Charta-Vertragsaufbauen. Auch wenn freiwillige Kodizes durchauszur Unterstützung umwelt- und entwicklungspoliti-scher Ziele beitragen können, bleibt ihre Funktionaber wegen mangelnden Kontroll- und Durchset-zungsmechanismen beschränkt (Dröge und Trabold,2001). Die OECD-Leitsätze für multinationaleUnternehmen aus dem Jahr 2000 halten die Unter-nehmen u. a. dazu an, Umweltmanagementsystemezu entwickeln, den Zugang zu wichtigen Umweltin-formationen zu gewähren, die gesetzlichen Vorgabenim Gastland einzuhalten und die Firmenpolitik striktan dem Vorsorgeprinzip zu orientieren. Die Leitsätzeversuchen die Defizite freiwilliger Kodizes durch einbesonderes Umsetzungsverfahren zu reduzieren,indem nationale Kontaktstellen interessierte Unter-nehmen über den Inhalt der Leitlinien informierenund über den Stand der Umsetzung berichten. Obdie Leitsätze sich damit längerfristig zu einem auchim Energiesektor allgemein anerkannten „Bezugs-rahmen für sozial verantwortliches unternehmeri-sches Verhalten“ (OECD, 2000) entwickeln können,kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteiltwerden.

Darüber hinausgehende Vorschläge zielen auf dieEntwicklung einer eigenständigen, rechtlich verbind-lichen internationalen Konvention zur Unterneh-mensverantwortung (WEED, 2002a, b). Neben Maß-nahmen zur Einhaltung und Förderung von Men-schenrechten und internationalen Arbeitsstandardswird vorgeschlagen, dass eine entsprechende Kon-vention Verpflichtungen zum Schutz der Umweltenthalten sollte. Diskutiert werden zum einen dieStandards, die in den unverbindlichen Richtliniender OECD enthalten sind, und zum anderen weiterreichende Verpflichtungen. Der Beirat hält einigeder Vorschläge für erwägenswert. Er betont jedoch,dass zunächst weiterhin erheblicher Forschungsbe-darf hinsichtlich der politischen und rechtlichen Hin-dernisse, der Praktikabilität und Zielwirksamkeitsowie der ökonomischen und sozialen Neben- undFernwirkungen ihrer Umsetzung besteht, insbeson-dere die extraterritoriale Anwendung des Umwelt-rechts betreffend. Weitere Maßnahmen sind nachAuffassung des Beirats näher zu prüfen:

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204 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

• Verpflichtung zum Einsatz der unter den Bedin-gungen vor Ort besten verfügbaren Technik;

• Verpflichtung zur Einhaltung des nationalenUmweltrechts des Gastlands einschließlich derStandards aus internationalen Umweltüberein-kommen, die vom Gastland ratifiziert wurden;

• Verpflichtung zur Durchführung von Umweltver-träglichkeitsprüfungen nach Maßgabe der Stan-dards der Weltbank einschließlich der Entwick-lung von Umweltmanagementplänen zur Scha-densminimierung;

• Unterstützung des Transfers umweltrelevanterBetriebsverfahren und von Technologien undManagement-Know-how;

• Verpflichtung zur Identifizierung und Analyse derfür die Umweltauswirkungen wichtigsten Stoff-ströme und Lebenszyklusphasen der Produkte;

• Förderung des Umweltbewusstseins der Mitarbei-ter durch deren aktive Einbeziehung bei der Ein-richtung und Umsetzung von Umweltmanage-mentsystemen.

5.3.6Ausstieg aus der Kernenergie

Die zivile Nutzung der Atomenergie hat sich in derVergangenheit als nicht nachhaltig erwiesen:Wieder-aufarbeitung und Endlagerung aber auch Prolifera-tion und Terrorismus bergen erhebliches Gefahren-potenzial. Die mangelnde Wirtschaftlichkeit in libe-ralisierten Energiemärkten und die wachsende Kri-tik der Bevölkerung vieler Länder an den Umwelt-und Gesundheitsrisiken der Kernkraft haben dazugeführt, dass die Zahl der jährlich ans Netz gehendenKernkraftwerke drastisch zurückgegangen ist (Kap.3.2.2). Der WBGU begrüßt diese Entwicklung undbefürwortet, keine neuen Atomkraftwerke mehr zugenehmigen und zu bauen. Dazu empfiehlt der Bei-rat, rasch Verhandlungen über eine internationaleVereinbarung zum Ausstieg aus der zivilen Nutzungder Atomkraft bis 2050 anzustreben. Das Abkom-men soll die Umwandlung der Internationale Atom-energie-Organisation in eine Abwicklungsbehördevorsehen, sowie den Abbau von Subventionen undSonderregelungen für die Nuklearindustrie umfas-sen. Diese verzerren den energiewirtschaftlichenWettbewerb und binden erhebliche finanzielle Mittelim Interesse einer nicht nachhaltigen Industrie, diesomit der Förderung einer nachhaltigen Energiewirt-schaft fehlen (Kap. 5.3.2.3). Der Beirat begrüßt indiesem Zusammenhang die Empfehlung des deut-schen Bundestags, die Förderung der Atomkraftdurch den Euratom-Vertrag auslaufen zu lassen.

Die problematische Doppelverwertbarkeit derNukleartechnologie wird besonders bei der Frage

der Proliferation deutlich. Diese betrifft nicht nur dieReaktoren, sondern die gesamte Kernenergiekette,die von der Gewinnung des Urans, über seineUmwandlung und Nutzung bis hin zur Zwischen-und der angestrebten Endlagerung reicht. Durch„safeguard agreements“ kontrolliert die IAEA dieNichtverbreitungsverpflichtungen des Atomwaffen-sperrvertrags von 1970. Die Entdeckung des heim-lichen Kernwaffenprogramms des Iraks nach demGolfkrieg 1991 oder die Programme Nordkoreashaben jedoch deutlich gemacht, dass diese Kontroll-systeme mangelhaft sind. Durch ein Zusatzprotokollhat die Agentur zwar nun das Recht, auch nichtdeklarierte Kernmateralien und -aktivitäten zuuntersuchen. Dieses Protokoll wurde allerdings erstvon 22 Staaten ratifiziert, von denen nur zwei imNuklearbereich aktiv sind (Froggart, 2002). Die Voll-machten der IAEA reichen nicht aus, da sie dieWeiterverbreitung von Nuklearmaterial erfassen,nicht jedoch verhindern kann.

Internationale Regelungen zur Abwehr vonNuklearterrorismus greifen bisher zu kurz. Die der-zeit einzige Regelung, das IAEA-Abkommen zumphysischen Schutz von Nuklearmaterialien,beschränkt sich auf den Schutz internationaler Trans-porte gegen Diebstahl. Nach den Anschlägen des 11.September 2001 unterstützte die Generalversamm-lung der IAEA zwar 12 neue Schutzprinzipien,wandte sich aber gegen jede Form der verpflichten-den Berichterstattung und internationalen Kon-trolle. Der Beirat empfiehlt daher, bis 2005 schärfereIAEA-Sicherheitsstandards für alle Plutoniumlager-stätten einzusetzen und die Kontroll- und Maßnah-menkompetenz der IAEA bei Sicherheitsbestim-mungen im Bereich Terrorismus und Proliferation zuerweitern.

Für den Normalbetrieb ziviler Kernkraftwerke istproblematisch, dass Sicherheitsniveaus variieren,ohne dass es einen verbindlichen internationalenStandard gibt. Der WBGU rät, bis 2010 die Sicher-heitsstandards international auf anspruchsvollemNiveau zu harmonisieren. Außerdem sollten die Ver-sicherungspflichten bei Kernkraftwerken vollständigdurch die Betreiber getragen und steuerliche Ver-günstigungen abgebaut werden. Anknüpfen könnteman hier an die zwei Entwürfe der EuropäischenKommission für Richtlinienvorschläge vom Novem-ber 2002, die die Sicherheit kerntechnischer Anlagenund die Entsorgung radioaktiven Abfalls betreffen.Die langfristige Lösung für die Lagerung des Atom-mülls bleibt eine der größten Herausforderungen fürdie Kernenergie-Industrie. Derzeit gibt es weltweitnur drei potenzielle Länder mit Standorten für End-lager: Finnland, die USA und Russland. Ob dieseLager je Nuklearabfall aufnehmen können werden,ist kaum vorherzusagen. Daher empfiehlt der Beirat,

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205Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

ab 2010 den Betrieb von Kraftwerken nur nochgegen einen Entsorgungsnachweis zuzulassen, indem der Kraftwerksbetreiber einen reserviertenAufnahmeplatz für den Atommüll in einem beste-henden Endlager nachweisen muss. Dies sollte vonder IAEA geregelt werden.

Die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennele-mente in Sellafield und La Hague setzt weltweit diegrößte vom Menschen verursachte Menge an Radio-aktivität frei (WISE, 2001). Dies führt zu einer Ver-letzung der WBGU-Leitplanke, wonach Risiken imNormalbereich zu halten sind (Kapitel 4.3). Bis 2010sollte daher nach Ansicht des Beirats die Bundesre-gierung bei der EU-Kommission Moratorien für dieBetriebsgenehmigung der Wiederaufbereitungsanla-gen in Sellafield und La Hague anstreben: Die grund-sätzliche Genehmigung der Anlagen nach Artikel 6der Richtlinie 96/29/Euratom sollte ausgesetzt wer-den, solange ihr Betrieb international vereinbarteGrenzwerte überschreitet.Als strategischer Anknüp-fungspunkt kann hier das Übereinkommen zumSchutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks(OSPAR) dienen, das 1998 in Kraft trat und dieReduktion von Schadstoffkonzentrationen im Nord-atlantik auf nahe Null vorschreibt.

5.3.7Entwicklungszusammenarbeit: Energiewendedurch globale Strukturpolitik gestalten

Die Gruppe der Entwicklungsländer ist nach Ansichtdes WBGU zu heterogen, als dass hier mit einerübergreifenden Strategie oder einem Politikansatzeine Energiewende befördert werden könnte. Dahermuss bei der Politikformulierung insbesondere dieGruppe der am wenigsten entwickelten Länder(LLDCs) von den übrigen Entwicklungsländernunterschieden werden. In den ärmsten, meist hoch-verschuldeten Entwicklungsländern gehen Liberali-sierungsansätze für den Energiemarkt oft an derRealität vorbei. Hier ist finanzielle, personelle undtechnische Unterstützung auf allen Ebenen essen-ziell.

Wesentliche Handlungsempfehlungen für dieEntwicklungszusammenarbeit sind bereits in denKapiteln 5.2 und 5.3 enthalten. Hervorgehoben wer-den sollen an dieser Stelle lediglich die auf demWSSD angekündigten strategischen Partnerschaftenzwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Kas-ten 5.3-3). Diese sind nach Ansicht des WBGU zuunterstützen und weiterzuentwickeln.

Ohne förderliche Rahmenbedingungen auf natio-naler und internationaler Ebene und ohne kohärenteSektorpolitiken werden diese Initiativen und Pro-jekte jedoch wenig aussichtsreich sein können. Esmuss also nach Auffassung des WBGU darum gehen,langfristig Strukturen internationaler Politikpro-

Kasten 5.3-3

Auf dem WSSD beschlossene strategischePartnerschaften für die globale Energiewende

Bestehende oder im Aufbau befindliche Initiativen zurFörderung einer globalen Energiewende können einenHandlungsrahmen für die globale Energiepolitik vorge-ben. Der WBGU empfiehlt, dass ab sofort folgende, 2002auf dem WSSD beschlossene internationale Initiativen alsKatalysatoren für die Förderung einer globalen Energie-wende genutzt werden:

„Energy Initiative for Poverty Eradication andSustainable Development“Ziel der EU-Initiative ist es, eine Katalysatorenrolle bei derUmsetzung der Ziele des WSSD und der UN-Millenniums-erklärung zu spielen, sowie als Plattform für die Koordina-tion und kohärente Gestaltung von Energieprojekten mitEntwicklungsländern auf EU-Ebene zu wirken. Mit dieserstrategischen Energiepartnerschaft der EU sollen unterEinbeziehung der Zivilgesellschaft und des PrivatsektorsPartnerschaften für den Zugang zu Energie gefördert wer-den. Die Anlaufphase der Initiative wird voraussichtlich bis

2004 dauern, danach soll mit der Umsetzung begonnenwerden.

„Global Village Energy Partnership“Ziel der Partnerschaftsinitiative ist die Unterstützung desZugangs von Armutsgruppen zu modernen Energiefor-men. Dazu sollen Investmentfonds, förderliche Rahmenbe-dingungen für die Einrichtung ländlicher Energiesystemesowie die Netzwerkbildung wichtiger Akteure gefördertwerden. Die Initiative wird u. a. vom UNDP, zahlreichenRegierungen (darunter Deutschland), der Weltbank, demPrivatsektor getragen und befindet sich in der Vorberei-tungsphase.

„Global Network on Energy for SustainableDevelopment“Das von UNEP initiierte Netzwerk soll dazu dienen, For-schung, Entwicklung und Verbreitung nachhaltiger Ener-giesysteme in Entwicklungsländern zu fördern und ein glo-bales Netzwerk von „Energiezentren“ als Verbindungs-glied zwischen Regierungen und dem Privatsektor aufzu-bauen. Beteiligt sind zahlreiche Regierungen (auchDeutschland), Energieinstitutionen, UN-Agenturen, dieWeltbank und der Privatsektor (Shell Foundation, WorldEnergy Council, UN Foundation). Der Aufbau des Netz-werks befindet sich in der Vorbereitungsphase.

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206 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

zesse so zu ändern, dass sie eine global nachhaltigeEntwicklung unterstützen. In diesem Zusammen-hang sind in jüngster Zeit Veränderungen in der Poli-tik wichtiger internationaler Institutionen zu beob-achten. Dazu zählen z. B. neue Richtlinien für dieEntwicklungspolitik der OECD-Länder oder auchder neue Schwerpunkt der Weltbank auf Armutsbe-kämpfung. Hinzu kommen die Beschlüsse wichtigerVerhandlungsprozesse, insbesondere des Millenni-umgipfels, der WTO-Konferenz in Doha, der Klima-rahmenkonvention, der HIPC-Entschuldungsinitia-tive, der Konferenz über Entwicklungsfinanzierungin Monterrey und die Wiederauffüllung der GEF bis2006. Die Ergebnisse dieser internationalen Politik-prozesse der jüngeren Zeit sind entscheidend für dieerfolgreiche Umsetzung einer nachhaltigen Energie-politik in den Entwicklungsländern und gleichzeitigAnsatzpunkte zur Gestaltung einer globalen Struk-turpolitik.

Die Transformation der Energiesysteme in denEntwicklungsländern macht Eingriffe im Rahmenglobaler Strukturpolitik erforderlich. Dazu müssenzunächst die zentralen „Stellschrauben“ identifiziertwerden. Der WBGU stellt fest, dass• sich eine flächendeckende Energieversorgung

ohne ausreichende Einkommensmöglichkeitenauch bei niedrigen, d. h. subventionierten, Strom-und Energiepreisen, nicht bewerkstelligen lässt.Dazu ist der bereits von der EU angekündigteZugang der LLDCs zu den Märkten der Indus-trieländer („everything but arms“) sowie derzügige Abbau der Agrarsubventionen in der EU,den USA und anderen OECD-Staaten erforder-lich. Besonders problematisch sind die Agrarex-portsubventionen, die das Überleben der Agrar-bevölkerung in den Entwicklungsländern gefähr-den;

• infolge der oft hohen Auslandsverschuldung derEntwicklungsländer diese in der Regel nurgeringe Spielräume für eine Umsetzung einernachhaltigen Energiestrategie haben. Ohne eineweit reichende Entschuldungsinitiative ist dahereine Transformation der Energiesysteme in denLändern des Südens kaum vorstellbar. DerWBGU empfiehlt, dass die Bundesregierung imRahmen der G7/G8 hier die Initiative ergreift;

• die Überwindung der Energiearmut nach Ansichtdes WBGU auch in die Förderpriorität der „sozi-alen Grunddienste“ und in die 20:20-Initiativeaufgenommen werden sollte;

• in der Entwicklungszusammenarbeit der OECD-Länder verstärkt die Prinzipien Kohärenz, Kon-vergenz und Komplementarität beachtet werdensollten. Dazu gilt es, die im April 2001 vom Deve-lopment Assistance Committee (DAC) verab-schiedeten neuen Leitlinien für die Entwicklungs-

zusammenarbeit seiner Mitgliedstaaten umzuset-zen (OECD, 2002). Dabei geht es insbesondereum die Integration der Prinzipien nachhaltigerEntwicklung. In dem Papier wird auf die Gestal-tung des Entwicklungsprozesses durch die Ent-wicklungsländer selbst abgehoben, die Notwen-digkeit zur Integration verschiedener Sektorpoli-tiken betont sowie für eine kohärente Politikge-staltung auch auf Geberseite plädiert. Die neuenDAC-Leitlinien geben auch Hinweise, wie dieEntwicklungszusammenarbeit weiter entwickeltwerden könnte. An erster Stelle steht dabei dieEntwicklung einer langfristigen Energiestrategie.

Eine nachhaltige Energiestrategie sollte sich in diesevorhandenen Strukturen und Programme einpassen.Das Gebot der Kohärenz gilt umso mehr bei Akti-vitäten mehrerer Geber in einem Land. Hier könntedas im Aufbau befindliche Comprehensive Develop-ment Framework (CDF) der Weltbank eine Hilfesein. Mit diesem Instrument wird ein konzeptionellerRahmen angeboten, der alle Geberleistungenzusammenbringt und auf die Entwicklungsstrategiedes Nehmerlandes ausrichtet.

5.3.8Initiierung von Modellprojekten mit weltweiterSignalwirkung

Die Einführung bzw. der Ausbau der erneuerbarenEnergieträger kommt nur schleppend voran. Diesliegt u. a. am hohen anfänglichen Investitionsbedarf,unzureichenden Kenntnissen des technisch Mög-lichen und – insbesondere in den Entwicklungslän-dern – an einer mangelhaften Infrastruktur sowieunsicheren und niedrigen Gewinnerwartungen. DerWBGU empfiehlt daher, einige wenige großskaligeModellprojekte als strategischen Hebel für die glo-bale Energiewende zu nutzen. Von den Modellpro-jekten sollte das weltweite Signal ausgehen, dass eineSteigerung der Energieeffizienz oder eine Versor-gung durch erneuerbare Energieträger in vielenBereichen bereits unter den heutigen technologi-schen, politischen und sozioökonomischen Rahmen-bedingungen langfristig Gewinn bringend realisier-bar ist. Erfolgreiche Vorzeigemodelle würden posi-tive Anreize auf private Investoren ausüben undzudem die politische Durchsetzbarkeit der Energie-wende erleichtern. Alle Modellprojekte solltendurch Forschungsprogramme begleitet werden. DerWBGU schlägt folgende Modellprojekte vor:

Sahara-Strom für EuropaFür das WBGU-Mengengerüst kann für 2050 einwesteuropäischer Energieeinsatz von rund 100 EJpro Jahr abgeschätzt werden, wovon zwei Drittel auf

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207Handlungsempfehlungen für die globale Ebene 5.3

der Basis erneuerbarer Energiequellen bereitgestelltwerden sollen. Diese Energiemenge entspricht etwadem 8fachen des heutigen gesamten Stromver-brauchs der Europäischen Union. Es ist daher sinn-voll, mittelfristig auch die Solar- und WindenergieNordafrikas in die europäische Energieversorgungeinzubeziehen. Der WBGU empfiehlt, eine strategi-sche Energiepartnerschaft zwischen der EU undNordafrika aufzubauen. Für Europa wäre dies nichtnur ein kostengünstiger Weg zu erneuerbarer Ener-gie in für den Klimaschutz relevantem Umfang, son-dern auch ein wichtiger Schritt hin zu einer vertieftenwirtschaftlichen und außenpolitischen Kooperationmit Nordafrika. Für Nordafrika liegt in einer solchenPartnerschaft die Chance, Klimaschutz mit indus-trieller und sozialer Entwicklung zu verbinden. DieEnergiepartnerschaft könnte ein Motor der Ent-wicklung in der Region werden. Zu einer entspre-chenden Strategie zählen drei zentrale Elemente:1. der Bau großer Kraftwerke für erneuerbar herge-

stellten Strom in Nordafrika;2. die Bereitstellung von Übertragungskapazitäten

ins europäische Verbundnetz;3. der Aufbau einer europäischen Anlaufstelle für

die nordafrikanischen Projektpartner und dieeuropäischen Investoren.

Anhand von Modellprojekten könnte die Machbar-keit einer Energieversorgung durch erneuerbareEnergien mit Gegenwartstechnologien demon-striert, Barrieren identifiziert und überwunden sowiedie benötigten Strukturen im Vorfeld privatwirt-schaftlichen Engagements entwickelt werden. UmLerneffekte zu erzeugen und zu nutzen, sollten dieVorhaben eine starke begleitende Forschungskom-ponente enthalten. Der WBGU empfiehlt neben derGründung einer Koordinierungsinstitution auf euro-päischer Ebene die Umsetzung folgender Modell-projekte:• Planung und Ausschreibung von je einem groß-

skaligen photovoltaischen und solarthermischenKraftwerk in Zusammenarbeit mit einem odermehreren nordafrikanischen Ländern;

• Planung und Ausschreibung einer Groß-Wind-farm in Zusammenarbeit mit einem oder mehre-ren nordafrikanischen Ländern;

• Planung und Ausschreibung einer Übertragungs-leitung von Nordafrika nach Europa;

• Die Leistung der solaren und Wind-Stomerzeu-gung sollte an die minimal sinnvolle Übertra-gungskapazität des Stromtransports angepasstwerden. Die Kraftwerke sollten ggf. in Subeinhei-ten unterteilt werden. Eine Verwendung deserzeugten Stromes für lokale Anwendungen istvorzusehen.

Die EU sollte – sofern sie sich wettbewerbsrechtlichdazu in der Lage sieht – das Projektpaket über zeit-

lich befristete Stromabnahmevereinbarungen zugarantierten Preisen wirtschaftlich ausreichendattraktiv gestalten, um private Unternehmungen fürdie Umsetzung zu gewinnen. Wichtig ist es zudem,die politischen und diplomatischen Voraussetzungenfür die strategische Partnerschaft zu schaffen, dieskönnte im Rahmen der derzeit verhandelten Wirt-schaftspartnerschaftsabkommen der EU mit denAKP-Staaten geschehen.

Dezentrale Energieversorgung durchklimaneutrales FlüssiggasIn Entwicklungsländern stellt die traditionelle Nut-zung von Biomasse oft ein erhebliches Problem dar(Gesundheitsschäden durch Rauch, Übernutzungder lokalen Holzvorräte; Kap. 3.2.4.2), das durch dieschrittweise Substitution von Drei-Steine-Herdendurch Flüssiggaskocher entschärft werden könnte.Jedoch ist der großskalige Einsatz von fossilem Flüs-siggas aus Klimaschutzgründen langfristig nicht alsnachhaltig anzusehen. Es besteht allerdings die Mög-lichkeit, diesen Energieträger aus Biomasse zu pro-duzieren: Über die Umwege der Vergasung oder derVergärung/Reformierung lässt sich aus BiomasseSynthesegas (CO/H2) gewinnen, das in längerkettigeKohlenwasserstoffe umgewandelt werden kann. Esließe sich so biogenes Flüssiggas gewinnen. Die ent-sprechenden chemischen Prozesse können durch denEinsatz thermischer Solarenergie unterstützt wer-den. Anknüpfungspunkt für ein solches Projektkönnte die EU-Initiative „Energy Initiative forPoverty Eradication and Sustainable Development“sein. Der WBGU empfiehlt • im Rahmen der deutschen Entwicklungszusam-

menarbeit die Substitution traditioneller Drei-Steine-Herde durch Flüssiggaskocher zu initiie-ren;

• im Rahmen einer Forschungskooperation miteinem Entwicklungsland Anlagen zur umweltver-träglichen Synthese von Flüssiggas zu entwickeln,die an die Bedingungen vor Ort angepasst sind.

Energieeffiziente Gebäude imNiedrigkostensektor am Beispielsüdafrikanischer TownshipsSeit 1994 wurden in südafrikanischen Townshipsüber eine Million neuer Wohnungen errichtet, um dieLebensbedingungen der benachteiligten Bevölke-rungsgruppen zu verbessern. Dabei wurden Aspektenachhaltigen Bauens weitgehend vernachlässigt. Bei-spielsweise sind Blechdächer ohne Wärmedämmungdie Regel, was unerträgliche Innentemperaturensowohl im Sommer als auch im Winter zur Folge hat.Offene Kohlefeuer verursachen Verschmutzungen,die bis zum 8fachen über den internationalen Nor-men liegen und Gesundheitskosten von 244 Mio. €

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208 5 Die WBGU-Transformationsstrategie

pro Jahr verursachen (Holm, 2000). Der WBGUempfiehlt, dass im Rahmen der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit und in Kooperation mit süd-afrikanischen Partnern Demonstrationsprojekte zuenergieeffizientem Bauen im Niedrigkostensektorrealisiert werden. Wegen des Multiplikatoreffektswird konkret empfohlen, diese Projekte in derUmgebung stark frequentierter Orte (z. B. Bahn-höfe) zu realisieren. Umgesetzt werden könnte einsolches Projekt im Rahmen der WSSD-Initiative„Global Village Energy Partnership“.

