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Indo-Iran J (2007) 50: 273–283 DOI 10.1007/s10783-008-9068-z BOOK REVIEW Vaan, Michiel de, The Avestan Vowels [Leiden Studies in Indo-European 12]. Amsterdam: Editions Rodopi B. V., 2003, XXXV + 710 pp. ISBN 90-420-1065-7. 160,- US$ 190,- Martin Kümmel © Springer Science+Business Media B.V. 2008 Das zu besprechende Buch ist eine Dissertation der Universität Leiden, die von Alex- ander Lubotsky betreut wurde. Sein Thema ist die Entwicklung der Vokale im Ave- stischen, und zwar diejenigen Entwicklungen, die spezifisch avestisch sind und nicht schon uriranisch. Es ist schon lange bekannt, dass die im avestischen Corpus über- lieferten Vokale zahlreiche Sonderentwicklungen zeigen, die vom gemeiniranischen Stand abweichen, besonders hinsichtlich der Quantität. Oftmals hat die bisherige For- schung keine klaren Regeln für solche Besonderheiten ermitteln können, was an- gesichts der Wichtigkeit des Avestischen als Hauptquelle für das Altiranische sehr hinderlich sein konnte. Somit ist es zu begrüßen, dass die Problematik erstmals um- fassend untersucht worden ist. Die Komplexität der Lage beruht u. a. auch auf der komplizierten Überlieferungs- geschichte des Avestischen, das lange als tote Sprache überliefert wurde und sowohl mündlichen als auch (später) schriftlichen Veränderungen und Fehlern ausgesetzt war. Zudem liegt es in zwei Sprachformen vor, dem sehr früh ausgestorbenen Alt- avestischen und dem Jungavestischen, und beide haben sich in der Überlieferung beeinflusst. Die verschiedenen Möglichkeiten und Phasen hat Verf. in der Einleitung (S. 5-15 §1.3f.) sorgfältig klassifiziert und kann damit auch weiteren Forschungen zur avestischen Textgestaltung nützen. Wichtig ist besonders die Einbeziehung der redaktionellen Kompositaspaltung („redactional compound split“, RCS) als eines be- sonderen Eingriffs in den überlieferten Text (S. 434 §22.5). Bedeutsam ist auch der Rückgriff (S. 6) auf Geldners Klassifikation von Yasna 58 als altavestisch (mit stärker als üblich jungavestisch beeinflusster Überlieferung) gegen Hoffmanns Bestimmung des Textes als pseudoaltavestisch mit dialektalen Ein- wirkungen (Hoffmann 1976: 649 5 ; Hoffmann and Forssman 1996: 34). Tatsächlich M. Kümmel ( ) Sprachwissenschaftliches Seminar, Universität Freiburg, 79085 Freiburg, Germany e-mail: [email protected]

Vaan, Michiel de, The Avestan Vowels

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Indo-Iran J (2007) 50: 273–283DOI 10.1007/s10783-008-9068-z

B O O K R E V I E W

Vaan, Michiel de, The Avestan Vowels[Leiden Studies in Indo-European 12]. Amsterdam: EditionsRodopi B. V., 2003, XXXV + 710 pp. ISBN 90-420-1065-7. €160,-US$ 190,-

Martin Kümmel

© Springer Science+Business Media B.V. 2008

Das zu besprechende Buch ist eine Dissertation der Universität Leiden, die von Alex-ander Lubotsky betreut wurde. Sein Thema ist die Entwicklung der Vokale im Ave-stischen, und zwar diejenigen Entwicklungen, die spezifisch avestisch sind und nichtschon uriranisch. Es ist schon lange bekannt, dass die im avestischen Corpus über-lieferten Vokale zahlreiche Sonderentwicklungen zeigen, die vom gemeiniranischenStand abweichen, besonders hinsichtlich der Quantität. Oftmals hat die bisherige For-schung keine klaren Regeln für solche Besonderheiten ermitteln können, was an-gesichts der Wichtigkeit des Avestischen als Hauptquelle für das Altiranische sehrhinderlich sein konnte. Somit ist es zu begrüßen, dass die Problematik erstmals um-fassend untersucht worden ist.

Die Komplexität der Lage beruht u. a. auch auf der komplizierten Überlieferungs-geschichte des Avestischen, das lange als tote Sprache überliefert wurde und sowohlmündlichen als auch (später) schriftlichen Veränderungen und Fehlern ausgesetztwar. Zudem liegt es in zwei Sprachformen vor, dem sehr früh ausgestorbenen Alt-avestischen und dem Jungavestischen, und beide haben sich in der Überlieferungbeeinflusst. Die verschiedenen Möglichkeiten und Phasen hat Verf. in der Einleitung(S. 5-15 §1.3f.) sorgfältig klassifiziert und kann damit auch weiteren Forschungenzur avestischen Textgestaltung nützen. Wichtig ist besonders die Einbeziehung derredaktionellen Kompositaspaltung („redactional compound split“, RCS) als eines be-sonderen Eingriffs in den überlieferten Text (S. 434 §22.5).

Bedeutsam ist auch der Rückgriff (S. 6) auf Geldners Klassifikation von Yasna58 als altavestisch (mit stärker als üblich jungavestisch beeinflusster Überlieferung)gegen Hoffmanns Bestimmung des Textes als pseudoaltavestisch mit dialektalen Ein-wirkungen (Hoffmann 1976: 6495; Hoffmann and Forssman 1996: 34). Tatsächlich

M. Kümmel (�)Sprachwissenschaftliches Seminar, Universität Freiburg, 79085 Freiburg, Germanye-mail: [email protected]

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wird man Verf. darin zustimmen müssen, dass Y. 58 keine alten echt jungavestischenPhänomene zeigt, sondern leicht aus einem altavestischen Text durch eine oberfläch-liche Anpassung und vereinzelte Einführung jungavestischer Laute und Formen (-δ-;ye��he, ahurahe; t

¯baeša�hat

¯, va��hıš) entstanden sein könnte, während typisch alta-

vestische Phänomene häufig sind, die kaum auf sekundärer Archaisierung beruhenkönnen (-�, -�m, -�n. g; auuaxiiai, +raf�no.xiiai; n��a und auch der Vokal von soiδiš).

