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21 3.1 Knochen 3 Obere Extremität 3.1 Knochen Die obere Extremität umfasst den Schultergürtel, bestehend aus dem dem Schlüsselbein ( Clavicula ) und dem Schulterblatt ( Scapula ), sowie die freie obere Extremität mit Oberarm, Un- terarm und Hand. Die Hand setzt sich aus Handwurzel ( Carpus mit Ossa carpi), Mittelhand (Metacarpus mit Ossa metacarpi) und Fingern (Digiti manus mit Ossa digitorum) zusammen. LERNTIPP Die Röntgenanatomie der oberen Extremität von Schulter bis Handwurzel ist bei Prüfern beliebt, weshalb Sie die größeren Knochenvorsprünge und Rinnen kennen sollten. 3.1.1 Clavicula (Schlüsselbein) Die Clavicula ist ein 12−14 cm langer, s-förmig gebogener Knochen, der annähernd waagerecht zwischen dem Brustbein (Sternum) und dem Schultergelenkbereich (Acromion der Sca- pula) liegt. Die Knochenenden der Clavicula sind demnach am Sternum die Extremitas sternalis mit ihrer Gelenkfläche (Facies articularis sternalis) und in Richtung Scapula die Extremitas acromialis mit ihrer Gelenkfläche (Facies articularis acromialis) (Abb. 3.1c). An der Unterseite der Clavicula liegt medial die Impressio ligamenti costoclavicularis und lateral die Tuberositas liga- menti coracoclavicularis mit dem Tuberculum conoideum als Höcker nahe dem akromialen Ende und lateral davon die Linea trapezoidea. Diese Knochenvorsprünge sind Ansatzstellen von Bändern. In der Mitte der Knochenunterseite findet sich eine Einkerbung ( Sulcus m. subclavii) als Ansatzstelle für den M. subclavius. 3.1.2 Scapula (Schulterblatt) Die Scapula ist ein platter Knochen und hat die Form eines Drei- ecks. Ihre Ränder heißen Margo medialis, Margo lateralis und Margo superior , die dazugehörigen Winkel sind der Angulus superior (oben medial), der Angulus lateralis (oben lateral) und der Angulus inferior (unten). Ihre dem Körper zugewandte Seite (Facies costalis ) ist flach und der Rückwand des Brustkorbs aufgelagert. Sie besitzt eine konkave Fossa subscapularis für den M. subscapularis (S. 30). Die sichtbare Seite des Schulterblatts ist die Facies dorsalis. Sie wird durch einen Knochenkamm ( Spina scapulae ) in zwei Bereiche geteilt. Dieser steigt medial vom Trigonum spinae nach lateral auf und endet als sog. Schulterhöhe (Acromion). Oberhalb der Spina scapula befindet sich die kleinere Fossa su- praspinata und unterhalb eine größere Fossa infraspinata für den M. supraspinatus und M. infraspinatus. Medial des Acromions befindet sich die Gelenkfläche für das Schlüsselbein (Facies articulare acromii). Am Angulus lateralis befindet sich die Schultergelenkpfanne ( Cavitas glenoidalis ), die den Humeruskopf aufnimmt. Die Cavitas glenoidalis besitzt oben und unten jeweils einen kleinen Höcker, das Tuberculum supraglenoidale (oben) und das Tuberculum infraglenoidale (unten). Das Tuberculum supraglenoidale ist Ursprung der Seh- ne des M. biceps brachii (Caput longum), am Tuberculum infra- glenoidale entspringt das Caput longum des M. triceps brachii. Oberhalb der Cavitas glenoidalis erhebt sich der Processus coracoideus (Rabenschnabelfortsatz). Er dient als Schutz für das darunterliegende Schultergelenk und knickt nach ventro- lateral um fast 90 ° ab. Gleichzeitig ist er Ansatzstelle für Mus- keln und Bänder. Zusammen mit dem Acromion und dem Lig. coracoacromiale bildet der Proc. coracoideus das Schulterge- lenkdach (Abb. 3.1a, b). Wie sein Name schon sagt, zieht das Lig. coracoacromiale vom Proc. coracoideus zum Acromion. Medial des Processus coracoideus findet sich am Oberrand der Scapula eine Einkerbung (Incisura scapulae ). Über diese Kerbe zieht das Lig. transversum scapulae superius. Oberhalb dieses Bandes verläuft die A. suprascapularis, darunter der N. suprascapularis. 3.1.3 Humerus (Oberarmknochen) LERNTIPP Die Lagen von Collum chirurgicum und Collum anatomicum zu kennen, ist wichtig, da oft nach Nervenverletzungen in diesen Bereichen gefragt wird. Der Humerus ist ein langer Röhrenknochen. Man unterscheidet: Corpus humeri (Humeruskörper) Caput humeri (Humeruskopf) Condylus humeri (distaler Gelenkflächenteil). Caput humeri. Der Gelenkkopf ist um ca. 20 ° nach hinten ge- dreht. An das Caput humeri schließt sich das Collum anatomic- um an. Hier ist die Gelenkkapsel verankert. Beata Beclai/stockphoto.com LERNPAKET 2 LERNPAKET 2 aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 1 (ISBN 9783131533722) © 2013 Georg Thieme Verlag KG