Verbesserung der Stromqualität inschwachen Elektrizitätsnetzen ländlicherafrikanischer RegionenBei der Elektrifizierung ländlicher Regionen in Ent-wicklungsländern tritt häufig das Problem auf, dasswegen der geringen Nutzerdichte große Distanzen inschwachen Stromnetzen überbrückt werden müssen.Dabei verschlechtert sich die Stromqualität (Netz-spannung, -frequenz, -zuverlässigkeit) insbesonderefür die entlegeneren Nutzer erheblich. Die in Europazur Einbindung verteilter erneuerbarer Energiequel-len in das Verbundnetz entwickelten Technologienkönnten Gewinn bringend und kosteneffizient zurVerbesserung dieser Situation eingesetzt werden,was jedoch bei den Netzbetreibern vor Ort weithinunbekannt ist. Der WBGU empfiehlt, dass imRahmen der technischen und finanziellen Zusam-menarbeit eine ausgewählte ländliche Region inKooperation mit einem größeren afrikanischenEnergieversorger und unter Einsatz entsprechenderneuartiger Technologien elektrifiziert wird. DieZusammenarbeit mit dem lokalen Netzbetreiber istdabei für die Multiplikatorwirkung unerlässlich.Auch hier wäre ein Anknüpfungspunkt für ein sol-ches Projekt die Initiative der EU „Energy Initiativefor Poverty Eradication and Sustainable Develop-ment“.

1-Million-Hütten-ProgrammIm Rahmen der ländlichen Elektrifizierung in Ent-wicklungsländern sind wegen der geringen Bevölke-rungsdichte neben intelligenten Netzerweiterungenauch dezentrale Konzepte wie photovoltaisch ver-sorgte Individualsysteme und Kleinstnetze essen-ziell. Entsprechende Implementierungsvorhabenwaren bisher meist zu klein dimensioniert, um diegewünschte Eigendynamik zu entfalten, und sozialeund technische Rahmenbedingungen wurden nichtausreichend berücksichtigt. Der WBGU empfiehltdaher, ein 1-Millionen-Hütten-Programm aufzule-gen, das neben der notwendigen Größe und Laufzeitauch eine neue Dimension der technischen undsozioökonomischen Begleitung beinhalten muss. DieEinbindung der Expertise führender Unternehmen

aus Industrieländern, die Initiierung regionaler Aus-bildungsprogramme sowie der Aufbau lokaler Finan-zierungsstrukturen und Zulieferindustrien sinddabei essenzielle Voraussetzungen für eine nachhal-tige Wirkung des Projektes. Die „Global VillageEnergy Partnership“-Initiative bietet einen geeigne-ten Rahmen für die Umsetzung des Projekts.

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Die Energiewende ist in ihrer Größenordnung miteiner neuen industriellen Revolution vergleichbarund wird für lange Zeit eine große technologischeund gesellschaftliche Herausforderung bleiben. Siekann daher nur gelingen, wenn erheblicher For-schungsaufwand betrieben wird, um die Transforma-tion vorzubereiten und zu begleiten. Der WBGU hathierzu in Kapitel 5.3.1 konkrete institutionelle undfinanzielle Empfehlungen für die Weiterentwicklungder Forschungsstrukturen gegeben. In diesem Kapi-tel soll es ausschließlich um Forschungsinhaltegehen.

Der Beirat wird hier keine umfassende For-schungsstrategie oder -analyse zum Thema „Ener-gie“ vorstellen, sondern er benennt die Forschungs-themen, deren Behandlung sich im Verlauf derArbeit an diesem Gutachten als wichtige Vorausset-zung für die Umsetzung der skizzierten Energie-wende erwiesen hat.

Dabei kann nicht im Einzelnen spezifiziert wer-den, welche Forschungsakteure auf welchen Ebenensich am besten für die Lösung der aufgeworfenenForschungsfragen eignen. Die Anregungen sind nichtspezifisch auf die deutsche oder europäische For-schungslandschaft ausgerichtet, sondern richten sichan alle Länder und Akteure mit Interesse an derEnergiewende. Sie können wichtige Bausteine fürdie verschiedenen Forschungsprogramme auf unter-schiedlichen Ebenen darstellen. Daher wurde nichtjeder Einzelpunkt mit der gesamten Vielzahl derbereits laufenden, engagierten deutschen oder euro-päischen Forschungsprogramme abgeglichen.

Die Energiesysteme werden vom Beirat immeraus den Blickrichtungen Umwelt und Entwicklungbetrachtet. Daher kommt der Forschung zur System-analyse besondere Bedeutung zu, die in Kapitel 6.1behandelt wird. Bei der Umsetzung und Anwendungvon Empfehlungen zur Energiewende stellen sichwirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Auf-gaben, die durch Forschung vorbereitet und begleitetwerden müssen. Dazu gehören u. a. die Markteinfüh-rung neuer Technologien, die vergleichende Analyseder sozioökonomischen Instrumente, das Manage-ment eines Technologietransfers oder der Übergang

zu nachhaltigen Lebensstilen (Kap. 6.2). Schließlichsind Forschung und Entwicklung neuer Technologienunabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen derEnergiewende (Kap. 6.3).

6.1Systemanalyse

Wissensbasis für LeitplankenFür die politische Beratung des Beirats spielen Leit-planken eine zentrale Rolle (Kap. 4.3), da sie dieAbleitung von Handlungsoptionen ermöglichen. Esist aber schwierig, diese sozioökonomischen undökologischen Grenzen des tolerierbaren Bereichsmenschlicher Aktivitäten zu bestimmen. Derzeitliegt weder das notwendige Wissen z. B. über diegenaue Lage von unbedingt zu vermeidenden „Kata-strophendomänen“ in zufrieden stellender Qualitätvor, noch sind die Modellansätze so ausgereift, dasssie alle wichtigen Faktoren für eine Prognose hinrei-chend berücksichtigen können. Daher muss zunächstdie Wissensbasis für das Setzen normativer Leitplan-ken verbessert werden, was durch moderne, teilsunkonventionelle Modellansätze erreicht werdenkann. Die Systemanalyse ist also Teil eines iterativenProzesses, welcher die Grundlagen für zukünftigeEntwicklungsprognosen stetig verbessert.

ModellierungModelle sollten ein Ausloten des gesamten Hand-lungsspielraums und somit die Entwicklung kohä-renter Prognosen und Szenarien in Abhängigkeitnormativer Leitplanken erlauben. Erheblicher For-schungsbedarf besteht in der methodischen Weiter-entwicklung der bestehenden Modelle, wie z. B. derKopplung, Regionalisierung, Sektoralisierung undIntegration von Klima-, Landnutzungs- und makroö-konomischen Energiesystemmodellen (Integrated-assessment-Modelle). Außerdem sollten neuartigeModellierungstechniken (qualitative, semiquantita-tive und Hybridmodelle) entwickelt werden, die deninhärenten Unsicherheiten besser Rechnung tragenkönnen. Dabei ist die Endogenisierung verschiede-

Forschung für die Energiewende

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210 6 Forschung für die Energiewende

ner Prozesse (z. B. technischer Fortschritt) sinnvoll,die nicht länger unabhängig von der makroökonomi-schen Entwicklung betrachtet werden sollten. Wich-tige Einzelfragen sind die Wirkung verbindlich ange-kündigter Reduktionsziele auf das langfristige Inves-titionsverhalten (Kap. 4.5.1), die möglichen Risikeneiner Pfadabhängigkeit durch Sequestrierungsstrate-gien (Kap. 3.6), der Einfluss der Landnutzung aufTreibhausgasemissionen sowie die ökonomischenAuswirkungen regulierender Instrumente, wie z. B.des Zertifikatehandels.

Entwicklung von Theoriekonzepten zurNachhaltigkeitEs fehlt noch an grundlegenden Theoriekonzeptenzur Nachhaltigkeit, die mit der Erdsystemanalyseund dem Leitplankenkonzept verknüpft sein müs-sen. Sie sollen z. B. die Frage beantworten helfen,welche der möglichen Entwicklungspfade unter Vor-gabe einer bestimmten Nachhaltigkeitsstrategie(Pessimierung, Standardisierung usw.; Schellnhuber,1998) als akzeptabel bezeichnet werden können.Wiemüssen Kontroll- bzw. Managementstrategien – diez. B. vom Zugang zu Strom über die Veränderung vonLebensstilen bis hin zur strikten Nichteinmischungreichen können – beschaffen sein, damit die Leit-planken beachtet werden können? Wie lassen sichFrühwarnsysteme entwickeln, die das Abgleiten innicht nachhaltige Bereiche rechtzeitig erkennen?Welche Synergien zwischen zivilisatorisch beeinflus-sten, aber noch nicht ausreichend verstandenen Erd-systemdynamiken lassen sich nutzen? Gibt es gar ein„globales Gewissen“, das als emergente Größe übereine kollektive Wahrnehmung zum Nutzen derMenschheit und des Erdsystems verfügt? Die Beant-wortung dieser Fragen ist letztlich entscheidend fürdie Umsetzung und Weiterentwicklung internationa-ler Regelungswerke (z. B. der Klimarahmenkonven-tion).

SzenarienentwicklungDie Ergebnisse des Gutachtens zeigen, dass die Ent-wicklung von CO2-Stabilisierungsszenarien auch fürniedrige Gleichgewichtskonzentrationen (<450 ppm)zu empfehlen ist. Dabei muss die Regionalisierungund Sektoralisierung der entsprechenden Modelleverbessert werden. Auf der Basis von Regionalkal-külen lassen sich möglicherweise Stabilisierungssze-narien mit geringer Erderwärmung entwickeln, wel-che die spezifischen Eigenschaften sektoraler undregionaler Einheiten modellieren können und somiteine bessere Grundlage für die Ableitung konkreterHandlungsoptionen zur Verfügung stellen.

KlimasensitivitätEs ist offensichtlich, dass die Klimaforschung einenentscheidenden Beitrag für eine Energiewende zuleisten hat, denn sie liefert das Wissen und dieBegründung für die Klimaschutzleitplanke (Kap.4.3.1.2). Sollten CO2 und Klima noch enger gekop-pelt sein als bisher entdeckt wurde, oder gäbe esunbekannte verstärkende Prozesse der Ökosysteme,dann wäre nicht nur eine beschleunigte Energie-wende, sondern auch eine Wende bei der Landnut-zung notwendig (Kap. 4.6). Daher ist die Empfind-lichkeit gegenüber anthropogenen Störungenweiterhin einer der entscheidenden Faktoren desKlimasystems, der noch nicht hinreichend quantifi-zierbar ist (Kap. 4.3.1.2, 4.5.2.1). So hat der IPCC inseinem dritten Sachstandsbericht 2001 keine mittlereEmpfindlichkeit des Klimasystems der Erde beieiner Verdopplung der CO2-Konzentration angege-ben. Es sollten erhebliche Forschungsanstrengungenunternommen werden, um die Klimasensitivität bes-ser einschätzen zu können.

Quellen und Senken von CO2

Die USA betreiben seit den 1950er Jahren wichtigeMessstationen (z. B. Mauna Loa in Hawaii, Südpol,andere Inselstationen), die das Rückgrat für bishe-rige Abschätzungen des Kohlenstoffkreislaufes bil-den. Es ist dringend erforderlich, dass Deutschlandund Europa bei der Verifikation der Trends vonQuellen und Senken des CO2 künftig verstärkt mit-arbeiten: es sollte ein weltumspannendes Beobach-tungssystem auf den Kontinenten aufgebaut und mitdem bestehenden marinen Beobachtungssystem ver-knüpft werden. Mit einem solchen System ließe sichdie Hypothese überprüfen, dass zur Zeit ein wesent-licher Teil der anthropogenen Emissionen in denborealen Wäldern Sibiriens gespeichert wird. Einverantwortliches ökologisches Management zurStärkung dieser natürlichen Senke könnte eine wert-volle zusätzliche Option für die Energiewende dar-stellen.

Auswirkungen hoher CO2-Konzentrationenund des Klimawandels auf terrestrischeÖkosystemeDie prognostizierten Auswirkungen von Klimaände-rungen auf die terrestrischen Ökosysteme Europaszeigen noch eine große Spannbreite und solltendaher stark verbessert werden. Dabei ist zunächst dieDatengrundlage zu optimieren, die Voraussetzungfür genauere Modellberechnungen und -vorhersagenist. Zudem sind die Modelle weiter zu entwickeln,wie auch das sechste Rahmenprogramm der EUbetont. Dabei ist auch die Reaktion von forstlich undlandwirtschaftlich genutzten Pflanzen zu beachten.

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211Gesellschaftswissenschaftliche Forschung 6.2

Auswirkungen auf die BödenDie Böden Europas speichern große Mengen anKohlenstoff aus ca. 10.000 Jahren Vegetationsent-wicklung nach der Eiszeit. Wenn wesentliche Teiledieses Kohlenstoffs durch veränderte Landnutzungfreigesetzt werden, dann wird auch die vollständigeUmsetzung der im Gutachten empfohlenen Maß-nahmen für eine Energiewende (Kap. 5) nicht aus-reichen, um die Klimaleitplanke einzuhalten (Kap.4.3.1.2). Um die Auf- und Abbauprozesse in Bödenbesser zu verstehen, ist grundlegende Forschung not-wendig, deren Ergebnisse auch die Voraussetzung fürdie Erschließung zusätzlicher Steuerungsoptionenund für eine Anrechnung von Kohlenstoffänderun-gen in Böden schaffen könnten.

6.2Gesellschaftswissenschaftliche Forschung

Eine zentrale Aufgabe gesellschaftswissenschaft-licher Forschung für die Energiewende muss es sein,Handlungsoptionen auf politischer und wirtschaft-licher Ebene zu entwickeln sowie die für eine Trans-formation der Energiesysteme unverzichtbaren undam besten geeigneten auszuwählen. Mögliche Bar-rieren, die die Energiewende behindern, sollenerkannt, analysiert und Wege zu ihrer Überwindungaufgezeigt werden.

Auswirkungen von Liberalisierung undGlobalisierung im EnergiesektorIm Zuge der Globalisierung und Liberalisierung sindin der Energiewirtschaft komplexe neue Bedingun-gen entstanden, deren Implikationen für eine nach-haltige Entwicklung wohl nur von einem internatio-nalen Forschungsverbund angemessen erfasst wer-den können. Die Forschung sollte insbesondereEmpfehlungen erarbeiten, die eine Liberalisierungmit der Einhaltung ökologischer und sozialer Gren-zen (Kap. 4.3) vereinbaren. Die Erforschung vonNutzen und Nachteilen verschiedener Deregulie-rungs- und Regulierungsinstrumente sowie beste-hender Markthemmnisse bleibt eine der Kernaufga-ben sozioökonomischer Forschung zur Energiewirt-schaft. Es sollte geklärt werden, welche Marktstruk-turen den Zielen der Energiewende förderlich sindund welchen Einfluss Liberalisierung und Globali-sierung auf die Strukturen ausüben, insbesondere aufdie Anbieterstruktur auf den Energieerzeugungs-und -versorgungsmärkten.

Die Forschung über Wirkungen privater Aus-landsdirektinvestitionen in liberalisierten Energie-märkten sollte verstärkt werden. Es gilt zum einen zuklären, unter welchen Bedingungen sie für die Ent-wicklung nachhaltiger Energiesysteme tendenziell

eher förderlich oder hinderlich sind. Zum anderenbesteht weiterhin Forschungsbedarf über die Mög-lichkeiten und Grenzen, das Verhalten transnationa-ler Unternehmen im Ausland an Nachhaltigkeitser-fordernissen auszurichten, etwa durch Gütesiegel,freiwillige Verhaltenskodices, internationales „softlaw“, extraterritoriale Anwendungen des Haftungs-und Umweltrechts oder internationale Umwelt- undSozialstandards.

Die Analyse der kleinen und mittleren Unterneh-men (KMU), zu denen viele Anbieter von Wind- undSolarenergietechnologie zählen, und ihrer Bedeu-tung für die Energiewende sollte ein Schwerpunktder politik- und wirtschaftswissenschaftlichen For-schung sein. Eine neuere Untersuchung hat für dieSchweiz gezeigt, dass die meisten KMU-Beihilfenletztlich am Bedarf und an den Schwierigkeiten vonKMU vorbeigehen (Iten et al., 2001). Daher ist ins-besondere zu klären, inwieweit KMU zu einer welt-weiten Ausbreitung regenerativer Energienutzungbeitragen können und wie Auslandsdirektinvestitio-nen von KMU in der Energiebranche erleichtertwerden könnten.

Transformation der Energiesysteme inEntwicklungsländernZum energetischen Mindestbedarf und zu densozioökonomischen Zusammenhängen zwischenArmut, Energiemangel und Entwicklungshemmnis-sen sind ergänzende Untersuchungen notwendig. Esfehlt an umfassende Primärdaten zur Energienut-zung vor allem in Schwellen- und Entwicklungslän-dern. So existiert mit dem World Energy Outlook2002 erstmals eine länderspezifisch aufgegliederteAnalyse über Elektrizitäts- und Biomasseverbrauch(IEA, 2002c). Vergleichbare Daten zur Nutzunganderer Energieträger bzw. Potenzialanalysen fürden Einsatz regenerativer Energieträger fehlen nochweitgehend. Die Datenerhebung sollte stärker alsbisher zwischen den Zugangsbedingungen zu Ener-gie in Städten und dem ländlichen Raum unterschei-den. Da künftig eine stärkere Auseinanderentwick-lung beider Siedlungsformen zu erwarten ist, mussdie Forschung unterschiedliche Antworten für Ver-sorgungsmöglichkeiten dieser Gebiete aufzeigen.Dabei gilt es auch zu beachten, dass in beiden Sied-lungsstrukturen unterschiedliche Zugangsbarrierender Energienutzung bestehen. Bei der Erforschungder Zugangsbarrieren für Arme zu ausreichendenund bezahlbaren Energiedienstleistungen sowieumwelt- und gesundheitsverträglichen Energiefor-men sollten nicht nur Chancen und Risiken der Pri-vatisierung und Liberalisierung sorgfältig geprüftwerden. Es sollte auch die ambivalente Rolle großerprivater oder staatlicher Stromversorgungs-unternehmen analysiert werden.

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212 6 Forschung für die Energiewende

Die Evaluierung der Reduktions- und Kontroll-potenziale von Treibhausgasemissionen in Entwick-lungsländern bekommt aufgrund des zu erwartendenWirtschaftswachstums und verbesserten Zugangs zuEnergiedienstleistungen für Privathaushalte in die-sen Ländern eine besondere Bedeutung für einennachhaltigen Klimaschutz. Hier besteht insbeson-dere bezüglich der Ausgestaltung und Überwachungder flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokollsweiterer Forschungsbedarf.

Mit der Forderung des Beirats nach einem lang-fristigen Ausstieg aus traditioneller Biomassenut-zung verbindet sich ein erheblicher Bedarf an sozial-wissenschaftlicher Forschung über den geeignetenWeg dorthin. Denn die Zahl der Menschen, die inEntwicklungsländern mit gesundheitsschädigendertraditioneller Biomasse kochen und heizen, wirdohne geeignete Maßnahmen in den nächsten 30 Jah-ren nicht abnehmen (IEA, 2002c; UNEP, 2002).Selbst wenn es gelänge, allen Menschen den Zugangzu Strom bzw. Gas zu ermöglichen, würden die bis-herigen Koch- und Heizgewohnheiten nichtunmittelbar aufgegeben, sondern es würde zumin-dest teilweise an traditioneller Biomassenutzungfestgehalten. Es ist nach wie vor unklar, mit welchenAnreizsystemen und welchem logistischen Aufwanddieses Verhalten überwunden und der Übergang aufgesunde, kulturell und finanziell angepasste Energie-träger geschafft werden kann. Hier sieht der WBGUBedarf für interdisziplinäre Fallstudien in verschie-denen ökologischen, ökonomischen und kulturellenUmfeldern, die Wirtschafts- und Kulturwissenschaf-ten, Ingenieurs- und Gesundheitswissenschaften ein-beziehen.

Die gleiche Technik wird von verschiedenen Kul-turen unterschiedlich gehandhabt. Daher müssenTechnologien nicht nur entwickelt, sondern auchtransferiert, an die lokalen Gegebenheiten angepasstund in die bestehenden Gesellschaftssysteme inte-griert werden. Zur Überwindung von Barrieren sindbei der Entwicklungszusammenarbeit quantitativeund qualitative Verbesserungen der Ausbildung inBezug auf Energiesysteme sowie in Bezug auf Spa-ren und Investieren notwendig. Weiter ist die For-schung über die Akzeptanz technischer und finan-zieller Systeme zusammen mit Repräsentanten derentsprechenden Länder und indigenen bzw. lokalenGemeinschaften zu intensivieren.

Gesundheitsfolgen von EnergiesystemenEs sollte empirische Forschung angelegt werden,welche die negativen Gesundheitsfolgen unter-schiedlicher Energiesysteme (bei Gewinnung, Trans-port und Nutzung) erfassen kann, z. B. auf Grundlageder von der WHO erarbeiteten Methode der Disabi-lity Adjusted Life Years (DALYs; Kap. 4.3.2.7). Ziel

der Forschung ist, den Zusammenhang von Energie-nutzung und Krankheitslast zu quantifizieren.

Untersuchung des Finanzierungsbedarfsfür eine EnergiewendeEine globale Energiewende verlangt insbesonderezu Beginn die Umlenkung und Mobilisierung erheb-licher Investitionsmittel. Von Interesse ist vor allemdie differenzierte Ermittlung des kurz- bis mittelfris-tigen, regional spezifischen Investitionsbedarfs sowiedes notwendigen Kapitaltransfers von den Industrie-zu Entwicklungs-, Schwellen- und Transformations-ländern (IEA, 2003). Des Weiteren sind Möglichkei-ten der internationalen Finanzierung zu untersu-chen, z. B. in welchem Umfang die Kioto-Mechanis-men und ein Anpassungsfonds zum Transfer beitra-gen können.

Institutionenbezogene ForschungenZur Verminderung ökonomischer Unsicherheitendes Klimaschutzes werden in Erweiterung des Zerti-fikatshandels neue Ideen diskutiert, deren Umsetz-barkeit weiter untersucht werden sollte. Dazu zähltz. B. das Konzept des „Sicherheitsventils“, das Men-genbeschränkung (durch Zertifikate) und Abgaben(ähnlich Höchstpreisen für Zertifikate) miteinanderkombiniert. Auch sollten die Vorschläge untersuchtwerden, die international vereinbarten Mengenlö-sungen durch eine CO2-Abgabe zu ergänzen oder zuersetzen.

Die Umsetzung der Kioto-Mechanismen in Ener-gieprojekten ist Gegenstand politischer Analyse undzugleich Forschungsaufgabe für zahlreiche Institu-tionen wie Weltbank, GEF, OECD oder IEA. DieseAnstrengungen sind fortzuführen und nach Möglich-keit in den Gesamtzusammenhang der globalen For-schungsstrategie zu integrieren (Kap. 7.6). Im Rah-men der Forschung sollte auch die Weiterentwick-lung des Kioto-Protokolls nach 2012 thematisiertwerden, also etwa eine Fortentwicklung der flexiblenMechanismen, um stärker als in der ersten Verpflich-tungsperiode Schwellen- und Entwicklungsländer anden Reduktionsbemühungen zu beteiligen.

Die Umsetzung des vom WBGU vorgeschlagenenKonzepts eines Multilateralen Energiesubventions-abkommens (MESA) erfordert begleitende For-schung insbesondere zu konkreter Ausgestaltung,Institutionalisierung und seiner Durchsetzungsme-chanismen.

EnergienutzungIn der Diskussion der Energiewende müssen insbe-sondere bei anhaltendem Bevölkerungswachstumdie hohen Einsparpotenziale auf der Nachfrageseitestärker als bisher thematisiert werden. Die auf demWeltgipfel für Umwelt und Entwicklung (Rio de

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213Gesellschaftswissenschaftliche Forschung 6.2

Janeiro, 1992) geforderte Entwicklung nachhaltigerKonsummuster kann zu einem großen Teil durchEffizienzmaßnahmen auf der Nachfrageseite ver-wirklicht werden. Ergänzend ist aber auch eine ver-änderte Einstellung der Konsumenten und ein Wan-del des „westlich-industrialisierten Lebensstils“ not-wendig. Hierbei geht es über Energieeffizienz hinausum die Möglichkeit einer Senkung der Energienach-frage (Suffizienzdebatte), der jedoch erhebliche Bar-rieren entgegenstehen. Um sozialverträgliche Optio-nen zum Abbau diese Barrieren zu entwickeln, sollteam Thema „Lebensstile“ angesetzt werden, das imglobalen Maßstab bisher nicht systematisch unter-sucht wurde. Hier besteht ein großer Forschungsbe-darf. Angesichts der unzureichenden Umsetzunginternationaler Beschlüsse zur konsumentenorien-tierten Nachhaltigkeitspolitik ist ebenfalls unklar,welche politischen Lösungen für die Konsummusterauf globaler Ebene weiter zu verfolgen sind. Hiersollte weiter geforscht werden, um die Richtlinien fürnachhaltigen Konsum besser zu gestalten und umzu-setzen (UNEP, 2002).