Im Hauptteil werden die einzelnen Vokale systematisch untersucht, zunächst ��a,dann ��ı und ��u und speziellere Fälle. Dabei stellt sich – entgegen den subjektivenErwartungen aufgrund der bisherigen Forschungslage – anhand des Gesamtmateri-als heraus, dass die Quantitäten auch bei den hohen Vokalen ganz überwiegend be-wahrt bleiben und phonetische Kürzungen oder Dehnungen eher selten sind, währendmorphologisch-analogische Erklärungen einen größeren Raum einnehmen als in bis-herigen Erklärungsversuchen.

Was K ü r z u n g e n angeht, so ist ein wesentliches Ergebnis, dass die oft rechtallgemein angesetzte Kürzung „in drittletzter Silbe“ als echtes Lautgesetz nur un-ter Sonderbedingungen stattfindet, womit zahlreiche Einzelfälle anderer Erklärungenbedürfen. Wirklich sicher ist nur Kürzung in offener Antepänultima vor enklitischem-ca, -cit

¯, während in Wörtern ohne Enklitika wegen zahlreicher Gegenbeispiele keine

solche Lautregel feststellbar ist. Somit sind so bekannte Phänomene wie die Kürzeim Gen. Pl. der Vokalstämme auf -anam, -inam, -unam nicht aufgrund der zweisil-bigen Messung der Endsilbe -am zu verstehen (so Hoffmann passim, vgl. Hoffmannand Forssman 1996: 60), sondern müssen analogisch erklärt werden (Einfluss dern-Stämme, so schon Bartholomae),1 und ähnliches gilt für andere Fälle (die somitauch nicht zum Nachweis ehemals zweisilbiger Lesung eines a herangezogen wer-den können, siehe §30.1.2). Sprachwirklich ist wohl auch eine „Kontrastkürzung“ derhohen Vokale ı, u vor dem jeweils anderen Halbvokal u

, i

(also ıu

> iu

; ui > ui

die bei*jiu

, ciu

letztlich zu juu

, cuu

führt). Dagegen ist die oft vermutete Kürzung von a vor

ii, uu kein generelles Phänomen, sondern meist analogisch bedingt (§§4.3, 4.4 und§§4.9.1, 4.9.7); auch die von Szemerényi (1951: 159-61 = 1991: 1805-7) begründeteThese einer vortonigen Kürzung wird mit Skepsis gesehen, da schon die vorausge-setzten Akzentverschiebungen unsicher sind und die Distribution nicht passt.

Allgemeinere sprachwirkliche D e h n u n g e n sind grundsätzlich nur in speziel-leren Kontexten feststellbar und in der Regel postavestisch, also erst in der mündli-chen Überlieferung eingetreten; sie sind weitgehend auf offene Silben oder die Posi-tion vor bestimmten Konsonantengruppen beschränkt. Klar ist eine postavestischeDehnung nach ii, wenn durch eine Art Ersatzdehnung ursprünglich silbisches ii

a

zu i

a wurde (chronologisch vor dem generellen Wandel von Ci

> Cii

anzusetzen),vgl. z.B. *abi-ama- > *aβii

ama- > *aβi

ama- > aiβiiama- ‘aggressiv’, *ni-i

asa-

> ni

asa- > niiasa- ‘festhalten’ (§3.1). Kompensatorisch dürfte auch die Dehnungvora š. nach Labialen sein (54-56 §3.3), da š. auf eine vereinfachte Konsonantengrup-pe *hrt zurückgeht - dass aber nur labiale Konsonanten die Dehnung begünstigen,spricht wohl für einen Einfluss der Vokalqualität, zumal auch sonst sporadische Deh-nung nach Labialen vorkommt (§3.2). Sonst freilich ist Verf. zuzustimmen, wenn er

1Eine parallele sprachwirkliche Form mit Kürze wird auch von der Nebenform -änu des Gen. Pl. m. imKhotanischen vorausgesetzt, die über *-anu auf *-ánam < *-anam zurückgehen muss, vgl. Emmerick1968: 267 §14 (xii).

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(§30.1.4) die These einer qualitativen Deutung der Differenz von ı: i; u : u; a : aablehnt, deren Einzelheiten ohnehin oft lauttypologisch zweifelhaft waren (dass ı, uoffener sein sollten als i, u, widerspräche aller Erfahrung).

Regulär in der postavestischen Überlieferung ist außerdem eine „Kontrastdeh-nung“ der hohen Vokale i (in offenen Silben, §6.2.3) und u (immer, §10.2.3) nachdem jeweils anderen Halbvokal u

, i

, vgl. vıδar�, vıspa-, t�uuıšı-, va�uhınam; yuxδa-,pipiiušı-. Ähnlich dürfte auch die Dehnung von u bei i-Epenthese zu beurteilen sein(§10.5), z. B. ahuiri- zu ahura-. In allen diesen Fällen ist wahrscheinlich eine über-deutliche Aussprache der von Assimilation bedrohten Vokale anzunehmen, also u

ı,

i

u, ui zur Vermeidung von undeutlichem u

i > u

ü > u

u; i

u > i

ü > i

i; ui > üi > i (imFalle von ıu

> iu

> *üu

> uu

ist ja genau eine solche Assimilation eingetreten, siehe

oben).Sonst findet sich frühe, sprachwirkliche Dehnung öfter bei Reduplikationssilben,

vermutlich durch den Einfluss laryngalbedingter Fälle (§3.7.1; 6.2.1). Sonstige Fällesind in der Regel sehr jung, wenig konsistent und durch verschiedene assimilatorischeoder dissimilatorische Faktoren bedingt. Dabei kann es zu beinahe widersprüchlichenWirkungen kommen, wenn z.B. einerseits a der zweiten Silbe an folgendes a assi-miliert wird (uruuata), andererseits aber a in drittletzter Silbe vor folgendem a dis-similatorisch gekürzt wird (nauuaza-) — in beiden Fällen nach u