t 2 3 Obere Extremität AKE - bilder.buecher.de · 3.1 Knochen21 3 Obere Extremität ... (Digiti manus mit Ossa digitorum) zusammen. Lerntipp Die röntgenanatomie der oberen Extremität

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213.1 Knochen

3 Obere Extremität3.1 Knochen

Die obere Extremität umfasst den Schultergürtel, bestehend aus dem dem Schlüsselbein (Clavicula) und dem Schulterblatt (Scapula), sowie die freie obere Extremität mit Oberarm, Un-terarm und Hand. Die Hand setzt sich aus Handwurzel (Carpus mit Ossa carpi), Mittelhand (Metacarpus mit Ossa metacarpi) und Fingern (Digiti manus mit Ossa digitorum) zusammen.

Lerntipp

Die röntgenanatomie der oberen Extremität von Schulter bis Handwurzel ist bei Prüfern beliebt, weshalb Sie die größeren Knochenvorsprünge und Rinnen kennen sollten.

3.1.1 Clavicula (Schlüsselbein)

Die Clavicula ist ein 12−14 cm  langer, s-förmig gebogener Knochen, der annähernd waagerecht zwischen dem Brustbein (Sternum) und dem Schultergelenkbereich (Acromion der Sca­pula) liegt. Die Knochenenden der Clavicula sind demnach am Sternum die extremitas sternalis mit ihrer Gelenkfläche (Facies articularis sternalis) und in Richtung Scapula die extremitas acromialis mit ihrer Gelenkfläche (Facies articularis acromialis) (Abb. 3.1c).

An der Unterseite der Clavicula liegt medial die impressio ligamenti costoclavicularis und lateral die tuberositas liga-menti coracoclavicularis mit dem tuberculum conoideum als Höcker nahe dem akromialen Ende und lateral davon die Linea trapezoidea. Diese Knochenvorsprünge sind Ansatzstellen von Bändern. In der Mitte der Knochenunterseite findet sich eine Einkerbung (Sulcus m. subclavii) als Ansatzstelle für den M. subclavius.

3.1.2 Scapula (Schulterblatt)

Die Scapula ist ein platter Knochen und hat die Form eines Drei­ecks. Ihre Ränder heißen Margo medialis, Margo lateralis und Margo superior, die dazugehörigen Winkel sind der Angulus superior (oben medial), der Angulus lateralis (oben lateral) und der Angulus inferior (unten).

Ihre dem Körper zugewandte Seite (Facies costalis) ist flach und der Rückwand des Brustkorbs aufgelagert. Sie besitzt eine konkave Fossa subscapularis für den M. subscapularis (S. 30).

Die sichtbare Seite des Schulterblatts ist die Facies dorsalis. Sie wird durch einen Knochenkamm (Spina scapulae) in zwei Bereiche geteilt. Dieser steigt medial vom trigonum spinae nach lateral auf und endet als sog. Schulterhöhe (Acromion). Oberhalb der Spina scapula befindet sich die kleinere Fossa su-praspinata und unterhalb eine größere Fossa infraspinata für den M. supraspinatus und M. infraspinatus.

Medial des Acromions befindet sich die Gelenkfläche für das Schlüsselbein (Facies articulare acromii). Am Angulus lateralis befindet sich die Schultergelenkpfanne (Cavitas glenoidalis), die den Humeruskopf aufnimmt. Die Cavitas glenoidalis besitzt oben und unten jeweils einen kleinen Höcker, das tuberculum supraglenoidale (oben) und das tuberculum infraglenoidale (unten). Das Tuberculum supraglenoidale ist Ursprung der Seh­ne des M. biceps brachii (Caput longum), am Tuberculum infra-glenoidale entspringt das Caput longum des M. triceps brachii.

