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Thüringer Landtag 5. Wahlperiode Plenarprotokoll 5/58 16.06.2011 58. Sitzung Donnerstag, den 16.06.2011 Erfurt, Plenarsaal 5263, Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährli- chen Tieren 5263, Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 5/1707 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/2900 - dazu: Änderungsantrag der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/2919 - dazu: Änderungsantrag der Frak- tion DIE LINKE - Drucksache 5/2921 - dazu: Änderungsantrag der Frak- tion der FDP - Drucksache 5/2922 - ZWEITE BERATUNG Die Nummern I und II des Änderungsantrags in Drucksache 5/2919 werden in getrennter Abstimmung jeweils abgelehnt. Der Änderungsantrag in Drucksache 5/2921 wird abgelehnt. Der Änderungsantrag in Drucksache 5/2922 wird abgelehnt.

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

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Thüringer Landtag5. Wahlperiode

Plenarprotokoll 5/5816.06.2011

58. Sitzung

Donnerstag, den 16.06.2011

Erfurt, Plenarsaal

5263,

Thüringer Gesetz zum Schutzder Bevölkerung vor gefährli-chen Tieren

5263,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1707 -dazu: Beschlussempfehlung des

Innenausschusses- Drucksache 5/2900 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN- Drucksache 5/2919 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion DIE LINKE- Drucksache 5/2921 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion der FDP- Drucksache 5/2922 -

ZWEITE BERATUNG

Die Nummern I und II des Änderungsantrags in Drucksache 5/2919werden in getrennter Abstimmung jeweils abgelehnt.

Der Änderungsantrag in Drucksache 5/2921 wird abgelehnt.

Der Änderungsantrag in Drucksache 5/2922 wird abgelehnt.

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Die in der Beschlussempfehlung enthaltene Neufassung des Gesetz-entwurfs wird in namentlicher Abstimmung bei 80 abgegebenenStimmen mit 44 Jastimmen, 30 Neinstimmen und 6 Enthaltungen(Anlage) und in der Schlussabstimmung jeweils angenommen.

Berninger, DIE LINKE 5263, 5269,5276, 5278, 5286, 5287, 5287,

Bergner, FDP 5265,Gentzel, SPD 5267,Kellner, CDU 5274, 5275,

5276, 5276, 5284, 5284, 5285, 5285,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5276, 5278,

5278, 5285, 5286, 5286,Fiedler, CDU 5280, 5281,Ramelow, DIE LINKE 5282, 5283,

5283, 5284, 5284, 5284, 5285, 5285, 5285,Grob, CDU 5283,Geibert, Innenminister 5287,Blechschmidt, DIE LINKE 5288,

Erstes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Tierische Ne-benprodukte-Beseitigungsge-setzes

5289,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1755 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Landwirt-schaft, Forsten, Umweltund Naturschutz- Drucksache 5/2917 -

dazu: Entschließungsantrag derFraktionen der CDU undder SPD- Drucksache 5/2923 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN- Drucksache 5/2924 -

ZWEITE BERATUNG

Der Änderungsantrag wird abgelehnt.

Die Beschlussempfehlung wird angenommen.

Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der Annahme derBeschlussempfehlung in ZWEITER BERATUNG und in derSchlussabstimmung jeweils angenommen.

Die beantragte Überweisung des Entschließungsantrags an denAusschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz wirdabgelehnt.

Der Entschließungsantrag wird angenommen.

Kummer, DIE LINKE 5289, 5299,5303, 5304,

Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5290, 5301,

5258 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

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Primas, CDU 5293, 5302,5303, 5304, 5304,

Hitzing, FDP 5295, 5295,5296, 5296, 5297,

Kuschel, DIE LINKE 5297, 5298,5299,

Mühlbauer, SPD 5297, 5298,5298, 5298, 5299,

Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit 5304,

Nachwahl eines stellvertreten-den Mitglieds des ThüringerVerfassungsgerichtshofs

5306,

Wahlvorschlag der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/2890 -

Der Wahlvorschlag wird in geheimer Wahl mit der erforderlichenMehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags angenom-men.

Meißner, CDU 5306,Bärwolff, DIE LINKE 5306,

Thüringer Gesetz zur Regelungder Versorgung und der Alters-grenzen der Beamten undRichter sowie zur Änderungweiterer dienstrechtlicher Vor-schriften

5306,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/2514 -dazu: Beschlussempfehlung des

Haushalts- und Finanzaus-schusses- Drucksache 5/2893 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion der FDP- Drucksache 5/2925 -

ZWEITE BERATUNG

Der Änderungsantrag wird abgelehnt.

Die Beschlussempfehlung wird angenommen.

Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der Annahme derBeschlussempfehlung in ZWEITER BERATUNG und in derSchlussabstimmung jeweils angenommen.

Kowalleck, CDU 5307, 5314,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5308,Keller, DIE LINKE 5310,Dr. Pidde, SPD 5311,Bergner, FDP 5313,Dr. Voß, Finanzminister 5315,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5259

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Fünftes Gesetz zur Änderungder Verfassung des FreistaatesThüringen (Gesetz zur Stär-kung demokratischer Rechte)

5316,

Gesetzentwurf der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/2672 -ZWEITE BERATUNG

Die beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs an den Petitions-ausschuss wird abgelehnt.

Sedlacik, DIE LINKE 5317, 5322,Untermann, FDP 5318,Heym, CDU 5318, 5319,

5319, 5319, 5319,Kuschel, DIE LINKE 5319, 5319,Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5320,Marx, SPD 5321,Barth, FDP 5322,

Thüringer Klimaschutz-Gebäu-de-Rahmengesetz

5322,

Gesetzentwurf der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Drucksache 5/2678 -ZWEITE BERATUNG

Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG abgelehnt.

Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5322, 5329,5332, 5333, 5334,

Untermann, FDP 5323,Wolf, DIE LINKE 5325,Scherer, CDU 5326, 5327,

5327,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5327,Weber, SPD 5328, 5329,

5329, 5333, 5333, 5334, 5334, 5334,Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr 5331,

Erstes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Straßenge-setzes

5334,

Gesetzentwurf der Fraktion derFDP- Drucksache 5/2780 -ERSTE BERATUNG

Die beantragten Überweisungen des Gesetzentwurfs an den Aus-schuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr sowie den Innen-ausschuss werden jeweils abgelehnt.

Untermann, FDP 5334,Dr. Lukin, DIE LINKE 5335,Wetzel, CDU 5335, 5336,

5336,Barth, FDP 5336, 5337,

5337, 5341,

5260 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

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Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5336, 5337,5337, 5337,

Doht, SPD 5338,Bergner, FDP 5338, 5343,Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr 5340, 5341,

5341, 5342, 5342, 5342,Kuschel, DIE LINKE 5342,

Thüringer Gesetz über die Re-form der Forstverwaltung

5344,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/2871 -ERSTE BERATUNG

Die beantragten Überweisungen des Gesetzentwurfs an den Haus-halts- und Finanzausschuss sowie den Innenausschuss werden je-weils abgelehnt.

Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Landwirtschaft, For-sten, Umwelt und Naturschutz überwiesen.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 5344, 5357,Mühlbauer, SPD 5346,Kummer, DIE LINKE 5348, 5356,Primas, CDU 5351,Hitzing, FDP 5353,Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5354,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5261

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Anwesenheit der Abgeordneten:

Fraktion der CDU:

Bergemann, Carius, Diezel, Emde, Fiedler, Grob, Günther, Gumprecht,Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Krauße, Lehmann,Lieberknecht, Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schröter,Tasch, Dr. Voigt, Walsmann, Wetzel, Worm, Wucherpfennig, Dr. Zeh

Fraktion DIE LINKE:

Bärwolff, Berninger, Blechschmidt, Enders, Hauboldt, Hausold, Hellmann,Hennig, Huster, Jung, Dr. Kaschuba, Keller, Dr. Klaubert, König,Korschewsky, Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Dr. Lukin, Ramelow,Renner, Sedlacik, Sojka, Stange, Wolf

Fraktion der SPD:

Baumann, Döring, Doht, Eckardt, Gentzel, Dr. Hartung, Hey, Höhn, Kanis,Künast, Lemb, Marx, Matschie, Metz, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Taubert,Weber

Fraktion der FDP:

Barth, Bergner, Hitzing, Kemmerich, Koppe, Untermann

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Adams, Dr. Augsten, Meyer, Rothe-Beinlich, Schubert, Siegesmund

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

Ministerpräsidentin Lieberknecht, die Minister Matschie, Carius, Geibert, Dr.Poppenhäger, Reinholz, Taubert, Dr. Voß, Walsmann, Dr. Spaeth

5262 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

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Beginn: 9.02 Uhr

Präsidentin Diezel:

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen undHerren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich will-kommen zu unserer heutigen Sitzung des Thürin-ger Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüßedie Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertre-terinnen und Vertreter der Medien.

Neben mir haben Platz genommen als Schriftführerder Abgeordnete Kowalleck und die Rednerlisteführt Herr Abgeordneter Metz.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt:der Herr Abgeordnete von der Krone, der Herr Ab-geordnete Recknagel, der Herr Minister Machnigzeitweise und der Herr Minister Matschie zeitweise.

Gestatten Sie mir noch folgende Hinweise zur Ta-gesordnung:

Tagesordnungspunkt 2: Zu diesem wurde ein Ent-schließungsantrag der Fraktionen der CDU und derSPD in der Drucksache 5/2923 verteilt. Außerdemwurde ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/2924 verteilt.

Der Tagesordnungspunkt 33 „Nachwahl eines stell-vertretenden Mitglieds des Thüringer Verfassungs-gerichtshofs“ wird heute nach der Mittagspauseaufgerufen. Bei der Wahl von Frau Licht findet dieErnennung und Vereidigung in der Plenarsitzung imMonat Juli statt.

Gibt es noch Anmerkungen zur Tagesordnung?Das sehe ich nicht. Dann steigen wir in die Tages-ordnung ein und ich rufe auf den Tagesordnungs-punkt 1

Thüringer Gesetz zum Schutzder Bevölkerung vor gefährli-chen TierenGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1707 -dazu: Beschlussempfehlung des

Innenausschusses- Drucksache 5/2900 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN- Drucksache 5/2919 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion DIE LINKE- Drucksache 5/2921 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion der FDP- Drucksache 5/2922 -

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat Frau Abgeordnete Berninger aus demInnenausschuss zur Berichterstattung. Bitte schön.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Die Landesregierung hat den Gesetzentwurf „Thü-ringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor ge-fährlichen Tieren“ in der Drucksache 5/1707 am26.10.2010 veröffentlicht und am 11. November2010 in den Thüringer Landtag eingebracht. Nach§ 1, dem Zweck dieses Gesetzes, will man damitGefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnungvorbeugen und abwehren, die mit dem Halten undFühren von gefährlichen Tieren verbunden sind.

Die erste Plenarberatung fand dann auch am11. November 2010 statt. Es wurde beantragt, denGesetzentwurf an den Ausschuss für Landwirt-schaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz, den Aus-schuss für Soziales, Familie und Gesundheit undden Innenausschuss zu überweisen, und zwar indie erstgenannten Ausschüsse, weil mit dem Ge-setzentwurf eine Möglichkeit eingeräumt wird, ichzitiere aus § 3 Abs. 3: „Das für Ordnungsrecht zu-ständige Ministerium wird ermächtigt, im Einverneh-men mit dem für Tierschutz und Tiergesundheit zu-ständigen Ministerium sowie dem für Artenschutzzuständigen Ministerium durch RechtsverordnungTiere zu bestimmen, die als gefährlich im Sinne desAbsatzes 1 Nr. 1 gelten.“

Die Ausschussüberweisungen sind leider abgelehntworden und der Gesetzentwurf ist letztendlich anden Innenausschuss überwiesen worden. Dort wur-de er mehrfach beraten, zuerst am 3. Dezember2010. Hier wurden eine schriftliche und eine münd-liche Anhörung beschlossen. Hier hat der Innen-ausschuss erstmals ein Verfahren angewandt, inder die Anzahl der mündlich Anzuhörenden zahlen-mäßig begrenzt ist, nämlich nach dem d’hondt-schen Verfahren sollen lediglich fünf Anzuhörendemündlich gehört werden, die sich nach d’Hondt aufdie CDU, DIE LINKE und die SPD verteilen. Umden kleineren Fraktionen ein Zugeständnis zu ma-chen, wurde gnädigerweise gewährt, dass auchdiese jeweils einen Anzuhörenden einladen kön-nen. Zusätzlich kommen noch die kommunalenSpitzenverbände dazu. Also hat der Ausschuss be-schlossen, neun Anzuhörende mündlich anzuhörenund in einer schriftlichen Anhörung parallel gleich-zeitig alle von den Fraktionen vorgeschlagenen An-zuhörenden um Stellungnahmen zu bitten.

Am 7. Dezember wurden in einer Innenausschuss-Sitzung der Kreis der Anzuhörenden und die Frage-stellungen beschlossen. Die Fragestellungen zumGesetzentwurf lauteten wie folgt:

Die Anzuhörenden wurden gefragt:

1. Wie bewerten Sie den vorliegenden Gesetzent-wurf?

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5263

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2. Gibt es aus Ihrer Sicht rechtliche Bedenken zumGesetzentwurf?

3. Sehen Sie Änderungsbedarf?

In der mündlichen Anhörung am 18. Februar wur-den angehört: das Bayerische Staatsministeriumdes Innern, für das Tierheim auf der Weißenburg inSömmerda Herr Stengler, die Landestierärztekam-mer, der Landestierschutzverband Thüringen e.V.,der Deutsche Doggen-Club 1888 e.V. und der Tier-trainer Herr Markus Herwig. Das InnenministeriumBaden-Württemberg hat die Einladung leider austerminlichen Gründen ausschlagen müssen. Nichtzuletzt wurden der Thüringer Gemeinde- und Städ-tebund und der Thüringische Landkreistag ange-hört.

Des Weiteren hat uns das Innenministerium dan-kenswerterweise weitere drei Stellungnahmen zurVerfügung gestellt, die bereits in der Kabinettsan-hörung eine Rolle gespielt und auf die sich die An-zuhörenden in ihren schriftlichen Stellungnahmenbezogen hatten. Das waren Stellungnahmen vonPETA, der Stadt Nordhausen und der DeutschenKinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich Anzuhörende anwe-send. Diese habe ich schon benannt. Wir hatteninsgesamt schriftliche Stellungnahmen von 22 An-zuhörenden vorliegen. Vier dieser schriftlichen Stel-lungnahmen waren zum Gesetzentwurf der Lan-desregierung zustimmende Stellungnahmen, alleanderen 18 lehnten den Gesetzentwurf ab, undzwar lehnten sie die Rasseliste ab. Sie lehnten ab,dass große Hunde per se als gefährlich einge-schätzt werden sollten, und haben auch viele, vieleandere Gründe, diesen Gesetzentwurf abzulehnen,bzw. Änderungen für den Gesetzentwurf vorge-schlagen.

Die nächste Ausschussberatung fand dann am13. Mai statt. Hier war vorher verabredet worden,dass alle Fraktionen, die Änderungsbedarf sehen,rechtzeitig ihre Änderungsanträge dem Ausschussvorlegen. Es hatten Änderungsanträge der FraktionDIE LINKE vom 10.05. vorgelegen, ein Änderungs-antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENvom 10.05., die FDP hatte ihren Änderungsantragam 12.05. vorgelegt und als Tischvorlage lag am13.05. ein Änderungsantrag von CDU und SPD vor,also ein alternativer Gesetzentwurf, so will ich dasmal nennen. Am 13.05. ist eine weitere schriftlicheAnhörung beschlossen worden, und zwar mit demgleichen Kreis der Anzuhörenden wie bei dem ers-ten Anhörungsverfahren, leider aber nicht, wie derAntrag der Oppositionsfraktionen war, zu allen Än-derungsanträgen, sondern nur zu dem Änderungs-antrag von CDU und SPD. Die Oppositionsfraktio-nen haben dann gemeinsam ihre Änderungsanträ-ge auch an alle angefragten Expertinnen und Ex-perten geschickt. Es haben sich auch einige derExpertinnen und Experten in ihren Stellungnahmen

auf die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE,der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und derFraktion der FDP bezogen, zum Beispiel negativder Hund und Halter e.V. zur Kennzeichnungs-pflicht nach dem Vorschlag der LINKEN am einge-friedeten Besitztum, aber auch positiv, wie zum Bei-spiel der Kinderschutzbund, der die Gesetzentwürfevon FDP und DIE LINKE sehr positiv bezeichnethatte, oder auch der Schutz- und Gebrauchshunde-sportverband e.V. oder der Hundetrainer Herr Her-wig von der Eichsfelder Hundeschule.

Insgesamt sind im zweiten Anhörungsverfahren22 Schreiben eingegangen. Zwei davon waren oh-ne inhaltliche Stellungnahme, nämlich die bayeri-sche und die baden-württembergische Stellungnah-me. Die beiden Anzuhörenden haben auf ihre ers-ten Stellungnahmen verwiesen. Und von den übri-gen zwanzig inhaltlichen Stellungnahmen im zwei-ten Anhörungsverfahren befürworteten lediglichzwei den Gesetzentwurf mit Rasseliste, wovon aberder Gemeinde- und Städtebund seine Kritik, keineKostenfolgenabschätzung, wiederholte und erhebli-che Zweifel äußerte, ich zitiere, „ob das den Ord-nungsbehörden bisher zur Verfügung stehendeHandlungsinstrumentarium als ausreichend ange-sehen werden kann, eine angemessene Umset-zung der Ge- und Verbote sicherzustellen“. DerUmgang mit den Stellungnahmen wird deutlich ander Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung ausdem Innenausschuss vom 10.06. Die Stellungnah-men nämlich wurden in diesem Gesetzentwurf nichtberücksichtigt. Da möchte ich zum Schluss nochdie Stadt Nordhausen zitieren. Die hat sich eineausführliche Stellungnahme erspart, weil, wie sieschreibt - ich zitiere: „Die bisherigen zwei, zum Teilrecht aufwendigen Stellungnahmen sind nicht nurmit recht großem Zeitaufwand verbunden gewesen,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da müssenSie nicht eine Einzelne herausgreifen …)

da diese scheinbar im Allgemeinen keinerlei odernur wenig Berücksichtigung finden, es gibt keineneue Überarbeitung des Entwurfs durch die Lan-desregierung, erscheint das auch nicht notwendigbzw. zielführend.“ Die Stadt Nordhausen positio-niert sich daher nicht für oder gegen konkrete Be-stimmungen, sie gibt aber im Detail einige Ergän-zungshinweise, die zum größten Teil den Verwal-tungsvollzug erleichtern und wie schwammige For-mulierungen klarer werden können. Auch wenn Siesich jetzt aufregen, Herr Fiedler, ich bin die Bericht-erstatterin aus dem parlamentarischen Verfahrenim Ausschuss.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja genau,vom Ausschuss.)

Schauen Sie in die Geschäftsordnung des Thürin-ger Landtags, da steht, was ich als Berichterstatte-

5264 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Berninger)

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rin zu tun habe. Ein Teil dessen, was ich zu tun ha-be, ist wiederzugeben, welche Meinung die Anzu-hörenden geäußert haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Präsidentin Diezel:

Danke schön. Ich eröffne die Aussprache. Als Ers-ter zu Wort gemeldet hat sich der AbgeordneteBergner von der FDP-Fraktion.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehr-ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-legen, seit Oktober 2010 beschäftigt uns der Ge-setzentwurf „Thüringer Gesetz zum Schutz der Be-völkerung vor gefährlichen Tieren“. Jetzt könnteman die Hoffnung hegen, was lange währt, wirdendlich gut. Aber leider, meine Damen und Herren,hat der Volksmund dieses Mal unrecht. Immerhinwurden zwar nach unserer Auffassung ein paarVerbesserungen in die nun vorliegende Be-schlussempfehlung aufgenommen, wie etwa dieKennzeichnungs- und Versicherungspflicht vonHunden oder die wieder eingeführte Maulkorbpflichtfür gefährliche Hunde. Das war ja tatsächlich etwasinkonsequent, wenn man eine Verschärfung will,aber die Maulkorbpflicht herausnimmt. Das alles,meine Damen und Herren, mögen ein paar guteAnsätze sein, um Sicherheit und Opferschutz zugewährleisten, mehr sind sie aber nicht.

Auf die wesentlichen Forderungen der Sachver-ständigen sind die Landesregierung sowie die Ko-alition von CDU und SPD gerade nicht eingegan-gen,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ex-tra!)

nämlich auf die Streichung der Rasseliste aus demGesetzentwurf. Jetzt muss man sich natürlich fra-gen: Wieso beharren die Landesregierung und dieKoalition auf der Rasseliste und welche Erkenntnis-se stützen sie dabei? Dies könnten zum einen dieStellungnahmen der Anzuhörenden sein. Nun ha-ben wir seit Oktober einige Sachverständige zudem Thema gehört. Ich kann Ihnen sagen, dass ca.85 Prozent der Sachverständigen sich gegen eineRasseliste ausgesprochen haben. Nun könnte sichdie Koalition von CDU und SPD auch auf Statisti-ken oder wissenschaftliche Gutachten berufen.Aber auch hier, meine Damen und Herren, findetdie Rasseliste keine haltbare Grundlage - zumeinen, weil die Rassen, die sich auf der Rasselistebefinden, gerade nicht die Beißstatistiken anführen.Die Beißstatistiken führen gerade nicht diese vierRassen an, sondern Rassen wie der deutscheSchäferhund oder der oft als Familienhund gehalte-ne Golden Retriever.

Auch die tragischen Vorfälle in Sachsenburg, meineDamen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das warendie Opfer.)

in Niederorschel waren gerade keine Hunde, diesich auf der Rasseliste befinden, sondern Mischlin-ge, die nicht eindeutig zugeordnet werden konnten.Auch der Vorfall in Kindelbrück ist nicht durch einenHund auf der Rasseliste hervorgerufen worden.Zum anderen gibt es auch keine wissenschaftlichenGutachten, meine Damen und Herren, die belegen,dass die auf der Rasseliste befindlichen Hunde ge-fährlicher seien als alle anderen Hunde.

In der öffentlichen Anhörung zum ursprünglichenEntwurf der Landesregierung betont ein Vertreterdes Bayerischen Innenministeriums im Brustton derÜberzeugung, in Bayern habe sich die Rasselisteaus der Statistik bewährt. Um diese Aussage zu be-werten, meine Damen und Herren, muss man frei-lich wissen, dass die Statistik erst nach der Einfüh-rung der Rasseliste in Bayern begonnen wurde.Sorgsamer und ehrlicher Umgang mit Statistik siehtanders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Nun könnte sich die Rasseliste vielleicht auf ein Ur-teil des Bundesverfassungsgerichts von 2004 stüt-zen. Durch das Urteil wurde dem Gesetzgeber imHinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatzaufgegeben, in den nächsten Jahren zu prüfen, obdie dort aufgeführten vier Rassen wirklich gefährlichsind. Eine derartige Prüfung, meine Damen undHerren, ist bis heute nicht erfolgt. Eine Rechtferti-gung für die Ungleichbehandlung der vier Rassenkann das Urteil somit nicht mehr darstellen. Ich willnoch einmal zusammenfassen: Eine Rasseliste istweder statistisch noch durch Gutachten und auchnicht durch die Stellungnahmen der Anzuhörendenzu rechtfertigen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Um jetzt wieder auf die oben gestellte Frage zu-rückzukommen, welche Gründe für die Rasselistesprechen, so sage ich Ihnen, meine Damen undHerren, es gibt keine nachvollziehbaren Gründe.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wel-che Haltung die Kollegen der Union noch im Febru-ar hatten. Am 16. Februar schreibt die „ThüringerAllgemeine,“ ich zitiere: „Eines stellt Wolfgang Fied-ler am Rande des Besuchs in Weimar klar: Mit ihmwerde es keine Rasseliste geben. Eher scheitertdas Gesetz.“

(Beifall DIE LINKE, FDP)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE:Hört, Hört.)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5265

(Abg. Berninger)

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Kollege Kellner hat von dieser Stelle hier am11. November 2010 ausgeführt, ich zitiere wieder-um: „Wichtig aus unserer Sicht ist aber, dass keineRasseliste in dieses Gesetz aufgenommen wird,weil alle Untersuchungen zeigen, die Statistiken,aber auch die Stellungnahmen, dass nicht das Pro-blem die Rasse ist, sondern die Haltung, diefalsche Erziehung oder das gezielte Abrichten desTieres,

(Beifall DIE LINKE, FDP)

was ihren Genen zwar entspricht, aber dadurch dieGefahr verschärft. Vielmehr scheint Ursache fürdas Verhalten des Tieres die Erziehung und Ausbil-dung zu sein.“ So weit Kollege Kellner.

(Beifall FDP)

Recht haben die Kollegen, meine Damen und Her-ren. Ebenfalls am 16. Februar titelte die „Thüringi-sche Landeszeitung“: „Verbot bringt nichts. CDU-Politiker sprechen mit Praktikern über Hundege-setz“. Nun mag ja ein Gespräch mit Praktikernmanchmal hilfreich sein, wenn man aber sieht, wasdie Unionskollegen mit etwas Zeitabstand tun, dannmuss man an dieser Stelle feststellen, aus den Au-gen, aus dem Sinn.

(Beifall FDP)

Da ist es aber, meine Damen und Herren, zu kurzgesprungen, lediglich auf Kompromisse innerhalbder Koalition zu pochen. Sicherheit, da sind sich al-le Sachverständigen einig, kann nur durch Aufklä-rung und nur durch gute Sachkenntnisse der Haltergewährleistet werden. Ein weiteres Beispiel für einegewisse Beratungsresistenz, meine Damen undHerren, ist die Einführung einer Zwangskastrationbzw. Unfruchtbarmachung für geschlechtsreifeHunde, die sich auf der Rasseliste befinden.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Ausrottung.)

Aber dies genügt der Koalition in dem jetzigen Ent-wurf noch nicht. Nun sollen Hunde, die nach der jet-zigen Gefahren-Hundeverordnung als gefährlichgelten, egal welche Rasse, spätestens drei Monatenach dem Inkrafttreten unfruchtbar gemacht wer-den. Nach unserer Auffassung, meine Damen undHerren, verstoßen diese Regelungen gegen § 6des Tierschutzgesetzes.

(Beifall FDP)

Das Tierschutzgesetz verbietet die vollständigeoder teilweise Amputation von Körperteilen. EineKastration ist nach dem Tierschutzgesetz ebenfallseine Amputation. Für eine gerechtfertigte Amputati-on bedarf es nach dem Tierschutzgesetz einer me-dizinischen Indikation. Ein Gesetz kann diese medi-zinische Indikation nach unserer Ansicht aber mitSicherheit nicht ersetzen.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht,meine Damen und Herren, um die für uns erwähn-ten schwerwiegenden Fehler, wie die Rasselisteund die Zwangskastration, aus dem Gesetzentwurfzu entfernen. Die FDP-Fraktion hat sich zusätzlichzu den Beratungen in den Innenausschuss-Sitzun-gen Sachverständige eingeladen - die Art und Wei-se, wie die Anhörungen funktionierten, kam hierheute auch kurz zur Sprache -, um über die Sinn-haftigkeit von bestimmten Verschärfungen für dieSicherheit der Bevölkerung zu sprechen. Eines,meine Damen und Herren, ist bei allen Beratungenoffensichtlich geworden, egal ob im Innenaus-schuss oder in einer internen Besprechung oderder eigenen Anhörung, eine Rasseliste führt nichtzu mehr Sicherheit, sondern nur zu mehr Scheinsi-cherheit, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

In diesem Zusammenhang fiel auch in einer der An-hörungen die Vokabel „gefühlte Sicherheit“. MeineDamen und Herren, gefühlte Sicherheit ist nun wirk-lich kein Grund, um das Kind mit dem Bade auszu-schütten.

(Beifall FDP)

Wenn von 22 Stellungnahmen 19 dezidiert ableh-nend auf den Entwurf der Landesregierung einge-hen, dann ist das in meinen Augen schon ein Aus-druck von Ignoranz, sich darüber hinwegzusetzen.So sehr Sie sich gegen diesen Vorwurf wehren, esist eben ein Ausdruck von Ignoranz.

(Beifall FDP)

Es ist unerträglich, die sachlich fundierte, inhaltlicheArbeit derer, die sich lange hingesetzt und ihre Stel-lungnahmen verfasst haben, derartig zu diskreditie-ren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Wofür bzw. für wen machen wir denn die Anhörun-gen? Wie geht Politik mit Sachverstand und derZeit der Sachverständigen um? Diese Fragen müs-sen wir uns an dieser Stelle nun wirklich einmalstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will es Ihnendeutlich sagen: Es geht uns darum, den notwendi-gen Sachverstand bei den Themen einzuholen, diebei fachspezifischen Themen notwendig sind. Ichdenke, wir sind gut beraten, mit einem gewissenRespekt auch den Leuten gegenüber aufzutreten,deren Zeit wir in Anspruch nehmen.

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kol-leginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion wird ei-nem Gesetzentwurf mit einer Rasseliste und mit ei-ner Zwangskastration mit Sicherheit nicht zustim-men. Lassen Sie uns den Gesetzentwurf ohne Ras-

5266 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Bergner)

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seliste und ohne Zwangskastration auf den Wegbringen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Gent-zel.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, lassen Sie mich zunächst zwei allgemeineBemerkungen zum Thüringer Gesetz zum Schutzder Bevölkerung vor Tiergefahren machen: Mit demGesetz entsteht erstmals ein einheitliches Regel-werk für alle gefährlichen Tiere. Das Gesetz schafftlangfristig Rechtssicherheit für die zuständigen Be-hörden, für die Tier- und die Hundehalter sowie fürdie Bevölkerung im Umgang mit gefährlichen Tie-ren. Das Gesetz zielt auf die Abwehr von Gefahrenfür die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dabeihandelt es sich um eine originäre hoheitliche Aufga-be, die durch die Kommunen als zuständige Behör-de erfüllt wird. Parallel zur Verabschiedung odernach Verabschiedung des Gesetzes wird die Thü-ringer Gefahren-Hundeverordnung aufgehoben.

Was sind nun gefährliche Tiere?

1. Tiere einer wildlebenden Art, die Menschendurch Körperkraft, Gifte oder Verhalten erheblichverletzen können und ihrer Art nach unabhängigvon individuellen Eigenschaften allgemeingefährlichsind und

2. gefährliche Hunde nach Maßgabe dieses Ge-setzes; dazu werde ich noch etwas sagen.

Wer ein gefährliches Tier halten will, bedarf der Er-laubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubniswird nur erteilt, wenn u.a. ein besonderer wissen-schaftlicher oder beruflicher Bedarf für die Haltungdieser Tiere besteht. Ich möchte jetzt gern spezielletwas über die Problematik - losgelöst von den ge-fährlichen Tieren - zu den Hunden sagen. DasGrundprinzip, wonach der Hundehalter die volleVerantwortung für seinen Hund trägt, wird stärkerzur Geltung gebracht als bisher. Das Gesetz defi-niert, was gefährliche Hunde sind, nämlich erstensHunde aus einer entsprechenden Zucht, die soge-nannte Rasseliste, und Hunde, die im Einzelfalldurch die zuständigen Behörden als gefährlich ein-gestuft worden sind, nachdem sie vorher z.B. durchBeißen, Hetzen und übermäßige Kampfbereitschaftaufgefallen sind.

Meine Damen und Herren - und jetzt auch nocheinmal für Sie, Herr Bergner -, mit der Einschät-zung, dass von bestimmten Rassen besondere Ge-fahren ausgehen, stehen wir in Thüringen nicht al-

lein. Thüringen ist vielmehr eines der wenigen Bun-desländer bisher, die eine solche Liste nicht haben.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: ZuRecht.)

Ich habe es in der Debatte auch im Ausschuss im-mer wieder gesagt: Bei der Bewertung, ob eineRasse als gefährlich gilt oder nicht, ist für uns nichtprimär entscheidend, wie oft der entsprechendeHund in einer Beißstatistik auftaucht. Es geht viel-mehr darum, welche Folgen eintreten können,wenn es zu Zwischenfällen mit Tieren einer be-stimmten Rasse kommt.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Das haben Sie in der Debatte genau einmalgesagt.)

Hunde bestimmter Rassen weisen nun einmal ras-sespezifische Merkmale wie Beißkraft, reißendesBeißverhalten und Kampfinstinkt auf. Das erlaubteinen Unterschied zu anderen Rassen aufzuma-chen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dasbestätigt - ich zitiere -, „dass Hunde der genanntenRassen für Leib und Leben von Menschen in be-sonderer Weise gefährlich sind.“ Diese Auffassungteilt auch die SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall SPD)

Die geplanten Neuregelungen - und ich glaube, wirsind mit der CDU die einzige Fraktion, die auch die-ses immer betont - sollen vor allem auch den Voll-zug der Vorschriften erleichtern. Die zuständigenBehörden können in Zukunft Hundeführer und Hun-dehalter der konkret im Gesetz oder in der Rechts-verordnung genannten Rassen gezielt ansprechenund sie nach der Erlaubnis für die Haltung oder dasFühren der Hunde fragen, sie können den Alters-nachweis erfragen und sie können die Zuverlässig-keit sowie die Haltungsbedingungen der Hundeüberprüfen. Ich will dazu auch deutlich sagen, ins-besondere der Gemeinde- und Städtebund hat die-ses begrüßt in der Anhörung. Für auffällige Hundekann ein Wesenstest angeordnet werden, um dieGefährlichkeit festzustellen. Neu ist die Aufzählungvon mehreren Hunderassen, für die durch das Ge-setz die Gefährlichkeit festgestellt wird. Als gefähr-lich werden im Gesetzentwurf folgende Rassen ein-gestuft: Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Ter-rier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowiederen Kreuzungen untereinander und Kreuzungenmit anderen Hunden. Mit Zustimmung des Innen-ausschusses des Thüringer Landtags können dasInnen- und das Sozialministerium gemeinsam in ei-ner Rechtsverordnung weitere Rassen bestimmen,die als gefährlich eingestuft werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kol-leginnen und Kollegen, durch das Gesetz wird eineErlaubnispflicht für das Halten gefährlicher Hunde

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5267

(Abg. Bergner)

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eingeführt. Der Gesetzentwurf stellt Regeln für dieHaltung gefährlicher Hunde auf. Grundsätzlich giltdabei, dass die Hunde so gehalten werden müs-sen, dass Menschen, Tiere und Sachen nicht ge-fährdet werden. Gefährliche Hunde sind zudem imsicheren Gewahrsam zu halten. Der Gesetzentwurfenthält auch ein Verbot des Handelns und derZucht der in der Rasseliste genannten Hunde. ZurDurchsetzung dieser Vorschriften müssen alle Hun-de der konkret genannten Rassen drei Monatenach Inkrafttreten des Gesetzes oder spätestensmit Erlangen der Geschlechtsreife unfruchtbar ge-macht werden. Verstöße gegen dieses Gesetz kön-nen als Ordnungswidrigkeit mit bis zu 10.000 € ge-ahndet werden, die Hunde können zudem eingezo-gen oder als letztes Mittel auch eingeschläfert wer-den, wenn von diesen eine erhebliche Gefahr vonMenschen und Tieren ausgeht. Die Tötung bedarfder Zustimmung des zuständigen Veterinäramtes.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf derLandesregierung ist an einigen nicht unwesentli-chen Stellen von den Koalitionsfraktionen noch ein-mal verändert worden. Darauf will ich jetzt einge-hen. Die im Gesetzentwurf der Landesregierungvorgesehene sogenannte 20er/40er-Regelung, alsodie Frage massiger Hunde, ist in Koalitionsgesprä-chen verworfen worden. Ich will hier deutlich erklä-ren, dass diese Liste der massigen Hunde in mei-ner Fraktion große Sympathien gehabt hat, aberman muss schlicht und einfach zur Kenntnis neh-men - und da stimmt das einfach nicht, was HerrBergner gesagt hat -, dass insbesondere der Ge-meinde- und Städtebund in der Anhörung diesenTeil besonders kritisiert hat. Da für uns - ich werdean anderer Stelle noch einmal etwas dazu sagen -auch die Handhabbarkeit des Gesetzes vor Ort einwichtiges Kriterium war, haben wir diese Regelungfallen lassen. Neu ist, dass jetzt für alle Hunde eineKennzeichnungspflicht mittels Mikrochip eingeführtwird, um die Identifizierbarkeit auch des Hundehal-ters zu gewähren. Neu ist auch, dass für alle Haltereines Hundes eine Haftpflichtversicherung zurDeckung der durch den Hund verursachten Perso-nen- oder Sachschäden mit einer Mindestversiche-rungssumme in Höhe von 500 € für Personenschä-den und in Höhe von 250.000 € für sonstige Schä-den verpflichtend eingeführt wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 500.000!)

500.000 ist richtig, Entschuldigung. Beim Führengefährlicher Hunde außerhalb des eingefriedetenBesitztums oder der Wohnung des Halters gilt zu-künftig auch die Maulkorbpflicht.

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktionwar die Frage des generellen Sachkundenachwei-ses ein Thema, was wir im Zusammenhang mit die-sem Gesetz diskutiert haben. Es ging ja darum, ei-ne Regelung generell für alle Hunde einzuführen.Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit haben wir an

dieser Stelle von dem generellen Sachkundenach-weis abgesehen.

Meine Damen und Herren, wer mag bestreiten,dass einige Passagen in diesem Gesetz, insbeson-dere die Rasseliste, heftig umstritten sind. Wir tunes nicht. Das ist auch ganz einfach erklärbar. Esprallen die verschiedenen Ansichten mit unter-schiedlichen Wichtungen in den einzelnen Lagernhier sehr, sehr deutlich aufeinander. Da ist die Fra-ge der Gefahrenabwehr, da ist die Frage des Tier-schutzes. Aber auch die Fragen der Verhältnismä-ßigkeit und der Handhabbarkeit vor Ort haben füruns immer eine wesentliche Rolle gespielt. Da istes nicht verwunderlich, dass die Entscheidungsfin-dung mitunter etwas zäh ist. Wie kompliziert sie ist,erkennt man auch daran, nicht nur, dass in der Ko-alition lange darüber gestritten und auch geändertwurde, sondern - auch das gehört hierher - es gibtinnerhalb der Opposition keinen Konsens, wie manmit diesem Gesetz umgeht. Kein Änderungsvor-schlag vonseiten der Opposition hat die uneinge-schränkte Zustimmung der anderen Oppositions-fraktionen gefunden. Insofern zeigt das, wie proble-matisch dieses gesamte Feld ist. Dass sich die Ko-alition auf ein gutes Gesetz verständigen konnte,wie ich glaube, spricht für sie.

(Beifall SPD)

Meine Fraktion hat nie einen Hehl daraus gemacht,dass wir bei diesen unterschiedlichen Herange-hensweisen zwei wesentliche Schwerpunkte set-zen: Erstens die Gefahrenabwehr, zweitens dieHandhabbarkeit vor Ort. Wir respektieren und neh-men zur Kenntnis, dass in der anderen Fraktion an-dere Schwerpunkte gesetzt worden sind, aber wirhoffen, dass wir uns durchsetzen. Im Endeffekt wirdwohl kaum einer, der sich mit dem Thema beschäf-tigt hat, mit diesem Gesetz zufrieden sein, zunächsterst mal. Ich habe die Zuschriften derer gelesen -wie viele andere auch -, die enttäuscht sind, wielasch dieses Gesetz formuliert worden ist. Es gab jaauch in der Anhörung im Übrigen eine Anregungaus Bayern, doch noch mehr Hunde in die Rasse-liste aufzunehmen. Und natürlich gibt es die, denendas Gesetz viel zu weit geht.

Ich will meine Bemerkungen mit einem Zitat aus deröffentlichen Anhörung schließen, und zwar möchteich die Worte des Herrn Rusch vom Gemeinde- undStädtebund hier zum Abschluss noch mal zum Bes-ten geben, ich zitiere: „Uns ist natürlich bewusst,dass es auch Kritik geben wird. Das wird die Anhö-rung auch zeigen. Aber wir wollen den Gesetzgeberermuntern, zu sagen, beginnt mit einer Regelung,legt eine Regelung fest, und zwar in der Art undWeise, wie sie hier vorgeschlagen ist. Die wirddann immer wieder überprüft, und wenn sich dannin der Praxis herausstellen sollte, dass an der einenoder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf ist,dann muss man auch den Mut haben nachzubes-

5268 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Gentzel)

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sern. Wir glauben, dass wir in diese Richtung, diedie Landesregierung vorgeschlagen hat, startenkönnen mit dem Schutz der Menschen vor gefährli-chen Tieren.“

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustim-mung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierungmit den entsprechenden Änderungen der Koaliti-onsfraktionen. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE sprichtFrau Abgeordnete Berninger.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr ge-ehrte Frau Präsidentin, am 21. Mai vergangenenJahres ereignete sich in Oldisleben ein schlimmerVorfall, bei dem ein 3-jähriges Mädchen von vierHunden zu Tode gebissen wurde. Selbstverständ-lich berichteten die Medien von diesem tragischenEreignis und die Reaktionen aus der Politik ließenauch nicht lange auf sich warten. Als Erste hattendie innenpolitischen Sprecher der Regierungsfrak-tionen eine Scheinlösung parat, die solche Beißat-tacken in Zukunft verhindern sollte. Unisono forder-ten sie die Einführung einer Rasseliste der als ge-fährlich eingestuften Hunde.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nein, dasstimmt nicht. Ich nicht!)

Der damalige Innenminister Prof. Dr. Peter MichaelHuber reagierte zunächst besonnener. Eine soge-nannte Rasseliste halte er nicht für notwendig. Diemit der Gefahren-Hundeverordnung geltenden Re-geln seien so schlecht nicht, sagte Huber demMDR. Nach wie vor sei es umstritten, ob sogenann-te Rasselisten Sinn machten und ob sie die tödlicheHundeattacke hätten verhindern können. In seinerMedieninformation vom 24. Mai 2010 kündigte In-nenminister Huber an, ich zitiere: „Wir werden dieErmittlungsergebnisse von Polizei und Staatsan-waltschaft danach auswerten, welchen Beitragstaatliche Vorschriften dazu leisten können, solcheschrecklichen Vorfälle zu verhindern. Wir wollenden Grundsatz, dass der Halter voll für seine Hun-de verantwortlich ist, noch stärker zur Geltung brin-gen.“ Das hat eben sinngemäß auch Herr Gentzelgesagt. Herr Huber schrieb in der Medieninformati-on weiter: „Die Thüringer Gefahren-Hundeverord-nung enthält keine Rasseliste.“ Er erklärt dannauch, warum nicht, nämlich: „Die Festlegung einerRasseliste wurde als nicht weitgehend genug emp-funden, da nach allen Statistiken des Bundes undder Länder nicht die typischerweise als Kampfhun-derassen bezeichneten Hunde für die meisten Kör-

perverletzungen sorgen, sondern Mischlingshundeund Schäferhunde.“

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Recht hater gehabt!)

Und das Innenministerium weiter: „Dies geht auchaus der in Thüringen geführten Statistik hervor.“ DieStatistik war auch auf der Internetseite veröffent-licht. „Danach wurden im letzten Jahr“ - also in2009 - „418 Hunde registriert, die an Zwischenfällenbeteiligt waren. Darunter waren 65 Mischlinge oderHunde, deren Rasse nicht bestimmt werden konn-te. Danach folgen die Deutschen Schäferhundebzw. deren Kreuzungen mit 40 bzw. mit 24 Exem-plaren. Ebenso haben 24 Altdeutsche Schäferhun-de zur Statistik beigetragen und Mischlinge dieserRasse in 22 Fällen. Danach kommen die als fried-lich geltenden Hunderassen wie Golden Retriever(16 Hunde), Labrador Retriever (12 Hunde) und La-brador-Mischlinge (11 Hunde). Darüber hinaus wa-ren 13 Rottweiler an den Vorkommnissen beteiligt.Unter den insgesamt 418 auffälligen Hunden imletzten Jahr“, so das Innenministerium im Mai 2010,„waren 185 Hunde, durch die Personen leicht, und60 Hunde, durch die Personen schwer verletzt wor-den sind. Auch bei den schweren Verletzungen do-minieren Schäferhunde (3), Schäferhund-Mischlin-ge (5) und Golden Retriever (5) die Statistik. In6 Fällen wurden die schweren Verletzungen durchunbekannte Rassen bzw. Mischungen verursacht.Insgesamt wurden infolge der Beißattacken im letz-ten Jahr“, also in 2009, „acht Hunde eingeschlä-fert.“ Und Herr Huber schrieb weiter: „Die allgemeinals Kampfhunde bezeichneten Rassen waren mit30 Exemplaren an den insgesamt 418 registriertenHunden beteiligt, 7,18 Prozent. Bei den leichtenVerletzungen waren es 12 der insgesamt 185 Hun-de“ - das sind 6,49 Prozent - „und bei den schwe-ren Verletzungen vier der insgesamt 60 Hunde“ -das sind 6,67 Prozent. Das widerlegt gleichzeitigauch das, was Herr Gentzel eben zum Beißverhal-ten der sogenannten Kampfhunde gesagt hat. Aberder Innenminister schrieb weiter, die Statistik zeige,dass eine abschließende Rasseliste nicht unbe-dingt zu mehr Sicherheit beiträgt, und er zitiertedann auch das Urteil aus dem Bundesverfassungs-gericht von 2004, dass Rasselisten, auch wenn siekein Verbot der Hundehaltung, sondern nur Aufla-gen bedingen, an der Realität gespiegelt werdenmüssen. Das heißt, die Gesetzgeber haben zu klä-ren, ob die in den Listen aufgeführten Rassen tat-sächlich diejenigen sind, die am meisten zu denBeißvorfällen beitragen - und sie sind es nicht, wiedie Zahlen aus 2009 belegen. „Da dies in der Regelnicht so ist,“ so der Innenminister Huber weiter,„wurden in den letzten Jahren einzelne Rasselistenreduziert oder ganz gestrichen. In Berlin wurde sozum Beispiel der Staffordshire-Bullterrier“ - also diebei der tödlichen Attacke nach Annahme des Innen-ministers Huber in Oldisleben beteiligte Rasse -

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5269

(Abg. Gentzel)

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„aus der Rasseliste genommen. In Niedersachsenwurde die Rasseliste ganz gestrichen. Die Tier-schutz-Hundeverordnung des Bundes, die einZüchten von aggressiven Hunden verbieten wollte,enthält seit 2006 ebenfalls keine Liste mehr.“ DerInnenminister kommt dann zu dem Schluss: „Dieseunsichere Rechts- und Sachlage hinsichtlich derRasselisten hat auch in Thüringen dazu geführt,dass Ansätze zu einem Gefahrenhunde-Gesetz miteiner Rasseliste in der letzten Wahlperiode nicht zuEnde geführt wurden. Letztlich“ - so Herr Huber -„können alle Vorschriften nicht greifen, wenn sienicht kontrolliert werden können, weil der Halter,wie im Fall Oldisleben, die Hunde nicht angemeldethat und die zuständige Behörde daher nichts vonder Existenz dieser Hunde weiß.“ - am 24. Mai2010.

(Beifall FDP)

Nicht einmal einen Monat später, meine Damenund Herren, und ganz entgegen der Ankündigungnoch vor Abschluss der Ermittlungen der Staatsan-waltschaft im Fall Oldisleben, dann die plötzlicheWende. In der TA konnten wir die Überschrift lesen„Thüringen führt Rasseliste ein“. Die TA schrieb am22. Juni: „Die Landesregierung macht ernst mit ei-nem schrittweisen Verbot von Kampfhunden. Siewill die Tiere per Gesetz langfristig aus Thüringenverbannen.“ Das hatte die Landesregierung am22. Juni in einer Medieninformation mit der Über-schrift „Gefahren-Hundeverordnung wird Gesetz“mitgeteilt. Leider aber wird die Gefahren-Hundever-ordnung mit diesem Gesetzentwurf und auch nichtmit dem der SPD/CDU nicht zum Gesetz. Mit dernun geplanten Regelung werden mit den Stimmender Regierungsfraktionen im Kern eine Rasselistefür sogenannte gefährliche Hunderassen und einstrengst möglicher Erlaubnisvorbehalt für die Hal-tung solcher Hunde beschlossen werden, die a)diese Hunde auf absehbare Zeit in Thüringen aus-rotten werden und die b) Sicherheit nur vorgaukeln.Dabei wurden die von der Landesregierung vorge-schlagenen Regelungen im Gesetzentwurf vonCDU und SPD sogar noch verschärft. Während dieLandesregierung für die Erlaubnis der Haltung ei-nes in der Rasseliste aufgeführten Hundes unterstrengen Auflagen lediglich den Nachweis verlang-te, dass der Bedarf zur Haltung eines solchen Hun-des nicht durch einen Hund einer anderen Rassebefriedigt werden kann, werden CDU und SPD mitihrer Mehrheit heute beschließen, dass darüber hin-aus entweder ein wissenschaftlicher oder ein beruf-licher Bedarf nachgewiesen werden muss. Michwürde wirklich interessieren, welche AusnahmefälleSie da definieren, also welche Menschen in Zukunftnoch solche Hunde werden halten dürfen unterstrengen Auflagen. Das hätte ich gern mal erklärtbekommen. Diesen strengst möglichen Erlaubnis-vorbehalt, diese Rasseliste werden Sie beschlie-ßen, ohne jegliche statistisch belastbare oder wis-

senschaftliche Analyse, ganz im Gegenteil, be-wusst alle Statistiken ignorierend, bewusst alle gut-achterlichen Stellungnahmen ignorierend, bewusstjede wissenschaftliche Untersuchung ignorierendund bewusst die im Anhörungsverfahren sowohl imKabinett als auch im Ausschuss selbst erbetenenStellungnahmen der Experten ignorierend.

Zunächst hatte es zwar so ausgesehen, als wärendie sowohl schriftlich als auch mündlich vorgetrage-nen Stellungnahmen zumindest bei den Aus-schussmitgliedern der CDU auf offene Ohren ge-stoßen, das hat Herr Bergner bereits erwähnt undauch ich möchte Herrn Fiedler zitieren, der bereitsim Vorfeld der mündlichen Anhörung am 18.02. ver-lauten ließ, mit ihm werde es keine Rasseliste ge-ben.

(Beifall DIE LINKE)

Auch ich will den Besuch bei der Hundeschule„Passion“ in Weimar erwähnen, wo ganz presse-wirksam die Mitglieder des Innenarbeitskreises derCDU sich mit Herrn Kümmel, dem Trainer an dieserHundeschule, getroffen hatten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das warhervorragend.)

Herr Kümmel - das war sowohl in der TA als auchin der TLZ zu lesen, andere Zeitungen habe ich mirdaraufhin nicht angesehen - hatte während diesesArbeitsbesuches Ihnen, Herr Fiedler, Frau Holbe,Herr Kellner - ich weiß nicht, wer noch dabei war -erklärt, dass nicht der Hund das Problem sei, son-dern die Halterin oder der Halter,

(Beifall DIE LINKE)

und dass eine Rasseliste eben nicht die Hunde er-fasse, die die Probleme verursachen. Herr Fiedler,eigentlich, so dachte ich, wurden Sie am 18. Febru-ar während der mündlichen Anhörung in Ihrer An-sicht noch bestärkt, zumindest sind Sie dann tagsdarauf in der Bild-Zeitung zitiert worden mit demSatz: „Wir sind gut beraten, noch einmal intensiv indie Diskussion mit dem Innenministerium zu treten,um die Ungereimtheiten zu beseitigen.“ Das aberwar ganz offensichtlich nur eine leere Worthülse,wie so vieles im Rahmen der zurückliegenden De-batte zu diesem Gesetz wohl nur Worthülsen undTäuschungen gewesen sind, z.B. die Veröffentli-chung des Gesetzentwurfs der Landesregierungauf der Homepage des Innenministeriums mit derausdrücklichen Bitte an die Bürgerinnen und Bür-ger, sich durch Meinungsäußerungen am Gesetz-gebungsverfahren zu beteiligen. Eigentlich einesehr begrüßenswerte Sache, die Herr Huber da an-gestoßen hat. Das fanden auch mehr als 270 Men-schen, die zum Teil mit mehreren Kommentaren ih-ren Sachverstand in die Debatte einbringen wollten.Insgesamt 295 Kommentare wurden auf dieser Ho-mepage in diesem Blog veröffentlicht. Begrüßens-wert, Herr Innenminister, ist diese Form der Beteili-

5270 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Berninger)

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gung allerdings nur dann, wenn sie auch ernst ge-nommen wird,

(Beifall DIE LINKE)

wenn die Meinungen der Menschen auch gelesenund in der Debatte berücksichtigt werden, und demwar aber offensichtlich nicht so. Ich habe alle 295Kommentare gelesen, habe zum Teil selbst welchegeschrieben, habe auf Fragen und auch Vorwürfegegenüber Politikerinnen und Politikern in diesemBlog geantwortet und ich habe gesehen, dass ge-nau dreimal das Innenministerium sich dort zu Wortgemeldet hat. Durch Herrn Edelmann, den Presse-sprecher, wurde sich dort geäußert einmal mit ei-nem Dankeschön für die vielen Blogeinträge undmit der Versicherung, sie würden alle berücksich-tigt, einmal mit einer aus meiner Sicht sehr einseiti-gen und verkürzten Darstellung - ähnlich wie dasHerr Gentzel gerade gemacht hat - eines Beschlus-ses des Bundesverfassungsgerichts, was ich mirdann erlaubt habe zu ergänzen, und einmal mit derAnkündigung der Veröffentlichung der Antwort derLandesregierung auf meine Mündliche Anfrage zudiesem Blog, die dann leider vergessen wurde, undauch das habe ich nachgeholt. Also dreimal hatsich das Innenministerium geäußert und in welcherArt, das können Sie natürlich selbst bewerten. Aberich finde es einfach infam, dass Leute zur Beteili-gung aufgefordert werden und dann so offensicht-lich ignoriert werden.

Allerhöchstens zehn der Kommentare im Blog wa-ren übrigens dem Gesetzentwurf der Landesregie-rung zustimmende Meinungsäußerungen, alle an-deren spiegelten genau das wider, was auch dieAnhörungsverfahren im Ausschuss an Experten-meinungen verdeutlicht haben, nämlich die Ableh-nung der Einstufung von Hunden als gefährlich auf-grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ras-se, die Verantwortung der Halterinnen und Haltereines Hundes und die Bedeutung der Erziehung fürdas Wesen der Hunde. Leider aber, wie schon ge-sagt, blieben diese Meinungsäußerungen unbeach-tet. Inzwischen wurde der Blog im April offensicht-lich sogar geschlossen, ohne dass das allerdingsauf der Internetseite irgendwie erwähnt worden wä-re.

Augenscheinlich war - und das wird ersichtlich ander Ihnen heute vorliegenden Beschlussempfeh-lung - auch die Durchführung der Anhörungen lei-der nur eine Täuschung, denn von einem demokra-tischen Einbeziehen der eigens vom Ausschuss er-betenen Stellungnahmen, der eigens erbetenen Ex-pertenmeinungen von Sachverständigen und Inter-essenvertretern kann im Gesetzgebungsverfahren -und das wird an diesem jetzt zur Beschlussempfeh-lung erhobenen Antrag von CDU und SPD deutlich- nicht die Rede sein. Im ersten Anhörungsverfah-ren nämlich äußerten sich lediglich vier von 24 An-gehörten zustimmend zum Gesetzentwurf der Lan-

desregierung, darunter zwei Landesregierungen,nämlich Bayern und Baden-Württemberg, die selbsteine Rasseliste in ihren Gesetzen haben, als Drittesdie Deutsche Kinderhilfe und viertens der Gemein-de- und Städtebund Thüringen. Keiner dieser vierzustimmenden Angehörten aber begründete die Zu-stimmung zur Rasseliste anhand belastbarer wis-senschaftlicher Stellungnahmen. Der Vertreter desbayerischen Innenministeriums hatte zwar in seinerschriftlichen Stellungnahme auf Quellen hingewie-sen, und zwar geschrieben - ich zitiere: „Über dieListung bestimmter Hunderassen wird auf derGrundlage der fachlichen Stellungnahmen von Zoo-logen, Kynologen und anderen Hundesachverstän-digen, Äußerungen in der wissenschaftlichen Lite-ratur sowie sonstiger Veröffentlichungen und Erfah-rungswerte entschieden.“ Das hat der AbgeordneteGentzel in der mündlichen Anhörung aufgegriffenund den Herrn - jetzt habe ich seinen Namen ver-gessen -, den Vertreter des Innenministeriums Bay-ern nach diesen Quellen gefragt. Die konnte derVertreter des Innenministeriums mündlich ad hocnicht nennen. Deswegen hat Herr Gentzel gefragt,ob diese Quellenangaben denn nicht nachgeliefertwerden könnten. Dies wurde von Herrn Hauser -jetzt fällt es mir wieder ein - zugesagt. Diese Zusa-ge wurde jedoch leider nicht erfüllt, auch nicht, alswir dann die Landtagsverwaltung gebeten hatten,doch noch mal nachzufragen. Dass diese Zusagenicht erfüllt wurde, wundert mich nicht. Es gibt näm-lich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die wis-senschaftlichen Erkenntnisse sagen zu Rasselistenetwas anderes

(Beifall FDP)

als das, was diese Vertreter aus Bayern oder Ba-den-Württemberg sagen. Rasselisten sind ebennicht wissenschaftlich begründbar.

Meine Damen und Herren, auch der Gemeinde-und Städtebund hat seine Zustimmung zur Rasse-liste nicht inhaltlich begründet. Hier darf ich HerrnKunze zitieren, der in Bezug auf ein Urteil des Bun-desverfassungsgerichts vom 16. März 2004 sagte,Zitat: „Es ist völlig richtig, wenn Sie sagen, es istdort nicht positiv oder negativ die Gefährlichkeit be-stimmter Hunderassen festgestellt worden. Daswollte ich natürlich so und wollen wir natürlich mitunserer Stellungnahme auch nicht so verstandenwissen. Es geht den Kommunen, den kommunalenOrdnungsbehörden überhaupt nicht darum, irgend-eine Rasse zu verteufeln oder zu sagen, das gehtgar nicht mehr, da liegt für die kommunalen Ord-nungsbehörden kein Herzblut drin. Ich denke, wirhaben vorhin schon darauf verwiesen, dass es fürdie Ordnungsbehörden“ - und jetzt hören Sie gut zu- „einzig und allein darum geht, einen nachvollzieh-baren, am besten äußerlich erkennbaren Ansatz-punkt für weitere Nachprüfungen zum Anlass zunehmen.“ Das, meine Damen und Herren, ist aberausdrücklich nicht Zweck des Gesetzes. Es geht

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5271

(Abg. Berninger)

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sowohl bei der Landesregierung als auch in § 1 desjetzt in der Beschlussempfehlung vorliegenden An-trags darum, Gefahren für die öffentliche Sicherheitund Ordnung vorzubeugen und abzuwehren, diemit dem Halten und Führen von gefährlichen Tierenverbunden sind. Unter Gesetzeszweck steht nicht„Erleichterung des Verwaltungshandelns“, meineDamen und Herren.

In der letzten Ausschuss-Sitzung hat der zuständi-ge Mitarbeiter des Innenministeriums dann ver-sucht, eine Quelle zu benennen. Er hat sich näm-lich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtsvom 16. März 2004 bezogen, in dem unter ande-rem geurteilt worden war, dass das Einfuhr- undVerbringungsverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hun-deverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsge-setzes mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweites sich auf Hunde der darin genannten Rassen be-zieht. Als wissenschaftlichen Beleg hat der Vertre-ter des Innenministeriums Randziffer 75 dieses Ur-teils angeführt, in der nämlich unter den vom Bun-desverfassungsgericht benannten Gründen mehre-re Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zitiertsind. Ich will die ersten Sätze einfach einmal vorle-sen: „Auch wenn die Fachwissenschaft“ - sagt dasBundesverfassungsgericht - „offenbar darin über-einstimmt, dass das aggressive Verhalten einesHundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeitnicht allein genetisch bedingt sind, schließt sie dochauch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit ge-netische Ursachen haben kann. Nach den Ausfüh-rungen von Frau Dr. Eichelberg in der mündlichenVerhandlung handelt es sich bei der Gefährlichkeiteines Hundes zwar nicht um ein Rassemerkmal.Doch ist es andererseits nach der Einschätzungdieser Wissenschaftlerin unbestritten, dass Hunde-gruppen wie Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier imHinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaftenein Potenzial zur Erzeugung gefährlicher Hundedarstellen.“ Dann ist auch noch Frau Dr. Fedder-sen-Petersen zitiert, die - so das Verfassungsge-richt - davon spricht, ich zitiere: „Das Verhalten,auch das Aggressionsverhalten, eines Hundes seistets das Ergebnis einer differenzierten Wechsel-wirkung zwischen Erbanlagen und Umweltreizen.“Und Frau Feddersen-Petersen rechnet die soge-nannten Kampfhunderassen - auch vor dem Hinter-grund der Geschichte ihrer Zucht - zu den Hun-derassen, deren Aggressionsverhalten nicht ohneProblematik sei. Zunächst halte ich es für ziemlichfragwürdig, diese Quelle als wissenschaftlichen Be-leg zur Begründung einer Rasseliste anzuführen.Wenn Sie genau zugehört haben, ist hier von Po-tenzialen die Rede gewesen, von der Wechselwir-kung zwischen dem Hund und der Erziehung etc.Das ist schon fragwürdig. Ich habe aber von FrauDr. Eichelberg, die in dem Verfassungsgerichtsur-teil zitiert ist, eine weitere Stellungnahme gefunden,und zwar hat sie im April 2002 zum Entwurf des

Hundesgesetzes in Nordrhein-Westfalen eine Stel-lungnahme abgegeben. Da möchte ich einfach nureinen Satz zitieren. Sie hat nämlich geschrieben:„Das Gesamtkonzept, das diesem Gesetzentwurfzugrunde liegt, halte ich für so grundlegend falsch,dass ich es bei dieser Aussage belassen möchte.Es macht wenig Sinn, den verzweifelten Versuch zuunternehmen, hier und da ein wenig nachbessernzu wollen, wenn die Grundaussage nicht stimmt,dass sich nämlich die Gefährlichkeit eines Hundesaus seiner Rassezugehörigkeit bzw. aus seinemKörpergewicht oder seiner Widerristhöhe ergibt.“,Ende des Zitats von Frau Dr. Eichelberg. Die eben-falls in dieser Randziffer zum Urteil des Bundesver-fassungsgerichts zitierte Frau Dr. Feddersen-Peter-sen war eine der Anzuhörenden für das Zoologi-sche Institut der Universität Kiel in unserem schriftli-chen Anhörungsverfahren. Sie hat in ihrer Stellung-nahme geschrieben, die Rasseliste benenne ge-fährliche Rassen, die es nicht gibt, die Auswahl seiwillkürlich getroffen und Kreuzungen seien kaumnachweisbar. Sie hat wörtlich geschrieben: „Hundemüssen als soziale Wesen systemisch begriffenund beurteilt werden, wenn man sich ernsthaft mitder Prophylaxe von Gefährdungen auseinander-setzt.“

Im zweiten Anhörungsverfahren des Ausschusses,nämlich zum Änderungsantrag CDU/SPD, warenalle während der ersten Anhörung um Stellungnah-me gebetenen Sachverständigen erneut um ihreMeinung gebeten worden, leider nur zu dem Ände-rungsantrag der Regierungsfraktionen. Insgesamt22 Zuschriften haben dabei den Ausschuss er-reicht, davon waren 20 wirklich inhaltliche Stellung-nahmen. Von diesen 20 befürworten lediglich zweiden Gesetzentwurf mit Rasseliste, der Gemeinde-und Städtebund erneuerte seine Kritik, das habeich in der Berichterstattung auch schon gesagt,dass es keine Kostenfolgeabschätzung gegebenhabe. Der Gemeinde- und Städtebund hat zudemerhebliche Zweifel geäußert, ich zitiere: „ob das denOrdnungsbehörden bisher zur Verfügung stehendeVerhandlungsinstrumentarium als ausreichend an-gesehen werden kann, eine angemessene Umset-zung der Ge- und Verbote sicherzustellen.“ Mehre-re Anzuhörende machten ganz zu Recht, wie ichmeine, in den Stellungnahmen ihren Unmut darüberdeutlich, dass ihre Expertenmeinung offensichtlichunberücksichtigt blieb. 18 von 20 lehnen die Rasse-liste entweder mit Verweis auf alle wissenschaftli-chen und statistischen Erkenntnisse vollständig aboder fordern wenigstens, wie zum Beispiel Frau Ei-senreich vom Gnadenhof für Tiere e.V. in Gera,dass, wenn schon diese unsinnige Rasselistekommt, mindestens zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 eingefügtwird, dass es sich um eine Vermutung der Gefähr-lichkeit handelt, die widerlegt werden kann, wie dasBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Gesetzent-wurf vorschlägt. Der Schutz- und Gebrauchshunde-sportverband e.V., welcher die Vorschläge der

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(Abg. Berninger)

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Fraktionen der FDP und DIE LINKE, die Gesetzent-würfe ohne Rasseliste, ausdrücklich begrüßt,schreibt: „Die Herausnahme dieser Rassen wird da-zu führen, dass Personen, die diese Rassen alsStatussymbol und Kampfmittel einsetzen, auf ande-re Rassen und Kreuzungen überspringen werden.“Auch der Deutsche Kinderschutzbund, Landesver-band Thüringen e.V., lehnt die Rasseliste ab. Erlehnt auch noch einiges andere in diesen Ge-setzentwürfen ab. In seiner Stellungnahme wird un-ter anderem auch die Formulierung zur Zuverläs-sigkeit in § 6 sehr scharf kritisiert. Der Kinder-schutzbund schreibt: „Die Eigenschaft unzuverläs-sig ist nicht gleichbedeutend mit Obdachlosigkeitoder Suchtabhängigkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So wird sie jedoch an dieser Stelle verwandt, auchwenn die Einschränkung „in der Regel“ verdeutlicht,dass dies eine Kannbestimmung ist und das letzteUrteil bei den entscheidenden Personen in der Be-hörde liegt. Diese Personenkreise werden als so-ziale Kohorte in der Aufzählung der Gesetzesvorla-ge gleichgestellt mit Straftätern und Straftäterinnenund kranken Personen.“ Zitatende. Der DeutscheKinderschutzbund fordert stattdessen von solchenPersonen, Suchtkranken oder Wohnungslosen wiebei anderen Personen auch, einen Sachkun-denachweis zu verlangen und anhand dessen zuentscheiden, ob derjenige oder diejenige einen ge-fährlichen Hund oder ein gefährliches Tier haltendarf.

Meine Damen und Herren, ich will selbstverständ-lich auch erwähnen, dass einzelne Regelungen imÄnderungsantrag von CDU/SPD Zustimmung fin-den, beispielsweise die Herausnahme der großenHunde aus § 3. Große Hunde mit einer Widerristhö-he von mehr als 40 cm und mehr als 20 kg Körper-gewicht sind jetzt nicht mehr als gefährlich per sedeklariert. Zustimmung finden auch die in § 4 gere-gelte Kennzeichnungspflicht und die Haftpflichtver-sicherung für alle Hunde. Ich möchte zum Schlussnoch erwähnen, dass es sehr unterschiedliche Auf-fassungen über die Definition und die Erlaubnis zurHaltung gefährlicher Tiere gibt.

