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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie P.b.b. GZ 02Z031654 M, MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien ISSN 1605-881X 19. JAHRGANG/NR. 1/2016 Script ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE Akutversagen Pathomechanismen im systemischen „Crosstalk“ Transplantation Screening nach Donor-spezifischen Antikörpern Überwässerung Von DialysepatientInnen lernen Nierenversagen: 10. Nephrologie-Symposium Schladming akut, chronisch, terminal

ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE Script

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Page 1: ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE Script

Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie

P.b.b. GZ 02Z031654 M, MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien ISSN 1605-881X

19. JAHRGANG/NR. 1/2016

ScriptÖSTERREICHISCHEGESELLSCHAFTFÜR NEPHROLOGIE

Akutversagen Pathomechanismen im systemischen „Crosstalk“

Transplantation Screening nach Donor-spezifischen Antikörpern

Überwässerung Von DialysepatientInnen lernen

Nierenversagen:10. Nephrologie-Symposium Schladming

akut, chronisch, terminal

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Fachkurzinformation siehe Seite 24

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NEPHRO Script

Sie halten mit diesem Heft die erste NEPHROScript-Ausgabe 2016 in der Hand.Mit den Themengebieten „Nierentransplantation“, „akutes

Nierenversagen“, „chronische Niereninsuffizienz“ und einem ent-sprechenden Update haben wir uns eng an das 10. Nephrologie-Symposium in Schladming gehalten. Erfreulicherweise hat der nephrologische Nachwuchs in Österreich Flagge gezeigt und aus-gezeichnete Vorträge bzw. Manuskripte dazu verfasst. Darüber hinaus hat unser Präsident Karl Lhotta ein aktuelles Thema – eine neue Therapieoption bei autosomal dominanter polyzystischer Nierenerkrankung – zum Anlass genommen,

entsprechende Empfehlungen zum Therapiemanagement bei dieser häufigsten hereditären Nierenerkrankung auszusprechen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und hoffe, dass Sie nützliche Informationen für Ihren klinischen Alltag finden. ■

Mit kollegialen Grüßen!

EDITORIAL

Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

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Univ.-Prof. Dr. Alexander RosenkranzKlinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik für Innere Medizin,

Medizinische Universität Graz

03 Editorial

05 News aus der Welt der Nephrologie

13 Impressum

10. NEPHROLOGIE-SYMPOSIUM SCHLADMING

06 Proteinurie nach NierentransplantationDr. Markus Pirklbauer

10 Umgang mit positivem DSA-Befund nach NierentransplantationAssoc. Prof. Dr. Hannes Neuwirt, PhD

12 Der Remuzzi-Score: Implikation für die DoppelnierentransplantationDr. Rupert Oberhuber, Dr. Annemarie Weißenbacher, ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger

14 Akutes Nierenversagen – Neues zu Diagnostik, Pathogenese und TherapieDr. Alexander Kirsch

18 Akutes Nierenversagen als Risikofaktor (nicht nur) für CKD Dr. Claudia Friedl

22 Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz – Update zur CKD-MBDDr. Danielle Diarra

25 Flüssigkeitshaushalt bei terminaler Niereninsuffizienz – Von DialysepatientInnen lernenAssoc. Prof. Dr. Manfred Hecking, Dr. Peter Wabel, Prof. em. Friedrich K. Port

TOPICS

29 Therapie der ADPKD mit TolvaptanPrim. Prof. Dr. Karl Lhotta

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNGEN

31 Tacrolimus retard (AdvagrafTM) – Weniger (oft) ist mehr

32 Velphoro® – Phosphat- und Kaliummanagement bei CKD-Patienten

INHALT

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Fachkurzinformation siehe Seite 24

Page 5: ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE Script

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COLOMBIA

SLOVAKIA

NEPHRO ScriptNEWS

Sind weibliche Sexualhormone nephroprotektiv?

Ein bislang unzureichend erklärtes Phänomen ist die Tatsache, dass

Männer häufiger von einer terminalen Niereninsuffizienz betroffen

sind als Frauen. So beträgt da Risiko, an die Dialyse zu kommen, für

Männer mittleren Alters 1:40, für Frauen nur 1:60. Forscher aus Inns-

bruck konnten nun zeigen, dass der normale Zyklus der Frau mit einer

erhöhten Regeneration von proximalen Tubulusepithelien einhergeht.1

So konnte bei Frauen mit normalem Zyklus nach der Ovulation sowie

nach Beginn der Menstruation ein deutlicher Anstieg der Enzyme

Fruktose -1,6-Bisphosphatase und Glutathion-S-Transferase im Harn

nachgewiesen werden. Diese Anstiege fehlen bei postmenopausalen Frauen

und Männern. Die Autoren vermuten, dass diese Anstiege auf den Zell-

untergang von proximalen Tubulusepithelien zurückzuführen sind und

mit einem erhöhten Regenerationspotenzial einhergehen. Möglicherweise

steht der Zelluntergang (durch Apoptose?) mit rasch abfallenden Östrogen-

spiegeln in diesen Zyklusphasen in Zusammenhang. Die Autoren

spekulieren, dass diese zyklusabhängige Zellerneuerung von proximalen

Tubulusepithelien einen nephroprotektiven Effekt haben könnte und

damit das geringere Risiko für ESRD bei Frauen zumindest teilweise

erklären könnte.

1 Seppi et al., J Am Soc Nephrol 2016

Hemmung von PDE-5: ein neues Therapieprinzip bei diabetischer Nephropathie?

Trotz verschiedenster Therapiemaßnahmen schreitet die diabetische

Nephropathie bei vielen Patienten fort. Die verringerte Verfügbar-

keit von NO und cGMP in der Niere scheint bei der Progression der

diabetischen Nephropathie eine entscheidende Rolle zu spielen. Im Tier-

versuch konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung des intrazellulären

cGMP durch Hemmung des Enzyms Phosphodiesterase Typ 5 den Ver-

lauf der Erkrankung günstig beeinflussen kann. Dies betrifft sowohl Ver-

änderungen am Podozyten als auch die glomeruläre Hämodynamik.

Der Effekt der PDE-5-Inhibition durch den hochselektiven und lang

wirksamen Hemmer PF-00489791 auf die Albuminurie bei manifester

diabetischer Nephropathie mit Makroalbuminurie wurde in einer ran-

domisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie bei 256

Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht.1 Die Patienten erhielten

zusätzlich zur Standardtherapie 20 mg der Substanz oder Placebo (3:1)

täglich über 12 Wochen. Unter Therapie kam es zu einer Abnahme der

Albuminurie um 15,7 %. Blutdruck und eGFR blieben unverändert. Als

Nebeneffekt wurde eine Verbesserung des HbA1c beobachtet. Die Therapie

war gut verträglich mit Kopfschmerzen und gastrointestinalen Problemen

als Nebenwirkungen. Die Langzeitwirkung der Hemmung von PDE-5

bei diabetischer Nephropathie wird weiter in Langzeitstudien untersucht

werden, um mögliche Effekte auf die eGFR und kardiovaskuläre Ereignisse

beurteilen zu können.

1 Scheele et al., J Am Soc Nephrol 2016

Dextran-Sulfat-Apherese bei Präeklampsie

Eine Präeklampsie tritt in 3–8 % aller Schwangerschaften auf mit

potenziell schweren Folgen für Mutter und Kind. In der Pathogenese

spielt wahrscheinlich die vermehrte Freisetzung des antiangiogenetischen

Proteins soluble Fms-like tyrosine kinase 1 (sFlt-1) die entscheidende Rolle.

Eine rezente Studie1 untersuchte nun den Effekt der Elimination von sFlt-1

durch 1 bis 3 Dextran-basierte Apheresen bei 11 Schwangeren mit einer

Präeklampsie zwischen der 23. und 32. SSW. Antihypertensiva wurden

am Tag der Behandlung pausiert und die Schwangeren erhielten eine

zusätzliche Volumensubstitution. Durch die Apherese konnte der Serum-

spiegel von sFlt-1 um 18 % (7–28 %) gesenkt werden, die Protein- Kreatinin-

Ratio im Harn sank um 44 %. Die Dauer der Schwangerschaft konnte

durch eine Apherese im Schnitt um 8 Tage, durch mehrere Apheresen um

15 Tage verlängert werden Auf mütterlicher Seite traten keine Komplika-

tionen auf. Bei den Neugeborenen war zwischen den Kindern der Therapie-

gruppe und denen der Kontrollgruppe kein wesentlicher Unterschied,

lediglich die Dauer der Sauerstofftherapie war mit 2 Tagen im Vergleich

zu 11 Tagen verkürzt. Trotz Apherese kam es im Verlauf der Schwanger-

schaft zu einem weiteren raschen Anstieg von sFlt-1. Dies wirft die Frage

auf, ob für den günstigen Effekt neben der kurzfristigen und moderaten

Reduktion von sFlt-1 auch andere Mechanismen eine Rolle spielen.

1 Thadhani et al., J Am Soc Nephrol 2016

News aus der Welt der NephrologieMit Beiträgen von Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta

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NEPHRO Script FOCUS

Differenzialdiagnose, prognostische Relevanz, Management

Proteinurie nach Nierentransplantation

Eine Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplan-tation (NTx) auf und ist in diesem Zusammenhang ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre

Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben. Mangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien schwanken die Prävalenzangaben im nierentransplan-tierten Kollektiv je nach Methodik und Cut-off- Werten zwischen 7 % und 45 %. Neben de novo oder rekurrent auftretenden Nierenerkrankungen gibt es eine Vielzahl transplantspezifischer Ursachen. Als potenziell modi-fizierbarer Risikofaktor sollte die Proteinurie nach NTx möglichst frühzeitig bioptisch abgeklärt werden. Im Folgenden werden Diagnostik, Prävalenz, Ätiologie, Prognose sowie Management der Proteinurie nach NTx diskutiert.

Diagnostik

Analog zu nicht-nierentransplantierten Patienten unterscheidet man nach NTx zwischen tubulärer und glomerulärer Proteinurie. Bei ersterer kommt es durch Überschreiten der proteinspezifischen Rückresorptionsschwelle im proximalen Tubulus (z. B. bei multiplem Myelom oder Tumorlysesyndrom) bzw. durch direkte tubuläre Schädigung (z. B. durch interstitielle Inflammation, medikamentös toxische Schädigung oder Ischämie-assoziiert) zum Auftreten von niedermolekularen Proteinen (MG < 65 kDa; z. B. 1-Mikroglobulin, 2-Makroglobulin, freie Leichtketten etc.) im Endharn. Im Gegensatz dazu tritt in frühen Stadien der glome-rulären Schädigung durch den Verlust negativer Ladungen im Bereich der glomerulären Basalmembranen zunächst eine isolierte Albuminurie (sog. „selektive glomeruläre Proteinurie“) auf, da negativ geladenes Albumin (MG 67 kDa) physiologischerweise nur elektrostatisch, jedoch nicht größenbedingt an der Basalmem-branpassage gehindert wird. Bei fortschreitender Basalmembran-destruktion passieren zunehmend auch größere Proteine, allen voran IgG (MG 150 kDa), den glomerulären Filter (sog. „unse-lektive glomeruläre Proteinurie“). Abhängig von Art und Umfang

der renalen Parenchymschädigung können tubuläre und glomeruläre Proteinurie auch parallel auftreten. Mangels einheitlicher diagnostischer Richtlinien im nierentransplantierten Kollektiv muss betreffend Pro-teinurieabklärung auf Empfehlungen für nicht-nieren-transplantierte Patienten zurückgegriffen werden (KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients, Am J Transplant. 2009). Dabei stellt die Bestimmung der Protein- bzw. Albuminaus-scheidung im 24-h-Sammelharn weiterhin den Gold-standard dar, wenngleich aufgrund häufiger Sammel-fehler zunehmend die einfachere Bestimmung der sog.

Protein-Kreatinin- bzw. Albumin-Kreatinin-Ratio (PCR bzw. ACR, in mg/g) aus dem Spotharn Anwendung findet. Gemäß den ak-tuellen KDIGO-Richtlinien wird eine Gesamt eiweiß ausscheidung ≥ 300 mg/Tag bzw. eine Albumin ausscheidung ≥ 30 mg im 24-h-Sammelharn als eindeutig pathologisch definiert. Unabhängig davon existieren für die Verwendung von PCR bzw. ACR aus dem Spotharn eigene, geschlechtsspezifische Grenzwerte (Tab.).Von einer Einteilung in „Mikro“- bzw. „Makro“-Albuminurie wurde in den aktuellen Richtlinien Abstand genommen, alternativ erfolgt eine Kategorisierung in „moderate“ bzw. „schwere“ Albumin-urie (Tab.). Im direkten Vergleich zwischen 24-h-Sammelharn- und Spotharn-basierter Proteinuriediagnostik konnte eine weit-gehende Gleichwertigkeit der Methoden nach NTx gezeigt werden (Steinhäuslin et al., Clin Nephrol 1995).

Prävalenz

Je nach verwendetem Grenzwert, Messmethode und Zeitpunkt nach NTx variieren die Prävalenzangaben bezüglich Proteinurie in der Literatur zum Teil deutlich. So werden 12 Monate nach NTx Werte zwischen 7,5 % (Grenzwert 1 g/Tag) und 45 % (Grenz-wert 150 mg/Tag) berichtet (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Unmittelbar nach NTx tritt eine Proteinurie häufig auf, wobei initial (Stunden bis einige Tage) sowohl Eigen- als auch

uu Eine Proteinurie tritt häufig nach Nierentransplantation auf (Prävalenz je nach Definition 7 % bis 45 %) und ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für kardio-vaskuläre Ereignisse, Mortalität und Transplantatüberleben.uu Nach Nierentransplantation sollte jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag zeitnah bioptisch abgeklärt werden, um potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen.

Dr. Markus PirklbauerUniv.-Klinik für Innere

Medizin IV – Nephrologie und Hypertensiologie,

Medizinische Universität Innsbruck

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NEPHRO ScriptFOCUS

Transplantniere als Quelle in Frage kommen. Durch rasche Ab-nahme der Eigennierendurchblutung und Rückbildung der Hy-perfiltration kommt es innerhalb des ersten Monats nach NTx – sowohl bei zuvor dialysepflichtigen als auch präemptiv transplan-tierten Patienten – in aller Regel zu einer Normalisierung der „nativen“ Eiweißausscheidung, sodass grundsätzlich jede persistie-rende bzw. neu aufgetretene Proteinurie auf eine Transplantat-pathologie hinweist (D’Cunha et al., Am J Transplant 2005). Das Ausmaß der Proteinurie unmittelbar nach NTx ist bei zuvor dialyse-pflichtigen bzw. präemptiv transplantierten Patienten nahezu ident (Amer et al., Am J Transplant 2007), wobei sich im Vergleich zur Kadaverspende unmittelbar nach Nierenlebend spende – bei weit-gehend vergleichbarer tubulärer Proteinurie – eine deutlich gerin-gere glomeruläre Proteinurie zeigt. Eine raschere Besserung der glomerulären im Vergleich zur tubulären Proteinurie wird auf eine unterschiedliche Ischämie-Toleranz dieser Parenchymabschnitte zurückgeführt (Artz et al., Transplantation 2003).