Oberhalb der Cavitas glenoidalis erhebt sich der processus coracoideus (Rabenschnabelfortsatz). Er dient als Schutz für das darunterliegende Schultergelenk und knickt nach ventro­lateral um fast 90 ° ab. Gleichzeitig ist er Ansatzstelle für Mus­keln und Bänder. Zusammen mit dem Acromion und dem Lig. coracoacromiale bildet der Proc. coracoideus das Schulterge-lenkdach (Abb. 3.1a, b). Wie sein Name schon sagt, zieht das Lig. coracoacromiale vom Proc. coracoideus zum Acromion.

Medial des Processus coracoideus findet sich am Oberrand der Scapula eine Einkerbung (incisura scapulae). Über diese Kerbe zieht das Lig. transversum scapulae superius. Oberhalb dieses Bandes verläuft die A. suprascapularis, darunter der n. suprascapularis.

3.1.3 Humerus (Oberarmknochen)

Lerntipp

Die Lagen von Collum chirurgicum und Collum anatomicum zu kennen, ist wichtig, da oft nach Nervenverletzungen in diesen Bereichen gefragt wird.

Der Humerus ist ein langer Röhrenknochen. Man unterscheidet: ▪ Corpus humeri (Humeruskörper) ▪ Caput humeri (Humeruskopf) ▪ Condylus humeri (distaler Gelenkflächenteil).

▶Caput humeri. Der Gelenkkopf ist um ca. 20 ° nach hinten ge­dreht. An das Caput humeri schließt sich das Collum anatomic-um an. Hier ist die Gelenkkapsel verankert.

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AprOpOSCollum chirurgicum. Bewegt man sich vom proximalen Ende ausgehend am Schaft des Oberarmknochens entlang nach distal, erreicht man die Region, in der die meisten Oberarmbrüche auftreten. Daher wird dieser Abschnitt klinisch als Collum chirurgicum bezeichnet (Abb. 3.3).

Bei der Ansicht des Oberarmknochens von vorne finden sich dicht unterhalb des Caput humeri zwei Knochenhöcker:

▪ lateral das tuberculum majus mit der weiter nach distal verlaufenden Crista tuberculi majoris ▪ medial das tuberculum minus mit der Crista tuberculi mi-noris.

Zwischen den Knochenkämmen liegt eine Rinne (Sulcus inter-tubercularis) für die Sehne des langen Bizepskopfes (S. 33).

Lerntipp

Sie sollten auf einem röntgenbild der Schulter (Abb. 3.2) den processus coracoideus, das Acromion, die Clavicula sowie das tuberculum majus und minus erkennen können! Das Tuberculum supraglenoidale ist Ursprung der Sehne des Caput longum m. biceps brachii. Lassen Sie sich nicht verwirren: In Prüfungsfragen werden Ihnen dazu gerne auch mal andere Muskeln vorgeschlagen, die Sie dann als falsch erkennen müssen. Die Lagebeschreibungen der einzelnen Teile der Schulter sind im folgenden Text für Sie noch einmal kenntlich gemacht.

Angulus superior

Margo superior

Processus coracoideusFacies articularis acromii

Acromion

Fossa supraspinata

Spinascapulae

Margo medialis

Margo lateralis

Fossa infraspinata

Angulus inferior

Angulus lateralis

Tuberculum infraglenoidale

Tuberculumsupraglenoidale

Processus coracoideus

Cavitas glenoidalis

Facies articularis acromialis

Extremitas acromalis

Corpus claviculae Extremitas sternalis

Facies articularis sternalis

Impressio ligamenti costoclavicularis

a b

c

Trigonum spinae

Sulcus m. subclaviiTuberculum conoideum

Linea trapezoidea

Abb. 3.1 Scapula. a Dorsalansicht. b Lateral­ansicht. c Clavicula.

a b

Margo lateralisscapulae

Tuberculummajus

Sulcus inter-tubercularis

Tuberculumminus

Caputhumeri

Articulatioacromio-clavicularis

AcromionClaviculaAngulus superior

scapulae

Processuscoracoideus

Scapula

Cavitasglenoidalis

Abb. 3.2 Schulter im röntgenbild. a Röntgenaufnahme der linken Schulter a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen.

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▶Corpus humeri. Der Humerusschaft hat im Wesentlichen zwei Flächen (Abb. 3.3):

▪ Facies anteromedialis, begrenzt durch die Margo medialis ▪ Facies anterolateralis, begrenzt durch die Margo lateralis.