Meine Damen und Herren, ich halte es aber für mü-ßig, Ihnen noch länger Details aufzuzählen. Ich hat-te auch überlegt, ob ich erneut eine Ausschuss-überweisung beantrage, weil man ja vielleicht inden Regierungsfraktionen anhand der Debatte hiernoch mal zum Nachdenken hätte kommen können.Ich halte es aber für müßig. Bereits in den Aus-schussberatungen, die durchgeführt wurden, waraufseiten der Regierungsfraktionen wenig Interesseerkennbar, den vorgetragenen Argumenten undauch den Fragen der Opposition fachlich zu begeg-nen. CDU und SPD hatten es nicht einmal für nötiggehalten, ihren Änderungsantrag im Ausschuss in-haltlich vorzustellen und zu begründen. Er wurde

als Tischvorlage eingebracht, ohne uns ausrei-chend Gelegenheit zu geben, ihn zunächst einmalausführlich zu lesen und in unseren Fraktionen zuberaten. Ich kann, meine Damen und Herren, ab-schließend nur konstatieren, dass - erstens - wederdie Landesregierung bei ihrem Gesetzentwurf - wieangekündigt - die Ermittlungsergebnisse von Polizeiund Staatsanwaltschaft nach dem tödlichen Beiß-vorfall in Oldisleben ausgewertet hat. Dann näm-lich, Herr Innenminister, hätten Sie mit Ihrem Ent-wurf warten müssen, bis diese Ermittlungen tat-sächlich abgeschlossen waren, und wären dannwie Oberstaatsanwalt Gert Störmer zu dem Schlussgekommen - da will ich Ihnen aus der TA vom01.04. zitieren -, „dass die Angeklagte bei ord-nungsgemäßer Haltung und Sozialisierung derHunde unter Einschätzung der Gefährlichkeit dieFolgen hätte voraussehen und vermeiden können.“In der Gerichtsverhandlung hatte die von mir schonerwähnte international anerkannte GutachterinDr. Feddersen-Petersen die vier Hunde zwar alstickende Zeitbombe bezeichnet, allerdings nicht we-gen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse,sondern wegen mangelnder Sozialisation, mangel-hafter Haltung und fehlender Sachkunde der Halte-rin. Frau Dr. Feddersen-Petersen hatte festgestellt -hier zitiere ich aus den Stellungnahmen sowohl derGesellschaft der Bullterrier-Freunde e.V. als auchdes Diplomtierpsychologen Stengler -, „dass diebeißenden Hunde Mischlinge waren, deren Ab-stammung nicht eindeutig geklärt werden kann. Inkeinem Fall waren es aber Staffordshire Bullterrier.Dieser Rassename“ - so Herr Stengler und die Ge-sellschaft der Bullterrier-Freunde e.V. - „kam nurdurch die Unfähigkeit eines Amtsveterinärs in diePresse und hält sich bis heute. Auch beim Fall Nie-derorschel war der beißende Hund ein Mischling.“

Ich kann zum Schluss feststellen, dass - zweitens -auch Herr Fiedler seine Ankündigung, mit ihm wer-de es keine Rasseliste geben und man sei nun gutberaten, noch einmal intensiv in die Diskussion mitdem Innenministerium zu treten, um die Ungereimt-heiten zu beseitigen, nicht wahrgemacht hat.

Drittens kann ich zum Umgang mit den Stellung-nahmen im Ausschuss aus meiner ganz persönli-chen Sicht nur abschließend sagen, dass ich esbisher hier im Landtag noch nicht erlebt habe, wiewenig Respekt der Fachkompetenz und den Stel-lungnahmen der Anzuhörenden entgegengebrachtwurde. Das finde ich infam. Dass die CDU in dieserSache umgefallen ist und ohne Not, meine Damenund Herren, umgefallen ist - schließlich handelt essich in diesem Fall nicht um eine parlamentarischeInitiative, an die Sie, sehr geehrte Damen und Her-ren Fiedler, Kellner, Holbe, und ganz besonders er-wähnen möchte ich Herrn Wetzel, der immer ge-sagt hat, er sei gegen eine solche Rasseliste; eshandelt sich nicht um etwas, wo Sie durch eine Ver-

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(Abg. Berninger)

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einbarung wie im Koalitionsvertrag gebundensind -, bedaure ich außerordentlich.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann hier nur meine Vermutung wiedergeben,dass zulasten der Hunde und ihrer Halterinnen undHalter irgendetwas gedealt wurde und die SPD da-für im Umkehrschluss keine Schwierigkeiten in ir-gendeinem anderen Gesetzgebungsverfahren (viel-leicht die Thüringer Polizei betreffend?) machenwird. Eine meiner Fraktionskolleginnen hat gesterngesagt, hier wurde ein Kuhhandel mit der Hun-derasseliste geschlossen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: EinHundehandel - kein Kuhhandel.)

So ähnlich kommt mir das auch vor.

(Beifall DIE LINKE)

Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen, meine Da-men und Herren der SPD, der CDU und auch derGRÜNEN, noch einmal ganz dringend die Ge-setzentwürfe der FDP oder den meiner Fraktion zurBeschlussfassung ans Herz legen. Sowohl die De-batte mit den Expertinnen während der Anhörungals auch die Auswertung statistischer Erhebungenund nicht zuletzt der gesunde Menschenverstandbelegen es ganz deutlich. Die Einführung einerRasseliste, die Bestimmung von Hunden per se alsgefährlich, einfach nur, weil sie zu einer willkürlichfestgelegten Rasse gehören, sind nichts weiter alsein Placebo, mit dem Sicherheit vorgetäuscht, abernicht erreicht werden kann. Die Gefahr ist immerauch am anderen Ende der Leine bei verantwor-tungslosen und nicht sachkundigen Halterinnen undHaltern. Deswegen haben die Fraktionen von FDPund DIE LINKE die Fachkompetenz der Expertin-nen aufgreifend ihre beiden Gesetzentwürfe vorge-legt und einem dieser beiden Gesetzentwürfe solltejeder verantwortungsvolle Politiker und jede verant-wortungsvolle Politikerin, wie es einer der Anzuhö-renden, nämlich Herr Herwig von der EichsfelderHundeschule, formuliert hat, zustimmen, wenn Sieverantwortungsvolle Politikerinnen sind. Vielenherzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Jörg Kellner.

Abgeordneter Kellner, CDU:

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,nach langer Debatte und vielem öffentlichen Inter-esse debattieren wir heute über das Gesetz zumSchutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren.Zum Anfang möchte ich darauf hinweisen, dass wirheute ein Gesetz über gefährliche Tiere und nicht

eines über gefährliche Hunde diskutieren. In Zeitenvon rapide ansteigenden Importen von Tieren nichtheimischer Herkunft galt es, gesetzgeberisch tätigzu werden. Für die Bevölkerung, Vollzugsbeamte,Polizei und Rettungskräfte ist es wichtig, Informatio-nen über den Aufenthalt von gefährlichen Tieren zubesitzen. Hier werden über den vorliegenden Ge-setzentwurf erstmals Bestimmungen zu gefährli-chen Tieren getroffen. Darüber hinaus sind aberauch Hunde Bestandteil dieses Entwurfs. Hier gabes Regelungsbedarf, weil die Übergriffe von Hun-den mit tödlichem Ausgang uns immer wieder er-schüttern und wir den Schutz der Bevölkerung ga-rantieren müssen. Jeder weiß, dass man als Ge-setzgeber niemals 100-prozentigen Schutz ermögli-chen kann, aber wir müssen entsprechende An-strengungen unternehmen, Gefahr für Leib und Le-ben zu minimieren, und das ist durch diesen Ge-setzentwurf möglich.

Wir erinnern uns wohl alle noch an die Tragödie inOldisleben, Ortsteil Sachsenburg, als vier Hundeein 3-jähriges Mädchen totbissen. Auch wenn einVorfall dieser Art nicht Alltag ist, so ist er aber auchkein Einzelfall. Von daher gab es dringenden Hand-lungsbedarf. Ich erinnere auch daran, dass die ge-nannten, mehrfach heute zitierten und diskutiertenRassen, die als Rasseliste bezeichnet werden, ge-fährliche Hunde, an diesem Vorfall beteiligt warenbzw. ihn verursacht haben.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Das ist in der Gerichtsverhandlung andersgesagt worden.)

Betrachten wir nun dieses Gesetz. Per Definitiongelten als gefährliche Tiere wildlebender Art, diedurch Kraft, Gift oder Verhalten Menschen schwereVerletzungen zuführen können. Dabei liegt eine ge-nerelle Gefährlichkeit vor. Eine Kobra oder eineSchwarze Mamba sind per se mit ihrem Gift als ge-fährlich einzustufen, auch wenn sie artgerecht ge-halten werden. Im Bereich der Hunde gelten durchdas Gesetz vier Hunderassen als gefährlich: Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshi-re-Bullterrier und Bullterrier sowie Kreuzungen die-ser Rasse. Damit besitzt Thüringen eine sehr knap-pe Rasseliste. Im Vergleich dazu führt zum Beispieldas Bundesland Bayern 19 Hunde auf ihrer Rasse-liste. Damit bleibt Thüringen auch bei den Rassen,die der Bund als Hundeverbringungs- und Einfuhr-gesetz festgelegt hat. Weiterhin gelten als gefährli-che Hunde solche, die durch entsprechendes Ver-halten und Durchführung eines Wesenstests als ge-fährlich eingestuft wurden. Diese Rasseliste ist aberkein Verbot dieser entsprechenden Tiere, sondernregelt die Bedingungen, die zur Haltung entspre-chender Tiere notwendig sind. Bewusst haben wirauf die Gefahreneinordnung eines Hundes auf-grund seiner körperlichen Merkmale wie Gewicht20 Kilogramm oder die Widerristhöhe 40 cm, ver-zichtet, da wir keinen Generalverdacht gegen Hun-

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(Abg. Berninger)

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de hegen. Vielmehr wollen wir kalkulierbare Risikenminimieren.

Welche Neuerungen ergeben sich aus diesem Ge-setz für den Halter und für die Hunde? Meine Da-men und Herren, mit der Einführung der Chippflichtfür Hunde haben wir erstmalig die Möglichkeit, dassbei Vorkommnissen mit Hunden, bei denen einSchaden entstanden ist, die Rückverfolgung derBehörden ermöglicht werden kann. Dadurch kannein Hund immer einem Halter zugeordnet werden.Dies ist wichtig, wenn entlaufene Hunde - das kannvorkommen - einen größeren Schaden verursa-chen.

Dies führt zu einer weiteren Neuerung. Jeder Hun-dehalter ist verpflichtet, eine Haftpflichtversicherungfür seinen Hund abzuschließen, die sowohl Sach-schäden als auch Personenschäden abdeckt. Hier-durch wird erreicht, dass einem Geschädigten auchbei mangelnder Solvenz des Halters ein Scha-densersatz zukommen kann. Dabei sind die Versi-cherungsprämien zwischen 5 und 10 € pro Monatkeine unüberwindbare Hürde, vor allem in Anbe-tracht möglicher Kosten nach einem Unfall. Es wirdhier eigentlich nur festgeschrieben, was von denmeisten verantwortungsvollen Hundebesitzern,denke ich mir, auch die Regel ist.

Jeder Halter eines gefährlichen Tieres muss einenSachkundenachweis erbringen. Auch hier wird un-serer Annahme Rechnung getragen, dass die Ge-fahr eines Tieres maßgeblich durch den Halter be-stimmt wird. Unser vorderstes Ziel ist, die Gefahr,die durch das Tier ausgeht, bei eigentlichen Proble-men anzugehen. Das ist im häufigsten Fall der Hal-ter; dies wurde mehrfach schon betont. Daher gibtes auch Einschränkungen, wer ein gefährliches Tierhalten darf. So werden einige Straftäter von demHalten eines gefährlichen Tieres ausgeschlossen,aber auch Personen, bei denen die Zuverlässigkeitangezweifelt werden muss, können als Halter einesgefährlichen Tieres ausgeschlossen werden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wiefunktioniert das?)

Hierunter fallen beispielsweise Drogenabhängige,Alkoholabhängige oder psychisch Kranke, die nachBGB einen Betreuer haben. Generell werden Min-derjährige vom Halten eines gefährlichen Tieresausgeschlossen.

Präsidentin Diezel:

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra-ge der Abgeordneten Berninger?

Abgeordneter Kellner, CDU:

Später.

Als Lehre aus dem tödlichen Angriff von Hundendürfen gefährliche Hunde nur Kontakt mit Minder-

jährigen haben, wenn der Halter eines Hundes diesbeaufsichtigt. Dies sei nur ein Beispiel für die Neue-rung, die durch das Gesetz kommen soll. Natürlichgibt es auch Ausnahmen für Diensthunde, Blinden-hunde und Herdengebrauchshunde.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dassmanche hier im Plenum, und das haben wir jetztmehrfach gehört, andere Lösungen gern gesehenhätten, zum Beispiel ist die Rasseliste nicht unum-stritten in der Wissenschaft. Auch das wurde vonallen Vorrednern mehrfach angeführt.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Eswird abgelehnt von der Wissenschaft.)

Dennoch findet sie Eingang in das Gesetz. Zumeinen herrscht in der Bevölkerung Angst vor dieserTierart und Hunderasse; nicht zuletzt durch die me-diale Berichterstattung, auch diesem müssen wirRechnung tragen. Als Gesetzgeber sind wir ver-pflichtet, die Ängste der Menschen ernst zu neh-men.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Wasnützt es denn, was Sie wollen. Placebo!)

Zum anderen müssen wir als CDU-Fraktion auchauf unseren Koalitionspartner zugehen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist ja eine der dümmsten Be-gründungen. Entschuldigung.)

Daher freuen wir uns, dass die Rasseliste nicht un-nötig lang ausgefallen ist. Auch sind wir froh, dasskeine Hunde durch ihre äußeren Merkmale per seals gefährlich eingeordnet werden, so wie ich eseingangs gesagt habe mit den 40- bzw. 20er Rege-lungen. Das hat uns auch die Anhörung im Innen-ausschuss gezeigt. Ebenso wird der Sachkun-denachweis nur von gefährlichen Tieren eingefor-dert und ist nicht für alle Hundehalter verpflichtend.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es wurde ei-ne umfassende aber auch nicht unnötig komplizier-te Regelung gefunden, die die Gefahr der Bevölke-rung durch gefährliche Tiere minimieren soll. Natür-lich können wir Vorfälle dadurch nicht gänzlich aus-schließen, aber wir haben die Möglichkeit, durchdiese Einschränkungen die Hundebesitzer stärkerin die Pflicht zu nehmen. Ob sich das Gesetz be-währt, werden wir in der Praxis in den nächstenJahren verfolgen.

An dieser Stelle möchte ich noch dem Innenminis-terium und dem Justizministerium danken, dass sieuns bei der Umsetzung des Kompromisses tatkräf-tig unterstützt haben. Ich denke, dass wir mit die-sem Gesetzentwurf auch eine Regelung gefundenhaben, die den Ordnungsbehörden genügend Ein-griffsmöglichkeiten gibt, einzuwirken auf die öffentli-che Sicherheit, die zu gewährleisten und das Ge-setz nicht zu überfrachten, so dass es durch die

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(Abg. Kellner)

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Verwaltungen nur schwer umzusetzen ist, z.B. dieRasseliste mit den massigen und großen Hunden.

Ich denke, wir haben hier mit Augenmaß einen Ge-setzentwurf, eine Änderung zum Gesetzentwurf aufden Weg gebracht, der auch in der Praxis ange-nommen wird und der dem Schutz der Bevölkerungvor gefährlichen Tieren weitestgehend gerecht wird.Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Präsidentin Diezel:

Ich möchte Sie erinnern an die Zwischenfrage vonFrau Berninger, die Sie zulassen wollten.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Gesagtist gesagt.)

Abgeordneter Kellner, CDU:

Ja, lassen wir sie doch zu, wenn ich es schon ge-sagt habe, Frau Berninger.

Präsidentin Diezel:

Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kellner, danke,dass Sie Zwischenfragen zulassen. Ich wollte ge-nau an der Stelle fragen, als Sie es erwähnt haben:Wie begründen Sie denn inhaltlich, dass beispiels-weise wohnungslose Menschen oder z.B. tabletten-abhängige Menschen, also Suchtkranke, nach § 6die Eigenschaft der Zuverlässigkeit abgesprochenbekommen ebenso wie beispielsweise Straffällige?Das hätte ich gern gewusst und da wollte ich nocheinmal nachfragen; ich hatte in meinem Redebei-trag eine Frage gestellt, welche Ausnahmefälledenn infrage kommen als Halter gefährlicher Hun-de, wenn sie den wissenschaftlichen und berufli-chen Bedarf nicht nachweisen. Welche Personen-gruppen sind denn dann Ausnahmen, die über-haupt noch solche Hunde halten dürfen?

Abgeordneter Kellner, CDU:

Wir hatten ja im Ausschuss das Thema schonmehrfach diskutiert, Frau Berninger, was die

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ja,wir haben diskutiert - Sie nicht.)

Zuverlässigkeit anbelangt. Jetzt habe ich auch dasBGB zitiert, dass es z.B. auch die Regelung gibt,wenn Betreuer zugewiesen werden und dass manvon den Behörden im Vorfeld natürlich feststellenmuss, inwieweit hier eine Zuverlässigkeit gegebenist oder nicht. Das habe ich mitgeteilt im Aus-schuss. Also die Behörden sind dafür zuständig,der Amtsarzt oder andere Behörden, die dafür da

sind, um das erst festzustellen. Es ist kein per se,aber es muss überprüft werden und dann sollte dasauf jeden Fall auch sich wiederfinden.

(Beifall CDU)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Dirk Adams.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Meine zweite Frage?!)

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, liebe Gäste, die Koalition kommt in dieserDebatte - das hat mich jetzt gerade beim Beitragvon Herrn Kollegen Kellner irritiert - wirklich wie eingeschlagener Hund daher. Ich frage mich: HabenSie eigentlich irgendein Argument, warum Sie die-ses Gesetz heute hier im Thüringer Landtag verab-schieden wollen, jenseits des Koalitionsfriedens?Ich habe kein Argument gehört. Es erstaunt michschon sehr, ich würde für Regierungsfraktionen hiereinen anderen Maßstab anlegen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! LiebeFrau Berninger, auch wenn Sie gerade geklopft ha-ben, finde ich es aber wichtig, eines noch einmalklarzustellen: Sie haben hier aus Statistiken zitiert.Es kommt aber wirklich darauf an, Statistiken nichteinfach nur zu zitieren, sondern sie auch zu inter-pretieren, und zwar sie richtig zu interpretieren. Esist einfach die Crux in der Debatte, die wir ja inhalt-lich lange geführt haben, dass wir bei all diesenBeißstatistiken niemals eine Relation zur Populati-on haben, um die Gefährlichkeit bewerten zu kön-nen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da mussich ausnahmsweise mal klopfen.)

Es ist nämlich so, dass der Schäferhund als häufig-stes großes Tier, als häufigste große Art natürlichimmer vorn vorkommen muss, sagt aber nichtsüber seine Gefährlichkeit, wenn dort prozentual nurwenige Tiere beißen, meine sehr verehrten Damenund Herren. Lieber Herr Gentzel, hier will ich gleichnoch mal mit einem Irrtum aufräumen. Koalition, diesollte schon einig sein. Aber wenn Sie uns entge-genrufen als Opposition, dass wir doch eigentlicheinig sein sollten, dann habe ich eher den Eindruck,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich habefestgestellt.)

dass es sich um das, was Psychologen eine Über-tragung nennen, handelt, insofern würde ich Ihnenempfehlen, einfach für die Einigkeit in Ihrer Koaliti-on doch selbst zu kämpfen.

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(Abg. Kellner)

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(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ha-ben hier eine lange Debatte um ein Gesetz zu füh-ren und für uns Bündnisgrüne steht bei der Debatteum dieses Gesetz die innere Sicherheit, die innereOrdnung, die Ordnung im Freistaat Thüringen imVordergrund, meine sehr verehrten Damen undHerren, und sie überwiegt in der Abwägung, die wirvorgenommen haben. Deshalb hat es mich sehr ir-ritiert, Frau Berninger und auch Herr Bergner, dassin Ihren Beiträgen sehr wenig über die Frage desSchutzes von Leib und Leben gesprochen wurde.Ich glaube, diesen Aspekt darf man bei der Debatteeinfach nicht zu geringschätzen, meine sehr verehr-ten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rei-he der Unglücke ist hier mehrfach zitiert worden.Ich will deshalb gar nicht weiter darauf eingehen.Allerdings, nach dem Mai hatten die Regierungs-fraktionen angekündigt, wir bekommen ein neuesGesetz. Im Sommer konnten wir lesen in den Zei-tungen in ganz Deutschland, in allen Regionalzei-tungen, Thüringen bekommt durch InnenministerHuber das schärfste Hundegesetz überhauptdeutschlandweit. Was ist davon übrig geblieben,meine sehr verehrten Damen und Herren? LiebeCDU und liebe SPD, wenig, was an Ruhm grenzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Okto-ber letzten Jahres dann ein erneuter Vorfall in Kin-delbrück. Ende Oktober legt die Landesregierungendlich ein Gesetz vor, das sich elementar, so mei-ne ich, von dem, was jetzt CDU und SPD hier imThüringer Landtag mit Beschlussempfehlung desInnenausschusses vorlegen, unterscheidet, meinesehr verehrten Damen und Herren.

Im Januar, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, kommt es wieder zu einem Beißvorfall, ein10-jähriges Kind wird in Mühlhausen auf einemSchulhof von einem Schäferhund gebissen. Da-nach treten wir als Innenausschuss in die Anhörungein. Die Anhörung, was hat sie eigentlich gebracht?Sie hat einen sehr abstrakten wissenschaftlichenStreit um die Frage von Beißstatistiken gebracht,aber sie hat natürlich auch, und das muss doch hierauch ganz deutlich gesagt werden, große Einigkeitund große Zustimmung bei drei Punkten gebracht.Alle Anzuhörenden sagen, ja, es ist richtig, wennwir eine Haftpflicht für alle Hunde einführen. Das istdoch ein wichtiges Ergebnis dieser Debatte gewe-sen. Und wir bekommen ein Ja zur Sachkunde fürgefährliche Tiere, auch für große Tiere, auch fürgroße Hunde, das wir hier hören konnten. Und wirbekamen ein Ja und eine große Zustimmung zurChippflicht. Das muss man einfach mal festhalten,um nicht darzustellen, dass diese gesamte Debattevon einem grundsätzlichen Widerspruch geprägtwar, sondern sie war natürlich von einem Ringen

geprägt, hier etwas Ordentliches zustande zu be-kommen. Deshalb ist es nicht richtig, was HerrBergner gesagt hat, dass dieses Gesetz in keinerWeise irgendetwas zur Sicherheit beitragen wird.Das ist einfach nicht richtig, was da gesagt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Dis-sens -

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP)

ach wissen Sie, Herr Barth, Ihr Standardzwischen-ruf, der hat wirklich das Prädikat „ganz langer alterBart“, Ihr Standardzwischenruf hat wirklich diesesPrädikat - besteht allerdings weiterhin bei der Ras-seliste. Wir sagen den Skeptikern der Rasseliste,die sagen, es hat eben nichts mit dem Tier zu tun,sondern mit dem Halter, ja, das ist richtig. Wir sindals Bündnisgrüne ebenso wie Sie davon überzeugt,dass ein guter Halter oder eine gute Halterin mit ho-her Sachkunde ein Tier so halten wird, dass diesesTier auch nicht gefährlich werden wird. Deshalb warunser Vorschlag, bei jedem Tier, bei dem wir dieGefährlichkeit vermuten, abstrakt vermuten, hierkonkret zu überprüfen, um festzustellen, ist denndieses Tier auch wirklich gefährlich, also diese Wi-derlegbarkeit durch einen Wesenstest einzuführen.Leider konnten sich die Regierungsfraktionen dar-auf nicht einlassen, denn das Bundesverfassungs-gericht - davor dürfen Sie, liebe LINKEN und liebeFDP, nicht die Augen verschließen - hat dargelegt,dass von Tieren dieser vier Arten eine abstrakteGefahr ausgeht. Das bedeutet für uns aber auch,dass wir natürlich bewerten müssen, ob diese ab-strakte Gefahr auch zu einer konkreten Gefahrwird. Nur diese konkrete Gefahr ist unserer Mei-nung nach Rechtfertigung dafür, so weitgehendeEingriffe, wie es Ihr Gesetz und auch das Gesetzder Landesregierung vorsah, überhaupt rechtferti-gen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach derAnhörung, die im Februar stattgefunden hatte, kames zu einer großen Funkstille, es war ganz ruhiggewesen. Das Zitat von Herrn Kellner, die Zitatevon Herrn Fiedler sind alle vorgelesen, ich mussdas nicht noch mal machen, aber sie legen zumin-dest den Schluss nahe, dass man hier seitens dergrößten Koalitionsfraktion, der CDU, versucht hat,alles im Sande verlaufen zu lassen, es einfach nichtzu einer Regelung kommen zu lassen. Sie habendas schleifen lassen. Nur zwei weitere traurige Zwi-schenfälle, nämlich dass im April 2011 ein Vierjähri-ger in Niederorschel von einem Staffordshire Terri-er im Gesicht verletzt wurde …

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: EinMischling war es.)

Staffordshire-Mischling - das ist aber auch kein Pro-blem, weil es hier in der Regelung synonym ver-wandt wird.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5277

(Abg. Adams)

Page 22: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Und der war schon auffällig.)

Das tut hier nichts zur Sache. Frau Berninger, wennwir versuchen, eine gute Regelung zu finden, dannmüssen wir hier erst mal Kategorien bilden. Wo sol-len wir anfangen, außer wenn uns das Bundesver-fassungsgericht eine Handhabe in die Hand gibtund sagt, ja, ihr dürft bei vier Rassen und derenMischlingen anfangen. Nicht mehr und nicht weni-ger versucht man hier und nicht mehr und nicht we-niger habe ich hier argumentiert.

Präsidentin Diezel:

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra-ge der Abgeordneten Berninger?

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Ja.

Präsidentin Diezel:

Bitte schön.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Herr Adams, ich kann Sie ja gut leiden, ich findeSie sympathisch,

(Heiterkeit im Hause)

aber man muss doch auch ehrlich sagen, wenn dieGefahren-Hundeverordnung bereits bei diesemVorfall in Niederorschel ordentlich zur Anwendunggekommen wäre, wenn die Ordnungsbehörden hät-ten eingreifen können, dann bräuchten wir keineRasseliste, um diesen Vorfall zu bewerten oder die-sem möglicherweise hätten vorbeugen zu können.Der Hund war ein Mischling, der war bereits mehr-fach auffällig geworden und wenn die Regelungender Gefahren-Hundeverordnung greifen würden,dann hätte es diesen Vorfall eventuell nicht gege-ben.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Es ist natürlich richtig, dass, wenn Regelungen an-gewandt werden, diese auch eine Wirkung haben.Ob das mit der Gefahren-Hundeverordnung hätteverhindert werden können, ist allerdings zu bezwei-feln, weil wir die Gefahren-Hundeverordnung hattenund sie hat es nicht verhindert. Deshalb stelle ichganz besonders immer darauf ab, dass das We-sentlichste, was wir erreichen können, die Pflichtzur Sachkunde, zum Hundeführerschein ist, unddas bekommen wir erst jetzt mit diesem Gesetz. In-sofern glaube ich, dass es eine ernsthafte Verbes-serung ist und dass dieser Zwischenfall hätte ver-hindert werden können, wenn die Sachkunde dage-

wesen wäre oder speziell an der Stelle, wo es auchum die Frage ging, dürfen wir jetzt per Gesetz fest-legen und jedem deutlich machen, der ein solchesTier oder einen Mischling dieses Tieres halten will,du darfst dieses Tier nicht mit Kindern allein lassen.Das haben wir jetzt per Gesetz deutlich gemachtund das hätte genau in Niederorschel hier gewirkt.Also es gibt zwei Argumente, warum dieses Gesetzhier gewirkt hätte. Insofern müssen wir diese Tatsa-che sehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es warstiller geworden und erst die beiden Ereignisse imApril, nämlich dann auch noch der Biss eines Rott-weilers gegen seine Halter, als er in den Zwingergebracht werden sollte, führten dazu, dass SPDund GRÜNE sich darum kümmern mussten, dassdieser Vorgang, dieses Gesetzesvorhaben über-haupt erst wieder in den Innenausschuss kommt.Man kann sich das gut anschauen, wie das Gesetzerst auf die Tagesordnung kam, dann wieder her-unterkam - hier kann man nur sagen, die CDU hatversucht, wieder einmal zu blockieren, wieder ein-mal eine Blockade, um etwas Wichtiges, was derFreistaat Thüringen wirklich gebraucht hätte, hiervoranzubringen. Es ist eine falsch verstandene Be-reitschaft zur Lobby, meine sehr verehrten Damenund Herren von der CDU, wenn Sie hier glauben,Ihr Markenzeichen, Ihren Markenkern der innerenSicherheit aufgeben zu können. Ich glaube, das istganz fatal für Thüringen, wenn Sie an dieser Stellemehrfach Ihren Markenkern aufgeben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wie Sie es beim Waffenrecht machen, woSie aus lauter Freude am Schießsport sich zur Lob-by des legalen Waffenbesitzes machen und Kolate-ralschäden hinnehmen,

(Unruhe CDU)

ist es vollkommen falsch, wie Sie hier bei der Frageder gefährlichen Hunde agiert haben - vollkommenfalsch und das schreibe ich Ihnen in das Stamm-buch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: So einSchwachsinn.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Während Sie bei den Hunden sagen, das kann malpassieren, und während Sie bei den Waffen sagen,das kann mal passieren, regen Sie sich über jedebrennende Mülltonne in Weimar auf und nehmendiese zum Anlass, über die Bedrohtheit der freiheit-lich-demokratischen Grundordnung hier zu schwa-dronieren. Das ist einfach entlarvend, meine sehrverehrten Damen und Herren, an der CDU-Sicher-heitspolitik. SPD und GRÜNE haben Sie gezwun-gen, hier wieder an den Tisch der Verhandlungenzurückzukommen

(Heiterkeit Abg. Fiedler, CDU)

5278 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Adams)

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(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- ja, Herr Fiedler, Sie waren zu der Zeit nicht dage-wesen, aber es war ein hartes Ringen im Innenaus-schuss, dass wir mit diesem Gesetzesvorhabenüberhaupt vorangekommen sind. Sie haben sichdann zusammengesetzt mit der SPD, leider ist da-bei ein Gesetz herausgekommen, das formal undinhaltlich schlecht ist. Die Rasseliste ist eingebettetjetzt in mehr oder weniger sinnvolle Rahmenbedin-gungen und Rechtsfolgen. Das Positive aber zuerstund das sind zwei Dinge: Wir werden eine Versi-cherungspflicht, eine Haftpflichtversicherung für alleHunde haben. Das ist pflichtig und das ist auch fürdieses Gesetz wirklich als positiv zu benennen. Wirwerden die Sachkunde dafür haben, wir werdeneinen Sachkundenachweis für jeden Halter von ge-fährlichen Hunden und gefährlichen Tieren haben.Auch das ist ein Erfolg. Aber schon, dass diegroßen Hunde - und das hat die Debatte gezeigtund das zeigen auch die Beißvorfälle, die ich er-wähnt hatte - herausgefallen sind, ist ein Problemund eine Schwäche der SPD an dieser Stelle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer einsolches Gesetz auf den Weg bringt und weiterhinfundamentiert, zementiert, dass Dobermann, Rott-weiler und Schäferhundarten ohne jeglichen Sach-kundenachweis gehalten werden dürfen, hat ein-fach nichts gelernt in der Debatte. Aber auch IhreChippflicht, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, ist mehr als ein zahnloser Tiger, weil Sie eineChippflicht einführen, ohne diese Chips, diese Ko-dierung auch irgendwo zu registrieren. Wozu habenSie denn den Chip? Sie scannen den Chip, Sie ha-ben eine Kodierung und Sie können nicht heraus-finden, wohin der Hund gehört, wer der Halter dazuist, wo dieser Hund herstammt. Das können Sieeinfach nicht sagen. Sie müssen uns doch mal er-klären, was Sie mit der Chippflicht überhaupt nochwollen. Was wollen Sie denn damit irgendwie hand-haben, wenn Sie diese Kodierung nicht registrie-ren? Bitte erklären Sie uns doch, wo Sie dieses re-gistrieren wollen. Wollen Sie sich dann aufmachen,der Ordnungsbehörde auferlegen, bei jedem Tier-arzt anzuklopfen, ob er zufällig ein Verzeichnisführt, oder wollen Sie im Internet nachsuchen, ob ineiner der vielen Verzeichnislisten diese Kodierungauftaucht? Das ist doch einfach unvernünftig, wasSie hier mit der Chippflicht machen.

Beim Maulkorb, meine sehr verehrten Damen undHerren - Sie führen eine Maulkorbpflicht ein und dieLandesregierung sagt uns nicht, warum Sie meinerMeinung nach, nämlich mit gutem Grund, in ihremersten Gesetz diese Maulkorbpflicht nicht hatten.Ich glaube, Sie hatten einen guten Grund, der sichaus dem Tierschutz ergibt, diese Maulkorbpflichtzuerst nicht drinzuhaben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie blei-ben bei der Kastration, ohne Eingrenzung dem Al-

ter nach. Das wird für viele ältere Tiere lebensge-fährlich sein, meine sehr verehrten Damen undHerren, und Sie diskriminieren vollkommen sinnlosund vollkommen nutzlos Menschen ohne Wohnsitz,meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vollkommen nutzlos diskriminieren Sie diese Men-schen. Sie haben keine Widerlegbarkeit dabei. Hierwill ich Ihnen ein Beispiel aus der Anhörung erzäh-len. Dort stellte sich mir ein Polizeibeamter vor, derin Hessen am Flughafen in Frankfurt mit einemSchutzhund seinen Dienst leistet. Dieser Schutz-hund ist darauf abgerichtet und ausgebildet, aufKommando seine Schutzaufgaben mit aller Härteund Schärfe auszuführen. Diesem Polizisten wür-den Sie in Thüringen absprechen, dass er seine be-rufliche Sachkunde beim Verlassen des Dienstesan den Haken hängt und zu Hause mit seinem Pit-bull, den er hat, nicht mehr ausüben kann. Das istdoch einfach nicht vernünftig, das ist doch einfachkeine vernünftige Regelung, die Sie hier aufgenom-men haben, meine sehr verehrten Damen und Her-ren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ge-setz - hier Gesetz von der CDU und SPD - zeichnetsich allerdings auch durch eine beispiellose Schlud-rigkeit aus. Meine sehr verehrten Damen und Her-ren, das kommt im Übrigen auch davon, wenn manAnhörungen unnütz begrenzt und sie nicht ordent-lich durchführt. Die systematische Fehlverweisungdes § 4 auf den § 2 Abs. 5 will ich nur erwähnen,sie hat wenig Rechtsfolgen, aber entscheidendscheint mir hier wirklich die absolut falsche Über-gangsregelung, die in Ihr Gesetz geschrieben wur-de. Nach Ihrer Übergangsvorschrift wird nämlichbestimmt, dass ein gefährlicher Hund nach derThüringer Gefahren-Hundeverordnung unfruchtbarzu machen ist. Da die bisherige Gefahren-Hunde-verordnung allerdings nur auf die Gefährlichkeit ab-stellt und nicht auf die Rasse, kann es danach sein,dass auch Tiere - andere als diese vier Rassen -kastriert werden müssen. Dafür spricht im Übrigenauch, dass Sie Folgendes formuliert haben: In § 16Abs. 5 Satz 2 gehen Sie explizit auf Hündinnen,nach dem § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nehmen Sie dar-auf Bezug, währenddessen im vorausgehendenSatz 1, nämlich dem in § 16, eine Bezugnahme aufdie Hunderassen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ver-zichtet wurde. Diese Regelung, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, steht im klaren Wider-spruch zu der Intention des Gesetzgebers, aus-schließlich die Tiere dieser vier Rassen kastrierenzu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allemKonflikt, den ich auch mit den Befürwortern und denGegnern der Rasseliste habe, ich werde mit ihnen

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5279

(Abg. Adams)

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intensiv zusammenarbeiten und appelliere, nichtzuzulassen, dass nur ein Hund, nur ein Schäfer-hund in Thüringen aufgrund der Schludrigkeit vonSPD und CDU hier kastriert werden wird.

Dieses Gesetz wird keine Zustimmung der BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion bekommen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl wir uns eine klare, sanktionierte, der Vielfaltdes Hunde- und Tierlebens entsprechende Rege-lung sehr gern gewünscht hätten, aber Ihr Gesetzist einfach nur Pfusch, meine sehr verehrten Da-men und Herren. Mit Bestürzung schaue ich hier andieser Stelle auf die CDU, die ihren Markenkern,die innere Sicherheit, verrät. Für uns Bündnisgrüneist im Fall der Abwägung zwischen menschlichemLeib und Leben und dem Tierschutz immer das Ge-wicht bei menschlichem Leib und Leben, meinesehr verehrten Damen und Herren. Wir sehen inder Debatte um die innere Sicherheit eben nicht diematerielle Ausstattung von Polizei durch Wagen,Waffen und Ähnlichem im Vordergrund, sonderndurch ordentliche rechtliche Regelungen, die dieBürgerinnen und Bürger schützen. Ihr Gesetz istkeine ordentliche rechtliche Regelung. In diesemSinne wird es damit keine Zustimmung von uns er-fahren. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Wolfgang Fiedlerzu Wort gemeldet.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, ich war schon der Meinung,dass wir jetzt so weit sind, dass jeder halbwegs al-les verstanden hat, was im Gesetzentwurf steht.Aber gerade der Kollege von den GRÜNEN, HerrAdams, ich will Sie noch mal auf § 2 hinweisen „All-gemeine Regelungen“, was Sie zu den Chips ge-sagt haben und wie das alles geht, ich lese es Ih-nen noch mal vor: „Die zuständige Behörde darf diegespeicherten Daten im Rahmen der Erfüllung ihrerAufgaben nach diesem Gesetz zur Feststellung derPerson des Halters nutzen. Das für Verordnungs-recht zuständige Ministerium regelt im Einverneh-men mit dem für Tierschutz und Tiergesundheit zu-ständigen Ministerium durch Rechtsverordnung dieArt und Weise der Kennzeichnung sowie die Ver-wendung der personenbezogenen Daten des Hun-dehalters.“ Haben Sie das überlesen, haben Siedas nicht bemerkt? Ich beantworte Ihnen jetzt keineFrage, wir haben lange genug darüber diskutiert.Sie sollten mal das lesen, was wirklich geschriebensteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Ers-tes sollte doch ganz oben stehen, dass es darumgeht, dass wir die Ängste der Menschen ernst neh-men wollen. Das ist doch das, was wir erreichenwollen, wir wollen den Menschen die Ängste imRahmen unserer Möglichkeiten nehmen. Ich sageIhnen, ob nun das Gesetz oder jenes Gesetz, eswird uns nie gelingen, alles in Gesetze zu packen,dass dort alles stimmig ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das glaube ich aber auch.)

Das wird uns nie gelingen, wir werden immer wie-der nacharbeiten müssen und auch an dem Gesetzwerden wir nacharbeiten müssen. Das wissen wirheute schon.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Morgen.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, da können Sie ruhig klopfen, wir haben eineGefahrenschutzverordnung, die hat bis jetzt zehnJahre gehalten. Ich weiß, dass es bei Ihnen Streit inder eigenen Truppe gibt. Bei Ihnen möchte IhrNachbar zustimmen oder andere und er darf nicht,das ist wie im richtigen Leben. Ja, das ist so, wiedas manchmal so ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Sie können sich ja nicht mal sel-ber zustimmen.)

Warten Sie doch noch, ich sage Ihnen noch eini-ges, Herr Oberlehrer, warten Sie doch noch einenMoment, das kommt doch gleich noch.

Meine Damen und Herren, ich will das noch malganz im Ernst deutlich machen. Wir wollen versu-chen, mit diesem Gesetz den Menschen Ängste zunehmen. Wir wollen gleichzeitig den Spagat, dasswir auch die Tierhalter, dass wir das auch irgendwozusammenführen. Das ist das, was wir mit dem Ge-setz jetzt noch mal auf den Weg gebracht haben.Ich denke, es ist uns gelungen, dass wir den Men-schen ein Stück weit die Ängste nehmen. Sie ha-ben selber Fälle angesprochen, aber wir werdennie alles hinbekommen. Wir werden auch nie alleKontrollen hinbekommen,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Das glauben Sie doch selber nicht.)

auch nicht mit der jetzigen Gefahrenschutzverord-nung, die wir schon haben. Natürlich, es muss auchkontrolliert werden, es müssen auch die Menschenhinschauen, die die Kontrollen durchführen. Esmüssen sich auch die Nachbarn interessieren,wenn dort auf einmal vier Tiere auftauchen oderdort herumrennen usw. Darauf müssen alle mit ein-wirken. Wir wollen keine Diskriminierung von Hal-tern von Hunden. Wir wissen und bleiben dabei,

5280 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Adams)

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dass der Halter der Entsprechende ist, der am an-deren Ende der Leine ist.

Ich bleibe und wir bleiben dabei, weil ich ja mehr-fach angesprochen wurde, meine Damen und Her-ren, ich habe mich von Anfang an klar dazu geäu-ßert, ich bin für keine Rasseliste.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Und jetzt?)

Ich kann Ihnen sagen, das bin ich auch heute noch.Aber was ändert das daran, dass wir ein Gesetz aufden Weg bringen müssen; in das muss das Mach-bare hineingepackt werden. Wir haben das Mach-bare hineingepackt. Sie haben vorhin zitiert, FrauBerninger hat ja nur eine Presseschau gehalten.Ich hoffe, dass Ihnen die Zeitung das vergütet, in-dem Sie morgen gut erwähnt werden, weil Sie einePresseschau gehalten haben darüber, wer, was,wann, wo, wie mal geäußert hat. Ich stimme Ihnenzu, Minister Huber a.D., jetzt Bundesverfassungs-richter, sicher ein ausgewiesener Jurist, hat ja da inden Anfangszeiten viele Dinge so benannt. Am En-de kam dann - wie das so ist mit Anhörung, erstemund zweitem Durchlauf im Kabinett - etwas anderesraus zu dem, was er am Anfang gesagt hatte. Ja,so ist das bei Gesetzen und so ist es in der Regie-rung, in der Koalition und da, wo Verantwortung ge-tragen wird, meine Damen und Herren. Da ist ebenrausgekommen, ich bezeichne sie mal als kleineRasseliste, die vom Bundesverfassungsgericht hiermit benannt wurde. Ich füge hinzu, es ist ja allesandere genannt worden und will nicht noch dreimalwiederholen: Natürlich muss überprüft werden, dashat das Bundesverfassungsgericht auch gesagt, obdie Dinge sich weiterhin bewahrheiten etc. pp.

Meine Damen und Herren, damit ist diese soge-nannte kleine Rasseliste dann entstanden und stehtdrin. Damit kann man durchaus leben. Man hätte esauch anders sehen können. Aber wir können damitleben. Es gab das Zweite, was drinstand, HerrAdams. Auf der einen Seite loben Sie, auf der an-deren Seite sagen Sie, es ist alles Mist. Ich sagedas mal mit meinen Worten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist differenzierte Politik.)

Ich habe gar nicht die Absicht, Ihnen jetzt zuzuhö-ren. Sie können doch noch einmal hier vorgehenund noch einmal reden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Aber ich höre Ihnen zu.)

Das ist doch freundlich von Ihnen. Ich möchte nocheinmal darauf verweisen …

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Allerdings.)

Wollen Sie jetzt auch noch mitmachen? Bitte.

Also, meine Damen und Herren, ich muss jetzt maleinen Zwischeneinschub machen, weil mich geradedie GRÜNEN so schön versuchen zu locken. Mirmacht das nämlich Spaß. Ich sage Ihnen eines vondieser Stelle aus, weil heute in der Zeitung wiederviel Unsinn stand aus meiner Sicht: Wer nur an-satzweise denkt, mit den GRÜNEN im ThüringerLandtag, mit dieser zerstrittenen Truppe irgendwozusammengehen zu wollen - ich glaube, meineFraktion und ich ganz persönlich teilen das ingroßer Mehrheit nicht, damit das mal fest gesagtwurde.

Präsidentin Diezel:

Jetzt wieder zur Sache, bitte.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Jetzt komme ich wieder zurück. Die anderen habenso viel daneben geredet, Frau Präsidentin, vomSchießsport und alles. Auch darauf komme ichnoch, ich hoffe, ich darf darauf antworten.

(Heiterkeit im Hause)

Meine Damen und Herren, Sie haben es gefordert,Sie haben das jetzt ein bisschen hochgelockt, dieganze Geschichte.

Ich will Ihnen noch einmal deutlich machen, meineDamen und Herren, wir haben gemeinsam mit demKoalitionspartner, und das ist schon gesagt worden,die 40 cm hohen und 20 kg schweren Tiere heraus-genommen. Das ist eine Abwägung. Wir haben unsdie Beißstatistiken angesehen. Herr Adams, dashaben Sie ja richtigerweise gesagt, da muss manauch wissen, wie viele gibt es denn von den Tieren.Das ist vollkommen klar. Ich gehe davon aus, dasswir auch mit dem Chippen und mit der Haftpflicht,und da bleiben wir dabei, dort haben wir wichtigeDinge noch zusätzlich auf den Weg gebracht. Dassollte man auch mal wirklich anerkennen, dass hierwichtige Dinge für die Menschen geregelt werden -ein Biss oder andere Dinge, wir reden ja immernoch von gefährlichen Tieren -, hier entsprechendmit sanktioniert sind und dass man dann auch nichtewig den Dingen hinterherrennen muss und dassman da Sicherheit hat.

Meine Damen und Herren, gerade auch die Veteri-näre in Thüringen haben in der zweiten Anhörungnoch einmal deutlich gemacht, dass sie doch in vie-len Dingen mit dem Gesetzentwurf leben können.Ich könnte jetzt auch wie Frau Berninger aus derMeinungsvielfalt überall mir ein Stückchen rausneh-men und könnte da irgendetwas zusammenbasteln,was mir gerade passt, das würde mir genausoleicht fallen wie umgekehrt.

Meine Damen und Herren, wir haben ganz bewusstalle angehört und haben ganz bewusst keine Ein-schränkung gemacht, wie wir das hätten machen

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5281

(Abg. Fiedler)

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können nach d’Hondt, wie viele anzuhören sindusw. Wir haben gesagt, wir wollen alle hören, dieentsprechend sich dazu äußern. Wir haben allessehr ernst genommen und auch sehr ernst gelesen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Aber ebennicht verstanden.)

Die Innenpolitiker meiner Fraktion waren auch ganzbewusst bei Herrn Kümmel in Weimar. Ich meine,dass er mit seiner Hundeschule eine hervorragendeAusbildung macht.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Ich weiß auch, es gibt noch andere Hundeschulen,die eine hervorragende Ausbildung machen, auchim Eichsfeld ist heute eine genannt worden, das willich auch noch einmal ausdrücklich sagen.

(Beifall FDP)

Aber man muss auch solche Dinge, zu denen es inder ganzen Bundesrepublik unterschiedliche Mei-nungen gibt, ansprechen - Rasselisten, das ist ge-nannt worden von meinem Kollegen Kellner, inBayern sind 19 Hunde enthalten usw. und so fort.Wir haben das Machbare hineingeschrieben. FrauBerninger, Ihre Worte „bewusste Ignoranz“ usw.,wissen Sie - infam. Also ich weiß, Sie sind eine be-geisterte Hundeanhängerin. Ich sehe Sie öftersdurch den Landtag mit Ihrem Hund gehen. Das mö-ge Ihnen gestattet sein, solange der Hund auch or-dentlich erzogen ist. Das hoffe ich, bei Ihnen ist jadavon auszugehen, dass er ordentlich erzogen ist,dass da nichts passiert. Deswegen, meine Damenund Herren, ich bin und bleibe und viele in derFraktion bleiben Hundefreunde. Aber erst kommtder Mensch und dann kommt das Tier. Das mussabgewogen werden. Wir meinen, dass wir das hiergut abgewogen haben und haben mit dem Koaliti-onspartner entsprechend diese Änderungen aufden Weg gebracht. Damit können wir gut leben.

Jetzt will ich noch einmal darauf eingehen. FrauBerninger, ich könnte Ihnen jetzt sagen, was dieBild-Zeitung alles schon geschrieben hat.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darauf sind Sie sehr stolz.)

Aber wissen Sie, ich gehe nicht darauf ein. Doch,eine Woche bin ich zitiert worden, als es um dieHunde ging. In der nächsten Woche bin ich zitiertworden, weil ich draußen im Landtag saß und weilmir mein Rücken wehtat, weil ich vor Kurzem ope-riert wurde und mal kurzzeitig meine Füße hochge-legt hatte. Sofort war es ein fauler Abgeordneter.Mein Gott, lasst ihnen doch die Freude, das zuschreiben, was sie meinen. Das ist auch ihr Job,die müssen auch Geld verdienen, meine Damenund Herren.

(Beifall CDU)

Aber immer wieder das zu zitieren, als ob das Heildes Wissens aus der Zeitung käme - also ich kanndas nicht erkennen. Ich freue mich, was ich in Zei-tungen lese, ich versuche das aufzunehmen und zukommentieren.

Jetzt komme ich noch einmal zu den GRÜNEN.Herr Adams, wissen Sie, Sie haben uns so schönins Stammbuch geschrieben und haben denSchwenk zum Schießsport und allem gemacht. Ichwill Ihnen mal eines sagen: Sie waren bis vor Kur-zem alle noch stolz und sind mit geschwellter Brustdurch die Kante gelaufen, als Sie in Baden-Würt-temberg gewonnen haben. Das möge Ihnen ge-gönnt sein, Sie haben dort gewonnen aus den un-terschiedlichen Umständen, die alle wissen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das nehme ich Ihnen nichtab.)

Aber Sie wissen auch - und das sollten Sie nichtvergessen -, Ihr Kollege Kretschmann, der dort Mi-nisterpräsident ist, der ist Mitglied in einem Schieß-sportverein, ich sage es mal so, das wissen Sie,nur damit Sie es nicht vergessen. Sie suchen sichimmer das heraus, von dem Sie meinen, das uns indas Stammbuch schreiben zu müssen und woan-ders ist das gang und gäbe.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist das Problem, Sie sindmein politischer Mitbewerber.)

Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei, diesesist ein gutes Gesetz, was wir vorgelegt haben. Ichbleibe dabei, mit den GRÜNEN kann man solcheDinge wirklich nur schlecht weiter voranbringen. Ichbitte Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzent-wurf.

(Beifall CDU)

Präsidentin Diezel:

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht für die Fraktion DIE LINKE der AbgeordneteRamelow.

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber WolfgangFiedler, es muss tatsächlich erwähnt sein, dass dieEntscheidung in dem Gesetz, die Haftpflicht einzu-führen, ein wichtiger Schritt ist. Es ist eine richtigeEntscheidung, das Chippen. Da muss man danndie Frage tatsächlich mit den Daten aufwerfen.Aber ich glaube, es ist der richtige Weg.

Der bessere Weg wäre der Hundeführerschein füralle.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

5282 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Fiedler)

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Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Tier eineimmer größere Bedeutung für uns Menschen be-kommt. Wir leben auch in einer alternden Gesell-schaft, in der das Tier ein zentraler Punkt der Zu-wendung ist, und gleichwohl leben wir in einer Ge-sellschaft, in der die Menschen immer wenigerKenntnis über Tiere haben. Deswegen ist es not-wendig, dass wir auch die Voraussetzungen schaf-fen, dass nicht ein Tier einfach nur als Liebesersatzzu Hause gehalten wird, sondern der Mensch auchangehalten ist, sich um dieses Tier zu kümmern. Esgeht auch um Tierschutz.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich gebe zu, unser Hund ist bei Kümmel ausgebil-det worden, ich weiß, was die Hundeschule leistet.Ich gebe zu, als wir uns den Hund angeschafft ha-ben, war ich sehr unsicher, weil ich mich in meinemganzen Leben noch nie um ein solches Tier geküm-mert habe, und hatte da auch Skepsis. Deswegenwar es gut und richtig, den Weg zur Hundeschulezu gehen, weil ich dort gelernt habe, dass es ersteinmal auf das andere Ende der Leine ankommt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Oben, amoberen Ende der Leine.)

Richtig, so ist es. Oben der muss lernen, mit demTier umzugehen, der muss lernen, Kommandos zugeben, der muss auch lernen, was es heißt, Verant-wortung für das Tier zu tragen. Insoweit ist jede die-ser Beißattacken, die tödlich, jede dieser Beißat-tacken …

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: … qualifizie-ren…)

Ist doch klar, ausbilden. Mensch und Tier müssenmiteinander klarkommen, damit dieses Tier nicht ei-ne Gefahr für andere wird. Ich erlebe immer wieder,auch bei unserem kleinen Hund, dass Eltern sehroberflächlich ihren Kindern sagen, ach, ist der drol-lig, und das Kind steckt dann die Finger mitten insMaul von diesem Tier. Man muss jedes Mal den El-tern sagen oder signalisieren, dass ein Kind nichteinfach auf den Hund zurennen soll. Auch da gibtes ein paar Irritationen zwischen dem Menschenund dem Tier, weil das Tier ein Tier bleibt. Es hatkein Abitur,

(Beifall SPD, FDP)

es hat zwar gelernt, sich ordentlich zu verhalten,wenn es trainiert worden ist, aber man kann nichtmit ihm kommunizieren, weil es sich angegriffenfühlt, wenn mal Dinge schiefgehen. Insoweit wärees mir eigentlich viel lieber, wir würden ernsthaftüber den Hundeführerschein für jeden reden unddas als Vorschrift auch so machen, dass wir sagen,jeder muss nachweisen, dass er seine Sachkunde-prüfung hat. Da muss man auch standardisieren,wie diese Sachkundeprüfung abzulegen ist und wo

man sie ablegen kann, damit es kein Gefälligkeits-zertifikat gibt. Da trauen Sie sich leider nicht heran.Ich glaube, das wäre aber ein entscheidenderSchritt für alle Beteiligten in dieser Gesellschaft, da-mit das Thema entemotionalisiert wird. Wir erlebenjedes Mal eine Hysterie, wenn wieder eine tödlicheBeißattacke stattgefunden hat.

Wir erleben dann, dass diese Tiere in einer Situati-on waren, die schon mit der Gefahren-Hundever-ordnung hätte gebannt werden können, wenn esbekannt gewesen wäre. Aber es war nicht bekannt.An der Stelle erlebe ich jedes Mal, dass auch Ord-nungsämter sehr unterschiedlich auf Hundebesitzerreagieren. Wenn einer schnell genug läuft, renntdas Ordnungsamt nicht hinterher. Wenn in einerbestimmten Situation jemand mit einem Hund de-monstrativ zeigt, dass er Macht ausüben will, dasist nämlich die Form, wie Hunde auch als Waffeeingesetzt werden, als Drohkulisse, dann kann ichmich erinnern, dass dann auch die Zuständigeneher wegschauen. Umgekehrt, wenn ein Hund nichtangeleint ist in der Stadt, ist das Ordnungsamt so-fort da. Selbst hier vor dem Landtag habe ich schon35 € bezahlen müssen, weil mein „gefährlicherKampfhund“ bis zum Park gelaufen ist. Ich habe esbezahlt und habe mir meinen Teil dabei gedacht.

Präsidentin Diezel:

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra-ge des Abgeordneten Grob?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ja, selbstverständlich.

Abgeordneter Grob, CDU:

Besten Dank, Herr Ramelow. Es ist vollkommenrichtig, dass derjenige, der am anderen Ende derLeine vom Hund ist, eine wichtige Person ist. Siesprechen den Führerschein an. Sie wissen, dassbei Vergehen im Straßenverkehr auch der Führer-schein dementsprechend entzogen werden kann.Sie wissen auch, dass Menschen Fehler begehen,dass sie vielleicht andere Handlungen, die nicht üb-lich sind, begehen. Sie haben einen Hundeführer-schein, der wird Ihnen weggenommen. Das Autokann man mal ein Jahr lang in die Garage stellen.Was machen Sie mit dem Hund? Das ist die Frage.Es gibt alleinstehende Menschen, die Hunde ha-ben. Was machen Sie mit dem Hund? Darf er jetztnicht mehr geführt werden? Wird er eingesperrtoder eingeschläfert?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Aber das setzt doch zuerst einmal voraus, dassderjenige gegen seine Hundehalterpflichten versto-ßen hat. Sie unterstellen doch nicht, dass ihm ein-fach der Hundeführerschein aberkannt wird, weil er

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5283

(Abg. Ramelow)

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wegen zu schnellem Hunderennen an der Ampelerwischt worden ist, sondern er muss gegen Aufla-gen verstoßen haben. Da reden wir von dem ei-gentlichen Thema heute, von aggressivem Verhal-ten von Tieren. Die Aggression eines Tieres hängtgenau von dem Halter ab oder der Art, wie er dasTier hält. Die Hunde werden doch neurotisch ge-macht, von denen wir hier reden, oder sie sind neu-rotisch, weil sie unter Bedingungen leben wie diesevier kleinen Hunde oder drei kleinen Hunde, diedann zu dieser gefährlichen Beißattacke oder zudieser Beißorgie ausgebrochen sind. Die sind dochschon völlig falsch gehalten worden. Derjenige, derso eine Hundezucht betreibt, der sollte wirklich kei-ne Sachkundegewährung mehr haben. Dem sollteman dann wirklich das Recht, Hunde zu erziehen

(Beifall DIE LINKE)

oder Hunde großzuziehen, aberkennen. Da mussman konsequent sagen, so jemand darf nicht mehrweiter mit Hunden in der freien Natur herumlaufen.Das ist die Konsequenz davon und dann kommt diezweite Geschichte und die bezieht sich dann aufdas Tier. Wenn das Tier nicht aggressiv ist, alsoerstens würde ich es abnehmen und in ein Tierheimverbringen. Das muss aber dann auch mitfinanziertwerden. Zweitens würde ich prüfen lassen, ob dasTier nach dem Wesenstest auffällig ist oder nicht,denn dann kann es ggf. weitervermittelt werden.Wenn das Tier - und jetzt komme ich auf den ei-gentlichen Punkt, warum ich vorgegangen bin - sel-ber mittlerweile so auffällig ist, dass es nicht mehrgefahrlos gehalten werden kann, dann muss nach-gewiesen werden, wer es denn überhaupt hält,oder es muss eingeschläfert werden. Dann ist aberdas Tier dasjenige, das sozusagen durch einen ent-sprechenden Test gelaufen ist, wobei man dannfeststellt, dass dieses Tier sich völlig falsch ent-wickelt hat und zu einer Gefahr für uns alle gewor-den ist. Das ist genau der Punkt, dass wir jetzt inder Rassehundeliste sagen, es sind vier Rassen ansich auffällig und damit diskriminieren und diskredi-tieren wir alle diejenigen, die ordentliche Züchter indiesem Bereich sind, und wir kriminalisieren dieTiere an sich. Das war der Punkt, warum ich hiernoch einmal vorgegangen bin. Mit den anderenDingen wäre ich einverstanden. Alles, was hier ge-sagt worden ist, wird von mir getragen, weil ichglaube, dass es richtig ist, dass wir der Bevölke-rung zeigen müssen, dass Politik auch in der Lageist, dieses Verhältnis Mensch und Tier zu regeln.Da gibt es in der Tat auch gefährliche Tiere, die,wie ich glaube, gar nichts in Privathaushalten zusuchen haben. Ich weiß nicht, was die SchwarzeMamba oder andere Dinge überhaupt in Privat-haushalten zu suchen haben.

(Beifall SPD)

Deswegen bleibe ich bei der anderen Frage.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Herr Ramelow, gestatten Sie noch eine Zwischen-frage des Abgeordneten Kellner?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ja.

Abgeordneter Kellner, CDU:

Danke, Herr Ramelow. Ich komme noch einmal zu-rück zum Hundeführerschein. Wenn ich Sie jetztrichtig verstanden hätte, wäre ja die Konsequenz,dass, bevor ich mir einen Hund hole, ich den Sach-kundenachweis vorlegen müsste. Alles andere wür-de ja nicht mehr funktionieren. Das haben Sie gera-de so gesagt. Geben Sie mir da recht?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ich würde das so regeln wollen. Also wenn ich eszu regeln hätte, wenn es mein Vorschlag wäre, weilich weiß, dass es mir gut getan hat. Ich habe denHund gekauft und bin mit ihm sofort in die Hunde-schule und in der Hundeschule ist nicht nur meinHund trainiert worden, sondern auch das andereEnde der Leine. Ich bin trainiert worden und HerrKümmel hat mit mir gearbeitet, um mir klarzuma-chen, wie ich mit dem Tier umzugehen habe. Ichsage, es hat mir gut getan, es hat dem Hund gutgetan, wie Sie ja besichtigen können, manche vonIhnen kennen ihn ja, und es hat auch Herrn Küm-mel gut getan, weil er sein Geld damit verdient under verdient es zu Recht damit. Das ist das Verhält-nis zwischen der Herangehensweise zwischenMensch und Tier, vor allen Dingen, wenn das An-schaffen von Tieren völlig frei ist und wir dann weg-schauen. Das ist dann in der Tat so, dass dann derUnterschied zwischen dem kleinen drolligen Tierund dem ganz großen Tier - also ich habe bei Küm-mel große Hunde kennengelernt, da hätte ich Pa-nik, nur allein in der Nähe zu sein. Ich habe gese-hen, wie dort mit denen gearbeitet wird. Das sindHunde, da habe ich ausgesprochenen Respekt undob ich die im Nachbargarten haben möchte, habeich dann auch so meine Zweifel.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Herr Ramelow, gestatten Sie noch eine weitereNachfrage des Abgeordneten Kellner?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ja.

Abgeordneter Kellner, CDU:

Also ich habe jetzt richtig verstanden, Sie hattenauch erst den Hund und haben dann diesen Füh-rerschein gemacht?

5284 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Ramelow)

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Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Das war unsere Entscheidung, so vorzugehen.

Abgeordneter Kellner, CDU:

Und wenn Sie den Sachkundenachweis nicht be-kommen hätten?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ja, aber muss ich ihn dann mit einem Plastikhundmachen oder mache ich ihn mit dem Tier, das ichgekauft habe?

(Beifall DIE LINKE)

Abgeordneter Kellner, CDU:

Nein, die Frage ist: Was hätten Sie gemacht, wennSie den Sachkundenachweis nicht bekommen hät-ten?

Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

Ja, dann wäre es auch besser, dass ich keine Hun-de halten würde, und Ihnen wäre erspart, dauerndüber Attila Berichte zu bekommen. Das ist dochganz klar. Wenn ich zu blöde bin, mit einem Tierumzugehen, da muss ich auch die Kraft haben, zusagen, dann habe ich keinen Hund zu haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das Problem ist doch, dass es Menschen gibt, diedenken, sie können alles - und ich gebe zu, ich binzwar auf dem Dorf groß geworden, aber wie manordentlich mit einem Hund umgeht, habe ich nichtgelernt, woher denn. Aber ich weiß, dass der Schä-fer, der mit seinen Hunden arbeitet, eine perfekteArbeitsleistung mit den Tieren vollbringt. Davor ha-be ich größte Hochachtung. Oder die Gebrauchs-hunde im Einsatz - wer es mal gesehen hat, z.B.die Bergestaffeln, die vermisste Menschen unterSchutt suchen -, was die Hunde dort leisten, das istunglaublich. Trotzdem reden wir über diejenigen,die nicht mit Hunden umgehen können, die Hundeneurotisch werden lassen, aber gegen die wir keineHandhabe haben. Deswegen glaube ich, Sie ma-chen es sich an einer Stelle zu einfach, zu sagen,diese vier Rassen sind es und diese vier Rassenmüssen anschließend zwangskastriert werden. Dashalte ich für ein riesiges Problem.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Da, lieber Wolfgang Fiedler, wenn das Tier erst ein-mal zwangskastriert ist, reparieren Sie und ich dasnicht mehr. Wenn wir dann nämlich das Gesetz ineinem halben Jahr evaluieren oder in einem Jahrund feststellen, dass das ein Fehler war, dann ha-ben wir einen Fehler an Tieren begangen. Das istein Punkt, den ich nicht akzeptieren kann. Deswe-

gen bitte ich Sie noch einmal: Nehmen Sie diesenTeil der Zwangskastration aus Ihrem Gesetz her-aus, sorgen Sie dafür, dass die Gefahren-Hunde-verordnung Teil des Gesetzes wird, weil das hätteeine innere Logik, und haben Sie den Mut, denHundeführerschein für alle vorzuschreiben. Dannhätten wir mit dem Chippen und mit der Haftpflichteinen guten Schritt nach vorn getan und nicht einePseudomaßnahme gegen vier willkürlich festgeleg-te Hunderassen, die am Schluss nur eine Pseudo-sicherheit bringen, aber in jedem Fall Hundezüch-tern und konkret lebenden Tiere einen Schaden zu-fügen, der nicht mehr zu reparieren ist. Deswegenwerbe ich bei dem Teil mit der Kastration, das ebenheute hier nicht so lax zu beschließen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ramelow. DasWort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete DirkAdams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren! Sehr geehrter Herr Fiedler, sehr geehrteCDU-Fraktion, mir ist die Debatte enorm wichtigund mir ist wichtig, dass wir ein vernünftiges Gesetzhier hinbekommen. Herr Fiedler hat gesagt, das mitder Registrierung sei alles geklärt. Dem vermag ichnicht zu folgen, meine sehr verehrten Damen undHerren, deshalb bin ich noch einmal, weil Sie dieZwischenfrage nicht zugelassen haben, hier nachvorn gegangen.

Der wesentliche Kritikpunkt ist doch, dass wir keinzentrales Register haben, Herr Fiedler. Sie sagenin § 2 Abs. 4, der Halter hat der zuständigen Behör-de die Kennzeichnung anzuzeigen. Ich vermutejetzt mal, dass das die Stadt/die Gemeinde ist. Jetztregistriert die Gemeinde X den Hund mit diesemCode. Dieser Hund wird jetzt in der Nachbarge-meinde Z aufgefunden. Was macht die dann? AlsoX und Z liegen nah beieinander, man könnte ver-muten, dass er aus X ist. Was ist denn eigentlichder wirkliche Ansatzpunkt dann, den Halter und dasTier feststellen zu können? Das haben Sie nicht ge-klärt und Sie können auch nicht erklären, wie Siedas machen wollen. Das ist ein Riesenmanko in Ih-rem Gesetz, weil es davon mehrere Punkte gibt,meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dann haben Sie auch noch zitiert aus Ihrem Ge-setz, ich lese den Satz auch noch einmal vor: „Dasfür Ordnungsrecht zuständige Ministerium regelt imEinvernehmen mit dem für Tierschutz und Tierge-sundheit zuständigen Ministerium durch Rechtsver-ordnung die Art und Weise der Kennzeichnung so-

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wie die Verwendung der personenbezogenen Da-ten des Hundehalters.“ Sie sind jetzt hier wieder beider Kennzeichnung und Sie sind bei der Verwen-dung der Daten. Aber Sie sagen wieder nichts da-rüber, wo und wie registriert werden soll. Das Pro-blem ist, dass Sie sich darüber keine Gedanken ge-macht haben, befürchte ich. Oder kommen Siedoch einfach nach vorn und sagen, Mensch, HerrAdams, da haben Sie sich geirrt. Ich sage Ihnen,wo wir die Register aufbauen werden und wie jedePolizeibehörde, jede Ordnungsbehörde in Thürin-gen dann herausfinden kann, welcher Halter zuwelchem Code, zu welchem Tier gehört. KönnenSie es erklären oder nicht? Kommen Sie doch ein-fach noch einmal nach vorn und erklären Sie esuns.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nur weil derOberlehrer ruft, komme ich noch lange nicht.)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Adams.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Frau Präsidentin, darf ich noch einmal, habe ichnoch das Wort?