Es besteht noch große Unklarheit, wie die Verfüg-barkeit von Information, der Energiebedarf und dieWirtschaftsleistung zusammenhängen. So ist z. B. bis-her die Frage unbeantwortet, ob die „New Eco-nomy“ zu einer Senkung des Energiebedarfs der Pri-vatwirtschaft geführt hat. Eine empirische Untersu-chung in den USA hat einen solchen Trend Ende der1990er entdeckt, aber die Kausalität nicht eindeutigbelegen können (Sanstad, 2002). Diese Debatteknüpft an die Fragen der Dematerialisierung derÖkonomie und der wachsenden Dienstleistungsge-sellschaft an. Beides sind variable Größen mit wider-sprüchlichen Auswirkungen auf die Energienach-frage. Mehr Wissen über diese Zusammenhänge istfür zielführende Gestaltungsempfehlungen für denÜbergang zu nachhaltigen Energiesystemen uner-lässlich.

Instrumente der direkten Förderungerneuerbarer EnergienZur Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energienexistiert eine Bandbreite möglicher Fördermecha-nismen. Obwohl die einzelnen Mechanismen in denIndustrieländern breit diskutiert werden, bestehtweiterhin Forschungsbedarf über die langfristigeWirkung dieser Instrumente und ihre Übertragbar-keit in andere Ländergruppen oder auf die globaleEbene. Zu untersuchen wären mögliche Verknüpfun-gen der Instrumente in einem Bündel von Politiken(etwa Abgaben und Quoten für jeweils unterschied-liche Sektoren). Dabei ist auch näher zu prüfen, inwelcher Beziehung verschiedene Instrumente zuein-ander stehen, also ob etwa eine Kombination ver-schiedener Instrumente in einem Sektor, Energie-

oder Technologiebereich möglich bzw. sinnvoll ist,oder ob die Anwendung eines Instruments dieAnwendung anderer Maßnahmen ausschließt (z. B.CO2- bzw. Energiesteuer und Green Energy Certifi-cates). Gerade für den Transformationsprozess istvon Interesse, inwieweit für den Einsatz der Instru-mente ein „Förderfahrplan“ allgemein gültig aufge-stellt werden kann und ein Instrumentenwechsel imZeitablauf planbar erscheint (z. B. Anschubfinanzie-rung durch Preisinstrumente wie staatliche Subven-tionen oder Einspeisevergütungen, langfristig selek-tiver Übergang zu Mengeninstrumenten wie Quotenund Green Energy Certificates). Bei der Förderungder Elektrizitätsversorgung darf der ökonomisch-technische Aspekt der Einbindung erneuerbarerEnergien in Netzverbünde nicht außer Acht gelassenwerden (Eignung für dezentrale Einspeisung mithohen Investitions- und Betriebskosten, ungleichmä-ßig schwankende Leistungsabgabe; Kap. 3.4.3). Hiersind noch erhebliche Forschungsanstrengungen,etwa zur Ausgestaltung verteilter Kraftwerke oderdezentraler Einspeisestrukturen und deren langfris-tiger Wirkung, einschließlich soziökonomischerEffekte, erforderlich.

Geopolitischer ForschungsbedarfDie geopolitische Forschung hinkt in Deutschlandweit hinter internationalen Standards her. Es gibt inanderen westlichen Ländern Forschungszentren undspezialisierte Zeitschriften zur Geopolitik, aber nichtin Deutschland. Zwar hat sich die Friedens- und Kon-fliktforschung seit den 1990er Jahren zunehmendauch mit inner- und zwischenstaatlichen Ressourcen-konflikten und ihren Friedensgefährdungen beschäf-tigt. Solange aber die hohe Abhängigkeit von Ener-gieimporten relativ leicht über den Markt gelöst wer-den konnte, keine Knappheitsprobleme zu erkennenwaren, und die USA politisch und militärisch auchfür die Ressourcensicherheit Westeuropas undJapans sorgten, fehlte der sicherheitspolitischen For-schung und Forschungsförderung das vitale Interessean einer Geopolitik der Ressourcensicherheit. Siewar eher ein Randthema der nach dem Ende desKalten Krieges aufkommenden Debatte über „neueBedrohungen“ und über den Begriff der „erweiter-ten Sicherheit“.

Es besteht ein großer Forschungsbedarf, aber esfehlen in Deutschland Forschungsressourcen, auchim Vergleich zu Frankreich und Großbritannien, diebeide eine Tradition und noch immer eine Ambitionder Globalpolitik haben.Während sich in diesen bei-den Ländern etwa 2.500–3.000 (in den USA sogar um10.000) Forscher mit internationalen Fragen beschäf-tigen, sind es in Deutschland gerade 250–300.

Zentrale Forschungsfragen aus deutscher undeuropäischer Perspektive sind:

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214 6 Forschung für die Energiewende

• Sind geopolitische Tendenzen zu erkennen, dassdie Konkurrenz um Energieressourcen den Kriegwieder zu einem Mittel der Politik macht? Wiekönnten die Vereinten Nationen in die Lage ver-setzt werden, ihren Gründungsauftrag der Frie-denssicherung trotz der Verschärfung internatio-naler Konflikte um Ressourcen und eines zuneh-menden Unilateralismus der USA zu erfüllen?

• Welche Möglichkeiten hat Deutschland im EU-Verbund, auf friedliche Weise, durch Marktbezie-hungen, wissenschaftliche und technische Koope-ration für seine Ressourcensicherheit zu sorgen?

• Wie kann die EU auf die politische, soziale undwirtschaftliche Entwicklung in den GUS-Staatenan ihrer Peripherie (Kaukasien und Zentralasien)einwirken, um die friedliche Entwicklung in einerinstabilen, aber weltwirtschaftlich wichtigen Ener-gieregion zu fördern?

• Wie können Deutschland und die EU durch einegezielte Förderung erneuerbarer Energien undMaßnahmen zur Effizienzsteigerung die Abhän-gigkeit von den Importen fossiler Brennstoffe unddamit auch die potenziell kriegerische Konkur-renz um Fördergebiete verringern?

6.3Technologieforschung und -entwicklung

Der vom Beirat entwickelte exemplarische Transfor-mationspfad (Kap. 4.4) fußt gleichermaßen auf demstarken Ausbau erneuerbarer Energieträger undEffizienzsteigerungen. Ein solcher Umbau des glo-balen Energiesystems kann nur gelingen, wenn aufsehr unterschiedlichen technologischen GebietenForschung und Entwicklung weiterverfolgt oderintensiviert werden.

Die begrenzt ausbaubaren Quellen (z. B. Wind-kraft, Wasserkraft; Kap. 3.8) weisen teils heute schonkonkurrenzfähige Preise auf, so dass vor allem nochbei der weiteren Effizienzsteigerung, der Erschlie-ßung neuer Einsatzgebiete sowie bei der Verringe-rung der Umwelt- und Sozialfolgen Forschungsbe-darf besteht.

Dagegen sind die nahezu unbegrenzt ausbauba-ren Quellen, etwa die solarelektrische Energiekon-version, heute betriebswirtschaftlich noch vergleichs-weise teuer (Kap. 3.2.6). Die Abschätzungen zu nach-haltig nutzbaren Potenzialen zeigen, dass dennochlangfristig die solarelektrische Energiekonversiondas zentrale Element der globalen Energieversor-gung werden muss. Damit kostenreduzierende Lern-prozesse auf diesem Gebiet rasch durchlaufen wer-den, muss neben einer engagierten und dauerhaftenAusbaurate auch die entsprechende Forschung undEntwicklung energisch fortgeführt werden, die in

Deutschland und Europa aufgrund staatlicher F&E-Programme und industrieller Aktivitäten bereitseine sehr gute Grundlage erarbeitet hat. Das Lernenmuss so weit beschleunigt werden, dass die Solar-energie zu dem Zeitpunkt genügend kostengüstig ist,wenn der Ausbau der anderen erneuerbaren Ener-gieformen an die Grenzen der nachhaltig nutzbarenPotenziale (Kap. 3.8) stößt.

Gleichzeitig erfordert die Einbindung erneuerba-rer Energie aus meist fluktuierenden Quellen in dieglobalen Energieversorgungsstrukturen die Weiter-entwicklung großflächiger vernetzter Energievertei-lungsstrukturen. Langfristig müssen in diesemZusammenhang geeignete Energiespeichersystemeentwickelt werden (Kap. 3.4).

6.3.1Technologien zur Energiebereitstellung auserneuerbaren Quellen

Photovoltaische Stromerzeugung(Solarzellen) Photovoltaik ist neben den solarthermischen Kraft-werken eine der beiden Schlüsseltechnologien dersolarelektrischen Energiekonversion (Kap. 3.2.6).Der WBGU begrüßt die bereits laufende intensiveForschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Erbetont, dass diese engagiert fortgeführt werdensollte, da sie langfristig ein wichtiges Element desexemplarischen Transformationspfads des Beiratsdarstellt. Es werden derzeit mehrere vielverspre-chende Ansätze für Kostenreduktion und Wirkungs-graderhöhung verfolgt. Da eine fundierte Bewertungder unterschiedlichen Ansätze im Hinblick auf lang-fristige Entwicklungen derzeit nicht möglich ist,sollte die breit gefächerte Förderung verschiedenerTechnologien beibehalten werden. Aufgrund ihrerökologischen Unbedenklichkeit steht dabei mittel-fristig die Siliziumtechnologie im Vordergrund. Diebereits bestehenden Aktivitäten zur Erforschungvon Herstellungsprozessen dünnerer Wafer (150 µm)bis hin zu ultradünnen Wafern (Ziel: 50 µm) solltenintensiviert werden. Auch die derzeit laufenden For-schungen zu kristalliner Silizium-Dünnschicht-technologie auf Fremdsubstraten verlangen weiter-hin hohen Aufwand an Forschung und Entwicklung.Darüber hinaus sollten – wie auch bereits in der Ver-gangenheit – Dünnschichttechnologien auf der Basisanderer ökologisch vertretbarer Materialien zügigvoran getrieben werden.

Zur Entwicklung von Kraftwerksanwendungen insonnenreichen Regionen sollten die Aktivitäten inRichtung von PV-Kraftwerken mit optischer Kon-zentration verstärkt werden, entsprechende Stapel-solarzellen z. B. auf der Basis von III-V-Halbleitern

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215Technologieforschung und -entwicklung 6.3

sind weiter zu entwickeln. Die Fortsetzung der Akti-vitäten bei organischen und Farbstoffsolarzellen istfür die langfristige Entwicklung der Photovoltaikunerlässlich. Derartige Konzepte können die Basisfür völlig neue, nicht halbleiterbasierte photovoltai-sche Konversionsverfahren sein. Letztlich muss auchanwendungsorientierte Grundlagenforschungbetrieben werden, um derzeit eher spekulative Kon-zepte mit gleichzeitig hohem Potenzial auszuloten(z. B. Quantentopfstrukturen, Thermophotonik,Mehrbänderzellen, Augerzellen, Zellen mit Aus-kopplung heißer Ladungsträger, selbstorganisie-rende organische photovoltaische Strukturen, Ver-wendung von molekularen Antennenstrukturen zurEnergiekonversion).

Für alle Solarzellentechnologien ist eine ange-passte Modulverkapselungstechnik zu entwickeln.Dabei sollte insbesondere auf eine vollautomatischeFertigung, niedrigen Materialeinsatz und die Wieder-verwertbarkeit der photovoltaischen Elemente undMaterialien geachtet werden. Zudem ist die sichereVersorgung mit Rohmaterialien für die Photovoltaikein wichtiges Kriterium.

Neben der eigentlichen Solarzellen- und Modul-entwicklung sollte die Systemtechnik der Photovol-taik stärker als bisher bei der Vergabe von For-schungsprojekten berücksichtigt werden, wozu beiKonzentratorkraftwerken auch eine angepassteOptik zählt. Damit Systemtechnik eine weiterestarke Kostendegression erreicht, sind hochinte-grierte Leistungselektroniken und digitaleRegelungstechnik sowie neue Netzüberwachungs-verfahren notwendig. Erhebliche Fortschritte müs-sen auch bei der Integration in Gebäude erreichtwerden, so dass Solartechnik künftig integralerBestandteil der Gebäudehülle wird, anstatt dass sielediglich Baustrukturen „hinzuaddiert“ wird.

Solarthermische KraftwerkeLangfristig bilden optisch konzentrierende solar-thermische Kraftwerke neben der Photovoltaik daszweite wichtige Fundament einer solaren Stromver-sorgung im exemplarischen Transformationspfad(Kap. 3.2.6 und 4.4). Bei großen Anlagen konzen-triert sich die Entwicklung auf Turm- und Rinnen-kraftwerke. Beide Ansätze sind vielversprechend,Verbesserungspotenziale sollten durch Forschungund Entwicklung weiter erschlossen werden. Diederzeitigen Aktivitäten repräsentieren die Wichtig-keit dieser Technologie im exemplarischen Transfor-mationspfad des Beirats nur unzureichend und soll-ten daher deutlich verstärkt werden. Bei Kraftwer-ken auf der Basis optischer Linearkonzentrationsollten neue optische Konzepte für die Konzentra-tion (z. B. Fresnel-Konzentratoren) vor allem auchunter dem Gesichtspunkt der Kostensenkung unter-

sucht werden. Zudem sind hier die Material-forschung für optische und thermische Komponen-ten (Spiegel, selektive optische Absorber usw.) sowiedie Verfahrenstechnik, z. B. für die Wasserdirektver-dampfung, besonders zu berücksichtigen. AuchTurmkraftwerke, die im Vergleich zu linear konzen-trierenden Anlagen höhere Temperaturen und damithöhere Wirkungsgrade erzielen können, sollten wei-ter entwickelt werden.

Zur Kostensenkung und für einen Betrieb auchnach Sonnenuntergang sind Entwicklungen beiHybridkraftwerken, die solare und fossile Technolo-gien kombinieren, sowie bei großen Wärme-speichern für hohe Temperaturen wichtig. Vor demHintergrund des im exemplarischen Transforma-tionspfad des Beirats enthaltenen großen Anteils dersolarelektrischen Energiekonversion am globalenPrimärenergieeinsatz ab der Mitte des Jahrhundertsmüssen auch fortgeschrittene Konzepte zur rei-bungslosen Einbindung der Kraftwerke in Energie-versorgungssysteme entwickelt werden.

Thermische Solarenergiekonversion(Solarkollektoren) Solarwärme kann sowohl zum Heizen, zur Brauch-wassererwärmung, zum Kühlen als auch in Prozess-wärmeanwendungen (z. B. in der Nahrungsmittelin-dustrie) eingesetzt werden (Kap. 3.2.6). Ihr nachhal-tig nutzbares Potenzial ist im Wesentlichen durch dielokale Nachfrage nach entsprechender Wärme undnicht durch das Angebot bestimmt. Zum Erreichender im exemplarischen Transformationspfad des Bei-rats formulierten Ziele sollten insbesondere auchsolare Technologien zur Gebäudekühlung Schwer-punkte der Forschung bilden. Bei der Brauchwasse-rerwärmung und Raumheizung ist die Weiterent-wicklung von Wärmespeichern mit hoher Energie-dichte und geringer Selbstentladung vorrangig. ZurErschließung neuer Einsatzbereiche für die Solar-wärme sollten Prozesswärmekollektoren im Tempe-raturbereich 100–200 °C weiter entwickelt werden.Der Einsatz solarer Prozesswärme zur Wasserentsal-zung und -reinigung sowie zur Nahrungsmittelküh-lung ist für die globale Nachhaltigkeit besondersrelevant. Bei diesen verschiedenen Anwendungendarf die Systemtechnik einschließlich zugehörigerRegelungsverfahren nicht vernachlässigt werden.

WindkraftanlagenDie Nutzung der Windkraft ist im exemplarischenTransformationspfad des Beirates nach der Sonnen-energie die zweitwichtigste erneuerbare Energie-quelle (Kap. 3.2.5). Für eine weitere schnelleErschließung des nachhaltig nutzbaren Windenergie-potenzials ist insbesondere die Entwicklung desOffshore-Sektors zu forcieren, wozu neben den spe-

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216 6 Forschung für die Energiewende

zifischen Fragen der seegestützten Aufstellung auchdie Entwicklung von Anlagen größerer Nennleistungzählt. Der Beirat begrüßt die laufende ökologischeBegleitforschung zur Offshore-Windkraft (BMU,2002c), denn sie ist eine wichtige Voraussetzung fürdie nachhaltige Nutzung in großem Maßstab. Dieweitere Verbesserung der Rotorblattqualitäten beigleichzeitigem Einsatz wiederverwertbarer Werk-stoffe sollte angestrebt werden, wobei eine verbes-serte Stabilität und selbstreinigende Oberflächenwünschenswert sind. Die gesicherte Dauer des Anla-genbetriebs von Windenergiekonversionsanlagensollte erhöht werden. Auch Betriebsführungsstrate-gien zur Einbindung in Verbundnetze, die entspre-chende Netzsteuerung und das Abregelverhaltensowie die Fehlerfrüherkennung sollten weiter entwi-ckelt werden. Mit Blick auf zukünftige Exportmärkteist neben neuartigen Anwendungsfeldern (z. B. Was-serentsalzung) auch die Einbindung von Windkraft-anlagen in schwache Netze unter verschiedenstenklimatischen Bedingungen zu untersuchen.

WasserkraftanlagenDer Beirat schätzt die nachhaltig nutzbaren Potenzi-ale der Wasserkraft wegen zu Recht gestiegenerAnforderungen an Umwelt- und Sozialverträglich-keit vorsichtig ein und berücksichtigt nur 15 EJ proJahr in seinem exemplarischen Transformationspfadfür das Jahr 2100 (Kap. 3.2.3). Eine wichtige Voraus-setzung für einen nachhaltigen Ausbau in dieser Grö-ßenordnung ist allerdings die deutliche Verbesserungder wissenschaftlichen Datenbasis in den kommen-den 5–15 Jahren. Vor allem für die Nachhaltigkeitsa-nalyse der sozioökonomischen, naturräumlichen undgesundheitlichen Konsequenzen großer Wasserkraft-projekte fehlen derzeit häufig die erforderlichenökologischen und sozioökonomischen regionalenDaten. Auch der in internationalen Leitlinien gefor-derte Vergleich alternativer Designoptionen setztregionale Studien voraus. Diese Datenbasis kannnicht kurzfristig und zeitgleich mit der Erstellungprojektnaher Umweltverträglichkeitsstudien erar-beitet werden. Zu weiteren wichtigen Forschungs-fragen gehören die Unterschiede von Sozial- undUmweltfolgen zwischen großer und kleiner Wasser-kraft in Entwicklungsländern sowie Begleitfor-schung zur Umsetzung der Vorschläge der WorldCommission on Dams in die Praxis.

Geothermische Energiekonversion Langfristig soll über die geothermische Energiekon-version ein Beitrag zur bedarfsorientierten und orts-unabhängigen Energiebereitstellung gewährleistetwerden, der das Angebot anderer erneuerbarerEnergiequellen wetter- und saisonunabhängigergänzt. Trotz möglicher Vorteile der Erdwärmenut-

zung sieht der Beirat andererseits auch noch vieleungeklärte Fragen zur technischen Umsetzung sowiezu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten, so dassim exemplarischen Transformationspfad das realis-tisch umsetzbare nachhaltige Potential in 2100 vor-sichtig mit 30 EJ pro Jahr angesetzt wird (Kap. 3.2.7).Zur Nutzung der Potenziale ist zunächst die Kosten-reduktion von Tiefbohrungen wichtig. Durch neu zuentwickelnde Stimulationsverfahren der Speicherge-steine im Untergrund kann die Produktivität vonheißem Tiefenwasser und damit der Ertrag einergeothermischen Anlage gesteigert werden. Die Ent-wicklung angepasster kostengünstiger Fernwärme-netze ist eine wichtige Voraussetzung für die Anwen-dungen der Geothermie zu Heizzwecken. Es bestehtzudem insbesondere Forschungsbedarf zur effizien-ten Wandlung der Wärme von Tiefenwasser (auchmit niedrigen Temperaturen) in Elektrizität, umgrundlastfähige Kraftwerke entwickeln zu können.

Um Umweltschäden durch Sole oder Gase an derErdoberfläche zu vermeiden, sollte auch das spei-cherverträgliche Wiedereinbringen der gefördertenWässer in den Untergrund weiter untersucht wer-den. Zudem wird ein ökologisches Management deraufgrund vergleichsweise geringer Prozesswirkungs-grade verstärkt anfallenden Abwärme bei geother-mischen Kraftwerken benötigt.

Energetische Nutzung von BiomasseDer exemplarische Transformationspfad (Kap. 4.4)beinhaltet einen Ausbau der modernen energeti-schen Biomassenutzung auf etwa 100 EJ pro Jahr ab2040, also eine Verfünffachung gegenüber heute(Kap. 3.2.4). Angesichts dieses ehrgeizigen Zielesbesteht Forschungsbedarf zunächst bezüglich deroptimalen Landnutzung hinsichtlich der Konkurrenzzwischen Nahrungserzeugung, Energiegewinnungund Kohlenstoffspeicherung. Die Transportstruktu-ren für energetisch genutzte Ausgangsbiomasse zuden entsprechenden Umwandlungsanlagen solltenuntersucht und verbessert werden. Bei Verbren-nungsanlagen sollten Kostensenkung und Emissions-minderung im Zentrum weiterer Forschung stehen.Da der exemplarische Transformationspfad des Bei-rats den Weg in eine Wasserstoffwirtschaft zeichnet,sollten Technologien zur effizienten Vergasung derBiomasse, zur Herstellung von Treibstoffen aus Bio-masse sowie zu den zugehörigen Verteilungs- undNutzungsstrukturen weiter erforscht werden. DieHerstellung von Wasserstoff aus Biomasse solltesowohl über den Pfad der Vergärung und Reformie-rung als auch über die direkte Herstellung von Syn-thesegas weiter entwickelt werden. Da viele der ent-sprechenden Technologien auch modular realisiertwerden können, eignen sie sich für zentrale wiedezentrale Anwendungen. Letztere sind insbeson-

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217Technologieforschung und -entwicklung 6.3

dere für den Einsatz in Entwicklungsländern weiterzu untersuchen. Angepasste Herstellungsverfahrenfür biogenes Flüssiggas aus Bioenergie sollten entwi-ckelt werden.

Neuartige KonversionstechnikenEs darf erwartet werden, dass in der Zukunft derzeitnoch nicht vorhersehbare technische Entwicklungenzur besseren Erschließung erneuerbarer Energie-quellen oder neuartiger Konversionstechnologienführen werden. Anwendungsorientierte Grundla-genforschung sollte daher in erheblichem Umfangforciert werden. Hiermit sind vor allem wissenschaft-liche Untersuchungen mit besonders unsicheremAusgang bis hin zu „spekulativen“ Forschungengemeint (s. auch Beispiele im Absatz photovoltaischeStromerzeugung). Im Folgenden werden hierfüreinige Themen angeführt.• Photochemie: Photosynthese-ähnliche Membran-

strukturen, Wasserstofferzeugung über photo-elektrochemische Verfahren;

• Solarchemie: Synthese speicherbarer Energieträ-ger, Syntheseverfahren unter gleichzeitigem Ein-satz thermischer, optischer und elektrischer Ener-gie;

• Biotechnologie: mikrobielle Wasserstofferzeu-gung.

6.3.2Systemtechnologien einer nachhaltigenEnergieversorgung

Die speziellen Eigenschaften fluktuierender Ener-giequellen machen Forschung und Entwicklung beiSystemtechnologien zu einer grundlegenden Voraus-setzung der Transformation des Energiesystems(Kap. 3.4), da eine reibungslose Einbindung dererneuerbaren Quellen in die globalen Energiever-sorgungsstrukturen gewährleistet sein muss. Nebender Anpassung der Strukturen der globalen Elektri-zitätsversorgung ist die Weiterentwicklung der tech-nologischen Grundlagen einer Wasserstoffwirtschaft(Kap. 3.4.4) ein zentrales Element einer Transforma-tion gemäß des exemplarischen Pfads des Beirats.

Stromtransport und -speicherungStromerzeugung aus erneuerbaren Quellen kannnicht nur in mittleren Breiten, sondern besonderseffektiv in ariden, sonnenreichen Gebieten realisiertwerden. Für die Abstimmung zwischen Stromange-bot und -nachfrage im kontinentalen Maßstab istdaher der Stromtransport über große Entfernungenbei hoher Leistung und niedrigen Verlusten eineSchlüsseltechnologie.