‹uu›. Diese relative

Unsicherheit macht nun auch die Beurteilung wichtiger Formen sehr problematisch.So weist Verf. z. B. (S. 69) auf das vielzitierte Wort jungav. yakar�, ‘Leber’ hin,das an der einzigen Belegstelle F. 189 nur die Lesung von M51 (wonach ya.k�r�,Vn 22) gegenüber yakar� K20 darstellt und somit (gegen alle anderen iranischenoder iir. Zeugnisse) kein sehr starkes Zeugnis für eine dehnstufige uriranische Form*i��akar liefert: phonologisch strukturähnliche Wortformen wie die Perfektformen jun-

gav. daδar�, babuuar� haben ebenfalls kein uraltes a.Eine einzige Dehnung wird als solche gar nicht genau kommentiert, obwohl sie

beinahe konsequent ist, nämlich die Entwicklung � > � in der älteren Schicht desaltavestischen Kanons (S. 618). Diese hat im Jungavestischen auch dort nicht statt-gefunden, wo der Reflex des Vokals � erhalten ist (abgesehen von *�h > �, > o).Diese Dehnung muss speziell die altavestische Rezitation betroffen haben, war aberoffenbar abgeschlossen, bevor die zweite Welle jungavestischer Neuerungen in denaltavestischen Text eingeführt wurde, denn danach bleibt, in den so entstandenenWörtern des altavestischen Texts.

Relativ ungenau ist die Darstellung des Übergangs *-u

am, *-i

am zu av. -um,-ım. In der Spezialbehandlung (S. 264-8 §8; S. 319-26 §12) werden hier kei-ne Zwischenstufen angegeben, erst aus der chronologischen Übersicht am En-de (S. 615-623) wird dann klar, dass Verf. mit den Zwischenstufen frühjungav.*-u

�m, *-i

�m > spätjungav. *-um, *-im rechnet, bevor die allgemeine Dehnung vor

-m stattfand (deren Datierung Rez. in der Übersicht nicht finden konnte). Dies mag esbegünstigt haben, dass an einer Stelle (§8.3, S. 267) ein irriges Argument auftaucht:jungav. broiθro.taež�m könne nicht auf *-taiji

am zurückgehen, weil dieses *-ım er-

geben haben sollte. Das trifft nicht zu, denn der Wandel *-i

am zu *-im > -ım findetnur dann statt, wenn das *i

im Avestischen segmental erhalten blieb, genauso wie

bei *-u

am > -um. Wie richtig in §12.2.2 ausgeführt, zeigt aber die Gruppe *-ahu

amden Reflex *-a��h�m > (überliefert) -a�hum, weil eben *u

schon vorher (frühjun-

gavestisch) seinen segmentalen Charakter verloren hatte, und das Gleiche müsste

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auch für *-(a)hi

am > *-(a)��h�m gelten. Bei den Konsonantengruppen *ci

, ji

> *si

,zi

> jungav. �s, *z (vgl. ha�se, ao�sete; družaiti, +dražete), die ebenfalls das *i

absorbier-ten, kann das kaum anders gewesen sein, also wäre < *-taez�m < *-taiji

am durch-

aus zu erwarten. Zwar sind sonst Formen, die auf *-hi

am, *-ci

am, *-ji

am zurückge-hen müssten, offenbar nicht belegt, aber so gibt es auch keinen konkreten Anhalts-punkt dafür, dass sie -ım haben sollten und nicht -�m (> -im). Dafür sprich auch derähnliche Fall von altem ∗◦hi

an, ∗◦ci

an in a��h�n, sa�s�n. ca. Unsicher ist wohl auch

die Datierung von *-u�m, *-i

�m > *-um, *-im in spätjungavestischer Zeit. Da der

Wandel offenbar keine analogischen Folgen hatte (keine scheinbaren Übergänge zui-/u-Stämmen sind zu bemerken), muss er nicht der lebenden Sprache zugeschriebenwerden, und das Endergebnis -um, -ım ist auch gut erklärbar, wenn man mit längeremErhalt als *-u

�m, *-i

�m rechnet, das dann noch zu *-uu

�m, *-ii

�m und erst danach zu

*-uu

m, *-ii

im > -um, -ım wurde.Wenn man auch in broiθro.taež�m nunmehr mit einem alten *ji

rechnen kann,

schrumpft die Zahl der Beispiele, in denen jungav. ž auf altes einfaches *j zurück-gehen muss, um ein weiteres. Und alle übrigen Beispiele könnten auch durch ana-logische Einflüsse verstanden werden, wie Verf. in mehreren Fällen anmerkt: Verba-les ž kann teilweise auf *z < *��i

beruhen (vgl. unten), so jedenfalls bei draža- (vgl.

S. 409), naenižaiti (die Form wäre das einzige thematisierte Intensivum, so dass ei-ne i

a-Ableitung wahrscheinlicher ist) und wohl auch δβ oža- (S. 442); in anderen

Fällen könnte man bei aktiven thematischen Präsentien mit dem Einfluss medialerya-Präsentien rechnen, vgl. ved. dáha-ti : dáhya-te zu jungav. daža-ti, ved. bhája-ti/te

neben bhajyá-te zu jungav. baža-. Bei aži- ‘Drache’ spricht zwar das nicht echtavesti-sche Begleitwort dahaka- für eine Dialektform, doch könnte es auch von Formen mit*a��i

- beeinflusst sein, desgleichen das KVG tiži- von Wörtern mit *ti��i

- wie tižiiaršti-

(in denen wiederum -i- restituiert sein könnte). Demnach ist keines der Beispiele füreine dialektale Lautentwicklung j > ž völlig sicher. Bei der kritischen Besprechungder „arachotischen Hypothese“ (s. unten) hätte dies noch deutlicher werden können.