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Bitte.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Fiedler, das hilft Ihnen ja nicht weiter. Das hilftuns doch eigentlich in der Debatte für ein gutes Ge-setz nicht weiter, wenn Sie sich verweigern und sa-gen,

(Unruhe CDU)

ich erkläre es Ihnen einfach nicht.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Also hörenSie mal!)

Wir werden das in der Praxis erleben, dass die Ord-nungsbehörden ein Riesenproblem mit Ihrem Ge-setz bekommen. Dann werden wir in einem Jahrhier wieder stehen und werden es novellieren, viel-leicht werden wir es komplett anders machen. Dasist einfach vertane Arbeitszeit hier im Plenum. Vie-len Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Adams.

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor -doch, es gibt noch eine Wortmeldung aus der Frak-

tion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Berninger hatnoch einmal um das Wort gebeten.

(Beifall DIE LINKE)

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich muss schonnoch einmal erwidern auf ein paar Dinge, die jetztin der Debatte noch genannt wurden.

Erst einmal Herr Adams: Ich dachte ja immer, Siehören zu, wenn im Plenum gesprochen wird, undgerade bei den Themen, für die Sie verantwortlichsind. Sie haben moniert, dass es in den Zahlen, dieich genannt habe, nur um reine Beißvorfälle gegan-gen sei und nicht um einen Auffälligkeitsindex.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Nein, in Relation zur Population.)

In Relation zur Population, genau. Zunächst möch-te ich sagen, dass ich in den Zahlen, die ich ge-nannt habe, die Thüringer Landesregierung zitierthabe, nämlich die von ihr aufgeführte Beißstatistikaus 2009 in der Medieninformation Nummer 20 aus2010. Dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dassich tatsächlich in der Debatte am 11. November, alsdie Landesregierung ihr Gesetz hier eingebrachthat, über Auffälligkeitsindex gesprochen habe. Ichhabe keine Zahlen für Thüringen, immer noch nicht,aber ich habe in der Debatte im November eine Un-tersuchung aus 2005 aus Berlin zitiert, wo es näm-lich um die Auffälligkeit bestimmter Hunderassen inRelation zu ihrem Bestand ging. Da habe ich ver-schiedene Zahlen genannt, nämlich beispielsweisedie, dass 2003 der Siberian Husky diese Auffällig-keitsliste angeführt hat in Relation zum Bestandund dass in Berlin lediglich jeder 185. Bullterrierauffällig geworden war, aber jeder 55. Schäferhundund dass in Brandenburg jeder 277. Bullterrier auf-fällig geworden war, aber jeder 36. Schäferhund.So viel zum Auffälligkeitsindex und Auffälligkeiten inRelation zum Bestand. Ich hätte schon gedacht,dass Sie der Debatte gefolgt sind und sich dasauch merken, aber na ja, so habe ich Sie wiederdaran erinnert.

Die Abgeordneten Kellner und Fiedler für die CDUhaben beide unisono gesagt, wir hätten inhaltlichlang und breit im Ausschuss diskutiert. Meine Her-ren Kellner und Fiedler, Sie nicht. Sie ganz persön-lich haben nicht lang und breit inhaltlich diskutiert.

(Unruhe CDU)

Die Regierungsfraktionen haben sich in der Aus-wertung der Anhörungen unseren inhaltlichen Fra-gen zu dem vorgelegten Änderungsantrag vonCDU und SPD verweigert.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist jaunerhört. Ich komme gleich noch einmalnach vorn.)

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(Abg. Adams)

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In einer Ausschuss-Sitzung haben sogar Sie, HerrFiedler, den Abbruch der Debatte beantragt undmehrheitlich beschlossen. Sie haben eben nichtlang und breit diskutiert, Sie hatten überhaupt keinInteresse daran.

Herr Fiedler, Sie haben gerade gesagt, ich hätte ir-gendwie Geld verdient, weil ich eine große Presse-schau durchgeführt hätte. Das stimmt nicht.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Frau Berninger, Ihre Redezeit geht zu Ende. Ichmöchte Sie daran erinnern.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Noch zwei Sätze. Was ich am meisten zitiert habe,war eine Medieninformation des Innenministeriumsund nicht Zeitungsberichte aus Thüringen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Also hörenSie mal auf. Was Sie mir alles unterstellen.)

Ich habe Ihnen doch zugehört, Herr Fiedler, undSie haben dann noch einmal die Landestierärzte-kammer angeführt, die dem Gesetz zugestimmthätte. Dem ist auch nicht so. Ich empfehle Ihnen,lesen Sie die Stellungnahme der Landestierärzte-kammer noch einmal durch.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Genau, le-sen Sie einmal nach.)

Genau, die haben nämlich in wesentlichen PunktenIhren Gesetzentwurf abgelehnt, eben wegen derRasseliste, die aus fachlicher Sicht abgelehnt wird.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Ihre Redezeit ist in der Tat zu Ende.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Und so ehrlich sollten Sie schon sein, dass Sie sol-che Sachen auch noch mit dazusagen.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Bernin-ger. Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungenaus den Reihen der Abgeordneten. Es hat sichaber zu Wort gemeldet der Innenminister. Herr Gei-bert, Sie haben das Wort.

Geibert, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, ein geläufiges parla-mentarisches Bonmot lautet, dass ein Gesetz das

Parlament nie so verlässt, wie es eingebracht wur-de.

(Unruhe DIE LINKE)

So auch im Fall des Gesetzentwurfs zum ThüringerGesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährli-chen Tieren. Daraus wurde im Laufe der intensivenparlamentarischen Beratungen das Thüringer Ge-setz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren.In diesem finden sich wesentliche Teile des Regie-rungsentwurfs wieder, ich schätze an die 90 Pro-zent. Damit bin ich überaus zufrieden. Ich begrüßees ausdrücklich, dass die Fraktionen von CDU undSPD den Regierungsentwurf auf eine noch breitereBasis stellen. Erwähnt seien hier nur die allgemeineChippflicht und die Pflicht für alle Hundehalter, eineentsprechende Haftpflichtversicherung abzuschlie-ßen. Ein solch weitreichender gesetzgeberischerAnsatz vermag die Bevölkerung noch effektiver vorden Tiergefahren zu schützen. Im Kern geht esdem Gesetz darum, einen angemessenen Interes-senausgleich zwischen dem Schutz von Leben undGesundheit auf der einen Seite und dem Eigen-tumsrecht des Halters eines Tieres und Gesichts-punkten des Tierschutzes auf der anderen Seiteherbeizuführen. Dies ist gelungen. Im Zweifel ge-bührt natürlich dem Schutz von Leben und Gesund-heit der Vorrang. Dies sieht die Landesregierung sound dies sehen auch die Koalitionsfraktionen so. ImÜbrigen bewerten dies auch alle anderen Landes-gesetzgeber so.

An dieser Stelle, Frau Abgeordnete Berninger, ganzherzlichen Dank für das Lob unseren Internetblogbetreffend, auch für die Tatsache, dass Sie sich ak-tiv in die Diskussion eingebracht haben. Das ist ge-nau Sinn und Zweck dieses Blogs. Das ist keinRechtfertigungsblog für die Landesregierung, son-dern das ist ein Blog zum Einholen von Meinungs-vielfalt und Beteiligung. Wir werden das zukünftigauch so fortsetzen.

Herr Abgeordneter Adams, gestatten Sie mir, dassich an dieser Stelle auch den Hinweis darauf gebe,Sie haben die Verordnungsermächtigung ja korrektzitiert, was das Chippen und das Verfahren angeht.Genau in dieser Verordnung wird dann alle Technikauch geregelt werden. Das ist ja gerade Sinn undZweck. Die Ermächtigung sieht dann auch dengrundrechtsrelevanten Teil vor, nämlich den Schutzder Daten, der dort ausdrücklich benannt wurde.Die Landesregierung wird ermächtigt, auch diesenDatenbereich, diesen datenschutzrelevanten Be-reich dann in der Verordnung mit zu regeln.

Auf zwei Detailregelungen will ich hier noch kurzeingehen, weil sie mir besonders wichtig erschei-nen. Im Bewusstsein der tragischen Vorfälle mit ge-fährlichen Hunden in Thüringen in jüngster Vergan-genheit wurden auch die Regelungen über dasFühren gefährlicher Hunde im Vergleich zum Re-gierungsentwurf überarbeitet und verschärft. So

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5287

(Abg. Berninger)

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sieht der Änderungsantrag der Fraktionen der CDUund SPD neben der Maulkorbpflicht nunmehr auchvor, dass die Halter gefährlicher Hunde auch inWohnungen und auf eingefriedetem Besitztum ver-pflichtet sind, sicherzustellen, dass diese Tiere nurunter Aufsicht des Halters mit minderjährigen Per-sonen in Kontakt kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, insgesamt liegtmit vorliegendem Änderungsantrag der Fraktionender CDU und SPD ein umfassendes und ausgewo-genes Regelungskonzept vor, das die Bevölkerungvor Tiergefahren effektiv schützt und dabei gleich-zeitig die Interessen der Hundehalter in vielfältigerWeise berücksichtigt. Dies ist aus Sicht der Lan-desregierung zu begrüßen.

An die Adresse der Fraktionen DIE LINKE undauch der FDP gerichtet noch ein Wort zur soge-nannten Rasseliste. Sie wollen diese Liste nicht,aber ich sage Ihnen, dass diese Liste, jedenfallszum jetzigen Zeitpunkt, richtig ist. Vielleicht wird siein Zukunft aufgrund weiterer Erkenntnisse verän-dert oder ergänzt werden.

Erstens: Die vorgesehene Liste kann sich auf dasUrteil des Bundesverfassungsgerichts vom16. März 2004 stützen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Soein Blödsinn.)

Sie wissen, dass dieses Urteil die Beurteilung derGefährlichkeit eines Hundes anknüpfend an die Zu-gehörigkeit zu einer bestimmten Rasse in verfas-sungsrechtlicher Hinsicht als rechtmäßig bestätigte.

Zweitens: Die Liste basiert auf der Gewissheit, dassrassespezifische Merkmale wie Beißkraft, reißen-des Beißverhalten und Kampfinstinkt aufgrund ihrerso begründeten abstrakten Gefährlichkeit ein be-sonderes Regelungsregime erlauben und auch er-fordern.

Drittens und vor allem aber waren es die schreckli-chen Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit, die zuder Überzeugung führen, dass die Hunde wie derPitbull-Terrier, der American Staffordshire-Terrieroder der Bullterrier als gefährliche Hunde einzustu-fen sind. Vielen Dank, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Geibert. Wirkommen damit zur Abstimmung. Es liegen keineweiteren Wortmeldungen vor und wir beginnen mitder Abstimmung über die Nummer I des Ände-rungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN in Drucksache 5/2919. Wer diesem zustim-men möchte, den bitte ich jetzt um das Handzei-chen. Das sind die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Dassind Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, SPD,

CDU, FDP. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht derFall. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die Num-mer II des Änderungsantrags der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/2919. Werdiesem die Zustimmung geben möchte, den bitteich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stim-men der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibtes Gegenstimmen? Das sind die Stimmen derFraktionen DIE LINKE, SPD, CDU, FDP. Gibt esEnthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist auchdieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ände-rungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache5/2921. Wer diesem Änderungsantrag der FraktionDIE LINKE zustimmen möchte, den bitte ich jetztum das Handzeichen. Das sind die Stimmen derFraktionen der FDP und DIE LINKE. Gibt es Ge-genstimmen? Das sind Stimmen aus den Fraktio-nen SPD, CDU, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damitist dieser Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ände-rungsantrag der Fraktion der FDP in Drucksache5/2922, unter Berücksichtigung des Ergebnissesder Abstimmung des Änderungsantrags der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der abgelehntwurde. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt umdas Handzeichen. Das sind die Stimmen der Frak-tionen DIE LINKE und der FDP. Gibt es Gegenstim-men?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: KönnenSie das noch einmal wiederholen? DIE LIN-KE und die FDP haben zusammen abge-stimmt?)

Das sind Stimmen der Fraktionen CDU, SPD undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Enthaltungen?Das ist nicht der Fall. Damit ist auch dieser Ände-rungsantrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die Neufas-sung des Gesetzentwurfs, die in der Be-schlussempfehlung des Innenausschusses inDrucksache 5/2900 enthalten ist, unter Berücksich-tigung der Ergebnisse, dass die Änderungsanträgenicht beschlossen wurden. Es gibt eine Wortmel-dung aus der Fraktion DIE LINKE, ein Geschäfts-ordnungsantrag.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Namens meiner Fraktionbeantrage ich namentliche Abstimmung.

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(Minister Geibert)

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Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank. Damit findet eine namentli-che Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf stattund die Abstimmung ist hiermit eröffnet.

Ich frage: Hatten alle Abgeordneten die Möglichkeit,ihre Stimme abzugeben? Es sind noch einzelne Ab-geordnete unterwegs zur Stimmabgabe. Hattenjetzt alle Abgeordneten die Gelegenheit, ihre Stim-me abzugeben, auch Herr Barth? Das ist der Fall,dann ist die Abstimmung hiermit geschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würdegern fortfahren. Es liegt ein Abstimmungsergebnisvor. Es haben 80 Abgeordnete ihre Stimme abge-geben. Mit Ja, also für den Gesetzentwurf stimmten44 Abgeordnete. Es gab 30 Neinstimmen und6 Enthaltungen. Damit ist die Neufassung des Ge-setzentwurfs in der Drucksache 5/2900 mit Mehr-heit angenommen (namentliche Abstimmung sieheAnlage).

Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung über denneu gefassten Gesetzentwurf. Ich darf diejenigen,die für den Gesetzentwurf votieren, bitten, sich vonden Plätzen zu erheben. Das sind die Abgeordne-ten der Fraktionen SPD und CDU. Vielen herzli-chen Dank. Die Gegenstimmen bitte. Das sind dieStimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und FDP.Zwei Abgeordnete der CDU haben ebenfalls gegenden Gesetzentwurf votiert. Die Enthaltungen bitte.Das sind die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Vielen herzlichen Dank. Ich schließedamit diesen Tagesordnungspunkt, der Gesetzent-wurf ist angenommen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 2

Erstes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Tierische Ne-benprodukte-Beseitigungsge-setzesGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1755 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Landwirt-schaft, Forsten, Umweltund Naturschutz- Drucksache 5/2917 -

dazu: Entschließungsantrag derFraktionen der CDU undder SPD- Drucksache 5/2923 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN- Drucksache 5/2924 -

ZWEITE BERATUNG

Als Erster hat jetzt Abgeordneter Kummer aus demAusschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt undNaturschutz das Wort zur Berichterstattung.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Am 12. November2010 hat der Thüringer Landtag das Gesetz zur Än-derung des Thüringer Tierische Nebenprodukte-Be-seitigungsgesetzes an den Ausschuss für Landwirt-schaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz überwie-sen als federführenden Ausschuss und außerdemmitberatend an den Ausschuss für Soziales, Fami-lie und Gesundheit.

Inhalt des Gesetzes - ich will daran noch mal kurzerinnern - war, dass die bisherige Drittelfinanzie-rung für die Beseitigung von Tierkörpern und tieri-schen Nebenprodukten, die gegeben war durch einDrittel vom Tierhalter, ein Drittel von der kommuna-len Seite und ein Drittel vom Land, aufgehobenwerden sollte dadurch, dass das Land sein Drittelnicht mehr dazu beiträgt und dieses Drittel denTierhaltern zusätzlich mit abverlangt wird, um dasVerursacherprinzip nach Begründung des Gesetz-entwurfs umzusetzen. Der federführende Aus-schuss hat in seiner 17. Sitzung am 3. Dezemberund in seiner 19. Sitzung am 18. Februar sowie inseiner 24. Sitzung am 10. Juni darüber beraten undentsprechend sein Abstimmungsverhalten heutevorgelegt mit einer Änderung zum Gesetzentwurf,die der Ausschuss vorschlägt. Der mitberatendeAusschuss für Soziales, Familie und Gesundheithat am 15.06. zu diesem Gesetzgebungsverfahrenberaten.

Ich möchte im Folgenden kurz auf einige Stellung-nahmen im Rahmen der schriftlichen Anhörung ein-gehen. Man muss zuerst feststellen, dass es zweiAnzuhörende gab, die für den Gesetzentwurf derLandesregierung waren. Allerdings beruhte das aufeinem Irrtum, der richtiggestellt wurde, nachdemdiese Anzuhörenden noch mal angefragt wurden.Auch nach dieser Klarstellung war bei ihnen klar,dass sie gegen den Gesetzentwurf waren, so dassalso alle Anzuhörenden klar gegen den Gesetzent-wurf der Landesregierung stimmten.

Der Gemeinde- und Städtebund hat z.B. darge-stellt, dass im praktischen Vollzug manchmal Gel-der von Tierhaltern nicht einzutreiben wären unddann nach der Neuregelung die Kommunen alleinzahlen müssten. Die Tierärztekammer und die Tier-seuchenkasse haben dargestellt, dass eine Seu-chenprophylaxe dringend notwendig wäre und esdazu die dritte Finanzierung bräuchte. Sie stelltenebenso dar, dass sie die Befürchtung haben, dassin Zukunft bei laxerem Umgehen mit der Tierkörper-beseitigung Zoonosen drohen würden. Der Thürin-ger Bauernverband und die Tierzuchtverbände wie-sen vor allem auf die angestrengte Finanzsituationbei den Tierhaltern hin, auf die in den letzten Jah-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5289

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ren deutlich zurückgegangene Tierhaltung und be-fürchteten, dass die Tierzahlen in Thüringen weitersinken würden. SecAnim als Entsorger bat um eineallgemeine Verbindlichkeitsregelung für Entgelte,die vom Land festgesetzt werden, weil es dort ge-richtliche Streitigkeiten gab.

Die Anregungen dieser Anzuhörenden wurden nichtaufgenommen. Aufgenommen wurde dahin gehendjedoch die Kritik des Landkreistags am rückwirken-den Inkrafttreten. Deshalb gab es einen Änderungs-vorschlag der Koalition, der dann vom federführen-den Ausschuss angenommen wurde. Das Inkraft-treten des Gesetzentwurfs ist jetzt der 01.08.2011.Damit gibt es kein rückwirkendes Inkrafttretenmehr, sondern ein in die Zukunft gewandtes, sodass die Bedenken des Landkreistags in dieserRichtung ausgeräumt werden konnten.

Meine Damen und Herren, der federführende Aus-schuss und auch der Ausschuss für Soziales, Fami-lie und Gesundheit haben mit dieser Änderung denGesetzentwurf der Landesregierung mehrheitlichangenommen. Es gab Gegenstimmen.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kum-mer. Ich frage jetzt: Wünscht jemand der Fraktio-nen der CDU und der SPD das Wort zur Begrün-dung zu Ihrem Entschließungsantrag? Wünschtniemand das Wort? Dann ist das der Fall und icheröffne hiermit die Aussprache. Zu Wort gemeldethat sich zunächst Dr. Frank Augsten für BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, anden Gesichtern der Nichteingeweihten konnte manschon sehen bei dem Beitrag von Herrn Kummer,dass das alles ziemlich kompliziert klingt. In derTat, was am Anfang so aussieht wie Verursacher-prinzip und „Kosten müssen dort hingehen, wo sieauch entstehen“, das wird auf den zweiten Blickdann ziemlich kompliziert. Ich möchte mit meinemBeitrag hier erklären, warum wir uns letzten Endesenthalten werden, und zwar möchte ich das an vierPunkten festmachen.

Zum einen: Herr Kummer hat auf die Anhörungschon verwiesen und den kleinen Seitenhieb aufden Kollegen Primas kann ich mir nicht verkneifen.Ich hatte mir damals erlaubt, in der Ausschuss-Sit-zung zu sagen oder zu mutmaßen, dass die beidenVerbände, die sich dort pro Gesetzentwurf ausge-sprochen hatten, sich möglicherweise geirrt habenkönnten, man kennt sich ja in der Branche. Daraufhat mich dann Herr Primas ziemlich gemaßregeltso nach dem Motto, was ich mir denn erlauben wür-de, den Verbänden abzusprechen, ob sie nicht wis-

sen, was sie tun. Also eine kleine Genugtuung,dass das, was ich vermutet habe, dann auch richtigist. Ich sage ja, gerade bei diesen Verbänden warklar, wie sie sich verhalten werden. Ich sage dasganz bewusst, weil die Frage bei Anhörungen - unddas hatten wir gerade beim letzten Tagesordnungs-punkt - natürlich immer ist, wen man denn zu dieserProblematik befragt. Ich mache das mal an einemanderen Beispiel deutlich, wo klar wird, dass das,was vorhin schon einmal in den Raum gestellt wur-de, wenn das doch so eine deutliche Mehrheit füreinen Sachverhalt gibt, dass man sich doch dannals Politiker dem auch stellen müsste.

Ich hatte vor drei Wochen eine Anhörung in Eise-nach, da ging es um ein anderes Thema. Im Bau-und Umweltausschuss gab es einen Antrag, der diekonsequente Umsetzung der Landespolitik bedeu-tet, und zwar ging es darum, die landkreiseigenenund kommunalen Flächen von Eisenach gentech-nikfrei zu bewirtschaften. Dort haben sich nach derAnhörung alle Landwirtschaftsbetriebe, die anwe-send waren, gegen die Aufnahme eines solchenPassus ausgesprochen. Das, was die Landesregie-rung also für richtig hält, haben die Bauern dortnicht gewollt, und ich habe trotzdem dann meineMeinung nicht geändert, obwohl sich alle gegenden Vorschlag ausgesprochen haben, und habegesagt, ich möchte trotzdem weiterhin, dass diegentechnikfreie Bewirtschaftung von Flächen einThema ist. Sie sehen, wenn sich Anzuhörende zueinem Sachverhalt äußern, dann muss das nichtautomatisch bedeuten, dass man seine Meinungändern muss. Ich sage dies deshalb, weil das na-türlich genauso ein Punkt war, als wir die Anzuhö-renden dann letzten Endes in einem schriftlichenVerfahren dort angehört haben. An der Einschät-zung oder der Mutmaßung, dass sich diese Anzu-hörenden so verhalten, wie sie es getan haben, gibtes auch keinen Zweifel. Wenn man mich vorher ge-fragt hätte, wie denn der Bauernverband, dieTierärztekammer, die Entsorgungsunternehmenund Tierzuchtverbände sich verhalten, dann wäreklar gewesen, dass genau das dabei rauskommenwürde. Insofern spricht die Tatsache, dass wir beiden Anzuhörenden so viel Gegenwind oder - wennman so will - auch gegenteilige Meinungen zumGesetzentwurf haben, nicht automatisch dafür,dass wir als GRÜNE jetzt gegen den Gesetzentwurfsein sollten.

Mein zweiter Punkt, meine Damen und Herren:Man muss sich natürlich auch anschauen, wer dieAnzuhörenden sind. Da gibt es durchaus auch Or-ganisationen bzw. Firmen, die nicht gerade sehr kri-tisch mit der Landesregierung umgehen für ge-wöhnlich. Wenn diese dann einen Gesetzentwurfder Landesregierung in der Art und Weise demon-tieren, wie wir das erlebt haben, dann muss mansich die Argumente schon noch einmal anschauen.Ich habe mal exemplarisch mitgebracht und ich

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(Abg. Kummer)

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muss jetzt den Absender nennen, weil ich zitierenmöchte, und zwar die Landestierärztekammer Thü-ringen mit ihrem Schreiben vom 3. Dezember 2010,ich zitiere: „Die Tierkörperbeseitigung sehen wirTierärzte im Sinne der Abwehr von Gefährdungspo-tenzial für die Gesundheit von Mensch und Tier unddamit als Pflichtaufgabe des Staats an. Diese ge-samtgesellschaftliche Aufgabe kann von der Lan-desregierung nicht als freiwillige Leistung angese-hen werden. Es ist zu befürchten, dass durch diejetzt vorgeschlagene Regelung, insbesondere dieHobbytierhalter, die die enormen Gebühren für dieBeseitigung scheuen oder es sich nicht leisten kön-nen, Tiere an der Beseitigungsanlage vorbei in derNatur entsorgen.“ Ein zweiter Satz: „Erst mit derstaatlich organisierten, finanzierten Tierkörperbe-seitigung ist es gelungen, Seuchen wie Milzbrand,Pseudo-Milzbrand, Tetanus, Botulismus, Rinder-pest usw. zu tilgen bzw. einzuschränken.“

Meine Damen und Herren, außer dem fachlichenFehler, so bin ich jedenfalls informiert, dass das beiHobbytierhaltern gar kein Thema ist, weil diese so-wieso 100 Prozent der Kosten tragen müssen - alsosie wären von dieser Regelung gar nicht betroffen -,wird hier ganz deutlich, dass es offensichtlich einenSpagat gibt zwischen dem Verursacherprinzip, demja der Gesetzentwurf folgt nach dem Motto „Derjeni-ge, der die Kosten verursacht, muss sie auch tra-gen.“, und auf der anderen Seite eine Gefahrenab-wehr. Ich erinnere mich an die Ausschuss-Sitzung,wo noch einmal ganz deutlich gesagt wurde, dassThüringen mit diesem Gesetzentwurf das Risikoeingeht, 1,4 Mio. € zu sparen und irgendwann imSeuchenfall möglicherweise ein Vielfaches vondem, was man dort eingespart hat, wieder auf denTisch legen zu müssen. Solche Fälle gab es in denletzten Jahren zur Genüge.

Insofern, meine Damen und Herren, ich bin ja einAnhänger für nicht noch mehr Bürokratie, die wiruns im Prinzip auch nicht leisten können, nicht fürnoch mehr Kontrollen. Denken Sie an unsere Dis-kussion zum Dioxin, wo ich hier vorn gesagt habe,wir müssen die Strafen verstärken und verschärfen,um abschreckende Beispiele zu schaffen. Aber indiesem Bereich geht es - das steht im Gegensatzzum Dioxin, wo wir möglicherweise eine Gesund-heitsgefährdung haben, die die Gesundheit derMenschen beeinträchtigt - um Seuchenfälle mit ver-heerenden Folgen. Insofern kann ich der Landes-tierärztekammer hier durchaus folgen. Es ist nichtdie einzige Wortmeldung in diesem Sinne, die da-vor warnt, hier nicht Geld zu sparen an einer Stelle,wo letzten Endes sehr viel auf dem Spiel steht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, spricht nun wiedergegen das Gesetz.

Meine Damen und Herren, mein dritter Punkt istnun das, warum wir eigentlich für das Gesetz sein

müssten. Der wahre Grund dieses Gesetzes istdoch nicht, dass wir fachlich zu anderen Einschät-zungen kommen als vor 20 Jahren. Sondern derwahre Grund ist, und das hat ja Herr Voß auf denPunkt gebracht, dass wir es in Thüringen mit einemSanierungsfall zu tun haben und dass dieser Ge-setzentwurf nichts anderes als fiskalisch bedingt ist.Oder anders gesagt: Wenn Thüringen einen ordent-lich Haushalt hätte, dann könnten wir uns diese Ge-sundheitsvorsorge, diese Seuchenvorsorge auchleisten.

Meine Damen und Herren, wenn man es mit Exper-ten des Sozialministeriums zu tun hat - man kenntsich auch schon einige Jahre - und dann sieht, wiedie dann versuchen, diesen Gesetzentwurf auch zuverteidigen, dann merkt man ja auch dieses Un-wohlsein, wo man dann merkt, das ist der Beamte,der das zu tun hat, aber so richtig fachlich über-zeugt scheint man da nicht zu sein. Da gibt es alsoviele Parallelen in das Landwirtschaftsministeriumund in das Forstministerium hinein, wo dann Leutedie Forstreform verteidigen müssen, die davonnicht überzeugt sind. Aber darüber sprechen wirdann noch. Insofern merkt man immer, wenn manim Gespräch ist mit Experten, dass dort doch sehrviel Unwohlsein dabei ist, wenn man diesen Ge-setzentwurf dienstlich verteidigen muss.

Meine Damen und Herren, angesichts dessen, waswir gestern in den Zeitungen lesen mussten überdie Haushaltsberatungen, die Herr Voß nun gerademit den Kolleginnen und Kollegen führt, also überdie 300 Mio. €, die er jetzt noch irgendwie findenmuss und, wenn ich das jetzt mal für meinen Be-reich sagen darf, 60 Mio. € allein im Agrarministeri-um, da wird einem mächtig Angst. Ich sagte schoneinmal, dass ich selbst beim letzten Haushalt ver-sucht habe, 20 Mio. € zu finden, die man einsparenkönnte. 60 Mio. € Einsparungen allein im Landwirt-schaftsministerium, da geht es um Ökolandbau, dageht es um dringend notwendige Investitionen fürdie Agrarbetriebe, die sich für die nächste Förder-periode aufstellen müssten. Da geht es um Natur-schutz, wir haben dort Dinge zu erledigen, die unsEuropa auf den Weg gegeben hat. Es werden ganzharte Verhandlungen werden, insofern ist natürlichklar, dass man die 1,4 Mio. € möglicherweise ein-sparen muss. Anders gesagt, bei dem Spagat zwi-schen der Entscheidung, eine Gefahrenabwehrweiterhin aufrechtzuerhalten, das, was die Tierseu-chenkasse zum Beispiel oder auch die Landesärz-tekammer angemahnt haben, um einen Haushaltsanieren zu müssen - und dem haben sich dieGRÜNEN ausdrücklich verpflichtet -, muss mansich dann möglicherweise auf die Seite derer schla-gen, die den Haushalt sanieren wollen. Deswegenals Partei, die sich dem verpflichtet hat, müssteman letzten Endes diesem Gesetzentwurf zustim-men, weil wir auch diese 1,4 Mio. € brauchen. Nunkönnten wir uns damit dem Vorwurf aussetzen,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5291

(Abg. Dr. Augsten)

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dass wir in einem so wichtigen Bereich wie derSeuchenabwehr und der Gesundheitsfürsorge denHaushalt beugen. Aber, meine Damen und Herren,wenn wir die desolate Finanzpolitik der CDU derletzten 20 Jahre - und das ist die eigentliche Ursa-che für diesen Antrag - weiter fortsetzen, dannmüssen wir uns in zehn Jahren überhaupt nichtmehr über irgendeine Seuchenprophylaxe unterhal-ten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben wir überhaupt kein Geld für so etwas.Insofern ist das jetzt die rechte Zeit, endlich anzu-fangen, einen ordentlichen Haushalt aufzustellen,damit wir von den Schulden herunterkommen unddamit wir in Zukunft auch unseren Kindern nochSeuchenprophylaxe ermöglichen können.

Meine Damen und Herren, zu unserem Änderungs-antrag: Ich will gleich vorausschicken, wenn Sie un-serem Änderungsantrag nicht folgen, dann werdenwir diesem eigentlich von der Sache her unterstüt-zenswerten Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ände-rungsantrag deshalb, Herr Primas, wenn Sie gera-de auflaufen, erinnern Sie sich an unsere Diskussi-on zum EEG? Wir haben dort den Bestandsschutzfür Altanlagen als letzten Punkt ganz hoch auf dieListe unserer Vorstellungen und Wünsche genom-men, wie man damit umzugehen hat. Bestands-schutz heißt, dass jemand, der unter ganz be-stimmten Kriterien angefangen hat zu produzieren,dass man dem sagt, wir können doch jetzt nichtplötzlich im Galopp die Pferde wechseln, und dumusst unter völlig anderen Produktionsbedingun-gen arbeiten. Das ist hier genau das Gleiche. Esgibt Tierhalter, die haben sich hingesetzt - ich ken-ne solche Fälle - und haben dann gemeinsam mitanderen Kolleginnen und Kollegen eine Kostenauf-stellung gemacht. Da stand auch dabei, in demFall, dass ein Tier fällt, also entsorgt werden muss,fallen Kosten an. Wenn man die Kosten zusam-menzählt, dann kommt irgendwo unter dem Stricheine Zahl heraus, und der Betrieb hat entschieden,ich halte Tiere in Zukunft und ich schaffe mir Tierean. Wenn ich jetzt plötzlich diesen Betrieb mit ei-nem neuen Kostenfaktor konfrontiere, dann mögenvielleicht 4 € oder 30 € bei Rindern oder solche ge-ringen Beiträge wenig sein, aber in der Summe istes dann schon ein ganz schöner Betrag. Dann hatman natürlich ein Problem an der Stelle. Deshalbunser Änderungsantrag, wo ich genau mit der glei-chen Konsequenz und dem gleichen Anspruch, wiewir das damals bei dem Erneuerbare-Energien-Ge-setz gemacht machen, Herr Primas, sage, wir müs-sen doch zumindest so fair sein gegenüber den Be-trieben und sagen, jawohl, es gibt gute Gründe, die-ses Gesetz zu verabschieden, aber ihr könnt euchalle gemeinsam auf diese Situation einstellen. Undda hilft uns auch der 01.08. nicht wirklich. Nichtdass man dann sagt, bitte schön, ihr habt unterganz anderen Bedingungen eure Tiere angeschafft,

jetzt wird es zusätzliche Kosten geben, die drückenwir euch auf und wir geben euch nicht die Gelegen-heit, euch darauf einzustellen. Da passt im Übrigenauch nicht dieses Argument, was ich für ziemlichhanebüchen halte, dass das natürlich auch ein Bei-trag zur Verbesserung der Tiergesundheit wäre.Wenn wir dazu eine Kostenerhöhung im Tierkörper-beseitigungsbereich bräuchten, dann wäre es ziem-lich schlimm.

Meine Damen und Herren, wir stellen damit diesenAntrag, wir würden dem Gesetz zustimmen, wennes eine Planungssicherheit für die Betriebe gäbe,deswegen unser Antrag, das Gesetz am01.01.2013 in Kraft setzen zu lassen. Das würdeheißen, die Betriebe haben über ein Jahr Zeit, sichdarauf einzustellen.

Nun zu dem Entschließungsantrag der CDU undSPD. Meine Damen und Herren, der scheint mit ei-ner so heißen Nadel gestrickt zu sein, dass es nochnicht einmal dem Sozialausschuss gestern möglichwar, darüber zu beraten. Der lag gestern nicht vor,auch wenn das Datum 15.06. draufsteht. Das magdaran gelegen haben, dass man wohl sehr langegesucht hat, um Argumente zu finden, um die Kon-sequenzen des Gesetzes so abzuspecken, dassman den Landwirtschaftsbetrieben - Herr Primas lä-chelt schon - auch noch in die Augen schauenkann. Das ist schwierig. Deswegen hat es wahr-scheinlich auch so lange gedauert, bis Ihnen etwaseingefallen ist, wobei das, dazu komme ich gleich,aus meiner Sicht ziemlich ärmlich ist. Aber darüberkönnen wir reden.

Ich gehe mal in den Punkt 1. Da schreiben Sie,dass die Landesregierung zu prüfen hätte, wo esKostensenkungspotenziale für unsere Landwirtehier in Thüringen geben könnte. Meine Damen undHerren, was macht denn das Ministerium sonst? Istes nicht eine originäre Aufgabe, dass man Bauernhilft, die ständig mit höheren Kosten in Bereichenzu tun haben, zu denen wir keinen Zugriff haben,die ganzen vorgelagerten Bereiche, Düngemittel,Pestizide, das ist alles etwas, worauf wir hier alsPolitiker in Thüringen selber keinen Einfluss haben.Dann ist es doch selbstverständlich, dass sich un-sere Ministerien darum kümmern, wie man die Bau-ern entlasten kann. Also eine Selbstverständlich-keit.

Dann steht als Weiteres drin, dass man doch sorg-fältig - ich hoffe, das macht das Ministerium sonstauch - prüfen sollte, wie es denn mit einer Belei-hung aussieht. Ich weiß nicht, ob Frau Ministerindann darauf eingeht. Aber Dr. Paar hat in der Aus-schuss-Sitzung ganz deutlich darauf hingewiesen,dass das, was jetzt auf den ersten Blick so toll aus-sieht, die Gefahr mit sich bringt, dass sich die Land-kreise aus der Finanzierung zurückziehen. Ich ha-be, als wir das beim ersten Mal hier debattiert ha-ben, Beispiele aus meinem eigenen Landkreis ge-

5292 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Dr. Augsten)

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nannt, wo sich sofort nach Bekanntgabe dieses Ge-setzesentwurfs der Landrat Münchberg hingestelltund gesagt hat, wir nehmen das zum Anlass, umuns aus der Finanzierung zurückzuziehen, was be-deuten würde, dass letzten Endes die Tierhalter al-le Kosten übernehmen müssen. Nun ist uns imAusschuss gesagt worden, das geht nicht, weil esden Kommunalen Finanzausgleich gibt, und dafürgibt es Geld. Das scheint nicht so einfach zu sein.Aber Juristen haben uns gesagt, dass in dem Mo-ment, wo es mit der Beleihung so laufen wird, wiees hier steht, es für Landkreise die Möglichkeit ge-ben wird, sich aus der Finanzierung zurückzuzie-hen. Ich hoffe, meine Kolleginnen und Kollegen vonder CDU und der SPD, Sie haben das vorher ge-prüft.

Zum zweiten Punkt: Was steht denn da? Es gibt ei-ne rechtliche Unsicherheit bei der Beitragsfestset-zung. Das hat das Bundesministerium dazu veran-lasst, eine Klarstellung vorzunehmen. Nun glaubenSie, dass es richtig ist, dass man die Landesregie-rung noch einmal auffordert, dafür zu sorgen, dassdie Bundesregierung ihren Job macht. Das kannman machen. Aber ich gehe mal davon aus - dassind ja auch Parteifreunde von Ihnen -, dass dasmöglicherweise automatisch erfolgt. Also auch hier:Haken dran! Selbstverständlichkeit. Das ist also einwirklich ganz schlechter Versuch, dieses Gesetz inein anderes Licht zu rücken.

Zum dritten Punkt: Darüber habe ich mich sehr ge-freut. Ich habe mir noch einmal die Reden vom Ple-num am 12.11. durchgelesen. Das war damals eineAnkündigung von mir. Ich weiß, dass wir dort auf ei-ner Linie sind, gemeinsam einen Vorstoß zu unter-nehmen, um das Verfütterungsverbot von Tiermehlaufzuheben, also eine Initiative zu starten, von miraus aus Thüringen heraus. Herr Primas, ich freuemich, dass das hier Eingang gefunden hat. Ich bin,weil ich auch sehr leidenschaftlich bin an einer an-deren Stelle, dadurch, dass ich das gentechnischveränderte Soja aus den Rationen haben möchte,sehr intensiv in diesem Bereich drin. Ich bin er-staunt, welche starken Gegenkräfte dort in der EU,vor allem in Brüssel, aktiv sind. Das sind nämlichdie, die davon profitieren, dass wir das Tiermehlhier nicht verfüttern dürfen. Das sind die gleichenLeute, die dafür gesorgt haben, dass in Europa Ge-setze verabschiedet werden, dass man Produktevon Tieren, die mit gentechnisch verändertem Fut-ter gefüttert wurden, nicht gekennzeichnet werdenbrauchen. Das sind die gleichen Leute. Insofern,meine Damen und Herren, wir werden das gemein-sam angehen, Herr Primas. Aber alle Zeichen ausEuropa deuten darauf hin, dass das ein ganz langerund mühsamer Weg wird. Da gibt es auch vieleVerbraucherängste. Das muss man ernst nehmen.Insofern hilft es den Bauern an dieser Stelle ebennicht, wenn wir in fünf oder sechs Jahren so weitsind, dass das Europäische Parlament dieses Tier-

mehlverfütterungsverbot aufhebt. Es klingt gut.Aber ich habe mich im letzten halben Jahr, wie ge-sagt, so intensiv damit beschäftigt, dass ich großeSorge habe, dass wir das in absehbarer Zeit nichthinbekommen.

Meine Damen und Herren, das Fazit zu diesemEntschließungsantrag: Alles, was darin steht, istrichtig und müsste eigentlich dazu führen, dass wirdem zustimmen. Dass wir nicht zustimmen können,liegt daran, dass zum einen unnötig ist, was darinsteht. Das hilft den Bauern nicht wirklich. Im Ge-genteil, das ist ein ganz armer Versuch, von demeigentlichen Problem, dessen, was das Gesetz mitsich bringt für die Landwirte, abzulenken und des-halb, meine Damen und Herren, weil eben vielRichtiges drinsteht, das aber unnötig und eigentlichein Ablenkungsmanöver ist, werden wir uns diesemEntschließungsantrag nicht anschließen. Wir wer-den uns an dieser Stelle enthalten. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Aug-sten. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Primas fürdie CDU-Fraktion.

Abgeordneter Primas, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, es kann doch nicht ernsthaft irgendjemandin dem Hause glauben, dass uns das Spaß macht,hier so einen Gesetzentwurf behandeln zu müssenoder überhaupt beschließen zu müssen. Irgendwo,Herr Dr. Augsten, trifft das schon zu, was Sie in ei-nem Punkt hier vorgetragen haben, dass wir unsschon kümmern müssen, dass wir dort Geld ein-sparen, wo wir meinen, es einsparen zu können.Schauen Sie, da müssen wir dann auch nichtrumjammern, wenn es so weit ist. Ich habe das sooft schon hier vom Pult aus gesagt, lassen Sie esdoch sein, uns desolate Finanzlagen vorzuhalten.Wir haben zu viele Schulden. Wenn wir das Geldnicht ausgegeben hätten, was wir nicht hatten - nurmit Krediten konnten wir es finanzieren -, würdeThüringen nicht so aussehen, wie es heute aus-sieht.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Spaßbäder.)

Ja, die Spaßbäder. Richtig. Andere machen andereSachen, zum Beispiel „Stuttgart 21“ soll verhindertwerden; jetzt wird es weitergebaut unter grüner Ägi-de mit einem Wirtschaftsminister und Verkehrsmini-ster, der das auch noch gut findet. Sehen Sie, soändern sich nach Wahlen die Sprüche, die vor denWahlen ganz anders waren. Lassen Sie es einfach

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5293

(Abg. Dr. Augsten)

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sein, das ist viel besser. Es bringt Ihnen nichts,wenn Sie ständig erklären, die vor uns waren,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die waren ja alle nur böse und die haben allesfalsch gemacht. Das Volk hat es so gewollt, dassSie viele Legislaturperioden hier in diesem Landtagnicht dabei waren - zu Recht, das sage ich immerwieder. Und es sollte zukünftig wieder so entschei-den, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Und Sie haben gelernt.)

Wir haben nun einen Entschließungsantrag zu demGesetz eingebracht, um auch ein Stückchen zu re-flektieren, was in den Gesprächen mit den Betroffe-nen dort zutage getreten ist, und da ist es ebendoch nicht so einfach, wie es dargestellt wurde,zum Beispiel, Dr. Augsten, mit dem Punkt 2 Tier-seuchengesetz. Nicht die Bundesregierung hat ir-gendetwas klargestellt, sondern wir formulierenhier, wir bitten darum, dass es klargestellt wird. Dashaben wir auch nicht irgendwo nur aus der Luft ge-griffen, sondern das war auch ein Vorschlag vonder Tierärztekammer, mit denen wir das Gesprächgesucht haben, die nämlich sagten, wir bekommendie Tierseuchenkasse nicht ins Boot, wenn dasnicht geregelt wird. Es ist doch nicht sinnvoll, dassdie auf dicken Säcken sitzen und Geld haben undes nicht verwendet wird für solche Zwecke, dassnämlich auch das gefallene Tier, wenn es unter-sucht wird, ein Beitrag dazu ist, Tierseuchenschutzzu betreiben. Das ist Sinn und Zweck dieses Ent-schließungsantrags. Das steht natürlich nicht imGesetz, sondern wir machen einen Entschließungs-antrag, um aufzufordern, um das begleitend mitzu-bringen. Was ist daran verwerflich? Das frage ichmich. Oder der Punkt 1, das haben wir auch nichteinfach so uns aus den Fingern gesogen mit derUmsatzsteuer. Wozu machen wir eigentlich eineschriftliche Anhörung? Das hat der Bauernverbanddefinitiv geschrieben, dass man so etwas machensollte, und so machen wir es. Wenn Sie es nicht le-sen! Die fordern das ständig an, wir sollen Rück-sicht nehmen darauf, aber wenn sie so etwas brin-gen, dann ist es auch wieder nicht richtig. Wir ha-ben das aufgenommen, das Ministerium soll malprüfen, ob sich daraus wirklich etwas ergibt. DennFakt ist, dass es im Moment so ist, dass der Zweck-verband in den Bescheiden die Mehrwertsteuernicht ausweisen kann, so dass die Landwirte sienicht geltend machen können. Aber sie ist in derKalkulation sehr wohl mit drin und das ist Sinn undZweck der Angelegenheit. Herr Kummer, dass wirdas rumdrehen und sagen, wenn sie ausgewiesenwerden kann, dann kann sie auch abgesetzt wer-den, was jetzt nicht der Fall ist, das ist der Hinter-grund der ganzen Geschichte. Es ist kein schlech-ter Vorschlag. Wir wissen nur noch nicht, wie esausgeht. Es gibt geltende Verträge bis 2013. Da hat

es eine EU-weite Ausschreibung gegeben, weil jakein Wettbewerb da ist. Jetzt gibt es geltende Ver-träge bis 2013. Die Zeit können wir uns jetzt neh-men zu prüfen, ob das funktioniert. Wenn das dannfunktioniert, dann ist die Frage: Brauchen wir denZweckverband noch oder können wir das direkt andie Entsorgungsfirma geben? All die Fragen sind zustellen. Der Bauernverband hat uns erklärt, es gin-ge auch zu machen, wenn der Zweckverband … -das läuft - und sie haben uns zugesagt, sieschicken uns über ihre Rechtsanwältin einen For-mulierungsvorschlag. Auf den warten wir bis heute.Das will ich nur auch dazusagen. Deshalb habenwir diese Formulierung gewählt, um das Themaweiter zu kochen, um diese Prüfung weiterzuma-chen. Was soll daran schlecht sein, dass man malschaut, wie können wir da eine Lösung in dem Sin-ne hinkriegen.

Es ist natürlich so, Herr Dr. Augsten, dass wir in derersten Lesung darüber schon diskutiert haben, obes nicht sinnvoll ist, wenn wir aussteigen, dassauch die Landkreise vielleicht mit aussteigen undwir nur das Verursacherprinzip zur Anwendungbringen. In der Diskussion, das haben Sie zu Rechtgesagt, hat sich dann ergeben, dass das so einfachnicht ist, weil die Landkreise eigentlich sehr wenigeigenes Geld dort reintun. Sie erhalten es auchvom Freistaat über den Kommunalen Finanzaus-gleich. Das heißt, wenn man es genau sieht, ziehenwir uns überhaupt nicht in vollem Umfang zurück,sondern nur um diesen einen Teil. Den anderenTeil geben wir den Landkreisen über den Kommu-nalen Finanzausgleich, dass sie weiter drinbleiben,dass sie auch ihre Verantwortung wahrnehmenkönnen als verantwortlicher Aufgabenträger. Davonsind wir abgegangen, das weiterzuverfolgen und zusagen, wir gehen alle raus und wir lassen nur nochden Verursacher gelten. Das ist die Konsequenzdessen, dass wir das so gesagt haben. Wir habenauch viele Diskussionen mit den Leuten geführt, umdas mal zum Ende zu bringen, dass wir sagen, wirmachen es zum 01.08., ist Ausdruck dessen, wasdie Anhörung sagt, und bitte nicht rückwirkend. Ichdenke, das ist vernünftig, das so zu händeln.

Der dritte Punkt in unserem Entschließungsantragist diese Tiermehlgeschichte. Genauso, wie Sie essagen; wir können es uns gut vorstellen, dass wirdas ändern. Das wird eine wahnsinnige Kostener-sparung bringen, wenn wir das nicht entsorgenmüssten, sondern wir es verkaufen könnten. Daswäre eine dramatische Senkung dessen, was dortanfällt. Das müssen wir sehen.

Dennoch ist es falsch, wenn Sie sagen, wir ziehenuns komplett zurück, wir tun nichts für den Tier-schutz, wir tun nichts für die Betriebe. Das ist ein-fach falsch. Es ist definitiv falsch. Das Geld ist bes-ser angelegt, wenn wir es für die Tiergesundheitausgeben. Da wissen Sie auch ganz genau, waswir ausgeben. Ich will es nur noch einmal hier in der

5294 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Primas)

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Öffentlichkeit sagen, meine Damen und Herren,30 Mio. € haben wir ausgegeben für den Tierseu-chenschutz und die Tiergesundheit, 30 Mio. €. Nurmal ein Beispiel für den Tiergesundheitsdienst: Wirhaben von 1996 bis 2005 8,7 Mio. € eingebracht.Das heißt, wir haben sinnvoll Geld für Tiergesund-heit ausgegeben, das ist wichtiger als die Gefalle-nen zu entsorgen. Also dort ist eine ganze Mengegemacht worden. Die Kritik, die ich eben gehört ha-be, dass wird ganz schlimm, ich frage mich, wie Siees in Mecklenburg-Vorpommern bis jetzt ertragenhaben, die haben überhaupt kein Geld zum Seu-chenschutz gegeben. Brandenburg führt es auchein, dass das reduziert wird. Also die Veterinäredort müssten ja alle mit dem Klammerbeutel gepu-dert sein, oder wie sehe ich das? Machen wir hierin Thüringen die gute Ausnahme, dass das nur beiuns so ist, oder wie machen das die anderen?Warum funktioniert es dort? Warum sind die ande-ren schon längst ausgestiegen oder haben die Be-teiligung gar nicht eingeführt?

Natürlich sehe ich auch, dass das schwierig ist,wenn jemand erst Geld gibt und dann soll es redu-ziert werden. Das ist viel schwieriger, als wenn esdas gar nicht gegeben hätte. Da haben Sie voll-kommen recht, Herr Dr. Augsten, das ist so. In derWende wollten wir aber diese Unterstützung geben,damit dieser Umbau der Tierhaltung vernünftig ge-schehen kann. Wir hätten vielleicht schon früherdarüber nachdenken müssen, ob wir das Geld zu-rückfahren. Jawohl, da gebe ich Ihnen recht. Dasheißt aber nicht, dass wir es jetzt nicht tun sollten.Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, dem Gesetzent-wurf mit der Änderung Inkraftreten 01.08. zuzustim-men. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Primas. Das Worthat jetzt die Abgeordnete Franka Hitzing für dieFDP-Fraktion.

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren…

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Sie haben das Wort, keine Frage.

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Ich dachte, das war schon die Frage nach einerZwischenfrage.

Grundsätzlich, möchte ich eingangs sagen, begrüßtnatürlich die Fraktion der FDP immer Anstrengun-gen der Landesregierung, Einsparungsmaßnahmendurchzuführen, um den Haushalt zu konsolidieren.

Natürlich muss ich auch einwenden, dass mir dieseArt und Weise ein kleines bisschen bekannt vor-kommt. Ich denke, auf so eine Art und Weise wur-den auch bei der Kita-Finanzierung schon die Kom-munen über den Tisch gezogen, deshalb sind wirauch sehr skeptisch an dieser Stelle.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Wenn wir uns jetzt die Anhörung mal ansehen,dann ist schon spannend festzustellen, dass tat-sächlich alle Anzuhörenden gegen diesen Gesetz-entwurf sind, aber es scheint kaum jemanden zu in-teressieren, was die Anzuhörenden da so schrei-ben. Deshalb haben wir den Gesetzentwurf jetzthier zu besprechen. Ich möchte ganz kurz mit IhrerErlaubnis aus dem Gesetz vom 07.02.2005 zumThüringer Tierische Nebenprodukte-Beseitigungs-gesetz zitieren, in dem es heißt: „Dem Land sowieden Landkreisen und kreisfreien Städten entsteheninsoweit keine Mehrkosten. Zur Förderung der er-forderlichen lückenlosen, schnellen und ordnungs-gemäßen Beseitigung gefallener Tiere, von denenimmer auch eine Seuchengefahr ausgeht, sowiezur Vermeidung einer erheblichen finanziellen Be-lastung der Besitzer gefallener Tiere wird wie auchin anderen Ländern wie bisher eine Mitbeteiligungder öffentlichen Hand an den entstehenden Kosten(ein Drittel Land, ein Drittel Landkreise und kreis-freie Städte) vorgesehen. Ein Drittel ist weiterhinvon den Besitzern gefallener Tiere zu tragen. DieVerarbeitung und Beseitigung tierischer Nebenpro-dukte der Kategorie 1 und 2 ist trotz ihrer wirtschaft-lichen Bedeutung vorrangig eine seuchenhygieni-sche und dem Schutz der Gesundheit von Menschund Tier dienende Aufgabe. Die Verarbeitung undBeseitigung dieser tierischen Nebenprodukte musszu jeder Zeit gesichert und ordnungsgemäß durch-geführt werden. Dabei kommt es aus seuchenhy-gienischer Sicht zunächst darauf an, Material derKategorien 1 und 2 so zu verarbeiten, dass von denerzeugten Produkten keine Gefahr für die tierischeund menschliche Gesundheit ausgeht.“ Nach unse-rer Auffassung ist es also hier an dieser Stelle nachwie vor ein Thema des übertragenen Wirkungskrei-ses und eine landesbehördliche Aufgabe, von derwir reden.

(Beifall FDP)

Das Land hat damals auch festgestellt, dass eineEntsorgung durch die Tierhalter aufgrund der Tier-seuchenprophylaxe nur bei den zugelassenen Stel-len durchgeführt werden darf. Aus diesem Grundkam es zu dieser Drittel-Lösung. Das soll sich jetztalso ändern. Nun ist die Frage, ob sich das Themader Tierseuchengefahr in Gänze verändert hat.Nein, das hat es nicht und die Verhütung von Tier-seuchen ist auch weiterhin Aufgabe im übertrage-nen Wirkungskreis und somit auch eine staatlicheAufgabe.

(Beifall FDP)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5295

(Abg. Primas)

Page 40: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Zu lesen in verschiedenen Stellungnahmen, auf dieich später noch zu sprechen kommen möchte. DieAussage, dass das Land bereits genügend getanhabe für die Vorsorge und den Aufbau einer ord-nungsgemäßen Tierkörperbeseitigung ja sicherge-stellt hat, kann so als Begründung durch uns nichtmitgetragen werden. Es müssen ja auch finanzier-bare und zuverlässige Rahmenbedingungen ge-schaffen werden, die es den Tierhaltern auch er-möglichen, das in Anspruch zu nehmen, besondersTierhaltern mit großen Beständen, so will ich es for-mulieren. Herr Dr. Augsten ist vorhin gerade aufdas Thema der Finanzierbarkeit eingegangen.Zweitens ist nach unserer Auffassung auch nichtgenügend plausibel begründet worden, dass dieeingesparten Kosten, von denen wir hier reden,nicht durch mögliche Zunahme von illegalen Ent-sorgungen - ich will hier niemanden kritisieren, umGottes Willen -, aber durch nicht ordnungsgemäßeEntsorgungen eventuell dazu führen können, dasses Epidemien gibt oder Seuchen, die dann zumSchluss viel höhere Kosten verursachen würden,wenn sie nämlich eingedämmt und verhindert wer-den müssen.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Frau Abgeordnete Hitzing, gestatten Sie eine Zwi-schenfrage des Abgeordneten Kuschel?

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Ich würde gern erst fertig machen und dann zumSchluss.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Am Ende.

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Unserer Meinung nach fehlt es hier also an verläss-lichen Vergleichen zu anderen Bundesländern undauch Erkenntnissen aus anderen Bundesländern, indenen beispielsweise ein erhöhter finanzieller Anteilfür die Tierhalter heute schon Realität ist. Zum Bei-spiel haben einen höheren Halteranteil die Bundes-länder Berlin mit 34 Prozent, das ist marginal,100 Prozent macht Mecklenburg-Vorpommern -das haben wir bereits gehört - und Sachsen-Anhalt50 Prozent. Ansonsten sind in den anderen Län-dern die Kosten in der Drittel-Lösung, so wie das inThüringen bis zum heutigen Tage ja auch noch derFall ist.

Ich würde gerne zwei Beispiele benennen zumThema Seuchen. Im Jahre 2001 in England derAusbruch der Maul- und Klauenseuche und im Jahr2006 die Schweinepest in Nordrhein-Westfalen, dasind Kosten aufgetreten, um diese Seuchen zu be-kämpfen, einmal von 26 Mio. € und einmal von1 Mrd. € - ich habe es jetzt genau umgedreht. In

England war es 1 Mrd. €, in Nordrhein-Westfalenwaren es 26 Mio. €. Das ist dann schon spannend,wenn man sich dagegen das Einsparpotenzial von1,45 Mio. € bei dem veränderten Beitrag heute an-hört.

(Beifall FDP)

Im Übrigen sind diese Seuchen damals ursächlichdadurch entstanden, dass man illegale Beseitigun-gen feststellen musste.

Es gibt eine weitere Begründung, die verlautbarenlässt, dass es durch diesen erhöhten Kostenbeitragbei den Tierhaltern natürlich auch eine höhere Sen-sibilität geben könnte, bezogen auf verbessertenGesundheitsschutz der Tiere, dass sich gerade imAufzuchtbereich die Tierhalter mehr um ihre Tierekümmern würden, das könnte man hineininterpre-tieren. Da muss ich Ihnen entgegenhalten: Tierhal-ter halten ihre Tiere mit Sicherheit in dem Sinne,dass sie gesund aufwachsen und gesund aufgezo-gen werden. Ich glaube nicht, dass man ihnen dasüber die jetzige dritte Lösung oder veränderte Zah-lungslösung erst anerziehen muss.

(Beifall FDP)

Um die Kosten der Beseitigung zu minimieren, istunserer Meinung nach das Thema Prävention nachwie vor ein ganz wichtiges Thema und auch Ge-sundheitsprophylaxe, dazu sage ich dann nochzwei Worte, bezogen auf den Entschließungsantragder Regierungskoalition.

Gesundheitsvorsorgemöglichkeiten weiter auszu-bauen, Kampagnen zu schaffen, scheint unsererMeinung nach doch der bessere Weg zu sein. Damuss einiges geprüft werden, ob man hier eventuelleffizienter arbeiten kann. Formal ist das ThemaVerursacherprinzip klar verständlich und auchnachvollziehbar. Wir können trotzdem an dieserStelle dem Gesetz so nicht zustimmen, weil wir na-türlich auch die Tatsache mit ins Auge fassen müs-sen, was denn die Anzuhörenden sagen. Und dieAnzuhörenden sagen, diese jetzt neu zu beschlie-ßende Lösung - zwei Drittel Tierhalter, ein DrittelKreise und kreisfreie Städte ohne Beteiligung desLandes -, das ist so nicht hinnehmbar.

Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis hätte ich gernzwei Zitate erwähnt. Das erste, die Landestierärzte-kammer, kann ich mir sparen, das hat Herr Dr. Aug-sten für mich erledigt. Die Thüringer Tierseuchen-kasse sagt: „Es ist zu befürchten, dass bei einer er-heblichen Verteuerung der Entsorgung für die Tier-halter diese für einen Teil der verendeten Tiere eineeigene Tierkörperbeseitigung betreiben werden.Davon geht ein erhebliches Gefährdungspotenzialfür andere, sich korrekt verhaltende Tierhalter undfür das Gemeinwesen aus.“ Zweites Zitat - Thürin-ger Bauernverband: „Die beabsichtigte Änderungdes Thüringer Tierische Nebenprodukte-Beseiti-gungsgesetzes ist konsequent abzulehnen.“

5296 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Hitzing)

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Zum Entschließungsantrag der CDU und der SPDmöchte ich nur ganz kurz sagen: Dem ersten Punktkönnen wir so zustimmen. Beim zweiten Punktmöchte ich darauf verweisen, dass selbst die Tier-seuchenkasse schon darüber ausgeführt hat, dassgerade das Thema Tierprophylaxe und Gesund-heitsschutz schon gemacht wird, und zwar mit Gel-dern der Landwirte, die bereits vor fünf Jahren sichdazu entschieden haben, dass ihre Beiträge durchdie Tierseuchenkasse vermehrt in die Präventioneingehen sollen. Und zum dritten Punkt - das Auf-heben oder das Aufweichen des Verfütterungsver-bots von Tiermehl - sehen wir unter dem Sicher-heitsaspekt und dem Aspekt der Verbraucherschon Schwierigkeiten. Da haben wir Bedenkenund dem würden wir so nicht zustimmen können.

Den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen wir, weil wir auch derMeinung sind, es ist für die Tierhalter wichtig, wenndas Gesetz denn beschlossen wird in der Art undWeise, wie wir es heute vorliegen haben, dann soll-ten die Tierhalter zumindest die Möglichkeit haben,sich auch fiskalisch auf die neuen Tatsachen ein-stellen zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Schluss, um es rund zu machen, uns ist dasThema Tiervorsorge und Gesundheitsschutz einsehr wichtiges. Ich denke, dass mit dieser Erhö-hung und mit dieser veränderten Zahlungsmodalitätmögliche Schwierigkeiten entstehen. Da es natür-lich so und so zu sehen ist und wir auch großenWert darauf legen, was die Anzuhörenden eigent-lich sagen, können wir diesem Gesetzentwurf, sowie er ist, nicht zustimmen, werden ihn aber auchnicht ablehnen, sondern uns enthalten und dem Än-derungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN werden wir zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hitzing. Sie hattenHerrn Kuschel noch die Beantwortung einer Frageam Ende zugesagt.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Frau Hitzing, ich habe in Ihrer gesamten Redeeinen Widerspruch erkannt und daher wollte ich Siefragen, damit ich nicht vielleicht einem Irrtum unter-liege: Die FDP, so habe ich das immer verstanden,hat bisher immer für mehr Individualität und Eigen-verantwortung gestritten und gesagt, der Staat sollsich auf Kernaufgaben zurückziehen. Jetzt habenSie aber ein Plädoyer gehalten, dass der Staat inviel stärkerem Maße in die Verantwortung genom-men werden soll. Können Sie mir das noch mal er-läutern, wie sich das in Ihrem programmatischenSpannungsfeld einordnet. Danke.

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Herr Abgeordneter Kuschel, da muss ich sagen,dann haben Sie mir tatsächlich nicht richtig zuge-hört. Das eine schließt das andere nicht aus. „Inverstärktem Maße“ stimmt schon mal gar nicht,denn wir reden jetzt von dem Status quo Drittellö-sung und die haben wir jetzt. Hier geht es darum,dass sich jetzt das Land aus seiner hoheitlichenAufgabe herausziehen möchte und sagt, ich machedie Drittellösung nicht mehr mit, sondern wir gehenkomplett raus. Nach Aussage dessen, was wir hierauch bei den Stellungnahmen gehört haben undauch aus der gesundheitshygienischen Sicht denkeich schon, dass Vermeidung von Tierseuchen einehoheitliche Aufgabe des Landes ist. Da, wo derStaat mitzusprechen hat und in der Verantwortungsein muss, da muss er es auch bleiben.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ichwerde Sie erinnern.)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hitzing. Zu Wortgemeldet hat sich jetzt die Abgeordnete EleonoreMühlbauer für die SPD-Fraktion.

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren! Frau Hitzing, da muss ich aberjetzt noch mal nachhaken, weil ich glaube, ich hatteSie auch so verstanden, wie der Abgeordnete Ku-schel es hier getan hat. Ich möchte doch noch maleindeutig darauf hinweisen, wir reden hier nicht voneiner Hobby-Tierhaltung, sondern von gewerblicherTierhaltung und bis jetzt hatte ich eigentlich die Pro-grammatik der FDP so verstanden, dass Wirt-schaftsunternehmen dann Wirtschaftsunternehmensind, wenn sie sich wirtschaftlich selbst tragen, unddies habe ich in sich immer nachvollziehen können.Ihren Ansatz, dass es sich bei der Entsorgung vonAbfallprodukten eines Wirtschaftsunternehmens umeine hoheitliche Aufgabe handelt, kann ich eigent-lich nicht nachvollziehen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das könnenSie.)

In dem Punkt, Herr Kollege Barth, muss ich Ihnenauch sagen: Sparen fängt, wenn man hier vornsteht, für Sie anscheinend nur bei Kaffeemaschinenan. Wenn wir tatsächlich dann Ansätze des Spa-rens umsetzen, auch wenn es wehtut,

(Beifall SPD)

kneifen Sie, weil Sie nicht konkret in dem Punktdann Gesicht zeigen wollen.

(Unruhe FDP)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5297

(Abg. Hitzing)

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Das war dann doch etwas nicht nachvollziehbar.Aber Sie können gern nach mir hier auch noch vor-gehen. Es ist nicht schön, es freut uns nicht, esmacht keinen Spaß, der Kollege Primas hat es ge-sagt, aber Sparen tut weh und wir müssen ganzeindeutig sagen, wo unsere Prioritäten im Landes-haushalt sind. Ich darf noch mal eines deutlich sa-gen, Frau Kollegin Hitzing: Wir ziehen es uns nichtraus. Der KFA und die Schlüsselmasse, Sie wissenes ganz klar und eindeutig, wir stecken Geld in denKFA für diese Aufgabe und damit ziehen wir unsnicht raus und wir bleiben bei dem Thema auch mitin der Verantwortung.

Herr Kollege Augsten, wir reden jetzt seit letztemJahr November - der Berichterstatter, unser Aus-schussvorsitzender hat es eindeutig gesagt, derGesetzentwurf ist im November letzten Jahres hierhereingereicht worden, wir haben ein halbes Jahreine öffentliche Debatte geführt, ich denke, das istgenug Zeit für gewerbliche Tierhalter, sich auf neueSituationen einzustellen, ihre Preise so zu kalkulie-ren, dass diese Kosten umgelegt werden.

Herr Augsten, mich wundert an Ihrem Beitrag eins,Sie wissen genau, dass in Größenordnung Mas-sentierhaltungsanlagen davon profitieren. Ob essinnhaft ist, dass wir 5 Tonnen Kadavermaterial inAlkersleben jährlich über Landeszuschüsse in derKadaverbeseitigung bezuschussen, halte ich fürsehr fraglich. Sie wissen, Soja ist nicht nur das ein-zige Problem - die Sojaverfütterung, da bin ich beiIhnen -, das größere Problem ist, dass wir eine billi-ge Masse produzieren, die den Preis der Landwirt-schaftsprodukte kaputt macht. Das subventionierenwir auch noch mit den Steuergeldern des FreistaatsThüringen in einem Zeitraum, wo uns allen hier imHohen Haus klar ist, dass unsere Haushalte rück-läufig sind, unser Geld rückläufig ist. Da muss ichSie fragen, was ist der Sinn Ihrer Politik, wohin wol-len Sie oder sind Sie im Prinzip immer nur gegendie Dinge, die wir machen, denn Lösungsvorschlä-ge kann ich bei Ihnen leider jetzt an dem Punktwirklich nicht erkennen. Ich halte es gerade für dieLandwirtschaftspolitik des Freistaats Thüringennicht für zielführend, wenn wir weiterhin billige Mas-se hier subventionieren, unseren Bauern etwas vor-spielen, unsere wirklich rückläufigen Steuereinnah-men des Freistaats in Dinge reininvestieren, diesich selbst tragen müssen, die der Markt auchselbst regulieren muss. Außerdem, Frau Präsiden-tin, Sie erlauben, ich möchte Sie gern zitieren, HerrFrank Augsten, und zwar hatten Sie im Novemberletzten Jahres - da war ich eigentlich ganz begeis-tert von Ihnen - gesagt, „dass man den Steuerzah-ler in die Pflicht nimmt für jemanden, der sich ent-schieden hat, Tiere zu halten. Das betrifft den Pri-vatmenschen genauso wie den gewerblichen Be-trieb. Die Zeiten müssen einfach vorbei sein.“ Daswar Ihre Erkenntnis im November letzten Jahres,deswegen frage ich mich, was ist passiert, außer

dass es jetzt in Baden-Württemberg eine grüneLandesregierung gibt, scheint sich auch, weiß ichnicht, bei Ihnen die Weltorientierung verändert zuhaben, weil Sie leider unserem Gesetzentwurf hiernicht zustimmen können. Eine Veränderung imRahmen der Inkrafttretung schiebt die ganze Sachenur noch nach außen und belastet unseren Steuer-zahler überproportional.