Beide Knochenränder verlaufen nach distal als Knochenkämme weiter (Crista supraepicondylaris medialis und lateralis) und gehen letztlich in den epicondylus medialis und epicondylus lateralis über.

Lateral am Humerusschaft befindet sich eine aufgeraute Knochenfläche, die als Ansatzstelle des M. deltoideus dient (tu-berositas deltoidea). An der Hinterfläche des Humerus findet sich der Sulcus n. radialis, in dem der n. radialis verläuft und sich um den Schaft windet.

▶Condylus humeri. Das distale Humerusende wird durch eine Knochenrolle (trochlea humeri) gebildet. Auf ihrer Vorderflä­che liegt die Fossa coronoidea, medial davon findet sich der Sul-cus n. ulnaris für den n. ulnaris und das Capitulum humeri mit Fossa radialis. An der Hinterfläche, leicht oberhalb der Trochlea, befindet sich die Fossa olecrani. Lateral und medial am distalen Humerusende befinden sich zwei epikondylen als Ansatzstel­len für Muskeln.

Lerntipp

Den Verlauf des n. ulnaris sollten Sie gut kennen und ihn auch auf einem Röntgenbild des Ellenbogens zuordnen können (Abb. 3.4). Wenn Sie in der Prüfung unsicher sind, überlegen Sie kurz, wo es am Ellbogen so gemein schmerzt, wenn Sie sich den „Musikantenknochen“ stoßen: Das ist dann der N. ulnaris!

3.1.4 Ulna und radius (Elle und Speiche)

Ulna (Elle)Die Ulna besteht aus dem Corpus ulnae (Schaft) sowie der Extre mitas proximalis in Richtung Ellenbogengelenk und der Extremitas distalis zu den Handwurzelknochen hin.

▶Olecranon. Das proximale Ellenende wird durch das Olecra­non gebildet. Dieser Hakenfortsatz der Ulna ist an der Bildung des typischen Scharniergelenkes im Ellenbogen beteiligt. Vent­ral am Olecranon befindet sich die konkave incisura trochlearis mit dem vorne aufsitzenden processus coronoideus und der

Caput humeriTuberculum

majus

Tuberositas deltoidea

Collum anatomicum

Collum chirurgicum

Sulcus intertubercularis

Tuberculumminus

Corpus humeri

Sulcus n. radialis

Fossa radialis

Fossa coronoidea

Sulcus n. ulnaris

Epicondylus medialis

Trochlea humeri

Capitulum humeri

Fossa olecrani

Epicondylus lateralis

a b

Abb. 3.3 Humerus. a Von vorne. b Von hinten.

Abb. 3.4 ellenbogengelenk im röntgenbild. a Aufnahme des rechten Ellenbogengelenks a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen.

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lateral zum Radius hin gelegenen incisura radialis als Gelenk­fläche für die Zirkumferenz des Speichenkopfes (s. u.).

▶Corpus ulnae. Der Ulnaschaft hat drei Seiten, die voneinander mit drei Rändern abgegrenzt werden (Abb. 3.5):

▪ Facies anterior mit Margo anterior ▪ Facies medialis mit Margo interosseus (lateral) ▪ Facies posterior mit Margo posterior.

Auf der Ventralfläche des Ulnaschafts befindet sich eine raue Fläche (tuberositas ulnae), die als Ansatzstelle für den M. bra­chialis (S. 33) dient. Nach lateral zum Radius hin findet sich zudem ein Knochenkamm (Crista m. supinatoris) für den M. su­pinator. Mittig am Corpus ulnae liegt das Foramen nutricium. Dabei handelt es sich um eine Öffnung im Knochen für ernäh­rende Gefäße, die an der Ulna besonders gut zu sehen ist.

▶Caput ulnae. Es stellt das distale Ende der Ulna dar. Hier be­finden sich die Circumferentia articularis für das distale Radio­ulnargelenk sowie ein kleiner Knochenvorsprung, der proces-sus styloideus ulnae.

radius (Speiche) ▶Caput radii. Das proximale Ende des Radius bildet das walzen­

förmige Caput radii. An dessen Oberseite besteht eine leichte Vertiefung (Fovea articularis), die mit dem Humerusköpfchen artikuliert. Sie setzt sich in die Circumferentia articularis ra-dii fort. An das Caput radii schließt sich der Radiushals (Collum radii) an. Am Übergang vom Collum zum Corpus radii liegt ein

weiterer Knochenvorsprung, die tuberositas radii. Hier setzt der M. biceps brachii (S. 33) an.