Der in den Namensreihen Yt. 1.12-15; 15.43-48 vorkommende, offenbar dem Ar-chetyp zugehörige Nom. Sg. -�, von a-/ah-/an-Stämmen gehört laut Verf. (S. 446-58§22.7) zu einem jungen Einschub, der von westmitteliranischen Sprechern konzipiertwurde, die eine von Back (1978: 39ff.) noch für das Mittelpersische der Inschriftenangesetzte Endung -�, kannten. Dies setze eine Überlieferung des Avesta in Persienvor dem endgültigen Schwund der Endsilben im Jahre 250 voraus. Fraglich bleibt da-bei, ob man unbedingt mit einer (süd-)westmitteliranischen Grundlage rechnen muss,oder ob nicht z.B. auch ostmitteliranische Sprachen wie Baktrisch in Frage kämen,die ebenfalls eine Reduktion der Endsilbenvokale bis hin zu [�] kennen (dies wohlneben [u,w] eine der Lautungen des baktr. Graphems ‹o›); auch die Reduktion desauslautenden *-ah zu *-i im Sogdischen, Sakischen und wohl auch Vorossetischen(Cheung 2002: 56-58) kann eine Zwischenstufe *-�(h) gehabt haben.

Bei der Besprechung von av. �r� lehnt Verf. (S. 506f. mit Anm. 648) die Hypothe-se von Cantera (2001) ab, wonach uriir. *r. H im Iranischen (nicht nur im Avestischen)unbetont bei labialem Kontext nicht *ar sondern (wie bloßes *r. ) *�r ergeben habe.2

2Die teilweise ähnliche Regel von Lubotsky 1997, wonach diese „Kürzung“ unbetont vor *i

, u

stattfand,wird jedoch akzeptiert (sämtliche bei de Vaan erwähnten Beispiele dafür fallen auch unter Canteras Regel).

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Die Gegenargumente sind jedoch wenig überzeugend: Bei �r�δβa- kommt es nichtdarauf an, ob dieses ursprünglich *-u

hatte, denn das verlangt Canteras Regelformu-

lierung gar nicht, weil in voruriir. *r. Hdhu

á- die Bedingung „vor u

der Folgesilbe“greift (so explizit Cantera 2001: 13); nur implizit wird durch die von Verf. zitierteRekonstruktion Lubotsky (1988: 94) als *h3r. dhu

ó — ein zweites Gegenargument an-

gedeutet, wonach gar keine Gruppe *r. H vorgelegen hätte. Dies würde das Beispielwirklich entfernen, aber ved. urdhvá- widerspricht dem entschieden, und zwar ge-rade dann, wenn kein *u

- vorlag.3 Dass wir bei kam�r�δa- im Unterschied zu ved.

murdhán- die ursprüngliche Betonung nicht kennen, trifft zwar zu, aber Betonung aufdem silbischen r dürfte kaum die wahrscheinlichste Alternative sein, und es bleibtdas zu erklärende Faktum, dass hier einem laryngalbedingten vedischen ur (teilwei-se) iranisch *r. /�r zu entsprechen scheint.4 Dass v�r�zi◦ und v�r�zaiian. t- besser zuav. varz-, v�r�ziia- ‘wirken’ gehören und nicht zu ved. urj-, urjáya-, müsste man ge-gen die übliche Deutung dieser Wörter noch begründen. Somit bleibt nur gemeinira-nisch *p�rna- ‘voll’, av. p�r�na- ‘Handvoll’ usw. Dies kann man zwar mit Verf. nachMeillet (1927: 48) durch Analogie nach dem Präsensstamm *p�rna- (av. p�r�na-) er-klären, aber zwingend ist das natürlich nicht (zumal star�ta- neben st�r�na- erhaltenbleibt). Somit kann Canteras Regel nicht abgewiesen werden und bleibt jedenfallseine Möglichkeit.

Ausführlich wird auch die avestische Vokalepenthese behandelt (S. 547-62 §26f.):i- und u-Epenthese sei postavestisch, aber Zeichen einer realen Palatalisierung bzw.Labialisierung des Folgekonsonanten. Ein wesentliches Argument dafür, dass pala-talisierte Konsonanz eine Rolle spielen kann, ist die dissimilatorische Hinderung derEpenthese durch den palatalen Konsonanten eines folgenden -ca (wenn nur ein Vokaldazwischen, S. 559-60). Nur r unterliegt beiden Epenthesen ohne Einschränkung, eskonnte demnach wohl palatalisiert und labialisiert werden (und später diese Eigen-schaften wieder verlieren, s. u.). Wie r unterliegen außerdem t und n (nur bei a)auch der i-Epenthese vor ��e. Sonst ist nur i-Epenthese vor ��ı/i

feststellbar, und zwar vor

allen Dentalen und den Labialen b,β (nicht jedoch u

, f, m; auch bei p nur in aip��ı )sowie nur bei a/e vor den Gruppen n. t, rm und altav. db-. Bei den Labialen sind je-doch manche Schlussfolgerungen unvorsichtig: Belege für die Epenthese vor b gibtes nur bei a und ae, sonst nicht. Selbst wenn die sonstigen Belege nur aus b-Kasusbestehen, folgt daraus nicht zwingend eine rein morphologisch bedingte Regel (keineEpenthese bei klarer Morphemgrenze). Es könnte für das Ausbleiben der Palatalisie-rung bei sämtlichen anderen Vokalen ja auch lautliche Gründe geben, zumal auch p

überhaupt nur hinter a Epenthese zeigen kann und bei f und m keinerlei Epenthesevorkommt. Daher lässt sich die Frage nur schwer entscheiden. Grundsätzlich wäre

3Daher musste Lubotsky (1988: 94) auch mit einer sekundären Anlautveränderung rechnen; seine Bei-spiele für *ur- aus *h3r- sind jedoch zweifelhaft (so wurde urn. óti von ihm selbst später anders und bessererklärt).4Mehr Gewicht hätte der Hinweis auf mpers. kamal, khot. kamala- gehabt, die anscheinend auf *kamarda-und nicht *kam�rda- zurückgehen (dies hätte †kamul bzw. †kamula- ergeben sollen, vgl. mpers. buland,gul, spul, khot. mula-, bulysga-, puls-, s. puljei), was schon Cantera (2001: 9, 17, 24) Probleme bereitete; dieavestische Form wird aber von baktr. καμιρδo bestätigt, so dass in jedem Fall eine inneriranische Abwei-chung zu erklären bliebe. Für diese wäre akzentabhängige Variation vielleicht eine Erklärungsmöglichkeit– oder Einfluss des Simplex?