Die Hochspannungsgleichstromübertragung undlangfristig auch die Hochtemperatursupraleitungsind daher voranzutreiben. Auf lange Sicht solltenstarke interkontinentale bidirektionale Stromnetzebis hin zum „Global Link“ als virtuellem Elektri-zitätsspeicher oder Fluktuationsglätter (im Zusam-menhang mit regelbaren Kraftwerken) entwickeltwerden (Kap. 3.4.3). Aufbau und Führung vonStromnetzen sollten hinsichtlich der großskaligenEinbindung fluktuierender erneuerbarer Energie-quellen verbessert werden.Alternative Konzepte zurSpeicherung von Strom und anderen Energieformensind weiter zu erforschen (z. B. Druckluft, Schwung-massen, supraleitende Magnetfeldspeicher). Elektro-chemische Speicher für den dezentralen Einsatz soll-ten im Hinblick auf ihren Einsatz z. B. in Automobi-len und netzfernen Solaranlagen fortentwickelt wer-den.

Verteilte Erzeugung in StromnetzenDie Nutzung der erneuerbaren Energiequellen imexemplarischen Transformationspfad (Kap. 4.4) lässtsich einteilen in dezentrale netzferne Anwendungen(z. B. Solar-Home-Systeme), zentrale vernetzteKraftwerke (z. B. geothermische Stromerzeugung)und dezentrale Erzeugung innerhalb von Netzen(z. B. Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerke; Kap.3.4). Insbesondere die dezentrale verteilte Erzeu-gung in Stromnetzen stellt eine große Herausforde-rung für zukünftige Netzregelungsstrategien dar. DieKommunikationstechnik für verteilte Stromerzeugermit dem übergeordneten Netz sollte dazu weiterent-wickelt werden (z. B. Steuern, Regeln, An- undAbmelden von Erzeugern wie im Internet). Zudemsollten Strategien zur optimalen Strom- und (dezen-tralen) Wärmenutzung und angepasste bidirektio-nale Netzarchitekturen und Sicherheitssysteme aufder Forschungsagenda stehen. Dafür ist als Grund-lage auch die Weiterentwicklung angepasster Stro-merzeuger (Brennstoffzellensysteme, Mikroturbinenusw.) unerlässlich. Die Leistungselektronik wirdzukünftig eine wichtige Schnittstelle zwischen ver-teilten Erzeugern und den Netzen darstellen undviele Zusatzfunktionen übernehmen (Verbesserungder Spannungsqualität usw.). Letztlich ist auch dieEntwicklung von Wärmespeichern mit hoher Spei-cherdichte und vernachlässigbarer Selbstentladungzu forcieren, was insbesondere im Hinblick auf eineEntkopplung von Stromerzeugung und Wärmebe-darf im Hausbereich von Interesse ist. IntelligenteRegelungen können hier die Verluste minimieren.

Wasserstofferzeugung, -transport und-speicherungWasserstoff ist wesentliches Element sowohl alsSekundärenergieträger als auch als Energiespeicher-

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218 6 Forschung für die Energiewende

medium in einem nachhaltigen Energiesystem, wiees im exemplarischen Pfad entworfen wird (Kap.3.4.4 und 4.4). Viele der dazu benötigten Technolo-gien sind jedoch noch nicht marktreif, so dass breitangelegte Forschung und Entwicklung notwendigbleibt. Bei der Herstellung von Wasserstoff sollte dieForschung sowohl die verschiedenen Elektrolysever-fahren auf der Basis von Strom als auch die diversenthermochemischen Produktionsverfahren auf derBasis von Kohlenwasserstoffen (z. B. Biomasse)berücksichtigen. Wasserstoffspeichersysteme fürdezentrale Anwendungen (z. B. im Automobil) sowiedie zentrale Großspeicherung von Wasserstoff inKombination auch mit Gastransporten sind weiter-zuentwickeln, wobei global relevante Leckagen vonWasserstoffsystemen vermieden werden müssen(Kap. 3.4.4.5). Auch Technologien zur Nutzung vonWasserstoff in Motoren und Turbinen sowie insbe-sondere auch das wichtige Feld der Brennstoffzellen-technologie benötigen weiteren technologischenFortschritt.

EnergiemeteorologieFür einen zuverlässigen großskaligen Einsatz erneu-erbarer fluktuierender Energiequellen sind diePotenzialangaben zu solaren und Windenergieflüs-sen global vor allem auch im Hinblick auf Entwick-lungsländer von großem Interesse. Auch die Vorher-sage lokaler Energieflüsse durch Fernerkundung(z. B. Satelliten) sollte weiterentwickelt werden (z. B.bodennahe Windgeschwindigkeiten im Bereich vonMinuten bis Tagen).

Angepasste Systemtechnik für dezentralenetzferne AnwendungenWenn über erneuerbare Energiequellen dezentraltechnisch nutzbare Energie zur Verfügung steht(Kap. 3.4.2), müssen auch die zugehörigen Energie-dienstleistungstechnologien entwickelt bzw. weiter-entwickelt werden. Dazu zählen beispielsweise netz-ferne Trinkwassertechnologien und Kommunika-tionstechnologien (Internetzugang usw.). Außerdemsind die elektrische Systemtechnik, die Leistungs-elektronik sowie die Regelungstechnik von solarenIndividual-Stromversorgungen (Solar-home-Sys-teme) über Kleinnetze (Dorfstromanlagen) bis hinzur Einbindung in größere Verbünde auf die speziel-len Anwendungsbereiche hin zu optimieren.

6.3.3Entwicklung von Verfahren zur effizienterenEnergienutzung

Eine effizientere Energienutzung entlang der gesam-ten Kette des Energiesystems (von der Konversion

von Primärenergie etwa in Kraftwerken bis hin zurBereitstellung von Energiedienstleistungen durchTechnologien wie etwa Haushaltsgeräte, Gebäude-Wärmedämmung oder Beleuchtung) ist eine wesent-liche Säule der Transformation der Energiesysteme(Kap. 3.5 und 4.4). Die Analyse der Potenziale undder Barrieren für ihre Umsetzung (UNDP et al.,2000) zeigt deutlich, dass Forschungsbedarf nicht nurin der Technologieforschung und -entwicklung imengeren Sinn besteht.Vielmehr sollte begleitend undergänzend sozioökonomische Forschung zum Abbauvon Barrieren sowie zur Schaffung geeigneterAnreizstrukturen und energiepolitischer Rahmen-bedingungen hinzu kommen. Auch Fragen der sozia-len Akzeptanz für verändertes Nutzerverhalten, dieAnwendung effizienterer Technologien, die intensi-vere Nutzung von Gebrauchsgütern (z. B. Carshar-ing) sowie die Entwicklung von Siedlungs- und Ver-kehrsstrukturen unter dem Gesichtspunkt der Ver-ringerung des Gesamtenergieeinsatzes sollten ver-mehrt erforscht werden (Kap. 3.5, 6.2).

Kraft-Wärme-KopplungDie wichtigste Einzeltechnologie zur Effizienzsteige-rung auf der Versorgungsseite ist die Kraft-Wärme-Kopplung (Kap. 3.3). Hier ist insbesondere die For-schung zur Erweiterung dezentraler Anwendungenzu intensivieren (Motoren, Gas- und Mikrogasturbi-nen, Brennstoffzellen, Kleinst-Blockheizkraftwerke,Stirlingmotoren).

Solare und energieeffiziente GebäudeDie Nutzung der Sonnenenergie im Gebäudesektor(Kap. 3.5.2) führt zu einer Reduzierung des Primär-energieeinsatzes und wird somit häufig zu den Ener-gieeffizienzsteigerungen gezählt. Da ein großer Teilder Energie im Gebäudesektor verbraucht wird, istdies ein essenzielles Element des Transformations-pfads (Kap. 4.4). Im Einzelnen zählen hierzu u. a. fol-gende Technikfelder: solar-optimierte Fenster mitoptischen Schalteigenschaften, solar aktive opakeFassadenelemente (z. B. transparente Wärmedäm-mung), Entwicklung neuer Wärmedämmsysteme(z. B. Vakuumdämmung). Die Entwicklung von flä-chigen Wärmespeichern hoher Energiedichte für dieOberflächenimplementation in Wänden und Deckenist ebenso anzustreben wie die Entwicklung zentra-ler, kompakter Wärmespeicher mit geringer Selbst-entladung. Komplementär zur solaren Gebäudetech-nik muss entsprechend angepasste Haustechnik ent-wickelt werden: neue Gebäudeklimatisierungs-techniken für die Niedrigenergiegebäude derZukunft, kleinste Heiz- und Kühlaggregate, Wärme-pumpen, Komponenten zur verteilten Strom– undWärmeproduktion usw. Auch Tageslichtsysteme zurinternen Beleuchtung von Gebäuden sind weiter zu

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219Technologieforschung und -entwicklung 6.3

entwickeln, z. B. Lichtlenk- und Verteilungssystememit implementierten Schalteigenschaften. Die Inte-gration solarer Energietechniken in die Gebäudehül-len sollte auch unter ästhetischen und Kostenge-sichtspunkten optimiert werden. Weiterhin wichtigist die Entwicklung städtebaulicher Planungsverfah-ren, die eine Optimierung der Solarenergienutzungin Gebäuden ermöglicht.

Rationelle Energienutzung in derIndustrieDie Forschung richtet sich derzeit mehr auf Techno-logien der Energiewandler, vernachlässigt aber dieVerbesserung der Energieeffizienz auf der Nutzener-gieebene. Staatliche Forschungsförderung solltediese Mängel kompensieren. Hohe Potenziale beste-hen bei der Substitution thermischer durch physika-lisch-chemische oder biotechnologische Produk-tionsprozesse, bei der Rückspeisung und Speiche-rung von Bewegungsenergie, bei der Erhöhung derMaterialeffizienz und der Wiederverwertung ener-gieintensiver Werkstoffe sowie bei der Substitutiondurch weniger energieintensive Materialien. Ent-sprechend ist verstärkte Forschung in diesen Berei-chen empfehlenswert. Zur effizienten industriellenStromnutzung sollte gezielter als bisher in den Indus-trien mit sehr hohem Strombedarf geforscht werden.(z. B. Aluminiumhütten und Metallschmelzen).

Effizienzsteigerung im TransportWährend langfristig der Einsatz neuer Technologieninsbesondere im Straßentransport wichtigerBestandteil der Transformation der Energiesystemeist, sollten kurz- und mittelfristig die Forschungsan-strengungen für mehr Effizienz im Straßen- undSchienenverkehr weitergeführt und verstärkt wer-den. Dies betrifft beispielsweise die Erhöhung derEffizienz bei Verbrennungsvorgängen und Gewicht-seinsparungen durch neue Materialien. Aber auchAnsätze zur Entwicklung multimodaler Infrastruk-turen sowie des Einsatzes von Informationstechnolo-gie (z. B. Telematik) sind weiter zu entwickeln.Schließlich ist auch die Forschung zu modernen Kon-zepten der Raum-, Stadt- und Verkehrsplanung mitdem Ziel der Senkung der Verkehrsleistung und desEnergieeinsatzes zu fördern.

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7

7.1Von der Vision zur Umsetzung: Chancen dernächsten 10–20 Jahre nutzen

Auf Basis der Analyse langfristiger Energieszenarienaus Kap. 4 und der in Kap. 5 dargelegten Handlungs-optionen werden hier zentrale politische Zielgrößensowie Maßnahmen mit Zeitpunkten ihrer Umset-zung vorgeschlagen (Abb. 7-1). Diese Ziele undMaßnahmen sollen dazu dienen, eine Verletzungökologischer oder sozioökonomischer Leitplankenzu verhindern oder einen nicht nachhaltigen Zustandjenseits der Leitplanke wieder in einen Zustandinnerhalb der Leitplanken zu überführen (Abb. 7-2).Die vom WBGU empfohlenen Zielgrößen und Maß-nahmen geben vor, welche Richtung eingeschlagenwerden muss, um eine globale Energiewende zuermöglichen. Angesichts der bestehenden Unsicher-heiten bei der Abschätzung künftiger Entwicklungenbleibt eine ständige Überprüfung der Zielsetzungen,die Berücksichtigung neuer wissenschaftlicherErkenntnisse und technologischer Fortschritte sowiedie entsprechende Justierung der Ziele und Maßnah-men unerlässlich. Die hier angeführten Ziele undMaßnahmen sind zugleich wichtige Elemente dervom WBGU vorgeschlagenen Weltenergiecharta(Kap. 5.3.2). Besonderer Handlungsbedarf besteht inden kommenden 10–20 Jahren, in denen sich die ent-scheidende Gelegenheit für den Umbau der globalenEnergiesysteme bietet. Die beabsichtigten Effektesind erst mit einem gewissen Zeitabstand zu erwar-ten. Diese Verzögerungswirkung macht rasches Han-deln umso wichtiger. Die Bundesregierung sollte ihrinternationales Gewicht nutzen und die Transforma-tion der Energiesysteme im Rahmen globaler Struk-turpolitik engagiert vorantreiben.

7.2Natürliche Lebensgrundlagen schützen

Eines der beiden übergeordneten Ziele der WBGU-Transformationsstrategie ist der Schutz der natür-

lichen Lebensgrundlagen, das andere ist die Beseiti-gung von Energiearmut (Kap. 7.3).

7.2.1Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren

Um die globale Erwärmung in tolerablen Grenzenzu halten, ist es notwendig, die Kohlendioxidemissio-nen bis 2050 gegenüber 1990 weltweit um mindestens30% zu reduzieren (Kap. 4). Dies betrifft in ersterLinie die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffenbei Wärme- und Stromgewinnung sowie die Emissio-nen des Verkehrs, die heute zusammen weltweit etwa85% aller CO2-Emissionen ausmachen. Die Indus-trieländer müssen ihre Emissionen um etwa 80%reduzieren, während den Entwicklungs- und Schwel-lenländern ein Anstieg um maximal 30% zugestan-den wird. Der Höchstwert der Emissionen von Ent-wicklungs- und Schwellenländern sollte dabei schonfrüher (zwischen 2020 und 2030) durchlaufen sein(Kap. 4). Da ohne Energiewende in den Entwick-lungs- und Schwellenländern für den gleichen Zeit-raum eine Verdopplung bis Vervierfachung derEmissionen erwartet werden kann, ist auch in diesenLändern ein rasches Umschwenken auf einen alter-nativen Technologiepfad bei der Energieerzeugungund -nutzung notwendig. Der Schwerpunkt solltedabei auf erneuerbare Energien und Effizienzmaß-nahmen gelegt werden. Zusätzlich sind flankierendeMaßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft not-wendig. Insbesondere gilt es, die in der Vegetationund in den Böden gespeicherten Kohlenstoffvorrätezu schützen.

Wegen der beträchtlichen Unsicherheit, z. B. auchüber die angenommene Sensitivität des Klimas, sinddie angegeben Reduktionsziele als Mindestvorgabenzu bewerten. Dazu empfiehlt der WBGU,• bis 2005 auf nationaler und europäischer Ebene

bei der Umsetzung des Art. 3.2 des Kioto-Proto-kolls (nachweisbarer Fortschritt) eine Vorreiter-rolle zu übernehmen. Dies würde das Vertrauen inden Prozess stärken und die Basis für die Einbe-

Stationen des WBGU-Transformations-fahrplans: politische Zielgrößen,Zeitpläne und Maßnahmen

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222 7 Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans

Öl

Kohle

Gas

KernenergieWasserkraftBiomasse (traditionell)Biomasse (modern)Wind

Solarstrom (Photovoltaik und solar thermische Kraftwerke)

Solarthermie (nur Wärme)Andere ErneuerbareGeothermie

200

400

600

800

1.000

0

2003 2010 2020 2030 2040 2050Kioto-1 Kioto-2 Jahr

Global: Ausgaben zur Deckung des elementarsten Energiebedarfs maximal 10% des Haushaltseinkommens

OECD: ODA auf 0,5% des BIP aufstocken, langfristig auf 1% des BIP

EU: KWK-Anteil an Stromerzeugung auf 20% erhöhen

Global: Energieversorgung in PRSP-Prozess integrieren

OECD: Neue Entschuldungsinitiativen anstoßen

Global: Neues GEF-Fenster für nachhaltige Energiesysteme einrichten

Global: Energiecharta verabschieden und Globales Ministerforum für nachhaltige Energie gründen

OECD: Emissionsabhängiges Nutzungsentgelt für den internationalen Flugverkehr einführen

OECD: Mittel für Energieforschung auf 10% an Gesamtforschung steigern

OECD: Ökologische Finanzreform realisieren, langfristig global

Global: Multilaterales Energiesubventionsabkommen verabschieden

Global: Standards für CDM-Projekte festlegen

Global: International Sustainable Energy Agency sowie IPSE und WERCP gründen

Global: Kapazitäten in Entwicklungsländern ausbauen und Technologien transferieren

Global: Mindestversorgung von 500 kWh pro Kopf und Jahr sicherstellen, bis 2050 auf über 700 kWh steigern

Global: Zugang zu moderner Energie für alle Menschen sicherstellen

Kioto-Vertragsstaaten: Ziele für Emissionsreduktionen für Industrieländer bis 2008 fortschreiben,Entwicklungsländer bis 2020 in Emissionskontrolle einbeziehen

Global: Aus Atomkraft aussteigen

Global: Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix auf 20% steigern, bis 2050 auf 50%

Global: Energieproduktivität verdreifachen

Kioto-Annex-B-Länder: Treibhausgasemissionen um 40% senken, bis 2050 um 80% (Basis 1990)

Entwicklungsländer: Steigerung der Treibhausgasemissionen im Maximum auf 30% gegenüber 1990 begrenzen

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Global: Quoten für erneuerbare Energien einführen

Abbildung 7-1Der WBGU-Transformationsfahrplan im Überblick. BIP Bruttoinlandsprodukt, CDM Clean Development Mechanism, GEFGlobale Umweltfazilität, IPSE Intergovernmental Panel on Sustainable Energy, KWK Kraft-Wärme-Kopplung, ODA OfficialDevelopment Assistance, OECD Organisation for Economic Co-operation and Development, PRSP Poverty ReductionStrategy Papers, WERCP World Energy Research Coordination Programme.Quelle: WBGU

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ziehung der Entwicklungs- und Schwellenländerschaffen;

• bis 2008 die Fortschreibung des Kioto-Protokollsmit Reduktionszielen für Industrieländer (dieetappenweise in weiteren Verpflichtungsperiodenvereinbart werden) sowie Auflagen zur Emis-sionskontrolle für Entwicklungsländer bis späte-stens 2020. Schwellenländer sollten bereits frühererste quantifizierte Auflagen annehmen. Zudemsollte bis 2005 der Art. 2 der Klimarahmenkon-vention (Vermeidung von Treibhausgaskonzen-trationen, die zu „gefährlicher Klimaänderung“führen) konkretisiert werden;

• den effektiven Schutz der biosphärischen Kohlen-stoffvorräte in die internationale Klimaschutzpo-litik aufzunehmen;

• die Erschließung von Reduktionspotenzialen inEntwicklungs- und Schwellenländern durch ver-stärkte Zusammenarbeit mit Industrieländern.Dies kann durch freiwillige Partnerschaften, För-derung des Clean Development Mechanism unddurch darüber hinausgehenden Technologietrans-fer geschehen;

• die rasche Aufnahme quantifizierter Reduktions-pflichten für die Emissionen des Flug- und Schiffs-verkehrs in das Kioto-Protokoll;

• den Emissionen aus Landwirtschaft und Landnut-zungsänderungen besondere Beachtung zu schen-ken. Wegen ihrer zukünftig wahrscheinlich wach-senden Bedeutung sollten Emissionsreduktions-potenziale erforscht werden;

• bis 2020 sollten alle Subventionen für fossile Ener-gien und Kernkraft in Industrie- und Transforma-tionsländern vollständig abgebaut werden, bis2030 weltweit. Bis 2020 sollte zudem die Subven-tionierung fossiler Energieträger in Entwicklungs-ländern abgebaut werden (Kap. 7.7.2).

7.2.2Energieproduktivität erhöhen

Um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, solltedie globale Energieproduktivität (Bruttoinlandspro-dukt pro Energieeinsatz) jährlich zunächst um 1,4%und möglichst bald um mindestens 1,6% gesteigertwerden. Bis zum Jahr 2030 sollte gegenüber 1990eine Verdopplung der Energieproduktivität erreichtwerden. Diese Steigerung umfasst erhöhte Wir-kungsgrade bei der Umwandlung von Primär- inEndenergie, nachfrageseitige Effizienzsteigerungenund strukturelle Veränderungen der Volkswirtschaft.Geeignete Foren und Anknüpfungspunkte für die

223Natürliche Lebensgrundlagen schützen 7.2

nicht nachhaltiger Bereich

Leitplanke

Ist-Zustand

Ist-Zustand

Maß

nahm

e

Ziel: Vermeidung nicht nachhaltiger Entwicklungen

Ziel: Herausführen aus dem nicht nachhaltigen Bereich

Maß

nahm

eM

aßna

hme

Grenzbereich

Maß

nahm

e

Abbildung 7-2 Zusammenhang vonLeitplanken, Maßnahmenund zukünftigerSystementwicklung.Die Abbildung zeigtmögliche Zustände einesSystems bezüglich seinerNachhaltigkeit, aufgetragenüber der Zeit. Dermomentane Zustand einesSystems relativ zurLeitplanke (Ist-Zustand)kann im grünen Bereichliegen („nachhaltigerBereich“, nach bestemderzeitigen Kenntnisstand),oder im roten („nichtnachhaltiger Bereich“).Wenn sich ein System imnicht nachhaltigen Bereichbefindet, muss es durchgeeignete Maßnahmen sogesteuert werden, dass es„durch“ die Leitplanke inden nachhaltigen Bereichhinein kommt. Von dieserSeite aus ist die Leitplankealso durchlässig. Befindet sich ein System im nachhaltigen Bereich, gibt es zunächst keine weiteren Vorgaben. Das System kannsich im freien Spiel der Kräfte entwickeln. Erst wenn das System sich von der nachhaltigen Seite aus auf Kollisionskurs miteiner Leitplanke befindet, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verletzung der Leitplanke zu verhindern. Von dieserSeite aus ist die Leitplanke also undurchlässig. Da sich die Leitplanken durch künftigen Wissensfortschritt verändern können,ist das Einhalten der derzeitigen Leitplanken kein hinreichendes, sondern nur ein notwendiges Kriterium für Nachhaltigkeit.Quelle: WBGU

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224 7 Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans

politische Umsetzung dieser Ziele wären EU-Richt-linien, ein noch zu gründendes „Globales Ministerfo-rum für Nachhaltige Energie“ oder falls notwendigeine ebenfalls noch zu gründende „InternationaleAgentur für nachhaltige Energie“ (Kap. 7.5). Bis2050 sollten zudem bei großen, fossil betriebenenKraftwerken Mindestwirkungsgrade von über 60%angestrebt werden. Dazu empfiehlt der WBGU,• ab 2005, ausgehend von der EU-Richtlinie über

die integrierte Vermeidung und Verminderungder Umweltverschmutzung, die stufenweise Eta-blierung internationaler Standards für Mindest-wirkungsgrade fossil betriebener Kraftwerke;

• bis 2012 20% des Stroms in der EU durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu erzeugen (EU-Ziel:18% bis 2012). Dazu sollte sich die Bundesregie-rung im Rahmen der laufenden Verhandlungender EU-KWK-Richtlinie für eine anspruchsvolleDefinition von „Qualitäts-KWK“ und für diezügige Festlegung von verbindlichen nationalenZielquoten einsetzen;

• ökologische Finanzreformen als wesentlicheInstrumente zur Schaffung von Anreizen für mehrEffizienz einzuleiten. Dazu gehören Maßnahmenzur Internalisierung externer Kosten (z. B. CO2-Steuer, Zertikatehandel) und der Abbau von Sub-ventionen für fossile und nukleare Energieträger;

• die Endverbraucher besser zu informieren, um dieEnergieeffizienz zu steigern, z. B. durch Kenn-zeichnungspflichten für alle energieintensivenGüter, Gebäude und Dienstleistungen. BeiGütern, die international gehandelt werden, isteine länderübergreifende Harmonisierung vonEffizienzstandards und Labels empfehlenswert;

• die großen Effizienzpotenziale in der Nutzung derHeiz- und Kühlungsenergie durch ordnungsrecht-liche Regelungen bei Wärmedämmung und-schutz von Gebäuden auszuschöpfen.