Ich bitte Sie, hier diesem Gesetzentwurf zuzustim-men. Das geht auch an die Fraktion der FDP. Spa-ren tut weh, sparen tut uns allen weh. Es ist nichtschön, aber wir müssen auch Gesicht zeigen zuden Dingen. Wir müssen sagen, was ist uns imFreistaat wichtig. Uns ist es wichtig, in Bildung, Kul-tur und die Weiterentwicklung unseres Landes zuinvestieren und nicht gewerbliche Unternehmen,die Massen produzieren, zu subventionieren, waswir dauerhaft nicht halten können.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Frau Abgeordnete Mühlbauer, gestatten Sie nocheine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschel?

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Nach dem letzten Satz gern. In diesem Kontext bit-te ich Sie alle in diesem Hohen Haus, dem Gesetz-entwurf zuzustimmen. Ich bedanke mich und freuemich jetzt auf Herrn Kuschel.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Herr Kuschel, Sie dürfen jetzt der Frau MühlbauerIhre Frage stellen.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin, danke, Frau Mühlbauer.Frau Mühlbauer, nur mal eine Nachfrage zum Ent-schließungsantrag der Fraktionen der CDU undSPD, dort ist das Beleihungsmodell in Erwägunggezogen worden. Inwieweit können Sie ausschlie-ßen, dass über die Beleihung letztlich eine Privati-sierung erfolgt?

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Ich glaube, da haben Sie unseren Entschließungs-antrag nicht so ganz verstanden. Eine Entleihungund ... In welcher Art und Weise meinen Sie denndie Privatisierung? - Nachfrage.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Wir wollen jetzt aber kein Zwiegespräch führen. Siewollen eine weitere Frage stellen und Frau Mühl-bauer gestattet dies?

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Ja.

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(Abg. Mühlbauer)

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Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Dann machen wir das so.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin, auch für den Bau dieser„Geschäftsordnungsbrücke“. Die Beleihung heißt,ein Dritter realisiert im Auftrag des Staates eine ho-heitliche Aufgabe. Da ist die Frage, ob das der Ein-stieg in die Privatisierung ist. Es ist keine Privatisie-rung, es ist eine Beleihung, aber wie Sie ausschlie-ßen wollen, dass dann in der Folge ein nächsterSchritt hin zur vollständigen Privatisierung erfolgt,wie Sie das sicherstellen wollen?

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Hier geht es definitiv nicht um eine Privatisierungeiner Angelegenheit. Wir tun es nicht, Herr Kuschel,und ich denke mal, das reicht vollkommen aus.Diesbezüglich besten Dank und wir bitten um Zu-stimmung zu unserem Gesetz. Danke.

(Beifall SPD)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank nochmals, Frau Abgeordnete Mühl-bauer. Zu Wort gemeldet hat sich jetzt der Abge-ordnete Tilo Kummer für die Fraktion DIE LINKE.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ein solches Gesetzhier im Thüringer Landtag durchzubringen, geht nurmit einem gewissen Zeitgeist.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: OhneMehrheiten gibt es keinen Zeitgeist.)

Diesen Zeitgeist haben wir eben bei Frau Mühlbau-er vernommen. Das ist eine entsprechende Sichtauf Tierhaltung in Thüringen, die dazu führt, dassman bereit ist, entsprechende Änderungen vorzu-nehmen. Ein anderes Paradebeispiel für diesenZeitgeist habe ich im Landwirtschaftsausschuss,letzte Sitzung, erleben dürfen, als uns dort vomWirtschaftsministerium gesagt wurde, die Landwirt-schaft und Ernährungsbranche ist kein Trendbe-reich im Freistaat Thüringen. Wenn man eine sol-che Herangehensweise hat, dann kann man denSanierungsfall Thüringen in der Hinsicht lösen,dass man die Haftpflichtversicherung streicht.

Nichts anderes ist dieses Gesetz. Es wird hier dieHaftpflichtversicherung gestrichen, es wird der Ver-sicherungsbeitrag in Höhe von 1,5 Mio. € gestri-chen und damit unter dem Motto „Augen zu unddurch, es wird schon nichts passieren“ in Kauf ge-nommen, dass eine Tierseuche ausbrechen kann,die deutlich höhere Kosten für den Freistaat verur-sachen würde.

Ich sehe Kopfschütteln. Ich beziehe mich im Weite-ren auf die Zuschrift an unseren Ausschuss von derTierseuchenkasse. Frau Hitzing hatte daraus jaauch schon zitiert. Ein sehr fundiertes Papier, wassich sehr intensiv mit dieser ganzen Frage ausein-andergesetzt hat. Da möchte ich noch mal beiHerrn Primas andocken und auch bei HerrnDr. Augsten. Mit dem Motto von beiden, es istschwer, wenn man mal eine gewisse Vergünsti-gung gegeben hat, die dann anschließend wiedereinzukassieren. Nein, es war keine einseitige Ver-günstigung, kein Wohlwollen der öffentlichen Hand,sondern das, was wir hier zu verzeichnen haben,warum es diese Drittelfinanzierung für die Tierseu-chen, für die Tierkörperbeseitigung gibt, das istdoch entstanden, weil Deutschland weltweit einenseparaten Weg in der Vergangenheit gegangen ist.Woran lag das? Deutsche Wissenschaftler, deut-sche Mediziner haben sich vor über 100 Jahrensehr intensiv mit der Frage Seuchenentstehung be-schäftigt. Da waren wir Vorreiter. Und dieses Recht,um das wir hier streiten, ist entwickelt worden um1900, die Regelungen zur Beseitigung von Tierkör-pern gehen auf das Jahr 1911 zurück. Man hat da-mals erkannt, welche gravierende Wirkung es ha-ben kann, ein Weiterso wie in vielen anderen Län-dern heute noch, nämlich ein weiteres Vergrabenvon toten Tieren durchzuführen.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das wol-len wir doch nicht ändern.)

Deutschland ist damit einen anderen Weg gegan-gen. In anderen westeuropäischen Ländern, in vie-len anderen Ländern der Welt ist es heute noch üb-lich so zu verfahren, Tiere zu vergraben, wenn siegestorben sind, ohne vorher zu prüfen, woran sinddie denn gestorben, welche Keime tragen sie insich. Die Tierseuchenkasse macht deutlich Sporenvon Clostridien, die zunehmende Bedeutung alsKrankheitserreger in der Nutztierhaltung und in derHumanmedizin haben. Tetanus, Wundbrand, ulce-rative Darmerkrankungen sind im Boden über Jahr-zehnte haltbar und infektiös. Fleisch- und aasfres-sende Wildtiere können sich infizieren. Das ist dergute Grund, warum Deutschland aus dieser Praxisausgestiegen ist. Da sich unsere Landwirtschaft aufeinem Weltmarkt behaupten muss, müssen natür-lich höhere Forderungen an die Landwirte auch ge-rade in Fragen Tierseuchenschutz entsprechendeUnterstützung finden, damit sie weiter produzierenkönnen. Ich glaube, das ist angemessen.

Meine Damen und Herren, weiter zu der Zuschriftder Tierseuchenkasse. Sie schreiben, dass dieseGefahrenpotenziale auch in hohem Maße für Zoo-nosen gelten, also Krankheiten, die vom Tier aufden Menschen übertragen werden können. Bei-spielsweise hat eine Kuhfieberepidemie - von Rin-dern, Schafen oder Ziegen auf den Menschen über-tragbare Infektion - im Herbst 2009 in den Nieder-landen zu Erkrankungen und Todesfällen beim

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Menschen geführt. Tausende Ziegen mussten getö-tet, beseitigt und aus öffentlichen Mitteln entschä-digt werden. Eine der wichtigsten Maßnahmen inder Bekämpfung und Vorbeugung von Kuhfieber istdie ordnungsgemäße Einsammlung und unschädli-che Beseitigung von Nachgeburten aus Rinder-,Schaf- und Ziegenbeständen über die Tierkörper-beseitigungsanlage. Bei erheblicher Verteuerungder hygienischen Beseitigung für die Landwirte istzu befürchten, dass die Nachgeburten zusammenmit dem Stallmist auf Felder ausgebracht werdenund sich von hier nach der Trocknung mit demWind übertragbare sowie infektiöse Partikel verbrei-ten können. Das Gleiche gilt im Übrigen für Brucel-lose-Infektionen beim Menschen. Klare Aussagen!

Dass es eben nicht so ist, dass sich Tierhalter im-mer korrekt verhalten, auch das beschreibt die Tier-seuchenkasse nachgewiesenermaßen bei dengroßen Seuchenzügen, die wir in den letzten Jah-ren - 2001 und 2006 - in Europa erleben mussten.Diese großen Seuchenzüge führten zu Kosten vonüber 1 Mrd. € innerhalb Europas. Das sind Dinge,die muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Ich sage hier mal ganz klar, Frau Mühlbauer:Hauptverursacher von Tierkörpern und tierischenNebenprodukten sind nicht nur die großen Betriebe,die Sie ansprechen. Ein Betrieb, der Schweinezüchtet zum Zwecke des Verzehrs, hat im Regelfallsehr, sehr wenig Anfälle an toten Schweinen, denner will die Schweine verkaufen. Da können Sie mirglauben, diese Betriebe werden alles dafür tun,dass ihnen die Schweine nicht sterben, bevor sieverkauft werden können. Was hier anfällt, das sindz.B. Nachgeburten, wie ich das eben beschriebenhabe an diesem Teil. Das sind also Dinge, die ent-stehen nun mal bei der Entbindung von Kälbern,von Zicklein usw. und mit denen muss ein Betriebumgehen. Tierische Nebenprodukte sind aber auchSchlachtabfälle im Schlachthof, die keiner essenwill. Ich sage mal so: Ein Stück rohes Wildschwein-fleisch kann zum Ausbruch von Schweinepest füh-ren, wenn ich das einfach in den Garten schmeiße.Auch das hat es sogar in Thüringen schon gege-ben, dass ein Gastronom rohes Wildschweinfleischaus Ungarn eingeführt hat, dieses in seinen Gartengeschmissen hat und dann ist es dort entsprechendvon Wildschweinen gefressen worden. Dies führtedann zu einem Ausbruch. Auch solche Handlungensollten eigentlich über diese Drittelfinanzierung ver-mieden werden. Wahrscheinlich ist da auch nochmehr Aufklärungsbedarf abzusichern. Aber es gehthier wirklich nicht nur um die klassischen Landwirt-schaftstierhaltungsbetriebe und es ist keine Sub-ventionierung dieser Betriebe.

Meine Damen und Herren, zum Entschließungsan-trag: Ich gebe zu, und das sage ich auch als Aus-schussvorsitzender, ich bin enttäuscht, dass diesesPapier uns heute vorgelegt wurde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den Gesetzentwurf mehrere Monate ge-parkt im Ausschuss, weil von der Koalition noch Be-ratungsbedarf signalisiert wurde. Dann wird uns si-gnalisiert, wir können es jetzt verabschieden undein solch komplizierter Entschließungsantrag wirduns am Tag der Plenarsitzung - gut, Ausfertigungs-datum ist ein Tag früher - präsentiert und wir müs-sen uns dann hier schlagartig dazu verhalten. Ichfinde diese Vorgehensweise nicht gut. Ich möchteauch sagen, dass er natürlich widersprüchlich ist.Also wenn denn der Spargedanke Grund für diesenGesetzentwurf sein sollte, dann kann ich doch denPunkt 1 nicht machen, dass ich sage, okay, bisherfiel eine Umsatzsteuer an - ich habe mich dazunoch einmal kundig gemacht. Es ist eben so, dassder Entsorgungsbetrieb, der die Tierkörper ent-sorgt, entweder als Tiermehl in Zementfabriken ver-brennt oder Biogas daraus macht, was auch immer.Der Entsorgungsbetrieb, der diese Tierkörper ent-sorgt, schreibt auf seine Rechnung an den Zweck-verband die Umsatzsteuer mit drauf. Der Zweckver-band ist eine Körperschaft, kein Unternehmen. Die-ser kann dementsprechend selber keine Umsatz-steuer geltend machen. Er zahlt die Umsatzsteuerals Endverbraucher und bringt sie dann aber in sei-ne Gebührenkalkulation für den Landwirt oder denTierhalter mit ein. Diese Umsatzsteuer, die, wennwir denn aus dem Zweckverband ein Unternehmenmachen würden - und da, Frau Mühlbauer, wäre esschön, wenn Sie zuhören würden, denn das ist dieAntwort auf die Frage von Herrn Kuschel. Nur einUnternehmen ist vorsteuerabzugsberechtigt, undnur ein Unternehmen kann Umsatzsteuer auch er-heben. Also nur wenn der Zweckverband ein Unter-nehmen würde, das ich beleihen kann, nur dannkann die Umsatzsteuer weitergegeben werden anden Landwirt und der Landwirt kann sie infolge sei-ner Betriebskosten, weil er kein Endprodukt dortverkonsumiert, wieder abziehen. Nur das würde die20 Prozent, die hier beschrieben sind in Ihrem Ent-schließungsantrag, für den Landwirt sparen. DasProblem ist doch aber, wenn Sie denn wirklich mitdiesem Gesetzentwurf sparen wollen, warum spa-ren Sie dann gleichzeitig mit dem Entschließungs-antrag das Geld, was Sie mit dem Gesetzentwurfgespart haben, für den Landwirt wieder ein, weilnämlich dann der Staat diese Umsatzsteuer nichterheben kann. Das erschließt sich mir nicht. Wennwir die 20 Prozent den Landwirten wiedergebendurch den Entschließungsantrag, wenn das wirklichpositiv geprüft würde, dann würde ja der Finanzmi-nister diese Umsatzsteuer nicht mehr einnehmenkönnen. Dann können wir es doch auch wirklich solassen, wie es ist, und hätten wesentlich wenigerDiskussionen.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Genau.)

Zu Punkt 3 des Entschließungsantrags möchte ichauch noch kurz sagen, da sind wir uns in der Dis-

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(Abg. Kummer)

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kussion einig. Da kommen wir eben auch wieder zudem Punkt, warum wir, solange der Punkt 3 nochnicht geregelt ist, diesen Gesetzentwurf auf keinenFall verabschieden dürfen. Auch hier gibt es wiederEinzelregelungen von Deutschland und von derEuropäischen Union, was den Umgang mit Tier-mehl angeht. Tiermehl ist ein sehr, sehr wichtigerEiweißträger und wird zurzeit entsorgt zum Beispielin Zementwerken. Da bezahlt der Landwirt dem Ze-mentwerk dafür Geld, dass er sein Tiermehl dorthinfahren muss, und das Zementwerk hat auchnoch gleichzeitig eine kostenlose Energiequelle.Damit werden wichtige Eiweißstoffe, die wir drin-gend in der Ernährung bräuchten, vernichtet. Dasmuss ein Ende haben. Das führt auch zu zusätzli-chen Kosten für unsere Produzenten, weil sie näm-lich statt des tierischen Eiweißes aus Schweinen,aus Rindern in der Haltung von Schweinen undHühnern inzwischen Fischmehl einsetzen. DieÜberfischung der Meere ist ja auch ein wichtigesThema, das hier nicht einfach vom Tisch zu wi-schen ist. Deshalb bräuchten wir hier dringend eineÄnderung. Solange wir die Änderung aber nicht ha-ben, sind unsere Landwirte in besonderem Maßebetroffen. Sie müssen sich immer auf dem Welt-markt mit ihren Konkurrenten auseinandersetzen.Es ist doch nicht so, dass ein Stück Rind, was inThüringen nicht erzeugt wird, für den Thüringer Be-darf dann nicht gegessen würde. Viele diskutierenja, wir müssen weniger Schweinefleisch und weni-ger Rindfleisch essen. Aber Sie ändern doch dieVerzehrgewohnheiten der Menschen nicht, die kau-fen es in Argentinien. Und die Argentinier habenunsere Bestimmungen zum Tierseuchenschutznicht. Das ist der Punkt, weshalb ich auch eineWettbewerbsverzerrung in diesem Gesetzentwurfsehe.

Meine Damen und Herren, wegen dieser Wettbe-werbsverzerrung und wegen des hohen Seuchenri-sikos, was sich aus der Umsetzung dieses Ge-setzes ergibt, wird unsere Fraktion den Gesetzent-wurf ablehnen.

Zum Entschließungsantrag von CDU und SPDwünschen wir uns eine Beratung im Ausschuss, da-mit wir das etwas näher untersetzen können undvernünftig Nägel mit Köpfen machen können. Ichdanke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kummer. Jetzt hatsich noch einmal zu Wort gemeldet der Abgeordne-te Dr. Augsten für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ichfange mal mit Frau Mühlbauer an, das geht amschnellsten. Kollegin Mühlbauer, wenn Sie glauben,dass die Tatsache, dass wir seit einem halben Jahrdarüber diskutieren, für die Betriebe die Sicherheitbringt, sie schon darauf vorbereitet zu haben, dannhat Herr Kummer völlig recht, wenn dann Stunden,bevor wir das hier diskutieren, ein Entschließungs-antrag der regierungstragenden Fraktionen kommt.Da könnte ja alles Mögliche drinstehen. Da sind dieBetriebe gut beraten, bis zum Verabschieden desGesetzes zu warten, um sich dann auf eine neueSituation einzustellen oder eben nicht. Es hätte jaauch sein können, Sie bringen heute einen Ent-schließungsantrag ein, der dann lautet: Bis dasBSE-Problem gelöst ist, solange setzen wir die Um-setzung des Gesetzentwurfs aus. Das wäre ver-nünftig gewesen. Das Argument ist ein ganzschlechtes.

Dann haben Sie sich ein bisschen an mir abgear-beitet, ich wäre immer nur dagegen. Ich habe mehr-mals darauf hingewiesen, dass das Inhaltliche, wasdrinsteht, alles richtig ist in dem Entschließungsan-trag, inhaltlich ist das alles korrekt. Insofern bin ichnicht derjenige, der dagegen ist, sondern der Lö-sungsvorschlag - und da komme ich zu dem Zitataus der Rede, die Sie gebracht haben - lautet, Ge-setz ja, dem stimmt meine Fraktion auch zu, wennSie sich gemeinsam mit uns darauf verständigen,dass dieses Gesetz aus guten Gründen - ich wie-derhole meine Rede nicht noch einmal - erst am01.01.2013 in Kraft tritt. Denn das ist die Zeit, dieein Landwirtschaftsbetrieb auch braucht, um sichdarauf einzustellen.

Kollege Kummer, es hat sich ja etwas getan seit1911, und zwar kann man, wenn man heute einTier vergräbt - ich behaupte das einfach mal, viel-leicht kann das die Ministerin dann noch bestätigen-, also wenn heute jemand das Risiko eingeht, einTier zu vergraben und dabei erwischt zu werdenund möglicherweise durch Dinge, die heute möglichsind, die es damals 1911 an Möglichkeiten nichtgab, dass natürlich damit ein unglaubliches Risikoverbunden ist, so etwas zu tun. Ich glaube, dass dieAusschuss-Sitzung, für mich jedenfalls, bezüglichder Einschätzung von Experten sehr erhellend war,was dieses illegale Entsorgen angeht. Ich bin selbstderjenige gewesen, der dieses Argument hier sehrheftig gebracht hat bei der ersten Plenarsitzung, alswir uns damals damit beschäftigt haben. Ich glau-be, das hat sich ein bisschen relativiert nach demMotto: Erstens geht es um kleine Beträge, in derTat, bei Schaf, bei Ziegen, bei Schweinen um3, 4, 5 € mehr, bei ausgewachsenen Rindern gehtes um 35 € mehr. Das ist angesichts dessen, wasda ein Rind in Wirklichkeit an Kosten verursacht,nicht viel.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5301

(Abg. Kummer)

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(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Unddie Fahrtkosten.)

Ich meine nur, das ist ja das, was da zusätzlich da-zukommt. Insofern geht es um kleine Beträge. DasRisiko, was ein solcher Tierhalter heute eingeht, er-wischt zu werden, müsste doch Abschreckung ge-nug sein, um zu sagen, darauf lasse ich mich nichtein. Da ist mir dann doch die Gefahr zu groß, dassich dann tatsächlich meine Existenz aufs Spiel set-ze. Also das würde ich mal ein bisschen relativie-ren, dass die genannten Anzuhörenden so ein Bei-spiel bringen bzw. so ein Argument, ist, glaube ich,auch nachvollziehbar. Insofern illegale Entsorgung -lassen Sie uns doch die 1,4 Mio. € in präventiveMaßnahmen hineinstecken! Ich bekomme solcheInformationen von großen Agrarbetrieben, dass aufihren Misthaufen dann wieder Kadaver gefundenwurden, die nicht aus dem Betrieb stammen. Las-sen Sie uns doch mal lieber darüber nachdenken,wie man dann - das gibt es in anderen Bereichenauch - dem nachgeht: Wo könnte denn der Kadaverherkommen? Ich bin da sehr optimistisch, dassman dann herausfindet, wer diese schwarzenSchafe sind.

Herr Primas, ich glaube, das ist immer so ein Pro-blem, wenn ich vor Ihnen spreche. Sie haben da IhrFeindbild, dann versuchen Sie das irgendwie einzu-bauen. Nicht ich habe die Anzuhörenden-Stellung-nahmen nicht gelesen und schon gar nicht auchnicht Ihren Entschließungsantrag - ich habe densehr genau gelesen -, sondern Sie haben meinerRede nicht zugehört. Ich habe Ihnen in allen dreiPunkten inhaltlich zugestimmt. Ich sage, inhaltlichalles in Ordnung. Das ist nicht der Grund, warumwir uns im Prinzip nicht auf Ihre Seite schlagen. Dahaben Sie ein völlig falsches Beispiel genannt beiZweitens. Ich habe das vorhin schon mal darge-stellt. Ich zitiere: „Das Bundesministerium für Er-nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hatdiesbezüglich im vergangenen Jahr eine Klarstel-lung im Tierseuchengesetz angekündigt.“ TrauenSie Ihrer eigenen Partei in Berlin so wenig, dassSie sagen, Mensch, das machen die nicht, daraufmüssen wir in Thüringen noch einmal hinweisen,dass die endlich ihren Job zu machen haben!Nichts anderes bedeutet das. Also ich habe dochgesagt, inhaltlich alles richtig, aber es sind Selbst-verständlichkeiten und die sind wenig geeignet,letzten Endes das, was für die Landwirtschaftsbe-triebe an Schaden entsteht, zu reparieren.

Letzter Punkt: Herr Primas, wann immer Sie sichdarauf beziehen, wenn ich hier vorn sage, dassHerr Voß - sehr unverdächtig, uns nahe zu ste-hen -, wenn Herr Voß bei Thüringen von einem Sa-nierungsfall spricht, wann immer Sie dann sagen,dass das doch ganz anders wäre, werde ich hiervor gehen und werde es immer wieder wiederholen:Das, was Thüringen ausmacht - die Dörfer, dieWirtschaft, die Infrastruktur -, ist auf Pump finan-

ziert. Ja und damit ist Schluss. Das heißt, dass das,was wir jetzt in diesem Bereich Tierkörperbeseiti-gung erleben, dass Dinge, die fachlich richtig wä-ren, nicht mehr finanziert werden können, da hatdie Tierärztekammer völlig recht. Wir gehen hier eingroßes Risiko ein. Das wird der Normalfall in Thü-ringen werden. Wir werden nach den Haushaltsver-handlungen uns anschauen und sagen, was ist ge-rade im ländlichen Raum alles schiefgegangen,wenn es um weiche Standortfaktoren geht, wenn esum Dinge geht, die ganz wichtig gewesen wären,um junge Menschen hier im Land zu halten. Wannimmer Sie davon ausgehen, dass Thüringen eineso tolle Finanzpolitik hinter sich hat in den letzten20 Jahren, werde ich hier vor gehen und sagen,das ist nicht so. Wir haben hier einen Haushalt zusanieren. Das ist leider dann auch der Grund dafür,warum wir solchen Gesetzentwürfen, die uns fach-lich völlig zuwider sind, zustimmen müssen, weil wiruns als Fraktion letzten Endes entschieden haben,das mit Ihnen gemeinsam zu versuchen. Noch ein-mal: Es ist schade, dass fachlich sinnvolle undauch Dinge, die eigentlich notwendig sind, hintenhinunterfallen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Augsten. ZuWort gemeldet hat sich jetzt noch einmal der Abge-ordnete Primas für die CDU-Fraktion.

Abgeordneter Primas, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, trotzdem bleibe ich dabei, dass unsere Dör-fer gut aussehen und dass es kein Fehler war, dasssie so gut aussehen.

(Beifall CDU)

Davon bringen Sie mich nicht ab. Wenn wir sagen,Sanierungsfall, dann ist völlig klar, wir können sonicht weitermachen. Wir müssen umsteuern, wirsind dabei. Kann ich Sie nun auffordern? So weitauseinander sind wir ja gar nicht, wenn ich diePresse lese und Ihren Beitrag höre, dass es inhalt-lich eigentlich gar nichts zu meckern gibt. Dass wireinen Entschließungsantrag hier bringen, einen Tagvorher, da machen wir doch nichts Ungewöhnli-ches. Das wäre ja gerade so, als würden Sie dasnicht tun. Das erlebe ich doch tagtäglich in Plenar-sitzungen, dass von einer Stunde zur anderen ir-gendein Antrag auf den Tisch kommt. Warum kriti-sieren Sie uns denn, wenn wir es auch einmal ma-chen? Wo ist denn das Problem? Das ist doch un-fair, Herr Kummer. Ich kann aber nichts dazu, ichhabe auch keine Lust jetzt, Sie hier nun noch zubelehren. Das mache ich nicht. Lesen Sie den Ent-schließungsantrag noch einmal richtig bezüglichder Mehrwertsteuer. Das, was Sie hier erzählt ha-

5302 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Dr. Augsten)

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ben, ist so nicht zutreffend. Lesen Sie richtig, wasgemeint ist, dann werden Sie auch schlau darausund sehen, dass das so nicht stimmt, wie Sie esvorgetragen haben. Ganz eindeutig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich willes noch einmal festhalten, entsorgungspflichtig istnach Gesetz nicht der Freistaat, sondern sind dieLandkreise, Frau Hitzing. Die Landkreise stehen alsEntsorgungspflichtige hier drin und was wir bis jetztgetan haben, ist, einen Zuschuss zu zahlen zu denKosten, die hier entstehen. Nicht der Freistaat istEntsorgungspflichtiger. Nur noch einmal zur Klar-stellung, weil das falsch dargestellt worden ist.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: ...Entsorgungspflicht der Landkreise und kreis-freien Städte haben wir als Gesetzgeber be-stimmt.)

Das ist so. Die Landkreise haben den Verband ge-gründet. Jetzt wäre es uns lieb gewesen, wenn derBauernverband so freundlich gewesen wäre undhätte uns Vorschläge gebracht, wie diese Belei-hungskiste auch geht mit diesem Zweckverband.Das hatten sie uns zugesagt. Das ist aber nicht ge-kommen, deswegen schreiben wir im Entschlie-ßungsantrag, das Ministerium möchte einmal prü-fen, inwieweit wir dort eine Möglichkeit sehen. Wirschreiben ja nicht, dass das so ist, sondern wir wol-len bitte einmal geprüft haben, inwiefern dort dieMöglichkeit besteht oder ob wir der Privatfirma dieBeleihung geben, Herr Kuschel, hören Sie zu, da-mit Sie das ausführen kann. Das ist eine Privatfir-ma, die das macht. Nur, dass wir das auch klar se-hen. Dann sind wir uns einig darüber. Es sind heuteviele Beispiele in die eine Richtung gesagt worden.Herr Kummer hat von 1910 angefangen und waswir alles und wie wir alles und wie viel Seuchen undwas das alles kostet - das hat gar nichts mit demGesetz zu tun, das will ich nebenbei nur sagen.Überhaupt nichts, gar nichts. Da will ich das andereBeispiel aber auch mal bringen. Ist es denn normal,dass man 40 Prozent Kälberverlust hat von denNeugeburten? Und davon sterben zufälligerweisenur die männlichen. Ist es denn normal, dass dasder Steuerzahler finanzieren soll? Ich habe jetztauch mal ein Extrembeispiel gesagt. Ist das dennnormal? Das kann doch nicht normal sein. HerrKummer, es ist auch nicht normal, wenn Sie hiervom Pult aus - und da bin ich wieder bei Dr. Aug-sten - den Tierhaltern sukzessive erklären, ihr seidalle Gesetzesbrecher, indem Sie sagen, die vergra-ben das sowieso, da bricht eine Seuche aus. Wiekönnen wir von vornherein sagen, dass sie so et-was tun? Das machen die nicht. Herr Augsten hates deutlich gesagt, dass es sich überhaupt nichtlohnt, so etwas zu tun. Wir reden da über Summen,die es nicht rechtfertigen, so etwas zu machen. Ichsehe diese Gefahr einfach nicht. Unter Mitwirkungder PDS in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Ein-stieg in die Finanzierung überhaupt erst gar nicht

geschehen und dort ist auch keine Seuche ausge-brochen, die das Land ins Chaos gestürzt hat,überhaupt nicht, in Sachsen-Anhalt nicht. In Bran-denburg sind sie jetzt auch dabei und es passiertüberhaupt nichts. Und zur Tierseuchenkasse willich auch noch einmal sagen, die sind jahrelang da-bei gewesen bei der Finanzierung, haben den An-teil der Bauern mitfinanziert und die sind deshalbausgestiegen, auch wenn es abgestritten wird, weilviele Landwirte, die dort eingezahlt haben, es nichtmehr eingesehen haben, dass sie für die Schlech-ten, die sich nicht mehr kümmern, den Beitrag mit-bezahlen müssen. Das war der Grund, warum sieausgestiegen sind. Das wird zwar offiziell so nichtdargestellt, aber es ist so, wenn man konkret nach-fasst. Wieso sollen wir das als Freistaat ständigweiterfinanzieren? Ich sage mal, Leute, so geht’sdoch nicht. Wenn wir in unserem Entschließungs-antrag hier schreiben, Dr. Augsten, dass wir dieseKlarstellung endlich mal brauchen, damit die Tier-seuchenkasse für den Tierseuchenfall als Vorbeu-gung wieder mit in die Finanzierung einsteigenkann, dann ist das nicht nur aus der Luft gegriffen,sondern das haben wir mit den Leuten diskutiert.Die haben uns gesagt, genau das fehlt, damit wirdas können, dann würden wir das ja auch wiedertun - so der Geschäftsführer der Tierseuchenkasse.Das wäre nicht das Problem gewesen. Dr. Augsten,das Geld, was wir hier einsparen, wird dringend be-nötigt, da spart das Ministerium gar nichts, sonderndas Geld wird dringend benötigt auch in diesemJahr schon für Bovine-Herpes-Prophylaxe, für dieImpfung, 500.000 € fehlen uns da. Das heißt, der01.08. ist nicht einfach nur so geschossen, sondernist der Grund, dass wir das Geld, was wir bis dahineinsparen, für diese Impfung brauchen. Das sindzusätzliche Ausgaben. Das ist der Grund. Wir ge-ben das Geld lieber für diese Vorsorge aus, alsdass wir anschließend für die Beseitigung der Tier-körper, die gefallen sind, das Geld ausgeben. Ichdenke, es ist sinnvoll und vernünftig, es so zu ma-chen. Ich bitte noch einmal um Zustimmung und bit-te auch um Zustimmung zu unserem Entschlie-ßungsantrag und bitte nicht Überweisung an denAusschuss.

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Herr Abgeordneter Primas, gestatten Sie noch eineFrage des Abgeordneten Kummer.

Abgeordneter Primas, CDU:

Natürlich, ja.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Herr Primas, ist Ihnen bekannt, dass mit Mitteln derTierseuchenkasse bisher z.B. die Scrapiesanie-rung, das ist eine BSE-ähnliche Erkrankung beim

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5303

(Abg. Primas)

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Schaf, in Thüringer Beständen als vorbeugendeMaßnahme finanziert worden ist?

Abgeordneter Primas, CDU:

Selbstverständlich ist mir das bekannt. Wieso auchnicht?

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Das läuft doch alles schon.

Abgeordneter Primas, CDU:

Das läuft, aber jetzt sind wir für die Bovine-Herpes-Prophylaxe, diese Impfung für die Rinder, zustän-dig. Die ist ganz wichtig und die finanziert das Mi-nisterium. Die könnten wir nicht machen, wenn wirdas Geld nicht haben. Zusätzliches Geld ist nichtda und wir müssten eine überplanmäßige Ausgabehaben. Ich denke, dass wird die Ministerin vielleichtnoch sagen. Aber das ist egal. Dafür brauchen wirdas Geld viel, viel wichtiger als für die gefallenenTiere. Danke schön.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen Dank, Herr Primas. Frau Mühlbauer hat dieWortmeldung zurückgezogen. Gibt es weitere Wort-meldungen aus den Reihen der Abgeordneten?Das ist nicht der Fall. Dann hat jetzt das Wort dieMinisterin Frau Taubert.

Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Ge-sundheit:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen undHerren Abgeordneten, ich möchte nicht wiederho-len, was wir bei der Einbringung des Gesetzent-wurfs gesagt haben, warum wir den Gesetzentwurfeinbringen.

Ich habe aber gemerkt, wir sind jetzt bei Punkt 2von 33 Tagesordnungspunkten, wir haben also oh-ne Ende Zeit und uns ist der Tagesordnungspunktauch sehr wichtig, deswegen möchte ich ein paarFeststellungen treffen und dazu etwas sagen.

Zunächst einmal braucht die FDP-Fraktion - sowohldie Kommunalpolitiker, die es besser wissen müss-ten, als auch Frau Hitzing insbesondere, die dafürnicht zuständig ist, aber hier gesprochen hat -Nachhilfeunterricht: Wie ist der Zusammenhangzwischen kommunaler Selbstverwaltung und Kom-munalem Finanzausgleich? Da nehme ich es FrauHitzing nicht krumm; Sie sind für so viel zuständig,das kann man ihr nicht übel nehmen bei so wenigAbgeordneten, dass Sie nicht alles so wissen.

Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, weilich mit Herrn Prof. Huber damals beim Verfas-sungsgericht war und das Gericht auch habe spre-

chen hören: Die kommunale Selbstverwaltung istuns allen ein hohes Gut - Herr Bergner, Ihnenauch -, die ist verfassungsrechtlich gesichert. Dasbedeutet, beim Kommunalen Finanzausgleich darfman nicht alles ganz konkret zuordnen, sondernman muss einen Teil des Geldes pauschaliert andie Kommune übergeben. Da gibt es Regulariendazu, die will ich jetzt gar nicht ausführen. So weit,so gut. Das heißt, wer für die kommunale Selbst-verwaltung redet, muss auch für diesen Teil spre-chen. Deswegen ist es eben nicht nur falsch, son-dern auch durchaus, wenn Sie es wissen, hättenSie nicht richtig geantwortet, dass wir beim Kita-Ge-setz die Kommune über den Tisch gezogen haben.Das haben wir eben nicht. Wir haben es in diesePauschale gesteckt und nur einen Teil ...

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie müs-sen doch sagen, was Sie versprochen habenund was dabei rausgekommen ist.)

Wir haben genau das versprochen, was wir ge-macht haben und dann auch zukünftig machenwerden. Ihr Einwand zeigt eben sehr deutlich, dassSie es leider nicht verstanden haben, wie sich derKommunale Finanzausgleich im Zusammenhangmit der kommunalen Selbstverwaltung finanziert.

(Beifall SPD)

Eineinhalb Jahre sitzen Sie jetzt im Landtag undSie sind nicht in der Lage gewesen, das so in sichaufzunehmen, dass Sie dann wenigstens klareAussagen dazu treffen können.

Natürlich ist Sparen konkret und wenn es konkretwird, wird es heikel. Dann haben wir immer Interes-sengruppen vor uns, die uns sagen, warum es andieser Stelle nicht geht. Hier sehen wir auch denKonflikt, den wir mit den Kommunen haben. DieKommunen haben uns gesagt, auch mir als Minis-terin, Herr Dohndorf hat gesagt: Jeden Einzelnenverhafte ich beim Sparen im Kommunalen Finanz-ausgleich; ihr müsst lieber selber sparen. Hier ha-ben wir eine Abwägung vorgenommen bei uns imHaus an einer Stelle, wie wir es an anderen Stellenim vergangenen Jahr für dieses Jahr schon getanhaben und auch in diesem Jahr tun für das kom-mende Haushaltsjahr. Wir haben abgewogen, wasist uns ganz besonders wichtig. Da ist uns eben,Herr Kummer, die Prophylaxe ganz besonderswichtig, genauso, wie Sie es beschrieben haben.Wir haben Schafherden durchgeimpft, eben damitdie Zoonosen sich nicht ausbreiten. Es ist nicht nurder Teil fiskalisch hinterlegt im Rahmen der Tier-seuchenbekämpfung, so wie Sie es beschriebenhaben, sondern wir tun viele praktische Dinge, in-dem wir Geld in die Hand nehmen und prophylak-tisch tatsächlich versuchen, den Bauern da unter-stützende Hilfe zu geben. Es ist ausgeführt worden,ich möchte das nicht so tun. Das heißt, wir tun eineMenge im Rahmen der Prävention und ein Teil da-von war hier. Wir haben uns aus unterschiedlichen

5304 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Kummer)

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Gründen auch deswegen, was Herr Primas an-sprach, weil wir eben in bestimmten Tierbeständen,und das sind nun mal Großtierbestände, solcheVerluste haben. Das klingt ja jetzt mal ganz gut,dass es Verluste sind und die Tierkörper eben be-seitigt werden müssen. Es ist im Rinderbestandschon ein Ding, wo man hinterfragen muss, warumist das so, und wir tatsächlich nicht mehr bereitsind, das auch mit zu finanzieren. Insofern kann ichauch überhaupt nicht nachvollziehen, dass es einVersicherungsbeitrag ist, der da gestrichen wordenist. Es tut mir leid, das ist außerhalb meiner Vorstel-lungskraft. Insofern halte ich das auch nicht für rich-tig.

Sie hatten andere Bundesländer angesprochen.Wie gesagt, die Vergleiche sind mittlerweile auchhier gesagt worden. Wir wollen Tierseuchen, soweit es geht, vermeiden. Wir wollen den Bauern ander Stelle helfen, nicht nur mit der Beratung, son-dern auch mit Geld, und es ist nicht wenig Geld fürden Freistaat. Deswegen halten wir den Gesetzent-wurf für ganz wichtig. Wir befinden uns da meinesErachtens auch nicht im Zeitgeist, sondern in derNotwendigkeit, da der Freistaat Thüringen ein klei-ner Freistaat ist mit ca. 2,2 Mio. Einwohnern, dersich sehr genau überlegen muss, an welcher Stellewir Geld ausgeben wollen. Das bleibt uns und dasbleibt Ihnen nicht erspart, wir haben es an dieserStelle getan. Ich bitte um Zustimmung zum Gesetz-entwurf. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Vielen herzlichen Dank, Frau Ministerin Taubert. Esgibt keine weiteren Wortmeldungen.

Damit kommen wir zur Abstimmung zu dem Ge-setzentwurf, und zwar zuerst über den Änderungs-antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN inder Drucksache 5/2924. Wer diesem Änderungsan-trag die Zustimmung geben möchte, den bitte ichjetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmender Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stim-men aus den Fraktionen CDU und SPD. Gibt esEnthaltungen? Das sind die Stimmen der FraktionDIE LINKE. Damit ist dieser Änderungsantrag ab-gelehnt.

Wir kommen zum Zweiten zur Abstimmung über dieBeschlussempfehlung des Ausschusses für Land-wirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz in derDrucksache 5/2917 unter Berücksichtigung des Er-gebnisses, dass der Änderungsantrag der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt wurde. Wermöchte dieser Beschlussempfehlung so zustim-men, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Dassind die Stimmen der Fraktionen CDU und SPD.Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen derFraktionen FDP und DIE LINKE. Gibt es Enthaltun-

gen? Das sind die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und eine Enthaltung aus derFraktion DIE LINKE. Damit ist die Beschlussemp-fehlung dennoch angenommen.

Wir kommen zum Dritten zur Abstimmung über denGesetzentwurf der Landesregierung in der Druck-sache 5/1755 in zweiter Beratung unter Berücksich-tigung, wie gesagt, natürlich des Ergebnisses derAbstimmung der Beschlussempfehlung in Drucksa-che 5/2917. Wer diesem so zustimmen möchte,den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sinddie Stimmen der Fraktionen CDU und SPD. Gibt esGegenstimmen? Das sind die Stimmen aus derFraktion DIE LINKE. Enthaltungen? Das sind dieStimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Gesetzentwurf ange-nommen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Ge-setzentwurf in der Schlussabstimmung. Ich bitteSie, sich dafür von den Plätzen zu erheben, wer da-für stimmt zunächst. Das sind die Abgeordnetender Fraktionen SPD und CDU. Danke schön. Gibtes Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus denReihen der Fraktion DIE LINKE. Gibt es Enthaltun-gen? Das sind die Stimmen der Fraktionen FDPund BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Ge-setzentwurf angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag. Hier wurde Ausschussüberwei-sung beantragt, und zwar an den Ausschuss fürLandwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz.Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, denbitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind dieStimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstim-men? Das sind die Stimmen aus den FraktionenCDU und SPD. Gibt es Enthaltungen? Das ist nichtder Fall. Damit ist die Ausschussüberweisung ab-gelehnt.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag. Wer diesem folgen möchte, denbitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind dieStimmen aus den Reihen CDU und SPD. Gibt esGegenstimmen? Das sind die Stimmen aus derFraktion der FDP und eine Stimme aus der SPDsowie eine aus der Fraktion DIE LINKE. Gibt esEnthaltungen? Das sind die Stimmen mehrheitlichaus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Entschließungsan-trag der Fraktionen der CDU und SPD in der Druck-sache 5/2923 so beschlossen und ich schließe die-sen Tagesordnungspunkt.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein und die Sit-zung wird fortgesetzt um 13.55 Uhr hier im Raum.Vielen Dank.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5305

(Ministerin Taubert)

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Vizepräsident Gentzel:

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf denTagesordnungspunkt 33

Nachwahl eines stellvertreten-den Mitglieds des ThüringerVerfassungsgerichtshofsWahlvorschlag der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/2890 -

Dazu folgender Hinweis: Das bisherige stellvertre-tende Mitglied Frau Brigitte Baki hat mitgeteilt, dasssie ihren Lebensmittelpunkt fortan außerhalb Thü-ringens hat. Gemäß Artikel 79 Abs. 3 Satz 3 derVerfassung des Freistaats Thüringen und § 3Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des ThüringerVerfassungsgerichtshofsgesetzes wählt der Land-tag die Mitglieder des Thüringer Verfassungsge-richtshofs und deren Stellvertreter mit der Mehrheitvon zwei Dritteln seiner Mitglieder für die Dauer vonfünf Jahren. Die Wahl erfolgt in geheimer Wahl oh-ne Aussprache. Als Nachfolger für Frau Baki wurdeFrau Renate Licht vorgeschlagen. Der Wahlvor-schlag liegt Ihnen in der Drucksache 5/2890 vor.

Dazu wird wie folgt verfahren - zunächst zumStimmzettel: Auf dem Stimmzettel, den jeder Abge-ordnete erhält, steht der Name von Frau Licht undes wird entweder mit Ja, Nein oder Enthaltung ab-gestimmt, das heißt angekreuzt. Als Wahlhelfer be-rufe ich die Abgeordneten Dr. Voigt, Frau Berningerund Herrn Metz.

Ich eröffne die Wahlhandlung und bitte die Schrift-führer, die Namen zu verlesen.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Dirk Adams, Dr. Frank Augsten, Matthias Bärwolff,Uwe Barth, Rolf Baumann, Gustav Bergemann,Dirk Bergner, Sabine Berninger, André Blech-schmidt, Christian Carius, Birgit Diezel, Hans-Jür-gen Döring, Sabine Doht, David-Christian Eckardt,Volker Emde, Petra Enders, Wolfgang Fiedler, Hei-ko Gentzel, Manfred Grob, Gerhard Günther, Chri-stian Gumprecht, Dr. Thomas Hartung, Ralf Hau-boldt, Dieter Hausold, Manfred Hellmann, SusanneHennig, Matthias Hey, Michael Heym, Franka Hit-zing, Uwe Höhn, Gudrun Holbe, Elke Holzapfel, Mi-ke Huster, Margit Jung, Regine Kanis, Dr. Karin Ka-schuba, Birgit Keller, Jörg Kellner, Thomas Kem-merich, Dr. Birgit Klaubert, Katharina König, MarianKoppe, Knut Korschewsky, Maik Kowalleck.

Abgeordneter Bärwolff, DIE LINKE:

Horst Krauße, Klaus von der Krone, Jörg Kubitzki,Dagmar Künast, Frank Kuschel, Annette Lehmann,Wolfgang Lemb, Ina Leukefeld, Christine Lieber-knecht, Dr. Gudrun Lukin, Dorothea Marx, Chri-

stoph Matschie, Beate Meißner, Peter Metz, Car-sten Meyer, Mike Mohring, Eleonore Mühlbauer,Birgit Pelke, Egon Primas, Dr. Werner Pidde, BodoRamelow, Lutz Recknagel, Jürgen Reinholz, Marti-na Renner, Astrid Rothe-Beinlich, Manfred Scherer,Fritz Schröter, Jennifer Schubert, Heidrun Sedlacik,Anja Siegesmund, Michaele Sojka, Karola Stange,Christina Tasch, Heike Taubert, Heinz Untermann,Dr. Mario Voigt, Marion Walsmann, Frank Weber,Siegfried Wetzel, Katja Wolf, Henry Worm, GeroldWucherpfennig, Dr. Klaus Zeh.

Vizepräsident Gentzel:

Ich schaue in die Runde und frage, ob jeder Abge-ordnete die Möglichkeit hatte, seine Stimme abzu-geben. Ich sehe keinen Widerspruch. Damit schlie-ße ich die Wahlhandlung und bitte um Auszählungder Stimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stellefolgendes Wahlergebnis fest: abgegebene Stimm-zettel 83, gültige Stimmzettel 83. Ich bemerke dazu,dass nach der Anwesenheitsliste 86 Abgeordnetehätten anwesend sein müssen. Mit Ja für denWahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE haben61 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 17 Ab-geordnete gestimmt. 5 Abgeordnete haben sich derStimme enthalten. Das notwendige Quorum, alsodie Zweidrittelmehrheit hat 59 Stimmen betragen.Damit ist Frau Licht gewählt.

(Beifall im Hause)

Frau Licht ist leider verhindert, an der heutigenWahl teilzunehmen und den Eid zu leisten. Ich ge-he davon aus, dass sie die Wahl annimmt. Ich bitte,ihr meine Glückwünsche und damit die Glückwün-sche dieses Hohen Hauses zu übermitteln. Ernen-nung und Vereidigung von Frau Licht werden wirdann in der nächsten Plenarsitzung im Monat Julidurchführen. Damit schließe ich den Tagesord-nungspunkt.

Wir machen in der Tagesordnung einen kühnenSprung zurück, nämlich zum Tagesordnungs-punkt 3, den ich hiermit aufrufe

Thüringer Gesetz zur Regelungder Versorgung und der Alters-grenzen der Beamten undRichter sowie zur Änderungweiterer dienstrechtlicher Vor-schriften

5306 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

Page 51: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/2514 -dazu: Beschlussempfehlung des

Haushalts- und Finanzaus-schusses- Drucksache 5/2893 -

dazu: Änderungsantrag der Frak-tion der FDP- Drucksache 5/2925 -

ZWEITE BERATUNG

Zunächst hat Herr Abgeordneter Kowalleck dasWort zur Berichterstattung aus dem Haushalts- undFinanzausschuss.

Abgeordneter Kowalleck, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, der vorliegende Gesetzentwurf der Landes-regierung in Drucksache 5/2514 „Thüringer Gesetzzur Regelung der Versorgung und der Altersgren-zen der Beamten und Richter sowie zur Änderungweiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ wurde durchBeschluss des Landtags vom 14. April 2011 an denHaushalts- und Finanzausschuss überwiesen. DerHaushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetz-entwurf in seiner 31. Sitzung am 14. April 2011, inseiner 32. Sitzung am 12. Mai 2011 und in seiner33. Sitzung am 9. Juni 2011 beraten sowie einschriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. DerHaushalts- und Finanzausschuss hat in seiner33. Sitzung am 9. Juni 2011 den Änderungsantragder Fraktionen der CDU und SPD in Vorlage5/1352 mehrheitlich angenommen. Der Haushalts-und Finanzausschuss beschloss in seiner 33. Sit-zung am 9. Juni 2011 mehrheitlich, die Annahmedes Gesetzentwurfs der Landesregierung „Thürin-ger Gesetz zur Regelung der Versorgung und derAltersgrenzen der Beamten und Richter sowie zurÄnderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ inDrucksache 5/2514 zu empfehlen.

Entsprechend der Geschäftsordnung nachfolgenddie wesentlichen Ansichten der Auskunftspersonen.

Zunächst zu Artikel 1 § 13: Der Bund der Steuer-zahler Thüringen e.V. kritisiert, dass die Zeit alsMitglied der Bundesregierung oder einer Landesre-gierung als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkanntwird. Da aus den Amtszeiten in der Regel eigen-ständige Versorgungsansprüche entstehen und soeine Doppelversorgung in der Beamtenversorgungund Ministerversorgung erfolgen würde.

Weiterhin zu Artikel 1: Die Gewerkschaft Erziehungund Wissenschaft, Landesverband Thüringen, kriti-siert die Begrenzung der Ruhegehaltfähigkeit vonVordienstzeiten im privatrechtlichen Beschäfti-gungsverhältnis im öffentlichen Dienst auf fünf Jah-re und fordert die Wiederherstellung der gegenwär-

tigen Rechtslage, die eine unbegrenzte Berücksich-tigung ermöglicht.

Durch den Bund der Steuerzahler Thüringen wirdkritisiert, dass die Anrechnung von Studienzeitenals ruhegehaltfähige Dienstzeit weiterhin bis zu dreiJahren möglich ist, da diese in der gesetzlichenRentenversicherung inzwischen nicht mehr berück-sichtigt werden.

Weiterhin wird kritisiert, dass durch die neue Staffe-lung der Unfallentschädigung nach dem Grad derMinderung der Erwerbsfähigkeit Mehrkosten insbe-sondere durch die Zahlung an Hinterbliebene ent-stehen können. Es wird angeregt, da das Sterbe-geld für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversi-cherung entfallen ist, soll auch das Sterbegeld fürBeamte abgeschafft werden.

Durch den LSVD wird die Gleichstellung eingetra-gener Lebenspartner in der Hinterbliebenenversor-gung begrüßt. Der Gemeinde- und Städtebundlehnt die Absenkung des Eingangsruhegehaltssat-zes von 35 vom Hundert auf 33,48345 vom Hundertbei kommunalen Wahlbeamten ab. Durch den Bundder Steuerzahler Thüringen wird vorgeschlagen:Soweit der Forderung zu Artikel 6 bezüglich derFestlegung einer Mindestaltersgrenze für den An-spruch auf Ruhegehalt nicht gefolgt wird, müsstedie großzügige Anrechnungsvorschrift des § 77Abs. 7 enger gefasst werden. Zudem wird die mög-liche Anerkennung von Studienzeiten als ruhege-haltfähige Dienstzeit bis zu drei Jahren kritisiert.

Durch Beamtenbund und Tarifunion Thüringen, denDeutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen,die Deutsche Polizeigewerkschaft, LandesverbandThüringen, wird der Wegfall des Ausgleichs für be-sondere Altersgrenzen kritisiert. Durch den Bundder Steuerzahler wird kritisiert, dass die Zeiten derAufbauhilfe von Beamten und Richtern aus demfrüheren Bundesgebiet im Beitrittsgebiet doppelt alsruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden.

Ich komme anschließend zu Artikel 2: Der Wegfallder Regelung zur Ruhegehaltfähigkeit von Zulagenaus dem Thüringer Besoldungsgesetz wird kritisiert.Der DGB fordert die Wiedereinführung der Ruhege-haltfähigkeit der Polizeizulage.

Zu Artikel 3: Der Deutsche Hochschulverband, Lan-desverband Thüringen, teilt dem Grunde nach dieEntscheidung über die schrittweise Anhebung derAltersgrenzen entsprechend dem Rentenrecht. DerBeamtenbund und Tarifunion Thüringen kritisiertebenso wie die GEW, die Deutsche Polizeigewerk-schaft und ver.di die parallel zum Rentenrecht vor-gesehene Anhebung der Altersgrenze auf 67.

Artikel 6, Änderung des Thüringer Gesetzes überkommunale Wahlbeamte: Im Gesetz bleibt erhal-ten, dass hauptamtliche kommunale Wahlbeamtenach Ablauf ihrer Amtszeit in den Ruhestand treten,wenn eine Dienstzeit von fünf Jahren abgeleistet

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5307

(Vizepräsident Gentzel)

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wurde. Soweit der Bund der Steuerzahler Thürin-gen dies interpretiert, steht damit dem hauptamtli-chen kommunalen Wahlbeamten schon nach die-ser kurzen Zeit Ruhegehalt zu, obwohl die Alters-grenze noch nicht erreicht ist. Dies wird kritisiert.

Zu Artikel 9 und 10, Änderung der Thüringer Ver-ordnung über die Arbeitszeit der Beamten bzw. Än-derung der Thüringer Verordnung über die Polizei-vollzugsbeamten: Die grundsätzliche Anpassungder Arbeitszeit der Beamten von 42 auf wieder40 Stunden im Einklang mit der Arbeitszeit der Ta-rifbeschäftigten wird ausdrücklich begrüßt. Der Be-amtenbund und Tarifunion Thüringen und die Deut-sche Polizeigewerkschaft regen an, bei der Rück-kehr zur 40-Stunden-Woche auch über eine Weiter-führung der Familienkomponente bei der Arbeits-zeitgestaltung für Bedienstete mit Kindern bis zu ei-nem gewissen Alter und pflegedürftigen Angehöri-gen nachzudenken. Vielen Dank für Ihre Aufmerk-samkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsident Gentzel:

Besten Dank für die Berichterstattung. Ich eröffnejetzt die Aussprache. Als Erster hat das Wort derAbgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN.

Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, ein spannendes Thema nach der Mittags-pause, das wir heute zu beraten haben. Dies sicherauch für viele, die uns jetzt wahrscheinlich geradezusehen werden per Internet, ein wirklich spannen-des Thema, nämlich für alle die, die davon betrof-fen sind, wenn es um die Regelarbeitszeit geht unddie Lebensarbeitszeit. Insofern will ich versuchen,dieses Thema in der angemessenen Zeit zu behan-deln.

Wir haben zwei wesentliche Punkte in diesem Ge-setzentwurf, das sind die Arbeitszeit der Beamtin-nen und Beamten und die Regelaltersgrenze.Grundsätzlich, darüber haben wir uns auch schonin der ersten Beratung und im HuFA ausgetauscht,ist die Angleichung an die Regelungen für Ange-stellte und Arbeiterinnen und Arbeiter richtig unddas wird von unserer Fraktion auch so mitgetragen.Die 40-Stunden-Woche, daran sei noch einmal er-innert, sorgt auch dafür, dass beispielsweise dieEinordnung in notwendige Schichtarbeiten besserdurchgeführt werden kann, als das mit 42 Wochen-stunden der Fall gewesen ist. Argumente, die mitdem Thema in Zusammenhang gebracht werden,weil es auch immer gleich um das Thema der Le-bensarbeitszeit geht. Ich möchte in einem kleinenGedankenexperiment versuchen zu klären, warum

wir dieser Wochenarbeitszeitverkürzung und damitder Lebensarbeitszeitverlängerung zustimmen.Was würden Sie für menschen- und familienfeindli-cher halten: eine 50-Stunden-Woche und eine Ren-te mit 60 oder eine 35-Stunden-Woche und arbei-ten bis 72? Das wäre von der Arbeitsleistung heretwa vergleichbar, die man schuldet. Diese Debattewird ja auch so geführt.

Ich sehe bei der LINKEN Überraschung,

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Soein Quark.)

aber genau diese Debatte werden wir so führenmüssen, denn die Arbeitsleistung, sprich die Zeit,die wir „unserem Dienstherren“ schulden oder auchin sozialversicherungspflichtigen Angestelltenver-hältnissen sind, hat gerade etwas mit der großenFrage zu tun, wie viel Leistung wir erbringen kön-nen für die Sozialsysteme. Die Sozialsysteme wie-derum sind unter anderem auch das Thema diesesAntrags.

Wodurch wäre bei diesem Gedankenexperimentdas Bedürfnis nach arbeitsfreier Zeit in der jeweili-gen Zeit, in der man persönlich diese Zeit brauchtfür Familienarbeit zum Beispiel oder auch, weil mannicht mehr arbeiten kann, wohl besser aufgehobenund wann wäre die Regenerationsfähigkeit unsererKolleginnen und Kollegen eigentlich besser: bei35 Stunden und einer längeren Lebensarbeitszeitoder bei 60 oder 50 Stunden und einer kürzerenLebensarbeitszeit? Dass wir uns alle wünschen,weniger zu arbeiten pro Woche und im Leben, dasist davon ausgenommen. Das, glaube ich, muss ichnicht weiter betonen.

Die langfristige Entwicklung der Arbeitswelt zielt -und das wissen wir alle, das können wir bedauernoder auch nicht - auf die Aufhebung der Trennungvon Arbeit, Freizeit und Ruhestand und auf eineVermischung von Arbeitsformen und auch von Ar-beitsangestelltenformen. Die Finanzierung der Ren-ten- und Pensionssysteme ist eines der Hauptthe-men der bundesweiten Sozialpolitik wahrscheinlichfür die nächsten Jahrzehnte. Das ist auch einemehr oder weniger banale Aussage. Aber hierzu,kann man feststellen, leistet das Gesetz einen sehrkleinen, aber doch immerhin spürbaren Beitrag. Eskommt sehr spät. Die Angleichung beispielsweiseder Höchstversorgung für Beamtinnen und Beamtehätte schon vor zwei Jahren und schon davor, ei-gentlich in der letzten Periode geschehen können.Aber diese Meckerei wollte ich eigentlich nur kurzangesprochen haben und nicht weiter ausführenhier.

Zu einzelnen Aspekten vielleicht noch: Was die ru-hegehaltfähige Vordienstzeit auf fünf Jahre angeht,die daraufhin begrenzt werden soll, diese Regelungerscheint uns auch nach der nochmaligen Interven-tion durch die Vertretungen der Beamtinnen und

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(Abg. Kowalleck)

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Beamten für sachgerecht. Auch für über 55-jährigeBetroffene sind doch wohl bei mehr als fünf Jahreneiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungregelmäßig Rentenansprüche für diese Zeiten ent-standen. Ich verweise da mal ausdrücklich auch aufdie Begründung des Gesetzentwurfs, der ausführt,dass man im Gegenteil bisher sogar die Problema-tik hat, dass es Doppelversorgungssituationen ge-ben kann. 55-Jährige wären zu Zeiten der Wendeübrigens 35 Jahre alt gewesen. Das Thema, vorherBeamte sein, war eher ausgeschlossen, jedenfallsnach bundesdeutschem Recht. Ich glaube, dasThema hat sich mittlerweile tatsächlich, was die An-sprüche angeht, doch sehr erledigt.

Was die Erhöhung der Versorgungsabschläge zum62. Lebensjahr angeht, hat das wiederum damit zutun, dass insgesamt ja auch die Arbeitszeit auf 67Jahre schrittweise angehoben werden soll. Dazuvielleicht noch eine kurze Bemerkung, was den Ein-tritt in den Ruhestand angeht. Ich habe mir mal eini-ge - genau genommen vier - Zahlen herausgeholtund habe bewusst die Frauen genommen, weil dieinteressanterweise die interessanteren Verläufe ha-ben. Die Entwicklung der Bezugsdauer von Pensio-nen und Renten in Ostdeutschland hat sich von1995 bis 2007 für Frauen von 19,6 auf 22 Jahre er-höht, also rund 2,4 Jahre innerhalb von zehn Jah-ren, und für Frauen in Westdeutschland von 1980bis 2007 - also jetzt über einen Zeitraum von 27Jahren - von 13,4 auf 19,4 Jahre. Dieses Problem,dass wir sechs Jahre länger Renten- und Pensions-ansprüche bedienen müssen, ist das Thema desFinanzministers und des Vorschlags der Regie-rungskoalition in diesem konkreten Fall.

Zum Änderungsantrag der FDP, den wir heute aufden Tisch bekommen haben, noch einige Worte:Ich habe die beiden Begriffe „Inkonsequenz“ und„Lobbyismus“ für diesen Antrag mir aufgeschriebenund will das gern auch versuchen zu begründen.Ein typischer FDP-Antrag, finde ich, weil er völlig in-konsequent davon spricht, dass es eigentlich dasMantra der Partei heißt, der Freistaat muss sparen,wo immer es geht, nur nicht bei der eigenen Klien-tel, da darf es ruhig mehr Geld kosten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie hier machen, ist, zweimal dafür zu sorgen,dass Ihre Klientel respektive Ihre vermeintliche Kli-entel Geld bekommt. Wir haben es bei dem Thema,die Anrechnung von Vordienstzeiten auf fünf Jahrezu begrenzen, mit einem Volumen zu tun, das dieRegierung mit geschätzten 600 Mio. € angibt. Daswieder infrage zu stellen, ist für jemanden, der be-hauptet, dass man mit ganz anderen Kleinigkeitenden Haushalt sanieren kann, eine gewagte Be-hauptung. Und noch einmal, die Begründung dafürist meiner Ansicht nach stichhaltig. Wer länger alsfünf Jahre bereits vor dem Beamtendasein eine so-zialversicherungspflichtige Beschäftigung hatte, hat

Rentenansprüche erworben in aller Regel. Anson-sten gebe ich Ihnen gleich noch ein Beispiel dafür,wie ich es machen würde, wenn ich nach IhremMotto handeln müsste und meine Lebensarbeitszeitund mein Gehalt aufbessern möchte.

Das zweite Thema ist Lobbyismus: „20 JahreSchicht und Wechselschicht oder vergleichbar bela-stend unregelmäßige Dienste“ - das war jetzt ein Zi-tat aus dem vorliegenden Änderungsantrag - würdealso bedeuten, wenn ein Arbeitgeber, egal ob öf-fentlich oder privat, Arbeitsverhältnisse duldet odersogar einrichtet, die nach nicht einmal der Hälfteder Lebensarbeitszeit zu einem vorzeitigen Ruhe-stand führen, denn das wären 20 Jahre bei einerangenommenen Lebensarbeitszeit von 45 Jahren,dann würde er gegen jeden betriebswirtschaftlichenGrundsatz handeln - das mal das Allererste für dieFDP jetzt mal gesprochen, das wäre nicht meinePriorität, damit anzufangen, aber Ihre vielleicht -,um das Erhalten des Arbeitsvermögens von Be-schäftigten auch sicherzustellen. Wer es fertigbringt, Mitarbeiter so zu belasten in Schichtarbeit,dass sie nach 20 Jahren in den Ruhestand gehenmüssen, wenn sie mit 40 Jahren anfangen, der hataber tatsächlich richtig etwas falsch gemacht. Undwenn das in diesem Land so üblich sein sollte inden Gefängnissen oder bei der Polizei, meine sehrgeehrten Damen und Herren, dann braucht es et-was ganz anderes als solche Änderungsanträge.Dann allerdings, lieber Herr Innenminister, lieberHerr Justizminister, müssen wir richtig an das The-ma herangehen - es sind beide nicht da.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das ändert man nicht mit so einem Antrag, der600 Mio. € kostet.

Man handelt natürlich auch gegen den sich ab-zeichnenden Trend, dass die älteren Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer im Betrieb gehalten wer-den müssen und gehalten werden sollen aus vieler-lei guten Gründen. Wer das nicht hinbekommt, dasArbeitsvermögen im abzeichnenden Fachkräf-temangel hinzubekommen und gerade auch imländlichen Raum - wir reden jetzt beispielsweisevon den Justizvollzugsanstalten -, der hat auch dasnicht begriffen. Es würde wahrscheinlich auch ge-gen eine ganze Reihe von Geboten des Arbeits-schutzes und des Dienstrechts verstoßen, wenn wirmassenweise feststellen müssten, dass nach20 Jahren Dienst im Schichtdienst die Leute nichtmehr in der Lage wären, noch bis 67 arbeiten zukönnen.

Dann zum Schluss, auch das ist allerdings vomHerrn Minister in der Sitzung ausgeführt worden,gilt auch da das Gleichheitsprinzip. Sie können mirnicht erklären, warum Schichtdienst in Krankenhäu-sern, privaten Krankenhäusern oder in privaten Un-ternehmen 45 Jahre lang durchgehalten werdenmuss oder soll oder auch wird, aber 20 Jahre

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5309

(Abg. Meyer)

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Schichtdienst bei der Polizei oder im Justizvollzugs-dienst im Verhältnis dazu dermaßen aufreibendsind, dass das nicht möglich ist, das anders zu lö-sen und dafür zu sorgen, dass die Menschen ge-sund in ihren Ruhestand gehen können. Das erhal-ten sie jedenfalls nicht dadurch, dass sie den Leu-ten sagen, sie können mit 60 in den Ruhestand ge-hen, das auf gar keinen Fall. Das ist eine völligeVerkennung der Frage, was wir tun müssen, umunsere Mitarbeiter und Beschäftigten gesund zu er-halten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten, würde ich Ihnen vorschlagen, gehenSie nach draußen und sagen den Menschen: Kom-men sie bitte mit 39 Jahren zu uns, machen sie vor-her irgendetwas Nettes, womit sie gut Geld verdie-nen, und mit 39 kommen sie zu uns, werden Beam-ter und nach 20 Jahren können sie dann mit60 Jahren in Rente gehen, wenn sie Schicht gear-beitet haben. Diese Art von Erwerbsbiographiekann unmöglich die Lösung sein und schon gar kei-ne Lösung für unsere Finanzprobleme in diesemLand.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Als ob dasso einfach geht.)

Das geht eben gerade nicht so einfach. Darum istauch Ihr Antrag Mumpitz. Das habe ich gerade ver-sucht deutlich zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das geht eben nicht.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist Ih-nen noch nicht gelungen.)

Dass mir das Ihnen gegenüber noch nicht gelungenist, das nehme ich zur Kenntnis. Das muss an mirliegen.