▶Corpus radii. Auch der Schaft des Radius besitzt drei Seiten und die dazugehörigen drei Kanten, ihre Benennung ist iden­tisch mit den Strukturen der Ulna. Auf Schaftmitte findet sich eine raue Fläche, die tuberositas pronatoria. Hier setzt der M. pronator teres an.

▶Distales radiusende. Das distale Ende des Radius ist verdickt und bildet die Crista suprastyloidea, die sich fortsetzt in den processus styloideus radii. Medial liegt die incisura ulnaris für die distale Gelenkverbindung zur Ulna, nach distal gerichtet befindet sich die Facies articularis carpalis für das Handgelenk (Abb. 3.5). Auf der Rückseite des Radius tastet man durch die Haut ein Knochenhöckerchen, das tuberculum dorsale, das als Umlenkrolle für die Sehne lateral des 3. Sulcus dient (s. u.), so­wie verschieden stark ausgeprägte knöcherne Furchen (Sulci) für die Sehnen der langen Strecker.

Lerntipp

▶ Tuberositas ulnae → Ansatz des M. brachialis ▶ Tuberositas radii → Ansatz des M. biceps brachii ▶ Tuberositas pronatoria → M. pronator teres

Caput radii

CircumferentiaarticularisCollum radii

Tuberositas radii

Margo interosseus

Corpus radii

Incisura ulnaris

Processusstyloideusradii

a bFacies articulariscarpalis

Circumferentiaarticularis

Caputulnae

Corpusulnae

Margointerosseus

Tuberositasulnae

Incisuraradialis

Incisuratrochlearis

Processuscoronoideus

Margointerosseus

Corpusulnae

Olecranon

Circumferentiaarticularis

Foveaarticularis

Caput radii

Margointerosseus

Collum radii

Tuberositas radii

Corpus radii

Incisuraulnaris

Processusstyloideus

radii

Processusstyloideus ulnae

Caputulnae

Abb. 3.5 Ulna und radius. a Von vorne. b Von hinten.

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3.1.5 Handknochen

Ossa carpi (Handwurzelknochen)

Lerntipp

Unbedingt prüfungsrelevant sind Lage und Aussehen der Hand­wurzelknochen. Dieser Vers für die Reihenfolge der Handwurzel­knochen dient schon seit Generationen als Merkhilfe:„Ein Kahn, der fuhr im Mondenschein im Dreieck um das erbsenbein. Vieleck groß, Vieleck klein, am Kopf, da muss der Haken sein!“Und noch ein Tipp: Lernen Sie die Handwurzelknochen gleich von Anfang an anhand von Abb. 3.6!

Die 8 Handwurzelknochen (Ossa carpi) werden anhand ihrer Lage in eine proximale und eine distale Reihe eingeteilt (Abb. 3.6):

▪ proximale reihe: – Os scaphoideum (Kahnbein) – Os lunatum (Mondbein) – Os triquetrum (Dreieckbein) – Os pisiforme (Erbsenbein)

▪ Distale reihe: – Os trapezium (großes Vieleckbein) – Os trapezoideum (kleines Vieleckbein) – Os capitatum (Kopfbein) – Os hamatum (Hakenbein)

Das Os capitatum ist der größte, das Os pisiforme der kleinste Knochen der Handwurzel. Das Erbsenbein ist als sog. Sesam­bein in die Sehne des M. flexor carpi ulnaris eingebettet und dient als „Umlenkrolle“ (Hypomochlion) für die Muskelzugrich­tung des M. flexor carpi ulnaris, wodurch ein größerer Hebel­arm entsteht. Das Os trapezium weist eine knöcherne Furche für den M. flexor carpi radialis auf. Das Os hamatum besitzt

einen knöchernen Fortsatz (Hamulus ossis hamati), der palmar an der Handwurzel hervortritt.

AprOpOSKahnbeinfraktur. Die Fraktur des Os scaphoideum ist die häufigste Karpalknochenfraktur. Unfallursache ist meist ein Sturz auf die ausge­streckte Hand. Für die Prognose ist die Lokalisation der Fraktur von großer Bedeutung. Das distale und mittlere Drittel des Kahnbeins sind gut durch­blutet, hier erfolgt meist eine folgenlose Ausheilung. Das proximale Drittel hat eine schlechtere Blutversorgung, Frakturen in diesem Bereich benötigen daher eine deutlich längere Ruhigstellung. Außerdem besteht die Gefahr einer Knochennekrose. In der Regel dauert die konservative Therapie (Ruhig­stellung im Gips) 8 bis 12, manchmal sogar bis zu 16 Wochen.

