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Arch. Toxicol. 34, 153--158 (1975) by Springer-Verlag 1975 TSdliche Vergiftung mit Eibennadeln (Taxus baccata) Th. Schulte II. Med. Klinik der St~dt. Krankenanstalten Karlsruhe Eingegangen am 29. November t974 Lethal Intoxication with Leaves of the Yew Tree (Taxus baccata) Abstract. A case of a rare lethal intoxication with yew leaves (taxus baccata) is reported. The clinical signs were dizziness (onset l hr after yew leaves were ingested}, nausea, diffuse abdominal pain, unconsciousness, weak breathing, tachycardia, brief ventrieular flutter afterwards a slow pulse, and finally death by respiratory arrest and diastolic cardiac standstill. Particular attention was given to the ECG. It showed an atypical bundle branch block with a maximal Ql~S-duration of 0.24 sec. A striking resemblence to the ECG in the case of hyper- kalemia is seen in that P-waves were absent. Therefore, the possibility is noted that an acute hyperkalemia could be partly responsible for the cardiotoxic effect of the leaf. Key words: Taxin -- Taxus baccata -- Yew poisoning -- ECG -- Hyperkalemia. Zusammen]assung. Es wird fiber einen seltenen, tSdlich verlaufenen Vergiftungsfall mit Eibennadeln (Taxus baceata) berichtet. Die klinische Symptomatik war charakterisiert durch einen nach etwa 1 Std nach Einnahme auftretenden Sehwindel, ?~belkeit, diffuse Leib- sehmcrzen, Bewufltlosigkeit, oberfli~chliche Atmung, Tachykardie, kurzfristiges Kammer- flattern, sp~ter Pulsverlangsamung, Bluf~lruckabfall, schlieBlich Tod an Ateml~hmung und im diastolischen Herzstillstand. Besondere Beaehtung haben wir dem EKG geschenkt. Es zeigSe einen atypischen Schenkelblock mit maximaler Verbreiterung von QI~S auf 0,24 sec. Da auch P-Wellen fehlten, ~ihnelte es auffallend einem Hyperkali~mie-EKG. Es liegt daher die Vermutung nahe, eine akute Hyperkali~mie kSnnte ffir die kardiotoxische Wirkung des Taxin mitverantwortlich sein. Schlfisselw~rter: Taxin -- Taxus baccata -- Eibennadelvergiftung -- EKG -- Hyper- kali~mie. Obwohl seit dem Altertum die Giftigkeit der Eibennadeln bekannt ist, sind in der medizinisch-toxikologischen Literatur -- unseres Wissens -- bisher nur wenige Berichte yon Vergiftungsf/~llen erschienen. Die meisten VerSffentlichungen stammen noch aus dem vorigen Jahrhundert. In neuerer Zeit sind nur 2 t6dlich verlaufene Eibennadelvergiftungen beschrieben worden (Czerweck et al., t960; Frohne et al., t965). Wenn auch friiher die Eibe sehr viel verbreiteter war, ist die Scltenheit der Vergiftungen mit Taxus baceata doeh erstaunlich, da die Eibe in allen Parks und Friedh6fen und auch als Zierstrauch in sehr vielen privaten G/irten gehalten wird. Die Eibe ist ein Strauch bzw. ein Baum, weleher bis 1000 Jahre alt, 15 m hoch und im Durchmesser 1 m stark werden kanu. Es handelt sich um immergrfine zweihEusige Pflanzen. Die beiderseits dunkelgriinen Nadeln sind etwa 3 em lang und 2 mm breit und in zwei Zcilen angeordnet. Die einzelnen erbsgroBen Samen sind yon einem roten oder gelben, flcischigen, becherartigen Samenmantel umgeben. Die Nadeln, die Samenkerne und auch das Holz sind giftig, w~hrend das l~leisch des Samenmantels ungiftig sein soll. Taxus baecata ist in Europa gesehfitzt.

Tödliche Vergiftung mit Eibennadeln (Taxus baccata)

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Page 1: Tödliche Vergiftung mit Eibennadeln (Taxus baccata)

Arch. Toxicol. 34, 153--158 (1975) �9 by Springer-Verlag 1975

TSdliche Vergiftung mit Eibennadeln (Taxus baccata) Th. Schul te

II. Med. Klinik der St~dt. Krankenanstalten Karlsruhe

Eingegangen am 29. November t974

Le tha l I n tox i ca t i on wi th Leaves of the Yew Tree (Taxus baccata) Abstract. A case of a rare lethal intoxication with yew leaves (taxus baccata) is reported.