Ätiologie

Verschiedene Assoziationsstudien konnten zeigen, dass Body Mass Index, Delayed Graft Function, Spenderalter, HLA-Mismatch, Ein-satz von Tacrolimus oder antihypertensiver Medikation sowie das Vorhandensein von Donor-spezifischen Antikörpern unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx dar-stellen (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Neben de novo oder rekurrent auftretenden Nierenerkrankungen (z. B. FSGS, MCN, MPGN, IGA-N, MN, TTP/HUS, postinfektiöse GN, primäre/sekundäre Vaskulitis, SLE, diabetische Nephropathie, Amyloidose, LK-Erkrankung etc.) und akuter Transplantatabsto-ßung ist die chronische Allograftnephropathie (CAN) hauptver-antwortlich für das Auftreten einer Proteinurie nach NTx (Sun et al., Plos One 2012). CAN ist gekennzeichnet durch typische histologische Veränderungen im gesamten Nierenparenchym (glo-meruläre Doppelkonturen, vaskuläre Verdickungen, entzündliches tubulointerstitielles Infiltrat sowie interstitielle Fibrose und tubu-läre Atrophie), wobei ursächlich sowohl Alloantigen-abhängige (z. B. chronisch zelluläre bzw. humorale Abstoßung) als auch Alloantigen-unabhängige Faktoren (z. B. Hyperfiltration, Hyper-tonie, diabetische Stoffwechsellage, Ischämie-/Reperfusionsscha-den, Spenderalter, medikamentös toxischer Schaden, Infektionen, thrombotische Mikroangiopathie etc.) beteiligt sein können

( Heemann et al., NDT 2013). Die tubulointerstitielle Entzündung nimmt dabei eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Protein-urie nach NTx ein, wobei die Proteinurie selbst den interstitiellen Entzündungsprozess fördert bzw. perpetuiert (Circulus vitiosus). Grundsätzlich kann die Art der Proteinurie (tubulär u./o. glome-rulär) nicht eindeutig über die zugrunde liegende Ursache Aus-kunft geben, da zahlreiche Noxen verschiedene Parenchymab-schnitte in unterschiedlichem Ausmaß schädigen können ( Ponticelli et al., Transplant Int. 2012). Die vielfach beschriebene Assoziation zwischen mTOR-Inhibitor-Einsatz und einer Proteinurie nach NTx ist ursächlich nur bedingt verstanden. Grundsätzlich werden zwei Situationen unterschieden: 1. Eine Proteinurie, die nach Umstellung einer Calcineurinin-

hibitor-(CNI)-basierten auf eine mTOR-Inhibitor-basierte Immunsuppression auftritt, wird primär auf geänderte hämo-dynamische Verhältnisse, d. h. eine erhöhte glomeruläre Durch-blutung bzw. Hyperfiltration nach CNI-Entzug, zurückgeführt (Letavernier et al., Transplantation 2005).

2. Die Entstehung einer Proteinurie bei primärem mTOR-Inhi-bitor Einsatz, d. h. ohne vorangegangene CNI-Verwendung, ist ursächlich wenig verstanden und wurde unter anderem auf eine gesteigerte VEGF-Expression zurückgeführt (Verhave et al., Clin Transplant 2014). In einer retrospektiven Studie der German Sirolimus Study Group kam es nach Konversion auf eine Sirolimus-basierte Immunsuppression bei 36 % der Pati-enten zum erstmaligen Auftreten einer Proteinurie trotz hohem Anteil an verwendeter RAAS-Blockade, wobei sowohl Patienten mit bereits vorhandener Proteinurie als auch neu aufgetrete ner Proteinurie nach Umstellung auf Sirolimus im Vergleich zu nicht proteinurischen Patienten ein schlechteres Transplantat-überleben aufwiesen (German Sirolimus Study Group, Clin Transplant 2014). In einer weiteren retrospektiven Analyse konnte darüber hinaus ein dosisabhängiger Effekt von Evero-limus auf das Ausmaß der Proteinurie nach NTx gezeigt werden (Wiseman et al., Am J Transplant 2013). Prospektive Daten über die Bedeutung der mTOR-Inhibitor-assoziierten Protein-urie auf das Transplantatüberleben fehlen jedoch bislang.

Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch postrenale Ursa-chen (Blutungen, Harnwegsinfekte, etc.) sowie andere transiente Faktoren (Fieber, körperliche Belastung, etc.) – analog zu Nieren-gesunden – zu passagerer Proteinurie nach NTx führen können.

Tab.: KDIGO-Klassifikation der Protein-/Albuminurie

Methode normal pathologisch

Proteinurie 24-h-Harn < (150–)300 mg/d > (150–)300 mg/d

Spot PCR < 200 mg/g > 200 mg/g

moderat schwer

Albuminurie 24-h-Harn < 30 mg/d 30–300 mg/d > 300 mg/d

Spot ACR< 17 mg/g (Mann)< 25 mg/g (Frau)

17–250 mg/g (Mann)25–355 mg/g (Frau)

> 250 mg/g (Mann)> 355 mg/g (Frau)

Modifiziert nach: KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients, Am J Transplant 2009

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NEPHRO Script FOCUS

Histologische Korrelation

Das Ausmaß der Proteinurie nach NTx korreliert nur begrenzt mit den zugrunde liegenden histologischen Veränderungen, welche in aller Regel den klinischen Zeichen der Transplantatschädigung (z. B. GFR-Abfall u./o. Proteinurie) vorausgehen. Bei > 600 NTx-Pati-enten konnte gezeigt werden, dass bei einer Proteinurie < 1.500 mg/Tag 1 Jahr nach NTx weder anhand der Proteinmenge noch mittels spezifischer Proteinanalysen statistisch zwischen verschiedenen r enalen Pathologien (CAN/IFTA, akute Abstoßung oder Gefäß-pathologie) bzw. unauffälliger Histologie (in 36% der Protokoll-biopsien vorliegend) unterschieden werden kann. Allerdings lag bei einer Proteinurie > 1.500 mg/Tag in 80 % der Fälle eine bioptisch nachweisbare glomeruläre Pathologie vor (Amer et al., Am J Trans-plant 2007). Unabhängig vom Ausmaß der Eiweiß ausscheidung stellt CAN mit 41 % die häufigste histologische Diagnose bei einer Proteinurie nach NTx dar, gefolgt von IgA-Nephropathie mit 16 % sowie akuter und chronischer Abstoßung mit je ca. 10 %. Insgesamt nimmt mit zunehmender Proteinurie der Anteil spezifisch glome-rulärer Erkrankungen (wie IGA- Nephropathie und FSGS) zu. Im-munologischen Prozessen scheint dabei eine besondere Bedeutung zuzukommen, da eine neu auftretende Proteinurie nach NTx in 96 % der Fälle mit zumindest einer immunologischen Läsion in der Transplantatbiopsie (am häufigsten interstitielle Inflammation, aber auch C4d-Ablagerung, glomeruläre C3-Ablagerung, Tubulitis, glomeruläre Doppelkonturen, Glomerulitis oder intimale Arteritis) einhergeht (Sun et al., Plos One 2012).

Prognostische Relevanz

Die Proteinurie ist ein etablierter Marker für die Progression chro-nischer Nierenerkrankungen in der nicht-transplantierten Popu-lation. Aufgrund anzunehmender Transplantat(vor)schädigung werden nierentransplantierte Patienten per se (GFR-unabhängig) der chronisch nierenkranken Population zugeordnet (KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease, Kidney Int 2012). Diesbezüglich konnten Busca et al. bei 231 Patienten zeigen, dass die richtlinengemäße KDIGO-Risikostratifizierung (anhand von GFR und Albumin-urie) auch im NTx-Kollektiv mit dem Transplantatüberleben un-abhängig assoziiert ist (Busca et al., Int Urol Nephrol 2014). Zahl-reiche Assoziationsstudien haben einen unabhängigen, negativen Zusammenhang zwischen der Proteinurie und Transplantat- bzw. Patientenüberleben gezeigt (Tsampalieros et al., Transplantation 2015). Bereits ein geringer Anstieg der Proteinurie ist – GFR-unabhängig – mit Transplantatversagen assoziiert (Amer et al., JASN 2009). Roodnat konnte zeigen, dass pro g/Tag Protein-urieanstieg das Patientenüberleben um 16 % abnimmt (Roodnat et al., Transplantation 2001). Im Unterschied zu Serumkreatinin ist eine Proteinurie > 500 mg/Tag 2 Jahre nach NTx der wichtigste unabhängige Prädiktor für das Patientenüberleben (HR 3,30) (Cantarovich et al., Clin Transplant 2010). Auch korreliert eine Proteinurie > 200 mg/g nach akuten Abstoßungsepisoden (in dieser Studie im Mittel 6 Monate nach NTx auftretend) signifi-

kant mit Transplantatfunktion und -überleben (Oblak et al., Trans-plant Proc 2013). Unabhängig von der verwendeten Methode (24-h-Harnsammlung bzw. PCR/ACR aus dem Spotharn) sind sowohl die Proteinurie als auch die Albuminurie gleichwertige Prädiktoren für das Transplantatüberleben. Der orientierende Screeningtest mittels Albustix® korreliert ebenfalls mit dem Trans-plantatüberleben, ist den zuvor genannten Methoden jedoch in Sachen Sensitivität und Spezifität unterlegen (Panek et al., NDT 2011). Das niedermolekulare Retinol-bindende Protein (RbP) gilt als bester unabhängiger Prädiktor für das Transplantatüber-leben, da es nicht nur bei glomerulärer Proteinurie, sondern auch bei isoliert tubulärer Proteinurie (d. h. in der normoalbuminu-rischen Subgruppe) statistisch signifikant mit dem Transplantat-überleben assoziiert ist (Amer et al., Am J Transplant 2013). Das Vorhandensein von interstitieller Inflammation sowie tubulärer Atrophie ist bei proteinurischen Patienten ein unabhängiger Prä-diktor für schlechteres Transplantatüberleben (Sun et al., Plos One 2012). Diese Ergebnisse weisen erneut auf die Bedeutung des tubulointerstitiellen Schadens für die Transplantatprognose hin.

Management

Die aktuellen KDIGO-Richtlinien empfehlen im ersten Monat nach NTx mindestens eine Harneiweißkontrolle, bei vorbekannter fokal segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) sollten davon ab-weichend in der ersten Woche tägliche bzw. im ersten Monat nach NTx wöchentliche Kontrollen erfolgen. Im Anschluss daran werden im ersten Jahr 3 monatliche bzw. ab dem ersten Jahr nach NTx zumindest jährliche Kontrollintervalle empfohlen. Generell wird ein Proteinurie-Screening mittels ACR/PCR-Bestimmung aus dem Spoturin empfohlen, wobei positive Befunde stets mittels 24-h-Sammelharn-Diagnostik verifiziert werden sollten. Basierend auf der aktuelle Studienlage und der potenziellen therapeutischen Relevanz sollte jede neu aufgetretenen Proteinurie > 300 mg /Tag bzw. jede unklare, persistierende Proteinurie > 3.000 mg/Tag als Zeichen einer möglichen Transplantatpathologie interpretiert und daher möglichst rasch bioptisch abgeklärt werden. Davon abweichend empfehlen manche Autoren bereits ab einer unklaren, persistierenden Proteinurie > 1.500 mg/Tag eine histologische Aufarbeitung, da über dieser Grenze in über 80 % der Fälle eine glomeruläre Pathologie nachweisbar ist (Amer et al., Am J Trans-plant 2007). Die Diskussion spezifischer Therapien von zugrunde liegenden Transplantatpathologien überschreitet den Rahmen dieses Übersichtsartikels, im Folgenden soll jedoch kurz auf all-gemeine, basistherapeutische Aspekte der Proteinurietherapie nach NTx eingegangen werden. Diese unspezifischen Maßnahmen um-fassen sowohl medikamentöse als auch Lifestyle-modifizierende Maßnahmen zur RR- und Lipidkontrolle, Restriktion des Koch-salzkonsums, Anstreben des idealen Körpergewichts sowie Nikotin-karenz. Aufgrund ihres unspezifischen, Proteinurie-senkenden Effekts sollten diese Maßnahmen auch bei einer Proteinurie nach NTx Anwendung finden, wenngleich die zugrunde liegenden Pa-thologien (z. B. bei akuter Abstoßung) dadurch nicht ursächlich beeinflusst werden. Trotz hoher Hypertonieprävalenz von bis zu

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NEPHRO ScriptFOCUS

75 % nach NTx (Cross et al., Transplantation 2009) liegen bis heute keine randomisiert-kontrollierten Studien zur optimalen Blutdruckkontrolle in diesem Patientenkollektiv vor. Die aktuellen KDIGO-Richtlinien empfehlen Zielwerte < 130/80 mmHg und geben in Hinblick auf anzuwendende Substanzklassen keine spe-zifische Empfehlung ab, sofern die Proteinurie 1 g/Tag nicht über-schreitet. Bei einer Proteinurie > 1 g/Tag sollten präferenziell ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker zur RR-The-rapie eingesetzt werden (Evidenz der Empfehlung „not graded“!). Darüber hinaus ist auch die Evidenz für den blutdruckunabhän-gigen Einsatz einer RAAS-Blockade zur Proteinuriereduktion nach NTx bei Fehlen von positiven randomisiert kontrollierten Studien sowie einer kontroversen retrospektiven Studienlage gering (Weir et al., JASN 2015, Opelz et al., JASN 2006, Heinze et al., JASN 2006, Shin et al., Transplantation 2015). Auch wenn durch RAAS-Blockade eine Reduktion der Proteinurie nach NTx möglich erscheint (Hiremath et al., Am J Transplant 2007), konnte bis-lang – im Unterschied zu nicht-transplantierten Patienten mit diabetischer Nephropathie – kein therapeutischer Benefit dieser Intervention auf Patienten- oder Transplantatüberleben im nieren-transplantierten Patientenkollektiv gezeigt werden. In einer rezent erschienenen randomisiert kontrollierten Multicenterstudie zeigte eine RAAS-Blockade mit Ramipril bei 213 proteinurischen NTx-Patienten keinen Vorteil hinsichtlich des kombinierten Endpunktes (GFR-Abfall, Dialysenotwendigkeit oder Tod) nach 4-jähriger Beobachtungsphase im Vergleich zur Placebotherapie bei jedoch

insgesamt erhöhter Nebenwirkungsrate in der Verumgruppe (Knoll et al., Lancet Diabetes & Endocrinology 2015). In diesem Zusam-menhang wurde bereits über einen möglichen negativen Effekt der RAAS-Blockade auf Hämoglobinwert und GFR nach NTx berichtet (Okumi et al., Clin Exp Nephrol 2011). In einer Meta-analyse von de Borst wurde eine 16%ige Reduktion der Protein-urie durch den Einsatz von aktiven Vitamin-D-Analoga bei nicht-transplantierten Patienten gezeigt (de Borst et al., J Am Soc Nephrol 2013), eine Bestätigung im nierentransplantierten Kollektiv ist jedoch bislang ausständig. Die Substitution von oralem Calcidiol bei 25-OH-Vitamin-D-Mangel (< 30 ng/ml) konnte im 1- jährigen Beobachtungszeitraum das Ausmaß der Proteinurie bzw. Albu-minurie nach NTx jedenfalls nicht beeinflussen (Kanter Berga et al., Transplant Proc 2010).

RESÜMEE: Eine Proteinurie tritt häufig nach NTx auf und ist dabei mit erniedrigtem Patienten- und Transplantatüberleben assoziiert. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Pathologien sollte jede neu aufgetretene Proteinurie > 300 mg/Tag bzw. jede un-klare, persistierende Proteinurie > (1.500–)3.000 mg/Tag nach Nierentransplantation zeitnah bioptisch abgeklärt werden, um potenziell reversible Ursachen frühzeitig zu erkennen. Mechanismen der Proteinurieentstehung nach NTx, insbesondere die Rolle der tubulointerstitiellen Inflammation, bedürfen weiterer Aufklärung, um die derzeit noch limitierten therapeutischen Optionen zu erweitern. ■

Fachkurzinformation siehe Seite 24

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NEPHRO Script FOCUS

Donor-spezifische Antikörper (DSA)

Umgang mit positivem DSA-Befund nach Nierentransplantation

DSA (Donor-spezifische Antikörper) sind alloreak-tive Antikörper, die gegen Epitope des Transplan-tats gerichtet sind. Die Detektion von DSA ist

erst seit Etablierung von Festphase-Tests (Solid Phase Assays – SPA) und der damit möglichen Messung von Alloreaktivität gegen Einzel-Antigene möglich gewor-den. Der Vollständigkeit halber sei hier bereits erwähnt, dass die Definition von dnDSA (dn = de novo) in den meisten Studien unterschiedlich gewählt wurde, da häufig verschiedene Detektionsprotokolle verwendet und auch nicht durchgängig Seren vergangener Jahre getestet wurden. Je nachdem, ob diese gegen HLA- oder Nicht-HLA-Moleküle gerichtet sind, wird auch hier nochmals eine Unterscheidung getroffen. Innerhalb der Anti-HLA-Antikörper lässt sich auch Antikörper gegen HLA-Klasse I, II oder beide (I + II) differenzieren. Nach dem zeitlichen Auftreten werden präformierte von nach der Transplantation neu aufgetre-tenen (dn) unterschieden. Rezent wurde auch ein Testkit zur Messung der Komplementsystem-Aktivierung etabliert; dazu wird die Bindungsfähigkeit der Antikörper von C1q nachgewiesen. Dementsprechend ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, DSA zu charakterisieren. Gleichzeitig verkompliziert diese Möglichkeit aufgrund der unterschiedlichen Klassifikationen der DSA in den Studien den einfachen Vergleich bzw. die Beurteilung der kli-nischen Bedeutung für den Einzelpatienten.