Abschließend kann man feststellen, dies ist einnachholendes Gesetz. Sie hätten das schon vorJahren machen können, aber das, was dieses Ge-setz nachholt, ist notwendig. Wir hätten uns nochmehr gewünscht. Ich glaube auch nicht, dass diemaximal erreichbaren Ruhegehaltsquoten vom letz-ten Gehalt der Weisheit letzter Schluss sein wer-den. Aber dieses Fass mache ich heute nicht auf.Die Beamtinnen und Beamten warten darauf, dassdieses Gesetz in Kraft tritt, vor allem damit auchendlich die 40-Stunden-Woche kommt. Ich glaube,die meisten Kolleginnen und Kollegen wissen,warum das im Zusammenhang steht mit einer er-höhten Lebensalterszeit. Wir wissen, dass es nochweiteren Regelungsbedarf gibt. Wir haben im Haus-halts- und Finanzausschuss dazu gesprochen. Ichverweise auf den Bund der Steuerzahler, der sehrrichtig erkannt hat, dass in Artikel 6 über das The-ma kommunale Wahlbeamte noch mal dringlich zureden sein wird. Das werden wir, denke ich, auchtun, das ist angekündigt. Darauf können Sie sich

verlassen. Ansonsten erklären wir, dass wir demÄnderungsantrag der FDP selbstverständlich nichtzustimmen, aber dem Gesetzentwurf, der vorliegt,schon. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt dieAbgeordnete Keller von der Fraktion DIE LINKE.

Abgeordnete Keller, DIE LINKE:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren, DIE LINKE lehnt die Rente mit 67 ab.

(Beifall DIE LINKE)

Wir denken, da ist es nur konsequent, dass wirauch ein Pensionseintrittsalter mit 67 ablehnen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber der Gesetzentwurf ist auch insgesamt wenigakzeptabel. Das hat auch eine Vielzahl der Anzuhö-renden in ihren Stellungnahmen bestätigt. Das be-ginnt eigentlich schon mit der Überschrift, die jetztmit einem kleinen Änderungsantrag noch einbisschen angeglichen wird vonseiten der Koalition.Statt „Gesetz zur Regelung der Versorgung der Be-amten“ hätte es ehrlicherweise auch heißen kön-nen: Gesetz zur Sanierung des Landeshaushaltsauf Kosten der Thüringer Beamtinnen und Beam-ten.

(Beifall DIE LINKE)

Der DGB hat in der Anhörung, wie wir finden, zu-treffend festgestellt, dass es der Landesregierungeinzig und allein um die Kürzung der Pensionengeht. Dies wird besonders deutlich, wenn man sichanschaut, mit welchem Alter die Thüringer Beamtentatsächlich in Rente gehen. Es ist eben schon malangedeutet worden. Die Altersgrenze von 65 Jah-ren wird heute schon von vielen Beamten gar nichtmehr erreicht. Nach dem Versorgungsbericht desBundes erreichen 72 Prozent der Lehrerinnen undLehrer krankheitsbedingt nicht die gesetzliche Al-tersgrenze. Wenn diese Altersgrenze jetzt auchnoch angehoben wird, dann bedeutet das für dieBetroffenen nur eines, sie müssen höhere Abschlä-ge in Kauf nehmen. Es ist also ein Pensionskür-zungsgesetz, das hier vorgelegt wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Das Diktat des Haushalts erkennt die Polizeige-werkschaft auch in der Abschmelzung des Aus-gleichbetrags für besondere Altersgrenzen. DieserAusgleichsbetrag hatte jedoch einen Sinn, weil Be-amte, deren aktive Dienstzeit einer besonderen Re-gelung unterlag, kaum einen vollen Pensionsan-spruch erwerben konnten. Der Sinn dieser Rege-lung ist aber bisher noch nicht weggefallen. Was

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(Abg. Meyer)

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jetzt wegfallen soll, ist der finanzielle Ausgleich da-für. Das nehmen Sie den Betroffenen. Sie nehmenihnen den finanziellen Ausgleich für diese Arbeitjetzt einfach mal weg. Eine weitere Idee beim Kür-zen ist die Kürzung der Anrechnungszeiten bei derBerechnung der Pensionshöhe. Dafür bezeichnetder Beamtenbund - ich zitiere das aus der schriftli-chen Anhörung - Thüringen als „beamtenfeindlich-stes Bundesland“. Trotzdem zeigt sich der Beam-tenbund immer noch kompromissbereit. Gesternschickte uns der Landesvorsitzende eine E-Mail mitder Bitte, wenigstens eine Übergangsregelung fürBeamte, die älter als 55 Jahre sind, aufzunehmen.Herr Liebermann war offensichtlich der Meinung,die Koalition doch noch zu kleinen Korrekturen zubewegen. Jetzt liegt auf dieser Basis ein Ände-rungsantrag der FDP vor. Ich werde nachher nocheinmal insgesamt dazu was sagen. Ja, man kanndem zustimmen. Es würde ja nichts anderes be-deuten, als die bisherige Regelung beizubehalten,aber es ändert hier nichts an diesem Gesetzentwurfund wir befürchten, es wird auch möglicherweisehier nicht auf die erforderliche Mehrheit treffen.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Anzuhö-renden aber für ihre Stellungnahmen bedanken, al-lerdings müssen wir hier leider konstatieren, dassdie Kritiken der Anzuhörenden allesamt wegge-wischt wurden, als würden sie nur dummes Zeugreden oder schreiben oder wenigstens maßlosübertreiben. Das halten wir für äußerst problema-tisch,

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Das istaber nicht der Fall.)

auch mit Blick auf künftig notwendig weitere Anhö-rungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Wochenar-beitszeit soll wieder auf 40 Stunden gesenkt wer-den. Das ist gut so, aber wir fragen an dieser Stelleauch: Warum ist es nicht schon längst erledigt? DieVerordnung hätte, wie von Prof. Huber verspro-chen, spätestens zum 1. Januar 2011 in Kraft seinkönnen. Für uns gibt es keinen logischen Grund,außer dem Grund, dass es möglicherweise ein Zei-chen für das tiefe Vertrauen zwischen den Koalitio-nären ist.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass Sie denBeamten, die seit fünf Jahren 42 Wochenstundengearbeitet haben, versprochen haben, dass durchdiese zwei zusätzlichen Stunden das Pensionsalternicht erhöht wird. Wenn jetzt wieder auf 40 Stundenruntergegangen und das Pensionseintrittsalter docherhöht wird, stellt sich die Frage, was mit der be-reits vorgearbeiteten Zeit wird. Ja, ich muss Siedaran erinnern, Sie haben etwas versprochen.

Sehr geehrte Damen und Herren, mein KollegeHauboldt hat bereits in der ersten Lesung des Ge-setzentwurfs auf unsere grundsätzliche Kritik hin-

sichtlich der Trennung zwischen Angestellten undBeamten im öffentlichen Dienst hingewiesen. DieseTrennung ist überaltert und mit nichts mehr sinnvollzu begründen. Im Gegenteil, wir haben die Proble-me heute, von denen vor Jahren niemand etwaswissen wollte. Jetzt können wir uns Beamte und ih-re Pensionen, weil nie eingezahlt wurde in die Sozi-alversicherungssysteme, nicht mehr leisten, dannverändern wir eben mal das Versorgungsgesetz,auf das die Thüringer Beamtinnen und Beamtenvertraut haben. Herr Meyer, das halten wir schlicht-weg für unseriös.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist der Grund, warum wir uns hier auch so ein-setzen. Herr Minister Voß hat über die Jahre aus-geführt, 2011 ist das Volumen bei 11 Mio. € und imJahr 2020 wird es sich auf 312 Mio. € in SachenPensionslasten erhöhen, wenn wir dort nichts än-dern. Da muss ich Sie ehrlich fragen, liebe Abge-ordnete, diese Zahlen sind ja nicht vom Himmel ge-fallen, die kennen wir seit Jahren und es gibt Grün-de dafür und ich möchte das an der Stelle auch nurso benennen. Auch wenn wir sehen, dass das Ge-setz eine längst überfällige Modernisierung erfah-ren muss - wie zum Beispiel bei der Gleichstellungder Hinterbliebenen aus eingetragener Lebenspart-nerschaft -, werden wir hier unsere Zustimmungaus den genannten Gründen nicht geben. DieserGesetzentwurf ist auch nicht verbesserungsfähig.Ein Gesetz, dessen Sinn zum größten Teil aus demZusammenstreichen der Pensionen der ThüringerBeamten liegt, kann auch nicht durch Änderungs-anträge aufgehübscht werden, auch wenn wir hiereinem solchen Änderungsantrag, wie er vorliegt,möglicherweise unsere Zustimmung geben können.Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Dr. Pidde von der SPD-Fraktion.

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir wol-len heute reparieren, was in der zurückliegendenLegislaturperiode von der damaligen CDU-Regie-rung verbockt worden ist.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Kannst dudas nicht mal lassen bei jeder Rede?)

(Unruhe im Hause)

Wenn sich Kollege Mohring jetzt so darüber echauf-fiert, dann werde ich meine Kritik das nächste Malans Ende der Rede setzen.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Ichfand das gut.)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5311

(Abg. Keller)

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Wir reparieren also heute, dass die Wochenarbeits-zeit der Beamten und Richter im Jahr 2005 von40 auf 42 Wochenstunden angehoben wurde. Da-mals gab es hier eine hitzige Debatte und meineFraktion hat vehement dagegen protestiert, fandaber bei der damaligen Mehrheit kein Gehör. Esherrschte halt Südwind; Bayern macht es so undBaden-Württemberg macht es so und Hessenauch.

Thüringen war das einzige Bundesland, das seineBeamten so vor den Kopf gestoßen hat.

Meine Damen und Herren, es ist auch eine Frageder Gerechtigkeit. Angestellte und Beamte müssenanaloge Arbeitsbedingungen haben. Das ist die Ba-sis für eine gut funktionierende öffentliche Infra-struktur. Es ist wichtig für viele andere Bereiche,dass wir ein leistungsfähiges Beamtentum habenim Bereich der Sicherheit, im Bereich der Ordnungund im Bereich der Bildung. Unsere Beamten leis-ten hervorragende Arbeit, ob das nun als Polizist istoder als Richter oder als Finanzbeamter. Unteranalogen Arbeitsbedingungen verstehen wir dezi-diert auch gleiche Arbeitszeiten.

2009 wurden nun die Maßstäbe wieder zurechtge-rückt. In Thüringen haben wir die Forderungen beiden Koalitionsverhandlungen eingebracht. DieCDU-Fraktion war damals nur bereit, das Ganze andie Lebensarbeitszeit zu koppeln. So steht nun imKoalitionsvertrag, den Herr Mohring sonst auch sogern zitiert: „Die Rückkehr zur 40-Stunden-Wochebei Beamten wird geprüft. Im Falle einer solchenRückkehr wird unter dem Aspekt der Gleichbehand-lung mit den nicht beamteten Bediensteten im öf-fentlichen Dienst ein Zusammenhang mit der An-gleichung der Lebensarbeitszeit gesehen.“ So stehtes im Koalitionsvertrag, aus dem ich gerade zitierthabe, Herr Präsident.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, Die LINKE:Darf er das?)

Nun ist es folgerichtig, dass die entsprechende Ar-beitszeitverordnung angeglichen werden musste.Alles zusammen ist in diesen Gesetzentwurf ge-packt worden, obwohl die Landesregierung diesenTeil auch separat hätte beschließen können. Ichmuss noch einmal sagen, wir als SPD-Fraktion hät-ten uns auch gewünscht, dass das Ganze zum1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten wäre. Ex-Innenminister Prof. Huber hatte das auch im ver-gangenen Sommer öffentlichkeitswirksam so ange-kündigt und das auch so gesehen,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Da hat erschon gewusst, dass er da nicht mehr da ist.)

dann hat aber der Koalitionspartner auf das Junktimmit den Altersgrenzen bestanden. So haben wirjetzt den vorliegenden Gesetzentwurf, der hier zurVerabschiedung ansteht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Daist die SPD wieder umgefallen.)

Er beinhaltet erst einmal die Absenkung der Regel-arbeitszeit der Beamten wieder auf 40 Stunden. Erbeinhaltet ebenso, die Regelaltersgrenze stufen-weise von 65 auf 67 Jahre anzuheben. Das sindnur zwei Bestandteile dieses Artikelgesetzes, Kolle-ge Kowalleck hat in seiner Berichterstattung schonauf die anderen Punkte hingewiesen. Im Wesentli-chen geht es darum, dass wir in Thüringen bisherdas Beamtenversorgungsgesetz des Bundes weit-gehend weiter geltend haben. Jetzt wird es abge-löst durch ein eigenes Thüringer Beamtenversor-gungsgesetz. Damit verbunden sind natürlich eineganze Reihe von Folgeänderungen.

Im Haushalts- und Finanzausschuss haben wir unseinvernehmlich auf eine schriftliche Anhörung ver-ständigt. Frau Kollegin Keller, ich weise ausdrück-lich zurück, dass wir die Stellungnahmen, die ein-gegangen sind, nicht ernst nehmen oder uns damitnicht entsprechend befassen oder sie als Alibiver-anstaltung werten. Wir nehmen sie ernst und dan-ken den Gewerkschaften, dem Beamtenbund aus-drücklich für ihre Stellungnahmen, weil sie unsereArbeit auch befruchten und weiterentwickeln.

Von den Anzuhörenden ist insbesondere die Anhe-bung der Ruhestandsgrenzen kritisiert worden. Be-grüßt wurde natürlich die Arbeitszeitverkürzung auf40 Wochenstunden, begrüßt wurde auch die Zu-sammenfassung der einzelnen Gebiete in einem ei-genen Beamtenversorgungsrecht. Natürlich sindWünsche offen geblieben und die FDP-Fraktion hatja in ihrem Änderungsantrag zwei dieser Wünscheaufgegriffen. Sie hat aber nicht dazu gesagt, dasssie sehr viel Geld kosten. Das ist das eigentlicheProblem. Alles, was wir irgendwo machen wollen,müssen wir auch entsprechend bezahlen. So sageich, wirkliche Alternativvorschläge zum Gesetzent-wurf der Landesregierung sind ausgeblieben. Sowar es leider.

Nachdenken sollten wir noch einmal über die kom-munalen Wahlbeamten. Da gebe ich Herrn Meyerrecht, ob man ihnen anstatt des Anspruchs auf Bei-hilfe einen monatlichen Zuschuss zu den Kranken-versicherungsbeiträgen geben sollte. Da geht esum entsprechende negative Fallkonstruktionen, dieBenachteiligung von Personen in Abhängigkeit vompersönlichen Gesundheitszustand. Diese Dingemüssen wir noch einmal in Ruhe beraten. Dafürwürde sich das Gesetz über die kommunalen Wahl-beamten anbieten. Jetzt noch einmal das Ganzemit einpacken zu wollen, dann müssten wir erneutins Anhörungsverfahren gehen. Es würde das auf-halten, was wir wollen, dass die 40-Stunden-Wochefür die Beamten zügig in Kraft gesetzt wird. Wir sindam heutigen Tag Mitte des Monats, wenn die Ver-waltung das Gesetz zügig verkündet, kann es dannauch zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Das

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(Abg. Dr. Pidde)

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halten wir für einen realistischen Zeitraum. Ich hof-fe, dass das auch entsprechend realisiert werdenkann. Ich bitte Sie um Zustimmung zu der Be-schlussempfehlung des Haushalts- und Finanzaus-schusses und des vorliegenden Gesetzentwurfs.Danke.

(Beifall SPD)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Bergner von der FDP-Fraktion.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Zunächst einmal, Herr KollegeDr. Pidde, vielen Dank für diesen Einblick in diesenöffentlichen Koalitionsausschuss, den wir geradeerleben durften,

(Beifall DIE LINKE, FDP)

das hatte doch einen gewissen Unterhaltungswert.Wenn Sie sich als Reparaturbetrieb verstehen, hof-fe ich, dass es gelegentlich auch besser ausgeht,als wir es hier sehen können.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Nur keinenNeid.)

Noch eine Bemerkung zu dem Satz, dass KollegeMohring den Koalitionsvertrag so gern zitiert; esgibt noch das eine oder andere Thema, wo wir denEindruck einer gewissen Zurückhaltung dabei ha-ben.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das stimmt.)

Die FDP-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetz-entwurf in der derzeitigen Fassung so nicht zustim-men. Ich will Ihnen, meine Damen und Herren,auch erläutern, warum. Die Landesregierung hatuns einen Gesetzentwurf vorgelegt, der verschiede-ne und teilweise unübersichtliche Rechtsquellen zu-sammenfassen und auch bereinigen soll. Es wur-den wesentliche Teile des Beamtenversorgungsge-setzes übernommen und an die Thüringer Verhält-nisse angepasst. Der Gesetzentwurf hat somit einpaar durchaus gute Ansätze, die aus unserer Sichtlöblich sind, wie z.B. die Zusammenführung vonRechtsquellen und die versorgungsrechtlicheGleichstellung der Hinterbliebenen aus einer einge-tragenen Lebenspartnerschaft mit denen einer Ehe.Das ist, denke ich, längst überfällig gewesen.

Aber es bestehen aus unserer Sicht auch einigeProbleme, die leider nicht im Ausschuss gelöst wur-den, wie z.B. eine Flexibilisierung der starren Ar-beitszeiten in § 6 der Thüringer Verordnung überdie Arbeitszeit der Beamten oder die Heraufsetzungdes Pensionseintrittsalters für Polizeivollzugsbeam-te vom 60. auf das 62. Lebensjahr. Der § 117Abs. 5 lässt zwar zu, dass Polizeibeamte mit dem

vollendeten 60. Lebensjahr einen Antrag auf vorzei-tige Versetzung in den Ruhestand stellen können.Das geht aber, meine Damen und Herren, ebennicht abschlagsfrei, so dass bei einer vorzeitigenVersetzung mit Versorgungsabschlägen von bis zu18 Prozent zu rechnen ist.

Der mittlere Dienst, meine Damen und Herren, dereinen Großteil des Polizeivollzugsdienstes mit ca.64 Prozent stellt, verdient zwischen 1.900 und2.500 € im Monat. Das ist nicht viel für die harte Ar-beit. Nun will man diese Leute letztlich auch nochbestrafen, wenn sie mit Vollendung des 60. Le-bensjahres in den Ruhestand versetzt werden wol-len.

Herr Kollege Meyer, wenn Sie da von Klientelpolitiksprechen, möchte ich zwei Dinge festhalten. Ers-tens, ich stelle fest, dass Polizisten, die mit 1.900 €im Monat ihre Haut zu Markte tragen, offensichtlichnicht Ihre Klientel sind.

(Beifall FDP)

Und ich stelle fest, wenn das Klientelpolitik ist, derLeistung von Menschen Rechnung tragen zu wol-len, die für diese Summe einen harten Einsatz un-ter hartem Risiko für ihre Gesundheit leisten, wenndas Klientelpolitik ist, will ich sagen, sind diese Leu-te gerne meine Klientel.

(Beifall FDP)

Ich will Ihnen dazu auch ganz deutlich sagen, eskönnen sich weder Justizbeamte aussuchen, wel-che Häftlinge sie haben, noch können sich Polizei-beamte aussuchen, welche Leute die Steine wer-fen.

(Beifall FDP)

Ich sage Ihnen eines, zumindest für Polizeibeamte,die jahrelang im Schicht- oder Wechseldienst gear-beitet haben, sollte eine Ausnahmeregelung beste-hen, die eine abschlagsfreie Versetzung mit Vollen-dung des 60. Lebensjahres ermöglicht. Das hat ein-fach etwas zu tun mit dem Blick in die Lebensreali-tät dieser Menschen.

(Beifall FDP)

Wir hatten im Innenausschuss explizit nachgefragt,ob der Landesregierung Erkenntnisse bezüglich dergesundheitlichen Auswirkungen von Schichtdienstvorliegen. Dies konnte uns nicht bestätigt werden,da es vielseitige Umstände gibt, die für eine Ge-sundheitsbeeinträchtigung ursächlich sein können.Ich will aber gern hier ein wenig helfen, obwohl ichmir nicht vorstellen kann, dass Ihnen das Gutach-ten von Prof. Dr. Nachreiner aus Oldenburg nichtvorliegt. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dassgesundheitliche Beeinträchtigungen infolge vonWechselschichtdienst nach 13 Jahren leicht undnach 22 Jahren stark ansteigen. Das zu ignorierenist, glaube ich, der falsche Weg und das ist auch

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5313

(Abg. Dr. Pidde)

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keine Frage von Arbeitsschutzbestimmungen, son-dern das ist eine Frage des Alltags, den diese Men-schen bewältigen.

(Beifall FDP)

Andere Länder scheinen diese Erkenntnisse schonzu haben und haben auch entsprechend reagiert,wie beispielsweise Hessen: abschlagsfrei nachzehn Jahren und Bayern nach 20 Jahren Wechsel-schichtdienst. Auch stellt nach unserer Auffassungdie Einschränkung der Berücksichtigungsfähigkeitvon Vordienstzeiten nach § 16 des Gesetzentwurfseinen massiven rückwirkenden Eingriff dar. Vertrau-ensbildende Maßnahmen, meine Damen und Her-ren, sehen aus unserer Sicht nun wirklich andersaus.

(Beifall FDP)

Unter Vertrauensgesichtspunkten sollte zumindesteine Übergangsregelung für die derzeit vorhande-nen Beamten eingefügt werden. Nach unserer An-sicht hat sich die Landesregierung keinen Gefallengetan, den Gesetzentwurf in dieser Geschwindig-keit durchzupeitschen. Es gab genug gute Anre-gungen von den Anzuhörenden, die leider keineBerücksichtigung gefunden haben.

Deswegen werbe ich abschließend für unseren Än-derungsantrag. Wir wollen eine Übergangslösung,durch die alle beim Inkrafttreten des Gesetzes vor-handenen Beamten nicht rückwirkend belastet wer-den. Aus Gründen des Vertrauensschutzes soll§ 10 des Beamtenversorgungsgesetzes in seinerbisherigen Fassung für Beamte, die zum Zeitpunktdes Inkrafttretens des Gesetzes vorhanden sind,weiter gelten und ich werbe auch noch einmal fürdie Situation der Polizisten, die ich eindringlich be-schrieben habe. Ich danke Ihnen, meine Damenund Herren.

(Beifall FDP)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Kowalleck von der CDU-Fraktion.

Abgeordneter Kowalleck, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, Sie merken schon, die Debatte ist heutewesentlich emotionaler als zur Einbringung. Dasmag auch daran liegen, dass wir doch eine Vielzahlvon Zuschriften erhalten haben bzw. Anregungenzum Gesetzentwurf. Wir haben uns intensiv damitbeschäftigt - da muss ich Kollegin Keller widerspre-chen - und Herr Dr. Pidde hatte auch erwähnt, dassein Hauptziel, die Wiedereinführung der 40-Stun-den-Woche nach Koalitionsvertrag, so schnell wiemöglich erfüllt werden muss. Nichtsdestotrotz wer-den wir uns auch zukünftig mit der Materie intensivbeschäftigen. Deshalb sind auch in den letzten Ta-

gen und - man muss sagen - auch in den letztenStunden noch Gespräche erfolgt hier in diesem Ho-hen Hause.

Der Finanzminister ist bereits zur Einbringung desGesetzentwurfs auf verschiedene Punkte eingegan-gen, unter anderem auch auf die Belastung zukünf-tiger Haushalte durch die Beamtenversorgung. Ichmöchte dieses Thema nicht so wegwischen wie dieKollegin Keller, sondern möchte hier auch noch ein-mal ganz klar die Zahlen nennen: Im Jahr 2000 wa-ren es 11 Mio. €, im Jahr 2010 waren es 78 Mio. €und nach Vorausberechnungen des Finanzministe-riums werden es im Jahr 2020 bis 312 Mio. € sein,die für die Versorgungslasten aufzubringen sind.Das sind Zahlen, die auch immer wieder Gegen-stand unserer Diskussion sein müssen - gerade inZukunft bei der Erstellung der Haushalte. Hier ha-ben wir uns als Hohes Haus auch eine ganze Men-ge vorgenommen, erst recht in Bezug auf die Anhö-rung. Ich hatte das vorhin erwähnt. Hier wurdenverschiedene Wünsche geäußert und da kann mannur sagen, nicht jeder Wunsch ist auch so erfüllbarund finanzierbar. Ich sehe hier gerade auch bei denAusführungen von Herrn Meyer schon Anregungenin Bezug auf den Antrag der FDP. Man muss ebenauch immer fragen, woher man das Geld nehmenkann und ob bestimmte Dinge finanzierbar sind.Aber gleichzeitig gilt natürlich auch die Unterstüt-zung der Beamtinnen und Beamten. Dies ist immerirgendwo abzuwägen.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegendenGesetzentwurf erfolgt durch Landesrecht eine Zu-sammenfassung und Bereinigung des Beamtenver-sorgungsrechts. Das Gesetz sieht auch vor, einge-tragene Lebenspartnerschaften in der Beamtenver-sorgung, insbesondere der Hinterbliebenenversor-gung, gleichzustellen. Dies war auch eine Festle-gung im Koalitionsvertrag und hier möchte ich auchnoch mal ganz klar sagen, Herr Dr. Pidde, für unsgelten eben auch Vereinbarungen und Verträgeund Sie hatten mal im Tagesordnungspunkt - dasist jetzt schon einige Monate her - zur Beamtenver-sorgung gesagt, dass Sie sich den Koalitionsver-trag unter das Kopfkissen legen. Das haben Sieauch gemacht, Sie haben die Stelle zitiert. Ich mussaber auch noch mal sagen, die gemeinsame Rege-lung der Altersgrenzen und der Arbeitszeit der Be-amten hat ihre Grundlage im Koalitionsvertrag undwir haben das so festgelegt, dass wir es gemein-sam einbringen, und das ist auch eine gute Ge-schichte, dass wir das, was wir niederschreiben,das, was wir sagen, auch hier so einhalten.

(Beifall CDU)

Ich muss aber auch noch einmal auf die Rhetorikeingehen. Sie hatten zur letzten Debatte auch da-von gesprochen, dass wir Beamte als Sparschwei-ne ansehen, dass wir bestimmte Dinge verbockthaben - ich muss sagen, da müssen wir aber auch

5314 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Bergner)

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mal den Ball flach halten, das ist nicht unsere Rhe-torik. Sie sollten uns so eine Rhetorik nicht unters-tellen und mir ist es wichtig, gerade auch im Sinneder Beamtinnen und Beamten, hier sachlich zu dis-kutieren. Wir sagen auch ganz klar, dass die Beam-tinnen und Beamten und die Angestellten im Frei-staat eine gute Arbeit leisten, und sie haben auchunsere Unterstützung.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, die grundsätzliche An-passung der Arbeitszeit der Beamten von 42 aufwieder 40 Stunden erfolgt im Einklang mit der Ar-beitszeit der Tarifbeschäftigten und wird von denAnzuhörenden und - das ist, denke ich, auch klargeworden - von allen Fraktionen ausdrücklich be-grüßt. Ich muss hier aber auch noch mal auf dieAusführung von Frau Keller eingehen. Mir kommtes heute so ein bisschen vor, als ob Sie Kreide ge-fressen hätten. Nachdem wir zur Einbringung dieÄußerung von Herrn Hauboldt gehört haben, dervon bestehender Trennung zwischen Angestelltenund Beamten im öffentlichen Dienst gesprochenund dies als veraltet und sachlich kaum begründetestrukturelle Trennung bezeichnet hat, die Ihres Er-achtens auch überwunden werden muss,

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Ja,hat sich nicht geändert.)

da muss ich sagen, diese grundsätzliche System-kritik ist schon überlegenswert. Da habe ich heuteganz andere Ausführungen von Ihrer Seite gehört.

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: Ich ge-be Ihnen das Protokoll nachher.)

Gut, danke.

Ich hätte mir aber auch, ehrlich gesagt, dann hand-feste Vorlagen und Anträge von Ihnen gewünscht.Das ist meiner Kenntnis nach auch nicht erfolgt.

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: ImAusschuss haben aber wir geredet, Sienicht.)

Wer schreibt, der bleibt, heißt es so schön. Viel-leicht kann das in Zukunft erfolgen.

(Unruhe DIE LINKE)

Ich muss sagen, nur Grundsatzkritik zu äußern, istdoch schon recht flach an dieser Stelle, zumal dieAnzuhörenden auch durchweg Änderungsvorschlä-ge eingebracht haben und keinesfalls von einer Ab-schaffung der strukturellen Trennung gesprochenhaben. Das konnte ich in den Schreiben nicht nach-lesen.

In Ihrer Grundsatzkritik - und da schließe ich auchdie Gewerkschaften ein - steht auch die Anhebungder Altersgrenze auf 67 Jahre. Damit wird eineÜbereinstimmung mit dem Recht der gesetzlichenRentenversicherung, dem Recht der Bundesbeam-

ten sowie der Mehrzahl der Länder hergestellt. Ichmuss sagen, es ist dann auch weltfremd, wennman anders diskutiert. Das muss man auch ganzklar sagen. Für Beamte mit besonderen körperli-chen Ansprüchen - das ist heute auch in der Dis-kussion klargeworden -, z.B. im Polizeivollzug, imStrafvollzug und im Feuerwehrdienst, gelten andereRegelaltersgrenzen und das wurde hier auch ent-sprechend begründet.

Meine Damen und Herren, wir haben einen um-fangreichen Gesetzentwurf vorliegen. Wie eingangsbesprochen, wird uns dieser auch zukünftig be-schäftigen. Wenn Frau Keller hier von Thüringenals einem beamtenfeindlichen Bundesland spricht,kann ich das nicht teilen.

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: Daswar ein Zitat.)

Sie haben zitiert und ich bringe noch mal ein ande-res Zitat von Helmut Liebermann, Vorsitzender destbb. Er erklärte zum Thema Arbeitszeit der Beam-ten im tbb-Regionalmagazin Januar/Februar 2011:„Es kommt jetzt darauf an, nicht noch mehr Öl insFeuer zu gießen, stattdessen zu einer sachlichenGesprächskultur zurückzufinden.“ In diesem Sinnewünsche ich uns noch eine gute Beratung. Dankeschön.

(Beifall CDU)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Die Rednerliste vonsei-ten der Abgeordneten ist abgearbeitet. MinisterDr. Voß hat um das Wort gebeten.

Dr. Voß, Finanzminister:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen undHerren, ich freue mich, dass dieses Gesetz zur Re-gelung der Versorgung und Altersgrenze der Beam-ten und Richter heute die Schlussrunde der parla-mentarischen Beratung durchläuft und gewisserma-ßen - wie sagt man - die parlamentarischen Hürdennimmt. Das ist ein Grund zur Freude, nämlich, eshandelt sich um ein äußerst wichtiges Gesetz fürunsere Beamten und Richter. Die Freude ist auchdeshalb groß, weil wir das vierte Bundesland - erstdas vierte Bundesland - sind, was mit einem eigen-ständigen Beamtenversorgungsrecht aufwartenkann. Ich denke, auch aus diesem Blickwinkel sollteman das Gesamtreformwerk nicht unterschätzen.Natürlich ist mir bewusst, dass kein Gesetz ausdem parlamentarischen Raum herauskommt, wiees hineingekommen ist. Ich begrüße die Ände-rungsanträge, die Veränderungen der Regierungs-fraktionen. Sie finden meine volle Zustimmung. Dieinhaltliche Kritik, die von den Verbänden und Inter-essengruppen hervorgebracht wurde, ist klar, esgibt immer ein Mehr, für den anderen vielleicht et-was weniger, der andere möchte etwas längere

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5315

(Abg. Kowalleck)

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Zeiten, dann wieder kürzere. Aber wenn man esinsgesamt sieht, hält sich die Kritik an dem Reform-werk in Grenzen, so meine ich. Es ist auch selbst-verständlich, dass je nach Interessenstandpunktdiese Dinge aufgegriffen werden von den Oppositi-onsparteien, von dem einen oder anderen Abgeord-neten. Ich denke, die Argumente sind ausgetauschtund es hat auch gar keinen Sinn, diese Dinge nunmeinerseits noch mal zu wiederholen. Es ist inten-siv beraten worden. Man sollte nicht vergessen,dass der Gesetzentwurf auch einige Verbesserun-gen für die Beamten und Richter enthält - Wieder-einführung der 40-Stunden-Woche ist schon gesagtworden, Stichwort Unfallausgleich und viele Dingemehr.

Es handelt sich natürlich auch um einen echtenKompromiss, einen Kompromiss zwischen demgrundgesetzlich garantierten Recht der Beamtenauf eine angemessene Lebenssituation. Auf der an-deren Seite ist aber auch die Waage zu halten derBeamtenschaft zu den Verhältnissen der Arbeitneh-mer im öffentlichen Dienst, aber insbesondere auchin der freien Wirtschaft. Insofern, denke ich, ist esein Kompromiss. Man kann die Anhebung der Al-tersgrenze auf 67 natürlich kritisieren, wie wir dasauch jetzt gehört haben, aber es ist auch ein Kom-promiss zwischen Tragfähigkeit, Finanzierungsfä-higkeit, Frage der Demographie, die Menschenwerden älter, und insofern, last, but not least, ist esauch eine Frage der Gerechtigkeit zu den Arbeit-nehmern, die in der freien Wirtschaft arbeiten.

Es sind auch noch einige Privilegien oder einigeDinge in dem Gesetz, die sonst nicht üblich sind,wie der vorzeitige Renteneintritt bei Schichtdien-sten, insbesondere in der Polizei, Justizvollzug.Dieses ist nicht üblich, so etwas kennt das Renten-recht nicht. Dass wir auch Studienzeiten bis zu dreiJahren weiterhin anerkennen, ist auch nicht unbe-dingt üblich. Und man darf eins nicht vergessen, dieErwerbsbiografien von Beamten und Richtern sindoft ununterbrochen, das hängt natürlich mit der Ar-beitsplatzgarantie und mit der Lebenszeit der Ver-beamtung zusammen. Sie sind ununterbrochen undinsofern darf es auch gar nicht so wenig vorkom-men, dass man dann nach 45 Dienstjahren mit65 abschlagsfrei in Rente gehen darf.

Ich meine, es ist ein fairer Kompromiss, den wir hierberaten und hier vorliegen haben. Ich bitte Sie umZustimmung. Ich bedanke mich bei den Damen undHerren Abgeordneten für die intensive, faire Bera-tung zu diesem Gesetzentwurf. Recht herzlichenDank.

(Beifall CDU)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Minister. Weitere Wortmeldungen zudiesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Aussprache und wir treten in dieAbstimmung ein.

Wir beginnen mit der Abstimmung über den Ände-rungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksa-che 5/2925. Ich frage: Wer möchte diesem Ände-rungsantrag zustimmen, den bitte ich um seinHandzeichen. Das ist Zustimmung vonseiten derFDP-Fraktion und vereinzelte Zustimmung aus derFraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? Dassind Gegenstimmen von der CDU-Fraktion, SPD-Fraktion und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Wer enthält sich der Stimme? Das sind vereinzelteStimmenthaltungen bei der Fraktion DIE LINKE.Damit ist dieser Änderungsantrag der Fraktion derFDP abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über die Beschlussempfeh-lung des Haushalts- und Finanzausschusses in derDrucksache 5/2893. Wer dieser Beschlussempfeh-lung das Jawort gibt, den bitte jetzt um sein Hand-zeichen. Das ist Zustimmung vonseiten der Fraktio-nen der CDU, der SPD und von BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN. Wer stimmt gegen die Beschlussemp-fehlung? Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ent-hält sich der Stimme? Das ist die Fraktion der FDP.Damit ist die Beschlussempfehlung des Haushalts-und Finanzausschusses angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf derLandesregierung in der Drucksache 5/2514 in zwei-ter Beratung, natürlich unter Berücksichtigung derErgebnisse der vorhergegangenen Abstimmung.Ich frage: Wer möchte dem Gesetzentwurf der Lan-desregierung zustimmen? Das ist Zustimmung von-seiten der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmtdagegen? Dagegen stimmt die Fraktion DIE LINKE.Wer enthält sich der Stimme? Stimmenthaltungengibt es von der Fraktion der FDP. Damit ist der Ge-setzentwurf angenommen und wir treten ein in dieSchlussabstimmung, in der wir unser Abstim-mungsverhalten durch das Erheben von den Plät-zen dokumentieren.

Wer stimmt dem Gesetzentwurf der Landesregie-rung zu? Das ist Zustimmung von den FraktionenCDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ge-genstimmen? Die Gegenstimmen kommen von derFraktion DIE LINKE. Stimmenthaltungen? Stimm-enthaltungen kommen von der Fraktion der FDP.

Damit schließe ich auch den Tagesordnungs-punkt 3 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Fünftes Gesetz zur Änderungder Verfassung des FreistaatesThüringen (Gesetz zur Stär-kung demokratischer Rechte)Gesetzentwurf der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/2672 -

5316 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Minister Dr. Voß)

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ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache und als Erste hat dasWort die Abgeordnete Sedlacik von der FraktionDIE LINKE.

Abgeordnete Sedlacik, DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich fin-de, es ist äußerst unglücklich, dass wir heute übereine Verfassungsänderung beraten, die nur im Zu-sammenhang mit unserem Gesetzentwurf für einneues Petitionsgesetz zu sehen und auch zuverstehen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Hierzu hat noch nicht einmal die Diskussion imAusschuss begonnen, die wir unbedingt bräuchten.Deshalb bedaure ich es.

Im neuen Petitionsgesetz schlagen wir die Einfüh-rung eines kommunalen Petitionsrechts vor. Dazumüssen wir aber klarstellen, wie die Zuständigkei-ten sind. Deshalb wollen wir den Artikel 14 der Ver-fassung des Freistaats wie folgt ändern, ich zitiere:„Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemein-schaft mit anderen schriftlich oder mündlich mit Bit-ten oder Beschwerden an die zuständigen Stellendes Landes sowie der Gemeinden und Landkreiseund an die nach den Wahlrechtsgrundsätzen her-vorgegangenen Volksvertretungen zu wenden. Esbesteht Anspruch auf begründeten Bescheid in an-gemessener Frist.“ Genau das ist die Änderung, diewir wollen. Genau das soll eine Klarstellung sein,die wir wollen, dass Gemeinderäte und Kreistagenicht nur „zuständige Stellen“ sind, sondern alsVolksvertretungen im Sinne von Artikel 17 Grund-gesetz bzw. Artikel 14 der Thüringer Verfassunganzusehen sind. Das ist der entscheidende Punkt.

Ausgangspunkt unserer Klarstellung ist das Gut-achten des Wissenschaftlichen Dienstes zu verfas-sungsrechtlichen Fragen unseres Petitionsgesetz-entwurfs in der letzten Legislatur. Ich erinnere dar-an, das Gutachten beinhaltete keine Bedenken zurEinführung eines kommunalen Petitionsrechts. DerGemeinderat kann als zuständige Stelle im Sinnedes Artikels 14 der Thüringer Verfassung Petitionenbehandeln. Damit ist seine Zuständigkeit auf Peti-tionen beschränkt, die seine Aufgaben nach derThüringer Kommunalordnung betreffen. Jetzt zitiereich wieder aus dem Gutachten: „Die Regelung,dass der Petitionsausschuss bei Petitionen, die indie Zuständigkeit des Bürgermeisters fallen, Emp-fehlungen geben kann, ist daher bedenklich, dadies voraussetzen würde, dass der Gemeinderatsich als Volksvertretung mit allen an ihn herange-tragenen Petitionen befassen darf.“ Genau dieseVoraussetzungen wollen wir durch die Änderungder Verfassung mit dem vorliegenden Gesetzent-wurf schaffen.

Das Fazit ist: Der Streit, der auch in der ersten Le-sung des Gesetzentwurfs mehr theoretischer Naturwar, ob der Gemeinderat nicht nur als „zuständigeStelle“, sondern auch als „Volksvertretung“ anzuse-hen ist, ist schon relevant, das sollten wir klarstel-len. Von der Beantwortung dieser Frage hängt esab, ob sich die Gemeindevertretung unabhängigvon ihrer Entscheidungskompetenz in der Sache in-haltlich mit allen Anliegen, sofern sie die Gemein-deangelegenheiten betreffen, befassen darf, die imWege einer Petition an sie herangetragen werden.DIE LINKE hält das für den politischen Willensbil-dungsprozess in der Kommune für sehr bedeut-sam.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen bestehende Bedenken ausräumen undsollten uns damit nicht so schwertun, denn in ande-ren Landesverfassungen existieren solche Klarstel-lungen, zum Beispiel in Brandenburg - Artikel 24 -,ich zitiere: „Jeder hat das Recht, sich einzeln odergemeinschaftlich mit Anregung, Kritik und Be-schwerde an den Landtag, die kommunalen Selbst-verwaltungskörperschaften und jede sonstige staat-liche oder kommunale Stelle zu wenden.“ Oder inSachsen-Anhalt in Artikel 19 ist geregelt, ich zitiere:„Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemein-schaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Be-schwerden an den Landtag, die Vertretungen desVolkes in den Kommunen und an die zuständigenStellen zu wenden.“ Deutlicher kann man es nichtausdrücken.

Über den konkreten Wortlaut in Thüringen hätteman allerdings im Ausschuss diskutieren können.Aber dieser Diskussion haben Sie sich ja verwei-gert, indem Sie den Gesetzentwurf nicht an denAusschuss überwiesen haben.

Dem Fazit der Redebeiträge aus der ersten Lesungentnehme ich, dass eine Mehrheit eine Verfas-sungsänderung nicht für notwendig hält. Darauskönnte man schließen, dass auch Sie der Auffas-sung sind, dass der Gemeinderat als Volksvertre-tung anzusehen ist. Das heißt, die Bedenken desGutachtens tragen Sie nicht. Also ich bin jetztschon gespannt auf die Ausschussdiskussion,wenn wir dann über den Gesetzentwurf des Petiti-onsgesetzes diskutieren. Da müssen Sie Farbe be-kennen. Wenn heute unser Gesetz abgelehnt wird,befürchte ich, dass das Katz-und-Maus-Spiel dannim Petitionsausschuss weitergeht. Das wäre sehrschade und der Bedeutung eines modernen Petiti-onsgesetzes nicht angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete. Ich kann Sie beruhigen,Ihr Gesetz wird heute nicht abgelehnt, weil wir nocheine dritte Lesung haben.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5317

(Vizepräsident Gentzel)

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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Untermann vonder FDP-Fraktion.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren, ich möchte nicht noch einmal die Argu-mente aus dem letzten Plenum wiederholen, diedafür sprechen, diesen Antrag kritisch zu betrach-ten. Hintergrund für diesen Antrag ist Ihre beabsich-tigte Änderung in der Thüringer Kommunalordnung.Hier soll bei Gemeinden über 1.000 Einwohnernverbindlich ein Petitionsausschuss gebildet werdenund bei Gemeinden bis 1.000 Einwohner soll derGemeinderat dem Bürgermeister eine Empfehlungaussprechen.

Ihre und unsere Auffassungen hinsichtlich der Be-griffe „zuständige Stelle“ und „Volksvertretung“ sindunterschiedlich. Zuständige Stellen sind unmittelbarvon dem Sachverhalt betroffene Stellen, zum Bei-spiel das Finanzamt für finanzielle Angelegenhei-ten, das Bauamt der Landkreise für die Erteilung ei-ner Baugenehmigung. Der Gemeinderat ist eine zu-ständige Stelle. Seine Zuständigkeit ist auf kommu-nale Angelegenheiten der Gemeinde beschränkt.

Ihr Antrag verfolgt das Ziel, dass die Gemeindenund der Gemeinderat nicht nur als zuständige Stel-le, sondern als Volksvertretung im Sinne des Arti-kels 14 Thüringer Verfassung anzusehen sind.Googelt man zum Beispiel den Begriff „Gemeinde-rat“, so findet man - sehr geehrter Herr Präsident,erlauben Sie, noch dies zu zitieren -: „Der Gemein-derat stellt die Vertretung der Gemeindebürger darund ist ein Organ der Gemeindeverwaltung und so-mit die politische Vertretung der Gemeindebürger.Der Gemeinderat ist keine Behörde im institutionel-len Sinne.“ Volksvertretung ist für mich das Parla-ment. Für mich gibt es in Thüringen nur eine Volks-vertretung. Die Pluralform „Volksvertretungen“, wieSie es in Ihrem Antrag formuliert haben, gibt es fürmich nicht. Jeder hat das Recht, sich mit Vorschlä-gen, Bitten und Beschwerden, soweit sie Gemein-deangelegenheiten betreffen, an die Gemeinde zuwenden. Weiterhin regelt die Durchführungsverord-nung des Thüringer Gesetzes über die Schiedsstel-len die Einrichtung von Schiedsstellen in Gemein-den. In deren Zuständigkeit liegen unter anderembürgerliche Rechtsangelegenheiten. Somit kannbereits ein breites Spektrum an Rechtsfragen inner-halb der Kommunen abgedeckt werden. Dies sindnur einige Gründe dafür, dass wir eine Änderungdes Artikels 14 der Thüringer Verfassung ablehnen.Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Heym von der CDU-Fraktion.

Abgeordneter Heym, CDU:

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirbeschäftigen uns heute in zweiter Beratung mit ei-nem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Än-derung der Verfassung. Dieser Gesetzentwurf stehtim Zusammenhang - das ist jetzt schon mehrfachgesagt worden - mit der beabsichtigten Änderungdes Petitionsgesetzes, das Petitionswesen auf diekommunale Ebene zu erweitern. Mit diesem Ge-setzentwurf werden wir uns in der nächsten Sitzungdes Petitionsausschusses intensiv auseinanderset-zen, wenngleich er im Wesentlichen - und das ist jaauch durch Kollegin Sedlacik hier angeklungen -die Wiederholung dessen ist, was wir in der letztenLegislaturperiode schon einmal lesen konnten. Dasist an dieser Stelle alles bereits mehrfach gesagtworden. Schon in der letzten Plenarsitzung habeich die Bereitschaft meiner Fraktion erklärt, überden Entwurf der Änderung im Petitionsgesetz zudiskutieren. Es geht um solche Fragen wie die Öf-fentlichkeit von Sitzungen des Petitionsausschus-ses, das Begehren, über Massen- und Sammelpeti-tionen den Landtag entscheiden zu lassen. Span-nend wird auch die Diskussion Ihres Anliegens,durch Petitionen den Vollzug von Verwaltungsver-fahren anhalten lassen zu wollen. Diese Diskussionist aber, wie gesagt, zunächst einmal dem Petiti-onsausschuss vorbehalten. Was meine Fraktionund die Mehrheit der Abgeordneten nicht im Aus-schuss weiterbehandeln wollten, ist die vorliegendeVerfassungsänderung, zum einen, weil wir das ausrechtlichen Gründen nicht für erforderlich halten -Kollegin Marx hatte schon in der ersten Lesungsehr schöne Ausführungen dazu gemacht -, zumanderen natürlich in erster Linie auch aus inhaltli-chen Erwägungen.

DIE LINKE begehrt, ein Petitionsrecht auf kommu-naler Ebene einzuführen. Wie gesagt, in Gemein-den mit über 1.000 Einwohnern müsste ein Petiti-onsausschuss als Pflichtausschuss eingerichtetwerden. Der Bürgermeister müsste einmal im Jahrüber die behandelten Petitionen berichten. Der Be-richt müsste veröffentlicht werden und so weiter.Das Gleiche soll dann auch für die Landkreise gel-ten. All das wollen wir nicht. Wir halten es für ent-behrlich und für überflüssig. Auch jetzt schon kön-nen sich die Bürger mit ihren Anliegen, Beschwer-den und Bitten an den Landtag wenden. Wenn wirmal die Petitionen durchzählen, die in der Sachejetzt schon kommunale Angelegenheiten betreffen,sehen wir mit einem Blick in den Arbeitsbericht fürdas Jahr 2010 119 Petitionen. Das sind 13 Prozentund damit der drittgrößte Block der nach Sachge-bieten gegliederten eingegangenen Petitionen. Die-se 119 Petitionen betreffen kommunale Angelegen-heiten. Nach Ihrem Verständnis ist ein kommunalesPetitionsrecht förderlich zur Demokratisierung derKommunalpolitik und zur Verbesserung

(Beifall DIE LINKE)

5318 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Vizepräsident Gentzel)

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des Vertrauensverhältnisses zwischen Bürgern undKommunen sowie zur Schärfung des Problembe-wusstseins in den Gemeinden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Woer recht hat, hat er recht.)

Das ist nicht meine Meinung. Ich habe Ihre Mei-nung zitiert.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dasist meine Meinung.)

Mit diesen Argumenten haben Sie uns diesen Ge-setzentwurf angeboten. Er wird dadurch, Herr Ku-schel, nicht besser. Meine Fraktion sieht das ebenvöllig anders. Sie beschreiben - ich habe das in derersten Lesung auch schon gesagt - ein Bild von un-seren Kommunen, wie es keiner von denen kennt,die schon einmal in kommunaler Verantwortungwaren. Die Bürger unserer Dörfer und Gemeinden,gerade in den Dörfern, gehen persönlich auf ihrenBürgermeister zu, um ihm ihre Probleme anzutra-gen, und zwar ohne große Formalien. Das ist gutund das soll auch so bleiben.

Vizepräsident Gentzel:

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eineZwischenfrage durch den Abgeordneten Kuschel.

Abgeordneter Heym, CDU:

Ja, bitte.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident. Herr Kollege, Sie habenjetzt beschrieben, auf kommunaler Ebene ist allesin Ordnung, haben aber davor benannt, dass einSchwerpunkt der Petitionen an den Thüringer Land-tag den kommunalen Bereich betrifft. Würden Siemir den Widerspruch aufklären, wenn Sie einerseitssagen, auf kommunaler Ebene geht der Bürger aufseine Verwaltung, auf den Bürgermeister zu - dasklappt alles - und trotzdem sind die kommunalenAnliegen ein Schwerpunktthema, dass sich alsoBürger mit einer Petition an den Landtag wenden?

Abgeordneter Heym, CDU:

Ja, Herr Kuschel, ich will es Ihnen gerne erklären,weil diese Zahlen eigentlich das belegen, was wirmeinen, dass wir es nämlich nicht brauchen unddass Petitionsrecht auf kommunaler Ebene wenigSinn macht. Wir erleben durch diese eingereichtenPetitionen, dass Bürger bei ihren Problemen dieEinsicht haben und sagen, das ist die Ausgangsbe-hörde, ja oftmals von kommunalen Petitionen dieeigenen Gemeinde. Wenn ich mich jetzt mit einemProblem an die Gemeinde wende, bekomme ich dieerste Antwort, die ich ohnehin schon in bestimmtenEntscheidungen erhalten habe, also wende ich

mich an den Landtag, der dann über die Gremienbestimmte Sachverhalte zur Prüfung bringt. Des-halb steht es überhaupt nicht im Widerspruch undes ist kein gut geeignetes Instrument, um uns dieSachlichkeit oder Notwendigkeit Ihres Gesetzent-wurfs näher zu bringen. Das funktioniert an derStelle nicht.

Vizepräsident Gentzel:

Es sieht so aus, als gibt es den Wunsch auf eineweitere Nachfrage.

Abgeordneter Heym, CDU:

Gerne.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident. Schönen Dank, dass Siedie zweite Nachfrage zulassen. Sie haben aber re-gistriert, dass wir in unserem Gesetzentwurf ein an-deres Verfahren auf kommunaler Ebene regeln,nämlich ein anderes Zusammenspiel zwischen Ver-waltung und Vertretung, denn die kommunale Peti-tion richtet sich nicht an die Verwaltung, die zumBeispiel einen Verwaltungsakt erlassen oder eineEntscheidung getroffen hat, sondern an die Vertre-tung. Würden Sie darin nicht eine Möglichkeit se-hen, einen Dialog auf kommunaler Ebene zu ent-wickeln, der niemals zwischen dem Petitionsaus-schuss des Landtags und den Petenten zustandekommen kann?

Abgeordneter Heym, CDU:

Also verfassungsrechtlich - und die Diskussion füh-ren wir ja und da kann man sicherlich Gutachtenheranziehen - sehen wir das so, dass der Gemein-derat ein Organ der Gemeinde ist. Er ist letztendlichVerwaltung, das ist vorhin auch zitiert worden. Vondaher hat ein Gemeinderat meiner Meinung nachkeine Möglichkeiten, sich zum Beispiel über eineVerwaltungsentscheidung hinwegzusetzen, selbstwenn der Petent das Anliegen an ihn herantragenwürde. Aber ich glaube, Herr Kuschel, es ist müßig,das nun von dieser Stelle aus zu diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ichdiskutiere gern.)

Ja, das wissen wir.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deswegen müsste es im Aus-schuss diskutiert werden.)

Das bringt nicht immer einen Mehrwert, aber des-halb haben wir einen Ausschuss, in dem wir dasbehandeln möchten.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ja nicht.)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5319

(Abg. Heym)

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Das nicht, weil es nicht sein muss.

(Beifall CDU)

Wir sind mit unserer Position - und damit möchteich es auch zum Ende bringen - nicht allein, HerrKuschel. Der Gemeinde- und Städtebund, den Sieoftmals auch gerne bemühen, hat an der Stelle eineganz andere Position als Ihre Fraktion, denn er istder Meinung, dass das Recht, sich mit Bitten oderBeschwerden an die zuständigen Stellen undVolksvertretungen zu wenden, bereits jetzt sehr in-tensiv und auf vielfältige Art und Weise gelebt wirdund das nicht noch einmal umfangreicher begrün-det und vertieft zu werden braucht. Deshalb bleibenwir bei unserer Position. Wir sehen die Notwendig-keit einer Verfassungsänderung nicht und alle an-deren Teile, die im Zusammenhang mit der Ände-rung des Petitionsgesetzes stehen, wollen wir in al-ler Ruhe im Ausschuss beraten. Deshalb hat sichauch gegenüber der ersten Lesung an unserer Po-sition dazu nichts geändert. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt dieAbgeordnete Schubert von der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! HerrHeym, auch ich war Mitglied eines Stadtrats undSie haben sinngemäß gesagt, alle, die das waren,hätten eine bestimmte Auffassung. Herr Haschkeals Vertreter der Freien Wähler wurde nie müde zubetonen, der Stadtrat sei nur ein Teil der Verwal-tung, also auch die Auffassung, die Sie teilen. Ichglaube, wenn man die Bürgerinnen und Bürger be-fragt, erhält man eine ganz andere Meinung dazu.Fragen Sie mal die Bürgerinnen und Bürger, die mitSchulnetzplanung konfrontiert sind, die mit einerzentralen Bebauung - Stichwort Eichplatz Jena -konfrontiert sind oder eine Meinung dazu haben, obihre gewählten Gemeindevertreter und -vertreterin-nen sich für eine polyvalente Multifunktionsarenaaussprechen sollen oder nicht.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Verlocken-des Argument.)

Das habe ich extra deswegen genannt. Damit willich sagen, dass es diesen Bürgerinnen und Bür-gern egal ist, ob der Gemeinderat Gesetze fassenkann oder nicht. Die Bedeutung im Sinne von ei-nem wichtigen politischen Anliegen wird auf eineranderen Ebene ausgetragen. Insofern ist es sehrschade, dass Sie sich dieser Diskussion, die sicher-lich auch juristische Details hat, die es zu erwägengilt, verweigern, vielleicht auch aus Sorge,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

dass Sie irgendwann keine entsprechenden sinn-vollen Gegenargumente mehr vorbringen können.Ich glaube nämlich, was wir tun, ist eine Klärung.Sie haben gesagt, dass sich die Bürgerinnen undBürger sowieso schon an die Stellen wenden. Dastun sie auch. In Jena hatten wir auch den Fall, dassjemand sich an den Hauptausschuss gewandt hat.Er hat, glaube ich, sogar „Petitionsausschuss“ inden Brief geschrieben, was uns dann veranlasst hatzu sagen, dann sollte es jetzt wohl so sein, dass indieser Stadt der Hauptausschuss der Petitionsaus-schuss ist oder die Funktion übernimmt.

Das heißt, mit dieser Änderung würde man eineKlarstellung vollziehen. Die Gefahren, die Sie her-aufbeschwören, dass das alles nicht nötig sei, seheich nicht. Es ist eine Klärung, so dass deutlich wird,es gibt eine Stelle in der Gemeinde, an die sich dieBürgerinnen und Bürger wenden können.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Ja, genau.)

Genau. Mit diesem Gesetz zwingen wir die Ge-meinden, die diese Klärung noch nicht haben, dieseherbeizuführen, wie das zum Beispiel Jena ge-macht hat. Das ist eigentlich Sinn der Sache. Dasist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vielleicht noch einen Hinweis auf Frau Marx, damuss ich mich jetzt auf Ihre Pressemitteilung bezie-hen. Sie haben das Beispiel beschrieben, dannkönnte sich auch jemand an die Gemeinde wen-den, der mit dem Atomkraftausstiegsszenario Pro-bleme hätte. Ich glaube, Frau Marx, wenn jemanddas tut oder das tun will, dann macht er das auchunabhängig von dieser Gesetzesänderung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wenn Sie esernst meinen.)

Zusammenfassend möchte ich sagen, bei den Um-wälzungen, die wir in Thüringen vor uns haben,wenn Sie es ernst meinen mit Entschuldung, Ge-bietsreform, Energiewende und was da alles nochso kommt, brauchen wir so viel Bürgerinnen- undBürgernähe wie möglich. Insofern stimmen wir die-ser Änderung zu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt dieAbgeordnete Marx von der SPD-Fraktion.

5320 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Heym)

Page 65: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Abgeordnete Marx, SPD:

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen, mit Ihrem Verfassungsänderungsantrag habenSie vielleicht in einer Grundlage recht. Man kanndurchaus darüber streiten, ob im bisherigen Wort-laut von Artikel 14 der Thüringer Verfassung einGemeinderat oder ein Kreistag als Volksvertretungoder nur als zuständige Stelle, an die jeder Mannund jede Frau Beschwerden richten kann, anzuse-hen ist.

Fest steht in der bisherigen Formulierung von Arti-kel 14, dass Gemeinderäte und Kreistage schonjetzt mindestens zuständige Stellen sind. Das heißt,dass an sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit Be-schwerden gerichtet werden können, aber eben nurim Rahmen ihrer Zuständigkeit. Da, Frau Schubert,hilft es nichts, wenn die Bürger denken, die Ge-meindevertretung wäre für alles Mögliche sonstnoch zuständig, um zu sagen, dann wendet euchauch in allen anderen Fragen an diese. Denn Ihnenist mit Ihrem Verfassungsänderungsantrag diese andie Zuständigkeit gebundene Beschwerdeempfän-gerschaft zu wenig und mit der von Ihnen beabsich-tigten Einfügung schaffen Sie eine neue zuständig-keitsunabhängige Kategorie von Beschwerdeemp-fängern, nämlich alle gewählten Volksvertretungen,gleich auf welcher Ebene, würden dann zu allzu-ständigen Beschwerdestellen werden. Das halte ichnicht für nützlich und aus zwei Gründen lehnen wirdieses Begehren ab. Es ist weder geboten nochsinnvoll, die Lokalparlamente zu allzuständigen Be-schwerdestellen zu machen, denn die ehrenamtlichbesetzten Volksvertretungen wären mit einer derartweit gefassten Zuständigkeit, mit der ja auch eineVerpflichtung zur Bescheidung einhergeht, überfor-dert. Sie können doch nicht ein Versprechen an dieBürger abgeben - hier bekommst du möglicherwei-se Abhilfe, wenn du dich beschwerst -, wenn dieseAbhilfe an der Stelle gar nicht gegeben werdenkann.

Was bedeutet denn Allzuständigkeit? Mit IhremVerfassungstext wäre es egal - das habe ich in mei-ne Pressemeldung auch hineingeschrieben -, obsich Bürger über den Zustand einer Gemeindestra-ße oder das geplante Ausstiegsszenario aus derAtomenergie beschweren wollen. Die Gemeinderä-te hätten dem nachzugehen. Die würden erst ein-mal zu einer Eingabensortierstelle und müssten na-türlich dann kompetenzüberschreitende Beschwer-den entweder an zuständige Stellen weitergebenoder sagen, wir sind da leider nicht die Richtigen.Der Bescheid an den Bürger, wir sind leider garnicht zuständig, weckt aber nicht wirklich Freudebeim Beschwerdeführer und stärkt nicht das Ver-trauen in die Demokratie. Vielmehr wird eine Aus-kunft von der Sorte „Kollege kommt gleich“ dochmeistens als Ausweichmanöver eingestuft. Wirmüssen die Bürger ja auch nicht bei ihren Vorurtei-len abholen, um sie hinterher noch mehr zu frustrie-

ren. Deswegen sind wir dagegen, dass Gemeinde-und Kreisparlamente Beschwerdestellen für Anlie-gen werden, denen sie selbst gar nicht abhelfenkönnen. Es ist kein sinnvoller Akt, ehrenamtlich täti-ge Gemeinde- und Kreisräte zum Weltkummerka-sten zu machen. Die haben schon genug andereszu erledigen und wir denken, das muss auch derkommunalen Selbstverwaltung überlassen bleiben.

Noch einmal der zweite Einwand, das ist der ge-wichtigere, den ich versucht habe, Ihnen schon inder ersten Lesung nahezubringen: Das Eingabewe-sen, das durch Ihre Vorstellungen spukt, ist nichtder Demokratiegewinn, zu dem Sie es hier immerwieder hochstilisieren. Sie schreiben - und ich zitie-re auch noch einmal aus Ihrer Begründung: „Diesfördert Beteiligung und leistet einen nicht unerhebli-chen Beitrag zur Demokratisierung der Kommunal-politik und trägt den veränderten Bedürfnissen derMenschen nach Teilhabe und Mitwirkung an politi-schen Prozessen und Entscheidungen vor OrtRechnung.“ Ich sage Ihnen, genau das bewirkt esdoch gerade nicht. Das Beschwerderecht ist ein de-mokratisch stumpfes Schwert, es schafft keineRechte, sondern ist ein Bitten und Betteln. Wenn esdann nach Ihren Vorstellungen vor Ort auch nochfür dort gar nicht zu entscheidende Fragen ausge-übt werden können soll, ist es nicht nur stumpf,sondern sogar nur aus Pappe.

Eingaben, wie sie zu DDR-Zeiten üblich und ver-breitet waren, sind das klassische Demokratiepla-cebo totalitärer Systeme. Sie treten an die Stelleeinklagbarer Rechte und ermöglichen Bevorzugungoder Benachteiligung im Einzelfall anstelle gerech-ter Teilhabe aller.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Hat meistensauch nichts gebracht.)

Ja, oder sie haben nichts gebracht. Wenn Sinn undZweck Ihres Begehrens sein soll, die Anliegen derEinwohnerinnen und Einwohner, wie es auch in Ih-rer Begründung steht, zum Ausgangspunkt der ge-meindlichen und kreislichen Tätigkeit zu machenund das Vertrauensverhältnis sowie das Problem-bewusstsein zu stärken, dann frage ich Sie heuteerneut, warum Sie den Umweg über ein altertüm-lich allumfassendes Eingabewesen gehen wollen,statt direkte Demokratie zu fördern? Ich sehe hierein Konkurrenzverhältnis. Wir entscheiden uns fürLetzteres und werden daher Ihren Verfassungsän-derungsantrag mangels Bedarfs auch in der kom-menden dritten Lesung ablehnen.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete. Es gibt noch eine Wort-meldung von der Abgeordneten Sedlacik.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5321

Page 66: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Abgeordnete Sedlacik, DIE LINKE:

Danke. Ich möchte zu den Worten von Frau Marxnur kurz etwas klarstellen. Sie hat nun in einemgroßen juristischen Plädoyer dargestellt, dass esunmöglich wäre, den Gemeinderat zum allzuständi-gen Gremium aufzuwerten oder auch zu degradie-ren. Ich weiß nicht, wie es gemeint war. Unser Ge-setzentwurf Petitionsgesetz soll in § 15 a Petitions-recht lauten: „Jeder hat das Recht, sich in Gemein-deangelegenheiten mit Vorschlägen, Bitten und Be-schwerden an die Gemeinde zu wenden

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

und soll spätestens nach der vierten Woche überdie Stellungnahme zur Petition mit schriftlicher Be-gründung unterrichtet werden.“ Nur das und nichtsanderes steht in unserem Gesetzentwurf. Ich bean-trage hiermit erneut eine Überweisung an den Peti-tionsausschuss, damit wir darüber ganz sachlich re-den und diskutieren können. Danke.

Vizepräsident Gentzel:

Ich habe Sie richtig verstanden, Sie wollen jetzt dasFünfte Gesetz zur Änderung der Verfassung desFreistaats Thüringen an den Ausschuss überwei-sen, und zwar an den Petitionsausschuss?

(Zwischenruf Abg. Ramelow und Blech-schmidt, DIE LINKE: Ja.)

Gut. Jetzt frage ich erst noch mal nach weiterenWortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Damitschließe ich die Aussprache und wir kommen zurAbstimmung über den Antrag auf Ausschussüber-weisung. Wer dafür stimmen möchte, dass dasFünfte Gesetz zur Änderung der Verfassung desFreistaates Thüringen, Gesetzentwurf der FraktionDIE LINKE in der Drucksache 5/2672, an den Petiti-onsausschuss überwiesen wird, den bitte ich jetztum sein Handzeichen. Zustimmung von den Frak-tionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Gegenstimmen? Gegenstimmen von den Fraktio-nen der CDU und der FDP. Enthaltungen?

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nein.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: SPD.)

SPD, richtig. Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Barth, FDP:

Aus unserer Fraktion kamen zustimmende Wort-meldungen, Herr Präsident.

Vizepräsident Gentzel:

Um das noch mal klarzustellen: Zustimmung zurAusschussüberweisung von der Fraktion DIE LIN-KE, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von derFDP, Gegenstimmen von den Fraktionen der CDU

und der SPD. Damit ist die Ausschussüberweisungabgelehnt und ich schließe die zweite Beratung desGesetzentwurfs.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufeauf den Tagesordnungspunkt 5

Thüringer Klimaschutz-Gebäu-de-RahmengesetzGesetzentwurf der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Drucksache 5/2678 -ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster erteile ichdas Wort der Abgeordneten Schubert von der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir be-handeln in Zweiter Lesung das Klimaschutz-Gebäu-de-Rahmengesetz, das nicht an den Ausschussüberwiesen wurde. Herr Carius hat sich auch mitdieser Materie beschäftigt, in den letzten Wochensogar sehr intensiv unter dem Motto: Energieeffizi-enz - die unterschätzte Ressource. Da habe ich Sierichtig zitiert und Sie sagen, wir wollen nicht gän-geln, sondern Anreize schaffen, was ich als Absagean einen ordnungsrechtlichen Rahmen interpretie-re, den wir wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Carius, Minister für Bau, Lan-desentwicklung und Verkehr: Sehr richtig.)