The clinical signs were dizziness (onset l hr after yew leaves were ingested}, nausea, diffuse abdominal pain, unconsciousness, weak breathing, tachycardia, brief ventrieular flutter afterwards a slow pulse, and finally death by respiratory arrest and diastolic cardiac standstill. Particular attention was given to the ECG. I t showed an atypical bundle branch block with a maximal Ql~S-duration of 0.24 sec. A striking resemblence to the ECG in the case of hyper- kalemia is seen in that P-waves were absent. Therefore, the possibility is noted that an acute hyperkalemia could be partly responsible for the cardiotoxic effect of the leaf.

Key words: Taxin -- Taxus baccata - - Yew poisoning - - ECG - - Hyperkalemia.

Zusammen]assung. Es wird fiber einen seltenen, tSdlich verlaufenen Vergiftungsfall mit Eibennadeln (Taxus baceata) berichtet. Die klinische Symptomatik war charakterisiert durch einen nach etwa 1 Std nach Einnahme auftretenden Sehwindel, ?~belkeit, diffuse Leib- sehmcrzen, Bewufltlosigkeit, oberfli~chliche Atmung, Tachykardie, kurzfristiges Kammer- flattern, sp~ter Pulsverlangsamung, Bluf~lruckabfall, schlieBlich Tod an Ateml~hmung und im diastolischen Herzstillstand. Besondere Beaehtung haben wir dem EKG geschenkt. Es zeigSe einen atypischen Schenkelblock mit maximaler Verbreiterung von QI~S auf 0,24 sec. Da auch P-Wellen fehlten, ~ihnelte es auffallend einem Hyperkali~mie-EKG. Es liegt daher die Vermutung nahe, eine akute Hyperkali~mie kSnnte ffir die kardiotoxische Wirkung des Taxin mitverantwortlich sein.

Schlfisselw~rter: Taxin -- Taxus baccata - - Eibennadelvergiftung - - EKG - - Hyper- kali~mie.

Obwohl seit d e m A l t e r t u m die Gif t igkei t der E ibennade ln bekann t ist, sind in

der mediz inisch- toxikologischen L i t e ra tu r - - unseres Wissens - - bisher nur wenige Ber ich te yon Vergiftungsf/~llen erschienen. Die meis ten VerSffent l ichungen s t a m m e n noch aus dem vor igen J a h r h u n d e r t . I n neuere r Zei t sind nu r 2 t6dl ich

ver laufene E ibennade lve rg i f tungen beschr ieben worden (Czerweck et al., t960;

F r o h n e et al., t965). W e n n auch fri iher die E ibe sehr vie l ve rb re i t e t e r war, ist die Scl tenhei t der Vergi f tungen mi t Taxus bacea ta doeh erstaunlich, da die Eibe in

a l len Parks und F r i edh6fen und auch als Ziers t rauch in sehr v ie len p r iva t en G/ir ten geha l t en wird.

Die Eibe ist ein Strauch bzw. ein Baum, weleher bis 1000 Jahre alt, 15 m hoch und im Durchmesser 1 m stark werden kanu. Es handelt sich um immergrfine zweihEusige Pflanzen. Die beiderseits dunkelgriinen Nadeln sind etwa 3 em lang und 2 mm breit und in zwei Zcilen angeordnet. Die einzelnen erbsgroBen Samen sind yon einem roten oder gelben, flcischigen, becherartigen Samenmantel umgeben. Die Nadeln, die Samenkerne und auch das Holz sind giftig, w~hrend das l~leisch des Samenmantels ungiftig sein soll. Taxus baecata ist in Europa gesehfitzt.

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Der I - Iaup t~rks to f f der Eibe ist das s tark giftige Alkaloid Taxin. Es handel t sieh dabei u m eine f l -Dimethylaminohydrozimtsgure (Gr~f et al., 1956). Der Toxingehal t der E ibennade ln betragt 0,7 bis 2 % (am hSchsten sell er im Winte r sein, welke Nadeln sind am giftigsten). I n den Samen liel~ sich dagegen nu r ein Toxingehal t yon 0 , t6 % feststellen. Nach Graf et al. (1957) gibt es zwei verschiedene Taxine, wobei das kristal l ine Tax in A ca. 1,3%, das amorphe Tax in B aber ca. 30% des Gesamtalkaloidgehaltes yon Taxus bacca~a ausmaeht . Das Tax in B ist ffir die Wi rkung auf t terz, Kreis lauf u n d A t m u n g verantwort l ich. Von den Nade ln genfigen 2 bis 3 Handvo l l oder ein Aufgul3 yon 50 bis 100 g, um tSdlieh zu ~ r k e n . Bei Tieren wird die oral tSdliche Dosis yon Bentz (t969) wie folgt angegeben: Pferd 2,0 g/kg, Schaf 10,0 g/kg, R ind t0,0 g/kg, Schwein 3,0 g/kg. - - Neben Tax in finder m a n chemisch noch das Alkaloid Milosin, Ephedr in u n d das Glykosid Taxica t in in geringen Mengen.