DSA und Transplantat-Überleben

Obwohl einige wenige Studien keinen Unterschied im Nieren-transplantat-Überleben (NTx-ÜL) und dem Nachweis von dnDSA fanden1–3, zeigt die Mehrzahl der Publikationen einen negativen Effekt von dnDSA auf das NTx-ÜL4–10. In einer Meta analyse (55

Studien, > 2.500 Patienten) war das relative Risiko für eine Antikörper-mediierte Abstoßung bzw. den Trans-plantatverlust um ca. 3,8- bzw. 1,7-fach erhöht bei Patienten mit dnDSA-Nachweis.11 In derselben Studie blieb das Risiko auch bei negativem FACS-XM signi-fikant erhöht. Ähnliche Ergebnisse wurden durch Wiebe im selben Jahr publiziert (50 % Transplantat-verlust nach 11 Jahren vs. 5 % in der DSA-negativen Kohorte), wobei hier auch präformierte und De-novo-Anti-HLA-Antikörper (nicht donor-spezifisch) erfasst wurden. Beide letzteren waren über einen Beobachtungs-zeitraum von 11 Jahren nicht signifikant unterschiedlich zur Kontrollgruppe ohne Antikörpernachweis.10 Im

Vergleich zu Anti-HLA-Klasse I sind Anti-HLA-Klasse-II-dnDSA mit einer schlechteren Prognose assoziiert.2, 12 Hirai et al.13 unter-suchten in einer Kohorte von ca. 330 Patienten die HLA-Epitope, gegen welche die dnDSA gerichtet waren. In 66 % war HLA-DQ das Zielepitop, während HLA-Klasse-I- bzw. HLA-Klasse-II- Epitope signifikant unterrepräsentiert waren.

Risikofaktoren für das Auftreten von De-novo-DSA

Risikofaktoren für das Auftreten von dnDSA sind Retransplan-tation, höherer HLA-Mismatch (v. a. Klasse II), junges Empfänger-alter, CMV-Infektionen, Non-Adherence und der Gebrauch von Everolimus (im Vergleich zu Cyclosporin A [CsA]) bzw. Azathi-oprin (im Vergleich zu Mycophenolat-Mofetil [MMF]).10, 14–16 Die Anwendung von Rituximab z. B. im Rahmen der Induktion scheint einen hemmenden Effekt auf die dnDSA-Produktion post NTx zu haben.13, 17–19 Bei geringeren Abstoßungsraten ist in einer Studie das NTx-ÜL jedoch nicht unterschiedlich.20 Auch für die

uu DSA-Screening nach NTx wird empfohlen. uu Bei DSA-Nachweis wird eine Nierenbiopsie empfohlen. uu Die Frage nach der optimalen immunsuppressiven Therapie bleibt aber letztendlich offen.

Assoc. Prof. Dr. Hannes Neuwirt, PhD

Univ.-Klinik für Innere Medizin IV – Nephrologie

und Hypertensiologie, Medizinische Universität

Innsbruck

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Induktionstherapie mit ATG wurden ähnliche Daten publiziert und rezent zusammengefasst.21

Zeitlich gesehen sind sowohl spätes Auftreten (bei restriktiven Kriterien für „de novo“, z. B. median 4,6 Jahre nach NTx, nur 2 % Inzidenz nach 12 Monaten10) als auch relativ frühes Auftreten innerhalb der ersten Monate beschrieben worden. In einer Meta-analyse an knapp 3.500 Patienten aus 11 Studien wurde im Median nach 25 Monaten in ca. 25 % der Patienten dnDSA nachgewiesen.22 Rezent wurde eine Studie publiziert, die sowohl den zeitlichen Zusammenhang als auch jenen zwischen Komplementbindung und NTx-ÜL untersuchte. Zusammengefasst sind ein früheres Auftreten und die C1q-Bindungsfähigkeit von dnDSA mit einem signifikant höheren Risikos für den Transplantatverlust verbunden.23

Testung und klinisches Management

2013 wurden Empfehlungen zur Testung und dem klinischen Management von HLA-(und Nicht-HLA-)Antikörpern publi-ziert.24 Neben dem klinisch orientierten Teil ist hier auch eine ausgezeichneter Überblick zu technischen Fragen zu finden. Das Patientenkollektiv wird stratifiziert in:1. sehr hohes Risiko: Patienten, die nach einem Desensibilisierungs-

protokoll transplantiert wurden2. hohes Risiko: DSA-positiv, XM-negativ3. mittleres Risiko: Z. n. Sensibilisierung gegen Donorantigene

mit positivem CDC (Komplement-abhängige Zytolyse) oder SPA (Solid Phase Assay), aktuell aber negativ

4. niedriges Risiko: nicht sensibilisiert, 1. Transplantation

Für die ersten beiden Gruppen wird eine Protokollbiopsie und DSA-Messung innerhalb der ersten 3 Monate empfohlen; für Gruppe 3 nur DSA-Messung im 1 Monat und für Gruppe 4 inner halb der ersten 3–12 Monate. Bei jeder Umstellung der Im-munsuppression (IS), Non-Adherence-Verdacht, Verschlechterung der Nierenfunktion sollten DSA gemessen werden. Werden im Verlauf DSA detektierbar, wird für alle Gruppen eine Nieren-biopsie empfohlen; bei bestätigter Abstoßungsreaktion wird all-gemein eine Erhöhung der IS empfohlen; bei fehlendem histolo-gischem Korrelat wird keine Erniedrigung der IS empfohlen. Steigen DSA-Titer im Verlauf an, soll auch ohne laborchemisches bzw. histologisches Korrelat die IS erhöht werden. Eine routine-mäßige DSA-Erfassung über das 1. Jahr post transplantationem hinaus wird nicht generell empfohlen.Bereits 2009 wurde gezeigt, dass eine Reduktion der DSA-Titer um > 50 % mit einer signifikant besseren Prognose hinsichtlich des NTx-ÜL assoziiert ist.25 Allerdings war die Studie zu klein, um aus den angewandten IS-Protokollen (verschiedene Kombi-nationen aus erhöhter IS, IVIG, Rituximab und Plasmapherese) eine Therapieempfehlung abzuleiten. Aus dem Genannten wird klar, dass viele der dnDSA-assoziierten Transplantatverluste wieder um mit modifizierbaren Risikofaktoren einhergehen. Ein solcher ist die „optimale“ IS nach NTx. Ein generelles Schema kann nicht empfohlen werden, aber einige grundlegende Über-

legungen scheinen aus der Literatur heraus sinnvoll. Der protek-tive Effekt von Rituximab bzw. ATG wurde bereits genannt. Des Weiteren scheint Tacrolimus noch mehr als Cylcosporin A den mTOR-Inhibitoren im Sinne einer reduzierten dnDSA-Häufigkeit post NTx überlegen zu sein.10, 14–16, 23, 26 Aus Sicht des dnDSA-freien Überlebens ist die Kombination von Calcineurininhibitoren (CNI)/Rapamycin einer Kombination aus CNI/Mycophenolat (MPA) bzw. Rapamycin/MPA überlegen und die Höhe der IS zum Zeitpunkt Monat 6 nach NTx ein signifikanter Risikomarker.27 Ein interessantes Molekül scheint auch Belatacept zu sein. Mittels dieser Co-Stimulationsblockade konnte in den BENEFIT-Studien ein signifikant geringerer Anteil (> 50 % Reduktion) an DSA-positiven Patienten im Vergleich zum Kontrollarm (Cylcosporin) gefunden werden.28–30 Ein ähnliches Ergebnis publizierte die Wiener Arbeitsgruppe in einer Fall-Kontroll-Studie.31 Auch bei einer Hand-transplantatierten wurde eine DSA-Reduktion unter Belatacept publiziert.32 In Versuchstierstudien für beide Modelle wurden ähnliche Effekte gefunden.33, 34 Im Vergleich dazu sind die vor-handenen Daten zum Switch auf Belatacept und DSA rudimen-tär. Ein Case-Report zeigt bei einem hochimmunisierten NTx-Patienten eine Reduktion der DSA um ca. 30 % nach Wechsel von Tacrolimus auf Belatacept.35

ZUSAMMENFASSUNG: Ein DSA-Screening sollte zumindest im 1. Jahr nach NTx durchgeführt werden. Danach wird ein Screening nur bei klinisch relevanten Ereignissen (Non-Adherence, Kreatinin-anstieg, Umstellung der IS) empfohlen. Bei DSA-Nachweis sollte einer Nierenbiopsie durchgeführt werden. Je nach Befund wird eine Optimierung der IS empfohlen. Belatacept könnte eine solche zusätzliche Optimierungsmöglichkeit sein. ■

1 Ginevri F., Am J Transplant 2012; 12: 3355–3362e2 Hidalgo L.G., Am J Transplant (2009) 9: 2532–25413 Li X., Transpl Int 2008; 21: 1145–11524 Lee P.C., Transplantation 2002; 74: 1192–11945 Terasaki P.I., Am J Transplant 2007; 7: 408–4156 Campos E.F., Am J Transplant 2006; 6: 2316–23207 Hourmant M., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 2804–28128 Mizutani K., Am J Transplant 2005; 5: 2265–22729 Lachmann N., Transplantation 2009; 87: 1505–151310 Wiebe C., Am J Transplant 2012; 12: 1157–116711 Mohan S., J Am Soc Nephrol 2012; 23: 2061–207112 Loupy A., Nat Rev Nephrol 2012; 8: 348–35713 Hirai T., Transplantation 2014; 98: 443–45014 Malheiro J., Transpl Int 2016; 29: 173–18315 Toyoda M., Transpl Immunol 1997; 5: 104–11116 Morath C., J Immunol Res 2014; 84504017 Zachary A.A., Transplantation 2013; 95: 701–70418 Lynch R.J., Am J Transplant 2013; 13: 1713–172319 Kohei N., Am J Transplant 2012; 12: 469–47620 van den Hoogen M.W., Am J Transplant 2013; 13: 192–19621 Pascual J., Transplantation Reviews 2016; in press22 Wiebe C., Curr Opin Organ Transplant 2013; 18: 470–47723 Guidicelli G., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 615–62524 Tait B.D., Transplantation 2013; 95: 19–4725 Everly M.J., Am J Transplant 2009; 9: 1063–107126 Theruvath T.P., Transplantation 2001; 72: 77–8327 Pelletier R.P., Clin Transplant 2015; 29: 1119–112728 Pestana J.O., Am J Transplant 2012; 12: 630–63929 Vincenti F., Am J Transplant 2012; 210–21730 Vincenti F., N Engl J Med 2016; 374: 333–34331 Schwarz C., Transpl Int 2015; 28: 820–82732 Cendales L., Am J Transplant 2015; 15: 2250–225533 Freitas A.M., Am J Transplant 2015; 15: 2240–224934 Kim E.J., Am J Transplant 2014; 14: 59–6935 Gupta G., Am J Transplant 2015; 2726–2731Fo

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Optimierung des Spenderpools

Der Remuzzi-Score: Implikation für die Doppelnierentransplantation

In den letzten Jahren wurden die Spanne zwischen zur Verfügung stehenden Organen und Patienten, welche auf Wartelisten auf eine Transplantation warten, immer größer.

Die Transplantation von Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien (Expanded Criteria Donors – ECD) hat sich als vielversprechende Strategie etabliert, um diesem Dilemma entge-genzuwirken.

Doppelnieren-TX zur Erhöhung der EDC-Akzeptanz

Solche Spender umfassen jene, welche älter als 60 Jahre sind, oder zwischen 50 und 60 Jahre alt sind und mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllen: Hypertonie in der Vorgeschichte, ein zerebro-vaskuläres Ereignis als Todesursache oder ein Serumkreatinin von 1,5 mg/dl.1, 2

Um die Erfolgsraten im Bezug auf Transplantatüberleben zu er-höhen und um die Akzeptanzrate von Nieren von ECD zu erhöhen, wurde die Doppelnierentransplantation eingeführt. Dabei gilt es zu beachten, dass in den USA die Ablehnungsrate von ECD-Nieren auch heute noch bei über 40 % liegt. Wobei gezeigt werden konnte, dass als Entscheidungshilfe hierfür die histologische Auf-arbeitung von Gewebeproben als auch die gemessenen Parameter von Perfusionsmaschinen genannt werden.1 In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass sich damit nicht nur die Akzeptanzrate von ECD-Nieren erhöhen lässt, sondern auch dass vergleichbar gute Ergebnisse erzielt werden können.3

Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe

In den darauffolgenden Jahren wurde nach Entscheidungshilfen gesucht, welche in der klinischen Routine helfen zu differenzieren, welche ECD-Niere als Einzelniere, welche als Doppelnieren und welche gar nicht transplantiert werden sollte. Die wohl vielver-sprechendste Strategie wurde von Remuzzi et al. 2006 im „New

England Journal of Medicine“ präsentiert. Die Autoren definieren einen histologischen Score, welcher vor der Implantation erhoben wird. Der Score quantifiziert Veränderungen in folgenden 4 unter-schiedlichen Kompartimenten der Niere: Gefäße, Glomeruli, Tubuli und Interstitium und vergibt jeweils Score-Werte von 0–3. Nieren mit einem Gesamtscore von 0–3 werden laut den Autoren als geeignet für eine Einzelnierentransplantation und Nieren mit einem Gesamtscore zwischen 4–6 als geeignet für eine Doppel-nierentransplantation eingestuft. Nieren mit Score-Werten über 7 sollten für einen Transplantation nicht in Betracht gezogen werden. Die Autoren berichten über ein exzellentes 3-Jahres-Transplantatüberleben von ECD-Nieren, welche für eine Doppel-nierentransplantation verwendet wurden. Das Transplantatüber-leben ist laut den Autoren mit jenem von Einzelnieren mit einem deutlich bessern Remuzzi-Score vergleichbar.4–6

In den USA werden aktuell bis zu 40 % der ECD-Nieren nicht transplantiert. Durch die Verwendung eines standardisierten Be-urteilungsmusters von Nierenbiopsien kann die Ablehnungsrate von ECD-Nieren deutlich reduziert werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ca. 20 % dieser Nieren, abhängig vom Er-gebnis der histologischen Untersuchung, als Doppelnieren trans-plantiert werden, kann durch das von den Autoren propagierte

uu Bis zu 40 % der Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien (ECD) werden schlussendlich nicht transplantiert. Strategien wie Doppelnieren-transplantationen sollen die Akzeptanzrate erhöhen.uu Histologischer Remuzzi-Score als Entscheidungshilfe, ob ein Organ für eine Einzelnieren-transplantation, eine Doppelnierentransplantation oder für eine Transplantation gar nicht in Betracht gezogen werden sollte.

KoautorInnen: Dr. Annemarie Weißenbacher, ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger

Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck

Dr. Rupert Oberhuber

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Vorgehen die gesamt Zahl an realisierten Nierentransplantationen um ca. 4 % erhöht werden.7

Histologische Technik

Ursprünglich entwickelt und validiert wurde der Remuzzi-Score an in Formalin fixiertem Gewebe nach Färbung mit Hämatoxylin und Eosin. Hier muss einschränkend erwähnt werde, dass ein solches Vorgehen zwar die besten Ergebnisse im Bezug auf Fär-bungsqualität liefert, in der klinischen Routine aufgrund der langen Dauer der Probenaufarbeitung nur schwer umsetzbar scheint. Selbst in spezialisierten Zentren unter Studienbedingungen dauert eine solche Aufarbeitung und histologische Befundung zwischen 3 und 4 Stunden. Eine mögliche Alternative könnte die Verwendung der Gefrier-schnitttechnik darstellen. Dadurch kann die Zeit von Proben-entnahme bis zum Vorliegen des Ergebnisses deutlich reduziert werden. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass eine Validierung des Remuzzi-Scores an Gefrierschnitten bis heute noch nicht erfolgt ist.

Welcher Cut-off?