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es wenig überraschend, wenn Labiale nur eine geringe Epentheseanfälligkeit hätten,da sie auch wenig zur Palatalisierung neigen. Ohnehin stellt sich die Frage, ob dieEpenthese als rein graphisches Mittel zur Markierung palatalisierter und labialisier-ter Artikulation interpretiert werden kann (so S. 547 nach Morgenstierne 1942: 57):Die Avesta-Schrift bezeichnet ja generell sogar alle deutlichen Allophone durch ei-gene Grapheme, so auch palatalisierte bzw. palatale �s, x, n, �� und labialisierte ��, �v.Es wäre also erstaunlich, wenn sie im Archetyp so häufige Allophone wie ein palata-lisiertes [tj] oder [rj] nicht eigens bezeichnen würde. Nun ist sprachwirkliche Epen-these aber ein typischer sekundärer Reflex g e s c h w u n d e n e r Palatalisierung, wieman sehr schön an den Verhältnissen im Khotansakischen sehen kann (vgl. auch zumOssetischen Cheung 2002: 97-117): Dort treten der sogenannte „Umlaut“ (bzw. „pa-latalization“) von a zu ı (offenbar eine Epenthese mit folgender Monophthongierung*a >*ai > *ı )5 und parallele Prozesse nur dort auf, wo der Konsonant synchronnicht palatalisierbar bzw. entpalatalisiert ist, nämlich vor t., d. , t.h, tt, t, n, nd, nth,m, r, rr, l, v; s. s. , rs. , h (Hitch 1990: 182f., 188f.), während vor den palatalen Konso-nanten ch, j, ñ, ss, s, st das kurze a erhalten bleibt (Hitch 1990: 183, 188f.). Diesgeschieht auch bei sekundärer Entpalatalisierung eines palatalisierbaren Konsonan-ten, vgl. hvınde < *hwaiñde < *hwanyatai ‘heißt’ (in sekundärer Konsonantengrup-pe wegen Synkope) gegenüber dem sonstigem hvañ- ‘heißen’ (ebenso jsınde zu jsañ-‘geschlagen werden’, vgl. Hitch 1990: 193 §12.2.2). Betroffen sind im wesentlichendie Konsonanten, die auch im Avestischen Epenthese zeigen, abgesehen davon, dassLabiale stärker betroffen sind. Daher kann man auch für die avestische Überlieferungsolche Vorgänge annehmen — im Falle von archetypischem anii scheint dies sogarnoch während der handschriftlichen Überlieferung zu geschehen, wie häufiges ainiizeigt, ähnlich auch ai�h für altes a��h (vgl. Hoffmann and Narten 1989: 56-61).

Im Zusammenhang mit den für die Epenthese bedeutsamen Konsonanten (was imBuch aber nicht deutlich wird) steht auch der „Umlaut“ von *a zu e bzw. o. DieBedingungen dafür sind einander ähnlich, aber nicht genau parallel: Der i-Umlauta > e (S. 407-410 §20.4) trete nur nach (ursprünglichem) i

vor folgendem i

, ��ı, ��e, auf,

falls nicht hm, uu dazwischenstehen, außerdem vor direkt folgendem c/j (S. 407).Prüft man die Beispiele genauer, stellt sich heraus, dass hinter dem e praktisch fastnur Dentale (einschließlich n) und h (mit x) stehen. Das heißt also, der Umlaut er-scheint vor allem bei den Konsonanten, die auch die i-Epenthese fördern; die einzigeAusnahme ist m in Formen der 1. Sg. auf -iiemi (und b in fragwürdigem fraiiebıšcaVr. 8,1?). Dagegen ist der u-Umlaut von a > o allgemein zwischen Labial und denbesonders rundungsanfälligen Konsonanten r, š, γ , h belegbar (S. 415-418 §21.1),wenn ein vokalischer u-Laut folgt (nicht bei u

). Gegen die jüngere Handbuchlehre

(Hoffmann and Forssman 1996: 65) sei bei Fällen von ◦o < * ◦a- vor folgendem -hu,-huua, -tu, -duiie, -dum kein ursprünglicher u-Umlaut anzunehmen, sondern sekun-däre Reanalyse mit RCS, was noch vorhandene Lesarten mit Trennungspunkt zeigten(S. 436-441).

5Auch der alte Diphthong ai entwickelt sich regulär zu ı, vgl. ssıta- ‘weiß’, rrıj- ‘zurücklassen’ : av.spaeta-, raecaiia-. Der Wandel impliziert eine Dehnung des kurzen Vokals a und kann daher kein einfacherUmlaut sein (anders der offenbar ältere Prozess in Wörtern wie mästa-/mista- < *masita-).

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Wichtig für die Beurteilung auch der indoiranischen Morphologie ist die Feststel-lung (S. 577-602, besonders 599ff.), dass der einzige bekannte Reflex des urindoira-nischen Akzents im Avestischen, nämlich stimmloses r ‹hr› vor stimmlosen Plosiven(bzw. aus *hrt entwickeltes š. ) nur im Jungavestischen lautgesetzlich war, nicht je-doch im Altavestischen, wo solche Fälle nur durch Einführung jungavestischer Lau-tungen auftreten — jedenfalls gibt es keine sicheren Belege rein altavestischer Fälle.Folglich kann aus der Abwesenheit von š. oder hr in rein altavestischen Belegen keinSchluss gezogen werden. Dadurch entfallen Beispiele für scheinbar inneravestischenAkzentwechsel wie altav. p�r�tu- gegenüber jungav. p�š. u- ‘Brücke’ (jungavestischeBelege von p�r�tu- könnten altavestischen Einfluss zeigen) oder mar�ka- gegenübermahrka-, und es wird möglich (wenn auch prinzipiell nicht zwingend erforderlich),einen uravestisch und ggf. uriranisch einheitlichen Akzent anzunehmen. Dabei spieltauch eine etwaige Akzentverschiebung durch Enklitika keine Rolle (vgl. schon Hoff-mann 1986: 180f.15 = 1992 : 854f.15). Zu dem gleichen Ergebnis kamen prinzipiellschon Beekes (1988a: 56-69) und jüngst hinsichtlich rt/š. auch Cantera 2003: 258f.6).