Richtig. Ich frage Sie: Ist es auch gängeln, wennSie sich mit Herrn Machnig inzwischen verabredethaben, das Landesentwicklungsprogramm so zugestalten, dass ein bestimmter Teil an Energieeffizi-enz und erneuerbaren Energien eingefordert wird -

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

technologieoffen? Klammer auf: Das ist genau derAnsatz, den wir auch für unser Gesetz wollen,Technologieoffenheit. Klammer zu. Wir setzen so-zusagen nur den Rahmen und die Hausbesitzerkönnen sich mehr oder weniger aussuchen, was siemachen. Ist es auch Gängelung, wenn nicht jedernach Belieben die ganze Nacht Lärm machen darfoder wenn ich mit dem Auto zur Abgasuntersu-chung muss, weil ich nicht unbegrenzt Abgase aus-stoßen darf, dass wir nachschauen, was dieLSR Recycling GmbH an Schadstoffen ausstößtusw.? Ich könnte noch viele Beispiele finden. Ichglaube aber, dass wir in diesem Hause den Kon-sens haben, dass wir den Ausstoß von Kohlendi-oxid beschränken wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

5322 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

Page 67: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Herr Machnig und Herr Weber sind gestern nichtmüde geworden, auf die Potenzialstudie der Fach-hochschule Nordhausen hinzuweisen, die bei mitt-leren oder großen Anstrengungen voraussieht,dass wir in Thüringen im Jahr 2020 bei 100 ProzentStrom aus erneuerbaren Energien landen können.Es ging, und das wurde leider in der Debatte nichtdeutlich genug gesagt, immer um Strom. Es gingnicht um Wärme. Wir haben in Deutschland fürStrom genauso viel CO2-Ausstoß wie für Wärmeund das ignorieren Sie.

Herr Machnig sagte, der Bereich ist schwierig. Wirsind im Bereich Wärme erst bei 7 Prozent erneuer-barer Energien. Gerade deshalb muss man vielmehr Hirnschmalz hineinstecken, als wir das imStromsektor schon getan haben, und das tun Sienicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihnen vielleicht auch zu unbequem. Esreicht nicht, darauf hinzuweisen, dass Sie vomBund mehr Geld wollen, das haben wir auch in dasGesetz geschrieben, dass wir die Aufstockung z.B.der KfW-Mittel brauchen. Die EU wird da, daraufwerde ich nachher noch zu sprechen kommen, et-was ehrgeiziger vorangehen, zumindest will sie. Siewill 3 Prozent Sanierungsquote im Bestand als Ziel.Das wird unter anderem von Ihren Kollegen in derBundesregierung noch blockiert. 12 Prozent derGebäude in der EU sind öffentliche Gebäude unddas zeigt doch, dass wir bei den anderen 88 Pro-zent, selbst wenn wir da voranschreiten, einengroßen Nachholbedarf haben. Wir müssen uns die-sem Bereich widmen.

Die CDU hat gesagt, sie setzt auf Geothermie. Dasist insofern nicht glaubwürdig, als Sie das Themabinnen fünf Minuten im Ausschuss abgehandelt ha-ben. Da frage ich mich, wann fangen Sie dann an,darüber nachzudenken, welche Potenziale wir inThüringen heben können, um z.B. Gebäude zu be-heizen. Herr Machnig sagte, es seien auf demEnergiegipfel alle Aspekte angesprochen worden,aber ansprechen reicht eben nicht. Wenn ich nachSachsen schaue, dort kam heraus, dass von denMitteln, die - proportional an der Bevölkerung ge-messen - für Sachsen für die Gebäudesanierungzur Verfügung stehen, nur ein kleiner Teil - 10 bis20 Prozent - abgerufen werden. Das ist ganz genaudas Problem, das deutlich macht, dass wir einenordnungsrechtlichen Rahmen brauchen. Denn ichvermute, in Thüringen ist die Situation nicht vielbesser.

Herr Scherer hatte sich bei der ersten Beratung zu-rückgelehnt und gesagt, na ja, Baden-Württemberg,die haben zwar etwas gemacht, aber die wollennur, dass mit diesem Erneuerbare-Energien-Wär-megesetz, wenn jemand sowieso die Heizungsan-lage austauscht, er erneuerbare Energien einset-zen soll und das Berliner Stufenmodell sei noch gar

nicht so weit, Gesetz zu werden. Das ist alles rich-tig. Nur, was sagte die Ministerpräsidentin mehr-mals und auch Herr Machnig? Thüringen soll dasenergieeffizienteste Bundesland werden. Thüringenwill das energieeffizienteste Bundesland werden.Dann müssen Sie auch voranschreiten und könnensich nicht zurücklehnen und warten, was die ande-ren machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie den Energiekonsens wirklich ernst mein-ten, dann hätten Sie unseren Gesetzentwurf zumin-dest überwiesen oder hätten zumindest angedeu-tet, dass Sie an einem eigenen Entwurf arbeiten.Dergleichen habe ich nicht gehört.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Eigentlich ist die Situation doch ganz anders. Dietraurige Wahrheit ist, dass die CDU nicht will, dieSPD will, am liebsten gestern schon so einen Ent-wurf vorgelegt hätte, aber sie darf nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Das ist Ihr trauriger Kompromiss und die Energie-wende, wenn sie denn kommt, ist eben gerade nurdie Hälfte.

Die CDU trifft sich in Eisenach mit Herrn Oettingerund will einen Antrag beraten „Energiepolitik mitMaß und Mitte“. Herr Oettinger hat klargemacht,dass, wenn wir vorankommen wollen, wir eines tunmüssen: Dämmen vom Dach bis zum Keller - nach-zulesen in einem Interview in der „Zeit“. Er sagteauch, dass es in der EU viele Strukturprogrammegibt, die man dafür anzapfen kann, dass diese Gel-der aber leider in großem Maße in Umgehungsstra-ßen und Brücken geflossen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, Sie haben eine gute Beratung mit ihm.Ich möchte auch nicht die Schwierigkeiten verheh-len, die es auf dem Weg zu einem guten Gesetz-entwurf geben würde, wenn man ihn denn be-schreitet. Aber eines ist auch ganz klar: Mit Maßund Mitte wird Thüringen nie Vorreiter als energie-effizientestes Bundesland. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Untermann von der FDP-Fraktion.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mitMaßlosigkeit, Frau Schubert, wollen wir aber auchkein Vorreiter sein.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5323

(Abg. Schubert)

Page 68: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Davon habe ich nicht gespro-chen, Herr Untermann.)

Ich habe es aber so aufgefasst. Nachhaltige Archi-tektur und Stadtentwicklung bedeuten, Lebensräu-me mit einem Höchstmaß an Funktionalität und Le-bensqualität bei geringsten Eingriffen in die natürli-chen Kreisläufe zu schaffen. Dieses erfordert aberdie gleichwertige Berücksichtigung ökologischer,ökonomischer und sozialer Belange. Der Zweck Ih-res Gesetzes soll die verbindliche Festlegung vonKlimaschutzzielen für den Gebäudebestand in Thü-ringen sowie die Einrichtung eines Rahmens für dieErarbeitung, Umsetzung, Überprüfung, Berichter-stattung und Fortschreibung von Klimaschutzmaß-nahmen im Gebäudebestand sein. Wie die Ziele indie Praxis umgesetzt werden sollen, auf welche zu-sätzlichen finanziellen Lasten sich jeder Wohn-raumbesitzer in Thüringen ab wann einstellenmuss, aus welchen Fördermitteln diese gefördertwerden sollten und vor allem wer mit der Durchfüh-rung der einzelnen Maßnahmen beauftragt werdensollte, haben Sie in Ihrem Themenkatalog leidernicht erwähnt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Deshalb Rahmengesetz.)

Ach so. Des Weiteren soll nach Ihrer Gesetzesvor-lage ab dem 1. Januar 2016 in Thüringen als Pflichtfür alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Ge-bäuden ein Mindeststandard für den maximalenEnergiebedarf oder ersatzweise maximalen CO2-Ausstoß pro Quadratmeter Nutzfläche einzuhaltensein. Ich frage hier einmal nebenbei: Es wäre nett,wenn Sie mir erklären würden - das gehört zwarnicht zum Thema -, wie Sie das mit dem CO2-Aus-stoß und Ihrer Energiewende mit den Gas- und mitKohlekraftwerken hinbekommen. Das wäre eineganz interessante Frage, vielleicht hören wir aucheinmal etwas davon.

(Beifall FDP)

Dieser Mindeststandard soll durch das Durchfüh-rungsgesetz so festgelegt werden, dass basierendauf dem tatsächlichen Zustand des Gebäudebe-standes in Thüringen die Erreichung des Mindest-standards für voraussichtlich mindestens 90 Pro-zent der Eigentümer der betroffenen Gebäude wirt-schaftlich möglich ist. Ich glaube, Sie merken andieser Stelle selbst, dass eine voraussichtliche wirt-schaftliche Umsetzung sowie gleichzeitige Umset-zungspflicht eine riesige Mehrbelastung für alleWohnraumbesitzer nach sich zieht.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das interes-siert die aber nicht.)

Der wirtschaftliche Aufschwung durch zusätzlicheAufträge im Handwerk darf nicht auf zusätzlicherPflichtverschuldung der Bürger und schlimmsten-falls auf der Aufgabe des Wohnraums basieren.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Genau.)

(Beifall FDP)

Gleichzeitig heißt es weiter im Gesetzentwurf: Fürbetroffene Mieterinnen und Mieter darf eine not-wendige Sanierung in der Summe über die durch-schnittliche Nutzungsdauer und unter Berücksichti-gung der voraussichtlichen Energiepreissteigerun-gen nicht zu wesentlichen Mehrkosten führen.Dann frage ich Sie: Wer soll die Mehrkosten danntragen und wie nachhaltig und möglichst preiswertkönnen von oben verordnete Maßnahmen in derPraxis sein? Das Nähere, wofür Sie vor lauter Eu-phorie keine Zeit hatten, sollte letztlich in demDurchführungsgesetz der Landesregierung bis zum30. November 2013 bestimmt werden. Ebenfallssoll die Landesregierung dem Landtag bis zum30. November 2012 einen Klimaschutz-Gebäude-plan vorlegen. Des Weiteren heißt es in dem Ge-setzentwurf: Der Nachweis der Einhaltung der ge-forderten Mindeststandards soll durch einen Ener-gieausweis laut Energieeinsparverordnung (EnEV)des Bundes in der jeweils aktuellen Fassung erfol-gen. Die Eigentümer der Gebäude werden ver-pflichtet, unabhängig von Umbaumaßnahmen,einen solchen Energieausweis für ihre Gebäudeausstellen zu lassen. Die Fristenregelung hierfürsoll wieder durch das Durchführungsgesetz erfol-gen. Wird die Einhaltung des Mindeststandardsdurch das CO2-Ziel dargestellt, so ist durch die Ei-gentümer der Gebäude neben dem Energieausweiseine Berechnung eines Fachbetriebs über den An-teil der regenerativen Energien an der Wärmebe-reitstellung vorzulegen. Näheres regelt das Durch-führungsgesetz.

Jetzt kommen wir der Sache wieder näher. Siemöchten gern die Wirtschaft und die Kreditwirt-schaft auf Kosten der Wohnraumbesitzer auf derGrundlage eines Gesetzes fördern, welches erst imJahre 2013 vorliegen soll. Mit Nachhaltigkeit, ökolo-gischen und sozialen Belangen hat dieser Gesetz-entwurf nur sehr wenig zu tun.

(Beifall FDP)

In der Studie des Thüringer Ministeriums für Land-wirtschaft, Naturschutz und Umwelt im Jahre 2000„Klimaschutz in Thüringen - Analysen, Potenziale,Handlungsfelder“ sind bereits die wichtigen Maß-nahmen einer klimagerechten Planung und Datenzur Gebäudesanierung enthalten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Gut, dann machen wir es doch.)

5324 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Untermann)

Page 69: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Die bisher vom Freistaat Thüringen aufgelegtenProgramme zur Förderung der Modernisierung undInstandsetzung von Wohngebäuden zielen nebender Einhaltung und Erhöhung des Gebrauchswer-tes insbesondere auch auf die energetische Ver-besserung der Wohnsubstanz. Besonders in denJahren 1992 bis 1993 umgesetzte Förderprogram-me im Zuge der Energieträgerumstellung auf um-weltfreundliche und schadstoffarme Medien leiste-ten einen expliziten Beitrag zur Minderung desCO2- und SO2-Ausstoßes der Heizanlagen und da-mit zur Reduzierung der Umweltbelastung. DieThüringer Wohnungsunternehmen haben seit 1990in die Modernisierung und Instandsetzung desWohnungsbestandes ca. 12 Mrd. DM investiert.Rund zwei Drittel dieser Gesamtinvestition wurdemit energiesparenden Maßnahmen wie Dämmfas-saden, neuen Fenstern, Türen, Wärmedämmungvon Decken und Dächern, modernen Heizungssys-temen und Mess- und Regeltechnik zur verbrauchs-abhängigen Erfassung verbunden. Die bestehen-den Förderprogramme des Landes und des Bundeshinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der energetischenVerbesserung des Wohnungsbestandes sind alsonichts Neues, beruhen aber - und das ist das Ent-scheidende - auf freiwilliger Leistung und habendennoch einen großen Anklang in der Bevölkerunggefunden.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Was ist denn das für eine freiwilli-ge Leistung?)

Die Datenerhebung zur energetischen Qualität undzu Modernisierungstrends im deutschen Wohnge-bäudebestand vom 09.12.2010 bestätigt, dass dieInanspruchnahme von Fördermitteln bei umfangrei-cheren Maßnahmepaketen größer wird. Während11,3 Prozent der Gebäude, bei denen nur eineMaßnahme durchgeführt wurde, Fördermittel erhal-ten haben, steigt dieser Anteil bis auf 60,9 Prozentfür diejenigen Gebäude, bei denen ab 2005 minde-stens vier Maßnahmen durchgeführt wurden.

Die Förderquoten sind auch nach Art der Maßnah-me unterschiedlich. Bei Durchführung nur einerWärmedämmmaßnahme - Außenwand, Dach oderObergeschossdecke oder Fußboden - wurden etwa9 Prozent der Hauseigentümer gefördert. Bei derInstallation einer Solaranlage als einzige Maßnah-me sind es ca. 47 Prozent. Es ist zu erkennen,dass zumeist Einzelmaßnahmen bzw. kleinereMaßnahmepakete durchgeführt werden. So etwasbraucht Zeit und kann nicht per Gesetz zu einembestimmten Zeitpunkt angeordnet werden. Erkenn-bar ist hier ein sehr hoher Anteil der Modernisie-rungsarbeiten mit Eigenkapitalfinanzierung, bei denEinfamilienhäusern noch mehr als bei den Mehrfa-milienhäusern. Es wird auch deutlich, dass ein nichtgeringer Anteil der verschiedenen Energiesparge-

bäude, im Fall der KfW-Energiesparhäuser mehrals ein Drittel, auch ohne Förderung errichtet wur-den. Die von den Förderprogrammen definiertenStandards haben offensichtlich über die tatsächlichgeförderten Fälle hinaus eine Bedeutung erlangt.Dies kann als Hinweis auf eine Ausstrahlungs- bzw.Multiplikatorenwirkung der entsprechenden Förder-programme gewertet werden. Es ist falsch, bei Ge-bäudesanierung auf Zwang zu setzen, dieser istauch nicht notwendig und man kann mit vernünfti-gen und planbaren Konzepten auf die Eigenverant-wortung - das sage ich noch einmal deutlich - derBürger setzen. Das zeigen die bisherigen Ergebnis-se. Es dürfen und müssen auch nicht zu hohe ge-setzliche Standards eingefordert werden, denn amEnde sind es - wie bereits erwähnt - die Mieter undEigentümer, die dafür aufkommen müssen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Und den Nutzen dafür haben.)

Hierzu ein Zitat der Bundeskanzlerin, der ich zwarauch nicht in allen Sachen recht gebe, aber hier hatsie mal wirklich das betont, was auch unsere Mei-nung ist: Wir fördern und fordern, aber wir werdennicht überfordern.

Ihr Entwurf enthält keine Konzepte, schafft Unsi-cherheit und zusätzlichen Verwaltungsaufwand,das muss ich noch mal betonen, und ist daher un-brauchbar. Danke schön.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Untermann. Das Worthat jetzt Abgeordnete Wolf für die Fraktion DIE LIN-KE.

Abgeordnete Wolf, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich ge-be zu, was mir zu dem Tagesordnungspunkt heutezuerst einfiel, war der Vorschlag unseres eigenenBeitrags zum Klimaschutz. Ich persönlich finde eshochgradig unvernünftig, dass man bei Außentem-peraturen, wo man gern im T-Shirt draußen sitzt,einen Raum so weit herunterkühlt, dass alle gemüt-lich im langen Hemd und Jackett darüber hier sit-zen können. Vielleicht sollten wir uns an der Stelleein Beispiel an Japan nehmen, wo gerade daraufhingewiesen wurde, dass die Kleiderordnung ent-sprechend den Temperaturen draußen angepasstwerden kann.

(Unruhe CDU)

Da will ich den Herren zuwerfen, weil ich die Zwi-schenrufe natürlich durchaus wahrnehme, es gibtein unterschiedliches Temperaturempfinden.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5325

(Abg. Untermann)

Page 70: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Nun aber zum Antrag, ich will Sie in der Debattenicht weiter vom Antrag zurückhalten. Die Debatteist ausgesprochen schwierig und ich bin ausgespro-chen unglücklich darüber, denn einen Gesetzent-wurf in einer zweiten Beratung hier zu diskutieren,ohne auch nur ansatzweise eine Beratung in einemAusschuss oder wie auch immer weiterführen zukönnen, ist, glaube ich, für alle Beteiligten unbefrie-digend und ich bedaure sehr, dass es hier zu dieserBlockadehaltung gekommen ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Die erste Lesung war gut, sie war auch inhaltlichgut und sie hätte eigentlich weitergeführt werdenmüssen. Jetzt ist es ein bisschen Fischen im Trü-ben ohne Erkenntnisgewinn, ohne weitere Debatte,und wenn wir uns ehrlich in die Augen schauen,könnte man möglicherweise sogar auf diese Debat-te verzichten, weil es relativ wenig Sinn macht,auch wenn das Thema - und das ist eben das Tra-gische - eigentlich so wichtig ist. Da wäre auch dieBrücke gewesen, wir hatten eine ähnliche Diskussi-on schon in der Februar-Sitzung des Landtags, inder alle Fraktionen festgestellt haben, der Ansatzist wichtig, der Ansatz ist richtig, wir müssen da-rüber reden. Herr Weber hat damals eingeworfen,lassen Sie uns doch noch ein bisschen Zeit, bisHerr Machnig ein Stück weiter ist. Herr Machnig istjetzt ein Stück weiter, diese Energiekonferenz hatstattgefunden. Eigentlich sind wir genau an demPunkt, an dem wir jetzt mal aus den Puschen undeben zu dem Punkt kommen müssten, wo wir unsgemeinsam auch darüber verständigen, wie wir zuverbindlicheren Regelungen kommen könnten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will nicht verhehlen, dass meine Kritik an demGesetz, wie es vorgelegt wurde, bleibt. Es ist wei-terhin - das ist auch nicht überraschend, denn wirkonnten das Gesetz nicht qualifizieren - eine dünneBuchstabensuppe, die ein bisschen an „wünsch dirwas“ erinnert. Aber das will ich nur bedingt BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN vorwerfen, weil es natürlichauch der Zuarbeiten des Hauses bedurft hätte, umdas Gesetz zu verbessern. Dass ein solches Ge-setz notwendig ist, darüber sind wir uns eigentlichalle einig. Von daher auch die Verantwortung derLandesregierung aus meiner Sicht, die entspre-chende Vorschläge machen müsste und sich nichtnach dem Motto zurücklehnen kann, wir machenschon irgendwie und irgendwann und irgendwaswird schon gut.

Natürlich werden wir als LINKE bei dem Thema„Gebäudesanierung“ immer wieder auch unterstüt-zen, immer wieder sagen, ja es ist notwendig, Kli-maschutz muss sein, Klimaschutz muss auch biszu einem gewissen Punkt Kompromisslosigkeitbeinhalten. Aber natürlich werden wir als LINKE im-mer die Frage der sozialen Gerechtigkeit mit in den

Topf werfen und immer mit in den Fokus stellen.Wir werden immer wieder daran erinnern, dass wirin Thüringen 15.000 Hartz-IV-Empfänger haben,die in selbst genutztem Wohneigentum leben unddazu eben die große Menge an Niedriglöhnern, dienicht einfach mal so 30.000 €, 40.000 € oder50.000 € in eine neue Energiesanierung steckenkönnen. Wir wissen - das wissen sicherlich auchSie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, dass dieseAusgaben nicht immer und zumindest nicht auf ab-sehbare Zeit und schon gar nicht, wenn man esüber Banken finanzieren muss, entsprechend ren-tierlich sind und das dann auch nicht für jeden undjede darstellbar ist.

Da sind wir wieder bei der Verantwortung, die diePolitik hat. Wir müssen klare Rahmenbedingungengeben, wir müssen klare Unterstützung geben undwir müssen natürlich auch die Förderung so gestal-ten, dass sie verlässlich ist und genau in dem Be-reich auch den Ausgleich der sozialen Verantwor-tung und der sozialen Gerechtigkeit mitliefern kann.

Über all das hätte ich eigentlich gern im Ausschussmit Ihnen geredet und debattiert. Diese Arbeitsver-weigerung ist für mich wirklich hochgradig unbefrie-digend.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Ich bin ausgesprochen gespannt darauf, wann dieRegierungskoalition und die Landesregierung ander Stelle endlich in den Tritt kommen und der Not-wendigkeit an der Stelle eben auch Nachdruck ver-leihen und wir von Ihnen etwas Brauchbares vorge-legt bekommen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Frau Abgeordnete Wolf. Es hat jetzt dasWort der Abgeordnete Scherer für die CDU-Frak-tion.

Abgeordneter Scherer, CDU:

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,Klimaschutz und Energieeinsparung sind ganz oh-ne Zweifel wichtige Ziele. Das ist in der ersten Le-sung des Gesetzes auch schon von mir betont wor-den. Ich gebe auch durchaus zu, dass in § 2 desGesetzentwurfs natürlich einige Punkte stehen, dieauch wichtig sind, nämlich die Mindeststandards fürGebäude. Da steht jetzt natürlich auch noch ein Da-tum drin, der 01.01.2016. Es steht - es ist ein Rah-mengesetz und deshalb lehnen wir es auch ab -nicht drin, wie diese Mindeststandards im Einzelnenaussehen sollen.

Auch der Punkt, keine wesentliche Mehrbelastungfür Mieter, ist ein guter Punkt und ist auch wichtig

5326 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Wolf)

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und richtig. Es steht allerdings auch hier nichtsKonkretes drin. Keine unbilligen Härten - dafür binich auch. Wenn man die Leute verpflichten will, anihren Häusern Sanierungen vorzunehmen, darf eskeine unbilligen Härten geben. Wie die allerdingsvermieden werden sollen, ist auch nicht zu sehen.Zu guter Letzt noch die Landesförderung mit revol-vierenden Fonds - das ist auch eine tolle Sache, wirfangen ja gerade damit an. Aber am Schluss wirdes nicht die alleinige Lösung sein, wenn keine wei-teren Regelungen dazukommen.

Frau Wolf, Sie haben es angesprochen, verbindli-che Regelungen braucht man. Das Rahmengesetzist ohne verbindliche Regelungen, deshalb lehnenwir es ab bzw. haben es abgelehnt. Für Dämmenvom Dach bis zum Keller oder umgekehrt bin ichauch. Nur - und das habe ich das letzte Mal schongesagt - bin ich nicht dafür, dass man es dem Bür-ger zwangsweise verordnet. Wir sind doch schonauf einem ganz guten Weg, zwar etwas gezwungendurch die Ereignisse in Japan, das hat sicher zu ei-nem gewissen Umdenken geführt. Es kommt dochdarauf an, die Ziele, die Sie hier hineingeschriebenhaben, durch konkrete Sachen möglichst weitge-hend zu verwirklichen. Das ist eine Diskussion, diewir führen müssen, Frau Schubert. Diese Diskussi-on wird doch auch schon geführt. Es gibt dochschon konkrete Möglichkeiten bzw. es gibt konkreteAnreize. Es werden im Moment auch konkrete An-reize geschaffen, aber eben Anreize und keinestaatlichen Zwangsmaßnahmen. Die Bundesregie-rung hat mittlerweile einen Gesetzentwurf auf denWeg gebracht - oder man kann auch sagen, diezwei Fraktionen im Bundestag haben einen Gesetz-entwurf auf den Weg gebracht -, der jetzt steuerli-che Anreize bietet. Das ist dieser Gesetzentwurfzur steuerlichen Förderung von energetischen Sa-nierungsmaßnahmen an Wohngebäuden. Das isteine konkrete Maßnahme, die auch helfen wird. In§ 7 e, der neu eingeführt wird, und in § 10 k stehenSteuervergünstigungen, die letztlich zu 100 ProzentAbschreibungen für energetische Sanierungsmaß-nahmen an vorhandenen Gebäuden führen. Das istzwar eingeschränkt auf Gebäude, die vor dem1. Januar 1995 gebaut worden sind; darüber kannman sicher diskutieren.

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Abgeordneter Scherer, es gibt den Wunschauf eine Zwischenfrage.

Abgeordneter Scherer, CDU:

Ja, gern - sofort. Ich halte diese Beschränkung aufvor 1995 zwar für diskussionswürdig, man könntesie auch aufheben, genauso die enthaltene Be-schränkung, dass dieses Gesetz erst am01.01.2012 in Kraft treten soll. Wenn das tatsäch-lich so kommen würde, heißt es, in den nächsten

Monaten finden keine Investitionen statt, weil jederwartet, bis der 1. Januar an den Himmel kommt.Das ist sicher auch eine Einschränkung, die manauch anders, und zwar so fassen könnte, dass dasGesetz sofort in Kraft tritt. Bitte schön, Herr Adams.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werter Herr KollegeScherer, Sie haben ja unser Gesetz aufmerksamgelesen. Sie hatten gerade kritisiert, dass hier be-stimmte Werte nicht benannt sind. Dann werdenSie aber auch gelesen haben, dass in unserem Ge-setz die Landesregierung aufgefordert wird, dieseWerte zu ermitteln und in einem dann fortführendenGesetz darzulegen. Haben Sie so wenig Zutrauenin die Landesregierung, dass die das nicht ordent-lich machen können bei all den Punkten, zum Bei-spiel unbillige Härten und Ähnlichem? Ich persön-lich hätte das Zutrauen. Wie sieht es denn bei Ih-nen aus?

Abgeordneter Scherer, CDU:

Gerade wenn Sie diese gute Hoffnung haben,braucht man doch kein Rahmengesetz.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Die machen es nicht.)

In dem Rahmengesetz steht nämlich insofern nichtsdrin. Wenn Sie die gute Hoffnung haben, dass dieLandesregierung das schon machen wird, dannwarten Sie, dann macht die Landesregierung das,wenn es überhaupt notwendig ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Sie tut es nicht.)

Lassen Sie mich mal ausreden! Wenn es nicht soist, dass die Bundesregierung oder der Bundestagin den nächsten Wochen in diese Richtung bereitsein Gesetz machen werden, dann kann man sichüberlegen, ob die Landesregierung tatsächlich nochso ein Gesetz machen muss.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Sie überlegen schon seit einemhalben Jahr.)

Ich erkläre es Ihnen gleich.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Da gibt es nichts zu erklären.)

Wenn Sie nämlich dieses Bundesgesetz nehmen,darin stehen die Standards. Das ist zwar bis jetztnur ein Entwurf, aber darin steht zum Beispiel,wenn ich mal aus § 7 e Einkommensteuergesetz zi-tieren darf: Der Steuerpflichtige kann die erhöhtenAbsetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn erdurch eine Bescheinigung einer sachkundigen Per-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5327

(Abg. Scherer)

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son im Sinne des § 21 der Energieeinsparverord-nung die Voraussetzung des Satzes 1 nachweist.Voraussetzung des Satzes 1 ist, dass das nur steu-errechtlich zum Abschreiben anerkannt wird, wennder Jahresprimärenergiebedarf unter bestimmtenWerten, die in der Energieeinsparverordnung fest-gelegt sind, unter 85 Prozent liegt und wenn gleich-zeitig der Transmissionswärmeverlust nicht100 Prozent von bestimmten Werten überschreitet,die auch in der Energieeinsparverordnung festge-legt sind. Da sind die Maßnahmen schon festgelegtund sind auch die Grenzen festgelegt und die Vor-aussetzungen. Natürlich weiß ich, was da gleichwieder kommt, nämlich von Abschreibungen habenwieder die nur die großen Vorteile, die hohe Steu-ern zahlen - ich sage mal bewusst, die hohe Steu-ern zahlen und nicht die viel verdienen, sonderndie, die hohe Steuern zahlen, die haben die Ab-schreibungsmöglichkeiten. Natürlich ist es so. Ichhätte auch nichts gegen einen Zuschuss einzuwen-den. Nur muss man auch mal sehen, wenn man esüber Abschreibungen macht, belastet es den Steu-erzahler, der letztlich über zehn Jahre gestreckt dieAbschreibung tragen muss. Wenn ich einen Zu-schuss gebe, greift der sofort im ersten Jahr undführt sofort im ersten Jahr zu Steuermindereinnah-men. Es bleibt dann das, was durch den Zuschussnicht abgedeckt wird, und das wird dann im Zweifelwieder auf die Mieter umgelegt, während wenn ichdie 100-prozentige Abschreibung habe, wird auf dieMieter null umgelegt. Das müsste doch demWunsch entgegenkommen, die Mieter möglichstwenig zu belasten. In dem Fall würden sie sogarüberhaupt nicht belastet werden. Bei einer 100-Pro-zent-Abschreibung bleibt nichts übrig, was ich aufden Mieter umlegen kann, sondern es geht letztlichalles zulasten des allgemeinen Steuerzahlers, dasheißt zulasten der Steuereinnahmen des Bundes,zulasten der Steuereinnahmen des Landes und derKommunen. Das muss man allerdings im Hinter-kopf auch sehen, dass das natürlich auch nicht fürumsonst ist. Das heißt, letztlich zahlen das dieSteuerzahler Bund, Länder und Kommunen. Das istso, weil es das für umsonst nicht gibt. Ansonstenmuss man sich in der Tat konkrete Gedanken ma-chen, wenn es diese Abschreibungsmöglichkeit fürbestimmte Maßnahmen nicht gibt, wie die Kostensozialverträglich so verteilt werden, dass alle damitleben können. Da hat der Mieterbund einen Vor-schlag gemacht, über den man durchaus diskutie-ren kann, indem er gesagt hat, man drittelt die Kos-ten der energetischen Sanierung: ein Drittel dieMieter, ein Drittel die Hauseigentümer, ein Drittelder Staat. Das ist in meinen Augen ein diskussions-würdiger Vorschlag, über den man durchaus redenkann. Denn in der Tat, das sehe ich auch, wennman das voll, wie die bisherige Regelung ist, mit 11oder 12 Prozent, das weiß ich jetzt nicht genau, aufdie Miete pro Jahr umlegen kann und das ohne Be-grenzung nach oben, ist das vielleicht nicht ganz

gerechtfertigt, wenn man das für diese energeti-schen Maßnahmen auch macht. Über weitere kon-krete Maßnahmen, sprich Erhöhung der KfW-Mitteloder auch Verbesserung des Marktanreizpro-gramms des Bundesamts für Wirtschaft und Aus-fuhrkontrolle, kann man in meinen Augen durchausreden und diskutieren. Aber wenn es um konkreteMaßnahmen geht, sind das Bereiche, wo der Bundzuständig ist. Wir können als Land keine konkretenFörderungserhöhungen bei KfW oder bei BAFAdurchsetzen. Sie sehen also, es wird schon etwasgetan. Wenn diese Abschreibungsmöglichkeitenkommen, so wie sie im Moment im Gesetzentwurfstehen, begrenzt auf diese Sanierung, die tatsäch-lich auch energieeinsparend sehr wirksam sind,dann haben wir doch genau das, was Sie eigentlichwollten - eine Sanierung des Gebäudebestands oh-ne Belastung der Mieter, nur mit Belastung, dasmuss man dazu sehen, des allgemeinen Steuer-zahlers. Weil solche konkreten Regelungen schonim Entwurf da sind, deshalb brauchen wir kein Rah-mengesetz. Danke schön.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Scherer. Es hat jetzt dasWort der Abgeordnete Weber für die SPD-Fraktion.

Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen, Hermann Scheer hat einmal gesagt:„Gute Absichten sind noch keine Handlungskompe-tenz, sondern nur eine Vorbedingung dafür.“ GuteAbsichten, denke ich, kann man Ihnen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, in diesem Gesetzesvorhaben durchausunterstellen. Ich glaube, dass Sie an dieser StelleGutes im Sinn haben. Ich glaube allerdings auch,Sie haben mich im Rahmen der Diskussion, die wirbeim letzten Mal zu diesem Gesetzentwurf hatten,nicht richtig verstanden. Ich glaube, dass Sie denkomplett falschen Ansatz gewählt haben. Ich habedas beim letzten Mal auch in Ihre Richtung gesagt,Frau Kollegin Wolf. Sie haben gesagt, Sie hättengern im Ausschuss über den Gesetzentwurf bera-ten. Voraussetzung dafür, dass man einen Gesetz-entwurf im Ausschuss berät, um ihn gegebenenfallszu verbessern, zu verändern und in eine Richtungzu bringen, die aus Sicht der SPD-Fraktion einesinnvolle Richtung wäre, ist, dass es der richtigeAnsatz ist, der mit dem Gesetzentwurf verfolgt wird.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann legen Sie doch mal Ih-ren Ansatz vor, Herr Weber.)

Das ist aber leider nicht der Fall. Lassen Sie michdoch mal ausreden, Frau Kollegin Schubert. AuchSie können an der Stelle vielleicht das eine oder

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(Abg. Scherer)

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andere in einer anderen Sichtweise erkennen,wenn Sie mir bis zum Ende zuhören. Der Ansatz,den Sie wählen, ist, Sie sagen: Der Energiebedarfoder die CO2-Emission des Gebäudes sind für unsdas Stellrad, an dem wir festmachen, ob das Ge-bäude oder der Eigentümer den notwendigen Bei-trag zum Klimaschutz gebäudeseitig leistet. Ichglaube, dass in der Masse der Bevölkerung genaudieser Ansatz zwar medial vielleicht verstandenwird, aber nicht in der praktischen Umsetzung. Ichglaube, es ist sinnvoller, den energetischen Produk-tionsansatz zu nehmen und zu sagen, wir setzendarauf, dass dann, wenn Entscheidungen getroffenwerden im Gebäude, ein energetisch sinnvollerWeg gegangen wird, zum Beispiel mit der Einbin-dung von Energiequellen aus erneuerbaren Ener-gien, zum Beispiel auch im Bereich der Wärme-dämmung oder der Verbesserung der Gebäudehül-le oder Ähnliches. Dass Sie von dem Ansatz aus-gehen, zunächst einmal zu sagen, wir schreibeneinen Gebäudestandard fest, wie man es vom Neu-bau her kennt, halte ich für relativ schwierig, weilSie wissen, dass die Menschen dann bereit sind,mehr zu investieren und was tun, wenn sie ohnehinschon was am Gebäude machen. Da gibt es zu-nächst einmal viel Potenzial, was wir schöpfen kön-nen, wenn wir den Zeitpunkt nehmen, wo sie ohne-hin Geld in die Hand nehmen. Das ist der Zeitpunkt- das hat zum Beispiel der Gesetzgeber in Baden-Württemberg schon vor dem Bundesgesetz erkannt-, wenn zum Beispiel die Heizungsanlage ausge-tauscht wird. Das ist der Zeitpunkt, wo Menschenohnehin Geld in die Hand nehmen, um an derHaustechnik etwas zu verbessern. Wenn man dannsagt, im Rahmen dieser Verpflichtung ist es sinn-voll, zum Beispiel im Rahmen eines Thüringer Er-neuerbare-Wärme-Gesetzes oder wie man es auchnennen mag, darauf hinzuweisen, dass wir vorse-hen, dass in diesem Fall ein bestimmter Anteil anerneuerbaren Energien eingebunden werden kann.Das halte ich für einen Ansatz, der - ich gebe zu -nicht in der Fläche alle erfasst, aber der zunächsteinmal gewaltige Potenziale heben wird. Deswegenglaube ich, dass das ein entscheidender Ansatzwäre, den wir verfolgen könnten. Das haben Sieaber nicht gemacht. Sie haben einen völlig anderenAnsatz gewählt, nämlich die Frage nach dem ener-getischen Zustand der Gebäudehülle, nach derCO2-Emmission, das, was der normale Bürger, dashabe ich das letzte Mal schon in der Debatte ge-sagt, auf der Straße nicht nachvollziehen kann.

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eineZwischenfrage.

Abgeordneter Weber, SPD:

Ich habe es schon gesehen und natürlich dürfenSie, Frau Schubert.

Vizepräsidentin Hitzing:

Das ist sehr schön. Bitte, Frau Schubert.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Weber, ich ent-nehme Ihren Worten, dass Sie dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Baden-Württemberg offensicht-lich viel abgewinnen können, unserem Ansatz nicht.Inwieweit ein weitergehender Entwurf die Klima-schutzziele mit größter Wahrscheinlichkeit errei-chen kann, sei dahingestellt. Wann bringen Siedenn dann einen auf Thüringen angepassten Ent-wurf in das Parlament?

Abgeordneter Weber, SPD:

Ich habe Ihnen, Frau Kollegin Schubert, schonbeim letzten Mal gesagt, dass wir innerhalb derSPD-Fraktion und auch mit unserem Koalitionspart-ner über diese Fragen diskutieren. Ich habe Ihnengesagt, dass es vonseiten des Ministeriums Diskus-sionen gibt. Ich kann Ihnen natürlich nicht genausagen, zu welchem Zeitpunkt die kommen. Ichkann Ihnen aber sagen, dass durchaus solche Dis-kussionen stattfinden. Die Frage ist doch, von wel-chem Haus erwarten Sie denn einen solchen Ent-wurf? Ist das wirklich eine zwangsläufige Frage desBausektors oder ist es nicht eher eine Frage desEnergiesektors?

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Ihr Problem.)

Das ist eine entscheidende Frage. Die muss manzunächst einmal beantworten. Das diskutieren wirnatürlich.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wissen Sie, Sie haben doch kein Wort darinstehen über Anteil der Erneuerbaren beim Aus-tausch der Heizungsanlage.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Dass es kommen muss.)

Sie haben doch kein Wort von den Ansätzen, dieich eben erläutert habe, in Ihrem Entwurf. Tun Siedoch jetzt nicht so, als würden wir über ein ganzanderes Gesetz diskutieren. Sie haben kein sol-ches Gesetz eingebracht und deswegen diskutierenwir heute auch nicht über das Gesetz, sondern überIhren Entwurf und dessen Mängel habe ich Ihnenzum Teil - der Rest kommt jetzt noch - schon aufge-zeigt. Wenn wir darüber reden wollen, dass wir denAnsatz, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg,das im Übrigen vor dem Bundesgesetz da war,aber ob die das nach dem Bundesgesetz noch ein-mal auf den Weg gebracht hätten, ist eine ganz an-dere Frage. Zumindest diskutiert dort keiner da-rüber, es wieder abzuschaffen - in der alten Lan-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5329

(Abg. Weber)

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desregierung nicht und in der neuen Landesregie-rung nicht. Deswegen ist das, was von den LINKENhier vorgebracht wird, aus meiner Sicht völlig abwe-gig, nämlich zu glauben, dass man Menschen inder zugegeben sozialen Frage der Energieversor-gung und des Energieverbrauchs dadurch entlastet,dass man eben nichts an der Gebäudehülle oderan der Technik ändert. Ich glaube, umgekehrt wirdein Schuh daraus.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ha-ben wir nicht gesagt.)

Sie sagen doch, Sie müssen immer Rücksicht neh-men, weil - ich zitiere Sie - viele der Maßnahmen,wie Sie wissen, nicht rentierlich sind. Das habenSie gesagt, Frau Kollegin Wolf. Also unabhängigdavon, dass Sie den Menschen, die den Verbrau-chern Anlagen verkaufen und die Verbraucher be-raten, offensichtlich die Kompetenz absprechen,weil keiner der Berater eine Maßnahme empfehlenwird, die sich nicht innerhalb kürzester Zeit rentiert.Das ist völlig abwegig. Das macht kein Mensch.Nimmt man die Amortisationsrechnung dazu undjeder kann sehr gut nachvollziehen, wann sich soeine Anlage amortisiert. Wenn es sich für den Frei-willigen lohnt, der das Geld in die Hand nimmt undsagt, ich nehme das als Teil einer Geldanlage, dassich mir einen Teil erneuerbare Energien in das Ge-bäude einbinde, warum soll es sich für denjenigen,der per Gesetz dazu ermuntert wurde, es zu tun,dann nicht lohnen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Weil dereine vielleicht Eigentum hat und der anderenicht.)

Aber, Frau Kollegin Wolf, das ist das Problem derLINKEN, dass sie immer sagen, ja wir sind dafür -aber. An der Stelle gibt es kein Aber. An der Stellemuss man die Frage beantworten: Ist es sozial ver-träglich, den Menschen dauerhaft zuzumuten, dasssie in Thüringen - ich habe es schon einmal betont -mehr Geld für Energie ausgeben als für Essen undTrinken? Ich glaube, es ist nicht sinnvoll und ichglaube, die Erfahrungen aus anderen Ländern undaus anderen Regionen haben sehr deutlich einesgezeigt, wenn der Gesetzgeber nicht flankiert andieser Stelle, dann wird die Situation so sein, dassAnlagen lediglich ausgetauscht werden. Wir stehenvor einer riesigen Sanierungswelle in Ostdeutsch-land. Anfang der 90er-Jahre sind viele Anlagen neudazugekommen, ausgetauscht worden, viele Men-schen haben auf Zentralheizung umgestellt. DieAnlagen werden nach und nach jetzt 20 Jahre altund älter und werden alle irgendwann in absehba-rer Zeit das Zeitliche segnen. Wenn wir diesen Pro-zess vonseiten des Gesetzgebers nicht dadurchbegleiten, dass wir klare Vorgaben geben, dannwird dieser energetische Erneuerungsprozess nichtdazu führen, dass die Menschen Erneuerbare ein-binden, das ist doch völlig logisch.

Deswegen sage ich, der Ansatz ist gut, den dieGRÜNEN verfolgen, ob es über die Gebäudehüllepassiert oder ob es über die Technik passiert, dasist eine andere Frage. Ich glaube, ein Ansatz in derTechnik wäre sinnvoller, wenn wir uns das vor Au-gen führen, was für Ergebnisse die Baden-Würt-temberger erzielt haben, die haben ein Konjunktur-programm gemacht für das Handwerk. Viele derje-nigen, die sich in dem heizungstechnischen Bereichbewegen, bieten jetzt Pakete an, die im Übrigendurch die Synergieeffekte, die sie haben, viel billi-ger sind, als wenn sie es vereinzelt machen, alswenn sie erst die Heizungsanlage austauschen unddann darüber nachdenken, ob sie vielleicht noch ei-ne erneuerbare Komponente dazu haben wollen;die sind im Paket viel billiger, weil man natürlichauch viele Sachen miteinander verrechnet.

Das einzige Problem, was die haben, ist, dass inden Bereichen, wo es nicht über den Gesetzgeberstattfindet, die Sensibilisierung gar nicht da ist.Wenn der Kunde oder der Bürger oder der Verbrau-cher kommt und sagt, die Heizungsanlage ist ka-putt, wird natürlich eine neue Heizungsanlage ver-kauft, ohne darüber nachzudenken, lassen sie unsmal eine Energieberatung machen, ein Gesamtkon-zept machen, lassen sie uns mal darüber nachden-ken, wie der erneuerbare Anteil aussehen kann. Ichglaube, dass wir an der Stelle weiterkommen.

Ich will es Ihnen auch ganz deutlich sagen und willSie auch ermuntern in der Frage, dass Sie da wei-termachen. Ich will gar nicht sagen, dass, nur weilwir jetzt diesen Gesetzentwurf ablehnen werden,wir nicht weiterhin über dieses Thema diskutierensollten - ganz im Gegenteil. Man muss weiterma-chen und nach vernünftigen Ansätzen und Lösun-gen suchen, wie wir das gemeinsam auch gern mitIhrer Stimme auf den Weg bringen. Ich habe auchdie Äußerung vonseiten der FDP vernommen. Ichweiß, dass es in der Frage auch im Haus noch vieledicke Bretter zu bohren gibt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das glaube ich Ihnen sofort.)

In der Tat. Das ist so, bei den LINKEN, bei derCDU, bei der FDP, bei Ihnen wahrscheinlich auch,vielleicht auch bei uns in der Fraktion, das kanndurchaus sein. Es gibt viele dicke Bretter zu bohrenund viele Menschen, die man noch sensibilisierenmuss. Deswegen möchte ich salomonisch mit ei-nem Zitat von Gandhi schließen, ich habe es Ihnenversprochen, Herr Kollege Adams, und Sie bekom-men es. Er hat nämlich gesagt, am Anfang werdensie dich ignorieren, dann werden sie dich ausla-chen, dann werden sie dich bekämpfen und dannwirst du gewinnen. An der Stelle freuen wir uns da-rüber, dass wir momentan in der Phase sind, woman bekämpft wird, wenn man Erneuerbare umset-zen will. Danke schön.

(Beifall SPD)

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(Abg. Weber)

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Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Weber. Das Wort hatjetzt Herr Minister Carius für den Bausektor.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Für die Landesregierung, Frau Präsidentin.

Zunächst einmal, Herr Weber, freuen wir uns überdie Fraktion der LINKEN. Meine sehr verehrten Da-men und Herren, die Debatte hat aus meiner Sichteiniges gezeigt. Der Vorschlag der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN stößt fraktionsübergreifendzunächst einmal auf Ablehnung. Das hat einenGrund, weil eine pauschale gesetzliche Verpflich-tung zur energetischen Gebäudesanierung kein ge-eignetes Mittel ist, die Energieeffizienz des Gebäu-debestandes in Thüringen nachhaltig zu verbes-sern. Die Debatte hat aber auch gezeigt, dass eseinen fraktionsübergreifenden Konsens dahin ge-hend gibt, dass zur sogenannten Energiewendenicht nur die Abschaltung von Kernkraftwerken unddie Förderung von erneuerbaren Energien gehört,sondern mindestens genauso natürlich die Fragevon Energieeffizienz, die aus meiner Sicht wenigereine Frage der Idealisten ist, sondern vor allen Din-gen eine Frage des effizienten Einsatzes von Kapi-tal ist. Ich bin mir sehr bewusst, dass es sehr unter-schiedliche Auffassungen zu der Frage gibt, musses nun ordnungsrechtliche oder förderpolitischeMaßnahmen geben, welche sind besser geeignetund angemessen, dieses Ziel zu erreichen. An die-ser Stelle will ich auch noch einmal ganz kurz denUnterschied klarmachen. Frau Schubert, natürlichgeben wir einen ordnungsrechtlichen Rahmen imRahmen des Landesentwicklungsprogramms vor,was auch Sinn macht, weil es hier darum geht, Ziel-vorgaben zu definieren, woran sich die Planungs-gemeinschaften orientieren müssen in der Frage,wie sie mit dem zur Verfügung stehenden Raumumgehen müssen. Das heißt, wir klären ohnehin et-was, was ordnungsrechtlich geklärt werden muss.Anders ist es aber bei der Frage, die Sie hier be-wegt, nämlich die, ob wir etwas, was bisher nur för-derpolitisch geklärt wurde, auch noch ordnungs-rechtlich sanktionieren müssen, wenn wir es über-haupt sanktionieren müssen. Dazu hat die Landes-regierung eine klare Position, eine pauschale ge-setzliche Verpflichtung zur Gebäudesanierung wirdes in Thüringen nicht geben. Ich will das auch gernan zwei Beispielen illustrieren. Ich hatte vorhin einGespräch mit einem Fraktionär der LINKEN, dermir auch eindrücklich belegt hat - ja, Herr Blech-schmidt, das gibt es, es war nicht mit Ihnen -, dasses natürlich völlig klar ist, junge Familien, egal obdas jetzt ein Abgeordneter der LINKEN ist, derFDP, meiner Fraktion, der SPD oder GRÜNEN,werden, wenn sie ein Haus kaufen und sanierenoder wenn sie ein Haus neu bauen, natürlich darandenken, die Sanierung voranzutreiben auch unter

dem Blickwinkel nicht zu sehr, wie können sie CO2einsparen, sondern wie können sie vor allen DingenEnergieverbrauch vermeiden und damit ihre Ener-giekosten senken. Absolut richtig. Nach einer dena-Studie können wir mittlerweile davon ausgehen,dass wir in 20 Jahren rund 80.000 € Energiekosteneinsparen können. Da ist natürlich unterlegt, dassdie Energiekosten weiter steigen, so dass mandann mit jeder Sparmaßnahme, die man heutedurchführt, in Zukunft auf Energie verzichten kann,die auch nicht bezahlen muss. Aber abgesehen vonder jungen Familie oder demjenigen, der jetzt seinGeld in die Hand nimmt, um ein Haus zu sanieren,haben wir natürlich auch noch ganz andere Le-benssituationen in Thüringen. Jetzt will ich Ihnengar keine schwarzen Bilder an die Wand malen,aber es ist doch völlig klar, wir haben einen demo-graphischen Wandel, wir haben eine etwas älterwerdende Bevölkerung. Das zweite Beispiel, wasich Ihnen nennen möchte, ist eben nicht die jungeFamilie, sondern es ist das Lieschen Müller ausStotternheim, wohnhaft auf einem Bauernhof, heiztmit Kohle, hat eine Heizung vor 20 Jahren einbau-en lassen.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Diekenne ich.)

- Natürlich, Herr Hauboldt kennt sie. - Das wird siesicherlich unabhängig von ihrer Parteipräferenz,wenn Herr Hauboldt sie kennt, bis zu ihrem Le-bensende tun. Ich glaube kaum, dass wir ihr wirk-lich helfen, wenn weder die Enkel noch die Kinder,noch irgendwer in dieses Haus einzieht, wenn wirihr hier eine Sanierungsvorgabe machen, die siewohl kaum allein bewältigen kann, und wir da einenordnungsrechtlichen Rahmen vorgeben. Hier halteich es ehrlich gesagt für unverantwortlich, eine pau-schale gesetzliche Sanierungsvorgabe zu machen.

Auch wenn diese Stimmen in den letzten Monatenoft untergehen, ich glaube persönlich, wir solltenhier vor den Aktionismus eine Analyse setzen unduns zunächst mal über die Ausgangslage klar wer-den und dann überlegen, welche Programme wir inZukunft auflegen und welche Maßnahmen wir er-greifen müssen. Aber wenn wir uns mal mit derAusgangssituation beschäftigen, müssen wir auchsagen, dass sich hier in den vergangenen Jahren -Herr Weber hat das bereits dargestellt und HerrScherer auch - einiges getan hat. 90 Prozent desThüringer Gebäudebestandes ist zwar älter als15 Jahre, aber rund 80 Prozent sind seit 1990 sa-niert worden. Das heißt natürlich auch, was vor 20Jahren saniert wurde, das sind ja nicht alle 80 Pro-zent, steht irgendwann mal wieder an - völlig klar.Das steht in der institutionalisierten Wohnungswirt-schaft an, das steht natürlich auch bei vielen Priva-ten an, wo alte Anlagen, die 1990 oder 1992 neuwaren, natürlich auch irgendwann ausstehen. Dasheißt, 80 Prozent saniert, und allein seit 2006 sind56.000 Wohneinheiten nach den höchsten Effizi-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5331

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enzstandards letztlich saniert worden. Es wird inThüringen in den nächsten Jahren also weniger umdas Thema „Gebäudedämmung“ als vor allen Din-gen auch um die Nutzung effizienter Heizungssys-teme, moderner KWK-Anlagen, Blockheizkraftwer-ke oder auch erneuerbare Energien gehen.

Ich glaube, dass wir uns da auch zunächst mal denWohnungsmarktbericht anschauen sollten, den wirin diesem Jahr noch vorlegen werden, weil wir hierEnde des Jahres die Datenbasis vorliegen haben.Da wird sich aus meiner Sicht auch herausstellen:Es ist völlig nachvollziehbar, dass wir momentan ei-ne eher niedrige Sanierungsrate haben, weil ebenin den vergangenen Jahren so viel saniert wurde.Derzeit liegt sie bei 1 Prozent. Das heißt aber auch,wer was tun möchte, um die Sanierungsrate auf3 Prozent zu treiben, und da halte ich die Ziele derEuropäischen Union für nicht sehr realistisch, dermuss natürlich besonders viel Geld in die Handnehmen. Entweder er drückt es den Bürgern auf,dass sie das Geld dafür in die Hand nehmen, oderer stellt über Förderkulissen etc. selbst Mittel dafürzur Verfügung, um sozusagen einen Anreiz zu set-zen. Deswegen glaube ich auch, ist es der falscheWeg, Ihr Stufenmodell zu verfolgen, sondern wirsollten eher auf diese wirtschaftlichen Anreize set-zen. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Herr Kollege Scherer hat es vorhin dargestellt, dieBundesregierung hat am 6. Juni dieses Jahres denEntwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderungvon energetischen Sanierungsmaßnahmen anWohngebäuden verabschiedet. Der Gesetzentwurfverfolgt das Ziel, steuerliche Anreize zur energeti-schen Gebäudesanierung zu schaffen. Das war si-cher eine Forderung, die schon seit mehreren Jah-ren im Raum stand, die sich heute nun die notwen-dige Luft und die Durchschlagskraft verschafft hat.Die Kosten für diese Sanierungsmaßnahmen sollenin den nächsten zehn Jahren steuerlich absetzbarsein. Natürlich muss diese Landesregierung, die ei-ne Verantwortung für ihren eigenen Landeshaus-halt hat, auch darauf achten, dass diese abzuset-zenden Kosten nicht zulasten der Kommunen undder Länder gehen, sondern dass der Bund, der vorallen Dingen in der Verantwortung steht, die Mittelselbst bereitstellt. Außerdem ist geplant - ich binBundesminister Ramsauer sehr dankbar, dass dasgelungen ist -, in erheblichem Umfang zusätzlicheMittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogrammsowie das Marktanreizprogramm zur Förderung er-neuerbarer Energien bereitzustellen. An diesemFreitag wird sich der Bundesrat in einem erstenDurchgang mit dem Gesetzentwurf befassen. Ichgehe davon aus, dass es vor dem Sommer auchabgeschlossen wird.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, dendie Bundesregierung vorgelegt hat, geht den sinn-vollen Weg, auf Anreize zu setzen und nicht auf ei-ne gesetzliche Sanierungspflicht, wie es der hier

vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN vorsieht. Insofern lassen Sie unsalles tun, um die Energieeffizienz voranzutreiben,aber indem wir freiwillige Initiativen unterstützen.Ich bin überzeugt, dass diese Programme mit steu-erlichen Anreizen und staatlichen Investitionszu-schüssen besser geeignet sind, eine nachhaltigeSteigerung der Energieeffizienz bei Gebäuden zuerreichen, als die Gängelei der Bürgerinnen undBürger. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Hitzing:

Vielen Dank, Herr Minister. Das Wort hat jetzt nocheinmal die Frau Abgeordnete Schubert.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! HerrCarius, ich glaube, so klar ist die Position der Lan-desregierung nicht zu dem Thema, brauchen wireinen Ordnungsrahmen oder nicht. Das haben dieAusführungen von Herrn Weber gerade gezeigt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Carius, Minister für Bau, Lan-desentwicklung und Verkehr: Wer hat etwasanderes gesagt? Das war völlig klar.)

Ich werde langsam auch müde, darauf hinzuwei-sen, dass unser Gesetz entsprechende Härtefallre-gelungen verlangt, die möglicherweise verhindernmüssen, dass „Lieschen Müller“ in die Verlegenheitkommt, investieren zu müssen, wenn klar ist, dassdas Gebäude nicht nachgenutzt wird oder wie auchimmer. Es ist einfach ein Widerspruch, wenn Sieuns einerseits vorwerfen, wir würden die Leute gän-geln und mit harten Vorgaben arbeiten, und uns an-dererseits vorwerfen, das sei so unkonkret. Das istdas Rahmengesetz, dass Sie und wir zusammenausfüllen wollen.

Schauen wir mal, was auf EU-Ebene zu diesemThema passiert. Da entfaltet sich gerade eine ge-wisse Dynamik, ich habe es schon angedeutet,dass Herr Oettinger auch versucht voranzukom-men. Für dieses Mieter-Vermieter-Dilemma sollennämlich entsprechende Rechtsvorschriften ent-wickelt werden, die die Länder wiederum verpflich-ten, eine Lösung herbeizuführen. Es ist auch klar,dass der Markt für Energiedienstleistungen sehr un-übersichtlich ist. Entsprechend soll es Marktüber-sichten geben, Energiedienstleistungsanbieter müs-sen sich akkreditieren, Musterverträge usw. Ichglaube, dass die Maßnahmen, die die Bundesebe-ne treffen muss, zunehmen werden. Herr Schererhat gerade die Steuererleichterungen genannt. Dasist alles richtig und hilft auch alles. Die Frage istnur, ob wir damit so schnell so weit kommen, wie

5332 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Minister Carius)

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wir das eigentlich müssen. Die große Frage ist,wenn sich eine gewisse Dynamik in diesem Bereichentfaltet, wir sind ja auch dafür, dass die Bundesre-gierung entsprechende Steuererleichterungen be-schließt, ob Thüringen sich rechtzeitig einschaltenund das mitgestalten will oder ob Sie sich zurück-lehnen und einfach mal warten, was auf Sie zu-kommt. Wie glaubwürdig ist dann noch Ihre Ansa-ge, Thüringen soll das energieeffizienteste Bundes-land werden? Dann lassen Sie doch diese vollmun-digen Ankündigungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nimmt Ihnen dann einfach niemand mehr ab.

Ein Punkt noch: Herr Carius, Sie haben angespro-chen, dass wir bald in einen neuen Investitionszy-klus kommen. Die große Gefahr - und das hat manauf EU-Ebene auch schon erkannt - ist ja gerade,dass dann Maßnahmen durchgeführt werden, dieallerdings viel weitergehen könnten, was den Sa-nierungsgrad angeht, und das ist genau das, wasdie EU verhindern will - wiederholte Eingriffe in Ge-bäude. Das heißt, wenn wir einmal verpasst haben,ohne diesen ordnungsrechtlichen Rahmen entspre-chende Vorgaben zu machen, und die Menschen,ich sage es mal etwas salopp, ein bisschen sanie-ren, dann haben sie sehr viel Zeit verschenkt, denndann werden sie sicherlich nicht in wenigen Jahrendas Gebäude noch mal anfassen und das versu-chen wir zu verhindern. Wir sind gespannt, wie dieDiskussion in der Landesregierung weitergeht. Vie-len Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Hitzing:

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schubert. Es hatsich noch einmal zu Wort gemeldet der Abgeordne-te Weber.

Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen, ich will nur mit einer Legende aufräu-men, die Sie gerade versuchen aufzubauen, FrauKollegin Schubert. Zwischen dem, was der Ministergesagt hat, und dem, was ich gesagt habe, gibt eskeinen Widerspruch. Sie haben ein pauschales Sa-nierungsgesetz vorgelegt und der Minister hat ge-sagt, das wird es nicht geben. Ich habe Ihnen deut-lich gemacht, dass genau eine solche pauschaleRegelung, wie Sie sie vorsehen, auch nicht die Un-terstützung meiner Fraktion findet. Von daher ist daüberhaupt kein Widerspruch.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keine Antwort auf die offene Frage desVollzugs. Die haben Sie nicht. Jetzt sagen Sie, Siewollen ein Ausführungsgesetz, eine Durchführungs-

verordnung oder ein Ausführungs- und Durchfüh-rungsgesetz nachschieben, aber Sie haben dochkeine Antwort darauf. Das müssen Sie doch zuge-ben. Sie haben keine messbaren Anreize vorgelegtund was Sie machen, ist eben nicht das, was dieBaden-Württemberger klug gemacht haben, einGesetz zur Förderung des Anreizes zum Einsatzerneuerbarer Energien. Was Sie machen, ist einEnergieberaterfördergesetz, weil Sie nämlich nurdavon ausgehen, dass zunächst mal eine Analysestattfinden muss. Da muss zunächst mal beratenund analysiert werden, wie der Gebäudezustandwirklich aussieht, statt dass Sie auf die Anreize -Frau Schubert, gern am Ende, das dauert nicht solange - und auf die effizienten Maßnahmen setzen,die sich unter Umständen aus der Eigeninitiativezusätzlich zur gesetzlichen Verpflichtung ergebenwürden. Ich mache Ihnen ein Beispiel. Die Hessenhaben vor vielen Jahren angefangen, eineSchwachstellenanalyse zu machen. Da sind dieHandwerker in Hessen unterwegs gewesen und ha-ben, ohne eine komplette Gebäudehülle zu erfas-sen, einfach auf Schwachstellen im Gebäude -technischerseits oder andere Schwachstellen in derGebäudehülle - hingewiesen. Ein Euro Investition indas Programm hat 26 Euro Investition wieder in dieGebäudesanierung gebracht. Das ist ein sinnvollerAnsatz, darüber kann man nachdenken, wenn esum die Gebäudehülle geht. Wenn es um den Ein-satz der erneuerbaren Energien geht, habe ich Ih-nen schon deutlich gemacht, das Entscheidendeist, es gibt keinen Widerspruch in der Sache mitdem, was Herr Minister Carius gesagt hat: Es sollkeine pauschale Regelung sein, sondern eine Re-gelung, die den Menschen wirklich helfend an derSeite steht, wenn sie eine Sanierung am Gebäudeoder eine Verbesserung der Haustechnik vorneh-men wollen. Sie hatten eine Frage.

Vizepräsidentin Hitzing:

Lassen Sie die Frage zu, Herr Abgeordneter?

Abgeordneter Weber, SPD:

Ja, selbstverständlich.

Vizepräsidentin Hitzing:

Das ist sehr schön. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Vielen Dank, Herr Weber. Ihnen ist aber schon klar,dass mit einem entsprechenden Durchführungsge-setz, was dieses Stufenmodell adaptiert - und dageht es nicht um pauschale Werte, sondern um stu-fenweise Erhöhung der Grenzwerte und auch ange-passt an die jeweilige Situation, was ist das, wennnicht Vollzug?

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5333

(Abg. Schubert)

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Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Schubert, durch die Tatsache, dass Sie ir-gendetwas in ein Gesetz schreiben, passiert dochkein Vollzug. Vollzug passiert dann, wenn Sie dieseAnforderungen auch kontrollieren vor Ort, wenn ir-gendjemand draußen mit den Menschen im Dialogsteht und tatsächlich sagt, so löst ihr dieses Pro-blem, und nicht, indem Sie irgendwo im Gesetzfestschreiben, was die Anforderungen sind. UnterVollzug verstehe ich etwas anderes. In Baden-Württemberg hat man einen guten Ansatz gemachtmit dem Vollzug durch die Handwerker vor Ort.Man kann das noch besser lösen, davon bin ichüberzeugt, da wird es möglicherweise auch Ideengeben, die man noch zu diskutieren hätte in demBereich, aber Vollzug ist nicht zu sagen, wir setzendie und die Anforderungen in ein Gesetz und war-ten mal ab, dass die Menschen von alleine erken-nen, zu was sie jetzt verpflichtet sind. Das ist völligabwegig.

Vizepräsidentin Hitzing:

Es gibt einen zweiten Wunsch.

Abgeordneter Weber, SPD:

Ja, ich lasse ebenfalls die zweite Nachfrage derKollegin Schubert zu.

Vizepräsidentin Hitzing:

Bitte, Frau Abgeordnete Schubert.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Meine Frage: Wie ist denn Ihrer Meinung nach imMoment der Vollzug der geltenden Energieeinspar-verordnung?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wird die denn gerade vollzogen? Wie wirddenn gerade Ihrer Meinung nach in Thüringen kon-trolliert?

Abgeordneter Weber, SPD:

Ich gebe Ihnen recht, dass da ein Manko herrscht.Das kann ich Ihnen zugestehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir da auch etwas machen, kei-ne Frage. Aber nicht das, was Sie vorgeschlagenhaben.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Soist er.)

Das ist ein entscheidender Unterschied. Dankeschön.

(Beifall SPD)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Weber. Es liegt mir kei-ne Wortmeldung mehr vor. Das heißt, wir kommenzur Abstimmung. Abgestimmt wird direkt über denGesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN in Drucksache 5/2678 in zweiter Bera-tung. Wer für den Gesetzentwurf stimmt, den bitteich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stim-men aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Gibt es Gegenstimmen? Die kommen aus denFraktionen SPD, CDU und FDP. Gibt es Stimment-haltungen? Die kommen aus der Fraktion DIE LIN-KE. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Ichschließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Erstes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Straßenge-setzesGesetzentwurf der Fraktion derFDP- Drucksache 5/2780 -ERSTE BERATUNG

Wünscht die Fraktion der FDP das Wort zur Be-gründung? Das ist der Fall. Das Wort hat Abgeord-neter Untermann.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle-ginnen und Kollegen, was hat unsere Fraktion dazubewogen, eine Änderung des Straßengesetzes an-zustreben? Das Land Thüringen beabsichtigt, abdem Jahr 2012 weitere 46 km Landesstraßen ent-sprechend der Verkehrsbedeutung als Kreis- undGemeindestraßen zurückzustufen. Im ThüringerStraßengesetz werden Umstufung und der Wechselder Straßenbaulast zwar geregelt, jedoch nach un-serer Auffassung unzulänglich definiert. Es sollnicht mehr Bürokratie aufgebaut werden - das beto-ne ich hier noch einmal ganz deutlich -, sondern dieKommunen und die Landkreise benötigen dringendmehr Planungssicherheit. Die Kommunen habenkeinerlei finanzielle Spielräume. Gründe dafür sinddie steigenden Kommunalausgaben und die Kür-zungen des Kommunalen Finanzausgleichs. Ein fi-nanzieller Mehraufwand darf für die Kommunendurch die Umstufungen nicht entstehen. Klarheitbringt die Änderung im Thüringer Straßengesetzund hier die Konkretisierung der §§ 6, 7 und 11, umdiese Planungssicherheit zu erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, besonderes Au-genmerk legen wir auf die Klarstellung des Ge-setzestextes, welcher besagt, dass der Wechselder Straßenbaulast in dem durch die Verkehrsbe-deutung gebotenen Umfang „ordnungsgemäß un-terhalten“ durchgeführt werden soll. Den Begriff„ordnungsgemäß unterhalten“ wollen wir eindeutig

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definiert und durch fachlich-technische Richtlinienuntersetzt wissen. Positive Signale für unseren An-trag kamen vom Gemeinde- und Städtebund undauch vom Landkreistag. Über die anschließendeDiskussion zu unserem Antrag freue ich mich. Dan-ke schön.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Hitzing:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Untermann. Mirliegt eine Rednerliste vor. Ich eröffne die Ausspra-che. Das Wort hat Frau Dr. Lukin für die FraktionDIE LINKE.

Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, in zahlreichen Anfragen, Selbst-befassungsanträgen und Debatten im Landtag ha-ben Probleme des Landesstraßennetzes breitenRaum eingenommen. Das betraf sowohl die im-mensen Winterschäden als auch den schlechtenZustand von rund 2.200 km Landesstraßen - im-merhin die Hälfte des landeseigenen Straßennet-zes. Debattiert wurde aber auch der jüngst vollführ-te Schwenk der Landesregierung bei der gesetzlichabgeleiteten Umstufung von Landesstraßen in kom-munale Straßen. Seit 2000/2001 - das wissen Sie -werden mittels eines Landesumstufungskonzeptsden Kommunen Straßen überantwortet, die entwe-der keine regionale Bedeutung mehr haben oderkeinen durchgehenden Verkehrsbeziehungen mehrdienen. War es bisher weitgehend mehr oder weni-ger gute Sitte im Lande Thüringen, die Straßen imsanierten Zustand zu übergeben und zu kommuna-lisieren, so legte der Minister für Bau, Landesent-wicklung und Verkehr bei den Haushalts- und Fi-nanzdiskussionen für das Jahr 2011 großen Wertauf die Feststellung, dass jetzt die Straßen lediglichverkehrssicher überlassen werden. So kann mansich natürlich auch auf Kosten der Städte und Ge-meinden ein wenig entlasten. Zwar ergänzte er,dass sich die Landesregierung zur Kompensationeine Erhöhung der Fördermittel zur Instandsetzungauf 90 Prozent vorstellen könnte, aber es wird auchvon den Kommunen und Landräten eingeschätzt,dass das nicht reichen wird. Auf unsere Frage, wiegroß denn die Spannbreite zwischen den Begriffen„saniert“ und „verkehrssicher“ und die demzufolgezu erwartende Belastung der Kommunen sei, wur-de auf den unterschiedlichen Zustand der Straßenund die Möglichkeit für Verwaltungsvereinbarungenmit den Kommunen verwiesen.