Im Unterschied zum von Remuzzi et al. propagierten Vorgehen, Nieren mit einem Score von ≥ 4 nicht mehr als Einzelnieren zu transplantieren, konnte Fernandez-Lorente et al. zeigen, dass das Langzeit-Transplantatüberleben in ihrer „Old for old“-Kohorte zwischen Nieren mit einem Remuzzi-Score von 3 sich nicht sta-tistisch signifikant von jenem mit einem Remuzzi-Score von 4 unterscheidet, auch wenn eine Einzelnierentransplantation durch-geführt wurde. Weiters ist das Transplantatüberleben in der

Doppel nierentransplantationsgruppe nicht vom Remuzzi-Score zum Zeitpunkt der Transplantation abhängig.5, 7

ZUSAMMENFASSEND kann gesagt werde, dass Strategien, welche es uns ermöglichen, den Spenderpool optimal zu nutzen, sehr wünschenswert sind. Das Verwenden von ECD-Nieren kann eine mögliche Strategie hierfür darstellen. Falls ECD-Nieren für eine Einzelnierentransplantation als nicht geeignet eingestuft werden, kann eine Doppelnierentransplantation eine mögliche Alternative darstellen. Als Entscheidungshilfe hierfür wird in vielen Zentren eine histologische Evaluierung vor der Implantation durchgeführt. Die Beurteilung erfolgt vielfach in Analogie zum Remuzzi-Score, wobei in den letzten Jahren gezeigt wurde, dass nur Nieren mit einem hohen Remuzzi-Score von 5–6 für eine Doppelnierentrans-plantation verwendet werden sollten. Daher scheint es erforderlich, bei der Entscheidung für eine Doppel nierentransplantation sämtliche klinischen Parameter und nicht nur das Ergebnis der Histologie vor Implantation zu be-rücksichtigen. ■

1 Israni A.K. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: deceased organ donation. Am J Transplant 2014; 14 (Suppl. 1): 167–83

2 Matas A.J. et al.: OPTN/SRTR 2012 Annual Data Report: kidney. Am J Transplant 2014; 14 (Suppl. 1): 11–44

3 Gandolfini I. et al.: The Kidney Donor Profile Index (KDPI) of marginal donors allocated by standardized pretransplant donor biopsy assessment: distribution and association with graft outcomes. Am J Transplant 2014; 14: 2515–25

4 Remuzzi G. et al.: Early experience with dual kidney transplantation in adults using expanded donor criteria. Double Kidney Transplant Group (DKG). J Am Soc Nephrol 1999; 10: 2591–8

5 Remuzzi G. et al.: Long-term outcome of renal transplantation from older donors. N Engl J Med 2006; 354: 343–52

6 Sagasta A. et al.: Preimplantation analysis of kidney biopsies from expanded criteria donors: testing the accuracy of frozen section technique and the adequacy of their assessment by on-call pathologists. Transpl Int 2015

7 Grifasi C. et al.: Can only histological evaluation determine the allocation of ECD kidneys? BMC Nephrol 2014; 15: 207

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OFFENLEGUNG GEMÄSS §25 MEDIENGESETZ:Verlag: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Geschäftsführer: Mag. Wolfgang Maierhofer. Inhaber: 50 % P&V Holding AG, 45 % Wolfgang Maierhofer Privatstiftung, 5 % Mag. Gabriele Jerlich. Gegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Medien aller Art. Medien­inhaber: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Redaktion: Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Hersteller: Donau Forum Druck Ges.m.b.H., Wien.

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Neues zu Diagnostik, Pathogenese und Therapie

Akutes Nierenversagen

Akutes Nierenversagen ist ein häufiges, in seiner Inzidenz zunehmendes Krankheitsbild und mit bedeutender Morbidität, Mortalität und Belas-

tungen für Gesundheitssysteme assoziiert.1

Definition

Das akute Nierenversagen ist als abrupter Rückgang der Nierenfunktion mit daraus resultierender Reten-tion harnpflichtiger Substanzen und Regulations-störungen des Extrazellulärvolumens und Elektrolyt-haushalts definiert. Im englischen Sprachraum hat die Bezeichnung Acute Kidney Injury (AKI) den vorher üblichen Terminus Acute Renal Failure weitgehend ersetzt.2 Dieser Wandel reflektiert die Erkenntnis, dass auch nierenschädigende Ereignisse, welche oft nur einen sehr geringen und mitunter gar keinen messbaren Kreatininanstieg nach sich ziehen, bereits mit einem deutlich erhöhten Risiko für die diversen Folgen eines AKI einhergehen.1, 3, 4

Der Ausdruck Acute Kidney Disease (AKD) wurde zudem ein-geführt, um die Gruppe von Patienten zu erfassen, deren Nierenfunktion(sveränderung) noch keine Zuordnung zu AKI oder Chronic Kidney Disease (CKD) zulässt.

Klassifikation und Diagnosekriterien

Alle Klassifikations- bzw. Diagnosekriterien für AKI beruhen auf dem Serumkreatinin und der Harnausscheidung, wobei in den RIFLE-Kriterien noch die (berechnete) GFR hinzukam.5 Die Ein-beziehung der GFR erwies sich in späteren Arbeiten als problema-tisch, da weithin gebräuchliche Formeln zur Berechnung der GFR auf dem Kreatininwert im „steady state“ basieren und somit im AKI nicht anzuwenden sind. Außerdem ergaben sich signifikante Unterschiede im relativen Mortalitätsrisiko zwischen den RIFLE-Stadien berechnet anhand des Serumkreatinins oder der Harnaus-scheidung, was eine relativ schlechte Kalibrierung dieser beiden Messgrößen nahelegte. Nichtsdestotrotz zeigte sich in mehreren Arbeiten eine gute Korrelation der AKI-Stadien nach den RIFLE-Kriterien mit dem Outcome, vor allem mit der Mortalität.6

Die überarbeiteten AKIN-Kriterien verzichteten auf die GFR als Klassifikationskriterium, fügten jedoch eine absolute Zunahme des Serumkreatinins von ≥ 0,3 mg/dl in 48 h hinzu. Dies beruhte auf epidemi-ologischen Daten, welche eine 80%ige Zunahme im Mortalitätsrisiko bei relativ geringen Serumkreatinin-anstiegen innerhalb kurzer Zeit gezeigt hatten.1, 4

2012 modifizierten die KDIGO AKI Guidelines die RIFLE- und AKIN-Kriterien (Tab.), wobei die AKIN-Stadien sowie der Zeitraum für einen absoluten Kre-atininanstieg ≥ 0.3 mg/dl beibehalten wurden, während der Zeitraum für einen 50%igen Kreatinin anstieg in Anlehnung an die RIFLE-Kriterien mit 7 Tagen fest-

gelegt wurde.7

Die Nützlichkeit dieser Klassifikationssysteme liegt vor allem in der Definition von Ein- und Ausschlusskriterien oder Outcomes im Rahmen klinischer Studien. Trotz einer Vielzahl publizierter AKI-Marker (siehe unten) mit höherer Sensitivität vor allem für subklinisches AKI hat sich hier jedoch noch kein einzelner Marker oder neues Klassifikationssystem klinisch durchgesetzt.

Biomarker des AKI: Nicht zuletzt aufgrund der hohen Morbidität und Mortalität durch AKI hat sich die Forschung im Bereich von hochsensitiven und zugleich relativ spezifischen Biomarkern für AKI deutlich intensiviert. Seit dem ersten Bericht über den prä-diktiven Wert von Neutrophil Gelatinase-associated Lipocalin (NGAL) bei pädiatrischen Herzchirurgie-Patienten8 wurde ein gutes Dutzend weiterer Marker im Blut und Urin auf der Suche nach dem „Troponin der Niere“ mehr oder weniger gut unter-sucht.9 NGAL als mit Abstand am besten untersuchter Biomarker wird von geschädigten Tubulusepithelzellen, aber auch von infil-trierenden neutrophilen Granulozyten und einigen anderen Ge-weben unter inflammatorischen Bedingungen gebildet, und zeigte bis jetzt gemischte Resultate. Vor allem die nicht mögliche Unter-scheidung von renal und extrarenal gebildeten Formen hat die routinemäßige Verwendung dieses Biomarkers in der klinischen Praxis bis jetzt hinausgezögert.10

Ambitionierte epidemiologische Ansätze versuchen anhand von in Kohorten entwickelten Gleichungen, Patienten zu

uu Akutes Nierenversagen (AKI) wird klinisch über einen Anstieg des Serum kreatinins und die Abnahme der Harnausscheidung definiert.uu Pathogenese: endotheliale Dysfunktion, Änderungen im renalen Blutfluss, Inflammation mit gleichzeitig ablaufenden Reparaturmechanismen.

Dr. Alexander KirschKlinische Abteilung für

Nephrologie,Universitätsklinik für

Innere Medizin,Medizinische Universität

Graz

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identifizieren, welche im weiteren Verlauf eine AKI-Episode ent-wickeln könnten. Rezent wurde eine in einer kanadischen Kohorte entwickelte Gleichung multinational bei mehr als 700.000 Pati-enten validiert und erzielte eine exzellente Diskriminierung.11 In-wieweit solche Ansätze die klinische Entscheidungsfindung be-einflussen, bleibt abzuwarten.

Ätiologie

Am Krankenbett lässt sich die genaue Ätiologie eines AKI vor allem beim multimorbiden Patienten mit gleichzeitig bestehendem ar-teriellen Hypotonus, der Gabe von nephrotoxischen Substanzen und eventuell vorbestehender CKD oft nicht präzise eingrenzen.

Die Pathogenese des ischämischen AKI, welche hier stellvertretend umrissen werden soll, ist mechanistisch-experimentell am besten verstanden. Hierbei ist es jedoch wichtig zu betonen, dass ischä-mische Mechanismen nicht nur beim klassischen prärenalen AKI bei z. B. Hypotonus oder Kreislaufstillstand eine Rolle spielen, sondern verschiedenste Formen des AKI wie das medikamentös induzierte AKI (Kalzineurininhibitoren, NSAR), das hepatorenale Syndrom, das kardiorenale Syndrom oder Vaskulitiden zu lokalen Veränderungen des renalen Blutflusses (RBF) und damit zu Schä-digungen führen.12 Eine zentrale Rolle bei der weiteren Pathogenese kommt dem Endothel zu. Postischämisch kommt es zu einem deutlich verstärkten Ansprechen auf verschiedenste vasokonstrik-torische Substanzen (Prostaglandine, Endothelin-1, Angiotensin II) in den kleinen Arteriolen sowie zu einer deutlich verminderten Vasodilatation.13, 14 Die Expression verschiedenster Adhäsions-moleküle beschleunigt die lokale Entzündungsreaktion und führt durch Beeinträchtigung der endothelialen Barriere zu Flüssigkeits-austritt und zur Produktion verschiedenster vasoaktiver proin-flammatorischer Zytokine, welche weiter hämodynamische Stö-rungen begünstigen.15

Simultan kommt es zur Ausprägung einer zunächst lokalen, später systemischen Entzündungsreaktion: Geschädigte Tubuluszellen produzieren große Menge proinflammatorischer, leukozytoklas-tischer Moleküle (IL-6, IL-8, MCP-1, RANTES), exprimieren Toll-like-Rezeptoren (TLR) und Komplement-Rezeptoren und kostimulative Oberflächenmarker, mit denen die Ausprägung der späteren adaptiven Immunantwort beeinflusst wird.16–18 Im weiteren Verlauf kommt es zur Infiltration zunächst durch neutrophile Granulozyten, welche durch Degranulation weitere Gewebsschädigung verursachen, später folgen monozytäre Zellen und T-Zellen.

Therapie

Experimentelle Daten legen nahe, dass sich durch die Manipulation dieser Entzündungsvorgänge eine Verringerung der renalen Schädigung erreichen lässt19, 20, was jedoch bisher

keinen Eingang in die klinische Praxis gefunden hat. Rezent konnte eine große Studie zeigen, dass die antiinflammatorische Therapie durch die perioperative Gabe von hochdosierten Sta-tinen vor herzchirurgischen Eingriffen keinerlei Einfluss auf die AKI-Rate hatte.21 Ebenso wurde rezent berichtet, dass die peri-operative Verabreichung von Methylprednisolon die Inzidenz von AKI bei Patienten mit kardiopulmonalem Bypass nicht verringert.22

RESÜMEE: AKI ist ein häufiges, mit bedeutender Morbidität und Mortalität assoziiertes Krankheitsbild. Die Diagnose stellt sich anhand der Serumkreatinin-Dynamik und Harnausscheidung, wobei hier oft prognostisch bedeutende, subklinische AKI un-diagnostiziert bleiben können. Eine Reihe von Biomarkern, welche frühe subklinische AKI- Episoden detektieren, haben noch keine Verwendung in der klinischen Praxis gefunden. Pathogenetisch ist AKI ein Syndrom aus endothelialer Dysfunktion mit hämodynamischen Alterati-onen und Inflammation. Antiinflammatorische Therapieansätze blieben bis jetzt klinisch ohne überzeugende Erfolge. ■

1 Chertow G.M. et al., J Am Soc Nephrol 2005; 16: 3365–33702 Ad-hoc working group of ERBP et al.: A European Renal Best Practice (ERBP) position

statement on the Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) clinical practice guidelines on acute kidney injury: part 1: definitions, conservative management and contrast-induced nephropathy. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 4263–4272

3 Mehta R.L. & Chertow G.M., J Am Soc Nephrol 2003; 14: 2178–21874 Lassnigg A. et al., J Am Soc Nephrol 2004; 15: 1597–16055 Bellomo R. et al., Crit Care 2004 Aug; 8 (4): R204–126 Ricci Z. et al., Kidney Int 2008; 73: 538–5467 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO). KDIGO clinical practice guidelines

for acute kidney injury. Kidney Inter 2012; Suppl. 2: 1–1388 Mishra J. et al., Lancet 2005; 365: 1231–12389 Bellomo R., Nat Rev Nephrol 2015; 11: 636–63710 Mårtensson J. & Bellomo R., Blood Purif 2014; 37: 304–31011 Tangri N. et al., JAMA 2016; 315; 164–17412 Bonventre J. V. & Yang L., J Clin Invest 2011; 121: 4210–422113 Conger J., Adv Ren Replace Ther 1997; 4: 25–3714 Kurata H. et al., Eur J Pharmacol 2005; 517: 232–23915 Rabelink T.J. et al., Nat Rev Nephrol 2010; 6: 404–41416 Wahl P. et al., J Am Soc Nephrol 2002; 13: 1517–1526 17 Wahl P. & Wüthrich R.P., Nephron Exp Nephrol 2004; 98: e31–818 Bonventre J.V. & Zuk A., Kidney Int 2004; 66: 480–48519 Hochegger K. et al., Am J Physiol Renal Physiol 2007; 293: F741–720 Alikhan M.A. et al., J Am Soc Nephrol 2016; 27: 706–71421 Billings F.T. et al., JAMA 2016; 315: 877–88822 Garg A.X. & Whitlock R.P.: Effect of Methylprednisolone on Acute Kidney Injury in

Patients Undergoing Cardiac Surgery with Cardiopulmonary Bypass. Abstract presented at ASN Kidney Week 2015, San Diego

Tab.: KDIGO-AKI-Kriterien des akuten Nierenversagens

Definition Serumkreatinin-Anstieg ≥ 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder > 50 % innerhalb von 7 Tagen

Serumkreatinin Harnausscheidung

Stadium 1 Anstieg um 0,3 mg/dl oder 50 %

< 0,5 ml/kg/h für > 6 h

Stadium 2 Anstieg um > 100 % < 0,5 ml/kg/h für > 12 h

Stadium 2 Anstieg um > 200 % < 0.3 ml/kg/h für ≥ 24 h oder Anurie für ≥ 12 h

Nach: KDIGO, 20127

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Pathomechanismen im komplexen „Crosstalk“