Keine Wirkung des alten Akzents ist auch (gegen einerseits Hoffmann and Narten1989: 53-55 und andererseits Schindler bei Tremblay 1996: 105) nach Verf. bei deraltavestischen Graphie xii gegenüber hii anzunehmen (das Jungavestische hat in derRegel ��h und zeigt damit, dass das Uravestische noch generell *hi

hatte). Gegen die

These, dass xi

vor betontem Vokal regulär war, spricht die Distribution der Graphi-en (Übersicht auf S. 571f.), die vielmehr weitgehend vom folgenden Vokal oder derSilbenposition abzuhängen scheint: hii vor absolut auslautendem Vokal (außer -��a)und kurzem a in offener Silbe, xi

i sonst (also auch vor ◦a-ca). Gegenbeispiele, die xii

ohne folgenden uriir. Akzent zeigen, sind vaxii��a(vásyas-), ��axii��a/��axiiai, maxii��a,θβaxii��a (letztere ohne ved. Gegenstücke, doch kann uriir. *su

asi��as usw. wohl ausge-

schlossen werden), umgekehrte Gegenbeispiele für hii mit wahrscheinlich ursprüng-lich folgendem Akzent sind ahiia (: asyá, aber axiiai : asy��as), srauuahiieitı (sra-vasyáti). Hier liege eine junge, erst postavestische Stärkung [hj] > [çj] vor, die alleFälle von überliefertem *hi

betraf, während schon vorher (aus rhythmischen Grün-

den) silbisch gewordenes hii

unverändert blieb, genauso bei altem *hu>[xw] > ��

[xw]. Dies treffe auch den einzigen Fall, wo Hoffmann (1976: 490) akzentbeding-te Unterschiede bei der Vertretung von *hu

angenommen hatte, nämlich Nom. Sg.

huuar�, < *húu

ar gegenüber Gen. Sg. ���n. g ‘Sonne’ < *huu

ánh, wo Verf. für dieRestitution von huu◦ im Nom. allerdings nur Einfluss der jungavestischen Genetiv-formen hu und huro anbieten kann, was natürlich die Frage aufwirft, warum der alta-vestische Genetiv *hu

anh diesem nicht unterlag (wurde er nicht mehr verstanden?).

Entsprechend sei auch Beekes’ (1988a: 69) Ausdehnung der Regel auf die einzigenaltavestischen Inlautfälle von �� problematisch (S. 574): auch hier sei eher eine jungeVerteilung festzustellen: huu vor auslautendem Vokal (hier aber inklusive��a), sonst je-doch �� (auch vor Kurzvokal in offener Silbe: n�ma��aitıš). Tatsächlich sind die Ar-gumente für eine erst postavestische Stärkung überzeugend, besonders weil offenbarder RCS vorausgesetzt wird (denn Komposita mit restituiertem hu- ‘gut’ bleiben un-berührt) und die Verteilung unter Einfluss eines folgenden -ca typisch für eher junge

6Seine Lautregel, � > a /#_š. für aš. a-, aš. i- bleibt freilich genauso ad hoc wie die andernfalls nötigenmorphologischen Zusatzannahmen. Allerdings könnte man sie phonetisch durch die Dehnungstendenzvor š. stützen, die in Wörtern wie baš. ar- auftritt (S. 54-56 §3.3).

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Prozesse ist. Es lässt sich sogar eine vom Verf. nicht bemerkte Parallele für die Dif-ferenz von *-ahi

a >*-ahii

a > -ahiia gegenüber *-ahi

aca > -axiiaca finden, nämlich

die (notwendigerweise sehr junge) Differenz von mauuoiia gegenüber mauu(a)iiaca(beide aus *mau

i

a < *maβi

a < *mabi

a). Man könnte also mit einer generellen Ten-denz rechnen, vor -i

a dann besonders früh einen Vokal einzuschieben, wenn nur ein

Kurzvokal folgte. Schwierig bleibt in jedem Fall die Erklärung der jungavestischenOptativformen hiiat

¯, hiian/hiiar�, bei denen gegen das Altavestischen eine sekundäre

Restitution des silbischen Anlauts hii

◦ angenommen werden müsste.Bei der Inlautentwicklung von *hu

im Jungavestischen wird Hoffmanns Er-

klärung der einzigen eindeutig abweichenden Form hara��aitı- als Fremdwort ak-zeptiert, jedoch der weitergehende Schluss auf eine „arachotische Phase“ der Avesta-Überlieferung abgelehnt (im Anschluss an Tremblay 1996: 104-106); alle sonst dafürherangezogenen Fälle werden anders erklärt (Verweise auf S. 614; siehe auch obenzu j > ž).