Die Handwurzelknochen sind bogenförmig zur Hohlhand hin angeordnet. Dieser Bogen wird vom Retinaculum musculi fle-xorum überspannt. Knochen und Band bilden so einen osteo­fibrösen Kanal, den Karpaltunnel oder Canalis carpi (S. 47).

Ossa metacarpi (Mittelhandknochen) Es gibt an jeder Hand 5 Mittelhandknochen (Ossa metacarpi I−V), die jeweils nach folgendem Bauprinzip von proximal nach distal gegliedert sind (Abb. 3.6):

▪ Basis ossis metacarpi: für die gelenkige Verbindung mit den Handwurzelknochen ▪ Corpus ossis metacarpi: lang gestreckter Knochenkörper ▪ Caput ossis metacarpi: Knochenkopf, der mit den Finger­knochen artikuliert (s. u.). Sie bilden die Knöchel der Hand, die auf dem Handrücken sichtbar sind.

Am Daumen kommen zusätzlich noch zwei Sesambeine vor, die in ihrer Funktion den Hebelarm vergrößern und den Mus­kelzug auf das Gelenk umleiten.

Ossa digitorum manus (Fingerknochen)Die Hand hat 5 Finger (Digiti manus): Daumen (pollex), Zeige­finger (index), Mittelfinger (Digitus medius), Ringfinger (Digi-

a b

Phalanx distalis

Phalanx media(Mittelglied)

Phalanx proximalis(Grundglied)

Caput ossis metacarpi

Os trapezoideum

Os trapeziumOs scaphoideum

Processus styloideus radiiOs lunatum

distaler Radius

Corpus ossis metacarpiBasis ossis metacarpiOs capitatum

Os triquetrumOs pisiformeProcessus styloideus ulnaeArticulatio radioulnaris distalis

distale Ulna

Os hamatum

Abb. 3.6 Hand im röntgenbild. a Röntgenaufnahme einer rechten Hand a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen. rot: distales, blau: proxi ma­les Handgelenk.

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tus anularis) und Kleinfinger (Digitus minimus). Jeder dieser Finger außer dem Daumen mit nur zwei Fingerknochen besteht aus drei Fingerknochen:

▪ phalanx proximalis (Fingergrundglied): längster Knochen des Fingergliedes ▪ phalanx media (Fingermittelglied): fehlt beim Daumen ▪ phalanx distalis (Fingerendglied).

Jeder Fingerknochen besteht aus Basis, Corpus und Caput.

Lerntipp

Es kann vorkommen, dass Sie in der Prüfung auf einem Rönt­genbild der Handwurzel auf einen Frakturspalt hingewiesen werden, den Sie dem richtigen Knochen zuordnen sollen. Lassen Sie sich nicht verunsichern: Frakturen zu erkennen lernen Sie später im Studium noch. Wenn Sie die Handwurzelknochen gelernt haben, können Sie bei dieser Frage nur punkten! Es geht hier eher darum, dass Sie ihre mühsam erlernten anatomischen Kenntnisse in einen klinischen Zusammenhang stellen. Schauen Sie sich dazu Abb. 3.6 an!

FAzit – DAS MüSSen Sie wiSSen

– !! Am distalen Ende des Humerus findet sich die trochlea humeri mit der Fossa coronoidea, medial davon liegen der Sulcus n. ulnaris für den n. ulnaris und das Capitulum humeri.

– ! Der M. biceps brachii setzt an der Tuberositas radii der Speiche an.

– !! Vergegenwärtigen Sie sich Aussehen und Lage der Hand-wurzelknochen (z. B. des Os hamatum mit dem Hamulus ossis hamati, palmar hervortretend) anhand von Abb. 3.6.

3.2 Gelenke

Die Gelenke der oberen Extremität sind das Schultergelenk, das Ellenbogengelenk, das Handgelenk und die Fingergelenke. Das Schultergelenk weist beim Menschen den größten Bewegungs­umfang aller Gelenke auf.

3.2.1 Articulatio acromioclavicularis (Schultereckgelenk)

Lerntipp

Fürs Mündliche sind die Bänder des Akromioklavikulargelenks wegen ihrer klinischen Relevanz wichtig und möglicherweise auch die Tatsache, dass sich zwischen Schlüsselbein und Haut keine Muskelschicht befindet, was bei Claviculafrakturen von Bedeutung ist.