Akutes Nierenversagen als Risikofaktor (nicht nur) für CKD

Das Bild des akuten Nierenversagens reicht von einer minimalen Erhöhung des Serumkreatinins bis zum vollständigen Verlust der Nierenfunktion. Um

dem breiten Spektrum dieses Krankheitsbildes gerecht zu werden, wurde 2007 in einer internationalen Kon-sensuskonferenz die Bezeichnung „akutes Nierenver-sagen“ durch den Terminus „akute Nierenschädigung“ (Acute Kidney Injury – AKI) ersetzt und die Diagnose-kriterien neu definiert.1 Im deutschsprachigen Raum spricht man zwar weiterhin vom akuten Nierenversagen, jedoch hat sich die Abkürzung „AKI“ durchgesetzt (hinsichtlich der aktuellen Definition und Stadien-einteilung des AKI sei auf den Beitrag von Alexander Kirsch in dieser „NEPHROScript“-Ausgabe verwiesen). Prinzipiell ist festzuhalten, dass das AKI ist ein weit verbreitetes klinisches Problem mit steigender Inzidenz ist. Eine Metaanalyse mit 154 inkludierten Studien und insgesamt über 3 Millionen Patienten ergab, dass jeder 5. Erwachsene und jedes 3. Kind im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts ein AKI entwickelt.2 Kritisch kranke Patienten stellen eine besonders gefährdete Patientengruppe dar, durchschnittlich jeder zweite Intensivpatient entwickelt ein AKI und es zeigt sich eine Sterblichkeitsrate von bis zu 50 %3. Diese extrem hohe Mortalität des AKI lässt sich jedoch nicht nur durch das klassische Nierenversagen per se erklären, vielmehr scheinen extrarenale Komplikationen im Rahmen eines AKI mit Schädi-gung von nierenfernen Organen für das schlechte Outcome ver-antwortlich zu sein. Die Tatsache, dass der Einsatz von extrakor-poralen Nierenersatzverfahren bei Intensivpatienten die Mortalität des AKI nur wesentlich verringert hat, unterstützt diese Hypo-these.4 In einer prospektiven Studie hatten ICU-Patienten mit AKI im Vergleich zu ICU-Patienten mit vorbestehender ESRD eine signifikant höhere Mortalität, ein weiterer Hinweis dafür,

dass neben den klassischen Komplikationen des Nieren-versagens andere Faktoren für das schlechte Outcome des AKI verantwortlich sein müssen.5 Aus diesen Gründen hat das AKI in den letzten Jahrzehnten in der Medizin einen grundlegenden Wandel vom ein-fachen Organversagen hin zu einem systemischen pro-inflammatorischen, prooxidativen und katabolen Syn-drom erfahren, das Auswirkungen auf praktisch alle physiologischen Prozesse und Organfunktionen im Sinne einer „Distant Organ Injury“ hat. Damit ist das AKI nicht mehr nur als Indikator für einen ungüns-tigen Krankheitsverlauf zu sehen, sondern es beeinflusst unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung

den Krankheitsverlauf, die Ausbildung von Komplikationen und die Prognose.4, 6

Systemische Folgen eines AKI

Die Ursachen für die negativen Konsequenzen eines AKI auf den Krankheitsverlauf und die Prognose unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung sind darin zu suchen, dass das AKI nicht ein Krankheitsprozess ist, der sich nur auf die Niere beschränkt und mit den klassischen Komplikationen, wie z. B. Störungen des Volumen- und Elektrolythaushalts, einhergeht, sondern Ein-fluss auf praktisch alle biologischen Prozesse und Organfunktionen des Körpers ausübt. Dieses Modell der „Distant Organ Injury“ im Rahmen eines AKI wird vor allem von tierexperimentellen Daten gestützt. Prinzipiell können die systemischen Folgen eines AKI pathophy-siologisch 4 Gruppen zugeordnet werden, wobei diese nicht unabhängig voneinander ablaufen, sondern eng miteinander verknüpft sind.4, 6, 7, 8

uu Das akute Nierenversagen (AKI) ist nicht nur ein simples Organversagen, sondern ein systemisches proinflammatorisches, prooxidatives und kataboles Syndrom.uu Komplexe Pathomechanismen im „Crosstalk“ auf mehreren Ebenen: toxisch- urämische Folgen, lokale und systemische Inflammation, systemische Effekte einer Nieren-ersatztherapie etc.uu Das AKI hat Einfluss auf nahezu alle biologischen Funktionen und Organsysteme des Körpers und beeinflusst wesentlich sowohl die Kurz- als auch Langzeitprognose eines Patienten.

Dr. Claudia FriedlKlinische Abteilung für

Nephrologie,Universitätsklinik für

Innere Medizin,Medizinische Universität

Graz

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1. Systemische Auswirkungen des akut-urämischen Zustand: Das AKI hat neben Störungen des Volumen- und Elektrolythaus-haltes ein breites Spektrum von toxisch-urämischen Folgen, wobei nahezu alle metabolischen und endokrinen Funktionen des Körpers betroffen sind. Es kommt zu Veränderungen im Kohlenhydrat-, Aminosäuren-, Protein- und Fettstoffwechsel. Die Folge sind zum Beispiel Stoffwechselstörungen wie die Insulinresistenz, Hyperlipidämie, Störung des zellulären Energiestoffwechsels und Beeinträchtigung der Immun-kompetenz.

2. Auswirkungen vermittelt durch die geschädigte Niere selbst – Inflammation: Das AKI stellt einen Inflammationsprozess dar, eine Schädigung der Niere löst eine lokale Entzündungs antwort aus, es kommt zu einer Aktivierung von immunkompetenten Zellen (z. B. am Beginn vor allem Neutrophile, aber auch Lymphozyten und Makrophagen), Freisetzung von Entzün-dungsmediatoren und auch verstärkter Apoptose. Dieser lokale Entzündungsprozess kann in einen systemischen Prozess münden und so wesentlich zur Entwicklung der „Distant Organ Injury“ beitragen. In tierexperimentellen Studien waren bereits wenige Stunden nach Induktion eines AKI Dysfunktionen in „nierenfremden“ Geweben und Organen nachweisbar.

3. Niere als Modulator des zugrunde liegenden Krankheitspro-zess: Die Niere spielt eine zentrale Rolle bei der Zytokin-Homöostase, der Abbau von Zytokinen erfolgt im renalen Tu-bulussystem. Mit abnehmender Nierenfunktion kommt es zu einer Abnahme der renalen Zytokin-Clearance mit konsekutiver Zunahme der Plasmakonzentration. Es entsteht ein Circulus vitiosus mit Zunahme des systemischen Entzündungsprozesses und dadurch begünstigter Schädigung von „nierenfernen“ Organen. In klinischen Studien waren erhöhte Zytokinspiegel mit einem schlechteren Outcome bei vorliegendem AKI assoziiert.

4. Folgen der Nierenersatztherapie (RRT): Die RRT selbst hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf verschiedene bio-logische Funktionen und Organe. Zu diesen zählen hämody-namische Instabilität, Verlust von Nährstoffen und Antioxidan-tien, Folgen der Bioinkompatibilität mit möglicher Zell- und Komplementaktivierung, vermehrte Thrombogenität, Induk-tion einer systemischen Entzündungsreaktion sowie die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen. Auch die verwendete Anti-koagulation spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Während für das klassische unfraktionierte Heparin eine Reihe von Wirkungen gezeigt werden konnten, die diesen inflam-matorischen Status unterstützen, scheint die Verwendung von Citrat durch Hemmung der Aktivierung von Thrombozyten, Granulozyten und dem Komplementsystem diesen durch die RRT induzierten Inflammationsprozess abzuschwächen. Auch Über- und Unterdosierung von Medikamenten infolge der veränderten Pharmakokinetik bei RRT können das Outcome zusätzlich negativ beeinflussen, vor allem die zu niedrige Do-sierung von Antibiotika bei vorliegenden Infekten spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Basierend auf diese oben genannten Mechanismen führen ver-schiedene komplexe Vorgänge im Rahmen eines AKI zur Schä-digung von nierenfernen Organen wie Lunge, Herz, Leber, Darm, sodass das AKI als Motor für die Entwicklung eines Multiorgan-versagens gesehen werden kann. Prinzipiell ist festzuhalten, dass diese Wirkungen nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr ein „Organ-Crosstalk“ besteht.4, 6, 7, 8 Die systemischen Folgen eines AKI mit den zugrunde liegenden pathophysiologischen Mecha-nismen sind in der Abbildung zusammengefasst.

Langzeitfolgen eines AKI

Zusätzlich zu den o. g. unmittelbaren systemischen Folgen des AKI sind es vor allem auch die Langzeitfolgen, die die Prognose des Patienten wesentlich beeinflussen. Zahlreiche epidemiologische Studien konnten zeigen, dass das AKI mit der Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und eines terminalen Nieren versagens (End Stage Renal Disease – ESRD) assoziiert ist.9, 10 Exemplarisch sei hier die Studie von Ishani et al. erwähnt, in welcher die Daten von über 230.000 Patienten analysiert wurden. Patienten mit einem AKI und CKD hatten nach 2 Jahren das höchste Risiko, eine ESRD zu entwickeln (Hazard Ratio [HR] 41,2), gefolgt von jenen Patienten nur mit AKI (HR 13,0) und denen mit CKD ohne AKI (HR 8,4).11 In eine anderen Analyse von über 500.000 Patienten ging das dialysepflichtige AKI mit einem 28-fach höherem Risiko für die Progression zu einer CKD 4 oder 5 und einem 2-fach höherem Sterblichkeitsrisiko einher.12 Die Arbeitsgruppe Thakar et al. untersuchte den Zusammenhang zwischen dem wiederholten Auftreten eines AKI und der Ent-wicklung einer CKD 4 bei über 4.000 Diabetikern. Patienten mit AKI hatten ein 3,6-fach höheres Risiko, eine CKD 4 zu entwickeln, als jene ohne AKI. Jede AKI-Episode war mit einer Verdoppelung des Risikos für die Entwicklung einer CKD 4 assoziiert.13 Patienten mit einem AKI weisen neben einer erhöhten Gesamt-mortalität eine signifikant höhere kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. In einer gematchten Studie von Wu et al. hatten Patienten mit einem intermittierend dialysepflichtigem AKI ein um 67 % höheres Risiko, innerhalb von 3 Jahren ein koronares Ereignis zu erleiden, als jene ohne AKI.14 Dieses Risiko war un-abhängig von der Entwicklung einer CKD oder ESRD. Dieselbe Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass das Risiko für das Auftreten eines Schlaganfalls nach einem dialysepflichtigen AKI ums 1,3-Fache erhöht ist im Vergleich zu Patienten ohne AKI.15 In einer groß angelegten Kohortenstudie bei über 14.500 Koronarangio-grafie-Patienten hatten jene mit AKI 1 ein um 47 % höheres Risiko für die Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz. Des Weiteren hatten die Patienten mit AKI in dieser Studie in Abhängigkeit vom Schweregrad ein 3,7-fach höheres Risiko zu versterben bzw. ein 11,7 fach höheres Risiko, eine ESRD zu ent-wickeln.16 Eine Studie mit Patienten mit koronarer Bypass operation ergab, dass bereits ein geringer postoperativer Anstieg des Serum-kreatinins von 0,3–0,5 mg/dl mit einem höheren Risiko für die Entwicklung eines Myokardinfarkts und einem erhöhten ˘Fo

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Mortalitätsrisiko assoziiert ist.17 Des Weiteren gibt es Hinweise in der Literatur, dass ein AKI mit einem höheren Risiko für obere gastro intestinale Blutungen18, Entwicklung einer aktiven Tuber-kulose19, Auftreten von Knochenfrakturen20 und malignen Er-krankungen21 vergesellschaftet ist. Über die zugrunde liegenden Mechanismen dieser Langzeitkomplikationen des AKI ist bis jetzt jedoch noch wenig bekannt.

RESÜMEE: Das akute Nierenversagen ist nicht nur ein simples Organversagen, sondern ein systemischer Krankheitsprozess. Durch proinflammatorische, prooxidative und katabole Wirkungen führt

das AKI zur Schädigung von „nierenfernen“ Organen und kann als Motor für die Entwicklung eines Multiorganversagens gesehen werden. Die zugrundeliegenden komplexen Pathomechanismen spielen sich auf mehreren Ebenen ab, wobei diese Wirkungen nicht unidirektional ablaufen, sondern vielmehr ein „Organ-Cross-talk“ besteht. Neben diesen unmittelbaren systemischen Folgen eines AKI, sind es auch die Langzeitfolgen/-komplikationen, welche die Prognose eines Patienten wesentlich beeinflussen, zu diesen zählen vor allem die Entwicklung einer CKD/ESRD, eine erhöhte Gesamtmortalität sowie eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. ■

Adaptiert nach: Druml W.6, Shiao C.C. et al.7, Doi K. et al.8, Bagshaw S.M. et al.22

Abb.: Systemische Folgen eines AKI

� urämische Toxine� Zytokine� Leukozyten-Trafficking� oxidativer Stress� Apoptose� Komplementaktivierungveränderte GenregulationDysregulation von Elektrolyt-, Wasser- und Säurebasenhaushalt

1. systemische Auswirkungen durch den akut- urämischen Zustand

2. inflammatorischer Charakter der geschädigten Nieren

3. Niere als Modulator des zugrunde liegenden Krankheitsprozesses

4. negative Effekte der Nierenersatztherapie

veränderte Pharmakokinetik

Inflammation, intestinales Ödem, eingeschränkte Motilität, Erosionen, Ulzerationen, Blutungen, Pankreatitis, Kolitis

Magen-Darm-Trakt:

Inflammation, erhöhte mikrovaskuläre Permeabilität, Störungen der Blut-Hirn-Schranke, Enzephalopathie

Gehirn:

Inflammation, Rhythmusstörungen, Myokard-ischämie, Linksherzdilation, systolische und diastolische Dysfunktion, Vasodilatation, Hyperzirkulation, Kardiomyopathie, Perikarditis

Herz:

Inflammation, erhöhte vaskuläre Permeabilität, Alveolitis, Lungenödem, ARDS, prolongiertes Weaning

Lunge:

Anämie, Thrombozytopenie, Koagulopathie, hämorrhagische Diathese

Hämatologisch:

Insulinresistenz, Hyperlipidämie, Aktivierung des Proteinkatabolismus

Metabolisch:

eingeschränkte humorale und zelluläre Immunität

Immunsystem:

Inflammation, Leberzellschaden, veränderte Leber-enzymkonzentrationen

Leber:

1 Mehta R.L. et al.: Acute Kidney Injury Network: report of an initiative to improve outcomes in acute kidney injury. Crit Care 2007

2 Susantitaphong P. et al.: World incidence of AKI: a meta-analysis. Clin J Am Soc Nephrol 2013 3 Uchino S. et al.: Acute renal failure in critically ill patients: a multinational, multicenter

study. JAMA 2005 4 Grams M.E. et al.: The distant organ effects of acute kidney injury. Kidney Int 2012 5 Clermont G. et al.: Renal failure in the ICU: comparison of the impact of acute renal failure

and end-stage renal disease on ICU outcomes. Kidney Int 2002 6 Druml W.: Systemic consequences of acute kidney injury. Curr Opin Crit Care 2014 7 Shiao C.C. et al.: Long-term remote organ consequences following acute kidney injury.

Crit Care 2015 8 Doi K. et al.: Impact of acute kidney injury on distant organ function: recent findings and

potential therapeutic targets. Kidney Int 2016 9 Heung M. et al.: Acute kidney injury: gateway to chronic kidney disease. Nephron Clin

Pract 201410 Coca S.G. et al.: Chronic kidney disease after acute kidney injury: a systematic review and

meta-analysis. Kidney Int 201211 Ishani A. et al.: Acute kidney injury increases risk of ESRD among elderly. J Am Soc Nephrol

2009 12 Lo L.J. et al.: Dialysis-requiring acute renal failure increases the risk of progressive chronic

kidney disease. Kidney Int 200913 Thakar C.V. et al.: Acute kidney injury episodes and chronic kidney disease risk in diabetes

mellitus. Clin J Am Soc Nephrol 201114 Wu V.C. et al.: Long-term risk of coronary events after AKI. J Am Soc Nephrol 2014 15 Wu V.C. et al.: The impact of acute kidney injury on the long-term risk of stroke. J Am

Heart Assoc 201416 James M.T. et al.: Associations between acute kidney injury and cardiovascular and renal

outcomes after coronary angiography. Circulation 2011 17 Rydén L. et al.: Acute kidney injury after coronary artery bypass grafting and long-term

risk of myocardial infarction and death. Int J Cardiol 201418 Wu P.C. et al.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI.