7.2.3Erneuerbare Energien erheblich ausbauen

Um den Schutz der natürlichen Umwelt trotz welt-weit steigender Nachfrage nach Energiedienstleis-tungen zu gewährleisten und die Risiken der Ener-giegewinnung auf ein vertretbares Maß zu senken,sollte der Anteil der erneuerbaren Energien am glo-balen Energiemix bis 2020 von derzeit 12,7% auf20% erhöht werden (davon maximal 2% traditio-nelle Biomasse), mit dem langfristigen Ziel, bis 2050über 50% zu erreichen (davon maximal 0,5% tradi-tionelle Biomasse). Ökologische Finanzreformenwerden zu einer Verteuerung fossiler und nuklearerEnergieträger führen und damit deren Anteil am glo-balen Energiemix zurückdrängen. Der Anteil erneu-

erbarer Energien wird folglich ansteigen. DieserAnstieg wird jedoch deutlich unter der angestrebtenErhöhung auf 20 bzw. 50% liegen. Der WBGU plä-diert daher für einen aktiven Ausbau erneuerbarerEnergien. Dabei sollten bei der Wasserkraft ausNaturschutzgründen nicht alle Potenziale genutztwerden. Der WBGU empfiehlt,• dass sich die Länder auf nationale Quoten eini-

gen. Um die Kosten zu minimieren, sollte bis 2030ein weltweites System international handelbarerQuoten angestrebt werden. In solch einem flexi-blen System sollte allerdings jedes Land verpflich-tet werden, einen wesentlichen Teil seiner Quoteim Rahmen der einheimischen Energiegewinnungzu erfüllen;

• Markteinführungsstrategien (z. B. zeitlich be-grenzte Subventionen, Einspeisevergütungen,Quotenmodelle) fortzusetzen und auszubauen.Bis ein nennenswertes Marktvolumen erreichtwird, zählen Einspeisevergütungen mit einer zeit-lichen Degression der Vergütungssätze zu denbesonders sinnvollen Optionen. Wenn ein ausrei-chend großes Marktvolumen einzelner Energie-träger erreicht ist, sollte die Förderung in ein Sys-tem handelbarer Quoten und gegebenenfalls vonGreen Energy Certificates überführt werden;

• die Investitionen in Forschung und Entwicklungauf dem Energiesektor aufbauend auf der schonvorhandenen Grundlage weiter zu stärken undvon heutigen Werten aus bis 2020 mindestens zuverzehnfachen. Der Schwerpunkt sollte auf erneu-erbare Energien und Effizienzmaßnahmen verla-gert werden (Kap. 6);

• das Energiesystem für den großskaligen Einsatzfluktuierender erneuerbarer Quellen zu ertüchti-gen. Dazu zählen insbesondere eine leistungsfähi-gere Netzregelung, angepasste Regelungsstrate-gien für verteilte Energieerzeuger, die Ertüchti-gung der Netze für eine starke Durchdringung mitverteilten Energieerzeugern sowie ihr Ausbau bishin zu internationalen Energietransportstruk-turen („Global Link“). Später sollte der Aufbaueiner Infrastruktur für Wasserstoffspeicherungund -verteilung unter Nutzung von Erdgas alsBrückentechnologie erfolgen;

• personelle und institutionelle Kapazitäten in Ent-wicklungsländern (z. B. durch Partnerschaften vondeutschen Einrichtungen mit solchen in Entwick-lungsländern) aufzubauen und zu stärken sowieden Technologietransfer zu intensivieren;

• ab 2005 in der Exportkreditförderung progressiveMindestauflagen für die zulässige Kohlenstoffin-tensität bei Energieerzeugungsprojekten festzule-gen;

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225Energiearmut weltweit beseitigen 7.3

• die Verbreitung und Weiterentwicklung der Tech-nologien des solaren und energieeffizienten Bau-ens entschieden zu fördern.

7.2.4Aus der Kernkraft aussteigen

Die Nutzung der Atomenergie hat sich in der Ver-gangenheit vor allem wegen der Risiken von Endla-gerung, Wiederaufarbeitung, Proliferation und Ter-rorismus als nicht nachhaltig erwiesen (Kap. 3.2.2).Aus diesem Grund sollten keine neuen Kernkraft-werke mehr genehmigt und gebaut werden mit demZiel, bis 2050 weltweit die Nutzung der Kernkraftbeendet zu haben. Dazu empfiehlt der WBGU,• internationale Verhandlungen für den Ausstieg

aus der Nutzung der Kernkraft anzustreben.Anknüpfungspunkt könnte eine Statutenände-rung der Internationalen Atomenergie-Organisa-tion (IAEA) sein;

• bis 2005 die Etablierung neuer schärferer IAEA-Sicherheitsstandards für alle Plutoniumlagerstät-ten sowie erweiterte Kontroll- und Maßnahmen-kompetenz der IAEA bei Sicherheitsbestimmun-gen im Bereich Terrorismus und Proliferation;

• ab 2010 den Kraftwerksbetrieb nur noch gegenEntsorgungsnachweis für Kernbrennstäbe zuzu-lassen, hierzu sollte in der IAEA ein Prozess ein-geleitet werden;

• bis 2010 EU-Moratorien für die Wiederaufberei-tungsanlagen in Sellafield und LaHague zu prü-fen. Als Anknüpfungspunkt kann hier das Über-einkommen zum Schutz der Meeresumwelt desNordostatlantiks (sog. OSPAR-Abkommen) die-nen;

• bis 2010 die internationale Harmonisierung vonSicherheitsstandards mit deutlich erhöhten Versi-cherungspflichten bei Kernkraftwerken mit demZiel, die Versicherungspflicht vollständig privatabzuwickeln. Zudem sollten steuerliche Vergün-stigungen abgebaut werden. Anknüpfungspunktewären die geplante EU-Richtlinie zu Sicherheits-standards von Kernkraftwerken sowie das neueAnti-Terrorismusprogramm der IAEA.

7.3Energiearmut weltweit beseitigen

Das zweite übergeordnete Ziel der WBGU-Trans-formationsstrategie ist es, den Zugang zu modernenEnergieformen in den Entwicklungsländern sicherzu stellen, auszubauen und somit Energiearmut welt-weit zu beseitigen. Dies ist ein grundlegender Beitragzur Armutsbekämpfung – das Erreichen der Ziele

der Milleniumserklärung wird wesentlich durch dieEnergieversorgung beeinflusst. Um die Energiear-mut zu überwinden, müssen im Zeitalter der Globa-lisierung die erforderlichen Weichenstellungen nichtnur in den betroffenen Ländern selbst, sondern auchdurch internationale Rahmensetzungen erfolgen.

7.3.1Globale Mindestversorgung anstreben

Zugang zu moderner Energie verbessernNoch immer haben 2,4 Mrd. Menschen keinenZugang zu moderner Energie. Davon sind vor allemArme in den am wenigsten entwickelten Ländernbetroffen. Besondere Herausforderungen sind dieUmstellung von gesundheitsschädlicher Biomasse-nutzung zum Kochen und Heizen auf moderne Ener-gieträger sowie die Versorgung mit Energiedienst-leistungen, die vom Zugang zu Elektrizität abhängen(Kap 4.4.2.2). Der WBGU empfiehlt als internatio-nal anzustrebendes Ziel, dass alle Menschen zurDeckung des elementarsten Energiebedarfs ab 2020mindestens 500 kWh pro Kopf und Jahr, ab 2050 700kWh pro Kopf und Jahr und bis 2100 1.000 kWh proKopf und Jahr an moderner Endenergie zur Verfü-gung haben sollen.

Bei allen Maßnahmen zur Transformation derEnergiesysteme sollte auf eine Verringerung derregionalen und sozioökonomischen Disparitätengeachtet werden. Benachteiligte Gruppen sind dabeibesonders zu fördern und kultur- sowie geschlechts-spezifische Besonderheiten zu beachten.

Der WBGU hält es für gerade noch zumutbar,wenn arme Haushalte maximal ein Zehntel ihresEinkommens zur Deckung ihres Bedarfs an elemen-tarsten Energiedienstleistungen (500 kWh pro Kopfund Jahr) ausgeben müssen. Daraus ergibt sich inEinzelfällen die Notwendigkeit zur Quersubventio-nierung bzw. sozialen Transfers („Strom- und Heiz-geld“). Bis spätestens 2050 sollte sichergestellt wer-den, dass kein Haushalt gezwungen ist, mehr als 10%des Einkommens zur Deckung des elementarstenEnergiebedarfs zu verwenden.

Ziele der UN-MilleniumserklärungumsetzenDer Zugang zu moderner Energie ist ein zentralerBeitrag zur Erfüllung der in der Milleniumserklä-rung der Vereinten Nationen vereinbarten Entwick-lungsziele. Insbesondere ist die Minderung der Luft-verschmutzung in Innenräumen aufgrund der hohenGesundheitsgefährdung bedeutsam. Hinzu kommtdie Außenluftverschmutzung in Innenstädten. ZumSchutz vor Atemwegserkrankungen sollte aus dengesundheitsschädlichen Formen traditioneller Bio-

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226 7 Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans

massenutzung ausgestiegen werden (Kap. 3.2.4,4.4.2.8).

7.3.2Internationale Zusammenarbeit auf nachhaltigeEntwicklung ausrichten

Neue Weltbankpolitik in FörderpraxisumsetzenDie Weltbank, die die Länder beim Ausbau ihrerEnergiesysteme unterstützt, sollte sich nach Ansichtdes WBGU auch als Förderbank für nachhaltigeEnergie verstehen, um z. B. auch das Überspringentechnologischer Entwicklungsstufen zu erleichtern.Die Weltbank hat bei der Förderung der Energie-wende den Schritt von der konzeptionellen zur ope-rativen Ebene noch nicht ausreichend vollzogen.Dringend erforderlich ist daher auch die Umsteue-rung ihrer Förderpraxis, die bisher nach dem Least-cost-Prinzip vorwiegend fossile Energieträger finan-ziert, d. h. einzelwirtschaftlich rentable Energiefor-men unterstützt, ohne eine Internalisierung negati-ver Externalitäten sicherzustellen. Übergangsweisewären insbesondere Brückentechnologien wiemoderne Gaskraftwerke mit entsprechender Infra-struktur zu fördern. Eine geringere Gewichtung desLeast-cost-Prinzips setzt jedoch voraus, dass dieFinanzmittel für die multilaterale Entwicklungsfi-nanzierung deutlich aufgestockt werden. DerWBGU empfiehlt • die zügige Umsetzung der neuen Förderkonzep-

tion der Weltbank in der Praxis. Dazu sollte sichdie Bundesregierung im Rahmen ihrer Mitglied-schaft im Verwaltungsrat der Weltbank einsetzen.

Nachhaltige Energieversorgung inArmutsbekämpfungsstrategien integrierenDie nachhaltige Energieversorgung sollte adäquat indie Armutsbekämpfungsstrategien multilateralerOrganisationen wie IWF und Weltbank integriertwerden. Diese begannen Ende 1999 ihre Politikgegenüber den am wenigsten entwickelten Ländernauf Armutsbekämpfung auszurichten. Die „PovertyReduction Strategy Papers“ (PRSP) sollen als Steu-erungsinstrumente für die mittelfristige Entwicklungder Länder dienen sowie Grundlage für die Einwer-bung internationaler Unterstützung sein (Kap.5.3.3.3). Die Beseitigung der Energiearmut gehörtnicht zu den Verhandlungsgegenständen des derzeitlaufenden PRSP-Prozesses. Der WBGU empfiehlt• die nachhaltige Energieversorgung in die PRSP-

Strategien zu integrieren, um sicherzustellen, dassdas Thema Energie in der Entwicklungszusam-menarbeit (EZ) einen größeren Stellenwerterhält. Damit wäre die Energiepolitik im Rahmen

der EZ noch kohärenter mit der Armutsbekämp-fungspolitik verknüpft.

Rolle der regionalen EntwicklungsbankenstärkenDie Rolle der regionalen Entwicklungsbanken solltegestärkt werden. Diese verfügen über eine guteregionale Verankerung und stehen den Problemenvor Ort nahe. Daher können sie wichtige Partner zurÜberwindung der Energiearmut in den Niedrigein-kommensländern sein. Voraussetzung ist allerdings,dass zunächst die Managementkapazitäten der Ent-wicklungsbanken schrittweise gestärkt und ausge-baut werden. Der WBGU empfiehlt, dass• sich Deutschland im Rahmen seiner Beteiligung

an diesen Banken und im Rahmen der EU für dieFörderung der Energieversorgung in den Niedrig-einkommensländern durch die regionalen Ent-wicklungsfonds einsetzt, die von den Entwick-lungsbanken verwaltet werden;

• die EU den Europäischen Entwicklungsfondsgezielt zur Förderung erneuerbarer Energieträgerin den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) einsetzt. Diese Länder schaffen es in derRegel nicht aus eigener Kraft, die Versorgungihrer Bevölkerung mit modernen Energieformenzu sichern.

7.3.3Handlungsfähigkeit der Entwicklungsländerstärken

Wirtschaftliche und soziale Entwicklungin den Niedrigeinkommensländern fördernFür die Energiewende ist ein Mindestmaß wirt-schaftlicher Entwicklung Voraussetzung. In vielenLändern wird das hierfür erforderliche Pro-Kopf-Einkommen (Kap. 4.3.2.5) bei weitem nicht erreicht.Daher empfiehlt der WBGU, die Entwicklungszu-sammenarbeit nicht allein bei den Basisdienstleis-tungen und zur nachhaltiger Energieversorgung zuverstärken, sondern die Zusammenarbeit speziellmit Niedrigeinkommensländern quantitativ undqualitativ zu intensivieren. Zudem sollte im Rahmender „Entwicklungsrunde“ der WTO auf verbesserteZugangsmöglichkeiten für Güter aus allen Niedrig-einkommensländern zu den Märkten in Industrie-und Schwellenländern gedrängt werden.

Neue Entschuldungsinitiativen anstoßen In der Regel haben hoch verschuldete Entwicklungs-länder nur geringe Spielräume, um Preisschwankun-gen auf den Weltenergiemärkten zu verkraften, Effi-zienzverbesserungen ihrer Energieversorgung zufinanzieren und die Anwendung erneuerbarer Ener-

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227Finanzmittel für die globale Energiewende mobilisieren 7.4

gietechnologien voranzutreiben. Um die Transfor-mation durchzuführen, bedarf es weit reichenderSchuldenregulierungen. Der WBGU empfiehlt, dass• sich die Bundesregierung im Rahmen der G7/G8

für neue Entschuldungsinitiativen einsetzt.

7.3.4 Regulatorische und privatwirtschaftliche Elementekombinieren

Die Verbesserungen des Zugangs zu modernenEnergieformen mit geringen Emissionen sowie zuerneuerbaren Energien und eine Erhöhung der Effi-zienz der Energienutzung in Entwicklungs-, Schwel-len- und Transformationsländern sind durch Maß-nahmen auf der Angebots- und der Nachfrageseitezu erreichen.

Angebotsseite: Liberalisierung undPrivatisierung mit regulatorischenEingriffen kombinierenAuf der Angebotsseite sind Privatisierung und Libe-ralisierung mit regulatorischen Eingriffen des Staatszu kombinieren. Je nach den spezifischen Gegeben-heiten einer Region wird der Mix dieser drei Berei-che unterschiedlich ausfallen müssen. Im Fall vonLiberalisierung und Privatisierung sind attraktiveRahmenbedingungen für private Investoren und dieErschließung internationaler Kapitalquellen erfor-derlich. Im Fall eines stärkeren Engagements durchden Staat ist die Festlegung von Standards ebensowichtig wie ein Ausbau von Public-Private Partner-ships, möglichst unterstützt durch bi- und multilate-rale Entwicklungszusammenarbeit.

Nachfrageseite: Kaufkraft vonArmutsgruppen erhöhenAuf der Nachfrageseite muss es darum gehen, dieKaufkraft insbesondere von Armutsgruppen imBereich Energie zu erhöhen. Dies kann durch ziel-gruppenspezifische Subventionen ebenso erfolgenwie durch einen Ausbau von Mikrofinanzierungssys-temen. Um nicht nur die Kaufkraft, sondern auch dieBereitschaft zu erhöhen, Energie nachhaltiger zunutzen als bisher, ist bei Maßnahmen auf der Nach-frageseite kultur- und geschlechtsspezifischen Rah-menbedingungen Rechnung zu tragen.

7.4Finanzmittel für die globale Energiewendemobilisieren

Für die Finanzierung der globalen Energiewendesollten unverzüglich zusätzliche Finanzmittel mobili-

siert und neue Transfermechanismen geschaffen bzw.bestehende gestärkt werden, um wirtschaftlichschwächere Länder bei der Transformation ihrerEnergiesysteme zu unterstützen. Der WBGUbegrüßt das 2002 auf dem Weltgipfel für NachhaltigeEntwicklung angekündigte Programm „NachhaltigeEnergie für Entwicklung“ zum Aufbau strategischerPartnerschaften. Dafür werden von der deutschenBundesregierung in den nächsten fünf Jahren insge-samt 1 Mrd. Euro bereitgestellt: 500 Mio. Euro fürerneuerbare Energien und 500 Mio. Euro für dieSteigerung der Energieeffizienz.

Privates Kapital mobilisierenAus Effizienzgründen ist es wünschenswert, dass einerheblicher Teil der erforderlichen Investitionenvom Privatsektor getragen wird. Um privates Kapitelfür die globale Energiewende zu mobilisieren, emp-fiehlt der WBGU• die Politikberatung im Rahmen der Entwick-

lungszusammenarbeit zu intensivieren, um diePartnerländer zu befähigen, investitionsfreundli-che Rahmenbedingungen zu schaffen;

• im Rahmen von Public-Private Partnerships klei-nen und mittelständischen Anbietern erneuerba-rer Energietechnologien den Zugang zu denMärkten in den Entwicklungsländern zu erleich-tern;

• bis 2010 einen deutschen und wenn möglich EU-Standard für den Clean Development Mechanism(CDM) zu schaffen. Dieser Standard sollte bis aufzu begründende Ausnahmen nur CDM-Projektezur Förderung regenerativer Energien (Aus-nahme: große Wasserkraft), zur Steigerung derEnergieeffizienz bestehender Anlagen oder zumnachfrageseitigen Management zulassen.

Mittel für dieEntwicklungszusammenarbeit erhöhenMit 0,27% am BIP im Jahr 2001 sind die deutschenMittel für Entwicklungszusammenarbeit weit vominternational vereinbarten und auf der Konferenzüber Entwicklungsfinanzierung in Monterrey imJahr 2002 bestätigten 0,7%-Ziel entfernt und liegenauch im europäischen Vergleich am unteren Ende.Dem Problemdruck angemessen wäre sogar eineSteigerung der Beiträge auf rund 1% des BIP.Deutschland hat sich in Monterrey dazu verpflichtet,die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusam-menarbeit (ODA) bis 2006 auf 0,33% des BIP zuerhöhen.• Der WBGU empfiehlt nachdrücklich eine Aufsto-

ckung der ODA-Mittel über die bis 2006 ange-kündigten 0,33% hinaus und schlägt vor, als erstenSchritt bis 2010 mindestens 0,5% des BIP fürODA aufzuwenden.

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228 7 Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans

Innovative FinanzierungsinstrumentenutzenOhne die Erschließung neuer Finanzierungsquellenist die globale Energiewende nicht umsetzbar. Insbe-sondere sollten die Potenziale geprüft werden, diesich aus der Erhebung von Entgelten für die Nutzungglobaler Gemeinschaftsgüter ergeben. Der WBGUempfiehlt,• ab 2008 ein emissionsabhängiges Nutzungsentgelt

für den internationalen Flugverkehr zu erheben,soweit dieser bis dahin nicht internationalenReduktionsverpflichtungen unterworfen ist;

• dass die Ausgangsverteilung der Emissionszertifi-kate mit einem Zeithorizont von 20–30 Jahren aneinem modifizierten Pro-Kopf-Ansatz ausgerich-tet wird. Dies könnte (je nach Ausgestaltung)unter Einhaltung der WBGU-Klimaleitplankeneinen geschätzten Finanztransfer in der Größen-ordnung von mehreren hundert Milliarden Eurovon den Industrie- zu den Entwicklungsländernauslösen.

GEF als internationaleFinanzierungsinstitution stärkenDie Globale Umweltfazilität (GEF) ist ein wichtigerKatalysator für Maßnahmen zum globalen Umwelt-schutz. Sie hat sich bewährt und sollte weiter gestärktwerden. Nach dem Incremental-costs-Ansatz werdenvon der GEF nur die Mehrkosten für Projekte vonglobalem Nutzen übernommen. Der WBGU emp-fiehlt,• bis 2005 die finanzielle Förderung von Effizienz-

technologien und erneuerbarer Energien in einemneu zu schaffenden Fenster der GEF zu bündeln(„Fenster für nachhaltige Energiesysteme“). Umbei der Mittelverwendung auch verstärkt entwick-lungspolitische Aspekte berücksichtigen zu kön-nen, sollte eine Vereinfachung des Incremental-costs-Ansatzes erwogen werden. Mit Blick aufden hohen Finanzbedarf zur Förderung der globa-len Energiewende sind die Mittel der GEF (der-zeit 3 Mrd. US-$ für die dritte Phase von 2002-2006) beträchtlich aufzustocken.

7.5Modellprojekte als strategischen Hebel nutzenund Energiepartnerschaften eingehen

Modellprojekte mit SignalwirkunginitiierenDer WBGU plädiert dafür, Modellprojekte in gro-ßem Maßstab zur Einführung neuer erneuerbarerEnergien als strategischen Hebel für eine globaleEnergiewende einzusetzen. Von solchen Modellpro-jekten könnte eine weltweite Signalwirkung ausge-

hen. Sie würden veranschaulichen, wie Technologie-sprünge in Energieprojekten umgesetzt werden kön-nen. Der WBGU empfiehlt, folgende Modellpro-jekte zu initiieren (Kap. 5.3.7):• EU-Energiepartnerschaft mit Nordafrika: Die EU

sollte eine strategische Energiepartnerschaft mitNordafrika aufbauen. Zu einer entsprechendenStrategie zählen der Bau großer Kraftwerke fürerneuerbar hergestellten Strom in Nordafrika, dieBereitstellung von Übertragungskapazitäten inseuropäische Verbundnetz und der Aufbau einereuropäischen Anlaufstelle für die nordafrikani-schen Projektpartner wie auch der europäischenInvestoren.

• Dezentrale Energieversorgung durch Flüssiggas:In Entwicklungsländern führt die traditionelleNutzung von Biomasse zu erheblichen Gesund-heitsschäden, die durch die schrittweise Substitu-tion von Drei-Steine-Herden durch Flüssiggas-Kocher abgewendet werden könnten. In diesemZusammenhang wäre es vorteilhaft, Flüssiggasoder einen ähnlichen Energieträger auf der Basismoderner Biomasse herzustellen.

• Energieeffiziente Gebäude im Niedrigkostensektoram Beispiel südafrikanischer Townships: Im Rah-men der Entwicklungszusammenarbeit sollten inKooperation mit südafrikanischen PartnernDemonstrationsprojekte des energieeffizientenund kostengünstigen Bauens umgesetzt werden.Wegen des Multiplikatoreffektes sollten dieseProjekte in der Umgebung stark frequentierterOrte verwirklicht werden.

• Verbesserung der Stromqualität in schwachenElektrizitätsnetzen ländlicher afrikanischer Regio-nen: Im Rahmen der Entwicklungszusammenar-beit sollte in Kooperation mit einem bedeutendenafrikanischen Energieversorger eine ausgewählte,ausreichend dicht besiedelte ländliche Regionelektrifiziert werden. Dabei sollten Technologieneingesetzt werden, die derzeit zur Verbesserungder Stromqualität in Netzen in Verbindung mitverteilter Erzeugung entwickelt werden.

• 1-Million-Hütten-Programm für Entwicklungslän-der: Im Rahmen der ländlichen Elektrifizierung inEntwicklungsländern sind neben Netzerweiterun-gen in ausreichend dicht besiedelten Gebietenauch dezentrale Konzepte und Kleinstnetzebedeutsam. Dieses Programm sollte neben dernotwendigen Größe und Laufzeit eine neueDimension der sozioökonomischen Begleitungumfassen.

Strategische Partnerschaften für dieEnergiewende schmiedenBestehende oder im Aufbau befindliche politischeInitiativen zur Förderung einer globalen Energie-

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229Forschung und Entwicklung vorantreiben 7.6

wende geben einen Handlungsrahmen vor. Insbeson-dere die von Bundeskanzler Schröder auf dem Welt-gipfel für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) ange-kündigte Weltkonferenz für Erneuerbare Energien,die 2004 in Bonn stattfinden wird, ist ein wichtigerBeitrag um dieses Thema international voranzubrin-gen. Der WBGU empfiehlt, dass in diesem Kontextinsbesondere die folgenden Politikprozesse als Kata-lysatoren für die Förderung einer globalen Energie-wende genutzt werden:• die auf dem WSSD beschlossene Initiativen (Kas-

ten 5.3-1) wie– die strategische Energie-Partnerschaft der EU

mit Entwicklungsländern „Energy Initiativefor Poverty Eradication and Sustainable Deve-lopment“,

– die Partnerschaftsinitiative „Global VillageEnergy Partnership“, u. a. mit Beteiligung desEntwicklungsprogramms der Vereinten Natio-nen (UNDP), der Weltbank und des Privatsek-tors,

– die Einrichtung eines Netzwerkes „Global Net-work on Energy for Sustainable Develop-ment“, u. a. mit Beteiligung des Umweltpro-gramms der Vereinten Nationen (UNEP) vonEnergieinstitutionen, der Weltbank und desPrivatsektors;

• das derzeit verhandelte Wirtschaftspartner-schaftsabkommen der EU mit den AKP-Staaten.

In Anlehnung an die 2001 verabschiedeten neuenLeitlinien des Development Assistance Committee(DAC) der OECD sollte dabei auf die Einhaltungder Prinzipien Kohärenz, Konvergenz und Komple-mentarität geachtet werden. Entsprechend solltensich die im Rahmen der genannten Initiativen zu ent-wickelnden Energiestrategien in die zahlreichen,bereits vorhandenen Strukturen und Programme derPartnerländer integrieren lassen. Insbesondere solltedie Überwindung der Energiearmut nach Ansichtdes WBGU auch in die Förderpriorität der „sozialenGrunddienste“ der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit und in die auf dem Weltsozialgipfel1995 vereinbarte 20:20-Initiative aufgenommen wer-den.