Die Knochenpunkte für das Akromioklavikulargelenk (laterales Schlüsselbeingelenk, Schultereckgelenk) sind das Acromion der Scapula und das laterale ende der Clavicula. Der Gelenkspalt wird durch einen Discus articularis unvollständig in zwei Kam­mern unterteilt. Die Gelenkkapsel wird durch Bänder gesichert.

Das Akromioklavikulargelenk ist eben, verfügt aber über drei Freiheitsgrade (wie ein Kugelgelenk), wobei die Bewegun­gen mit denen der Articulatio sternoclavicularis (s. u.) gekop­pelt sind. Heben und Senken sowie Vor­ und Zurücknehmen der

Schulter sind möglich, außerdem Zirkumduktion (Kreisen) und Rotation (Kreiseln).

AprOpOSKlaviertastenphänomen. Wenn die Ligg. coracoclaviculares reißen (tossi-Verletzung), zieht der M. trapezius das laterale Ende der Clavicula nach kranial. Drückt man die Clavicula runter und lässt wieder los, kommt sie durch den Muskelzug von selbst wieder hoch, was zur Bezeichnung „Klavier­tastenphänomen“ geführt hat.

3.2.2 Articulatio sternoclavicularis (mediales Schlüsselbeingelenk)

Die knöchernen Anteile für die Articulatio sternoclavicularis (mediales Schlüsselbeingelenk) werden vom medialen ende der Clavicula und vom Manubrium sterni gebildet. Dazwischen liegt der Discus articularis, der den Gelenkraum in zwei Berei­che unterteilt. Gesichert und stabilisiert wird das Sternoklavi­kulargelenk durch Bänder.

Das mediale Schlüsselbeingelenk ist funktionell gesehen ein Kugelgelenk, jedoch mit stark eingeschränkter Beweglichkeit.

3.2.3 Articulatio humeri (Schultergelenk)

Das Schultergelenk (Articulatio humeri, Articulatio glenohu­meralis) wird aus den knöchernen Elementen der Cavitas gle-noidalis und dem Caput humeri aufgebaut. Dabei ist der Hume­ruskopf etwa viermal so groß wie die mit Knorpel überzogene Gelenkfläche des Schulterblattes. Die Gelenkpfanne wird des­halb durch eine faserknorpelige Gelenklippe (Labrum glenoi-dale) vergrößert.

Das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk mit drei Freiheits­graden: Ante­ und Retroversion, Ab­ und Adduktion sowie In­nen­ und Außenrotation. Die elevation (so heißt die Abduktion über 90 °) ist nur durch das Drehen der Gelenkfläche der Sca­pula möglich. Diese sog. thoracoscapulare Gleitschicht ist kein echtes Gelenk, aber funktionell sehr wichtig: Wenn der Arm bei 90 ° Abduktion mit dem Humerus am Acromion anstößt, kann durch verschiedene Muskeln (M. serratus anterior, M. trape-zius) die Schulterblattspitze nach außen gedreht werden. Das Acromion dreht sich somit nach oben weg und der Arm kann über 90 ° angehoben werden.

Die Gelenkkapsel des Schultergelenks zieht vom Collum scapulae über die Cavitas glenoidalis hinweg zum Humerus und umfasst das Collum anatomicum. tuberculum majus und minus sind meist extrakapsulär gelegen. Die Kapsel hat beim herabhängenden Arm eine „Reservefalte“ am Unterrand, den recessus axillaris. Durch die Weite der Gelenkkapsel wird der Bewegungsumfang vergrößert (Abb. 3.7).

AprOpOSDas Schultergelenk ist das menschliche Gelenk mit der größten Bewe-gungsfreiheit, aber die schlaffe Kapsel schrumpft leicht bei Inaktivität. Schon zwei Wochen in Gips können die Schulter steif machen. Das Zauber­wort für die Klinik bei allen Verletzungen im Schulterbereich heißt daher Frühmobilisation.

Zudem findet man eine Sehnenscheide (Vagina tendinis inter-tubercularis), die die lange Bizepssehne einfasst und durch die Gelenkkapsel verläuft.

Die wichtigsten Bänder am Schultergelenk sind: ▪ Lig. coracoacromiale: zwischen Processus coracoideus und Acromion (Schultergelenkdach) oberhalb des eigentlichen Gelenks, bildet das Dach der Schulter

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▪ Lig. coracohumerale: zieht vom Processus coracoideus zum Tuberculum majus et minus des Humerus (Verstärkung für den vorderen Gelenkkapselanteil) ▪ Ligg. glenohumeralia: Faserzüge zur Verstärkung der vorde­ren Kapsel.