Bei der am Ende gegebenen Chronologie ist am auffälligsten, dass hier dem Alta-vestischen (Stufe II+III) selbst (wie schon bei Beekes 1988a) keine nicht schon urira-nischen Lautwandel zugeschrieben werden. Alle typisch avestischen Entwicklungenwerden als primär jungavestisch betrachtet und treffen die altavestischen Texte erstals Folge der Übertragung frühjungavestischer Merkmale auf Stufe IV. Auch danachauf Stufe V wurden noch einige Prozesse aus dem Jungavestischen in die kanonisier-ten altavestischen Texte übertragen, jedoch meist nicht mehr konsequent. Nicht klarwird jedoch, warum die vollständig durchgeführten Prozesse *-�h > -�, *-ah > -��a,*-au > *-o und *-�rnš > -�rãš erst in Stufe V datiert werden müssen: Bei *-au >

-o wird dies (S. 374) mit der Form *dahi

au > da��huuo belegt, bei der *-au > *-oden typisch jungavestischen Wandel hi

> ��h /a_a voraussetze, dessen Bedingungen

(a-Vokal auf beiden Seiten der Gruppe) ja nach der Monophthongierung nicht mehrgegeben waren. Dies verlangt jedoch nicht zwingend, dass die Monophthongierungdeutlich später gewesen sein muss, es würde genügen, sie gemeinsam mit den eben-falls notwendigerweise jüngeren Übergängen *a > *�, *a >��a unter IV. 3.b-f zu stel-len. Der Schwund des auslautenden h nach �,��a wird wohl nur deshalb in die Zeit nachder Kanonisierung des Altavestischen verlegt, weil ein Ersatz von altav. *-ah durch*-�h leichter vorstellbar wäre als durch weiterentwickeltes -�,. Fraglich ist freilich,ob die Voraussetzung zutrifft, nämlich dass das Altavestische selbst keinen einzigendieser Wandel kannte. Notwendig wäre diese Annahme nur bei solchen Prozessen,die altavestisch belegt sind, aber bereits spezifisch jungavestische Wandel voraus-setzen und somit jünger als das Altavestische sein müssen. Das scheint der Fall zusein bei *hi

> ��h, was erst nach jungav. *-hi

a > -he stattgefunden haben kann und

somit auch auf die vermutlich gleichzeitigen *h > �h, *hu

> ��h zutreffen dürfte.Dass jedoch auch *a > /_h usw. jünger sein müssten, ist keine notwendige Folge-rung (das Argument ist ein „retracting effect“ von h, der parallel sei zu h > �h; dochwas an dem Wandel *h > �h ist eigentlich eine Zurückziehung?). Damit ist es denk-bar, die allophonischen Prozesse bei den a-Lauten mitsamt dem h-Schwund bereitsin die altavestische Periode zu datieren, was dazu passt, dass sie ja im Altavestischenauch vollständig durchgeführt sind. Auch die Monophthongierung *-au > *-o mussnicht unbedingt erst jungavestisch sein und wirklich hi

> ��h voraussetzen, denn es

kann nicht ausgeschlossen werden, dass jungav. *hi

> ��h usw. auch vor anderen tie-feren nichtvorderen Vokalen, also auch *-au

> -o stattfand; sicher ist nur, dass davon

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Book review 281

nur Reflexe von altem a-Vokal betroffen waren.7 Als frühester echt-jungavestischerLautwandel im Altavestischen bliebe dann nur ah > a�(h). Es wird nur einen kon-kreter Anhaltspunkt gegen eine Frühdatierung von *-ah > -�h genannt, nämlich dielaut Verf. (S. 429, 460) mangels RCS erhaltene Endsilbe -ah in dem Kompositummiθahuuac��a Y 31,12, im Gegensatz zu folgendem �r�š.vac��a mit RCS. Dieses Wortkann eine solche Beweislast jedoch nicht tragen, denn es zeigt einfach die lautgesetz-liche Inlautentwicklung von *-ahu

-. Auch wenn dies bei Komposita ungewöhnlich

ist (aber das Wort wurde eben offenbar in der Überlieferung nicht mehr als solcheserkannt), zwingt der Fall nicht dazu, hierin die echt-altavestische Lautung einer wirk-lichen Endsilbe *-ah zu erkennen. Es gibt demnach keine Belege für altav. erhalte-nes *-ah, *-ah oder ähnliches. Deren Gestalt -�, -��a muss nicht auf jungavestischemEinfluss beruhen, sondern kann gemeinavestisch sein. Auch wenn eine sekundäreVeränderung eines annähernd uriranischen altavestischen Textes durch jungavesti-sche Redaktion nie ausgeschlossen werden kann, wäre es doch eine petitio principii,sämtliche spezifisch avestischen Veränderungen ausschließlich dem Jungavestischenzuzuschreiben (was übrigens auch die Klassifikation des ursprünglichen Altavesti-schen als „avestisch“ theoretisch unmöglich machen würde). Rez. würde also lieberdie unter IV a.1 und a.3.b-f sowie V.1.a aufgeführten Gesetze schon dem Altave-stischen bzw. bereits der gemeinsamen Grundlage beider avestischen Sprachen zu-schreiben (gleich ob nun das Jungavestische direkt auf das Altavestische zurückgehtoder nicht).

Einige Kleinigkeiten seien noch erwähnt:In der knappen Übersicht über die Entwicklung des Lautsystems (S. 11f.) bleibeneinige Dinge unklar: Die sachlich problematische Schreibung von urindoiran. <c>(primärer Palatal) vs. <c> (sekundärer Palatal) usw. ist auch hier aus der Traditionübernommen, obwohl gerade der avestische Übergang � > i noch in postarchetypi-scher Zeit (vgl. S. 266f. §8.2; 480 §23.5.1.2) den palatalen Charakter der c-Serie er-weist, der für das Urindoiranische eine bereits partiell entpalatalisierte Lautung vomTyp „c“ ausschließt. Für Außenstehende mit phonologischem Interesse ist diese Um-schrift nicht hilfreich.

Die Tenues aspiratae fehlen ohne Kommentar (vermutlich noch *TH?) im Urin-doiranischen, doch tauchen uriran. = altav. plötzlich stimmlose Frikative auf, derenEntstehung nicht erklärt wird.

Dort wird auch ein Phonem (!) „�“ im Anschluss an Beekes (1988a: 5) noch für dasAltavestische angesetzt. Aus der Bewahrung mehrsilbiger Strukturen aus ehemaligenFolgen von Vokal+Laryngal+Vokal kann man aber nicht auf ein Phonem schließen.Selbst das Standardneuhochdeutsche hat kein Phonem /�/, auch wenn es sogar Fol-gen wie verändern [fa�εndan] gibt; denn dieser Laut ist hier nur ein Allophon vonNull an der Morphemgrenze, und mehr braucht man auch für das Altavestische nichtanzunehmen.