Clin J Am Soc Nephrol 201519 Wu P.C. et.: Long-term risk of upper gastrointestinal hemorrhage after advanced AKI. Clin

J Am Soc Nephrol 2015 20 Wang W.J. et al.: The impact of acute kidney injury with temporary dialysis on the risk of

fracture. J Bone Miner Res 201421 Chao C.T. et al.: Dialysis-requiring acute kidney injury increases risk of long-term malignancy:

a population-based study. J Cancer Res Clin Oncol 2014 22 Bagshaw S.M. et al.: Cardiorenal syndrome type 3: pathophysiologic and epidemiologic

considerations. Contrib Nephrol 2013

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Update zur Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD)

Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz Frühes Stadium der CKD-MBD

Die Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Dis-order (CKD-MBD) entwickelt sich im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz schon sehr früh und erste Veränderungen im Phosphatstoffwechsel finden bereits vor dem CKD-Stadium III statt. Dazu müssen komplexe Feedbackmechanismen zwischen verschie-denen Organen, unter anderem der Niere, dem Knochen, der Nebenschilddrüse und dem Darm, statt-finden, welche nach letzten Erkenntnissen vor allem der Aufrechterhaltung einer weitgehend normalen Phosphathomöostase dienen. Durch eine Abnahme der Nieren-funktion muss die Phosphatfiltration im Glomerulum gesteigert werden, was bereits im kompensierten Stadium ein Stimulus für eine gesteigerte Produktion von Fibroblast Growth Factor 23 (FGF-23) und Parathormon (PTH) ist. FGF-23 wird schon vor einer gesteigerten PTH-Sekretion bei Niereninsuffizienz vermehrt von Osteozyten und Osteoblasten gebildet.1–3 Bei manifester Hyper phosphatämie wird die FGF-23-Produktion weiter gesteigert, um die Phosphatlast für den Organismus zu reduzieren. Interes-santerweise existiert womöglich auch eine tubuläre FGF-23- Produktion, die von der tubulären Phosphatfiltration abhängig ist.4 Mechanistisch gesehen steigert FGF-23 durch Bindung an den FGF-Rezeptor 1 sowie seinen Co-Rezeptor Klotho die renale

Phosphatausscheidung durch eine verminderte Expres-sion der Natrium-Co-Transporter IIa und IIc und hemmt die tubuläre Phosphat-Reabsorption sowie die Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D.4 Diese aktive Hemmung der Vitamin-D-Synthese ist ein weiterer Schutz vor einer erhöhten Phosphataufnahme und damit Phosphatüberladung. Die gesteigerte PTH- und FGF-23-Produktion, um Phosphat zu eliminieren, hat nicht nur Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel, sondern auch auf das kardiovaskuläre System. So kann FGF-23 experimentell eine Linksventrikelhypertrophie induzieren, jedoch

stand man bislang vor dem Rätsel, dass im Herzgewebe weder der FGF-23-Rezeptor noch Klotho exprimiert werden. Sehr rezente Untersuchungen zeigen nun, dass FGF-23 unabhängig von Klotho an den FGF-Rezeptor 4, der von kardialen Myozyten exprimiert wird, bindet und damit eine Zellhypertrophie induzieren kann. Dieser Rezeptor könnte somit ein neues Target-Molekül darstel-len, um die Entstehung einer Linksventrikelhypertrophie bei CKD-Patienten zu therapieren.5 Während eine FGF-23-Erhöhung zwar eindeutig mit der Mortalität bei Hämodialyse-Patienten korreliert, dürfte seine Dysregulation eher das Bemühen des Organismus widerspiegeln, einer gestörten Phosphatregulation bei Nierenin-suffizienz entgegenzusteuern, da etwa auch experimentell im Tier-modell an Ratten gezeigt werden konnte, dass neutralisierende

uu Insights in die Entstehung der CKD-MBD: Veränderungen im Knochenstoffwechsel mit systemischen Auswirkungen schon im Frühstadium der CKD. uu Die Entdeckung weiterer Schlüsselproteine in diesem Vorgang lassen nun auf die Möglichkeit neuer Therapieansätze hoffen.uu Eine Hemmung von Sclerostin mittels eines humanisierten Antikörpers zeigt bisher gute Ergebnisse in der Osteoporosetherapie und eröffnet eventuell neue Wege in der Therapie und Erforschung der CKD-MBD.

Dr. Danielle DiarraKlinische Abteilung für

Nephrologie und Dialyse, Univ.-Klinik für

Innere Medizin III, MedUni Wien/AKH Wien

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FGF-23-Antikörper zwar die serologischen Manifestationen eines sekundären Hyperparathyreoidismus weitgehend normalisieren, die Tiere aber letztlich an stark verkalkten Gefäßen mit hohen Serumphosphatspiegeln verstarben.6, 7 Daraus ergibt sich aber kon-zeptuell, dass viele der gestörten Regelkreise im Rahmen eines manifesten CKD-MBD-Syndroms aktiv aufrechterhalten werden, um sich vor möglichen schädlichen Konsequenzen wie etwa einer Hyperphosphatämie zu schützen. Letztlich ist derzeit auch unklar, ob eine routinemäßige Bestim-mung von FGF-23 im klinischen Alltag zu diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen nützlich sein könnte.

Renale Osteodystrophie und Histologie

Drei weitere interessante Proteine in der Phosphat-FGF-23-Klotho-Achse sind das Phosphate-regulating gene with homologies to Endo-peptidases on the X chromosome (PHEX), eine Zink-Metallo endopeptidase, das Dentin Matrix Protein 1 (DMP1) und das Matrix Extracellular Phosphoglycoprotein (MEPE), beides extrazelluläre Matrixproteine und Mitglieder der SIBLING- Familie (Small Integrin-binding Ligand N-linked Glycoprotein), die unter anderem in Knochen und Niere exprimiert werden.8 DMP1 und PHEX wirken zusammen mit v3-Integrin an der Zelloberfläche von Osteozyten als Co-Aktivatoren und führen zu einer Hemmung der FGF-23-Expression und -Stabilität. Diese Hemmung bleibt allerdings schon im Frühstadium der CKD aus.9 PHEX, DMP1 und FGF-23 spielen eine Rolle in der Mineralisation des Knochens. Hinweise dafür sind einerseits ein Mineralisations-defekt bei der X-chromosomal dominant vererbten hypophos-phatämischen Rachitis (HYP), ausgelöst durch eine PHEX- Mutation, und andererseits die tumorinduzierte Osteomalazie, welche eine ähnliche Pathophysiologie wie jene der HYP zeigt.10,

11 Weiters konnte gezeigt werden, dass DMP1 und FGF-23 in Knochenstanzen von Patienten im CKD-Stadium 2–5D in Osteo-zyten exprimiert werden und invers mit dem Osteoidvolumen und der Osteoidoberfläche korrelieren. Pereira et al. wiesen nach, dass die Expression beider Proteine im Vergleich zu gesunden Kontrollen signifikant erhöht und in allen CKD- und ROD-Stadien gleichmäßig stark ist. MEPE, welchem eine durch PHEX hemmbare Mineralisations-störung von Osteoblasten und eine Rolle im Knochenwachstum zugeschrieben wird, färbte sich ebenfalls in Osteozyten an. Außer-dem konnte eine geringe Expression von MEPE in Zellen des Knochenmarks gefunden werden. Die MEPE-Expression korre-lierte invers mit dem Knochenvolumen und der trabekulären Dicke. Es zeigte sich allerdings kein Unterschied zwischen den Patienten mit CKD 2–5D und den gesunden Kontrollen.9, 11–13 Da die Expression von DMP1 und FGF-23 einen Zusammenhang zeigte, dürfte es im Rahmen der CKD entweder zu einer Funk-tionsstörung von DMP1 kommen oder die Hyperphosphatämie zu einer simultanen Stimulation von DMP1 und FGF-23 führen.9

CKD-MBD-Therapie und Sclerostin-Antikörper-Therapie Sclerostin (Scl), ein weiteres Protein, das von Osteozyten gebildet wird, wird –genauso wie FGF-23 – vermehrt produziert, wenn sich PTH noch im Normbereich befindet. Durch Bindung von Scl an den LRP-5/6-Rezeptor wird der osteoanabole kanonische Wnt/-Catenin-Signalweg und damit die Differenzierung und Funktion von Osteoblasten gehemmt.14 Außerdem steigert Scl die Expression von Receptor Activator of NF-B Ligand (RANKL) und die RANKL/Osteoprotegerin-(OPG)-Ratio in Osteozyten, was wiederum zu einer Aktivierung von Osteoklasten führt, die den Knochen abbauen.15 Da sich in verschiedenen Osteoporose-Tiermodellen mit einer Scl-Antikörper-Therapie erstaunlich gute Ergebnisse, betreffend den Zuwachs an Knochenmasse und die Biomechanik des Knochens zeigten, erfolgte 2007 eine Phase-Ib-Studie mit dem humanisierten Scl-Antikörper Romosozumab bei 32 postmeno-pausalen Frauen und 16 Männern (45.–80. Lebensjahr) mit Os-teopenie (T-Score –1 bis –2,5). Insgesamt ergab sich in der Kno-chendichtemessung (DXA) ein signifikanter Knochenzuwachs und ein transienter Anstieg von Serumparametern wie Osteocalcin, PINP und alkalischer Phosphatase, die für einen Knochenaufbau sprechen.16 Im Vergleich zum Bisphosphonat Alendronat und dem PTH-Analogon Teriparatid konnte anschließend in einer Phase-II-Studie mit 419 postmenopausalen Frauen (55.–85. Lebens jahr) mit Osteoporose eine signifikante Verbesserung der Knochendichte an der LWS mit +11,3 % (Placebo: 0,1 %, Alen-dronat: 4,1 %, Teriparatid: 7,1 %), der Hüfte mit +4,1 % und dem Schenkelhals mit +3,7 % nachgewiesen werden.17 Der Kno-chenzuwachs betrifft hier sowohl den Kortex als auch das trabe-kuläre Kompartiment und zeigt eine signifikante Zunahme der biomechanischen Knochenstärke, was bereits mittels quantitativer Computertomografie (QCT) und High-Resolution-QCT unter-sucht wurde.18 Ein zweiter humaner monoklonaler Scl-Antikörper namens Blo-sozumab wurde ebenfalls bereits in Phase-I- und Phase-II-Studien untersucht und erbrachte vergleichbar gute Ergebnisse.19, 20 Derzeit laufen 2 Phase-III-Studien mit Romosozumab bei Männern mit Osteoporose (BRIDGE-Studie) und bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose in 2 unterschiedlichen Formulationen (FRAME-Studie). Weiters erwarten wir mit Spannung die Ergeb-nisse einer Phase-I-Studie (open-label, single-dose) mit Patienten ≥ 50 Jahre mit Osteoporose, im CKD-Stadium 4 und 5D und gesunden Kontrollen. In einem Rattenmodell mit autosomal do-minanter polyzystischer Nierenerkrankung konnte gezeigt werden, dass es durch eine Scl-Antikörpertherapie zu einer Steigerung des trabekulären Knochenvolumens und zu einer vermehrten Mineral-isation der Trabekel kommt. Dieser Effekt konnte allerdings nur bei Tieren mit niedrigen PTH-Serumspiegeln nachgewiesen werden, da PTH auch ohne den Wnt/-Catenin-Signalweg ˘Fo

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zu einer -Catenin-Aktivierung führen kann, die bei hohen Serum-spiegeln im Tiermodell die Anti-Scl-Wirkung übertraf. Ein weiterer Unterschied zu den Ergebnissen im humanen System war, dass eine Verbesserung der Biomechanik des Knochens ausblieb.21 Die aktuelle Datenlage zeigt diesbezüglich unterschiedliche Ergebnisse. Einerseits wurde in Querschnittsstudien mit Hämodialyse- Patienten nachgewiesen, dass hohe Scl-Spiegel einen positiven Einfluss auf die Knochendichte und das Überleben haben.22, 23

Andererseits korrelierten in einer prospektiven Studie mit Hämo-dialysepatienten hohe Scl- und TRAP-5b-Spiegel mit einer Ab-nahme der Knochendichte innerhalb eines Jahres, gemessen mittels DXA und QCT.24 Ergebnisse prospektiver Studien mit Scl zur Untersuchung des Knochenstoffwechsels im Rahmen der CKD-MBD in den unter-schiedlichen Stadien der CKD und der renalen Osteodystrophie fehlen jedoch noch. ■

1 Gutierrez O. et al., JASN 2005 Jul; 16 (7): 2205–15. Pubmed PMID: 159173352 Isakova T. et al., Kidney International 2011 Jun; 79 (12): 1370–8. Pubmed PMID:

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Central PMCID: 31247707 Shalhoub V. et al., The Journal of Clinical Investigation 2012 Jul; 122 (7): 2543–53.

Pubmed PMID: 22728934. Pubmed Central PMCID: 33868168 Ogbureke K.U. et al., Kidney International 2005 Jul; 68 (1): 155–66. Pubmed PMID:

159549049 Pereira R.C. et al., Bone 2009 Dec; 45 (6): 1161–8. Pubmed PMID: 19679205. Pubmed

Central PMCID: 278383410 Rowe P.S., Critical reviews in Eukaryotic Gene Expression 2012; 22 (1): 61–86. Pubmed

PMID: 22339660. Pubmed Central PMCID: 336299711 Rowe P.S., Cell Biochemistry and Function 2012 Jul; 30 (5): 355–75. Pubmed PMID:

22573484. Pubmed Central PMCID: 338926612 Quarles L.D., American Journal of Physiology Endocrinology and Metabolism 2003 Jul;

285 (1): E1–9. Pubmed PMID: 12791601

13 Gowen L.C. et al., The Journal of Biological Chemistry 2003 Jan 17; 278 (3): 1998–2007. Pubmed PMID: 12421822

14 Kim W. et al., The Biochemical Journal 2013 Feb 15; 450 (1): 9–21. Pubmed PMID: 2334319415 Wijenayaka A.R. et al., Plos one 2011; 6 (10): e25900. Pubmed PMID: 21991382. Pubmed

Central PMCID: 318680016 Padhi D. et al., Journal of Clinical Pharmacology 2014 Feb; 54 (2): 168–78. Pubmed

PMID: 2427291717 Mcclung M.R. et al., The New England Journal of Medicine 2014 Jan 30; 370 (5): 412–

20. Pubmed PMID: 2438200218 Graeff C. et al., Bone 2015 Dec; 81: 364–9. Pubmed PMID: 2623237519 Mccolm J. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2014 Apr; 29 (4): 935–43. Pubmed

PMID: 2399647320 Recker R.R. et al., Journal of Bone and Mineral Research 2015 Feb; 30 (2): 216–24.

Pubmed PMID: 2519699321 Moe S.M., Journal of Bone and Mineral research 2015 Mar; 30 (3): 499–509. Pubmed

PMID: 25407607. Pubmed Central PMCID: 433300522 Cejka D. et al., Nephrology Dialysis Transplantation 2012 Jan; 27 (1): 226–30. Pubmed

PMID: 2161338323 Jean G. et al., Nephron 2016; 132 (3): 181–90. Pubmed PMID: 2689057024 Malluche H.H. et al., CJASN 2014 Jul; 9 (7): 1254–62. Pubmed PMID: 24948144.

Pubmed Central PMCID: 4078960

Adenuric 80 mg Filmtabletten, Adenuric 120 mg Filmtabletten.Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 80 mg bzw. 120 mg Febuxostat. Liste der sonstigen Bestandteile: Jede Tablette enthält 76,50 mg bzw. 114,75 mg Lactose (als Monohydrat). Tablettenkern: Lactose-Monohy-drat, Mikrokristalline Cellulose, Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Hyprolose, Croscarmellose-Natrium, Siliciumdioxid-Hydrat. Filmüberzug: Opadry II gelb, 85F42129 enthält: Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol 3350, Talkum, Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172). Anwendungsgebiete: Adenuric ist zur Anwendung bei Erwachsenen bestimmt. Adenuric 80 mg: Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die bereits zu Uratablagerungen geführt haben (ein-schließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthri-tis). Adenuric 120 mg: Adenuric wird angewendet zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die bereits zu Uratablagerungen geführt haben (einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorlie-genden Gichtknotens und/oder einer Gichtarthritis). Adenuric wird angewendet zur Vorbeugung und Behandlung einer Hyperurikämie bei erwachsenen Patienten mit hämatologischen Malignomen, die sich einer Chemotherapie mit einem mittleren bis hohen Risiko für ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) unterziehen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Gichtmittel, Urikostatika, ATC-Code: M04AA03. Inhaber der Zulassung: Menarini International Operations Luxembourg S.A., 1, Avenue de la Gare, L-1611, Luxemburg. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den Abschnitten Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wech-selwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand der Information: Dezember 2015.