7.6Forschung und Entwicklung vorantreiben

Die Energiewende ist eine große technologische wiegesellschaftliche Herausforderung, die in ihrer Grö-ßenordnung mit einer neuen industriellen Revolu-tion vergleichbar ist. Sie kann nur gelingen, wennerheblicher Forschungs- und Entwicklungsaufwandbetrieben wird. Dies betrifft die erneuerbaren Ener-gieträger, die Infrastruktur, die Technik zur effizien-

teren Energieverwendung sowie die Bereitstellungdes Wissens über Erhalt und Erweiterung von natür-lichen Kohlenstoff-Vorräten und Senken.Weiter sinddie Sozialwissenschaften aufgefordert, die indivi-duellen und institutionellen Barrieren des Umbauszu erforschen, Strategien ihrer Überwindung zu ent-wickeln und auszuwerten.

Um die notwendige Vielfalt an Optionen zu ent-wickeln, kann auf die Förderung einer breit angeleg-ten Forschung nicht verzichtet werden (Kap. 6).Diese Herausforderung wird gegenwärtig nichtangenommen. Die Ausgaben für Forschung und Ent-wicklung im Energiebereich sind seit Jahren rückläu-fig: Es werden derzeit in der OECD nur etwa 0,5%des Umsatzes für Forschungs- und Entwicklungs-Aufgaben aufgewendet, mit sinkender Tendenz.Ohne Forschung und Entwicklung werden z. B. dieim exemplarischen Transformationspfad vorgesehe-nen hohen Zuwachsraten bei den erneuerbarenEnergien nicht verwirklicht werden können. Dies giltfür alle Bereiche: von privaten Unternehmen bis zurstaatlichen Förderung, von der Innovation bei erneu-erbaren Energien bis zu fossilen Brückentechnolo-gien. Nur bei dauerhaft hohen Investitionen in denForschungs- und Entwicklungsbereich besteht eineChance, dass Technologien für erneuerbare Energie-träger und Maßnahmen zur Steigerung der Energie-effizienz mittel- und langfristig einen hohen Verbrei-tungsgrad bei niedrigen Kosten finden. Der WBGUempfiehlt, dass• in den Industrieländern bis 2020 die direkten

staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwick-lung im Energiebereich von etwa 1,3 Mrd. US-$pro Jahr (OECD-Mittel 1990–1995) vor allemdurch Umschichtungen mindestens verzehnfachtwerden. Nur so können die hier skizzierten Aufga-ben gelöst werden. Dies entspricht der Größen-ordnung nach etwa den Ausgaben, die in der EUim Mittel der 1980er Jahre allein für die Forschungzur Energiegewinnung aus Kernspaltung aufge-wendet wurden. Der inhaltliche Schwerpunktsollte dabei rasch von fossiler und nuklearer Ener-gie auf erneuerbare Energien und Effizienzmaß-nahmen verlagert werden;

• im UN-System ein „World Energy ResearchCoordination Programme“ (WERCP) zur Bünde-lung nationaler Energieforschungsaktivitätenanalog zum Weltklimaforschungsprogrammgegründet wird.

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230 7 Stationen des WBGU-Transformationsfahrplans

7.7 Institutionen globaler Energiepolitik bündeln undstärken

7.7.1Koordinationsgremium gründen undWeltenergiecharta aushandeln

Die Integration der beiden Ziele „Erhalt natürlicherLebensgrundlagen“ und „Beseitigung der Energie-armut“ erfordert ein koordiniertes Vorgehen auf glo-baler Ebene und damit die Bündelung internationa-ler Institutionen und Akteure. Der WBGU emp-fiehlt, das Institutionengefüge globaler Energiepoli-tik schrittweise und aufbauend auf bestehendenOrganisationen, zu stärken und zu erweitern:• Zunächst sollte auf der geplanten Weltkonferenz

für Erneuerbare Energien in Deutschland 2004eine „Weltenergiecharta“ vereinbart oder ausge-handelt werden. Diese sollte die wesentlichen Ele-mente der globalen Energiepolitik enthalten(Zielgrößen, Zeitpläne und zentrale Maßnahmen)und den relevanten Akteuren auf globaler Ebeneals gemeinsame Handlungsgrundlage dienen.

• Zudem sollte auf dieser Konferenz ein „GlobalesMinisterforum für Nachhaltige Energie“ zumin-dest beschlossen, besser noch eingerichtet wer-den, dem die Koordination und Ausrichtung derrelevanten Akteure und Programme unterstünde.

• Parallel dazu sollte bis 2008 ein „MultilateralesEnergiesubventionsabkommen“ (MESA) ausge-handelt werden. Dadurch würden die Subventio-nen für fossile und nukleare Energieträger stufen-weise abgebaut sowie Regeln für die Subventio-nierung erneuerbarer Energien und effizientererEnergietechnologien vereinbart.

• Ergänzend dazu sollte eine Gruppe gleich gesinn-ter fortschrittlicher Staaten als Vorreiter auf demWeg zu einer nachhaltigen Energiepolitik auftre-ten. Für eine solche Führungsrolle käme die EU inFrage.

• Darauf aufbauend sollten die institutionellenGrundlagen einer nachhaltigen Energiepolitikdurch die Bündelung von Kompetenzen auf glo-baler Ebene weiter gestärkt werden. Zu diesemZweck sollte die Rolle des Energieministerforumsausgeweitet werden.

• Auf Grundlage der bis dahin gemachten Erfah-rungen sollte bis etwa 2010 die Gründung einer„Internationalen Agentur für nachhaltige Ener-gie“ (International Sustainable Energy Agency,ISEA) geprüft werden.

7.7.2Politikberatung international verbessern

Die politische Umsetzung einer globalen Energie-wende sollte – so wie die Klimaschutzpolitik – durchunabhängige wissenschaftliche Analysen kontinuier-lich begleitet werden. Dazu empfiehlt der WBGU • die Einrichtung eines „Intergovernmental Panel

on Sustainable Energy (IPSE)“, um globalerEnergietrends zu bewerten und von Handlungs-optionen aufzuzeigen.

7.8Fazit: Politische Gestaltungsaufgabe jetztwahrnehmen

Eine globale Energiewende – dies zeigt das vorlie-gende Gutachten – ist unverzichtbar, um die natür-lichen Lebensgrundlagen der Menschheit zu schüt-zen und die Energiearmut in den Entwicklungslän-dern zu beseitigen. Eine globale Energiewendezugunsten erneuerbarer Energien brächte auch eineFriedensdividende mit sich: Zum einen würde dieEnergiearmut in den Niedrigeinkommensländerngesenkt, zum anderen würde die geostrategischeBedeutung der Ölvorkommen langfristig deutlichvermindert.

Die Transformation der Energiesysteme ist ohnegravierende Eingriffe in die gesellschaftlichen undwirtschaftlichen Systeme der Industrie- und Trans-formationsländer möglich, wenn die Politik dieChance zur Gestaltung dieses Prozesses in den kom-menden beiden Jahrzehnten nutzt. Die Kosten desNichthandelns wären langfristig deutlich höher alsdie Einleitung der Energiewende. Mit jeder Verzöge-rung wird eine Umsteuerung immer schwieriger.

Die Richtung der Energiewende steht fest: Esmuss sowohl die Energieeffizienz bei der Nutzungfossiler Energieträger gesteigert als auch der Ein-stieg in die Nutzung erneuerbarer Energien massivgefördert werden. Dabei kommt es besonders daraufan, die Pfadabhängigkeit von fossilen Energieträgernschnell zu verringern. Langfristiges Ziel sollte dieAnbahnung eines Solarzeitalters sein. Dabei sindsowohl dezentrale Lösungen als auch der Aufbauvon internationalen Energietransportstrukturengleichermaßen zu fördern.

Die Energiewende ist nach Ansicht des WBGUmachbar. Sie auch finanzierbar, wenn neben der ver-stärkten Nutzung bestehender Mechanismen (z. B.GEF, ODA, Kredite von Weltbank und regionalenEntwicklungsbanken) sowie verbesserter Anreizefür private Investoren (z. B. Public-Private Partner-ships) auch die Diskussion um innovative Wege der

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231Politische Gestaltungsaufgabe jetzt wahrnehmen 7.8

Finanzierung (z. B. Nutzungsentgelte für globaleGemeinschaftsgüter) vorangetrieben wird. Das istdie Botschaft des vorliegenden WBGU-Gutachtens.Es zeigt die wesentlichen Steuerungsmöglichkeiteneiner solchen globalen Energiewende im Rahmeneines Transformationsfahrplans auf.

Eine Energiewende wird nicht mit einer einzigen,heute definierten Strategie erreicht werden können.Die weltweite Transformation der Energiesystemewird nur gelingen, wenn sie schrittweise und dyna-misch gestaltet wird, denn niemand kann heute dietechnischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwick-lungen der nächsten 50–100 Jahre hinreichend genauprognostizieren. Langfristige Energiepolitik istdaher auch ein Suchprozess. Die Politik steht in derVerantwortung, diesen schwierigen Suchprozesskraftvoll zu gestalten und zum Ziel zu führen.

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9

1 Joule = 1 J • braucht eine Biene, um 120 m weit zu fliegen,• elektrische Energie benötigt ein Taschenrech-

ner, wenn er 50 Multiplikationen ausführt.1 Kilojoule = 1 kJ (103 J)

• wendet man auf, wenn man 1 m schwimmt, 5 mgeht, 12 m Rad fährt oder 8 Treppenstufensteigt.

1 Megajoule = 1 MJ (106 J)• reicht für ca. 2 Fußballländerspiele in Farbe

(Fernseher),• wendet man auf, wenn man 3,5 Stunden gar

nichts tut (Grundumsatz).1 Gigajoule = 1 GJ (109 J)

• reichen im 4-Personen-Haushalt 3 Monate fürWaschen und Trocknen, 8 Monate für Beleuch-tung.

1 Terajoule = 1 TJ (1012 J)• stecken in 31.000 l Benzin, das im Pkw für eine

Reise 8-mal um die Erde reichen würde,• verschwendet ein schlecht wärmegedämmtes

Einfamilienhaus in 7 Jahren.1 Petajoule = 1 PJ (1015 J)

• repräsentiert ein fußballfeldgroßer Steinkohle-haufen von 6 m Höhe.

1 Exajoule = 1 EJ (1018 J)• empfängt die Erde in 6 Sekunden von der

Sonne,• ist der Weltverbrauch (2000) an Primärenergie

in 21 Stunden.

Quelle: Ott, 2002

Anlage-B-Länder: Gruppe von Ländern, die in derAnlage B des ↑Kioto-Protokolls aufgeführt sindund die eine Verpflichtung zur Begrenzung oderMinderung ihrer Treibhausgasemissionen haben.Dazu gehören alle Anlage-I-Länder außer derTürkei und Weißrussland.

Anlage-I-Länder: Die Gruppe von Ländern, die inAnlage I der ↑Klimarahmenkonvention aufge-führt ist. Sie umfasst alle entwickelten Länder inder OECD sowie die Transformationsländer inOsteuropa und die GUS-Staaten. Die anderenLänder werden automatisch als Nicht-Anlage-I-Länder bezeichnet. In Art. 4.2 (a) und 4.2 (b)UNFCCC verpflichten sich die Anlage-I-Länderausdrücklich, bis zum Jahr 2000 individuell odergemeinsam zum Niveau ihrer Treibhausgasemis-sionen von 1990 zurückzukehren.

Anlage-II-Länder: Die Gruppe von Ländern, die inAnlage II der ↑Klimarahmenkonvention aufge-führt sind. Sie umfasst alle entwickelten Länder inder OECD und ist eine Teilmenge der ↑Anlage-I-Ländergruppe. In Art. 4.2 (g) UNFCCC wird vondiesen Ländern erwartet, dass sie finanzielleMittel zur Verfügung stellen, um den Entwick-lungsländern zu helfen, ihre Verpflichtungen zuerfüllen, wie z. B. das Erstellen von nationalenBerichten. Es wird ebenfalls erwartet, dass dieAnlage-II-Länder den Transfer umweltfreund-licher Technologien in Entwicklungsländer unter-stützen.

Auslastungsgrad: Maß für den Unterschied zwischenSpitzennachfrage auf dem Strommarkt und instal-lierter Leistung der Kraftwerke.

Ausschreibungsverfahren: Fördermodell für erneu-erbare Energieträger. Bei diesem Verfahrenschreibt der Staat mengenmäßig genau festgelegteErzeugungskapazitäten bzw. Einspeisemengenbestimmter Energiequellen aus, wobei in derRegel der günstigste Investor den Zuschlag erhält.

Biogas: Sammelbegriff für energetisch verwertbareGase, die unter Luftabschluss bei der Zersetzungvon ↑Biomasse entstehen. Bei der Verwesungwird zu etwa zwei Drittel Methan (CH4) und zu

Glossar

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248 9 Glossar

etwa einem Drittel Kohlendioxid (CO2) freige-setzt. Dabei ist das Methangas der energetischnutzbare Anteil des Biogases. Biogas hat einenhohen Heizwert (25 MJ pro m3).

Biomasse: Umfasst die organischen Substanzen derbelebten Natur, entweder als lebende oder als toteBiomasse (z. B. Brennholz, Holzkohle und Dung).Wichtige Umwandlungsprodukte von Biomassesind ↑Biogas und ↑Biotreibstoff. In Entwicklungs-ländern dominiert die ↑traditionelle Biomasse-nutzung.

Biotreibstoffe: Flüssige Brennstoffe wie Biodieselund Bioethanol, die aus der Konversion von ↑Bio-masse stammen.

Brennstoffzelle (BZ): In einer Brennstoffzelle wirdchemische Energie direkt in elektrische Energieumgewandelt, d. h. ohne thermischen Zwischen-schritt. Der ideale Energieträger ist Wasserstoff,der beispielsweise aus regenerativ erzeugtemStrom oder durch Reformierung fossiler Energie-träger oder von Biomasse gewonnen werdenkann. Es werden derzeit elektrische Wirkungs-grade zwischen 30% und 50% erreicht, zukünftigbis zu 60%. Emittiert wird lediglich Wasserdampf.Bei BZ gibt es verschiedene Ausführungen, z. B.die im Niedertemperaturbereich zwischen 50–100 °C arbeitende Polymermembran-BZ(PEMFC), die insbesondere für den mobilen Ein-satz vorgesehen ist; im Mitteltemperaturbereichum 650 °C die Schmelzkarbonat-BZ (MCFC) undim Hochtemperaturbereich zwischen 800–1.000 °C die Oxidkeramik-BZ (SOFC).

Bruttoinlandsprodukt (BIP): Ist gleich der Summealler Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die inder Berichtsperiode während der Produktion imInland entstanden sind, zuzüglich der Abschrei-bungen und der (um die Subventionen verminder-ten) Produktions- und Importabgaben.

Clean Development Mechanism (CDM): Einer dermit dem ↑Kioto-Protokoll eingeführten ↑Kioto-Mechanismen, der es einem Investor aus einemIndustrieland ermöglicht, emissionsreduzierendeProjekte in einem Entwicklungs- oder Schwellen-land durchzuführen. Die Treibhausgasreduktio-nen aus dem Projekt werden dem Industrielandgutgeschrieben.

CO2-Speicherung (auch Sequestrierung): Die durchden Menschen betriebene Speicherung von Koh-lenstoff aus der Atmosphäre in terrestrischenÖkosystemen, geologischen Formationen oder imOzean. Durch neue technische Verfahren kannbeispielsweise das bei Verbrennungsprozessenentstehende ↑Kohlendioxid abgetrennt, eventuellverflüssigt und in unterirdische Lager wie etwaausgeförderte Gas- und Ölfelder gepumpt wer-den. Daneben findet eine natürliche Kohlenstoff-

speicherung in der Vegetation statt, in der Kohlen-stoffdioxid als ↑Biomasse über längere Zeiträumegespeichert wird.

Commission on Sustainable Development (CSD):↑Kommission für Nachhaltige Entwicklung.

Contracting: Finanzierungsmodell, mit dem dieInvestitionskosten für Energiesparmaßnahmenoder neue Energieerzeugungsanlagen aus deneingesparten Energiekosten refinanziert werden.Der Contracting-Geber, z. B. eine Privatfirmaoder ein kommunaler Energieversorger, realisiertMaßnahmen, die den Energiebedarf eines Gebäu-des oder einer Anlage vermindern. Dazu inves-tiert er in neue Technik oder dämmt z. B. dasGebäude. Dem Contracting-Nehmer, etwa einerKommune, die selbst nicht über das erforderlicheKapital oder Wissen verfügt, wird in einem Ver-trag ein gewisser Prozentsatz an Energie- undsomit Kosteneinsparung zugesichert. Die restlicheEinsparung ist der Gewinn des Contracting-Gebers, der sich beim Anlagen-Contracting auchum den Betrieb und die Wartung der Anlagenkümmert.

Demand Side Management (DSM): FreiwilligesSteuerungs- und Planungsinstrument zur Er-schließung von Effizienzpotenzialen auf derNachfrageseite durch die Vorgabe ökonomischerAnreize (z. B. in Form eines Lastmanagementsmit Hilfe variabler Tarifstrukturen).

Deregulierung: Abbau von ↑Regulierung.Disability Adjusted Life Years (DALYs): ein Indika-

tor für die gesamte Krankheitslast einer Bevölke-rung, der frühzeitigen Tod, Krankheit und Behin-derung umfasst.

Einspeisevergütung: Entgelte, die Stromerzeuger fürden ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Stromerhalten, z. B. aus der Nutzung ↑erneuerbarerEnergieträger. Die Einspeisevergütung beein-flusst maßgeblich die Wirtschaftlichkeit derstromerzeugenden Anlagen. Sie wird in der Regelzeitlich degressiv gestaltet.

Emissionshandel (auch Zertifikatehandel): Ökono-misches Instrument zur kosteneffizientenBeschränkung oder Reduktion umweltschädigen-der Emissionen. Den Verursachern der Emissio-nen werden Reduktionsziele auferlegt, die sie ent-weder selber erfüllen oder von anderen Verursa-chern ganz oder teilweise erfüllen lassen können.Dazu können die Reduktionsverpflichtungenunter den Handelsteilnehmern gehandelt werden,so dass sich eine kostenoptimale Verteilung derfestgelegten Gesamtreduktion ergibt. Im ↑Kioto-Protokoll ist dieses Instrument unter den sog.↑Kioto-Mechanismen auf der Staatenebene fürdie ↑Anlage-B-Länder eingeführt. Die Emissions-reduktionsverpflichtungen sind dort ebenfalls

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249Glossar 9

festgelegt. Auch die Weitergabe der Reduktions-pflichten von Ländern an Unternehmen ist mög-lich.

Endenergie: Energie, die nach der Umwandlung der↑Primärenergie in ↑Sekundärenergie und nachdem Transport zum Endverbraucher in nutzbarerForm zur Verfügung steht (z. B. Briketts, elektri-scher Strom aus der Steckdose, Benzin an derTankstelle). Die Endenergie ist die dritte Stufe derEnergieflusskette von ↑Primär- über ↑Sekundär-zu ↑Nutzenergie.

Energie: Als Energie wird die Fähigkeit eines Sys-tems bezeichnet, Arbeit zu verrichten. Man unter-scheidet z. B. chemische, mechanische und elektri-sche Energie sowie Wärme.

Energiearmut: Energiearmut umfasst den Mangel anausreichenden Wahlmöglichkeiten beim Zugangzu erschwinglichen, zuverlässigen, qualitativ hoch-wertigen, sicheren, gesundheitlich unbedenk-lichen und umweltschonenden Energiedienstleis-tungen zur Deckung der Grundbedürfnisse. Län-der mit verbreiteter Energiearmut zeichnen sichin der Regel durch große Entwicklungsproblemeaus. Von Energiearmut betroffen sind rund 2,4Mrd. Menschen, die auf traditionelle Biomasse-nutzung angewiesen sind. 1,6 Mrd. Menschenhaben keinen Zugang zu Elektrizität.

Energie-Charta-Vertrag: Das aus der EuropäischenEnergie Charta von 1991 hervorgegangene Über-einkommen trat 1998 in Kraft. 46 Staaten, über-wiegend aus Europa und Zentralasien, haben dasAbkommen ratifiziert (Stand 11.09.2002). Ziel istdie Förderung des Wirtschaftswachstums durchLiberalisierung von Investitionen und Handel.Zudem wurden für den Bereich der Auslandsin-vestitionen und des Energietransports Mindest-standards vereinbart. Umweltaspekte der Ener-giepolitik wurden in einem rechtlich unverbind-lichen Protokoll vertieft (Protokoll zur EnergieCharta über Energieeffizienz und verwandteUmweltaspekte, PEEREA).

Energiedienstleistung: Eigentlicher Nutzen, der mitdem Einsatz von ↑Nutzenergie erzielt wird: einehell beleuchtete Arbeitsfläche, gekühlte Lebens-mittel, saubere Wäsche, der Transport von Güternvon einem Ort zum anderen usw. Für den Wert derEnergiedienstleistung ist dabei die eingesetzteEnergiemenge unerheblich (z. B. ist die Lichtqua-lität wichtig, nicht der Stromverbrauch, die Fahrtzum Zielort, nicht der Benzinverbrauch).

Energieeffizienz: Technische Effizienz von Endnut-zungsgeräten (beispielsweise Haushaltsgeräten)oder Anlagen (beispielsweise Kraftwerken), meis-tens quantifiziert durch ihren Wirkungsgrad beider Energieumwandlung.

Energieeinsatz: Er entspricht dem häufig gebrauch-ten, aber streng genommen nicht richtigen „Ener-gieverbrauch“ und bezeichnet aufgewandte Ener-gie.

Energieintensität: Energieeinsatz pro damit erziel-tem ↑Bruttoinlandsprodukt (Kehrwert der↑Energieproduktivität).

Energiemix: Kombination verschiedener Energieträ-ger zur Energieversorgung.

Energieproduktivität: ↑Bruttoinlandsprodukt prodafür benötigtem ↑Energieeinsatz. Im Unter-schied zur ↑Energieeffizienz kann die Energie-produktivität nicht nur mit der technischen Effi-zienz steigen, sondern auch durch strukturelleVeränderungen in Energiesystemen (beispiels-weise Übergang von Kohle- zu effizienteren Gas-kraftwerken), ökonomische Strukturveränderun-gen hin zu weniger energieintensiven Produktenund Dienstleistungen, veränderte Energienut-zungsmuster oder Änderung von Lebensstilen.

Energieträger: Stoffe oder Medien, die Energie ineiner wirtschaftlich nutzbaren Form enthalten. Eswerden z. B. fossile (Kohle, Erdöl, Erdgas), rege-nerative oder erneuerbare (Biomasse, Erdwärme,Sonne,Wind,Wasser) sowie nukleare (Uran) ↑Pri-märenergieträger unterschieden.

Entwicklungspartnerschaften (PPP: Public-PrivatePartnerships): In Entwicklungspartnerschaftenkooperieren private Unternehmen und staatlicheEntwicklungszusammenarbeit bei der Realisie-rung von Projekten, die entwicklungspolitischeZiele verfolgen und gleichzeitig einen betriebs-wirtschaftlichen Nutzen für die beteiligten Unter-nehmen erbringen. Diese Art der Kooperation mitder Wirtschaft hat aus Sicht der Entwicklungszu-sammenarbeit den Vorteil, durch die Beteiligungprivater Unternehmen kostengünstig, effizientund in ihrer Wirkung auch nachhaltig zu sein.

Erdwärme: ↑Geothermie.Erneuerbare Energieträger: Hierzu gehört die Ener-

gie von Sonne, Wasser, Wind, Gezeiten, modernerBiomasse und Erdwärme. Ihr Potenzial ist in derSumme im Prinzip unbegrenzt oder regenerierbarund CO2-frei bzw. -neutral.

Fossile Brennstoffe: Brennstoffe auf Kohlenstoffba-sis aus fossilen Kohlenstofflagerstätten, ein-schließlich Kohle, Erdöl und Erdgas. Durch ihreVerbrennung wird Kohlendioxid freigesetzt, dashauptverantwortlich für den anthropogenenTreibhauseffekt ist.

Geothermie (oder Erdwärme): Wärme aus demErdinneren, die an die Erdoberfläche dringt bzw.dort genutzt werden kann.

Global Environment Facility: ↑Globale Umweltfazi-lität.

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250 9 Glossar

Globale Umweltfazilität (GEF): Ein multilateralerFinanzierungsmechanismus, der 1991 gegründetwurde. Die GEF wird gemeinsam von UNDP,UNEP und der Weltbank betrieben. Sie stellt Ent-wicklungsländern und den Transformationslän-dern Osteuropas Gelder in Form von Zuschüssenoder stark verbilligten Krediten für Projekte undMaßnahmen zur Verfügung, die dem globalenUmweltschutz dienen. Schwerpunkte sind Klima-schutz, Erhalt der biologischen Vielfalt, Schutz derOzonschicht und Schutz internationaler Gewäs-ser. Maßnahmen zum Schutz der Böden in Tro-ckengebieten und der Wälder werden ebenfallsunterstützt, wenn sie Bezug zu einem der vierSchwerpunkte haben.