Das Wissen fiber die Eibe hat eine lange Geschiehte. Schon im Altertum (etwa 300 v. Chr.) und bei Galen (etwa t50 n. Chr.) wird die Eibe als Smilax bzw. Taxes erwiihnt. Es wurden damals Extrakte aus Eibennadeln zu ~Iorden und als Selbstmordgift verwandt. Caesar berichtet, dab sich Ambiorix, ein Eburonenffirst, dureh Freitod mit Taxus baceata der Gefangenschaft entzog. Die Kelten benutzten angeblich das Taxusgift zum Bestreichen ihrer Lanzenspitzen und Pfeile. Die Eibenbaume galten immer als Todesbaume und waren den Todesg6ttem geweiht. Die Giftigkeit der Eibe schfitzt sie auch vor Tierfral]. Nur die Pferde fressen eigenartigerweise die Eibenzweige, so dab immer wieder Tiere raseh danach eingehen (Aufrecht, 1933). Deswegen vermied man es auch in frfiheren Jahrhunderten Pferde an Eiben- baume zu binden. In einem alten Krguterbuch wird sogar behauptet, dab derjenige, der unter Eiben schlafe, urns Leben komme (Lonicer u. Uffenbach, 1679).

Trotz der wohl frfiher verbre i te ten K e n n t n i s der Giftigkeit der E iben sind Vergiftungsfglle, insbesondere tSdliche Verlaufsformen so selten, da2 im Schrift- turn ausffihrliche Besehreibungen der Vergif tungserseheinungen sehr sparlich u n d u n v o l l k o m m e n sind (Aufrecht, 1933; Czerweck et al., 1960; Frohne et al., 1965, de Montmol l in 1895, Ref. aus Lance t DMW 1932).

Daher sell fiber eine yon uns beobachte te tSdliche Taxusvergif tung berichtet werden.

Krankengesehiehte Es handelte sich um eine 28j~hrige Frau, die bei uns in schl~frigem Zustand - - aber noch

ansprechbar - - eingeliefert wurde. Bei der Aufnahme war sie noch in der Lage anzugeben, dal3 sie in suicidaler Absieht etwa 2 Std zuvor 4 bis 5 H~nde veil Eibennadeln eingenommen und klein zerkaut habe. Der Eibenbaum, yon dem die Patientin die Nadeln abgepflfickt hatte, stand im Vorgarten des Wohnhauses. Die Patientin, eine Lehrerin, wuflte yon der Giftigkeit der Eibe. 1 Std, nachdem sie die Taxusnadeln eingenommen hatte, verspiirte sie Schwindel, heftige ~belkeit und Brechreiz, konnte jedoch nieht erbrechen; dazu kamen noch starke diffuse Leibschmerzen. Noch wahrend die Patientin diese Angaben im Aufnahmezimmer machte, kam es zu einem tonisch-klonischen Krampfanfall und sie wurde bewuBtlos. Der Puls betrug bei der Aufnahme ~t00/min. Die Pupitlen w~ren wei~ und reagierten nur sehr schwach auf Licht. Die Reflexe waren zunachst noch schwach ausl6sbar, sparer nicht mehr. Nach kurz- dauernder Schnappatmung stellte sich ein Atemstillstand ein. Daraufhin Intubation und kiinstliche Beatmung. Der Blutdruck war zu diesem Zeitpunkt nicht meBbar. Mit einem Noradernalintropflie~ er sich aber vorfibergehend wieder auf systolische Werte yon 90 mm Hg anheben. Das kurz nach der Intubation abgeleitete erste Elektrokardiogramm zeigte eine Frequenz yon 85/min und breit auseinanderlaufende Kammerkomplexe mit einer Dauer von 0,24 sec im Sinne eines atypischen Schenkelbloekes (Abb. i). P-Wellen waren nieht erkennbar. Der Kurvenverlauf ~hnelte dem eines sterbenden Herzens oder der langsamen Form einer Kammertachykardie. Wenige Minuten spgter trat eine Asystolie auf. Eine intrakardiale