Advagraf 0,5 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 1 mg Hartkapseln, retardiert. Advagraf 3 mg Hartkapseln, re-tardiert. Advagraf 5 mg Hartkapseln, retardiert.2. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede retardierte Hartkapsel enthält 0,5 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 1 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 3 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Jede retardierte Hartkapsel enthält 5 mg Tacrolimus (als Monohydrat). Sonstige Bestand-teile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 51,09 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 102,17 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 306,52 mg Lactose. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede Kapsel enthält 510,9 mg Lactose. Die Drucktinte, die zur Markierung der Kapsel eingesetzt wird, enthält Spuren entölter Phospholipide aus Sojabohnen (0,48% der Gesamtzusammensetzung der Drucktinte). Liste der sonstigen Bestandteile: Kapselinhalt: Hypromellose, Ethylcellulose, Lactose-Monohydrat, Magne-siumstearat. Kapselhülle: Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172), Natriumdode-cylsulfat, Gelatine. Druckfarbe (Opacode S-1-15083): Schellack, Entölte Phospholipide aus Sojabohnen, Simeticon, Eisen(III)-oxid (E 172), Hyprolose. 3. ANWENDUNGSGEBIETE: Prophylaxe der Transplantatabstoßung bei erwachsenen Nieren- oder Lebertransplantatempfängern. Behandlung der Transplantatabstoßung, die sich gegenüber anderen Immun-suppressiva als therapieresistent erweist, bei erwachsenen Patienten. 4. GEGENANZEIGEN: Überempfindlichkeit gegen Tacrolimus oder einen der sonstigen Bestandteile. Überempfindlichkeit gegen sonstige Macrolide. 5. PHARMAKOTHERA-PEUTISCHE GRUPPE: Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunsuppressiva, Calcineurin-Inhibitoren; ATC-Code: L04AD02. 6. INHABER DER ZULASSUNG: Astellas Pharma Europe B.V., Sylviusweg 62, 2333 BE Leiden, Niederlande. 7. VERTRIEB IN ÖSTERREICH: Astellas Pharma Ges.m.b.H, Donau-City-Straße 7, A-1220 Wien, Tel: +43 1 877 26 68, E-Mail: [email protected]. 8. STAND DER INFORMATION: 06/2015, 9. REZEPTPFLICHT / APOTHEKENPFLICHT: Verschreibungspflichtig. „Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arz-neimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft, Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.“

JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 45 mg Tabletten/JINARC® 15 mg Tabletten, JINARC® 60 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten, JINARC® 90 mg Tabletten/JINARC® 30 mg Tabletten.q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Er-kenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwir-kung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 Fachinformation. Zusammensetzung: Wirkstoff: Jede Tablette enthält Tolvaptan 15 mg, 30 mg, 45 mg, 60 mg, 90 mg. Sonstige Bestandteile: Maisstärke, Hyprolose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Mikrokristalline Cellulose, Indigokarmin, Aluminiumlack. Anwendungs-gebiete: Verlangsamung der Progression von Zystenentwicklung und Niereninsuffizienz bei autosomal-dominanter polyzys-tischer Nierenerkrankung (ADPKD) bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) (Stad. 1 - 3 zu Behandlungsbeginn mit Anzeichen für rasch fortschreitende Erkrankung). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Tolvaptan oder sonstige Bestandteile; erhöhte Leberenzyme u./o. Anzeichen oder Symptome von Leberschäden vor Be-handlung, die Kriterien für dauerhaftes Absetzen von Tolvaptan erfüllen; Volumendepletion; Hypernatriämie; Patienten, die keinen Durst empfinden / nicht auf Durstgefühl reagieren können; Schwangerschaft; Stillzeit. Pharmakotherapeutische Gruppe: noch nicht zugewiesen, ATC-Code: noch nicht zugewiesen. Pharmazeutischer Unternehmer: Otsuka Pharmaceu-tical Europe Ltd., Gallions, Wexham Springs, Framewood Road, Wexham, SL3 6PJ - Vereinigtes Königreich. Abgabe: Rezept-

und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen zur sicheren Anwendung, Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen und zutreffendenfalls Angaben über Gewöhnungseffekte sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information: V003, Oktober 2015.

Mimpara® 30 / 60 / 90 mg Filmtabletten.Qualitative und Quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 30 / 60 / 90 mg Cinacalcet (als Hydrochlorid). Sonstige Bestandteile: Jede 30 / 60 / 90 mg Tablette enthält 2,74 / 5,47 / 8,21 mg Laktose. Liste der sonstigen Bestandteile: Ta-blettenkern: Vorverkleisterte Stärke (aus Mais), Mikrokristalline Cellulose, Povidon, Crospovidon, Magnesiumstearat, Hoch-disperses Siliciumdioxid. Tablettenfilm: Karnaubawachs, Opadry II grün: (Laktose-Monohydrat, Hypromellose, Titandioxid (E 171), Glyceroltriacetat, Indigocarmin (E 132), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172)), Opadry klar: (Hypromellose, Macro-gol). Anwendungsgebiete: Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus (s-HPT) bei dialysepflichtigen Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Mimpara kann als Teil eines therapeutischen Regimes angewendet werden, das je nach Bedarf Phosphatbinder und/oder Vitamin D umfassen kann. Verminderung von Hyperkalzämie bei Patienten mit Neben-schilddrüsenkarzinom, bei Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus (p-HPT), bei denen eine Parathyreoidektomie aufgrund der Serumcalciumspiegel (wie in den relevanten Behandlungsrichtlinien definiert) angezeigt wäre, jedoch klinisch nicht angebracht oder kontraindiziert ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Nebenschilddrüsenhormon-Antagonisten. ATC-Code: H05BX01. Inhaber der Zulassung: Amgen Europe B.V., 4817 ZK Breda, NL; Vertreter in Österreich: Amgen GmbH, 1040 Wien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Stand der Information: Juli 2014. Weitere Angaben zu Dosierung, Art und Dauer Anwendung, besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen Schwangerschaft und Stillzeit sowie zu Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.

Nephrotrans® 500 mg magensaftresistente Weichkapseln, Nephrotrans® 840 mg magensaftresistente Weichkapseln.Wirkstoff: Natriumhydrogencarbonat. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine magensaftresistente Weichkap-sel enthält 500 mg oder 840 mg Natriumhydrogencarbonat. Liste der sonstigen Bestandteile: Gelbes Wachs, hydriertes Sojaöl (Ph. Eur.), partiell hydriertes Sojaöl (DAB), raffiniertes Rapsöl, (3-sn-Phosphatidyl)cholin aus Sojabohnen, Eisen(II,III)-oxid (E 172), Glycerol 85%, Gelatine, Lösung von partiell dehydratisiertem Sorbitol (Ph. Eur.), Salzsäure 25%, Hypromellose, Hydroxypropylcellulose, Talkum, Polyethylenglykol, Methacrylsäure-ethylacrylat-Copolymer (1:1) (Ph. Eur.), Polysorbat 80, Natriumdodecylsulfat, Propylenglykol, Glycerolmonostearat, gereinigtes Wasser. Nephrotrans® 500 mg enthält zusätzlich den Farbstoff Titandioxid (E 171). Anwendungsgebiete: Zur Behandlung der metabolischen Azidose und zur Erhaltungsbe-handlung gegen erneutes Auftreten der metabolischen Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz bei Erwachsenen. Ge-genanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Soja, Erdnuss oder einen der sonstigen Bestandteile. Metabolische Alkalose , Hypokaliämie, Hypernatriämie, natriumarme Diät, Kinder und Jugendliche. Darreichungsform und Packungsgrö-ßen: Nephrotrans® 500 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln, Klinikpackungen mit 500 magensaft-resistenten Weichkapseln (5x100), Nephrotrans 840 mg: Packungen mit 100 magensaftresistenten Weichkapseln (2x50), Klinikpackungen mit 500 magensaftresistenten Weichkapseln (10x50). Weitere Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antazida mit Natriumbicarbo-nat, ATC-Code: A02AH. Inhaber der Zulassung: Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Kuhloweg 37, D-58638 Iserlohn. Vertrieb: Medice Arzneimittel GmbH, Römerstraße 14, A-5400 Hallein, Österreich, eine Tochter der Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG. www.medice.at. Verschreibungspflicht / Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Stand der Information: Februar 2014.

Velphoro® 500 mg Kautabletten.Zusammensetzung: Jede Kautablette enthält 500 mg Eisen als „Sucroferric Oxyhydroxide“, auch als Gemisch von vielker-nigem Eisen(III)-hydroxid-oxid, Sucrose und Stärken bezeichnet. Der Wirkstoff Sucroferric Oxyhydroxide enthält 750 mg Sucrose und 700 mg Stärke. Anwendungsgebiete: Velphoro wird zur Kontrolle des Serumphosphatspiegels bei erwachse-nen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) eingesetzt, die sich einer Hämodialyse (HD) oder einer Peritoneal-dialyse (PD) unterziehen. Velphoro sollte im Rahmen eines multiplen Therapieansatzes zum Einsatz kommen, dazu zählen die Zuführung von Calcium-Präparaten, 1,25Dihydroxyvitamin D3 oder einem seiner Analoge oder Kalzimimetika, um die Entstehung einer renalen Osteodystrophie zu vermeiden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Hämochromatose oder sonstige Eisenüberladungskrankheiten. Liste der sonstigen Be-standteile: Waldbeeren-Aroma, Neohesperidindihydrochalcon, Magnesiumstearat, Hochdisperses Siliciumdioxid. Pharma-kotherapeutische Gruppe: Mittel zur Behandlung von Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie. ATC-Code: V03AE05. Abgabeform: Rezept- und apothekenpflichtig. Inhaber der Zulassung: Vifor Fresenius Medical Care Renal Pharma France, 713 Boulevard Paul-Emile Victor, 92521 Neuilly-sur-Seine, Frankreich. Stand der Information: September 2015. Informa-tionen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Schwangerschaft und Stillzeit, Wechselwir-kungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind dern veröffentlichten Fachinformationen zu entnehmen. q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung.

FACHKURZINFORMATION

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Von DialysepatientInnen lernen

Flüssigkeitshaushalt bei terminaler Niereninsuffizienz

In der klinischen Nephrologie mehren sich die Hinweise dafür, dass die Überwässerung einen der wichtigsten, vielleicht den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktor bei DialysepatientInnen

hinsichtlich deren Mortalität darstellen könnte, noch fundamentaler als die Mangel ernährung. Der folgende Beitrag gliedert sich zunächst in die Themen „Trockengewicht“, „Mess-Verfahren der Überwässerung“, „Bedeutung der Überwässerung“ und basiert auf zwei Review-Artikeln1, 2 der drei genannten Autoren. Zu dem einen der beiden Review-Artikel hat der Nephrologe Rajiv Agarwal ein Editorial geschrieben, das den Titel trägt: „Volumens-Über-ladung an der Dialyse: Der Elefant im Zimmer, den niemand sehen kann“3. Somit hat Agarwal uns ein klares „Ja“ dazu ausge-sprochen, den Fokus bei der Dialyse vor allem auf den adäquaten Flüssigkeitshaushalt zu setzen. Von DialysepatientInnen lernen wir aber nicht nur als NephrologInnen, sondern auch als Ärzte und Ärztinnen im nicht- nephrologischen Setting: Ordinationen, Ambulanzen und Stationen der inneren Medizin, die sich mit der Behandlung von Krankheitsbildern wie Herzinsuffizienz, Hypo-natriämie und Leberzirrhose beschäftigen, wobei es sehr häufig um eine Einschätzung des Flüssigkeitszustands geht. Auch perioperativ dreht sich vieles um die Frage: Mehr oder weniger intraoperative Flüssigkeitsgabe, insbesondere bei Risikopatien-tInnen und vor großen chirurgischen Eingriffen?

Trockengewicht

Um die Überwässerung bei DialysepatientInnen zu verstehen, ist es hilfreich, sich das Konzept des „Trockengewichts“ in Erinnerung

zu rufen, welches „so alt ist wie die Dialyse selber“4. Infolge klinischer Wissensvermehrung und technischer Fortschritte hat sich die Definition des Trockengewichts über die Zeit verändert:• Thomson et al. definierten im Jahr 1967 das Trockengewicht

als eine „Blutdruck-Regulation in Richtung Hypotension wäh-rend der Ultrafiltration“.5

• Henderson schrieb im Jahr 1980 über das Trockengewicht, es sei „jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung, bei dem der/die PatientIn in > 50 % der Fälle symptomatisch wird (in der englischen Originalfassung: „will become sympto-matic and go into shock“).6

• Charra et al. befanden im Jahr 1996, das Trockengewicht sei „jenes Gewicht nach einer regulären Dialysebehandlung, bei dessen Unterschreitung der/die PatientIn bis zur nächsten

uu Studiendaten legen Überwässerung als einen der wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für die Mortalität bei DialysepatientInnen nahe.uu Die Bioimpedanz-Technologie als Messverfahren der Überwässerung wird inzwischen nicht nur in vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern zu derzeit noch wissenschaftlichen Zwecken auch bei PatientInnen ohne terminale Niereninsuffizienz, außerhalb der Dialyse (Kardiologie, Anästhesie etc.).

* Innere Medizin III/Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Wien/AKH Wien

** Fresenius Medical Care, Bad Homburg, Deutschland*** Arbor Research Collaborative for Health, Ann Arbor, Michigan (USA)

Prof. em. Friedrich K. Port***

Assoc. Prof. Dr. Manfred Hecking*

Dr. Peter Wabel**

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Dialyse behandlung (idealerweise ohne Blutdruck-Medikation) normotensiv bleibt.7

• Raimann et al. waren im Jahr 2008 die ersten AutorInnen, die das Trockengewicht rein technisch definierten als „Abflachung der ‚baseline/instantaneous impedance ratio curve‘ für minde-stens 20 Minuten während der Ultrafiltration, wenn die kontinuierliche Waden-Bioimpedanz-Methode (,calf bioim-pedance‘) angewandt wird“.8

• Sinha und Agarwal sahen im Jahr 2009 das Trockengewicht als eine Kombination subjektiver und objektiver Messungen an.9

Die verschiedenen Möglichkeiten objektiver Bestimmung des Flüssigkeitszustandes und somit der Überwässerung bzw. des Trocken gewichtes sollen in der Folge näher dargestellt werden.

Messverfahren der Überwässerung

Was ist Überwässerung? Wie kann Überwässerung gemessen werden? Die Überwässerung kursiert als medizinischer Fach begriff, für den es auch einen ICD-Code (International Classification of Diseases) gibt (ICD-9 276.6, ICD-10 E87.7)10, aber die Definition der Überwässerung ist unklar. „Objektive“ Methoden zur Bestim-mung der Überwässerung beinhalten:• die Messung des Durchmessers der Vena cava inferior (VCI)11

• die Messung biochemischer Parameter wie des BNP (Brain-natriuretisches Peptid)12

• das kontinuierliche Blutvolumen-Monitieren (BVM)13, das auch Relatives-Plasmavolumen-Monitieren genannt wird14

• die Messung extravaskulärer Lungenflüssigkeit durch Bestim-mung der „Lungenkometen“ („lung comets“) im Ultraschall15

• die Bioimpedanz-Technologie16

Bei der Bioimpedanz-Technologie wird ein Wechselstrom niedriger Stromstärke durch den Körper geleitet17; die Bioimpedanz gibt dabei Auskunft über die elektrischen Eigenschaften des Gewebes, durch das der Strom fließt. Die Impedanz (der Wechselstrom-widerstand) ist von der Frequenz des Wechselstroms abhängig, ebenso wie vom Gewebetyp, durch das der Strom fließt.18 Wechsel-strom niedriger Frequenz fließt präferenziell im Extrazellulär-volumen (ECV), da die Zellmembran bei niedrigen Frequenzen nicht durchdrungen werden kann, wohingegen Wechselstrom hoher Frequenz sowohl das extrazelluläre als auch das intrazellu-läre Flüssigkeits-Kompartiment durchdringt.19 Man unterscheidet zwischen Mono- und Multifrequenz-Bioimpedanz, wobei der wichtigste Unterschied bei den Multifrequenz-Bioimpedanz- Methoden darin besteht, ob der Strom innerhalb eines Körper-segments (z. B. Arm, Rumpf, Wade) oder innerhalb des gesamten Körpers appliziert wird.Es lässt sich darüber debattieren, welche der oben genannten Me-thoden zur Bestimmung der Überwässerung, insbesondere welche Bioimpedanz-Methode20 die beste ist. Die Tabelle gibt aber die Zusammenfassung einer umfangreichen Diskussion verschiedener

Autoren wieder (weitere Details, auch über die hier genannten Methoden finden sich in: Hecking M. et al., 20131).Der Body Composition Monitor (BCM, Fresenius Medical Care) wendet die Ganzkörper-Bioimpedanz-Spektroskopie an und be-rechnet die Überwässerung im extrazellulären Kompartiment (ECV) anhand der Resultate der Bioimpedanz-Messung in den unterschiedlichen Wechselstromfrequenzen, wobei die niedrigen Frequenzen für das ECV besonders wichtig sind (s. o.). Dabei gelangt ein physiologisches Gewebemodell (Drei-Kompartimente-Modell) zur Anwendung, bei dem auch der Hydratationszustand verschiedener Gewebe einbezogen wird.21 Der BCM liefert da-durch für die vermessenen PatientInnen numerische Werte für das ECV (in Litern) und für die Überwässerung (in Litern und in % des ECV). Dies ist der große Vorteil des BCM gegenüber den anderen Verfahren, bei denen es sich entweder um indirekte Nachweise der Überwässerung handelt (VCI-Durchmesser, BNP), bei denen ein anschaulicher Wert nicht verfügbar ist oder wo es z. B. aufgrund der Beurteilung eines Bildes zu Interpretations-Unterschieden kommen muss. Als anschauliches Beispiel sei neben den oben genannten Verfahren der Nachweis einer Stauung im Lungenröntgen genannt („zwei Untersucher – drei Meinungen“).