Globaler Wandel: Bezeichnet die Verschränkung vonglobalen Umweltveränderungen, ökonomischerGlobalisierung und kultureller Transformation.

Globalstrahlung: Direkte und diffuse Sonnenein-strahlung auf eine horizontale Fläche. Die Höheder Globalstrahlung hängt vom Sonnenstand (jenach Breitengrad und Jahreszeit) und atmosphäri-schen Bedingungen (Bewölkung, atmosphärischePartikel) ab.

Green Energy Certificates: Das Modell der GreenEnergy Certificates stellt eine Weiterentwicklungflexibilisierter, handelbarer ↑Quoten dar. G. E. C.sind Bescheinigungen, die ein Erzeuger ↑GrünenStroms als Nachweis für die Herstellung einerbestimmten Menge Elektrizität (etwa 1 MWh)durch eine staatlich kontrollierte Ausgabeinstanzerhalten. Für ein System handelbarer G. E. C.kommen außer Energieversorgern und -erzeu-gern auch Endverbraucher in Betracht.

Grüner Strom: Allgemein übliche Bezeichnung fürStrom, der aus ↑erneuerbaren Energieträgernerzeugt wird. Auch Strom aus ↑Kraft-Wärme-Kopplung wird darunter gefasst.

IAEA: Die Internationale Atomenergieorganisationwurde 1957 als Sonderorganisation der UNO mitSitz in Wien gegründet und umfasst 123 Mitglied-staaten. Zu ihren Aufgaben zählt die Überprüfungder Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags unddie weltweite Kontrolle kerntechnischer Anlagen.Sie fördert die zivile Nutzung der Kernenergie, dieKooperation in der Atomtechnik und -forschungund den Austausch wissenschaftlich-technischerErfahrungen durch Förderprogramme.

IEA: Die Internationale Energieagentur wurde 1974als selbständige Organisation im Rahmen derOECD in Paris gegründet, um Versorgungs-sicherheit mit Primärenergie zu gewährleisten.Die 26 Mitgliedsstaaten haben vereinbart, durchFörderung der Nutzung fossiler, aber auch erneu-erbarer Energien die Abhängigkeit von Ölimpor-ten zu verringern, wichtige Energieinformationen

auszutauschen, ihre Energiepolitik abzustimmenund in Programmen zur effizienten Energiever-wendung zusammenzuarbeiten. Die IEA gibtregelmäßig den World Energy Outlook, die welt-weit bedeutendste Quelle für Energiestatistikenund Analysen der Energiebranche, heraus.

Inselnetz: Ist ein geschlossenes, räumlich begrenztesStromversorgungsnetz ohne Anschluss an weitere(auch öffentliche) Netze.

Intergovernmental Panel on Climate Change(IPCC): ↑Zwischenstaatlicher Ausschuss überKlimaänderungen.

Internationale Regime: Internationale Regime sindInstitutionen, mit deren Hilfe eine Gruppe vonStaaten ein grenzüberschreitendes Problem bear-beitet – im Umweltbereich z. B. den Klimawandel.Sie bestehen aus Prinzipien, Normen, Regeln undEntscheidungsprozeduren und beruhen auf for-mellen oder informellen zwischenstaatlichen Ver-einbarungen. Eine regelmäßig tagende Konferenzder Vertragsstaaten bildet in der Regel den Kerndes Entscheidungsprozesses eines Regimes.Obwohl sie oft über kleine Sekretariate verfügen,sind Regime im Gegensatz zu internationalenOrganisationen keine eigenständigen Akteure.

Joule (J): Einheit der Energie. Es gilt:1 J = 1 Nm = 1 Ws = 1 kg m2 s-2

1 kWh = 3.600.000 JJoint Implementation (JI): Einer der flexiblen

Mechanismen des ↑Kioto-Protokolls (↑Kioto-Mechanismen), der es entwickelten Ländern(↑Anlage-I-Staaten) ermöglicht, gemeinsam miteinem anderen Anlage-I-Staat Klimaschutzpro-jekte durchzuführen. Dabei wird das Projekt (z. B.die Errichtung einer Windkraftanlage) in Land Adurchgeführt, aber von Land B finanziert. Die inLand A vermiedenen Emissionen darf das Land Bin der Verpflichtungsperiode zusätzlich emittierenoder sich als Emissionsguthaben gutschreiben las-sen. Land A wird eine entsprechende Menge anEmissionsrechten abgezogen.

Kaufkraftparität (PPP: Purchasing Power Parity):Spezielles ↑BIP-Maß für den Vergleich der Kauf-kraft zwischen Ländern. PPP bildet einen Ein-kaufskorb, bei dem die Wechselkurse keinen Ein-fluss mehr haben. So erhält ein Kilo Reis in Japanden gleichen Wert wie in Indonesien, selbst wennsein Dollarwert ca. 7fach höher liegt. Der Unter-schied im BIP pro Kopf zwischen Industrie- undEntwicklungsländern wird dadurch reduziert.

Kilowatt peak (kWp): Leistung eines Photovoltaik-moduls bei Standard-Testbedingungen, d. h. Glo-balstrahlung 1.000 W/m2, Zelltemperatur 25 °Cund Sonnenlichtspektrum für Mitteleuropa.

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251Glossar 9

Kilowattstunde (kWh): Gebräuchliches Maß fürEnergie. Für größere Anlagen wird die Energie oftin Megawattstunden (MWh) pro Jahr angegeben.

Kioto-Mechanismen: Im ↑Kioto-Protokoll vorgese-hene sog. flexible Mechanismen, wie z. B. ↑Emis-sionshandel, ↑Clean Development Mechanism(CDM) und ↑Joint Implementation (JI). Sie erlau-ben eine Anrechnung von Emissionsreduktionen,die außerhalb des verpflichteten Landes erzieltwerden.

Kioto-Protokoll zur Klimarahmenkonvention: Völ-kerrechtliches Abkommen, in dem Reduktions-ziele für Treibhausgasemissionen von entwickel-ten Ländern sowie wichtige Durchführungsmoda-litäten festgelegt sind. Es wurde im Jahr 1997 beider 3. Vertragsstaatenkonferenz der ↑Klimarah-menkonvention (UNFCCC) in Kioto, Japan ver-abschiedet. Die ↑Anlage-B-Länder sind danachverpflichtet, die Emissionen bestimmter ↑Treib-hausgase um rund 5% gegenüber dem Basisjahr1990 in der Verpflichtungsperiode 2008–2012 zureduzieren. Das Kioto-Protokoll ist noch nicht inKraft getreten, da die angekündigte RatifikationRusslands noch aussteht. Die USA haben im März2003 erklärt, das Protokoll nicht ratifizieren zuwollen.

Klimarahmenkonvention (UNFCCC): Das Rahmen-übereinkommen über Klimaänderungen wurde1992 beschlossen und trat 1994 in Kraft. DasHauptziel der Konvention ist die „Stabilisierungder Treibhausgaskonzentrationen in der Atmo-sphäre auf einem Niveau, das eine gefährlicheanthropogene Störung des Klimasystems verhin-dert. Ein solches Niveau sollte innerhalb einesZeitraums erreicht werden, in dem sich die Öko-systeme auf natürliche Weise den Klimaänderun-gen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeu-gung nicht bedroht wird und die wirtschaftlicheEntwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführtwerden kann“. Im 1997 verabschiedeten ↑Kioto-Protokoll wurden verbindliche Reduktionen derTreibhausgasemissionen vereinbart.

Klimasensitivität: Erwärmung der oberflächennahenTemperatur in °C bei Verdopplung der vorindus-triellen CO2-Konzentration in der Atmosphärevon 280 auf 560 ppm. Der ↑IPCC gibt die Band-breite der K. ohne besten Schätzwert mit 1,5–4,5 °C an.

Klimawandel: Statistisch signifikante Veränderungdes mittleren Zustands des Klimas oder seinerVariabilität, die für eine längere Periode (meistDekaden) anhält.

Kohlendioxid (CO2): Natürlich vorkommendes Gasund Produkt der Verbrennung fossiler Energieträ-ger und von Biomasse. Emittiert wird CO2 aberbeispielsweise auch bei Entwaldung und anderen

Landnutzungsänderungen sowie während indus-trieller Prozesse wie z. B. der Zementherstellung.

Kohlenstoffintensität: Kohlendioxidemissionen proPrimärenergieeinsatz.

Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD):Kommission des Wirtschafts- und Sozialrats derVereinten Nationen, die 1992 als zentrales Forumfür den Rio-Folgeprozess eingesetzt wurde. Sieüberwacht und unterstützt die Umsetzung der aufder UN-Konferenz über Umwelt und Entwick-lung 1992 in Rio de Janeiro verabschiedetenAGENDA 21.An der jährlich tagenden CSD neh-men neben Regierungen und internationalenOrganisationen auch mehr als 1.000 Nichtregie-rungsorganisationen teil.

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): In Anlagen mitKraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird aus demeingesetzten Brennstoff nicht nur Strom erzeugt,sondern gleichzeitig auch die Abwärme genutzt.Die dabei anfallende Wärme wird beispielsweiseals Heizungswärme eingesetzt (z. B. Fernwärme).In der Industrie kann sie für wärmeabhängigeProduktionsprozesse genutzt werden.

Lachgas (N2O): Langlebiges Treibhausgas, das vorallem durch den Einsatz von Stickstoffdüngern inder Landwirtschaft und durch die Verbrennungvon Biomasse und fossilen Brennstoffen freige-setzt wird.

Leistung: Leistung ist Energie pro Zeiteinheit. Elek-trische Leistung wird in Watt (W), Kilowatt (kW),Megawatt (MW) usw. gemessen.

Leitplanke: Leitplanken grenzen den Entwicklungs-raum des Mensch-Umwelt-Systems von denBereichen ab, die unerwünschte oder gar kata-strophale Entwicklungen repräsentieren unddaher vermieden werden müssen. NachhaltigeEntwicklungspfade verlaufen innerhalb des durchdie Leitplanken definierten Korridors.

Lernkurve: Senkung der spezifischen Produktions-kosten bei steigender kumulierter Produktion.

Liberalisierung: Allgemeine Bezeichnung für dieAuflösung ehemals monopolistischer Strukturenund die Einführung von marktwirtschaftlichenBedingungen, d. h. Wettbewerb. In Deutschlandhat das neue Energiewirtschaftsgesetz vom April1998 dazu geführt, dass die Gebietsmonopole derStromwirtschaft aufgehoben wurden. Seitdemkann der Verbraucher seinen Stromversorger freiwählen.

Mengenlösung: Oberbegriff für die Förderungerneuerbarer Energien aufgrund einer staatlichenMengenvorgabe (Mindestmenge oder Mindestan-teil für den Einsatz erneuerbarer Energieträger,die in einem bestimmten Zeitraum umgesetztwerden müssen).Als mengenbasierte Instrumente

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gelten die verschiedenen Varianten von ↑Quoten,aber auch ↑Ausschreibungsverfahren.

Methan (CH4): Treibhausgas, das vor allem beimReisanbau, bei der Viehwirtschaft, bei der Ver-brennung von Biomasse und bei Gewinnung undVerbrennung fossiler Brennstoffe emittiert wird.

Moderne Biomassenutzung: Energetisch nutzbare↑Biomasse (z. B. landwirtschaftliche Reststoffe,Waldrest- und Schwachholz, Industrierestholzund Gebrauchtholz sowie speziell zum Zweck derEnergiegewinnung angebaute ein- oder mehrjäh-rige Energiepflanzen), die unter Beachtung öko-logischer und gesundheitlicher Restriktionen zurErzeugung von Wärme und/oder Strom sowieBiogas verwendet werden (vergl. ↑traditionelleBiomassenutzung).

Nachhaltige oder zukunftsfähige Entwicklung (sus-tainable development): Ein Begriff, der meist alsein umwelt- und entwicklungspolitisches Konzeptverstanden wird, das durch den Brundtland-Bericht formuliert und auf der UN-Konferenzüber Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio deJaneiro weiterentwickelt wurde. DemokratischeEntscheidungs- und Umsetzungsprozesse sollendabei eine ökologisch, ökonomisch und sozialdauerhafte Entwicklung fördern und die Bedürf-nisse zukünftiger Generationen berücksichtigen.

Neue erneuerbare Energieträger: Hierzu gehörendiejenigen ↑erneuerbaren Energieträger, die nochein großes Ausbaupotenzial besitzen, weil ihreNutzung derzeit noch in den Anfängen der tech-nologischen Entwicklung steht, z. B. Sonne,Wind,moderne Biomasse. Die Wasserkraft gehört nichtdazu.

Nutzenergie: Ist die zur Erfüllung einer bestimmtenAufgabe tatsächlich genutzte Energie. Sie ist dasletzte Glied der bei der ↑Primärenergie beginnen-den Energieflusskette.

Nutzungsgrad: Im Gegensatz zum ↑Wirkungsgrad,der das Verhältnis von Nutzen und Aufwand unterdefinierten momentanen Bedingungen be-schreibt, gibt der Nutzungsgrad dieses Verhältnisüber einen bestimmten Zeitraum hinweg an.

OPEC: Die Organization of Petroleum ExportingCountries (OPEC) wurde 1960 von den StaatenSaudi-Arabien, Venezuela, Irak, Iran und Kuwaitgegründet. Katar (1961), Indonesien (1962),Libyen (1962), die Vereinigten Arabischen Emi-rate (1967), Algerien (1969) und Nigeria (1971)traten später bei. Die OPEC bildet heute einemächtige Schwellenländerallianz auf dem interna-tionalen Energiemarkt.

Pfadabhängigkeit: Beschränkung technologiepoliti-scher Steuerungsmöglichkeiten durch historischeEntwicklungen („lock-in“). Dass sich beispiels-weise eine Technologie gegenüber einer anderen

am Markt durchsetzt, ist nicht unbedingt auf ihreÜberlegenheit zurückzuführen, sondern kann dasErgebnis historischer Zufälligkeiten und einessich selbst verstärkenden Prozesses sein: Die Kos-ten der „traditionellen“ Technik sind im Vergleichzu den Startinvestitionen einer neuen Technologieniedrig, da Lerneffekte bei der Anwendunggenutzt wurden und man auf kompatible Techni-ken und Standards zurückgreifen kann.

Primärenergie: Energieinhalt natürlicher Energie-träger wie zum Beispiel Kohle, Erdöl, Erdgas oderNatururan. Sie ist die Eingangsgröße bei derBetrachtung eines Energieflusses, der die Ener-gienutzung durch den Menschen beschreibt. DiePrimärenergie ist das erste Glied der Energie-flusskette und wird z. B. in Kraftwerken in↑Sekundärenergie umgewandelt.

Portfoliomodell: Die Auflage an Quotenverpflich-tete, einen bestimmten Anteil an erneuerbarenEnergien zur Elektrizitätserzeugung einzusetzen.

Public Private Partnership (PPP): LängerfristigeKooperation zwischen Staat und Wirtschaft zurVerfolgung eines gemeinsamen Ziels (etwa Ent-wicklungspartnerschaften). Beide Seiten bringeneigene Ressourcen (Fördermaßnahmen, Know-how usw.) in die Kooperation ein.

Quoten: Instrument zur Förderung des Einsatzeserneuerbarer Energieträger bei der Energiever-sorgung. Als politische Mengenvorgabe giltzumeist ein nationales Mindestziel für dieEnergieerzeugung aus erneuerbaren Energieninnerhalb eines bestimmten Zeitraums und/oderfür einzelne Technologiebereiche. Die Gesamt-vorgabe wird in Teilquoten für Energieerzeugeroder -versorger aufgeteilt. Zur Erhöhung der Fle-xibilität und damit der ökonomischen Effizienz istder Handel mit Quoten und eine Weiterentwick-lung zum Konzept der ↑Green Energy Certifica-tes denkbar.

Referenzszenario: Ein ↑Szenario, das die Entwick-lung der Wirtschaft und anderer Antriebskräftevon Emissionen (beispielsweise Bevölkerung,Technologien) beschreibt, wie es ohne politischeEingriffe, insbesondere ohne explizite klimapoliti-sche Maßnahmen zu erwarten ist. Es dient bei-spielsweise in ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen als Grundlage für die Entwicklung vonKlimaschutzszenarien unter Einbeziehung klima-politischer Maßnahmen.

Regenerative Energieträger: ↑Erneuerbare Energie-träger.

Regime: ↑Internationale Regime.Regulierung: Rechtlich regulative Marktnormen

eines Staates. Diese können mehr oder wenigertief in den Markt eingreifen. Der Energiesektorbedarf im Allgemeinen einer Mindestregulierung,

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253Glossar 9

da die Übertragungs- und Verteilungsnetze natür-liche Monopole darstellen.

Re-Regulierung: Die erneute ↑Regulierung vonMärkten, die zuvor liberalisiert (dereguliert) wur-den.

Schattensubventionen: Nichtinrechnungstellung derKosten externer Effekte beispielsweise konven-tioneller Energieerzeugung, deren exakte quanti-tative Berechnung äußerst schwierig ist.

Sekundärenergie: Leicht speicherbare und/odertransportierbare Energieform (z. B. Strom, Treib-stoff, Wasserstoff), die beispielsweise in Kraftwer-ken oder Raffinerien aus ↑Primärenergieträgerngewonnen wird. Die Sekundärenergie ist diezweite Stufe der bei der ↑Primärenergie begin-nenden Energieflusskette und wird z. B. über dasStromnetz zu den Verbrauchern transportiert, wosie als ↑Endenergie zur Verfügung steht.

Sequestrierung: ↑CO2-Speicherung.Solarthermische Kraftwerke: In solarthermischen

Kraftwerken wird direktes Sonnenlicht mit opti-schen Elementen auf einen Absorber konzen-triert. Die absorbierte Strahlungsenergie erhitztein Wärmeübertragungsmedium. Diese Wärme-energie wird anschließend zum Antrieb weitge-hend konventioneller Kraftmaschinen, wieDampfturbinen oder ↑Stirlingmotoren, einge-setzt.

Stirlingmotor: Ist eine zyklisch arbeitende thermody-namische Maschine, die von außen zugeführteWärmeenergie in mechanische Energie umwan-delt.

Stromkennzahl: Verhältnis der bereitgestelltenStrommenge zur nutzbaren Wärmemenge eines↑KWK-Prozesses.

Szenario: Eine plausible Beschreibung dessen, wiedie Zukunft aussehen könnte, basierend auf derAnalyse eines kohärenten und konsistenten Bün-dels von Annahmen, Trends, Relationen undTriebkräften.

Technologietransfer: Prozesse des Austauschs vonWissen, Geld und Gütern zwischen verschiedenenAkteuren, die zu einer Verbreitung der Nutzungvon Technologien führen, z. B. für eine Minderungdes Klimawandels oder eine nachhaltige Energi-eentwicklung. Transfer hat oft zwei Bedeutungen:Diffusion der Technologien und Kooperation zwi-schen und innerhalb von Staaten.

Traditionelle Biomassenutzung: Form der Energie-gewinnung aus ↑Biomasse, wie z. B. Holz, Dung,Ernteabfälle usw. vor allem zum Kochen und Hei-zen. Etwa 2,4 Mrd. Menschen, überwiegend inEntwicklungsländern, sind weltweit auf traditio-nelle Biomasse angewiesen und damit wegenmangelhafter Verbrennungstechnik oft Gesund-heitsschäden durch Emissionen ausgesetzt.

Treibhausgase: Treibhausgase sind gasförmigeBestandteile der Atmosphäre, die aufgrund ihrerselektiven Absorption von Wärmestrahlung eineErwärmung der unteren Atmosphäre verursa-chen. Zu den anthropogenen Treibhausgasengehören vor allem ↑Kohlendioxid, ↑Lachgas und↑Methan sowie industrielle Gase, z. B. haloge-nierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFC), perfluo-rierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und Schwefelhe-xafluorid (SF6).

United Nations Framework Convention on ClimateChange (UNFCCC): ↑Klimarahmenkonvention.

UN Millenniumserklärung: In der UN Millenniums-erklärung aus dem Jahr 2000 verpflichten sich dieunterzeichnenden Staaten, zur Überwindungextremer Armut beizutragen. Dazu wurden achtinternationale Entwicklungsziele vereinbart, diein der Mehrzahl bis zum Jahr 2015 erreicht werdensollen:1. Beseitigung von extremer Armut und Hunger;2. Sicherstellung einer Grundschulbildung für

alle;3. Förderung von Geschlechtergleichberechti-

gung und Stärkung von Frauen;4. Verringerung der Kindersterblichkeit;5. Verbesserung der medizinischen Versorgung

von Müttern;6. Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und ande-

rer Krankheiten;7. Schutz der Umwelt;8. Entwicklung einer globalen Partnerschaft für

Entwicklung.Wärmepumpe: Sie fördert Wärme von einem niedri-

gen Temperaturniveau unter Einsatz von Energieauf ein höheres, nützlicheres Temperaturniveau.Alle Wärmepumpen benötigen zum Antrieb desProzesses Fremdenergie, deren Berücksichtigungfür die energetische Bewertung unerlässlich ist.

Wasserstoffwirtschaft: Die auf Wasserstoff als Ener-giespeicher beruhende Wirtschaft. Dabei wirdzunächst die ↑Primärenergie der Sonnenstrahlungoder des Windes in Strom umgewandelt. Wasser-stoff kann mit Strom z. B. aus ↑erneuerbarenEnergieträgern durch elektrolytische Trennungvon Wasser hergestellt werden. Er kann aber auchaus ↑Biomasse oder ↑fossilen Brennstoffengewonnen werden. Er kann als dezentrale Strom-speichermöglichkeit dienen, wenn z. B. Strom-überschuss produziert wird, oder auch zumBetreiben von ↑Brennstoffzellen in Häusern undAutomobilen genutzt werden.

Watt (W): Einheit der Energieleistung.Weltbank: Die Weltbank wurde 1944 gegründet und

ist heute die größte Finanzquelle der Entwick-lungsunterstützung. Die Bank hat zum Ziel, in denEntwicklungsländern die Armut zu verringern. Sie

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254 9 Glossar

gewährt Darlehen und leistet politische Beratung,technische Unterstützung sowie zunehmendDienste für den Wissensaustausch. Die Mittelver-gabe konzentriert sich auf Gesundheit und Aus-bildung, Umweltschutz, Unterstützung privaterWirtschaftsentwicklung, Verstärkung der Fähig-keit von Regierungen zu effizienten und transpa-renten Dienstleistungen, Unterstützung vonReformen zur Erreichung stabiler Wirtschaftsver-hältnisse sowie soziale Entwicklung und Armuts-bekämpfung.

Wirkungsgrad: Maß für die Effektivität einer energe-tischen Umwandlung. Der Wirkungsgrad bezeich-net bei einer Anlage das Verhältnis von aufge-wandter zu abgegebener Energie und wird in Pro-zent angegeben.

World Energy Council (WEC): Der World EnergyCouncil wurde 1924 mit Sitz in London gegründet,seine Arbeit wird durch Mitgliedskomitees in 90Ländern unterstützt. Das Ziel dieser Nichtregie-rungsorganisationen ist es, durch Forschung, Ana-lyse, Politikberatung und Förderung von Koope-ration eine nachhaltige Energiepolitik zu fördern.Gemeinsam mit der UN veröffentlichte das WECim Jahr 2000 einen globalen Energiebericht(World Energy Assessment).

Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaänderun-gen (IPCC: Intergovernmental Panel on ClimateChange): Wurde 1988 gegründet und ist einer dereinflussreichsten internationalen Wissenschaftsin-stitutionen für die Klimapolitik. Das IPCC legtedie wissenschaftliche Grundlage der Verhandlun-gen für die ↑Klimarahmenkonvention und veröf-fentlicht in regelmäßigen Abständen Statusbe-richte zum globalen Klimawandel. Die Autoren-schaft des 3. Sachstandsberichts von 2001 um-fasste mehr als 3.000 Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler aus aller Welt.