Die Sicherung des Schultergelenks erfolgt neben den Bändern v. a. durch Muskeln, die das Gelenk einschließen. Sie bilden die sog. rotatorenmanschette (S. 30).

Im Bereich des Schultergelenks kommen außerdem ver­schiedene Schleimbeutel vor. Die beiden wichtigsten sind die Bursa subacromialis (hier zieht die Sehne des M. supraspinatus entlang) und die Bursa subdeltoidea (zwischen der Gelenkkap­sel und den Fasern des M. deltoideus). Sie stehen häufig mitei­nander in Verbindung und werden auch als subakromiales Ne­bengelenk bezeichnet.

Die Sehne des M. supraspinatus wird bei Abduktion zwi­schen Lig. coracoacromiale und tuberculum majus eingeengt. Bei Schäden der Sehne kommt es bei der Abduktion zu starken Schmerzen. An dieser Stelle liegt die Bursa subacromialis als Puffer. Schleimbeutelentzündungen und Verkalkungen oder entzündliche Veränderungen der Supraspinatussehne sind hier häufig anzutreffen und verschlimmern sich gegenseitig.

Lerntipp

Die Abb. 3.8 sollten Sie sich einprägen, zu vergleichbaren MRT­Aufnahmen gab es mehrfach Prüfungsfragen. Diese Bildebene wird auch bei Schichtaufnahmen gewählt, um die Sehne des M. supraspinatus darzustellen. Ihre oben erwähnte Einklem­mung wird ebenfalls gern gefragt!

3.2.4 Articulatio cubiti (Ellenbogengelenk)

Das Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti, Abb. 3.4) ist ein zu-sammengesetztes Gelenk bestehend aus drei verschiedenen Gelenken:

▪ Humeroulnargelenk (Articulatio humeroulnaris): ein Schar-niergelenk (Ginglymus) für Flexion und Extension. ▪ Humeroradialgelenk (Articulatio humeroradialis): ein Dreh­scharniergelenk.

▪ proximales radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris proximalis): ein radgelenk (Articulatio trochoidea) für die Pronations­ und Supinationsbewegung.

Humeroulnargelenk und Humeroradialgelenk bilden zusam­men einen sog. trochoginglymus, d. h. ein zusammengesetztes Drehscharniergelenk mit insgesamt 2 Freiheitsgraden (Flexion und Extension = Scharnierbewegung, Pronation und Supination = Drehbewegung).

Lerntipp

Der radius dreht sich um die Ulna („Das Rad dreht sich“).

Die Gelenkkapsel umschließt alle drei Gelenke mit einer Kap­sel. Für die Umwendbewegung des Unterarmes gibt es eine Reservefalte am Radiuskopf (recessus sacciformis). Die Kapsel umfasst die Fossa olecrani am Humerus und reicht bis an die Incisura trochlearis der Ulna und das Caput des Radius. Die Epi­condylen am Humerus befinden sich extrakapsulär. Dorsalsei-tig tastet man distal des epicondylus lateralis den radiuskopf.

Wichtige Bänder am Ellenbogengelenk sind: ▪ Lig. collaterale ulnare: Seitenband an der Ulna (Innenband), entspringt am Epicondylus medialis des Humerus und zieht zur Incisura trochlearis der Ulna. ▪ Lig. collaterale radiale: Seitenband am Radius (Außenband), entspringt am Epicondylus lateralis des Humerus und ver­einigt sich mit dem Lig. anulare radii. Über das Lig. anulare radii strahlt es in die Ulna ein. Es setzt also nicht am Radius an. ▪ Lig. anulare radii: ringförmiges Band für das proximale Ende des Radius, liegt vollständig in der Kapsel des Ellbogenge­lenks, entspringt an der Ulna und setzt auch dort an.

Spatium subdeltoideum

M. trapezius

Acromion

Bursa subacromialis

Sehne des langenBizepskopfes

Clavicula

M. supraspinatus

M. deltoideus

Caput longumm. bicipitis brachii

Vaginatendinisintertubercularis

Caput longumm. tricipitis brachii

N. axillaris

A. circumflexahumeri post.

SkapulaGelenkspalte

Recessusaxillaris

Discus/Meniscus

Tuberculumsupraglenoidale

Abb. 3.7 Schultergelenk.

Abb. 3.8 Mrt-Aufnahme der Schulter.

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aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 1 (ISBn 9783131533722) © 2013 Georg thieme Verlag KG