7Doch könnte man hier wenigstens einwenden, dass die ähnliche Monophthongierung von *-ai > -e ganzsicher nicht altavestisch ist. Auffällig und auch von de Vaan nicht geklärt ist die Tatsache, dass der Reflexvon *-au, obwohl früher monophthongiert, anders als der von *-ai im Jav. in den Endsilben von Mehrsil-blern nicht gekürzt wird.

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S. 60 §3.4.2.1: Die Erklärung von av. fra-raoδaiia- als alt und laryngalbedingt lässtsich durch khotansakisch haruv-, haro (Bailey 1979: 479-80) stützen, die ebenfalls*fra-r◦ voraussetzen.

S. 143 §4.9.4 Das Perfektpartizip *apana- ist nicht „only attested in the superla-tive“, s. richtig schon auf S. 135 §4.7. Auch die Analyse von apano.t�ma- als *ap-ana-tama- steht im Widerspruch zu der Behandlung dort: das Superlativsuffix -tama-wird zwar normalerweise an Adjektive angefügt, ist aber eben gerade bei Perfektpar-tizipien gut belegbar!

S. 464 §23.2 Bei der Distribution von jungav. -in für -�n ist der Zusatz „or š“falsch, denn dieses hat (im Gegensatz zu š) keine Palatalwirkungen, und es sind auchkeine Fälle von šin belegt.

S. 512 §24.2: Bei der Erklärung von Akk. Sg. atr�m statt †at�r(�)m < *atr. m ‘Feu-er’ vermutet Verf., hier sei von vornherein die Anaptyxe zwischen r und m eingetre-ten, weil eine spätere Beseitigung im Gegensatz zu erhaltenem st�r�ma- (u. ä.) schwererklärbar wäre. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Stellung des *r. in *atr. mdeswegen einzigartig ist, weil es vor wortauslautendem m steht, während st�r�ma-usw. silbenanlautenden Nasal hat. Hier liegen demnach durchaus spezielle Bedin-gungen vor, die nicht nur eine andere Anaptyxe (wie es Verf. ja voraussetzt), sonderngenauso eine besondere Synkope begünstigen würden (eine solche nimmt er S.518für bratruiia- an). Damit könnte man atr�m mit den Formen auf -traš/-tr�š (§24.5)parallelisieren, die ebenfalls Verlust oder Fehlen des � in tr vor silbenschlieδendenResonanten. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass auch jüngereiranische Sprachen gerade hinter *t in der Position /_C$ Reflexe von *tr� zeigen,während sie sonst weitgehend mit der avestischen Regel *r. > �r übereinstimmen,vgl. sogd. (mit *tr > *tš > c, Gershevitch 1954: §150) cštyh ‘Furcht’, cšn- ‘Durst’,cš”y- ‘dürsten’, cf- ‘stehlen’; chwar. ’nctyk ‘Furcht’, cy- ‘dürsten’, ’cyk ‘Durst’, cfy-‘stehlen’, cfk ‘sauer’ (ebenso); mpers. pahl. tlwpš /trufš/ ‘sauer’, tlwptk /truftag/ ‘ge-stohlen’; parth. tryfš /trifš/ ‘sauer’, tryxs- /trixs-/ ‘unterworfen werden’?).8 Dabeimuss eine sekundäre Synkope vorliegen, da das Avestische und andere Sprachen beiden gleichen Wörtern auch den erwarteten und vermutlich älteren Reflex *t�r zeigen,vgl. jungav. taršti- ‘Furcht’, taršna- ‘Durst’, t�r�fiia- ‘stehlen’ (dies mit §24.1.5.1die wohl ursprüngliche Lesung statt tr�fiia-); mpers. pahl. tyšnk′, man. tyšng /tišnag/,bal. tunnag ‘durstig’; parth. tyšt- /tišt-/ ‘Furcht’; yaghn. tišpa, kurd. tirš ‘sauer’ (auchishkashmi t r f - ‘stehlen’ gegen shughni cif-?). Eine spezielle Synkope von � nachdem homorganen t mit anschließender Anaptyxe hinter r könnte das Phänomen er-klären, wobei die Bedingungen im Avestischen beschränkter wären als sonst: t�r > tr(> t�r/tri/tru)/_N$, /_i

,u

.S. 548 §26.1.1: Statt -ete, -eθe wäre besser -aete, -aeθe zu schreiben, da e alleine

nicht vorkommt.S. 622 §30.2 (Cluster 2,3): Der Verweis auf auui.ama- als Begründung für die Rei-

henfolge VβV > Vu

V vor ii

a > i

a bleibt unklar, da die unterschiedliche Behandlung

8Jünger (weil innersogdisch erst nach tr > tš > c) und damit für das Avestische weniger relevant ist dieAusdehnung auf beliebige Kontexte von Cr. NC, Cr. fC, Cr. xC im Sogdischen, bei denen statt des sonstüblichen Reflexes V(r) ein Reflex rV erscheint (Gershevitch 1954: §137; 152f.), vgl. b. ’nkr’nt-, -trync-(Gershevitch 1954: §153).

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Book review 283

von auui.ama- und aiβiiama- nur auf dem RCS beruht, nicht auf β > u

: Vielmehrwürde aiβi

ama- allein sogar darauf hinweisen zeigen, dass die Reihenfolge umge-

kehrt war, da nach dem Wandel keine intervokalische Stellung des β mehr vorlag;dem steht jedoch z. B. mabi

a > *maβi

a > *mau

i

a > *mau�i

a > mauuoiia entgegen.Auch wenn man in einigen Punkten zu abweichenden Auffassungen gelangen

könnte, ist doch nichts Wesentliches auszusetzen, und das Werk wird der weiterenForschung von Nutzen sein. Insgesamt ist das Buch sorgfältig gemacht, und man fin-det – auch dank ausführlichen Indices und Inhaltsverzeichnis – in der Regel, was mansuchen könnte. Das Material ist korrekt und umfassend dargeboten, Zusammenfas-sungen helfen bei der Orientierung.

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