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Index 10

AAbgaben 153-154, 156, 189, 198, 212Abkommen 37, 115-116, 124, 164, 193, 196-199, 203Adaption Fund; s. FondsAfrika 34, 60, 64-65, 120, 168, 171, 183, 206-208, 228Air Quality Guidelines 132AKP-Staaten 193, 226, 229Akteure 35, 59, 148, 153, 174, 194, 205, 209, 230Allgemeines Zoll- und Handelsübereinkommen (GATT)

38, 196-198, 201-202Am wenigsten entwickelte Länder (LLDCs) 42, 152, 199,

200, 205-206, 225-226Anpassungsfonds; s. FondsAnreizsysteme 92, 148, 153, 162, 165, 186, 212Äquivalenzprinzip 186; s. auch Finanzierung Armut 28, 128, 188; s. auch Energiearmut

– Armutsbekämpfung 189, 194, 205, 226Asien 17, 26, 42, 66, 68, 120, 125Atemwegserkrankungen 51, 66, 132, 225; s. auch

GesundheitAtomkraft; s. KernenergieAusschuss für Entwicklungshilfe der OECD (DAC) 206,

229– DAC-Leitlinien 206

BBeleuchtung 82, 93, 125, 127, 218Bevölkerungswachstum 26, 107, 166, 212Bewässerung 57-58, 176Bildung 24, 125, 166, 192, 208Bioenergie; s. BiomasseBiomasse 26, 61, 63, 66-67, 85, 96, 101, 121-122, 135, 137,

216; s. auch Energieträger– Bioenergiepflanzen 64, 115, 120– moderne Biomasse 60, 121, 135– traditionelle Biomasse 16, 25, 60, 66, 101, 125, 161, 207,

212Biosphäre 96, 114, 120, 123

– Biosphärenschutz 122Biosphärenreservate 61Böden 51, 63, 96-97, 121, 211Brennstoffe; s. EnergieträgerBrennstoffzellen 79, 87, 98-99, 218Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung (BMZ) 189, 194

CC-Äquivalent 61-63capacity building; s. KapazitätsaufbauChina 27, 35, 58, 127CO2-Abscheidung 94; s. auch CO2-SpeicherungCO2-Emissionen 50, 99, 107-108, 136-137, 145, 148, 174,

221; s. auch EmissionenCO2-Reduktion 39, 79, 155CO2-Speicherung 39, 61, 94-97, 101, 108-110, 121, 136, 144

– Eisendüngung des Ozeans 123– geologische CO2-Speicherung 119

Commission on Sustainable Development (CSD); s.Kommission für nachhaltige Entwicklung

DDALYs („disability adjusted life years“); s. Durch

Behinderung/Arbeitsunfähigkeit belastete Lebensjahre Demand Side Management (DSM); s. Verwaltung der

AngebotsseiteDeutschland 20, 23-24, 49, 61, 80, 155, 162, 174, 188, 213,

227Development Assistance Committee (DAC); s. Ausschuss

für Entwicklungshilfe der OECDDirektinvestitionen 32, 43, 168, 187, 203Disability adjusted life years (DALYs); s.

Durch Behinderung/Arbeitsunfähigkeit belasteteLebensjahre

Disparitäten 46, 127, 171Durch Behinderung/Arbeitsunfähigkeit belastete

Lebensjahre (DALYs) 67, 115, 132, 212Dürren 51

E1-Million-Hütten-Programm 208Einspar-Contracting 165; s. auch KlimapolitikEinspeisevergütungen 157, 159, 224; s. auch SubventionenEisendüngung; s. CO2-SpeicherungEl Niño-Southern Oscillation (ENSO) 117Elektrifizierung 126, 208Elektrizität 23, 40, 125, 158, 162, 225Elektrizitätsinseln 82Elektrizitätsnetze 167

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256 10 Index

Elektrolyse 86, 89Emissionen 19, 51-52, 57, 96, 100, 107, 161, 175, 189, 191,

221Emissionsgutschriften; s. ZertifikateEmissionshandel; s. ZertifikateEndenergie 28, 109, 115, 135, 162Endlagerung 55-56, 131, 155Energie-Charta-Vertrag 38, 203Energiearmut 24, 161, 194, 205, 225, 229; s. auch ArmutEnergiedienstleistungen 26, 89, 124-125, 128-129, 170-171,

225Energieeffizienz 27, 29, 32, 37, 42, 90-91, 163, 177, 189, 219,

224, 227; s. auch EnergieproduktivitätEffizienzpotenziale 79, 99, 162-163, 165, 224Effizienzsteigerung 81, 90, 92, 99, 163, 166, 175, 218-219Energieeinsatz 48, 63, 90, 92, 130, 134, 136, 165, 206Energiepfade 147, 168Energieproduktivität 106, 136, 146, 149, 223Energiequellen 78, 83, 89, 100, 153, 157, 217Energiesektor 28, 32, 42, 184, 186, 197, 199, 211

– Re-Regulierung 23, 31– Regulierung 38, 169, 177

Energieträger 19, 47– erneuerbare Energieträger 19, 24, 27, 89, 99, 122, 131,

135, 147, 156-159, 166, 206– fossile Energieträger 21, 49, 52, 78, 98, 136, 161, 175– „neue“ erneuerbare Energieträger 24, 101, 141– nukleare Energieträger 52-53, 55-56, 101, 229

Energieträgermix 24, 31, 78, 107, 134, 141, 151, 224Energieversorgung 20, 22, 24, 31, 44, 81, 125, 127, 167, 169,

194, 207, 217, 226, 228Energiewandler 79, 85, 87, 90, 219Energiewirtschaft 23, 29- 32, 41, 134, 211

– Restrukturierungsprozess 32, 43, 171Energy Charter Treaty (ECT); s. Energie-Charta-VertragEntschuldung 189

– Entschuldungsinitiative; s. HIPC-InitiativeEntwicklungsbanken 42, 172, 188, 193, 226Entwicklungshilfe; s. EntwicklungszusammenarbeitEntwicklungsländer 24, 26, 39, 42, 46, 54, 128, 167, 191, 194,

205, 226Entwicklungspolitik; s. EntwicklungszusammenarbeitEntwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP),

229Entwicklungszusammenarbeit (EZ) 26, 154, 161, 166, 170,

204, 227-228Erdgas 19-20, 23, 33, 86, 89, 99, 161; s. auch EnergieträgerErdöl 19-20, 33-34, 51, 109, 200; s. auch EnergieträgerErdwärme; s. GeothermieErnährungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) 41, 65Ernährungssicherheit 58, 118Erneuerbare Energien; s. EnergieträgerEuratom-Vertrag 204Europäische Investitionsbank (EIB) 193Europäische Union (EU) 20, 23-24, 31, 37, 41, 61, 63, 98,

157-158, 164, 174, 184, 188, 195, 228Europäische Wissenschaftsstiftung (ESF) 179European Science Foundation (ESF); s. Europäische

WissenschaftsstiftungExemplarischer Transformationspfad 48, 86, 103, 119, 134,

138, 146, 151, 214-216Export Credit and Investment Insurance Agencies

(ECAs); s. ExportkreditagenturenExportförderung 44, 168-169, 203Exportkreditagenturen (ECAs) 44

FFederal Energy Technology Center (FETC), USA 95Fernwärme 80, 92, 163, 216Finanzierung 41, 59, 167, 172, 173, 182, 185, 187, 227

– Finanzierungsinstrumente 189, 191, 228– Finanzierungsmechanismus; s. Globale Umweltfazilität

(GEF) – Finanzierungsquellen 40– Finanzierungsstrukturen 41, 167, 173, 208– Least-Cost-Prinzip 193, 226

Finanzierungsbedarf 212Finanzreformen 152, 156, 177, 224; s. auch FinanzierungFlächennutzung 115, 120Flugverkehr 32, 189, 228; s. auch VerkehrFlüsse 51, 115, 122Fonds 41, 189-190, 195

– Anpassungsfonds 42, 116, 212– Entwicklungsfonds 193– Kioto-Fonds 42– Patentfonds 200

Food and Agriculture Organization of the United Nations(FAO); s. Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationder Vereinten Nationen

Forschung 21, 35, 73, 111, 123, 157, 173, 178-180, 209Forstwirtschaft 61, 63, 221Fossile Energien; s. EnergieträgerFrauen 25, 67, 125, 173Fusionskraftwerke; s. Kraftwerke

GG8-Staaten 55, 168-169, 206Gebäude 30, 80, 92-93, 164, 207, 218, 228Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS); s. Russland General Agreement on Tarriffs and Trade (GATT); s.

Allgemeines Zoll- und Handelsübereinkommen Geopolitik 33, 213Geothermie 24, 29, 77, 101, 136, 216; s. auch EnergieträgerGesundheit 51, 58, 66-67, 118-119, 131-132

– Gesundheitsbelastung 115, 132; s. auch DurchBehinderung/Arbeitsunfähigkeit belasteteLebensjahre (DALYs)

– Gesundheitsleitplanken 132– Gesundheitsrisiken 45, 66-67, 125, 132, 204– Gesundheitsschäden 132, 212, 228

Global Environmental Facility (GEF); s. Globale

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257Index 10

UmweltfazilitätGlobal Renewable Energy Education and Training

(GREET); s. Globales Programm für Ausbildung undLehre im Bereich Erneuerbarer Energien

Globale Umweltfazilität (GEF) 41-42, 192, 193, 228Globales Programm für Ausbildung und Lehre im Bereich

Erneuerbarer Energien (GREET) 40Globalisierung 32, 211Golfregion 34Grundwasserspiegel 51Grüne Energie (Green Energy) 151, 158-159, 162, 199,

201; s. auch ZertifikateGüter 99, 151, 168, 186

– Energiegüter 197, 200– Gebrauchsgüter 92, 164, 218– Gemeinschaftsgüter 189, 228– Konsumgüter 164

HHaftung 116, 203Handel 38, 168, 197, 202Haustechnik 218Heizung 16, 77, 87, 92Herde; s. KochstellenHIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries

Initiative) 189, 194Hochspannungsgleichstromübertragung 84, 87, 201, 217;

s. auch StromversorgungHot-Dry-Rock-Verfahren 77; s. auch GeothermieHydrothermale Systeme 77

IIndustrieländer 19, 21, 24, 39, 119, 148-149, 156, 162, 175,

181, 185, 190, 194, 221Infektionskrankheiten 58, 118-119; s. auch GesundheitInselnetze; s. ElektrizitätsinselnInstitutionen 35, 172, 178-180, 182, 192, 212, 230Institutionendesign 28Instrumente 83, 156, 159, 161, 177, 213Instrumentenmix 24, 148, 153Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC); s.

Zwischenstaatlicher Ausschuss über KlimaänderungenIntergovernmental Panel on Sustainable Energy (IPSE); s.

Zwischenstaatlicher Ausschuss für nachhaltige EnergieInternational Atomic Energy Agency (IAEA); s.

Internationale AtomenergiebehördeInternational Bank for Reconstruction and Development

(IBRD); s. Internationale Bank für Wiederaufbau undEntwicklung

International Development Association (IDA); s.Internationale Entwicklungsorganisation

International Energy Agency (IEA); s. InternationaleEnergieagentur

International Finance Corporation (IFC); s. InternationaleFinanzkorporation

International Fund for Agricultural Development

(IFAD); s. Internationaler Fonds für landwirtschaftlicheEntwicklung

International Renewable Energy Information andCommunication System (IREICS); s. InternationalesInformations- und Kommunikationssystem zuErneuerbaren Energien

International Sustainable Energy Agency (ISEA); s.Internationale Agentur für nachhaltige Entwicklung

Internationale Agentur für nachhaltige Energie (ISEA)179, 182, 185, 224, 230

Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) 41, 55, 184,204, 225

Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung(IBRD) 42

Internationale Energieagentur (IEA) 16, 19, 21, 30, 37,135, 154, 167, 183

Internationale Entwicklungsorganisation (IDA - Teil derWeltbankgruppe) 42, 194

Internationale Finanzkorporation (IFC) 43Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung

(IFAD) 193Internationaler Währungsfonds (IWF) 193-194, 226Internationales Informations- und

Kommunikationssystem zu Erneuerbaren Energien(IREICS) 40

Investitionskosten 54, 73, 94, 111, 147, 167, 172, 186IPCC-Szenarien; s. Szenarien

JJapan 18-19, 21, 98, 184, 190Joint Implementation (JI); s. Kioto-Protokoll

KKapazitätsaufbau 41, 192, 199Kennzeichnung 162, 164, 224Kernenergie 54, 110, 204; s. auch EnergieträgerKioto-Fonds; s. FondsKioto-Protokoll 31, 39, 45, 116, 119, 191, 195; s. auch

Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen überKlimaänderungen (UNFCCC) – Clean Development Mechanism (CDM) 39, 42, 161,

175, 227– Joint Implementation (JI) 39, 161

Klimafenster 108, 114, 118, 145, 192; s. auch LeitplankenKlimafolgen 42, 50, 52, 116, 118Klimaleitplanken; s. KlimafensterKlimapolitik 40, 153, 174; s. auch PolitikKlimarahmenkonvention; s. Rahmenübereinkommen der

Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) Klimaschutzszenarien; s. SzenarienKlimasensitivität 108, 118-119, 145, 210Klimawandel 51, 58, 116, 118, 147, 152, 210Kochstellen 93, 127, 132, 173, 207, 228Kohle 20, 28, 49, 109, 147; s. auch EnergieträgerKohlenstoffintensität 148, 169, 224

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258 10 Index

Kohlenstoffspeicherung; s. CO2-SpeicherungKollektoren; s. SolarenergieKommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) 36-37Konferenz über Umwelt und Entwicklung der Vereinten

Nationen (UNCED) 37, 188, 191Korallen 117; s. auch ÖkosystemeKosten 47, 51, 81, 110, 147, 152-153

– Internalisierung 153, 154, 156, 162, 224Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) 79, 80, 162, 166, 224Kraftstoffe; s. Treibstoffe 99, 100, 102, 175Kraftwerke 49, 53, 57, 131, 136, 162, 166, 204

– Blockheizkraftwerke 87, 92– Dampfkraftwerke (DKW) 50– Fusionskraftwerke 54-56– Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) 50, 88– Kernkraftwerke 29, 52, 54-56, 131, 204– Photovoltaik-Kraftwerke 70, 134, 214– Solarthermische Kraftwerke 73, 76, 83, 140, 215

Kühlung 76, 93, 125, 127

LLabels; s. KennzeichnungLandnutzung 65, 96, 107, 144, 210Landwirtschaft 61, 97, 100, 118, 120, 146, 176Least Developed Countries (LLDC); s. Am wenigsten

entwickelte LänderLeast-Cost-Prinzip; s. FinanzierungLebensstile 18, 32, 46, 165, 213Leistungsfähigkeitsprinzip 177, 186, 191; s. auch

FinanzierungLeitplanken 103, 114-116, 124, 131, 134, 141-142, 146, 151,

194, 209; s. auch Klimafenster– ökologische Leitplanken 114– sozioökonomische Leitplanken 144, 161

Leitprinzipien 151Lenkungseffekt 153-154, 189Lernkurven 81, 143Liberalisierung 23, 28, 31, 45, 107, 152, 162, 163, 171, 173,

199-200, 202, 211, 227Licht; s. BeleuchtungLuftverschmutzung 25, 51, 124, 132, 225

MMärkte 22, 45, 163, 168, 171, 202Meere 51, 113, 117, 123Meeresspiegelanstieg 50, 117-118; s. auch KlimawandelMenschenrechte 58, 124Mikrofinanzierung 172; s. auch FinanzierungMIND-Modell; s. ModelleMindestenergiebedarf 115; s. auch LeitplankenMobilität 18, 90, 98, 127; s. auch VerkehrModelle 209-210

– MESSAGE-Modell 108, 141– MIND-Modell 140-142, 147

Multilaterales Energiesubventionsabkommen (MESA)195-197, 212, 230

NNachhaltige Entwicklung 37, 107, 124, 151, 205, 211, 226Nahrungsmittel 91, 118; s. auch ErnährungssicherheitNaturschutz 59, 69, 120, 122

– Schutzgebiete 61, 67, 120Nichtregierungsorganisationen (NRO) 37, 168, 172, 185Nutzenergie 90-91; s. auch EnergieNutzungsentgelte 189-190, 231; s. auch Finanzierung

OÖffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) 100, 175Official Development Assistance (ODA); s. Offizielle

EntwicklungshilfezahlungenOffizielle Entwicklungshilfezahlungen (ODA) 43, 188,

198, 205, 228Offshore-Technik; s. WindenergieÖkosysteme 51, 57, 96-97, 115-116, 121, 124, 210Öl; s. ErdölOrganisation der Vereinten Nationen für Erziehung,

Wissenschaft und Kultur (UNESCO) 40, 184Organisation der Vereinten Nationen für industrielle

Entwicklung (UNIDO) 40, 193Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) 33-34,

38Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Entwicklung (OECD) 19, 128, 154, 156, 175, 197, 203, 229Organization for Economic Co-operation and

Development (OECD); s. Organisation fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Organization of Petroleum Exporting Countries (OPEC);s. Organisation erdölexportierender Länder

Ozeane; s. Meere

PPhotovoltaik; s. SolarenergiePipelines 33, 201Pkw 18, 31, 92, 99, 175; s. auch VerkehrPolitik 41, 142, 148, 159, 186, 189, 200, 205, 231Politikberatung 178, 182, 187, 230Potenzialkarten 70, 76; s. auch Energieträger, erneuerbare

EnergieträgerPoverty Reduction Strategy Papers (PRSP); s.

Strategiepapiere zur Verringerung der ArmutPrimärenergie 19, 29, 108-109, 130, 135, 200Privatisierung 31, 43, 167, 171, 227Proliferation 55, 131, 184, 204; s. auch Kernenergie

QQuoten 151, 157-159, 163, 166, 169, 190, 224; s. auch

Subventionen– Portfolio-Modell 158

RRahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zu

Klimaveränderungen (UNFCCC) 38, 45, 115-116, 190; s.auch Klimapolitik

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259Index 10

Raumordnung 175Raumplanung 99Recycling 76Regenerative Energien; s. Erneuerbare EnergienRegulierung; s. EnergiesektorRenewable Energy Certification System (RECS); s.

Zertifikatesystem für erneuerbare EnergienRio-Konferenz; s. Konferenz über Umwelt und

Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED)Risiken 55, 58, 96, 101, 115, 131, 224Russland 28-30, 32, 34, 161, 167, 214

SSchifffahrt 69, 123Schulden 194, 227; s. auch EntschuldungSchuldenerlass; s. EntschuldungSchutzgebiete; s. NaturschutzSchwellenländer 27-28, 46, 166, 171, 194, 221, 223Sekundärenergie 85, 217; s. auch EnergieträgerSequestrierung; s. CO2-SpeicherungSilizium 70, 76, 214Solarenergie 70, 76, 83, 93, 101, 108, 135, 138, 149, 218

– Photovoltaik 16, 70, 82, 172, 214– Solar Home System 173, 218– Solarchemie 136, 217– Solarkollektoren 70, 75, 215– Solarthermie 16, 75– Solarwärme 75, 85, 135, 215

Sozialpakt 125, 131Special Report on Emission Scenarios (SRES); s. IPCC-

SzenarienStaatengemeinschaft 116, 181, 186, 196Standards 32, 46, 132, 163, 169-170, 196, 203

– CDM-Standards 174-175Staudämme 56-58, 122; s. auch WasserkraftSteuern 106, 152-175; s. auch FinanzierungStrahlungsschäden 131-132; s. auch GesundheitStrategiepapiere zur Verringerung der Armut (PRSP) 194,

226; s. auch WeltbankStrom 24, 26, 28, 38, 69, 81-82, 85, 93, 101, 125, 127, 162-163,

201, 206; s. auch ElektrizitätStromkennzahl 79-80Stromversorgung 22, 28, 45, 49, 82-83, 162, 171; s. auch

Elektrizitätsinseln, ElektrizitätsnetzeSubventionen 20, 28, 160, 171, 196; s. auch Anreizsysteme

– zielgruppenspezifische Subventionen 171, 173, 227Subventionsabbau 38, 154-155, 195, 206Subventionsbericht 155Suffizienz 90, 213; s. auch LebensstileSustainable Development; s. Nachhaltige EntwicklungSzenarien 103-104, 106-107, 134, 210

– IPCC-Klimaschutzszenarien 104, 108– SRES-Szenarien 104, 106

TTarife 84, 165, 169, 171Technologierisiken; s. RisikenTechnologietransfer 42, 149, 163, 166, 182, 190, 195, 199; s.

auch WissenstransferTerrorismus 55, 131, 204Thermohaline Zirkulation 116-117; s. auch KlimawandelTourismus 27, 117Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

(TRIPS); s. Übereinkommen über handelsbezogeneAspekte der Rechte des geistigen Eigentums

Transformation der Energiesysteme 47, 81, 98, 156, 166,177, 184, 188, 197, 206, 211, 225, 230

Transformationsländer 46, 132, 155, 160, 163, 164, 167, 171Transformationspfad; s. Exemplarischer

TransformationspfadTransformationsstaaten 28Transformationsstrategie 124, 148, 151-152, 221, 225; s.

auch Exemplarischer TransformationspfadTransport 17-18, 30, 32, 98, 100, 127, 175, 219; s. auch

Verkehr, MobilitätTreibhausgase 39, 57, 70, 98, 107-108, 141, 178, 189-191; s.

auch KlimawandelTreibstoffe 99, 110; s. auch EnergieträgerTurbinen 56, 68, 78, 80, 218

UÜbereinkommen über handelsbezogene Aspekte der

Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) 38, 199-200Übereinkommen; s. AbkommenUmweltabgaben 152, 154, 189, 199Umweltpolitik; s. PolitikUmweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 35,

40, 129, 183, 184, 229Umweltstandards 38, 52, 124, 203Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) 59, 204United Nations (UN); s. Vereinte NationenUnited Nations Conference on Environment and

Development (UNCED); s. Konferenz über Umwelt undEntwicklung der Vereinten Nationen

United Nations Development Programme (UNDP); s.Umweltprogramm der Vereinten Nationen

United Nations Educational, Scientific and CulturalOrganisation (UNESCO); s. Organisation der VereintenNationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur

United Nations Environment Programme (UNEP); s.Umweltprogramm der Vereinten Nationen

United Nations Framework Convention on ClimateChange (UNFCCC); s. Rahmenübereinkommen derVereinten Nationen über Klimaänderungen

United Nations Industrial Development Organisation(UNIDO); s. Organisation der Vereinten Nationen fürindustrielle Entwicklung

Urbanisierung 17, 26, 46, 107USA 19-24, 33, 121, 147, 156, 188, 210, 213

Page 284: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit · 13 Welt im Wandel Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Energiewende zur Nachhaltigkeit

260 10 Index

VVegetation 96, 221Verbrauchsgeräte 164, 170Vereinte Nationen (UN) 37, 40, 44, 179-180Verkehr 19, 98, 100, 175; s. auch Mobilität

– Informationssysteme 100Versorgungsnetze 76, 80, 167, 202; s. auch

StromversorgungVersorgungsstrategien 81-82, 84Verträge 157, 162, 165

– Pay-for-service-Verträge 172Vertragsstaatenkonferenzen 39-40, 190, 195; s. auch

ÜbereinkommenVerursacherprinzip 186, 189, 191; s. auch FinanzierungVerwaltung der Angebotsseite 165Völkerrecht 116, 124-125, 203

WWälder 39, 57, 61, 63-64, 96, 120, 122, 210Wärmedämmung 92, 166, 207Wärmepumpen 77, 85, 92Wasserkraft 19, 24, 29, 56, 58-59, 122-123, 135, 216; s. auch

StaudämmeWasserstoff 53, 85, 87, 109

– Herstellung 79, 85, 98, 216-217– Speicherung 218

Wasserstoffwirtschaft 87, 102, 110, 149, 216Weltbank 42, 58, 172, 184, 187, 193-194, 226Weltenergiecharta 116, 178, 181, 183-185, 230Weltenergieforschungsprogramm (WERCP) 179, 185, 230Weltenergierat (WEC) 36, 126, 179Weltfinanzausgleich auf Kohlenstoffbasis 191Weltgesundheitsorganisation (WHO) 25, 51, 132Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) 37, 181-

182, 184, 192, 205, 229Welthandelsorganisation (WTO) 32, 38, 155, 196-199, 201Weltkommission für Staudämme (WCD) 59, 123, 169, 216;

s. auch StaudämmeWeltorganisation für Meteorologie (WMO) 35, 41Weltsolarprogramm 40; s. auch SolarenergieWiederaufbereitung 55, 131, 205, 225; s. auch KernenergieWindenergie 24, 67-69, 101, 123, 135; s. auch Energieträger

– Offshore-Technik 51, 67, 69, 123, 215Wirkungsgrad 50, 54, 73, 76-77, 86-88, 137, 163, 224Wirtschaftspartnerschaftsabkommen 207, 229Wissenstransfer 41, 184, 199; s. auch TechnologietransferWorld Bank; s. WeltbankWorld Commission on Dams (WCD); s. Weltkommission

für StaudämmeWorld Energy Assessment (WEA) 136World Energy Council (WEC); s. WeltenergieratWorld Energy Outlook (WEO) 37, 211; s. auch

International Energy Agency (IEA)World Energy Research Coordination Programme

(WERCP); s. WeltenergieforschungsprogrammWorld Health Organisation (WHO); s. Weltgesundheits–

organisationWorld Meteorological Organization (WMO); s.

Weltorganisation für MeteorologieWorld Solar Programme; s. WeltsolarprogrammWorld Summit on Sustainable Development (WSSD); s.

Weltgipfel für nachhaltige EntwicklungWorld Trade Organization (WTO); s. Welthandels–

organisation

ZZentralasien 34, 38, 214Zertifikate 153, 160, 199

– Emissionsgutschriften 39, 79, 175– Emissionshandel 39, 174, 177, 191– Green Energy Certificates 157-160, 166, 177

Zertifikatehandel 154, 161, 191Zertifikatesystem für erneuerbare Energien (RECS) 160Zwischenstaatlicher Ausschuss für nachhaltige Energie

(IPSE) 179, 185, 230Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaänderungen

(IPCC) 35, 65, 96, 115, 119, 145, 178, 210