Die FDP hat nun einen Gesetzentwurf zur Überar-beitung des Thüringer Straßengesetzes vorgelegt,der für die Umstufung ein Regelungsverfahren vor-schlägt. Eine Absicht, der wir auch zustimmen kön-nen, denn - das dürfte wohl jedem klar sein - Abstu-fungen bedeuten für die zukünftigen Baulastträger

immer eine finanzielle Mehrbelastung, da sowohldie Verkehrssicherungspflicht als auch die Unter-haltsleistung unbegrenzt auf den neuen Baulastträ-ger übergeben werden. Über die Kosten für eventu-ell zu bauende Rad- oder Gehwege wollen wir indem Zusammenhang gar nicht erst reden.

Nun noch einige Worte zu den vorgeschlagenenÄnderungen des FDP-Entwurfs. Die Änderungendes § 6 Abs. 2: Hier wird das Einvernehmen mit derGemeinde bei der Widmung von Straßen auf zu-künftige Gemeindestraßen beschränkt. Das kannSinn machen, bedeutet aber - man könnte es zu-mindest so interpretieren - eine Beschneidung desmöglichen Vetorechts der Gemeinde.

Der neue Entwurf des § 7 Abs. 3 im Vorschlag derFDP erweitert die bisherige ledigliche Anhörungs-pflicht der beteiligten Baulastträger zu einem Eini-gungsversuch der Verfahrensteilnehmer. Ich denke,das kann man positiv bewerten.

Die in § 11 Abs. 4 vorgeschlagene Sanierungs-pflicht durch den bisherigen Straßenbaulastträgerbegrüßen wir, ebenso den Versuch, eine Haftungbei Zuwiderhandlung zu formulieren. Als sinnvoll er-scheint auch die Festschreibung von Standards derSanierungsmaßnahmen.

Wir hoffen, dass wir im Ausschuss darüber diskutie-ren können und dass wir hier die Möglichkeit ha-ben, das komplexe Problem der Umwidmung undUmstufung von Straßen ohne Nachteile für dieKommunen lösen zu können oder zumindest einenSchritt darauf zugehen zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Hitzing:

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetztder Abgeordnete Wetzel für die CDU-Fraktion.

Abgeordneter Wetzel, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebeKolleginnen und Kollegen, in der hier vorliegendenDrucksache 5/2780 hat die FDP ein Gesetzeswerkzur Beratung eingebracht, das die Straßenausbau-situation in Thüringen ändern soll. Ich denke, wirsind alle für einen ordentlichen Straßenausbau, wirkennen die haushalterische Situation des Ministersfür Bau, Landesentwicklung und Verkehr und wis-sen, wie viele Straßenkilometer in unausgebautemZustand sich noch in Landeseigentum befinden undeigentlich auf Abstufung und Umwidmung warten.Ich kannte mal die Zahl von 4.000 Kilometern, ichglaube, die haben wir mittlerweile reduziert, aberselbst bei denen, die auch künftig im Landesbe-stand bleiben werden, ist bei der Hälfte der Kilome-ter dringend Ausbau nötig. Die CDU steht, wie Siewissen, auch aufgrund der schwierigen Finanzlage,die sicherlich auch in Zukunft nicht leichter wird,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5335

(Abg. Untermann)

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dem Straßenausbau aber so positiv gegenüber,dass er weiter voranzutreiben ist.

Unter Punkt 1 des FDP-Antrags wird gefordert,dass die Widmung einer Straße im Einvernehmenmit der Gemeinde erfolgen soll, wenn diese als Ge-meindestraße eingestuft werden soll. Nun gibt aberdas Thüringer Straßengesetz vor, dass die Ge-meinde selbst bereits Baulastträger ist, müsste demvorliegenden Gesetzentwurf zufolge also mit sichselbst Einvernehmen herstellen. Das stelle ich mirschwierig vor. Im Weiteren fordert der Entwurf einezusätzliche Bürokratisierung durch die Einbezie-hung der Straßenaufsichtsbehörde und das Verle-gen von Entscheidungskompetenzen dorthin.Warum dies wie vorgeschlagen geschehen sollte,ist mir unklar, genau wie es auch unstrittig ist, dassdas Ministerium - wovon ich ausgehe und vielleichtsagt das Haus noch etwas dazu - die Umstufungvon Straßen plant und auch umsetzen wird.

Der dritte Abschnitt dieser Drucksache des hier vor-liegenden Entwurfs hört sich für die Gemeinden zu-nächst hervorragend gut an, bedeutet aber in sei-ner Konsequenz schlicht die Verschwendung vonLandesmitteln. Eine Straße, die zur Gemeindestra-ße umgewidmet werden soll, müsste dann zuvor indem vor der Umstufung geltenden Standard grund-haft saniert werden. In der Konsequenz bedeutetdies, dass eine kleine Gemeindestraße zukünftigdem Standard einer Landesstraße entspräche. Ichbetone hierbei nur, der Standard der Landesstraßehieße 15.000 Pkws täglich, 300 Lkws täglich und6,50 m Fahrbahnbreite, und dies grundhaft ausge-baut. Die zukünftige Umstufungsgrößenordnung vorAugen haltend ist dies schier undenkbar, zumaldann eine kleine Gemeinde auch eine nach Lan-desstandard ausgebaute große Straße letztendlichunterhalten muss und - ich gehe mal davon aus - in25 bis 30 Jahren sicherlich auch wieder sanierenmuss, wofür dann für die kleine Gemeinde die Fi-nanzdecke sicherlich wieder nicht vorhanden wäre.Als verantwortlicher Landespolitiker in puncto Ver-kehr, denke ich, sollten wir mit Landesmitteln an-ders umgehen, als nach einer solchen Forderungzu rufen. Noch dazu, da sich in diesem Gesetzes-vorschlag ein Passus befindet, nach dem sich dieGemeinde, so die Straße nicht grundhaft saniertwird, einen den Sanierungskosten entsprechendenfinanziellen Ausgleich auszahlen lassen möchtevom Ministerium. Es wäre dann sogar zu erwarten,dass Gemeinden mit dem Wunsch der Umstufungohne grundhafte Sanierung an das TMBLV heran-treten könnten und die Gelder, zu deren zweckbe-stimmter Verwendung sie nach dem vorliegendenEntwurf nicht verpflichtet wären, frei im Haushalteinsetzen können.

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Abgeordneter Wetzel, es gibt den Wunsch aufeine Zwischenfrage. Gestatten Sie das?

Abgeordneter Wetzel, CDU:

Aber gerne.

Vizepräsidentin Hitzing:

Bitte, Herr Abgeordneter Barth.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lieber Kollege Wet-zel, was würden Sie denn - hypothetischer Fall - er-warten, in welchem Zustand der Bund eine von derBundesstraße zur Landesstraße zurückgestufteStraße, die möglicherweise auch mit Winterschä-den versehen ist, in die Zuständigkeit des Landesübergeben würde?

Abgeordneter Wetzel, CDU:

Ich kenne solche Debatten aus dem zuständigenMinisterium für Verkehr aus den zurückliegendenJahren, in denen auch Bundesstraßen abgewidmetwurden zu Landesstraßen und das Land zur glei-chen Zeit in Kreis- und Kommunalstraßen abgewid-met hat. Da kenne ich vom Bund die Instandset-zung mit einer ordentlich instand gesetzten Decke.Ich betone noch einmal, das kam ja vorhin auchrecht unzweifelhaft rüber von unserer Kollegin Lu-kin: Die Verkehrssicherheit der Straße muss ge-währleistet sein. Das ist also noch einmal ein ande-rer Passus als das, was wir bisher im ThüringerStraßenbaugesetz als geltende Regel in den letztenJahren vorsahen. Wir hatten in den letzten Jahrenvorgesehen, dass wir die Straßen bei Umstufung ineinem instandgesetzten Zustand umstufen werden.Verkehrssicherer Zustand heißt durchaus nicht un-bedingt instandgesetzt. Insofern denke ich, meineDamen und Herren, zweifellos ist der Vorschlag derFDP-Fraktion ein interessanter Einzelfall, um dieGemeindefinanzen auf einem durchaus ungewöhn-lichen, aber doch kreativen Weg aufzubessern.Aber hier an dieser Stelle können wir dies nur ab-lehnen. Danke.

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter. Es hat jetzt das Wortdie Abgeordnete Schubert für die Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen undHerren, insbesondere die Kollegen von der FDP,ich glaube, Ihr Antrag ist ein Versuch, sich vor eineroffensichtlich für die FDP unangenehmen Tatsachezu drücken, nämlich

(Zwischenruf Abg. Untermann, FDP: Gesetz-entwurf.)

5336 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Wetzel)

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- Sie haben völlig recht, ich korrigiere mich, Gesetz-entwurf - das Straßennetz in Thüringen hat einenAusbaugrad, der ist hoch. Thüringen hat nach derWiedervereinigung einen großen Anteil der Straßenin seine Straßenbauträgerlast übernommen, hat sa-niert. Inzwischen gibt es ein leistungsfähiges Auto-bahnnetz. Wir haben auch ein leistungsfähigesBundesstraßennetz und Landesstraßennetz. Damacht es Sinn, diejenigen Straßen, die offensicht-lich inzwischen eine ganz andere verkehrliche Be-deutung haben, umzustufen, sie eben gerade nichtin dem gleichen Ausbauzustand zu halten -

(Zwischenruf Abg. Untermann, FDP)

lassen Sie mich mal ausreden, Sie können ja auchZwischenfragen stellen oder dann nach vorn gehen-, einerseits aus finanziellen Gründen, das ist so.Wir müssen uns über Standards unterhalten, wennwir den Landeshaushalt sanieren wollen. Dabeigeht es auch um Standards auf Straßen, Erhal-tungsstandards. Die verkehrliche Bedeutung hat ineinigen Straßen offensichtlich so weit abgenom-men, dass man diesen Standard dort nicht mehrbraucht.

Vielleicht, Herr Untermann, kennen Sie die Liste,die wir im Zuge der Haushaltsberatung von derLandesregierung bekommen haben, um welcheUmstufungen es da im Einzelnen geht. Da könnenSie sich anhand der Straßenkarte schöne Beispieleraussuchen von ehemaligen Landesstraßen, zumBeispiel im Unstrut-Hainich-Kreis, im Eichsfeld di-rekt parallel zur B 247. Es macht keinen Sinn, aufbeiden einen hohen Ausbaugrad zu haben, son-dern - wie die Landesregierung auch immer soschön sagt - wir wollen den Verkehr bündeln. Ge-nau das tun wir auch, indem wir Straßen herabstu-fen.

Was ich besonders unseriös finde, wer soll dasdenn bezahlen? Wie viele zusätzliche Mittel wollenSie denn im Landeshaushalt einstellen, erstens,und zweitens, wo sollen die Ausgaben dann nichtgetätigt werden? Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen ja, dass ein möglichst genauso hoher Er-haltungszustand auf den Straßen sein soll. Daskönnen wir uns aber nicht mehr leisten. Das istauch verkehrlich nicht notwendig. Die Kommunenmüssen weniger Geld dafür ausgeben, das ist dieWahrheit.

(Unruhe FDP)

Sie haben auch im Ausschuss verfolgt, dass wirjetzt schon zu wenig Geld haben, die Staatssekre-tärin hatte das ausgeführt. Die Winterschäden ha-ben ein Loch gerissen und man sei laut Landesre-gierung auch noch in der Überprüfung des Ganzen.Ich bin sehr dafür, diesen Antrag zu überweisen,nicht weil wir dem zustimmen werden, sondern wir

hatten als Fraktion einen Antrag zum Landesstra-ßenbedarfsplan und wollten uns über genau dieseFragen unterhalten. Was will die Landesregierungbzw. wie stellt sich die Landesregierung vor, wiewollen wir das Straßennetz in 10, in 20 Jahren ha-ben? Den haben Sie damals abgelehnt, das rächtsich jetzt, und mir zeigen auch die vielen Anfragenzu den Umstufungen, dass es hier offensichtlichDiskussionsbedarf gibt. Wir wollen gern im Aus-schuss darüber diskutieren.

Der andere Teil in Ihrem Gesetzentwurf, ein abge-stufteres Verfahren, ist vielleicht der vermeintlicheVersuch, den Kommunen zu helfen. Ich glaube, dasschadet nicht. Aber ob es viel nützt, sei dahinge-stellt. Ob die Bürokratie dadurch wirklich abnimmt,wage ich auch zu bezweifeln.

Vizepräsidentin Hitzing:

Frau Abgeordnete Schubert, es gibt den Wunschauf eine Zwischenfrage.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr gern. Bitte schön.

Vizepräsidentin Hitzing:

Frau Abgeordnete lässt diese zu. Bitte, Herr Barth.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Kollegin Schu-bert, wenn ich Sie recht verstanden habe, habenSie eben gesagt, dass die Sanierung dieser umzu-widmenden Straße, wenn sie von der Gemeindegemacht wird, billiger wird, als wenn sie das Landmacht.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Nein, da haben Sie mich missverstanden.

Abgeordneter Barth, FDP:

Dann würde ich Sie bitten, das noch einmal zu er-klären, so dass ich es auch verstehen kann.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Ja, ich verstehe Ihren Gesetzentwurf so, ich habeihn gelesen - vielleicht meinen Sie aber etwas an-deres -, dass Sie dem Land aufbürden wollen, dieStraßen, die die Landesregierung umstuft, in einemgenauso hohen Erhaltungszustand zu halten, wieihn diese Straße als Landesstraße hatte. Dasmacht aber aus meiner Sicht keinen Sinn, weil dieUmstufung durchgeführt wird, weil die verkehrliche

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5337

(Abg. Schubert)

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Bedeutung dieser Straße wegen des übergeordne-ten Straßennetzes abgenommen hat.

Ich war sowieso am Ende. Wie gesagt, wir könnenuns der Überweisung anschließen und freuen unsauf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Frau Abgeordnete Schubert. Es hat jetztdas Wort Frau Abgeordnete Doht für die SPD-Frak-tion.

Abgeordnete Doht, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dasThema Umwidmung von Straßen, Herabstufungvon Straßen beschäftigt den Thüringer Landtag unddiese Landesregierung schon länger. Wir habennach der Wiedervereinigung ein sehr großes Lan-desstraßennetz übernommen. Von diesen Landes-straßen, insbesondere von den Landesstraßenzweiter Ordnung, hatten damals schon etliche nichtdie Bedeutung einer Landesstraße. Hinzu kommt,dass sich in den letzten 20 Jahren die Verkehrs-ströme in Thüringen geändert haben. Das hat ver-schiedene Ursachen. Autobahnen, Bundesstraßensind ausgebaut worden. Ortsumgehungen wurdengebaut. Das hat zur Veränderung von Verkehrsströ-men beigetragen. Auch die Ansiedlung von neuenGewerbegebieten und ebenso der demographischeWandel, insbesondere im ländlichen Raum, tragendazu bei, dass Straßen nicht mehr in dem Umfanggenutzt werden, letztendlich auch nicht mehr dieBedeutung einer Bundes- oder Landesstraße ha-ben. Das Thüringer Straßengesetz schreibt vor, wiedie Abstufung oder die Umwidmung bzw. die Wid-mung bis hin zur Einziehung einer Straße zu erfol-gen hat.

Die FDP legt jetzt einen Gesetzentwurf zur Ände-rung des Thüringer Straßengesetzes in den ent-sprechenden Paragraphen vor. Aber das, was hiervon der FDP und auch von Frau Dr. Lukin beklagtwurde, nämlich die finanzielle Not der Kommunenoder auch eine Besserstellung der Kommunen, wiees hier suggeriert wird, das wird mit diesem Ge-setzentwurf nicht geregelt und ist auch gar nicht zuregeln. Wenn wir darüber reden, wie wir die Kom-munen ausstatten wollen im Zusammenhang mitder Abstufung von Straßen, dann müssen wir überden Haushalt reden. Dann müssen wir über denEinzelplan 10 reden. Wir müssen aber auch überdie Ansätze im KFA reden. Das können wir mit die-sem Gesetz nicht regeln.

Die FDP schreibt auch, Sie würde die Kommunenbesserstellen, die kommunale Selbstverwaltungstärken. Wenn ich mir aber bereits die Änderungenin § 6 Abs. 2 anschaue, dann beschneiden Sie hierdas Recht der Kommunen, da Sie nämlich den Ge-

meinden nur noch ein Mitspracherecht einräumenwollen, wenn es sich um die Widmung und dieÜbertragung einer Gemeindestraße handelt. Derbisherige Paragraph im Straßengesetz sieht grund-sätzlich ein Mitspracherecht der Gemeinde vor. Dashätten wir auch gern so gelassen.

Mit Ihrer Änderung in § 7 Abs. 3 blähen Sie denganzen Paragraphen auf, ohne letztendlich auchhier zu einer wirklichen Änderung, Besserstellungzu kommen. Wir sind auch der Auffassung, dassüber eine Umstufung letztendlich nicht der Trägerder Straßenbaulast zu entscheiden hat, sondern dieoberste oder obere Straßenbaubehörde, je nach-dem, um was für eine Straße es sich handelt.

Was Ihren Änderungsvorschlag in § 11 betrifft, dahat mein Kollege Wetzel schon recht, dass Sie hierunnötig Gelder ausgeben wollen - auch Frau Schu-bert hat es gesagt - für eine Landesstraße, die letz-ten Endes nicht mehr die Bedeutung hat. Indem Sienämlich schreiben, dass die Straße in dem für diebisherige Straßengruppe gebotenen Umfang ord-nungsgemäß unterhalten werden muss, geben Siezusätzliche Gelder aus, die nicht nötig wären. ImStraßengesetz ist die ordnungsgemäße Unterhal-tung und der Grunderwerb Voraussetzung für eineAbstufung. Ordnungsgemäße Unterhaltung heißtauch, dass die Straße in verkehrssicherem Zustandzu übergeben ist. Es ist nicht gesagt, dass eineLandesstraße - so wäre es aber dann nach IhremGesetzentwurf - auch die Breite einer Landesstraßehaben muss, die entsprechenden Kurvenradien.Dies haben viele Landesstraßen auch nicht. Dabrauche ich mir zum Beispiel nur mal die L 1016durch den Hainich anschauen. Dort ist auch nichtgewollt, dass sie noch in den Zustand einer Lan-desstraße versetzt wird, bevor sie dann irgendwannmal, wenn die B 247, die ganzen Ortsumgehungenfertig sind, abgestuft wird. Das kann nicht gewolltsein. Es gibt andere Beispiele. Diese Gelder hatdas Land nicht und es ist auch nicht sinnvoll, diehier einzusetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss ich sagen, wir lehnen Ihren Ge-setzentwurf ab und sehen auch keine Notwendig-keit, ihn im Ausschuss zu diskutieren.

(Beifall SPD)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Frau Abgeordnete Doht. Es hat jetzt dasWort der Abgeordnete Bergner für die FDP-Frak-tion.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen undHerren, wer in den sogenannten gebrauchten Bun-desländern aufgewachsen ist, hat gelegentlich eine

5338 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Schubert)

Page 83: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

kleine norwegische Filmgeschichte kennengelernt.Darin spielten Karius und Baktus eine Rolle. Zweikleine Bakterien, die sich in dem Mund eines Kin-des eingenistet hatten und dort verantwortlich wa-ren, Herr Minister, für Löcher in Zähnen.

(Zwischenruf Carius, Minister für Bau, Lan-desentwicklung und Verkehr: Das wird abermit K geschrieben.)

Hier in Thüringen haben wir einen Minister mit ver-blüffender Namensähnlichkeit, wenn auch mit C ge-schrieben, der ist verantwortlich für die Löcher inden Straßen des Landes Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Bis die Zahnärzte kommen.)

Da will ich einmal etwas ketzerisch sagen, es istgelegentlich vielleicht auch verständlich, wenn dasZiel besteht, die eine oder andere dieser Straßenloszuwerden. Aber es kam in dem einen oder ande-ren Redebeitrag hier im Vorfeld durchaus ganzdeutlich zur Sprache, dass es nicht die Frage ist,Straßen loszuwerden, die vielleicht in einemschlechten Zustand sind, das wäre unredlich, son-dern dass es darum geht, Straßen umzuwidmen,weil sie eine andere Verkehrsbedeutung erlangt ha-ben. Das ist der springende Punkt

(Beifall FDP)

und da werde ich auch auf den einen oder anderenVorwurf, den ich in den Redebeiträgen davor gehörthabe, gleich noch zurückkommen. Aber im Ernst,wir wollen, dass die Übertragung von Straßen nichtnach Gutsherrenart erfolgt. Wir wollen, dass dieÜbertragung von Straßen oder die Umwidmung vonStraßen und die Abgabe an neue Straßenbaulast-träger auf Augenhöhe geregelt wird im Einverneh-men, und das ist der Unterschied. Bislang werdenGemeinden gehört und die Frage, ob sie dann ein-verstanden sind oder nicht, spielt eine deutlich ge-ringere Rolle, als sie das mit unserem Gesetzent-wurf tun würde. Wir wollen eine klare Zustandsdefi-nition. Da ist das, was ich jetzt in den Reden bishergehört habe, sicherlich schlicht und einfach einMissverständnis. Es ging darum, dass wir bei Trag-fähigkeitsschäden einen grundhaften Ausbau wol-len, weil wir nicht wollen, dass die Gemeinden mit,ich sage mal, miserablen Straßen belastet werden,deren Ausbau und Wartung sie gar nicht schulternkönnen. Wenn wir sagen, wir wollen bei Tragfähig-keitsschäden einen Ausbau nach RStO, dann be-zieht sich das auf den Aufbau und nicht auf dieBreite, Herr Kollege Wetzel. Es geht um die RStOund nicht um die Richtlinien für die Anlage vonStraßen, wo die Straßenbreiten geregelt werden.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Dann müs-sen Sie etwas anderes schreiben.)

Nein, nein, genau darum geht es. Wenn wir in demGesetzentwurf stehen haben, dass die Unterhal-

tung - und das ist übrigens gängiges Recht in allenmöglichen Straßengesetzen - bis zur Übergabe na-türlich der entsprechenden Straßenkategorie zuentsprechen hat, dann ist das ja wohl logisch undergibt sich aus der Art der Straße, die bis dahin zuunterhalten ist.

(Beifall FDP)

Nebenbei gesagt, meine Damen und Herren, istdas auch nicht der große Streitpunkt, denn so vielgeringer - und das kann ich Ihnen als Straßenbau-ingenieur und als Kommunalpolitiker sagen - wer-den die Kosten auch für kommunale Straßen nicht.

Wenn Frau Kollegin Schubert uns hier erzählt, waswir in Thüringen für ein tolles Straßennetz haben,dann lade ich Sie ein, auch mal in den ländlichenRaum zu kommen und sich die eine oder andereLandesstraße anzuschauen. Die L 1083 bei uns imHeimatstädtchen Hohenleuben, Herr Minister, ichdarf das an dieser Stelle noch einmal wiederholen,ist ein sehr beredtes Beispiel. Ich würde Ihnen dasgerne auch persönlich zeigen. Wenn Sie die Fragestellen, wer soll das bezahlen, kann die Antwortnicht die sein, dass die Straßen, die das Land in ei-nem schlechten Zustand übergibt, dann auf einmaldurch die Kommunen zu bezahlen sind. Das würdeich eine Mogelpackung nennen, das würde ich un-redlich nennen und schlicht und einfach sogar un-anständig.

(Beifall FDP)

Ich komme auch zu einer Aussage, die ich in derBeantwortung meiner Kleinen Anfrage „Umstufungvon Landesstraßen im Landkreis Greiz“ gefundenhabe. In der Antwort des Ministers in der Drucksa-che 5/2598 vom 18.04.2011 finden wir eine Über-sicht - und ich beziehe das mal ganz bewusst nurauf ein paar wenige Straßen in meinem persönli-chen Umfeld -, das ist diese Tabelle von Straßen,die in jüngerer Zeit erst übergeben worden sind. Ichhabe mir beispielsweise die L 1084 angekreuzt, vonZoghaus bis Langenwetzendorf, da ist die Redevon einer Instandsetzung. Meine Damen und Her-ren, wenn Sie jetzt langfahren, dann sehen Sie of-fene Risse, da sehen Sie Schlaglöcher und da se-hen Sie, dass dort der Gemeinde eine Straße über-geben worden ist, die eben nicht in einem Zustandwar, dass die Gemeinde auf Dauer ohne große Be-lastungen ausgekommen wäre.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Da sind wir dafür.)

Nein, Frau Kollegin, es geht um Nachhaltigkeit,auch was Finanzen anbelangt. Es geht um dieNachhaltigkeit, dass die Kommunen, die Straßenübergeben bekommen, damit auch auskommenmüssen, darum geht es meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5339

(Abg. Bergner)

Page 84: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Wenn wir die L 2351 von Mehla bis Neuärgernißhernehmen, eine sehr schmale Straße, die erhebli-che fachliche Defizite im Böschungsbereich hat,weswegen auch immer die Fahrbahnränder wegge-brochen sind, dann sehen wir, dass heute dieSchäden wieder da sind, die erst kurz vor Überga-be mühselig zugekleistert worden sind. Das gleichekönnen wir weitermachen mit der L 2330 zwischender B 175 und Wünschendorf, wo ich sagen muss,da würde ich mich schon als Straßenbaulastträger,wenn ich so eine Straße übergeben würde, schä-men, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Das ist das, was ich meine, und das ist das, waswir mit diesem Gesetzentwurf ansprechen und waswir ändern wollen, nämlich die Frage der Augenhö-he zwischen altem und neuem Straßenbaulastträ-ger. Ich glaube, das ist auch eine Frage des fairenUmgangs miteinander, eine Frage von Fairnessund klaren Spielregeln. Wenn wir, meine Damenund Herren, jetzt hören, dass es dann Fördermittelbis zu 90 Prozent geben soll - und bei bis zu90 Prozent schrillen dann schon wieder die Alarm-glocken, weil das dann auch Förderungen deutlichdarunter sein können -, dann heißt es, dass minde-stens 10 Prozent bei den Gemeinden verbleibenund dass vor allem der Unterhalt bei den Gemein-den verbleibt. Wenn man das schon macht - wir ha-ben uns vorhin darüber verständigt, dass es dabeiimmer nur um die Frage der geänderten Verkehrs-bedeutung gehen kann -, dann muss man den Ge-meinden auch Straßen übergeben, die sie erhaltenkönnen.

(Beifall FDP)

Wir haben diesen Gesetzentwurf ganz bewusstauch mit den kommunalen Spitzenverbänden abge-stimmt. Wir waren beim Gemeinde- und Städte-bund, wir waren beim Landkreistag. Wenn wir jetztin dieser Debatte Änderungsbedarf sehen, FrauDr. Lukin, da bin ich völlig offen, da gibt es sicher-lich Etliches, worüber wir reden können. Wir habenauch nicht den Anspruch, in jedem Fall immer diebeste Formulierung zu haben. Dafür, meine Damenund Herren, sind genau Ausschüsse da. Deswegenbeantrage ich namens meiner Fraktion die Über-weisung dieses Gesetzentwurfs an den Innenaus-schuss und an den Ausschuss für Bau, Landesent-wicklung und Verkehr, denn in beide Ausschüssegehört es. Ich beantrage, weil in aller Regel dieUmstufung auch die Kommunen betrift, die Feder-führung des Innenausschusses.

Wir wollen, das will ich an dieser Stelle auch nocheinmal ganz deutlich sagen, ausdrücklich nicht dasUmstufen verhindern, wenn es rechtlich geboteneGründe dafür gibt. Wir wollen aber natürlich auchnicht, dass umgestuft wird auf Teufel komm raus,um zulasten der Kommunen den Landeshaushaltzu sanieren, das kann nicht die Aufgabe sein.

(Beifall FDP)

Ich denke, wir sollten hier nicht bloß versuchen, unsgegenseitig abzubügeln, sondern wir sollten zu ei-nem vernünftigen Ergebnis kommen, das im Inter-esse von Land und Kommunen auf Augenhöhe ist.Deswegen werbe ich noch einmal sehr dafür, mei-ne Damen und Herren, bitte stimmen Sie der Über-weisung an die Ausschüsse zu. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Es hat jetzt dasWort der Minister für Bau, Landesentwicklung undVerkehr.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bergner, Siehaben in Ihrem Redebeitrag eines unter Beweis ge-stellt, Sie kennen sich offensichtlich besser bei Kin-derbüchern aus als bei Rechtsvereinfachung,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Aber bes-ser auf Straßen als andere.)

denn mit Rechtsvereinfachung hat Ihr Gesetz über-haupt nichts zu tun - erstens. Zweitens kann ich Ih-nen versichern, mit der Sanierung des Landeshaus-halts sind wir noch so weit davon weg, selbst wennes gelänge, die 600 km umzustufen. Also die Ge-fahr müssen Sie gar nicht an die Wand malen, diesteht so nicht im Raum.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: „Tut mannichts Gutes, dann widerfährt einem auch nichtsBöses.“ Ich will das ganz deutlich sagen, damit hierdie Märchen nicht weiter fortgeschrieben werden.Wenn Sie sich abgesehen von der Verkehrsbedeu-tung mal anschauen, wie die Netze der Straßen inDeutschland in den Ländern verteilt sind, stellenSie für Thüringen fest, wir haben rund 9.825 kmStraßen überörtlichen Verkehrs, davon sind 500 kmBundesautobahn, 1.600 km Bundesstraßen,4.700 km Landesstraßen und 3.000 km Kreisstra-ßen. Das heißt für Thüringen, wir haben 47,6 Pro-zent Landesstraßen, 30 Prozent Kreisstraßen. Jetztschauen wir nach Bayern: 33 Prozent Staatsstra-ßen, 44,9 Prozent Kreisstraßen. Wir schauen nachSachsen: 35,2 Prozent Staatsstraßen, 43 ProzentKreisstraßen. Im Bundesdurchschnitt werden Siefeststellen, bei den Staats- oder Landesstraßen imDurchschnitt 37,5 Prozent, wir 47,6 Prozent und39,7 Prozent Kreisstraßen. Das heißt, eines istdoch völlig klar, dass das, was wir an Landesstra-ßennetz haben, im Grunde nicht der Verkehrsbe-deutung von Landesstraßen gerecht wird. Ich den-ke, das steht auch nicht im Zweifel bei der FDP-Fraktion.

5340 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Bergner)

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Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen,natürlich haben Sie recht, wir müssen die Straßenin der Tiefe auch ausbauen. Aber es macht schoneinen Unterschied, wenn ich eine Bundesstraße ha-be, da brauche ich mindestens 8 m Breite, bei einerLandesstraße zwischen 6 und 8 m Breite und beiKommunalstraßen - stimmt nicht überall, stimmeich Ihnen auch zu - mindestens 5,5 m Breite. Dasheißt, es macht sowohl in der Unterhaltung alsauch in der Haltung schon einen Unterschied. Ichhabe natürlich Durchschnittsmaße genommen,aber es ist eben so. Das müssen Sie erst einmalzur Kenntnis nehmen. Das heißt, man muss sichschon Gedanken machen, was wir mit unseremStraßennetz eigentlich anfangen wollen. Es ist völ-lig unstreitig, wir haben in den vergangenen 20 Jah-ren sehr viel an Leistungsfähigkeitssteigerungen inunserem Straßennetz gehabt sowohl beim Bund,vor allen Dingen bei den Bundesstraßen, als auchbei den wirklich wichtigen Landesstraßen. Aber wirhaben natürlich wirklich erhebliche Probleme, wennwir ein so großes Straßennetz, wie wir es jetzt ha-ben, mit 4.600 km als Land so unterhalten wollen.Wenn wir das so unterhalten wollen, müssen wiruns die Frage stellen, finden die Verkehre da über-haupt so statt. Der Bund verhandelt gegenwärtignatürlich mit uns, Herr Barth, ob wir nicht ein paarBundesstraßen übernehmen wollen, denn wenn ei-ne Autobahn irgendwo lang gebaut wird, ergibt par-allel die Bundesstraße nicht immer so viel Sinn, hatdie Verkehrsbedeutung schon nicht mehr. Alsomüssen wir uns dieser Frage natürlich auch nä-hern. Das heißt auch, wir müssen uns die Fragestellen, wie können wir mit den Straßen, die wir seit20 Jahren durchschleifen, die eigentlich eher Kom-munalstraßen sind, und wir haben da auch Landes-straßen dabei, umgehen. Insofern, Herr Bergner,gebe ich Ihnen da nicht recht. Wir müssen nicht al-les ausbauen, auch nichts von dem, was wir da ab-stufen wollen. Da sind viele Feldwege dabei, diehaben auch keine Bedeutung, weder als Ortsver-bindungsstraße noch sonst wie. Die sollten wir ge-fälligst auch lassen und da finden wir durchausauch Lösungen. Insofern muss ich auch das zu-rückweisen, was Sie von uns behauptet haben. Wirhaben in der Vergangenheit nie nach Gutsherrenartagiert, sondern wir haben immer versucht, ein Ein-vernehmen vor Ort zu erzielen.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Minister, es gibt den Wunsch auf eine Zwi-schenfrage. Lassen Sie die zu?

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Ich führe den Satz zu Ende und dann kann ich gerndie Zwischenfrage beantworten.

Dort, wo das nicht gelungen ist, sind wir vor Gerichtgegangen, haben am Ende immer obsiegt. Dasheißt, das war nicht nur eine Frage des …

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Kein Wun-der bei dem Gesetz.)

Ach, was heißt kein Wunder bei dem Gesetz. Wirhaben uns gesetzeskonform verhalten. Es gab kei-ne Fraktion - ihre Fraktion hat damals, glaube ich,dieses Gesetz mit auf den Weg gebracht -, die jeeinen Zweifel daran hatte, dass dieses Gesetzeinen vernünftigen Grund hat und vernünftig funk-tioniert. Vielen Dank.

Vizepräsidentin Hitzing:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Barth, FDP:

Herr Minister, weil Sie das mit der Bundesstraßeparallel zur Autobahn eben ansprachen. Wenn wiruns mal theoretisch in diesen Fall versetzen, wür-den Sie denn nicht auch erwarten, dass der BundIhnen diese Bundesstraße, die dann vielleicht zurLandesstraße abgestuft werden soll, in einem Zu-stand übergibt, in dem sie ihrer Funktion als Lan-desstraße auch gerecht werden kann - Punkt 1?Und würden Sie nicht - Punkt 2 -, wenn das mögli-cherweise eine Bundesstraße ist, von der wir dannvielleicht wissen, dass der Bund seit 15 Jahren dortnichts mehr in die Sanierung investiert hat, die nichteinfach unwidersprochen hinnehmen, sondern sa-gen, ich möchte schon, dass die in einen Zustandgebracht wird, dass ich die als Land nicht als Ersteswieder ertüchtigen und in den Zustand versetzenmuss, damit sie überhaupt als Landesstraße funk-tionieren kann.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Sehr geehrter Kollege Barth, Sie beschreiben einPhänomen, das wir mit unserem Vorgehen hierüberhaupt nicht hervorrufen. Selbstverständlichwollen wir eine gut unterhaltene Straße überneh-men und selbstverständlich übergeben wir auch nurgut unterhaltene Straßen. Dort, wo wir das nichttun, sage ich Ihnen auch ganz klar, warum wir esnicht tun, weil ich natürlich überhaupt nicht einsehe,dass ich eine Straße auf ein Landesstraßenniveauzunächst saniere, um sie dann zu einer Kommunal-straße zu machen.

(Beifall CDU)

Das sage ich Ihnen nicht nur, weil sich der Rech-nungshof irgendwann beschweren wird, sondernauch deswegen, weil es gar keinen Sinn ergibt. Wirhaben Verkehrsverlagerungen. Im letzten Jahr ha-ben wir von 38 Mio. € für 2010 fast die Hälfte für dieSanierung von Kommunalstraßen ausgegeben, da-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5341

(Minister Carius)

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mit wir im Einvernehmen eine komplett neu erhalte-ne Straße an die jeweilige Kommune übergebenkonnten. Das ist natürlich zur Freude der kommu-nalen Baulastträger. Aber, meine Damen und Her-ren, es kann doch nicht richtig sein, dass wir zeit-gleich unser Landesnetz nebenan verrotten lassen.Deswegen ist mein Weg, wir geben die Straße hin-unter. Es ist nicht so, dass wir Ingenieurbauwerke,Ortsdurchfahrten etc. nicht in einem guten Erhal-tungszustand hinuntergeben, sondern da sagenwir, Ortsdurchfahrten, Ingenieurbauwerke, Brückenmachen wir noch auf unsere Kosten. Für den Restder freien Strecke ist es vor allen Dingen das Inter-esse des jeweiligen Baulastträgers, des neuenBaulastträgers, zu sagen, wir wollen hier investie-ren. Dann bieten wir eine 90-prozentige Förderungan. Ich finde, das ist nur recht und billig, denn wirhaben hier als Freistaat 20 Jahre lang Straßendurchgebracht, die diese Verkehrsbedeutung über-haupt nicht haben.

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren,erlauben Sie mir vielleicht noch einige Bemerkun-gen zu dem Gesetzentwurf, den die Fraktion derFDP vorgelegt hat. In Ziffer 1 ist die Aufnahme ei-ner Regelung beabsichtigt, wonach im Falle einerWidmung das Einvernehmen mit der Gemeindeherzustellen ist. Sinn und Zweck der Regelung er-schließt sich mir schon deswegen nicht ganz, weildie Gemeinden gemäß § 43 Straßengesetz selbstBaulastträger sind, also mit sich selbst das Einver-nehmen herstellen müssten. Das wäre sicherlich ei-ne spannende Herausforderung für viele Gemein-den.

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Minister, es gibt wieder den Wunsch auf eineZwischenfrage.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Lassen Sie mich den Gedanken kurz zu Ende füh-ren, dann antworte ich gern.

Vizepräsidentin Hitzing:

Später, Herr Abgeordneter.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Sollte die Regelung für den Fall gelten, dass eineandere als eine Gebietskörperschaft Baulastträgerwerden soll, sieht das derzeit geltende Gesetz be-reits das Einvernehmen mit der Gemeinde vor. Ichvermag deshalb in dem Vorschlag keine Klarstel-lung, geschweige denn bessere Verständlichkeit zuerkennen.

Jetzt freue ich mich auf die Anfrage von Herrn Kol-legen Kuschel.

Vizepräsidentin Hitzing:

Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Minister.Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn bei der Er-mittlung des angemessenen Finanzbedarfs derKommunen der Unterhaltungsaufwand für die ge-meindlichen Verkehrsanlagen berücksichtigt wurde,sich dann manche dieser Fragen in dieser Schärfenicht stellen würden? Anders formuliert, wo berück-sichtigt die Landesregierung den Unterhaltungsauf-wand für kommunale Straßen bei der Ermittlungdes angemessenen Finanzbedarfs?

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Die Landesregierung berücksichtigt das genau imKFA. Dazu ist sogar im Finanzausgleichsgesetz ei-ne entsprechende Regelung mit Begründung vor-gesehen. Für die abgestuften Straßen des vergan-genen Jahres gibt es da einen Aufstockungsbetrag.Insofern sehe ich das, was Sie gesagt haben, dieFrage und die Schärfe, wie sie hier vonseiten derFDP eingebracht wird, stellt sich im Grunde garnicht so, weil wir im Finanzausgleichsgesetz für dieUnterhaltung der Straßen den Kommunen auchmehr Geld zur Verfügung stellen. Ich sage aberauch, das ist natürlich ein Durchschnittsbetrag, derkann nicht so hoch und schon gar nicht höher seinals der, den das Land für die Erhaltung einer Lan-desstraße aufwenden muss.

Regelungsvorschlag Ziffer 2: Hier ist ein in sichsehr bunter Mix, der wenig konsistent ist. Hier wer-den Teile des bayerischen Straßen- und Wegege-setzes mit den bisherigen Thüringer Regelungenvermischt, wobei die Forderung nach Herstellungdes Einvernehmens mit dem zukünftigen Baulast-träger bei allen Umstufungen gefordert wird, nichtnur wie im Freistaat Bayern bei Umstufungen zwi-schen Kreis- und Gemeindestraßen. Hinzukommensoll eine Zustimmungsfiktion der jeweiligen Stra-ßenaufsichtsbehörde, wenn diese nicht innerhalbeines Monats Bedenken gegen die im gegenseiti-gen Einvernehmen beschlossene Umstufung er-hebt. Die in Thüringen bestehende Regelung istmeines Erachtens deutlich praxisnäher, auch er-probt, zumal wir auch eine breite Beteiligung sicher-gestellt haben.

Ziffer 3 offenbart den haushaltspolitischen Nonsensder vorgeschlagenen Regelung. Ziffer 3 sieht vor,dass eine Straße in dem der bisherigen Straßen-klasse entsprechenden Umfang unterhalten seinund dem Stand der Technik für diese genügen

5342 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Minister Carius)

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muss, insbesondere hinsichtlich der Tragfähigkeit,andernfalls solle der neue Baulastträger Anspruchauf einen grundhaften Ausbau haben oder aufeinen entsprechenden finanziellen Ausgleich beste-hen können. Das würde bedeuten, meine Damenund Herren, dass eine ehemalige Landesstraßezweiter Ordnung, auf der schon immer eigentlichnur gemeindlicher Verkehr stattfand und die daherauch mit verminderter Tragfähigkeit und geringe-rem Querschnitt gebaut worden ist, vor der Umstu-fung zur Gemeindestraße auf einen Landesstra-ßenstandard gebracht werden müsste. Die Straßemüsste gegebenenfalls sogar verbreitert und für hö-here Traglasten ausgebaut werden, wenn ich denGesetzentwurf da richtig verstanden habe.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Nein.)

Alternativ dazu soll die Gemeinde einen Anspruchauf finanziellen Ausgleich der hierfür fiktiv anfallen-den Kosten haben, ohne dass sie verpflichtet wäre,an dieser Straße irgendetwas zu verändern. Beideswürde auf eine groteske Fehlsteuerung öffentlicherMittel hinauslaufen. Lassen Sie es mich noch etwasdeutlicher sagen:

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie haben esauf einen hypothetischen Fall abgesehen,was nicht gewollt ist.)

Das Land würde Straßen, die wegen ihrer fehlen-den Verkehrsbedeutung keine Landesstraßen mehrsein dürfen, auf das bauliche Niveau von Landes-straßen bringen, um sie sodann entsprechend ihreruntergeordneten Verkehrsbedeutung zu Kreis- oderGemeindestraßen abzustufen bzw. der Gemeindedas Recht zu übertragen, diese Straße womöglichauch noch einzuziehen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nein.)

Auf die Stellungnahme des Rechnungshofs, meineDamen und Herren, auf Ihren Vorschlag bin ich tat-sächlich sehr gespannt, das gibt wirklich eine gan-ze Menge Spaß.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das wird imRechnungshofbericht nicht auftauchen, weil…)

Ich glaube auch nicht, dass die kommunalen Kör-perschaften auf so einen Entwurf wirklich bestehenwürden.

Meine Damen und Herren, ich halte die Regelung,so wie sie hier vorgeschlagen ist, nicht für zweck-mäßig, sie dient weder dem Landesinteresse nochdem Gemeindeinteresse, sie dient vor allen Dingeneinem: Prozesse, die in Thüringen einfach laufen,die in dem allergrößten Teil der Fälle immer aucheinvernehmlich gelaufen sind, zu verkomplizieren,sie deutlich zu verlängern und dann auch noch da-zu, dass wir deutlich mehr Geld aufwenden müssenfür Straßen, die eigentlich keiner benutzen möchte.Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Minister. Es hat sich jetzt zu Wort ge-meldet der Abgeordnete Bergner.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Danke, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Da-men und Herren, Herr Minister, genau diese Massean Missverständnissen, die Sie hier von diesemPult aus verlesen haben, ließe sich wunderbar imAusschuss aufklären,

(Beifall FDP)

wenn ich das so höre, was hier alles gesagt wordenist. Sie haben abgestellt auf den prozentualen An-teil der Landesstraßen. Ich sage es noch einmal, esging uns nicht darum, das Umstufen von Straßen inAbhängigkeit von der Verkehrsbedeutung in irgend-einer Weise zu torpedieren - ganz und gar nicht.Auch so viel gehört zum Lesen dazu und auch soviel gehört dazu, wenn man ehrlich miteinander um-gehen will. Sie haben davon gesprochen, dass dieFDP in der 1. Legislaturperiode dieses Straßenge-setz mit beschlossen habe. Natürlich haben unsereAbgeordneten in der 1. Legislaturperiode auch Ge-setze hier mit beschlossen, aber bitte schön, nachfast 20 Jahren muss man auch mal dazulernen dür-fen. Dem einen oder anderen außer uns würde dasauch nicht schaden, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wenn Sie bitte mit der Bereitschaft zu einer ehrli-chen Debatte und vor allem zu einer zielorientiertenDebatte, wo es nicht darum geht, sich einfach bloßirgendwelche Dinge um die Ohren zu hauen und ei-ne Schärfe vorzuwerfen, die keiner von uns in ir-gendeiner Weise hineinbringen wollte, herangehen,

(Beifall FDP)

dann, meine Damen und Herren, lesen Sie bittenach und dann sehen Sie, dass wir in unserem Ent-wurf überhaupt nicht verlangt haben, irgendetwasan der Breite dieser Straßen zu ändern. Wir habennoch nicht einmal verlangt, die Trassierung auf einmodernes Niveau zu bringen, was längst überfälliggewesen wäre.

(Beifall FDP)

Welche der Landesstraßen, die in der letzten Zeitmit einer Deckenerneuerung oder dergleichen ver-sehen worden sind, ist wirklich auf einem angemes-senen Landesstraßenniveau saniert? Das kannman an wenigen Fingern abzählen, meine Damenund Herren. Ich sage es noch einmal: Wir habenuns ganz bewusst in einer langen Diskussion unter-halten, wie formulieren wir die Kriterien, die wir mitdiesem Gesetzentwurf einbringen. Wir haben des-wegen auch den Aufbau nach RStO, also nach den

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5343

(Minister Carius)

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Richtlinien für den Straßenoberbau, hergenommen.Da geht der Aufbau vor allem nach der Belastungs-zahl. Das hat etwas mit prognostizierten Lastüber-gängen zu tun. Da wäre der Aufbau, nebenbei ge-sagt, dann auch bei einer Landesstraße zweiterOrdnung nicht so wesentlich anders als bei einerOrtsverbindungsstraße, weil es schlicht und einfachnach der Belastungszahl geht.

Meine Damen und Herren, wir sind die Letzten, diein irgendeiner Weise nun auf dem hundertprozenti-gen Durchbringen von einzelnen Formulierungenbestehen würden. Lassen Sie uns doch in den Aus-schüssen darüber beraten und zu einer vernünfti-gen Beratung kommen. Dafür ist doch Ausschuss-arbeit da, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Ich will noch eines sagen: Wenn Sie davon reden,dass die Landesstraßen zweiter Ordnung von Hausaus ohnehin nur kommunale Funktionen hätten,dann ist das ein völliges Fehlverständnis von denLandesstraßen zweiter Ordnung. Ich kann Ihnen et-liche Landesstraßen zweiter Ordnung nennen, diegenau das nicht haben, sondern eine überörtlicheFunktion bringen. Ich darf an dieser Stelle auchdaran erinnern, dass das keine neue Erfindungnach der friedlichen Revolution war, sondern dasssie aus dem Bezirksstraßensystem hervorgegan-gen sind. Auch damals hat man als Bezirksstraßennicht irgendwelche Ortsverbindungsstraßen vorge-sehen. Die heutigen Landesstraßen zweiter Ord-nung sind die alten Bezirksstraßen zweiter Ord-nung. Auch das sollte man schlicht und einfach ge-lesen haben.

Ich will mich jetzt nicht im Dickicht des Details ver-heddern, ich will es nur noch einmal ganz klar unddeutlich sagen: Es geht uns nicht darum, mit die-sem Gesetzentwurf das Land dazu zu zwingen,Straßen, die es an Kommunen, die es an Landkrei-se überträgt, breiter auszubauen, mit anderen Tras-sierungselementen auszubauen. Genau all dieseDinge haben wir nicht in den Gesetzentwurf hinein-genommen, weil wir eigentlich in der Hoffnung aufeine konstruktive Debatte hierhergekommen sind,in der Hoffnung hierhergekommen sind, dass gera-de auch Parteien, die kommunal verankert sind,meine Damen und Herren, an einer vernünftigenLösung interessiert sein müssten.

(Beifall FDP)

Deswegen werbe ich noch einmal ganz klar unddeutlich und appelliere an Sie, sich nicht zu ver-schließen, sondern zu einer vernünftigen Debattebereit zu sein und diesen Gesetzentwurf an dieAusschüsse zu geben. Ich danke Ihnen, meine Da-men und Herren.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Hitzing:

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Es liegt mirkein Rednerwunsch mehr vor. Das heißt, wir kom-men jetzt zur Abstimmung. Es wurde Ausschuss-überweisung beantragt.

Wir beginnen mit der Abstimmung über die Über-weisung des Gesetzentwurfs in der Drucksa-che 5/2780 an den Ausschuss für Bau, Landesent-wicklung und Verkehr. Wer diesen Gesetzentwurfan diesen Ausschuss überweisen möchte, den bitteich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stim-men der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN und FDP. Gibt es Gegenstimmen? DieGegenstimmen kommen aus den Fraktionen CDUund SPD. Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Der zweite Antrag auf Überweisung betrifft den In-nenausschuss. Wer sich dieser Überweisung an-schließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzei-chen. Das sind die Fraktionen DIE LINKE und FDP.Gegenstimmen? Die Gegenstimmen kommen ausden Fraktionen CDU und SPD. Gibt es Stimment-haltungen? Stimmenthaltungen kommen aus derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit istauch diese Überweisung abgelehnt. Ich schließeden Tagesordnungspunkt für heute.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tages-ordnungspunkt 7

Thüringer Gesetz über die Re-form der ForstverwaltungGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/2871 -ERSTE BERATUNG

Die Landesregierung hat das Wort zur Begründung.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehr-ten Damen und Herren, sehr schnell nach meinemAmtsantritt als Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz erfuhr ich, welche gravie-renden Auswirkungen Personalmangel, Altersstruk-tur und unzureichende Flexibilität im Verwaltungs-handeln haben und wie diese Faktoren die täglicheArbeit eines Försters unter Umständen negativ be-einflussen können. Aus diesem Grund erteilte ichbereits im Februar vergangenen Jahres einen Prüf-auftrag zur inhaltlich-strategischen und personell-organisatorischen Neuausrichtung der ThüringerLandesforstverwaltung. Hierzu berief ich eine ver-waltungsinterne Arbeitsgruppe mit dem Namen„Forststruktur“ mit Vertretern aller Beschäftigten-gruppen und der Personalvertretung ein und wir zo-gen auch einen Steuerberater hinzu. Der Prüfauf-trag an die Arbeitsgruppe umfasste die Darstellung

5344 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Bergner)

Page 89: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

und Analyse der Ausgangssituation und der Rah-menbedingungen der Thüringer Landesforstverwal-tung sowie die Begründung der Notwendigkeit einerumfassenden Neuausrichtung, die Formulierungvon Maßgaben und Zielen, die Darstellung, Analyseund Bewertung der möglichen Rechts- und Organi-sationsformen sowie die Abwägung der Vor- undNachteile im Vergleich mit aktuellen Rechtsformenanderer Länder quasi im Rahmen eines Benchmar-king.

Durch die Arbeitsgruppe Forststruktur wurde mir imMai 2010 eine ergebnisoffene Entscheidungsvorla-ge zur inhaltlich-strategischen und personell-organi-satorischen Neuausrichtung der Thüringer Landes-forstverwaltung übergeben. Dabei wurden als Fazitzwei Varianten in den Mittelpunkt der Betrachtunggestellt. Eine Variante sah die Beibehaltung desRegiebetriebs in der Einheitsforstverwaltung unterder Maßgabe der Einstellung von 218 Beamten undTarifbeschäftigen sowie 50 bis 100 Forstwirten inden nächsten zehn Jahren vor, für die es einer Er-höhung der Haushaltsansätze von jährlich 5 Mio. €für Personal- und Sachkosten bedurft hätte. Vordem Hintergrund einer strikten Haushaltskonsolidie-rung erschien die Umsetzung dieser Variante alsnicht realistisch. Letztlich hätte der nicht mehr kom-pensierbare Personalmangel, der mit einer ungün-stigen Altersstruktur einhergeht, die gesetzlicheAufgabenerfüllung und somit auch den Erhalt desGemeinschaftsforstamts in der bisherigen Qualitätdeutlich gefährdet.

Die zweite Variante sah die Errichtung einer Anstaltöffentlichen Rechts unter Beibehaltung der Organi-sationsform des Gemeinschaftsforstamts vor. DieAnstalt öffentlichen Rechts bietet insbesondere fürden operativen Geschäftsteil des Forstbetriebs einehöhere Flexibilität und die Möglichkeit wirtschaftli-cheren Handelns. Hierdurch besteht auch dieChance auf eine personelle Erneuerung, die derzeitnur in sehr, sehr geringem Umfang realisierbar er-scheint. Durch bedarfsgerechten Personal- undSachkosteneinsatz können weitere Effizienzpoten-ziale erschlossen werden. Sukzessive trägt dies zurReduzierung des Landeszuschusses bei. Der Er-halt des Gemeinschaftsforstamts als Organisations-form stand dabei stets außer Frage. Es ist auf viel-fältige Weise ein Erfolgsmodell, das es zu erhaltengilt und das daher seinerzeit auch ausdrücklich inder Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteienfestgeschrieben wurde. Die Aufgabenerfüllung imgesamten bisherigen Spektrum des Gemein-schaftsforstamts ist insoweit garantiert.

Das Kabinett nahm am 17. August 2010 die Vorla-ge des Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz, die Landesforstverwal-tung in eine Anstalt öffentlichen Rechts unter Bei-behaltung der Organisationsform des Gemein-schaftsforstamts umzuwandeln, zur Kenntnis. Am15. März 2011 hat das Kabinett den Referentenent-

wurf eines Thüringer Gesetzes über die Reform derForstverwaltung ebenfalls zur Kenntnis genommen.In die darauffolgende Anhörung wurden neben demGemeinde- und Städtebund und dem Thüringi-schen Landkreistag weitere 26 Verbände und Ein-richtungen einbezogen. Die 21 eingegangenenStellungnahmen wurden eingehend geprüft. DieAnregungen und Vorschläge wurden soweit mög-lich und zweckmäßig auch in den Gesetzentwurfeingearbeitet. Eine wesentliche Prämisse bei derBewertung der Stellungnahmen zu den Artikeln 2bis 20 des Gesetzentwurfs war der Grundsatz, dasshier lediglich formelle Folgeänderungen und Zu-ständigkeitsänderungen infolge der Errichtung derAnstalt öffentlichen Rechts vollzogen werden sol-len. Materiell-rechtliche Änderungen wurden grund-sätzlich nicht vorgenommen.

Die mit dem Gemeinde- und Städtebund Thüringen,dem Bund für Umwelt- und Naturschutz, dem Na-turschutzbund, dem Waldbesitzerverband sowiedem Landesjagdverband zusätzlich geführten Ge-spräche trugen wesentlich zur Verständnisbildungbei, so dass die bestehenden Bedenken undMissverständnisse ausgeräumt werden konnten.Thematisiert wurden in den Stellungnahmen insbe-sondere der Verbleib der Liegenschaften im Eigen-tum des Landes, die deutliche Darstellung des Er-halts der Organisationsform des Gemeinschafts-forstamts, der Grundaufbau der inneren Organisati-onsstruktur der Landesforstanstalt, die Aufgaben-abgrenzung zwischen der obersten und der unterenForstbehörde, der Übergang der Nationalparkver-waltung Hainich und der Thüringer Landesanstaltfür Wald, Jagd und Fischerei auf die Landesforstan-stalt sowie deren zukünftige Aufgabenwahrneh-mung, die Sicherung der Einhaltung gesetzlicherVorschriften durch die Landesforstanstalt bei derbetrieblichen und hoheitlichen Aufgabenerfüllung,die Besetzung des Vorstands und des Verwaltungs-rats, die Vetorechte der von den für Forsten und Fi-nanzen zuständigen Ministerien entsandten Vertre-ter in den Verwaltungsrat sowie die Rechte des Ge-währträgers.

Insbesondere ein ausdrückliches Bekenntnis zurBeibehaltung des Gemeinschaftsforstamts und derGrundaufbau der inneren Organisation der Landes-forstanstalt wurden in der Folge in den Gesetzent-wurf integriert. Am 7. Juni dieses Jahres fand derzweite Kabinettsdurchgang statt, in dessen Ergeb-nis das Kabinett den Gesetzentwurf und die Ein-bringung in den Landtag beschlossen hat.

Nach einer Prüfungsankündigung im August 2010begleitete der Thüringer Rechnungshof ab Septem-ber 2010 den Überführungsprozess hinsichtlich derstrategischen Zielsetzung, der Effizienzpotenzialeund der Möglichkeiten einer Erfolgskontrolle. Im Er-gebnis der Beratung gelang es, die strategischenZielsetzungen des Reformwechsels deutlicher zufassen, die Grundlagen für die Wirtschaftlichkeits-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5345

(Minister Reinholz)

Page 90: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

betrachtung zu verbessern und die Basis für eineErfolgskontrolle des Rechnungshofs für die künftigeTätigkeit der Landesforstanstalt zu legen.

In seiner Äußerung zum vorliegenden Gesetzent-wurf vom 25. Mai 2011 begrüßte der ThüringerRechnungshof die mit der Errichtung der Landes-forstanstalt einhergehenden Zielsetzungen, insbe-sondere die flexiblere Gestaltung der Geschäftspro-zesse, die sich hieraus ergebenden Möglichkeitenwirtschaftlicheren Handelns und die bessere Trans-parenz bei der Nachweisführung erbrachter Leis-tungen im betrieblichen und hoheitlichen Aufgaben-bereich.

Besonders wertvoll waren die Eindrücke und Anre-gungen aus der mit allen Bediensteten der Thürin-ger Landesforstanstalt durchgeführten Beleg-schaftsversammlung der vergangenen Woche. Eshat sich einmal mehr bestätigt, dass die Entschei-dung zur Gründung der Anstalt öffentlichen Rechts„ThüringenForst“ sowie die damit einhergehendenVeränderungen mehrheitlich von den Bedienstetengetragen und als Chance für die Gestaltung einertragfähigen Zukunft verstanden werden.

Nach alldem war und bin ich der festen Überzeu-gung, dass die Forstverwaltung zukünftig nur danndauerhaft stabile und erfolgreiche Strukturen findenwird, wenn der Rechtsformwechsel in eine Anstaltöffentlichen Rechts „ThüringenForst“ vollzogenwird. Ich möchte den Landtag deshalb nunmehr bit-ten, den Entwurf eines Thüringer Gesetzes über dieReform der Forstverwaltung in erster Lesung zu be-handeln. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Hitzing:

Vielen Dank, Herr Minister Reinholz. Ich eröffnejetzt die Aussprache. Mir liegt eine Rednerliste vorund das Wort hat Frau Abgeordnete Mühlbauer fürdie SPD-Fraktion.

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen,sehr geehrte Damen und Herren, wir alle werdenheute nicht nur Zeuge, sondern wir sind selbst Han-delnde einer meines Erachtens durchaus als histo-risch einzustufenden Beratung im Thüringer Land-tag. Denn das, was uns die Landesregierung hier inGesetzesform vorgelegt hat und was wir in denkommenden Monaten in den Ausschüssen desLandtags beraten werden, ist unumkehrbar. Daskann man bedauern, ändern kann man es nicht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE:Doch.)

Denn klar ist allen, die sich ein wenig in diesem Be-reich auskennen, Herr Kuschel, wir müssen etwastun.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ja,aber nicht das.)

Den Landesforst oder genauer gesagt die Landes-forstverwaltung haben wir zu Beginn dieser Legisla-tur in einer bedauernswerten Situation mit einernoch schlechteren Perspektive vorgefunden, unddas, meine sehr geehrten Damen und Herren, trotzdes Einsatzes, der Opferbereitschaft, der Loyalitätund auch der Anpassungsfähigkeit der im Landes-forst Beschäftigten. Um auch das hier klar zu sa-gen, an den Beschäftigten lag es nicht. Die Ent-scheidung für diesen Rechtsformwechsel resultiertlaut Ministerium auch aus der zunehmenden Dis-krepanz zwischen der Erfüllung gesetzlicher Aufga-ben einerseits und dem dazu verfügbaren Personaleinschließlich der finanziellen Mittel andererseits.Dabei wird die bereits zahlenmäßig betrachtet un-zureichende Ausstattung mit Personal noch ver-schärft durch die Altersstruktur der Waldarbeiter,die mit über 52 Jahren im Schnitt äußerst ungünstigist.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Werwar das?)

Diese Gemengelage wäre bei umsichtiger Perso-nalentwicklung und rechtzeitigem Gegensteuernvermeidbar gewesen. Denn wenn wir ehrlich sind,dann ist die jahrelange Blockade eines vernünftigenEinstellungskorridors im Landesforst einer derHauptgründe für die aktuelle problematische Situa-tion. Anstatt das Problem zu lösen, hat die Regie-rung um Ex-Ministerpräsident Althaus die Situationmit ihrem Stellenabbaukonzept noch weiter ver-schärft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn in den Forstämtern müssten auf Grundlageder Strukturreform von 2005 bis 2020 insgesamt178 Angestellte und Beamte sowie 122 Waldarbei-ter abgebaut werden. Dies ist für mich ein öffentli-ches Eingeständnis der CDU, dass das Stellenab-baukonzept der Regierung Althaus den Landesforstin eine äußerst prekäre Lage gebracht hat,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

also im Bereich des Forstes mithin gescheitert ist.Auch wenn solche Erkenntnisse und Einsichtenvielleicht für unseren Koalitionspartner im Momentschwer verdaulich sind, so sind sie meines Erach-tens doch notwendig für eine ehrliche Bestandsauf-nahme. Wenn wir Sozialdemokraten jetzt die Ver-antwortung für einen Rechtsformwechsel überneh-men sollen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mithin also die Karre aus dem Dreck ziehen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

5346 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Minister Reinholz)

Page 91: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

dann haben wir das Recht, dies klar und deutlich zubenennen, Herr Kuschel. Denn um es klar zu sa-gen, alle Probleme, die wir mit der Umwandlung ineine Anstalt öffentlichen Rechts beheben wollenund müssen, können wir auch beheben, indem wirdie Rechtsform nicht wechseln, nämlich allein da-durch, dass wir der Landesforstverwaltung die fi-nanziellen Mittel und das Personal zugestehen, umalle übertragenen gesellschaftlich gewünschtenAufgaben auch tatsächlich in angemessener Quali-tät erfüllen zu können. Das ist allerdings - ich den-ke, die Debatte haben wir heute reichlich geführt -leichter gesagt als getan. Denn in den vergangenenzehn Jahren ist es den für Forst zuständigen Minis-tern in Thüringen nicht gelungen, sich darauf mitdem jeweiligen Finanzminister zu verständigen. Ichhoffe, jeder hier im Plenum ist realistisch genug, umeinzusehen, dass wir das auch in Zukunft nichtmehr ändern können.

Die SPD steht also jetzt vor der unschönen Situati-on, aus den vorgefundenen Verhältnissen das Bes-te zu machen. Deshalb - und so sieht es auch derBund Deutscher Forstleute - ist die Umwandlungdes Landesforsts in eine Anstalt öffentlichen Rechtsfür uns zumindest eins, ein Hoffnungsschimmer,der dem Forst in Thüringen eine Perspektive bietenkann.

Die Errichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts ge-währleistet, dass die in Thüringen bewährten Orga-nisationsformen des Gemeinschaftsforstamts bei-behalten und die von der Landesforstverwaltungbisher wahrgenommenen gesetzlichen Aufgabenfortgeführt werden können. Der Vorteil einer Lan-desforstanstalt besteht laut Ministerium in einerdeutlich flexibler gestalteten Geschäftsführung desForstbetriebs, woraus sich neue Möglichkeiten fürein wirtschaftliches Handeln ergeben sollen. Kurzgesagt, könnte man die wesentlichsten Ziele wiefolgt beschreiben: Sicherung von Vermögen, Kom-petenz und Strukturen für eine Zukunft mit gestei-gerter Bedeutung von Wald- und Forstwirtschaft.Bei gleichzeitiger Senkung des Zuschusses durchdas Land und darüber hinaus ist sie aus Sicht derSPD allemal besser als die ursprünglich auch malkurz ins Auge gefasste GmbH.

(Beifall DIE LINKE)

Hier bin ich froh, dass es uns gemeinsam mit vielenanderen Akteuren gelungen ist, das Ministeriumvon dieser Idee abzubringen. Ich kann heute sa-gen, die Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktionwerden den Weg eines Rechtsformwechsels hin zueiner Anstalt öffentlichen Rechts mitgehen. Ich sa-ge das vorsichtig, weil wir noch eine Reihe vonPunkten an dem vorliegenden Gesetzentwurf aus-zusetzen haben. Doch dazu komme ich gleichnoch. Zunächst einmal ist es aus fachpolitischerSicht erfreulich, dass wir dem Landesforst mit demvorliegenden Entwurf bis 2018 eine finanziell aus-

kömmliche Perspektive geben können. Die Zufüh-rungen des Landes, die die bisherigen Haushalts-kapitel 09 12 bis 09 27 ersetzen, sind bereits bis2018 festgeschrieben und werden gegenüber demJahr 2010 von 43,9 Mio. € bis zum Jahre 2018 auf32,9 Mio. €, also um 11,6 Mio. € schrittweise abge-senkt. Es ist also bereits verankert, dass die Anstaltdas wirtschaftliche Ergebnis schrittweise verbes-sern muss. Positiv werte ich auch, dass Grund undBoden nicht an die Anstalt öffentlichen Rechtsübertragen, sondern ihr zur Nutzung überlassenwerden. Denn damit werden die Vorgaben des Ko-alitionsvertrags hinsichtlich des Waldumbaus mit100.000 ha und dem Verzicht auf die forstwirt-schaftliche Nutzung auf insgesamt 25.000 ha Waldzumindest nicht gefährdet.

Bevor ich jetzt zu unserem Problem mit dem Ent-wurf komme, möchte ich eines noch voraus-schicken. Eine umfassende Würdigung der Forstre-form ist leider noch gar nicht möglich. Das wäre nurbei Kenntnis der Satzung möglich, denn ein Groß-teil der zu übertragenden Aufgaben wird nicht imGesetz, sondern erst in der Satzung geregelt. DerNutzungsüberlassungsvertrag nach § 2 Abs. 2 unddie Fünfte Durchführungsverordnung ThüringerWald, die die Kostenbeiträge für die staatliche Be-treuung regelt, ermöglichen dies und dies liegt unsnicht vor. Ich bitte also die Landesregierung, dasssie uns diese Dokumente vor den anstehenden Be-ratungen in den Ausschüssen noch zur Verfügungstellt.