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Orciprenalin-Injektion hatte ein kurzdauemdes, wenige Sekunden anhaltendes Kammer- flattem zur Folge, welches schnell wieder in eine Asystolie riberging. Daraufhin transthorakale Stimulierung mit der Portheine-Elektrode. Die Sehrittmacherimpulse wurden jedoeh nicht fibergeleitet, so daI] eine transvenSse, intrakardiale Schrittmacherapplikation durchgefrihrt wurde. Die Zwischenzeit wurde mit effektiver Herzmassage fiberbriickt. Obwoh! die Schritt- macherelektrode in anatomisch giinstigster Position in der Spitze des rechten Ventrikels lag, was unter Durehleuchtung kontrolliert wurde, erfolgte keine ~berleitung der Schrittmacher- impulse. Das Herz war rSntgenologisch stark dflatiert. Eigenaktionen kamen nicht mehr in Gang. :Die Wiederbe!ebungsmal3nahmen wurden etwa 50 rain naeh der Aufnahme abgebrochen, weil die Sehrittmacherimpulse nicht beantwortet wurden und der Herz-, Kreislauf- und Atemstillstand irreversibel blieben. Neben den anf~ngliehen ReanimationsmaBnahmen wurde sofort aueh w~hrend der Beatmung und Herzmassage eine ]~Iagensprilung mit l01 Wasser vorgenommen, be! der reichlich Nadeln und etwas Speisereste gewonnen wurden, bis das Spiilwasser vSllig klar blieb.

Be! der Obduktion 1 fanden sich im l~Iagen noch zwei etwa 2 bis 3 cm lange, benadelte Eibenzweige sowie noch wenige einzelne Nadeln, die be! der Magenspfilung die Sonde nicht passieren konnten. Es fiel eine akute h~morrhagische Gastroenteritis auf. Aul~erdem zeigte sieh eine akute Blutstauung der Leber, der Nieren sowie der Milz, dazu Zeiehen der all- gemeinen toxischen Parenchymsch~digung und des finalen Herzversagens: Ausgepr~igte Hirn- schwellung, trribe Schwellung der Leber, der Nieren, trrib gesehwollenes Myokard, dazu punktfSrmige subpleurale Blutungen, eine schlaffe Dilatation aller HerzhShlen - - dabei histologisch auch kieine ~ekrosen yon 1Vfuskelfasern der linken Herzkammer sowie ein par- tielles LungenSdem. In der Leber zeigten sich auger einer akuten Blutstauung auch verstreut akute, kleine Leberzellnekrosen und eine beginnende diffuse mitteltropfige Verfettung.

Diskussion

Es hande l t e sieh ganz e indeut ig u m eine de r ~uBerst se l tenen Taxinverg i f tun- gem Die gewormeuen Pf lanzenres te liel]en sieh als Taxus baeea t a -Nade ln ident i- fizieren. Die toxikologisehe Unte r suehung ~ der Magenspfilflfissigkeit und des Ur ines au f Ba rb i t u r a t e , Brom u n d Methaqua lon ver l ief negat iv . Auch konn t e n wei tere Gif te fiber die genann ten Stoffe h inaus unwahrschein l ieh gemach t werdem Der Nachweis des Tax!us gel ingt nu t in ganz fr ischem Z us t a nd aus dem Magen- inha l t u n d zum Teil auch aus Organen, u n d zwar durch Aufnahme des Ul t r av io le t t - bzw. I n f r a r o t s p e k t r u m s sowie dureh Df innsehich tchromatographie .

Bisher !st nu r eine VerSffentl ichung erschienen (Frohne et al., i965), in de r mi t t e l s dieser Me thoden der sichere chemische Nachweis der Tax inverg i f tung e r b r a c h t wurde .

~ b e r e i n s t i m m e n d werden als S y m p t o m e einer Vergi f tung mi t Taxus bacea ta angegeben (Brugseh u. Kl inner , 1966; Czerweck et al., i960; F rohne et al., i965; Gessner, 1974; Lewin, i929; de Montmol l in , 1895; Moeschlin, i973; Ref. aus Lance t , D M W t932) : Naeh kurzer Zei t (etwa i S t d naeh der E innahme) auf- t r e t e n d e r Schwindel , Ubelke i t , Leibschmerzen, BewuBtlosigkei t , s t a rke Pupi l len- erwei terung, Rot f / i rbung der Lippen, oberfl/~chliehe Atmung , Tachykard ie , dann Pu l sve r l angsamung , B lu td ruekabfa l l , sehlieBlich Tod an Ateml~hmung und im d ias to l i schen Herzs t i l l s tand . Diese kl irdsche S y m p t o m a t i k war auch in unserem Fa l l vo rhanden .