(Beifall DIE LINKE)

Doch nun zum Änderungsbedarf aus Sicht derSPD-Fraktion. Die Beibehaltung des Gemein-schafts- bzw. Einheitsforstamts war und ist eine un-serer Kernforderungen, die deswegen auch denWeg in den Koalitionsvertrag gefunden haben.Trotz Erwähnung gleich in § 1 hielt ich es dennochfür angebracht, im Gesetz eine Präambel voranzu-stellen, die dieses Prinzip noch einmal an exponier-ter Stelle hervorhebt. Darüber hinaus wäre es auchgut, allein schon, um im Lande keine Irritationenhervorzurufen, im Gesetzentwurf auf jegliche Strei-chung des Gemeinschaftsforstamts, so zum Bei-spiel in Artikel 2 - Änderung des Thüringer Waldge-setzes - in § 33 auf Seite 18 zu verzichten.

Besonders kritisch sehen wir auch, dass momenta-ne Mitwirkungsrechte des Parlaments jenseits derab 2018 festzulegenden Budgetobergrenze nichtvorgesehen sind. Als frei gewählte Abgeordnete istdas so nicht hinnehmbar.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Lösung des Problems sehe ich möglicherwei-se in den im Gesetzentwurf vorgesehenen turnus-mäßigen Berichtspflichten der Geschäftsführung anden Vorstand. So soll etwa der jährliche Wirt-schaftsplan vorgelegt werden. Eine vierteljährliche

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5347

(Abg. Mühlbauer)

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Unterrichtung über grundsätzliche Angelegenheitensowie über den Gang der Geschäfte, insbesondereden Umsatz und die Lage der Anstalt öffentlichenRechts halte ich für wesentlich, auch dem Landtagzur Kenntnis zu geben und darüber hinaus auch dieEntsendung von Abgeordneten in den Verwaltungs-rat oder in einen zusätzlichen Beirat vorzusehen.

Damit sind wir schon beim nächsten Punkt. Auchdie Zusammensetzung des Verwaltungsrats sollteüberprüft werden. Das Wissen und die Expertisedes Gemeinde- und Städtebundes sollten darinnicht fehlen. Überlegen sollten wir auch, wie dieUmwelt-, Naturschutz- und Jagdverbände integriertwerden können. Gegebenenfalls könnte auch hierein zusätzlich beratender Beirat weiteren Sach- undFachverstand beisteuern. Für ausgesprochenschwierig halten wir außerdem die starke Rolle desFinanzministeriums. Der Gesetzentwurf sieht gleichein doppeltes Vetorecht für das Finanzministeriumvor, zum einen hinsichtlich Budget und Personal imVerwaltungsrat, zum anderen bedürfen die Be-schlüsse des Verwaltungsrats der zusätzlichen Ge-nehmigung des Finanzministers. Damit macht man,an meine Ausführungen zu Beginn anknüpfend,den Bock zum Gärtner, denn die jahrelange Weige-rung des Finanzministers ist der Hauptgrund deraktuellen Misere.

Kritisch sehe ich auch, dass mit der Aufhebung derRichtungsanordnung der bisher 28 Forstämter dieForststandorte und die Forstreviere zunächst er-satzlos aufgelöst werden. Eine Nachfolgeregelungist nicht im Gesetz enthalten. Auch wenn man unszusichert, dass die Strukturen nur unwesentlich an-gepasst werden, sollten wir keine Ängste in dieseRichtung erzeugen.

Kommen wir nun zur Zentralisierung der Landes-forstausschüsse. Auch das muss hinterfragt wer-den. Wollen wir mit der künftig vorgesehenen Bil-dung von nur zwei Landesforstausschüssen - bis-her waren es 28, nämlich je eines pro Forstamt -wirklich den direkten Kontakt zu den Waldbesitzernaufgeben? Das halten wir nicht für sinnvoll, genau-so wenig, wie ich den Übergang des NationalparksHainich in die Anstalt öffentlichen Rechts sehe,denn das

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

widerspricht meines Erachtens den IUCN-Regeln,nach denen Nationalparkverwaltungen der oberstenNaturschutzverwaltung - also dem Ministerium - un-terstehen müssen. Ob wir zudem die Bilanz der An-stalt durch diese kostenträchtige Position belastenmüssen, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, dasswir hier auch an die Biosphärenreservate und Na-turparke denken sollten - also entweder alle hineinoder alle heraus.

Nach der ersten Prüfung ist mir aufgefallen, dassgar nicht alle dem Gemeinschaftsforstamt bisher

zugeordneten Aufgaben im Gesetzentwurf enthal-ten sind. Insbesondere denke ich da an die Erho-lungsfunktion des Waldes, die an keiner Stelle er-wähnt wird und deshalb zu kurz kommen könnte,was auch tourismuspolitisch negative Auswirkun-gen hätte. Zu guter Letzt müssen auch die Rechteder Bediensteten in jeglicher Hinsicht gewahrt blei-ben.

(Beifall DIE LINKE)

Es muss gesichert werden, dass ein Rückkehrrechtin die Verwaltung eingerichtet wird, und es istselbstverständlich, dass die Dienstzeiten anerkanntund sämtliche Vergünstigungen in der Anstalt ge-wahrt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüberwird zu reden sein und ich kann allen hier versi-chern, dass wir uns rege in die Debatte einbringenwerden. Ich beantrage im Namen meiner FraktionÜberweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft,Forsten, Umwelt und Naturschutz und bedankemich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Fraktion DIE LINKE erhält der AbgeordneteKummer das Wort.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Mühlbauer,auch Ihnen vielen Dank für eine doch ganze Reihekritischer Worte, die Sie zum vorliegenden Gesetz-entwurf gefunden haben. Sie haben versprochen,Sie wollen die Karre aus dem Dreck ziehen. Ich er-warte dann, dass dem natürlich auch eine ganzeReihe Änderungsanträge folgen werden, wo ich mirvorstellen kann, dass unsere Fraktion bei einigenDingen ihre Unterstützung gibt.

Meine Damen und Herren, Namen können manch-mal täuschen. Zu Beginn dieser Legislatur ändertedas Ministerium, damals noch für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt, seinen Namen. Es nahmdas Wort „Forsten“ mit auf. Die offizielle Begrün-dung war, dass man dem Politikfeld Forst eine grö-ßere Bedeutung geben möchte. Wie das mit dergrößeren Bedeutung gemeint war, haben wir dannrelativ schnell erfahren, als plötzlich eine Waldar-beiter GmbH gegründet werden sollte und die Ket-tensägen ratterten und man hat diese Idee verwor-fen. Dadurch wurde aber die Situation im Landes-forst nicht besser. Deshalb liegt uns heute ein Ge-setzentwurf vor.

Ich muss klar sagen, die Situation im Landesforst,vor allem was die Belastung des Personals angeht,ist im Moment unerträglich. Spätestens seit Kyrillarbeitet das Personal dort am Limit und der Land-tag hat in der Vergangenheit schon mehrfach die

5348 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Mühlbauer)

Page 93: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

größten Defizite wenigstens mit befristeten Arbeits-verträgen abstellen müssen. Allerdings sind befris-tete Arbeitsverträge natürlich keine langfristige Per-sonalplanung und deshalb auf Dauer so nicht aus-reichend. Wir haben in den letzten Jahren die Zahlder Forstämter deutlich reduziert bekommen unddie Reviergrößen sind erheblich gestiegen. Ja, HerrPrimas, na klar 2005. Die Reviergrößen sind da-mals auf ein entsprechendes Verhältnis ausge-dehnt worden, das kaum noch beherrschbar ist,noch dazu mit all den Problemen, womit sich einRevierförster herumschlagen muss. Es ist damalszugesichert worden, dass es in jedem Forstamteinen Bediensteten gibt, der einspringen kann,wenn ein Revierleiter mal nicht da ist. Inzwischengibt es diese Bediensteten schon lange nicht mehrund es gibt auch nicht mehr alle Revierleiter. Dasist ein Zustand, der auch vom verantwortlichen Mi-nister mehrfach kritisiert wurde. Ich kann mich z. B.an die Tagungen der Waldbesitzer erinnern, wo be-richtet wurde, dass ein Besuch in den Forstämternklargemacht hat, es gibt fast kein Forstamt in Thü-ringen mehr, was seine Sollbesetzung hat, obwohldiese Sollbesetzung vom Gesetzgeber, dem Thü-ringer Landtag, festgelegt wurde. Die Begründungwar dann immer das Finanzministerium. Ich meine,der Landtag kann es nicht gewesen sein, er hat dieStellen bewilligt.

Nun kommen wir dann zu dem hoffnungsvollen Ge-setzentwurf, der diese Probleme alle lösen möchte.Auch das Problem der Überalterung des Personals,das Durchschnittsalter von Waldarbeitern beträgtüber 50 Jahre, ist sicherlich nicht geeignet, um hiereine langfristige Perspektive darin zu sehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber diesetraurige Bilanz des Landesforsts, die ich geradevorgestellt habe, nicht alleine stehen lassen, denndas würde dem Landesforst unrecht tun. Ich möch-te noch klar sagen, dass wir zu Beginn dieser Le-gislatur eine Anhörung unseres Ausschusses fürLandwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutzdurchgeführt haben, die eine andere Seite vomLandesforst zeigte, nämlich die, dass dort eine her-vorragende Arbeit gemacht wird. Erstaunlicherwei-se waren sich alle Anzuhörenden von den Umwelt-verbänden bis zu den Sägewerksbetreibern einig,dass dieser Landesforst seine Aufgaben gut erfüllt.Dafür muss man danken. Das ist ein hohes Gut,was nicht auf dem Rücken der Bediensteten zer-schlagen werden darf,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

was auch nicht Reformen geopfert werden darf, dieum der Reform willen durchgeführt werden und viel-leicht auch zur Kaschierung von Statistiken.

Meine Damen und Herren, ist der vorliegende Ge-setzentwurf eine Lösung für die aufgezeigten Pro-bleme? Ist er die Möglichkeit, die Frau Mühlbauer

vorhin angesprochen hat, Karren aus dem Dreck zuziehen? Ich komme klar zum Ergebnis: Nein. DerLandesforst entkommt mit diesem Gesetzentwurfnicht dem Finanzministerium, das in der Vergan-genheit, wie eben dargestellt, eine vernünftige Per-sonalentwicklung verhinderte. Nein, der Landes-forst entkommt mit diesem Gesetzentwurf nur ei-nem, nämlich dem Gesetzgeber, dem ThüringerLandtag. Das, meine Damen und Herren, sehe ichals Abgeordneter als eine Kastration des Parla-ments.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Daswar aber heute früh Thema.)

Das war heute früh Thema, Herr Kuschel, das istrichtig. Da hatten wir, dass wir das Hunden nichtzumuten wollen von unserer Seite her, aber demParlament möchte ich es auch nicht zumuten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dassollte man der Forstverwaltung aber auchnicht zumuten.)

Das Gesetz löst ein Problem. Es löst das Problemdes Abbaupfads des Thüringer Ministeriums fürLandwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz.

(Beifall DIE LINKE)

Der dortige Personalabbaupfad ist im Haushalt klarvermerkt, das lässt sich nachlesen. 588 kw-Vermer-ke nach 2011 reduzieren sich mit Gründung derForstanstalt auf nur noch 110. Das heißt, mit Grün-dung der Forstanstalt verschwinden 478 abzubau-ende Stellen beim Ministerium. Das ist etwa einDrittel der Belegschaft der Landesforstanstalt. Nunkönnen Sie mir sagen, das eine hat mit dem ande-ren nichts zu tun, aber der Minister hat vorhindargestellt, dass, wenn wir denn das notwendigePersonal für den Forst zur Verfügung stellen wür-den im Regiebetrieb, wir 5 Mio. € Kosten hätten.Die Forstanstalt spart Geld. Wie sie das tut, hat derMinister so klar nicht gesagt. Alle Fragen, die wirnach den zukünftigen Planvorgaben für Bedienstetein der Forstanstalt gestellt haben, sind auswei-chend beantwortet worden, man hat uns dort keineklaren Zahlen gesagt. Deshalb muss ich diese Zahlim Haushalt erst einmal als gegeben hinnehmen,noch dazu, wenn das Finanzministerium gerade beider Frage der Personalentwicklung der Landes-forstanstalt immer ein Vetorecht hat. Meine Damenund Herren, das steht im klaren Gegensatz zu denÄußerungen von CDU und SPD im Koalitionsver-trag - ich möchte das mal vorlesen -: „Auf Basis ei-nes langfristigen Personalentwicklungskonzeptswird zeitnah ein angemessener Einstellungskorridorfür Forstbedienstete und Waldarbeiter geschaffen.“Das kann ich bei diesem Personalabbaupfad nichtsehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5349

(Abg. Kummer)

Page 94: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz schafftauch keine wirkliche Forstanstalt als wirtschaftlichfitte Einrichtung. Dieses Gesetz schafft eine Anstaltam Gängelband, wenn man sich vorliest, wo esüberall ein Veto des Finanzministeriums gebenkann. Das findet man zum Beispiel in § 7, da gibtes eine Auflistung unter Punkt 12: den Abschlussoder die Änderung von Anstellungsverträgen, Zah-lungen von Abfindungen sowie Abschluss von Ho-norarverträgen; unter 13: den Abschluss oder dieÄnderung von Tarifverträgen, allgemeine Vergü-tungs- und Sozialregelungen, insbesondere Bildungvon Unterstützungsfonds für regelmäßig wiederkeh-rende Leistungen und, und, und. Das heißt, all das,was den Bediensteten in der Vergangenheit ver-sprochen wurde, was mit der Forstanstalt geleistetwerden soll, nämlich Unabhängigkeit vom Finanz-ministerium, weg von den behördlichen Gängelbän-dern hin zu wirtschaftlichen Freiheitsgraden, ist mitdieser gesetzlichen Grundlage verbaut. Dannmöchte ich doch wissen, wie Sie in Zukunft IhreProbleme lösen wollen, meine Damen und Herren.Es wird immer allgemein von Effizienzsteigerung inder Forstanstalt geredet. Das Einzige, was ich da-bei gesehen habe, was sich nicht im Regiebetriebdarstellen lässt, ist Ihr Vorhaben, Herr Minister,dass in Zukunft ein Meister auch die Arbeiten einesHochschulabsolventen erledigen kann - sicherlichfür weniger Vergütung. Das lässt sich klar im Re-giebetrieb nicht machen, aber darauf, das gebe ichzu, habe ich auch nicht wirklich Lust. Wenn ein Mei-ster wirklich so fit ist, dass er die Arbeit eines Re-vierleiters gut machen kann, dann soll er das bitteauch zur Vergütung eines Revierleiters tun. Dannkann man das vielleicht mit der Laufbahnregelungdurchführen, aber sonst nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Sie wollen neue Betätigungsfelder erschließen.Auch diese können Sie aber im Regiebetrieb ent-sprechend umsetzen; mir hat sich bisher nichts an-deres dargestellt. Wieso der Nationalpark Hainicheine Effizienzsteigerung in einer Anstalt erfahrensoll, ist wohl das größte Geheimnis, was hinter die-ser Forstanstalt steckt.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir hatten in der Ver-gangenheit schon mehr Wirtschaftlichkeit im Lan-desforst. Wir hatten einen klaren Leistungslohn beiden Waldarbeitern, der dann nicht mehr haltbarwar, weil das Durchschnittsalter zu weit angestie-gen war. Wir hatten keine Stellenpläne für Waldar-beiter. Auch da hatte der Forstbetrieb Freiheiten.Diese Freiheiten sind nie richtig ausgenutzt worden,aber man konnte sie ermöglichen. Man kann auchim Landesforst in einem Regiebetrieb die Doppikeinführen, man kann zweckgebundene Rücklagenbilden. Das gibt es alles schon. Warum wollen wirdenn unseren vorbildlichen Regiebetrieb opfern,

warum wollen wir ihn denn nicht reformieren?Wenn ich denn unbedingt Arbeit einsparen muss,dann muss ich mir doch zuallererst einmal einenKopf machen, welche Aufgaben ich reduziere. HerrMinister, von Ihnen die klare Aussage zuletzt beimBerufsjägertag in Suhl, es ändert sich nichts, wirändern nur die Rechtsform. Die Aufgaben soll die-ser Landesforstbetrieb weiter alle wahrnehmen.Dann frage ich mich, wo er denn Geld sparen soll.Wir sehen Möglichkeiten einer Aufgabenreduktionund wir sehen auch Möglichkeiten von höheren Ein-nahmen. Das werden Dinge sein, über die wir auchim Gesetzgebungsverfahren reden müssen, dennich denke, ohne hier anzudocken, werden wir dieProbleme nicht lösen. Ich glaube, wir brauchen einehäufigere und leichte Durchforstung von jungenBaumbeständen. Da ist in der Vergangenheit vielvernachlässigt worden. Damit lassen sich aber heu-te bei den gegenwärtigen Holzpreisen auch Einnah-men erzielen. Wir brauchen Erhöhungen von Prei-sen, vor allem im Energieholzbereich. Wir brauchenaus meiner Sicht Budgets für die Forstämter undmehr wirtschaftliche Freiheit der Forstämter. Dannlässt sich dort auch einiges regeln. Dazu sollten dieForstämter auch die Freiheit bekommen, entwederPersonal einzustellen oder aber sich Unternehmenzu bedienen, das machen sie ja gegenwärtig auchschon.

Wir brauchen eine drastische Reduzierung der För-dertatbestände und des damit verbundenen Ver-waltungsaufwands, denn wir haben eine ganze Rei-he von Fördertatbeständen im Forst, wo wir mehrGeld für die Kontrolle ausgeben, als wir an Geldernausreichen. Aus meiner Sicht brauchen wir auch ei-ne neue Organisation der Jagd, wir müssen wegvon der Dienstpflicht und wir müssen sehen, wiebesser funktionierende Systeme eingeführt werden.Ich halte genauso eine effizientere Gestaltung derBeförsterung im kleinen Privatwald für unverzicht-bar. Was wir auch im Interesse unserer Bedienste-ten tun müssen, ist, dass wir klare Regelungen fürErsatzvornahmen treffen müssen, damit das nichtjedes Mal ein Gang für die Revierleiter ist, wo siemit einem Bein fast im Gefängnis stehen. Wir brau-chen Klärung, wie wir Zuwegungen finden, wie wirBewirtschaftung von Grundstücken herstellen kön-nen, wenn Eigentumsverhältnisse in angrenzendenWaldgebieten nicht geregelt sind.

Ich glaube, dass wir auch die Möglichkeit haben,zusätzliche Einnahmen im Landesforst zu erschlie-ßen, indem wir einen Service- und Energiebereichausgründen, wo z.B. Waldwindparks, wo z.B. Bio-masse-Heizkraftwerke betrieben werden können.Das ist auch ein Beitrag zur Erzeugung erneuerba-rer Energien, zur Sanierung des Landeshaushalts,damit kämen wir sicherlich weiter.

Meine Damen und Herren, einen wichtigen Punkthat Frau Mühlbauer schon angesprochen - dieLandtagskontrolle. Das ist auch für uns ein ent-

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(Abg. Kummer)

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scheidendes Kriterium, die hier so geplante Anstaltabzulehnen. Sie haben sehr harte Formulierungengefunden, was z.B. die Verschwiegenheitspflichtder Mitglieder des Verwaltungsrats angeht. Diesegilt auch vor Gericht. Ich kann als Mitglied einesUntersuchungsausschusses in der vergangenenLegislatur nur sagen, dass es sehr, sehr schwierigist, wenn in einer Anstalt öffentlichen Rechts etwasschiefläuft, dann als Parlamentarier zu klären, wasläuft denn dort schief. Deshalb muss hier klar sein,wir brauchen als Landtag immer einen Überblicküber so wichtige Vermögensteile des Freistaats,über einen so wichtigen Bereich auch der Daseins-vorsorge, wie es der Landesforst ist. Hier muss ei-ne klare Kontrollmöglichkeit gesichert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage auch, mir reicht eine Fachaufsicht nicht,die z.B. keinen Überblick über den Holzverkauf hat.Wenn man sich Verträge ansieht, die in der Ver-gangenheit geschlossen worden sind, dann habeich hier zumindest im Energieholzbereich sehrdeutliche Zweifel daran, dass das für den Landes-forst einträglich war.

Meine Damen und Herren, alles in allem kann ichnur zu der Einschätzung kommen, die Vorlage die-ses Gesetzentwurfs löst die Probleme des Forstesnicht. Man hat eher den Eindruck, sie opfert ihn, da-mit das Ministerium vom Personalabbau befreitwird. Das können wir so nicht stehen lassen, des-halb brauchen wir die Überarbeitung im Ausschuss.Ich hoffe, dass wir zu einer mündlichen Anhörungkommen, und wünsche uns, dass wir im Interessedes Landeswaldes und im Interesse unserer Forst-bediensteten eine vernünftige Lösung finden. Dan-ke.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Primasdas Wort.

Abgeordneter Primas, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kummer, Dreamcatcher, willkommenin der Traumfabrik, so könnte ich das überschrei-ben, was ich gerade gehört habe, von jedem einbisschen was. Alles nur ausgesucht, nun ändernwir mal bei der Jagd was. Wir machen mal hier einbisschen was und wir machen mal da ein bisschenwas und eigentlich war alles wunderbar, aber wirmachen das mal ein bisschen anders und da gehtes doch viel besser. Vieles von dem, was Sie be-schreiben, ist im Businessplan für die Anstalt schondrin. Da kann ich nur sagen, willkommen auf derSpur der Landesregierung. Ich habe in der Zeitunggelesen, Sie wollen sogar noch mehr als 12 Mio. €einsparen. Der Finanzminister wird sich freuen. Sie

wollen gleich 20 Mio. €, habe ich gelesen, einspa-ren, das geht ruck, zuck und dann höre ich mir dasan, wie schlimm das hier alles ist. Es muss ja garnichts mehr da sein. Wie funktioniert es denn ei-gentlich?

Sie haben zu Recht gesagt, wir haben eine Anhö-rung gehabt gemeinsam im Ausschuss und da istuns bestätigt worden, dass das alles super funktio-niert mit dem Regiebetrieb. Da haben wir alle ein-deutig festgestellt, wenn man es so erhalten könn-te, wäre das doch wunderbar, dann geht das so. Dasind wir alle der Auffassung gewesen, so ist es, wirbrauchen eigentlich keine Änderung. Aber ich habeschon mal gesagt, wir leben nicht in einer Traumfa-brik. Das Leben geht weiter und was in den letztenzwanzig Jahren super gewesen ist als Regiebe-trieb, was die Forstbediensteten super hinbekom-men haben, was die Förster super hinbekommenhaben, was die Waldarbeiter super hinbekommenhaben, das soll auch in Zukunft funktionieren. Dakann ich nicht nur nach hinten schauen, sondern damuss ich auch in die Richtung schauen, wie kannich es denn verbessern und wie kann es in Zukunftbesser laufen? Da ist es die falsche Antwort - solassen, wie es ist. Es ist überlegt worden, jawohl. Inden letzten Jahren sind auch Reformen gemachtworden, das ist richtig gesagt, auf 28 Forstämterzusammengeschrumpft 2005 - aber nie, das sageich auch in Richtung Frau Mühlbauer, zulasten derBediensteten. Es ist nie ein einziger Kollege entlas-sen worden, nicht ein einziger. Dann schaut mansich die Forstämter an und da will ich gar nicht inmeinem sein, aber wie viele Fußkranke in den letz-ten zwanzig Jahren mitgeschleppt worden sind inden Ämtern und niemand wurde entlassen, das willich gar nicht in die Waagschale schmeißen.

(Beifall CDU)

Sondern die ganze Geschichte ist immer sehr, sehrsozial abgelaufen. Niemand ist auf der Strecke ge-blieben. Warum man die Angst streut, es könnte einForstamt geschlossen werden oder ein Revier we-niger werden, dass da vielleicht irgendjemand ent-lassen würde, diese Angst zu schüren, ist unverant-wortlich, weil es einfach nicht stattfindet. Nirgendwosteht in dem Errichtungsgesetz, dass Forstämtergeschlossen werden, nirgendwo steht drin, dassReviere eingespart werden, nirgendwo steht das indiesem Gesetz. Warum schüren wir also Angst,warum wollen wir die Bediensteten aufhetzen? Dasage ich noch mal, fangen wir mal voriges Jahr an,wo wir die Säger-Demonstration vor der Tür hatten.Ob das nun die richtige Erkenntnis war, dass manumsetzen wollte in eine GmbH oder ob man nur einGesprächsangebot gemacht hat, will ich jetzt malaußer Betracht lassen, diese Geschichte wird sehrunterschiedlich dargestellt. Aber als wir hier drau-ßen die Demonstration hatten, haben wir alle ein-deutig gesagt, wir machen eine Privatisierung nichtmit. Daraus hat sich - und der Minister hat es vorhin

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5351

(Abg. Kummer)

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deutlich gesagt - eine Initiative entwickelt, er hat ei-ne Arbeitsgruppe eingesetzt und aus der Forstver-waltung heraus, aus den Leuten heraus entstehtein ergebnisoffener Dialog und man kommt zu einerEntscheidung, es könnte der Regiebetrieb weiter-gehen oder wir machen die Anstalt öffentlichenRechts. Da muss man sich entscheiden und, FrauMühlbauer, wir haben jetzt in dieser Koalition, nichtfrüher, jetzt in der Koalition mit der SPD einen Ab-baupfad. Da müssen wir nicht immer nur nach hin-ten schauen, wir haben auch jetzt diesen Ab-baupfad und da kommt das Ministerium nicht da-von. Da muss man sich überlegen, wie komme ichdenn in der Zukunft weiter. Die Entscheidung dannzu finden, wir sind der Auffassung, wir wollen demForst eine Zukunft geben und wollen sagen, wirwollen, dass die wirtschaftlich frei arbeiten können,wir lösen das heraus und wir machen das, wie an-dere Länder das schon gemacht haben. Ich habemir Mecklenburg-Vorpommern angeschaut, dortläuft das ganz hervorragend. Der Niedersachse isthier gewesen beim Forstverein und hat das darge-stellt, wie das funktioniert. Ich bin kein Freund da-von, an die Totbäume ein Windrad zu bauen. Damuss man wirklich überlegen, was man will undwas man nicht will. Aber schauen Sie sich das malan, überall hat das funktioniert. Was ich nicht willund wo ich nicht mitgehe, das ist die Trennung vonHoheit und Betrieb. Das wäre genau das, was HerrKummer und Sie vorschlagen. Wir machen maleinen kleinen Landesbetrieb, die machen dieseAufgaben und dann macht der Forst nur noch dieAufgaben. Das ist die klassische Trennung von Ho-heit und Betrieb und das ist die Kündigung des Ge-meinschaftsforstamts. Das findet nicht mehr statt.Wir haben ganz klar im Koalitionsvertrag stehen:Erhalt des Gemeinschaftsforstamts. Dass das Ge-meinschaftsforstamt infrage gestellt wird, habe ichnirgendwo gelesen, keine Frage, findet nicht statt.Nirgendwo steht, dass aus den 28 Forstausschüs-sen nur noch zwei werden sollen. Das habe ich nir-gendwo gelesen. Das sind 28. In jedem Kreis gibtes diesen Forstausschuss, da, wo ein Forstamt ist,bleibt es auch. Warum soll sich das denn ändern?Dafür gibt es keine Begründung und das steht auchnirgends. Man muss nicht immer das erzählen, wasmanche meinen gehört zu haben. Manches Mal istdas nicht so. Ich sage mal, jetzt haben wir ein Ge-setz hier, heute früh hat der Innenminister richtiggut gesagt, ein Gesetz, was in den Landtag kommt,muss nicht immer so rauskommen, wie es rein-kommt. Das hat er so gesagt und das trifft für die-ses Gesetz wahrscheinlich auch zu mit Blick inRichtung Finanzministerium. Das Vetorecht gehtüberhaupt nicht. Der Vorstand, wenn er arbeitensoll, muss entscheiden können, ob er jemandeneinstellt oder ob er nicht einstellt, ob zwei oder dreiRevierleiter eingestellt werden, das muss möglichsein. Er muss auch entscheiden können, ob esmöglich ist, Forstarbeiter von der Forstschule in

Gehren einzustellen, nicht nur die vom Betriebsratvorgeschrieben sind, sondern vielleicht die besten,nicht nur die, die er gezwungen bekommt ohne Ge-richtsverfahren oder mit Gerichtsverfahren. Wir wis-sen, worüber ich da rede. Wir haben nichts ge-konnt, wenn das so läuft. Diese Freiheit mussschon kommen. Im Gegensatz zu Frau Mühlbauersage ich, bei allen, die wir gefragt haben, auchMecklenburg-Vorpommern, das Gesetz ist unterSPD-Regie, ist diese Anstalt eingerichtet worden.Es gibt überhaupt keine Frage, dass Grund und Bo-den mitgehen. Wenn man die ganzen Stellungnah-men liest, die es von Anwaltsbüros und, und, undgegeben hat, die halten es für ausgeschlossen,dass eine Anstalt ohne diese Grundlagen arbeitenkann. Die halten es schlicht und ergreifend für aus-geschlossen, weil die Kreditfähigkeit fehlt, und, und,und. Die Arbeitsmöglichkeit wollen wir doch der An-stalt geben. Wenn sie die nicht hat, brauchen wirsie nicht. Ich denke, wir wollen ein Gesetz machen,das am Ende auch funktioniert, und da muss auchdie Freiheit da sein, dass man im Ausschuss da-rüber redet und auch gegebenenfalls Änderungsan-träge einbringt und beschließt. Das ist die FrageEinstellung, das ist die Frage Grund und Boden,das ist Frage Vetorecht. Da finden wir dieses undjenes andere auch noch, aber das können wir imAusschuss diskutieren. Das machen wir, wir wer-den eine Anhörung sicherlich im nächsten Aus-schuss beschließen. Wir werden das machen. Obwir nun, wie der Minister gesagt hat, die 26, die an-geschrieben worden sind zu einer Stellungnahme -21 haben nur geantwortet - alle anhören müssen,Herr Kummer, wage ich mal zu bezweifeln, aber dakann man sich auf eine Liste der Anzuhörendenverständigen. Wir werden darüber reden, ob wirdas mündlich oder schriftlich machen, das lässtsich doch regeln. Da werden wir eine vernünftigeEinigung herbeiführen - das haben wir immer ge-schafft - und dann wird das funktionieren.

Was die Landtagskontrolle anbelangt, Herr Kum-mer, da sage ich, schauen Sie sich Mecklenburg-Vorpommern an. Das kann man machen, die habenzwei drin aus dem Landtag. Da schaue ich mal hierrein, der Landtag wählt die dann. Glauben Sieernsthaft, dass da einer von Ihrer Fraktion drinsit-zen würde oder von den GRÜNEN oder von derFDP? Glauben Sie das tatsächlich, wenn nur zweigewählt werden? Das glauben Sie doch nicht ernst-haft. Wo ist denn da, meinen Sie, die Beteiligungder Opposition? Wo ist sie denn? Viel gescheiterwäre es doch, das, was Frau Mühlbauer schon einStückchen angesprochen hat, worüber wir schondiskutiert haben,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wirdenken an 2014.)

wäre doch zu sagen, ist nicht der Ausschuss einBeirat? Machen wir den Ausschuss nicht zum Bei-rat, nehmen die Naturschutzverbände noch dazu,

5352 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Primas)

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Waldbesitzerverband und Jagdverband, und dannist das der Beirat. Zweimal im Jahr ist dort Berichtzu geben oder wie auch immer, da finden wir einevernünftige Lösung. Dann ist eine parlamentarischeKontrolle gewährleistet, dann ist man dran. Aberwenn zwei Leute drinsitzen im Verwaltungsrat, dieanschließend nichts sagen dürfen, was haben wirda gekonnt? Ernsthaft, fragen Sie die Leute inMecklenburg-Vorpommern, wie prickelnd das istund was man davon hat.

Zu den Energieholzverträgen, Herr Kummer, das istschon schlimm. Sie hören etwas vertraulich und er-zählen genau das Gegenteilige. Ich bin enttäuschtdarüber, dass das so funktioniert. Dann müssen wiruns einigen, dann lassen wir das in Zukunft, weildas immer zum Gegenteil läuft, weil Sachen erzähltwerden, die nicht den Tatsachen entsprechen. Eswerden Antworten suggeriert für die, die es nichtwissen, weil wir nicht darüber reden können, weiles vertraulich war. Das ist nicht okay, das finde ichnicht gut, das sollte man auch lassen.

Insgesamt sage ich noch mal, bitte, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren, ich war nicht davonüberzeugt, dass wir den Regiebetrieb aufgebensollten. Ich bin, wie die anderen auch, aus der An-hörung, die wir damals gemacht haben, fest davonüberzeugt gewesen, unser Regiebetrieb ist der bes-te der Welt. Wir müssen das nicht ändern. Wir dür-fen aber auch die Augen nicht verschließen vor denTatsachen und wenn wir die Tatsachen haben,müssen wir darauf reagieren. Wir wollen für die Zu-kunft Forst aufstellen, für die Zukunft und nicht fürdie Vergangenheit. Ich meine, wir bekommen eshin, im Ausschuss ein Gesetz daraus zu machen,was der Anstalt die Möglichkeit einräumt, vernünftigwirtschaften zu können. Davon bin ich überzeugtund ich bitte Sie deshalb, wie schon gesagt, umÜberweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft,Forsten, Umwelt und Naturschutz. Recht herzlichenDank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die FDP-Fraktion hat sich Frau AbgeordneteHitzing zu Wort gemeldet.

Abgeordnete Hitzing, FDP:

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, das Gesetz zur Reform der Forst-verwaltung hat natürlich Sprengstoff in sich undsehr viel Redebedarf. Das haben wir bereits gehört.In einem waldreichen Land wie Thüringen, in demein Drittel der Landesfläche Waldfläche ist, kommtdem Öko-, Lebens- und Wirtschaftsbereich Waldnatürlich eine ausgesprochen hohe Bedeutung zu.Der Jahresumsatz des Clusters Forst und Holz be-trug beispielsweise im Jahr 2004 2 Mrd. € und lag

damit im landesweiten Vergleich auf Platz 4 derWirtschaftszweige Thüringens. Trotzdem sind seit2005 immer Zuführungen des Landes an die Forst-verwaltung notwendig gewesen und auch gestie-gen. Das Cluster Holz und Forst stellt in Thüringen40.500 Arbeitsplätze und allein in der Landesforst-verwaltung 1.600 Tarifbeschäftigte und Waldarbei-ter. Die Umstrukturierung der Forstverwaltung hatdaher natürlich weitreichende Konsequenzen aufden ökologischen Lebensraum, die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit des Landes und natürlich nichtzuletzt auch auf die Arbeitsstrukturen im ländlichenRaum.

Wie in allen Branchen ist natürlich auch die Forst-wirtschaft ständigen Veränderungen und sich stän-dig ändernden Rahmenbedingungen unterlegenund muss sich mit diesen auseinandersetzen mitdem großen Unterschied, dass der Rohstoff, mitdem hier gehandelt und gewirtschaftet wird, imDurchschnitt 100 Jahre gepflegt werden muss, biser einen Ertrag bringt und geerntet werden kann.

(Beifall FDP)

Eine detaillierte Wirtschaftsplanung ist natürlich andieser Stelle auch aufgrund auftretender Konjunk-turschwankungen und unvorhersehbarer Witte-rungserscheinungen sehr schwierig und die Forst-branche sieht sich damit natürlich Problemen ge-genüber, die in einem ganz hohen Maß auch orga-nisiert werden müssen.

Eine weitere Aufgabe der Forstwirtschaft, die seiteinigen Jahren enorm an Bedeutung zugenommenhat, ist natürlich das unterschiedliche Interesse ver-schiedener Nutzer am Wald, z.B. in stadtnahen Ge-bieten ganz besonders die Schutz- und Erholungs-funktion, die zunehmend in den Vordergrund tritt.Das ist auch gut so und gerade in Zeiten, in denenwir über Klimawandel und Umweltkatastrophensprechen, ist ja das Bewusstsein der Öffentlichkeitfür die Natur Gold wert und unbedingt zu fördern.Der Forstbereich umfasst also neben Waldbewirt-schaftung ein umfassendes Betätigungsfeld vonAusbildung, Monitoring, Forschung, Landentwick-lung und vor allem auch Umwelt- und Naturschutz-funktion. Deshalb ist es sehr wichtig zu verdeutli-chen, dass der Schutz und die Nutzung nur unterdem Aspekt der Nachhaltigkeit zu vereinbaren sind.Natürlich war es deshalb auch zu erwarten, dassbei der geplanten Umstrukturierung, die dem Thü-ringer Forst bevorsteht, große Debatten auftretenwerden, monatelange Debatten auftreten werden.Eine Veränderung birgt selbstverständlich auch im-mer ein gewisses Risiko, aber in gleichem Maßbirgt eine Veränderung natürlich auch Chancen.

(Beifall FDP)

Aus heutiger Sicht - das sage ich ausdrücklich - se-hen wir der Veränderung nach dem jetzigen Wis-sensstand optimistisch entgegen, wenn die vorge-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5353

(Abg. Primas)

Page 98: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/58 5. Wahlperiode 16.06 · PETA, der Stadt Nordhausen und der Deutschen Kinderhilfe. In der mündlichen Anhörung am 18. Fe-bruar waren acht mündlich

sehenen Maßnahmen bezüglich Nachhaltigkeit,Ökologie, Transparenz, Wirtschaftlichkeit und so-zialer Kompetenz umgesetzt werden. In Gesprä-chen mit Personalratsvertretern ist es mir in denletzten Monaten auch gelungen, selber eine andereAuffassung zu dem Thema zu erringen, denn ganzam Anfang waren wir gegen die Errichtung einerAnstalt öffentlichen Rechts. Aber man muss sicheben im Laufe der Debatte auch mit neuen Er-kenntnissen auseinandersetzen und andere Mei-nungen zulassen.

Bei einem Betrieb, der - wenn zukünftig auch nurbefristet - durch Haushaltsgelder finanziert wird,muss allerdings auch klar sein, wohin die Geldergehen, wie sie Verwendung finden. So wie einWald regelmäßig durch den Förster gepflegt wer-den muss, muss natürlich auch der Landeshaushaltvom Parlament sehr sorgfältig gepflegt werden.

(Beifall FDP)

Mit der Errichtung der Landesforstanstalt sollschrittweise deren wirtschaftliches Ergebnis verbes-sert und auch der Verwaltungsaufwand schrittweisereduziert werden. Die Zahlen haben wir schon ge-hört. Wir reden hier also jetzt erst einmal über einePerspektive bis zum Jahre 2018. Da gerade dieserSektor so eine herausragende Bedeutung hat, müs-sen tatsächlich noch einige Fragen geklärt werden,die inhaltlicher Natur sind. Die Kollegin Mühlbauerhat dazu einiges ausgeführt, Kollege Kummer undauch Kollege Primas haben inhaltliche Dissensebereits angesprochen. Die wiederhole ich jetztnicht. Ich sehe auch kritisch die Höhe der Errich-tungskosten für die Anstalt. Ich vermisse selbst diewörtliche Fixierung des Prinzips der Nachhaltigkeitim Gesetz. Das Thema Personalproblematik ist be-reits angesprochen worden. Auch das Thema derparlamentarischen Mitsprache und der parlamenta-rischen Letztentscheidung ist unseres Erachtensnoch diskussionswürdig. Deshalb bitte ich Sie auch,diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss zu über-weisen, damit im Ausschuss diese inhaltlichen undvor allem wichtigen Diskussionen geführt werdenkönnen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatder Abgeordnete Dr. Augsten das Wort.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ichmöchte erst einmal meiner Freude Ausdruck verlei-hen, dass Frau Mühlbauer nach ihrem Redebeitragnichts passiert ist. Wer Kollegen Primas beobachtethat, der musste sich wirklich Sorgen um Leib undLeben machen.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Frau Präsidentin hat, glaube ich, auch gut darangetan, noch einen Redebeitrag dazwischen zuschieben, bevor Herr Primas reden durfte. Denn,Frau Mühlbauer, es war schon bemerkenswert, soeine harsche Kritik an 20 Jahren CDU-Forstpolitik,dem ehemaligen langjährigen Forstminister Dr.Sklenar und an dem genauso langjährigen forstpoli-tischen Sprecher der CDU zu üben, das hatteschon was für sich.

Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht in De-tails einsteigen, Sie sind zwar alle hoch interessiert,das merken wir. Wir haben eine erste Beratung, wirhaben einen 46-seitigen Text vor uns liegen. FrauMühlbauer hat es in ihrer Pressemitteilung heuteauf den Punkt gebracht und ich umschreibe es einbisschen. Es ist kein großer Wurf, der vorliegt. Inso-fern haben wir großen Diskussionsbedarf im Aus-schuss. Das gehört, glaube ich, jetzt nicht in dasPlenum.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich nocheinmal dem Rückblick widmen, den einige Vorred-ner hier schon getätigt haben. Das ging ja nicht erstmit dem Vorschlag aus der Forstverwaltung los,sondern, Herr Minister, die bemerkenswerteste Ge-schichte war wohl draußen die Demonstration mitden Kettensägen. Es war für mich als Neuling imParlament schon beeindruckend, mit welcher Vehe-menz dort demonstriert wurde. Ich habe noch HerrnPrimas im Ohr, der sich dort mit den Waldarbeite-rinnen und Waldarbeitern sehr solidarisch erklärthat. Ich erwähne jetzt mehrmals den Kollegen Pri-mas und seine Wandlungen an diesem Punkt, weildas, glaube ich, für den Gesamtprozess auch sehrbezeichnend ist.

Wir haben dann verschiedene Initiativen. Es gab,nachdem die GmbH beerdigt wurde, die Idee mitder Anstalt. Auch da gab es dann eine Reihe vonVeranstaltungen. Ich erinnere mich an Vesser, daswar, glaube ich, der Forstverein, wo Leute aus Län-dern eingeladen waren, die eine Anstalt haben, dieaber als Experten Thüringen mit auf den Weg ge-geben haben, eine solche Reform nicht durchzufüh-ren. Die haben also die Situation in Thüringen inden höchsten Tönen gelobt und zum Ausdruck ge-bracht, dass die Tatsache, dass Thüringen das ein-zige Land mit einer derartigen Struktur ist, nicht be-deuten muss, dass man den anderen, den falschenWeg nachgehen muss. Das war die Aussage derdamaligen Experten. Auch damals hat Herr Primasin seinem Redebeitrag noch einmal deutlich zuverstehen gegeben, dass er gegen diese Reformist.

Es gab weitere Veranstaltungen, eine ganze Reihedavon. Dann kamen plötzlich andere Experten ausden gleichen Ländern, die die Reform verteidigt ha-ben. Auch das ist nicht verwunderlich. Das ist so

5354 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Hitzing)

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ähnlich wie bei Anzuhörenden. Wenn man eineMeinung haben möchte, findet man sicher auch je-manden, der diese Meinung letzten Endes kundtut.Insofern gab es dann auch schon eine Reihe vonBemerkungen bezüglich dessen, welche Vorteile esbringen könnte, das, was wir heute hier schon ge-hört haben. Wir haben im Prinzip im letzten halbenJahr nicht nur beim Kollegen Primas einen Stim-mungsumschwung zu verzeichnen, der heute dieseForstreform verteidigt, wie nicht anders zu erwar-ten, sondern auch in der Verwaltung. Es gibt auchbei Revierleiterinnen und bei Revierleitern doch deneinen oder die andere, die dieser Idee etwas abge-winnen können. Man fragt sich, ist es die Kraft derArgumente oder ist es vielleicht auch mehr die Re-signation angesichts der Fakten, die vorliegen. In-sofern gibt es diesen Stimmungswandel.

Meine Damen und Herren, Frau Mühlbauer hat ei-nes ganz deutlich auf den Punkt gebracht, undzwar, dass der eigentliche Grund kein fachlicher ist.Herr Primas hat wirklich recht in der Einschätzung,dass wir - mal abgesehen von den personellenSchwierigkeiten, die sich in den letzten Jahren ein-gestellt haben - als Land hervorragend aufgestelltwaren. Wie vorhin bei dem Tierkörperbeseitigungs-gesetz haben wir wieder die Situation, dass etwas,was fachlich sinnvoll und gut gelaufen ist, jetzt ausfiskalischen Gründen beendet werden muss. Dasheißt, das Land hat nicht mehr das Geld für das,was die Forstverwaltung als erste Lösung zur Fi-nanzierung vorgeschlagen hat, 5 Mio. jedes Jahrmehr. Man kann sich vorstellen, wie das beim Fi-nanzminister ankommen würde angesichts des Sa-nierungsfalls Thüringen.

Meine Damen und Herren, die Frage ist, was wäredenn, wenn Thüringen einen ordentlichen Haushalthätte, gutes Geld hätte? Ob man dann diese Re-form auch machen würde? Ich glaube, aus den Re-debeiträgen war schon zu hören, dass der eigentli-che Grund wirklich die finanzielle Situation des Lan-des ist.

Meine Damen und Herren, insofern haben wir denGesetzentwurf vorliegen. Selbst Kollege Primas hatdas heute sehr vehement verteidigt. Nun ist es anuns - und da haben wir wohl die SPD mit im Boot -zu retten, was zu retten ist. Wir haben uns mit demGesetzentwurf intensiv befasst, wir haben hierschon zwei Seiten Vorschläge, die wir dann auchgern im Ausschuss einbringen würden. Ich will garnicht in die Details gehen, das haben vor mir dieRednerinnen und Redner schon getan, aber ich willwenigstens ein paar Punkte benennen, die ich auchdem Minister mit auf den Weg geben möchte, diedann möglicherweise das Verfahren insgesamt imAusschuss beschleunigen können.

Ich komme noch einmal auf das zurück, was HerrPrimas Herrn Kummer vorgehalten hat, nämlichdieses Angstschüren vor Personalabbau. Da muss

ich noch einmal auf die Mündliche Anfrage vongestern zu sprechen kommen. Ich habe mit HerrnElmar Otto noch nicht gesprochen, aber ich kannmir nicht vorstellen, dass das irgendwie etwas Aus-gedachtes war. Sie, Herr Minister Reinholz, habenja gestern auch so die Kurve gekriegt, indem Siegesagt haben, dass Sie das explizit nicht gesagthaben. Wir erwarten von Ihnen im Ausschuss, dassSie Ihre Vorstellung präzisieren, wie das mit demPersonal aussehen wird. Wir können durchaus da-rüber reden, wie es in der Zeitung stand, dass viel-leicht hocheffiziente Maschinen Arbeiter ersetzenkönnen. Das kann durchaus sein, was ich mir imForst angesichts dessen, was wir schon an Maschi-nen haben, nicht richtig vorstellen kann. Aber viel-leicht haben Sie da andere Vorstellungen als ich.Wir erwarten von Ihnen, dass man wirklich einmaldarüber spricht, wie es angesichts der Tatsache -wie von Herrn Kummer beschrieben -, dass wir zuwenig Personal im Wald haben, unter der Landes-forstanstalt dann weitergehen soll.

Uns würde auch interessieren, wie Sie zu einer Auf-gabenkritik stehen. Wir machen uns viele Sorgenum die Privatwaldbeförsterung, etwas - was ichwirklich als Laie auch gelernt habe -, in dem sehrviel Potenzial für Thüringen insgesamt liegt. Wirhatten eigentlich andere Vorstellungen, wie das ab-zulaufen hat. Hier wäre wirklich die Bitte, sich dazuim Ausschuss zu äußern.

Man hört hier so einiges. Wir würden auch gern da-rüber mitbefinden, wie denn die Anstaltsspitze zu-sammengesetzt ist. Da muss es auch um eine ge-wisse Eignung gehen. Das ist auch ein Punkt, derfür uns offen ist. Herr Kummer und Frau Mühlbauerhaben schon angesprochen, dass wir den Einflussdes Parlaments hier noch einmal für ganz wichtigerachten.

Letzten Endes sind die Zielvorgaben und Quali-tätskontrollen für uns auch ausschlaggebend, dennwir haben natürlich auch eine Reihe von Punkten,die letztlich einer Wertungsmöglichkeit zugeführtwerden. Wir müssen darüber sprechen, was dieZielvorgaben sind. Sind die dann erfüllt? Insofernbrauchen wir solche Dinge dann bestimmt auch.

Meine Damen und Herren, ich komme zumSchluss. Kollegin Mühlbauer hat in ihrer Pressemit-teilung heute von einem deutlichen Nachbesse-rungsbedarf gesprochen. Dem schließen wir unsan. Wir freuen uns auf die zahlreichen Anträge zu-mindest auch aus der SPD-Fraktion. Insofernschließt sich meine Fraktion dem Antrag an, diesenGesetzentwurf an die Ausschüsse zu überweisen.Ich weiß nicht, ob der Haushalts- und Finanzaus-schuss schon genannt wurde. Wir würden das gernneben dem Aussschuss für Landwirtschaft, For-sten, Umwelt und Naturschutz und dem Innenaus-schuss natürlich an der Stelle auch noch im Haus-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5355

(Abg. Dr. Augsten)

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halts- und Finanzausschuss besprochen haben.Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine weitere Wortmeldung seitens der Frak-tion DIE LINKE. Der Abgeordnete Kummer hat dassignalisiert.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank. Es geht auch kurz. Aber wenn derKollege Primas mir vorwirft, dass ich das Gemein-schaftsforstamt abschaffen will, dann muss ich einpaar Worte dazu sagen. Herr Primas, als ich gesagthabe, wir möchten einen Teil ausgliedern für erneu-erbare Energien und Service, hatte ich klipp undklar erneuerbare Energien im Blick, weil dort dasLand selbst nicht in der Lage ist, eine Einspeisever-gütung zu bekommen. Deshalb muss man alsoeinen separaten Betrieb gründen, um das zu er-möglichen. Mit Service hatte ich solche Dinge ge-meint wie einen Waldfriedhof. Ich glaube, dieseVorstellung im Businessplan müssen wir wirklichnicht in einem hoheitlichen Betrieb durchführen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, zurbisher durchgeführten Diskussion trotzdem nochein paar kleine Anmerkungen. Herr Primas hattegesagt, nirgendwo steht etwas von Forstamtsauflö-sung im Gesetz. Keiner wurde bisher entlassen.Das ist richtig. Aber wir haben bisher auch keineZusagen bekommen, dass die Zahl der Forstämtererhalten bleibt. Wir haben von niemandem eineZahl des künftigen Personalbestands erhalten.Dem entgegen stehen der Personalabbaupfad unddie damit gemachten Aussagen im Landeshaushalt.Solange es keine verlässlichen Zahlen gibt, solan-ge wir keine Satzung dieser Anstalt haben - bei derFernwasserversorgung ist übrigens die Satzung andas Gesetz angehängt gewesen, das ist damals imKonglomerat verabschiedet worden -, solange dasnicht vorliegt, ist doch die Unsicherheit da und so-lange kann man eben auch nicht wirklich darüberreden, was hier ansteht.

Meine Damen und Herren, zu der Frage der Holz-preise: Wir können über die Holzpreise nicht reden.Das war eine vertrauliche Sitzung. Ich möchte nurin dem Zusammenhang daran erinnern, wie es war,als wir eine vertrauliche Sitzung zu den Fernwas-serpreisen angeboten haben. Das ist uns abgelehntworden. Auf eine entsprechende Frage, die ich hierim Parlament gestellt habe, bekam ich keine Ant-wort. Das ist das Problem mit Anstalten öffentlichenRechts. Ich habe keine parlamentarischen Kontroll-möglichkeiten mehr, um auf die neue Preisgestal-tung der Fernwasserversorgung Einfluss zu neh-men. Ähnlich wird es uns, wenn es mal Probleme

mit den Holzpreisen geben wird, mit einer solchenAnstalt auch im Forstbereich gehen.

Meine Damen und Herren, zu den gemachten Än-derungsvorschlägen auch vonseiten der Koalition:Die Übernahme von Grund und Boden in die Forst-anstalt macht sicherlich den Wirtschaftsbetrieb fürein Forstwirtschaftsunternehmen wesentlich einfa-cher. Ich denke da an Arrondierung und Ähnliches.Da ist das eine wichtige Geschichte. Man kann na-türlich auch mit Grund und Boden entsprechendeKredite absichern. Aber ich will, da die BeispieleNiedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern vor-hin als gelungene Anstaltsgründungen angespro-chen wurden, nur darauf hinweisen, dass diese An-stalten sich auch erst einmal über den Verkauf vonGrund und Boden saniert haben. Wenn etwas inder Richtung vorgeschlagen wird, dann muss zu-mindest geklärt sein, dass der Landtag bei Verkäu-fen klar mitzusprechen hat.

Ich kann mir noch vorstellen, dass man Änderungs-vorschläge in anderer Hinsicht machen kann. DerVorstand der Forstanstalt soll zum Beispiel nur überbesonderen forstfachlichen Sachverstand verfügen.Das ist eine Geschichte, die kann ich jedem Ziegel-stein zusprechen. Von der Warte her wäre hier einabgeschlossenes Hochschulstudium in dem Be-reich wenigstens eine Anforderung oder eben einabgeschlossenes Hochschulstudium im Bereichvon Wirtschaftswissenschaften. Was wir auf jedenFall ändern müssen, ist die Frage des Inkrafttretensdes Gesetzentwurfs, der 01.10. steht hier im Mo-ment drin. Wenn schon die Koalition so wesentli-chen Änderungsbedarf sieht, dann kann es ja sogarsein, dass das Finanzministerium darauf drängenwird, diesen Gesetzentwurf wieder zurückzuziehen.Denn die Hürden, die das Finanzministerium hiereingebracht hat, scheinen ja massiv infrage zu ste-hen.

Meine Damen und Herren, ich finde eben nicht wieHerr Dr. Augsten, dass Herr Primas diesen Gesetz-entwurf verteidigt hat. Es gab heftige Kritiken. Ichgehe davon aus, dass wir im Ausschuss wirklich ei-ne spannende Debatte vor uns haben, und halteeben gerade wegen des unmittelbaren Bezugs zumFinanzministerium die Beratung im Haushalts- undFinanzausschuss auch für ganz wichtig. Deshalbauch dort die Unterstützung der Forderung derGRÜNEN.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich habe keine Redemeldungen mehr seitens derAbgeordneten. Für die Landesregierung Herr Minis-ter Reinholz? Bitte.

5356 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Abg. Dr. Augsten)

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Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, ich bedanke mich erst ein-mal bei allen Vorrednern für Ihre Ausführungen,auch wenn wie bei Ihnen, Herr Kummer, viel gesagtworden ist, was mit dem vorliegenden Gesetzent-wurf nun wirklich überhaupt nichts zu tun hat. ZumThema Energieholz müssen wir noch einmal mitein-ander reden, ob man das wirklich so in den Raumstellen kann. Das Thema Regiebetrieb oder Anstaltdes öffentlichen Rechts - darauf kapriziert sich jaoffensichtlich die Diskussion. Ich will Ihnen aber sa-gen, dass Sie sich noch auf etwas anderes kapri-zieren. Wenn Sie sich die gegenwärtig laufendenHaushaltsverhandlungen anschauen, die die Minis-ter mit dem Finanzminister führen und wir alle auchauf eine Konsolidierung aus sind, dann können Siesich den Regiebetrieb abschminken. Der ist dann ir-gendwann zum Tode verurteilt, vielleicht nicht2012, vielleicht 2013, vielleicht 2014. Ein weitererPersonalabbau und eine weitere Reduzierung vonZuschüssen sind einfach nicht zu kompensieren.Dann verlieren wir das Gemeinschaftsforstamt undwir verlieren das gute Gesicht, was Thüringen imforstwirtschaftlichen Bereich in Deutschland hat,weil es einfach nicht mehr leistbar ist. Wir sind dieLetzten, die es auf diesem Wege versuchen zu tun.Wir haben das lange sehr gut gemacht, aber wieHerr Augsten zum Tierkörperbeseitigungsgesetzgesagt hat, irgendwann kommen wir in die entspre-chenden fiskalischen Zwänge, wo bestimmte Dingeeben nicht mehr gehen, und dann gibt es nur nochzwei weitere Alternativen - entweder die Anstalt desöffentlichen Rechts oder die Kommunalisierung. ObSie nun Kommunalisierung wollen, da habe ichaber meine argen Bedenken. Also bleibt uns ei-gentlich nur der Weg in eine Anstalt öffentlichenRechts und das muss man dann auch konsequentführen.

Ich finde es auch nicht so ganz fair, wenn hier vonvorne gleich Ängste geschürt werden - es passiertPersonalabbau, es passiert die Zusammenlegungvon Revieren, von Forstämtern und, und, und. Dassteht überhaupt nicht in dem Gesetzentwurf. Im Ge-genteil, wir haben in dem Gesetzentwurf sicherge-stellt, dass das gesamte Personal mit seinen ta-rifrechtlichen Bedingungen, die es jetzt hat, bis hinzum Beamtenrecht übergeht, abgesehen von denzwei oder drei Referaten, die natürlich zur Rechts-aufsicht bzw. zur Fachaufsicht im Ministerium ver-bleiben, aber der Rest geht komplett in die Anstaltöffentlichen Rechts und mit all den Vergünstigun-gen, die Sie jetzt auch haben. Da macht gar keinerAbstriche, bei dem Übergang wird auch keiner ent-lassen. Aber Sie versuchen es zu suggerieren, Sieversuchen das einfach unterzubringen, Sie versu-chen einfach Stimmung zu machen gegen eine An-stalt öffentlichen Rechts, von der Sie eigentlich per-

sönlich selber wissen, dass es keine Alternativegibt. Nur das müssten Sie sich irgendwann mal ein-gestehen. Unter den Haushaltszwängen, unter de-nen wir liegen, gibt es nur zwei Wege: Kommunali-sierung oder Anstalt öffentlichen Rechts und wennwir eine Kommunalisierung wollten, müssten wirNägel im Schuh haben. Dann können Sie das Ge-meinschaftsforstamt auch wirklich abschaffen.

Dann die Diskussionen, die zum Thema Verwal-tungsrat und, und, und geführt werden. Ich erinneremal daran, dass wir mehrere Landesgesellschaftenhaben. Wir haben eine LEG, wir haben eine TTG,wir haben eine STIFT, wir haben eine TAB als An-stalt öffentlichen Rechts und überall ist es geregeltund überall läuft es auch. Einen parlamentarischenZugriff bekommen Sie nicht über die Art und Weise,wie Sie das glauben. Das hat Egon Primas Ihnendoch sehr eindeutig gesagt. Da schauen Sie ein-deutig in die Röhre, das ist so sicher wie das Amenin der Kirche. Da bleibt nur der andere Weg, denich für wesentlich eleganter halte, den wir in derLEG auch gehabt hatten, da haben Sie doch dieGewerkschaften mit im Beirat gehabt. Lassen Sieuns einen vernünftigen Beirat besetzen und lassenSie uns den Ausschuss da hineinbringen, lassenSie uns die Umweltverbände hineinbringen und vonmir aus noch aus den Spitzenverbänden Jagd undWald jemanden. Dann wird zweimal im Jahr getagtund dann gibt es eine Berichtspflicht. Von mir aus,machen Sie auch eine Berichtspflicht gegenüberdem Ausschuss - da habe ich überhaupt gar keinProblem, wird alles einmal im halben Jahr berichtet.Das ist parlamentarische Kontrolle, aber den Ver-such, da zwei Leute hineinzuwählen, da scheiternSie doch an der regierungstragenden Fraktion. Dasist doch wohl kindisch.

Zum Thema, wer Chef dort wird: Das ist die Diskus-sion, die ich mir schon von vornherein gedacht ha-be, da habe ich mir im zweiten Kabinettsbeschluss,der jetzt erst gefallen ist, sagen lassen, dass icheinen Headhunter zu beauftragen habe. Wir wer-den jetzt also einen Headhunter ausschreiben undder wird jemanden suchen. Damit die Sache näm-lich weg ist aus dem Ministerium, damit es nichtmal heißt, da ist irgendwas gekungelt worden. Wirwerden das ausschreiben lassen. Dann werden wirschauen, was dort an Vorschlägen kommt. Das isteine sehr erfolgreiche Methode, die in der Wirt-schaft auch angewendet wird, wo man natürlich sa-gen muss, wo es hingeht, und dann wird es auchso werden.

Insofern freue ich mich sehr auf die Diskussion mitIhnen, würde mich aber darüber freuen, wenn wirsachlich bleiben und wenn wir nicht Dinge in dieDiskussion einwerfen, die mit dem Gesetz über-haupt nichts zu tun haben. Wie gesagt, wir redenhier über ein Gesetz und nicht über eine Wünsch-dir-was-Veranstaltung. Herzlichen Dank.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5357

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(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehrvor. Damit kann ich die Aussprache schließen. Essind Ausschussüberweisungen beantragt wordenan den Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Um-welt und Naturschutz, an den Innenausschuss undan den Haushalts- und Finanzausschuss. In dieserReihenfolge stimmen wir jetzt die Überweisungsan-träge ab.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Land-wirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz seineZustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Hand-zeichen. Das sind die Stimmen aus den FraktionenFDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN undDIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Es gibt keineGegenstimmen. Stimmenthaltungen? Die gibt esauch nicht. Damit ist die Überweisung einstimmigerfolgt.

Wir kommen nun zum Antrag auf Überweisung anden Innenausschuss. Wer dieser Überweisung zu-stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.Das sind die Stimmen aus der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? Die Gegenstim-men kommen aus den Fraktionen SPD und CDU.Die Stimmenthaltungen? Die Stimmenthaltungenkommen aus den Fraktionen DIE LINKE und FDP.Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Nun kommen wir zum Überweisungsantrag an denHaushalts- und Finanzausschuss. Wer diesem zu-stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LIN-KE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nachden Gegenstimmen. Die Gegenstimmen kommenaus den Fraktionen FDP, CDU und SPD. Ich fragenach Stimmenthaltungen. Stimmenthaltungen gibtes keine. Mehrheitlich ist diese Überweisung anden Haushalts- und Finanzausschuss abgelehntworden.

Damit brauchen wir auch keine Federführung zubestimmen. Der Gesetzentwurf wird im Ausschussfür Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Natur-schutz behandelt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7.

Ich verweise darauf, dass es eine Vereinbarunggab, am heutigen Tag gegen 19.00 Uhr die Plenar-sitzung abzuschließen, weil es mehrere Anschluss-termine ab 19.00 Uhr gibt. Ich erinnere daran, dasswir uns morgen früh um 9.00 Uhr wiedertreffen unddass der Petitionsausschussbericht der erste Ta-gesordnungspunkt ist. Ich wünsche einen gutenAbend.

Ende: 18.56 Uhr

5358 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011

(Minister Reinholz)

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AnlageNamentliche Abstimmung in der 58. Sitzung am16.06.2011 zum Tagesordnungspunkt 1

Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vorgefährlichen TierenGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 5/1707 -dazu:Beschlussempfehlung desInnenausschusses- Drucksache 5/2900 -dazu:Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN- Drucksache 5/2919 -dazu:Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE- Drucksache 5/2921 -dazu:Änderungsantrag der Fraktion der FDP- Drucksache 5/2922 -ZWEITE BERATUNG

1. Adams, Dirk(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Enthaltung

2. Augsten, Dr. Frank(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Enthaltung

3. Bärwolff, Matthias (DIE LINKE) nein4. Barth, Uwe (FDP) nein5. Baumann, Rolf (SPD)6. Bergemann, Gustav (CDU) ja7. Bergner, Dirk (FDP) nein8. Berninger, Sabine (DIE LINKE) nein9. Blechschmidt, André

(DIE LINKE)nein

10. Carius, Christian (CDU) ja11. Diezel, Birgit (CDU) ja12. Döring, Hans-Jürgen (SPD) ja13. Doht, Sabine (SPD) ja14. Eckardt, David-Christian (SPD) ja15. Emde, Volker (CDU) ja16. Enders, Petra (DIE LINKE)17. Fiedler, Wolfgang (CDU) ja18. Gentzel, Heiko (SPD) ja19. Grob, Manfred (CDU) nein20. Günther, Gerhard (CDU) ja21. Gumprecht, Christian (CDU) ja22. Hartung, Dr. Thomas (SPD) ja23. Hauboldt, Ralf (DIE LINKE) nein24. Hausold, Dieter (DIE LINKE) nein25. Hellmann, Manfred (DIE LINKE) nein26. Hennig, Susanne (DIE LINKE) nein27. Hey, Matthias (SPD) ja28. Heym, Michael (CDU) ja29. Hitzing, Franka (FDP) nein30. Höhn, Uwe (SPD) ja31. Holbe, Gudrun (CDU) ja32. Holzapfel, Elke (CDU) ja33. Huster, Mike (DIE LINKE) nein34. Jung, Margit (DIE LINKE) nein35. Kanis, Regine (SPD) ja36. Kaschuba, Dr. Karin

(DIE LINKE)nein

37. Keller, Birgit (DIE LINKE) nein38. Kellner, Jörg (CDU) ja39. Kemmerich, Thomas L. (FDP)40. Klaubert, Dr. Birgit (DIE LINKE)41. König, Katharina (DIE LINKE) nein42. Koppe, Marian (FDP) nein43. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) nein44. Kowalleck, Maik (CDU) ja45. Krauße, Horst (CDU) ja46. Krone, Klaus von der (CDU)47. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) nein48. Künast, Dagmar (SPD) ja49. Kummer, Tilo (DIE LINKE) nein50. Kuschel, Frank (DIE LINKE) nein51. Lehmann, Annette (CDU) ja52. Lemb, Wolfgang (SPD) ja53. Leukefeld, Ina (DIE LINKE) nein54. Lieberknecht, Christine (CDU) ja55. Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) nein56. Marx, Dorothea (SPD) ja57. Matschie, Christoph (SPD)58. Meißner, Beate (CDU) ja59. Metz, Peter (SPD) ja60. Meyer, Carsten

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Enthaltung

61. Mohring, Mike (CDU) ja62. Mühlbauer, Eleonore (SPD) ja63. Pelke, Birgit (SPD) ja64. Pidde, Dr. Werner (SPD) ja65. Primas, Egon (CDU) ja66. Ramelow, Bodo (DIE LINKE) nein67. Recknagel, Lutz (FDP)68. Reinholz, Jürgen (CDU) ja69. Renner, Martina (DIE LINKE) nein70. Rothe-Beinlich, Astrid

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Enthaltung

71. Scherer, Manfred (CDU) ja72. Schröter, Fritz (CDU) ja73. Schubert, Jennifer

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Enthaltung

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011 5359

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74. Sedlacik, Heidrun (DIE LINKE) nein75. Siegesmund, Anja

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Enthaltung

76. Sojka, Michaele (DIE LINKE) nein77. Stange, Karola (DIE LINKE) nein78. Tasch, Christina (CDU) ja79. Taubert, Heike (SPD) ja80. Untermann, Heinz (FDP)81. Voigt, Dr. Mario (CDU) ja82. Walsmann, Marion (CDU) ja83. Weber, Frank (SPD) ja84. Wetzel, Siegfried (CDU) nein85. Wolf, Katja (DIE LINKE) nein86. Worm, Henry (CDU) ja87. Wucherpfennig, Gerold (CDU) ja88. Zeh, Dr. Klaus (CDU) ja

5360 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 58. Sitzung - 16.06.2011