1 Der Obduktions- und Histologiebefund wurde uns freundlicherweise yon Herrn Prof. Dr. Gusek, Pathologisches Institut der St~dt. Krankenanstalten Karlsruhe zur Verfiigung gestellt.

2 Die toxikologischen Untersuchungen verdanken wir Herrn Dr. Wrist, Zentrallabora- torium der St~dt. Krankenanstalten Karlsruhe.

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1 W.A.

,,I/A V A v /

Abb. 2. EKG einer Patientin mN ~rminaler Niereninsufflzier~ (Kreatinin 28 rag%) und HyperkMii~mie yon 12 royal/l! ~mliehe I)eformiertmg der Kammerkomplexe wie bei Abb. t

Auch die erhobenen pathologisch-anatomischen Befunde lassen sich mit den Schilderungen der Literatur vergleichen (Czerweck et al., 1960; Frohne e~ al., i965): Hochgradige Hyper~mie und Stauung aller innerer Organe sowie schlaffe Dilatation beider Herzkammern.

Soweit sich feststellen lieI~, konnte bei uns erstmals die kardiotoxische ~Virkung des Taxin dutch fast fortlaufende EKG-Aufzeichnungen dokumentiert werden. Schon das erste F.KG hatte breit ,,auseinandergelaufene" QRS-Komplexe mit einer QRS-Breite yon 0,24 sec sowie fehlende P-Wellen gezeigt. Man kann diese Ver~nderungen als Zeichen des ,,sterbenden Herzens" oder als Typ einer lang- samen Form einer Kammertachykardie deuten. Dieselben Ver~nderungen werden aber auch durch eine hochgradige Hyperkali~mie (Freidberg, 1967; Losse, i973) hervorgerufen (Abb. 2).

Auch der weitere Verlauf: Kammerflattern, die Asystolie sowie der in den wenigen Literaturstellen iibereinstimmend festgestellte Tod im diastolischen Herz- stillstand ist mit einer Hyperkali~mie vereinbar.

Leider wurde wegen der sofort nach Klinikaufnahme notwendigen intensiven WiederbelebungsmaBnahmen das Serumkalium nicht bestimmt. In allen bisher erschienenen Berichten fehlen eber~falls Angaben zu den Serumelektrolyten. Auch ist nirgends ein Hinweis auf den EKG-Verlauf zu finden.

Man kSnnte sich vorstellen, da]] infolge der toxischen Ze]lnekrosen, die alle Autoren beschreiben, und die auch bei unserem Fall nachgewiesen werden konnten, grol~e Mengen an Kalium frei werden. Die histologische Untersuchung

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der Organe uase re r P a t i e n t i n zeigte im Leber , Herz und Nieren eiue t r i ibe Schwel- lung, in de r Leber zudem auch noch eine diffuse beginnende Verfe t tung sowie reichl ich a k u t e Leberzel lnekrosen. F rohne u. Mitarb . konn ten auch aus dem Lebergewebe ihres P a t i e n t e n das Tax in mi t te l s Di innsch ich tchromatograph ie nachweisen, so dal~ eine d i rek t toxische W i r k u n g des Alka lo id auf den Leber- zellstoffwechsel v e r m u t e t werden kann. Die bei uns fes tgeste l l ten vereinzel ten kle inen Nekrosen yon Herzmuske lze l len im Bereich der l inken H e r z k a m m e r k6nn ten neben dem Sauers toffmangel auf eine d i rek te zel l toxisehe Wi rkung auch am M y o k a r d h indeuten .

N~ch dem kl in isehen und pa tho log isch-ana tomischen Befund ist das E K G sowohl als Fo lge einer schweren tox ischen Sch~digung des M y o k a r d als such als Folge einer Hype rka l i~mie deu tba r .

Bei de r f r app ie renden ~hn l i ehke i t unseres E l e k t r o k a r d i o g r a m m s mi t dem eines H y p e r k a l i ~ m i e - E K G scheint uns in Zukunf t ein en t sprechender the rapeu t i - scher Versuch wie bei e iner Hype rka l igmie (10% Calciumgluconat , i 0 % NaC1- L6sung sofort , d a n n eine Glucose-Insul in-Infusion) auf j eden Fa l l gereeht fer t ig t , gleichgiil t ig, ob m a n eine pathologische ErhShung des Kal iumspiege ls im Blu t l inden soll te oder nicht . - - Eine erfolgreiche eausale Therap ie der Taxin-Ver- g i f tung ist bis j e t z t n ich t b e k a n a t .

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Dr. reed. Theo Schulte II . Med. Klinik St~dt. KrankenansCalten D-7500 Karlsruhe Moltkestr. 14 Bundesrepubl[k Deutschland