Bedeutung der Überwässerung

Warum ist der Nachweis der Überwässerung bei Dialysepatien-tInnen so wichtig? Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Dialyse-patientInnen 10- bis 30-mal höher als in der Allgemein-bevölkerung.22, 23 Als primäre Risikofaktoren gelten höheres Alter, Diabetes und andere Komorbiditäten24, 25, aber diese Faktoren sind nicht modifizierbar. Traditionelle modifizierbare Risikofak-toren beinhalten zentrale Venenkatheter, inadäquate Dialyse-qualität (Behandlungszeit und Kt/V) und Mangelernährung.26 In einer umfangreichen Analyse war von allen untersuchten, modi-fizierbaren Risikofaktoren ein Serum-Albumin < 3,5 g/dl (als Maß für die Mangelernährung) mit dem höchsten relativen Risiko für die Mortalität (von 1,38, p < 0,0001) assoziiert.27 Die Überwäs-serung wurde in diese Analysen aber nicht mit einbezogen.Unseres Wissens nach haben erst drei Analysen die Assoziation zwischen Überwässerung und Mortalität untersucht:• Wizemann et al. führten eine verblindete Studie durch und stell-

ten bei 269 PatientInnen mit BCM-gemessener Überwässerung (prädialytisches ECV > 15 %) im Vergleich zur restlichen Gruppe (prädialytisches ECV < 15 %) eine adjustierte Hazard-Ratio von 2,1 für die Mortalität fest (90%-Konfidenz intervall 1,39–3,18).28

• Chazot et al. verglichen eine positiv selektionierte Referenz-population von 50 „normohydrierten“ PatientInnen aus dem „Long, Slow Dialysis“-Programm des Zentrums in Tassin/Frank reich mit 35 überwässerten PatientInnen aus Gießen/Deutschland (BCM-gemessen durchschnittlich 20,2 ± 4,8 % prädialytisches ECV) und ermittelten für die überwässerten PatientInnen eine adjustierte Hazard-Ratio von 3,41 (90% -Konfidenz intervall 1,62–7,17).29

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• Agarwal publizierte eine Studie mit 309 PatientInnen, die Plasma volumen-monitiert wurden.30 Jene PatientInnen mit raschem „Refilling“ (entsprechend einer Steigung unterhalb des Medians von 1,39 % pro Stunde als Indikator für die Über-wässerung) hatten eine Hazard-Ratio von 1,72 für die Mortalität (95%-Konfidenzintervall 1,14–2,58) im Vergleich zu jenen PatientInnen mit steileren Steigungen.

Die oben genannten Ergebnisse relativ kleiner Studien können nicht mit der davor beschriebenen Risikofaktoren-Analyse27 verglichen werden. Trotzdem handelt es sich bei Hazard-Ratios für Mortalität zwischen 1,72 und 3,41 um sehr hohe Risiken im Vergleich mit dem Risiko von 1,38, welches mit Serum-Albumin < 3,5 g/dl assoziiert ist.27 Daher könnte die Überwässerung der überhaupt wichtigste modifizierbare Risikofaktor für die Mortalität bei DialysepatientInnen sein.

Ausblick: Von DialysepatientInnen lernen

Die Bioimpedanz-Technologie wird inzwischen nicht nur in vielen Dialysezentren routinemäßig angewandt, sondern auch auf wissenschaftlicher Basis bei PatientInnen ohne terminale Niereninsuffizienz, außerhalb der Dialyse. Bei PatientInnen mit chronischer Nieren insuffizienz (CKD) in den CKD Stadien 3 und höher fand sich eine Assoziation zwischen Überwässerung und kardio vaskulären Risiko faktoren31 und, abhängig vom Schwere grad einer Anämie, auch mit der Mortalität32. An der Medizinischen Universität Wien werden mit Bioimpedanz ge-wonnene Daten wissenschaftlich nicht nur in der Gruppe von Andreas Vychytil (Peritoneal dialyse), sondern auch auf der Kar-diologie (Arbeitsgruppe Diana Bonderman, Arbeitsgruppe Irene Lang) und Anästhesie ( Arbeitsgruppe Edith Fleischmann) aus-

gewertet, nachdem Marlies Antlanger, Marcus Säemann und Manfred Hecking dort Ko operationen eingegangen sind. In Kürze werden prospektive Daten der Bonderman-Gruppe zur Überwässerung und Mortalität bei PatientInnen mit diastolischer Herzinsuffizienz publiziert (Manuskript abgeschlossen). Auf der Anästhesie konnte bereits nachgewiesen werden, dass das BCM- Gerät die intra operativ gegebene Flüssigkeit erkennt und dass die intraoperativ gegebene Flüssigkeit einen klinisch bedeutsamen Anstieg des ECV zur Folge hat.33 Matthäus Ernstbrunner, der diese Daten publizierte, führte daraufhin eine BCM-gestützte Interventionsstudie zur intraoperativen Flüssigkeitsgabe versus Standard-Flüssig keitstherapie durch und des Weiteren eine Studie mit gesunden Probanden, denen er innerhalb von 1 Stunde 2 Liter Elo-Mel infundierte (Manuskripte in Vorbereitung). Ein Ergebnis sei vorweg genommen: Die BCM- Messungen bei den gesunden, männlichen Probanden waren, wie vorbeschrieben34, sehr gut reproduzierbar. Nur mäßige Erfahrungen können mit dem BCM-Gerät allerdings auf der Intensivstation gemacht werden, wo die PatientInnen hinsichtlich ihrer Flüssigkeitskom-partimente „ derangiert“ sein können. Außerhalb des stationären Settings sollten die Patienten übrigens mindestens 5 Minuten waagerecht liegen, bevor sie gemessen werden, ansonsten kann es auch hier zu fehlerhaften Werten kommen.

ZUSAMMENFASSEND spricht vieles dafür, neben dem sehr häufig durchgeführten Lungenröntgen bei Verfügbarkeit eines Bioimpedanz-Gerätes auch außerhalb der Nephrologie eine Flüssigkeitsmessung durchzuführen, um beispielsweise Diuretika bei kardial dekompen-sierten PatientInnen oder PatientInnen mit Leber zirrhose zielgerichtet einzusetzen oder den Flüssigkeitszustand bei PatientInnen mit Hy-ponatriämie zu bestimmen. Auf diese Weise lernen wir von Dialyse-patientInnen für die nicht-nephrologische Praxis. ■

Tab.: Vergleich einiger Methoden zur Bestimmung der Überwässerung

Biochemische Marker

Mono- und Multifrequenz- Bioimpedanz

Segmentale Bioimpedanz- Spektroskopie der Wade

Ganzkörper- Bioimpedanz- Spektroskopie

Monitieren des relativen Plasmavolumens

„Lungen-kometen“- Bestimmung im Ultraschall

Sensitivität gegenüber dem Volumen-Status

+/– + + + + +

Akkuratheit der Bestimmung des extrazellulären Volumens (ECV)

– – +/– + – –

Reproduzier-barkeit +/– + + + +/– +

Einfachheit der Anwendung + + + + + +

Anwendbarkeit außerhalb der Hämodialyse

+ + – + – +

+: gut; –: schlecht; +/–: mittelmäßig Die Unterschiede wurden auf der Basis der Durchsicht der Literatur getroffen.1

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1 Hecking M. et al., Karaboyas A., Antlanger M., Saran R., Wizemann V., Chazot C., Rayner H., Horl W.H., Pisoni R.L., Robinson B.M. et al.: Significance of interdialytic weight gain versus chronic volume overload: consensus opinion. American Journal of Nephrology 2013; 38 (1): 78–90

2 Hecking M., Rayner H., Wabel P.: What are the Consequences of Volume Expansion in Chronic Dialysis Patients?: Defining and Measuring Fluid Overload in Hemodialysis Patients. Semin Dial 2015; 28 (3): 242–247

3 Agarwal R.: Volume overload in dialysis: the elephant in the room, no one can see. American Journal of Nephrology 2013; 38 (1): 75–77

4 Agarwal R., Weir M.R.: Dry-weight: a concept revisited in an effort to avoid medication-directed approaches for blood pressure control in hemodialysis patients. CJASN 2010; 5 (7): 1255–1260

5 Thomson G.E. et al.: Hemodialysis for chronic renal failure. Clinical observations. Arch Intern Med 1967; 120 (2): 153–167

6 Henderson L.W.: Symptomatic hypotension during hemodialysis. Kidney Int 1980; 17 (5): 571–576

7 Charra B. et al.: Clinical assessment of dry weight. Nephrol Dial Transplant 1996; 11 (Suppl. 2): 16–19

8 Raimann J. et al.: A fresh look at dry weight. Hemodial Int 2008; 12 (4): 395–4059 Sinha A.D., Agarwal R.: Can chronic volume overload be recognized and prevented in

hemodialysis patients? The pitfalls of the clinical examination in assessing volume status. Semin Dial 2009; 22 (5): 480–482

10 Arneson T.J. et al.: Hospital treatment for fluid overload in the Medicare hemodialysis population. CJASN 2010; 5 (6): 1054–1063

11 Franz M. et al.: Living on chronic hemodialysis between dryness and fluid overload. Kidney Int Suppl 1997; 59: S39–42

12 Chazot C. et al.: Fluid overload correction and cardiac history influence brain natriuretic peptide evolution in incident haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2011; 26 (8): 2630–2634

13 Lopot F. et al.: Use of continuous blood volume monitoring to detect inadequately high dry weight. The International Journal of Artificial Organs 1996; 19 (7): 411–414

14 Steuer R. et al.: A new optical technique for monitoring hematocrit and circulating blood volume: its application in renal dialysis. Dial Transplant 1993; 22: 260–265

15 Picano E. et al.: Ultrasound lung comets: a clinically useful sign of extravascular lung water. Journal of the American Society of Echocardiography 2006; 19 (3): 356–363

16 Davies S.J., Davenport A.: The role of bioimpedance and biomarkers in helping to aid clinical decision–making of volume assessments in dialysis patients. Kidney Int 2014; 86 (3): 489–496

17 Frequently asked questions about bioimpedance analysis and Imp DF50 device. In: Metagenics USA 2009

18 University College London: Brief Introduction to Bioimpedance. http://www.ucl.ac.uk/medphys/research/eit/pubs/bioimpedance_overview.pdf. (access year)

19 Dou Y., Zhu F., Kotanko P.: Assessment of extracellular fluid volume and fluid status in hemodialysis patients: current status and technical advances. Seminars in Dialysis 2012; 25 (4): 377–387

20 Raimann J.G. et al.: Comparison of fluid volume estimates in chronic hemodialysis patients by bioimpedance, direct isotopic, and dilution methods. Kidney Int 2014; 85 (4): 898–908

21 Chamney P.W. et al.:A whole-body model to distinguish excess fluid from the hydration of major body tissues. The American Journal of Clinical Nutrition 2007; 85 (1): 80–89

22 Foley R.N. et al.: Clinical epidemiology of cardiovascular disease in chronic renal disease. American Journal of Kidney Diseases 1998; 32 (5 Suppl. 3): S112–119

23 Sarnak M.J. et al.: Kidney disease as a risk factor for development of cardiovascular disease: a statement from the American Heart Association Councils on Kidney in Cardiovascular Disease, High Blood Pressure Research, Clinical Cardiology, and Epidemiology and Prevention. Circulation 2003; 108 (17): 2154–2169

24 Rayner H.C. et al.: Mortality and hospitalization in haemodialysis patients in five European countries: results from the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS). Nephrology Dialysis Transplantation 2004; 19 (1): 108–120

25 Wagner M. et al.: Predicting mortality in incident dialysis patients: an analysis of the United Kingdom Renal Registry. American Journal of Kidney Diseases 2011; 57 (6): 894–902

26 Leavey S.F. et al.: Body mass index and mortality in ,healthier‘ as compared with ,sicker‘ haemodialysis patients: results from the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS). Nephrology Dialysis Transplantation 2001; 16 (12): 2386–2394

27 Port F.K. et al.: DOPPS estimates of patient life years attributable to modifiable hemodialysis practices in the United States. Blood Purification 2004; 22 (1): 175–180

28 Wizemann V. et al.: The mortality risk of overhydration in haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2009; 24 (5): 1574–1579

29 Chazot C. et al.: Importance of normohydration for the long–term survival of haemodialysis patients. Nephrology Dialysis Transplantation 2012; 27 (6): 2404–2410

30 Agarwal R.: Hypervolemia is associated with increased mortality among hemodialysis patients. Hypertension 2010; 56 (3): 512–517

31 Hung S.C. et al.: Volume overload correlates with cardiovascular risk factors in patients with chronic kidney disease. Kidney Int 2014; 85 (3): 703–709

32 Hung S.C. et al.: Association of fluid retention with anemia and clinical outcomes among patients with chronic kidney disease. J Am Heart Assoc 2015; 4 (1):e001480

33 Ernstbrunner M. et al.: Bioimpedance spectroscopy for assessment of volume status in patients before and after general anaesthesia. PloS one 2014; 9 (10): e111139

34 Wabel P., Chamney P., Moissl U.: Reproducibility of Bioimpedance Spectroscopy (BIS) for the Assessment of Body Composition and Dry Weight (Abstract). Journal of the American Society of Nephrology 2007; 18: 255 A

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NEPHRO ScriptTOPICS | Zystenniere

Empfehlungen und PatientInnenselektion

Therapie der ADPKD mit Tolvaptan

In Österreich leiden 7 % aller Patienten mit Nieren-ersatztherapie an autosomal dominant polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD). Etwa 70 % aller von

ADPKD Betroffenen entwickeln eine terminale Nieren insuffizienz im durchschnittlichen Alter von 58 Jahren. Bisher war es nicht möglich, den natürlichen Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen. Dies hat sich mit der Zulassung von Tolvaptan, basierend auf den Ergebnissen der TEMPO-3:4-Studie, geändert. In TEMPO 3:4 wurden 1.445 erwachsene Patienten mit einer eGFR ≥ 60 ml/min und einem totalen Nieren-volumen (TKV) ≥ 750 ml mit Tolvaptan behandelt. Die Therapie führte zu einer Reduktion der TKV-Zunahme um 49 % und zu einer Abnahme des jährlichen Verlustes an eGFR von 3,70 auf 2,72 ml/min. Dies würde bedeuten, dass pro 4 Jahre Therapie die Dialysepflichtigkeit um ein Jahr verzögert werden kann. Die Behandlung mit Tolvaptan musste in der Studie bei 23 % der Patienten vorzeitig abgebrochen werden.Tolvaptan ist von der EMA seit Mai 2015 für die Behandlung der ADPKD bei Erwachsenen im Stadium 1–3 der CKD und einer raschen Progression zugelassen. Letztere ist allerdings nicht exakt definiert. Die ERA-EDTA Working Group on Inherited Kidney Disorders und European Best Practice haben daher Emp-fehlungen veröffentlicht, wie Patienten mit einer raschen Progres-sion am besten identifiziert werden können, um sicherzustellen, dass nur Patienten, die tatsächlich von Tolvaptan profitieren, damit behandelt werden (Nephrol Dial Transplant 2016; 31: 337–348). Der Vorstand der ÖGN hat beschlossen, sich diesen Empfehlungen bei der Verordnung von Tolvaptan vollinhaltlich anzuschließen.

Neue zukünftige Studienergebnisse können diese Emp-fehlungen natürlich verändern. Die Empfehlungen sind in folgende Bereiche unterteilt:

CKD-Stadium und Alter

Da Patienten über 50 Jahre und solche mit einer eGFR < 45 ml/min nicht in TEMPO 3:4 eingeschlossen waren, wird deren Behandlung mit Tolvaptan derzeit mangels Erfahrung nicht empfohlen. Folgende Pati-enten haben wahrscheinlich eine langsame Progression und sollten auch nicht behandelt werden: Alter 30–40

und eGFR > 90 ml/min, Alter 40–50 und eGFR > 60 ml/min.

ADPKD-PatientInnen mit rascher Progression

Nachweis mittels eGFR: Der sicherste Progressionsparameter ist der Nachweis eines Abfalls der eGFR im Verlauf der Erkrankung. Rasche Progression ist definiert als eGFR-Verlust von ≥ 5 ml/min in einem Jahr oder bei einer längeren Beobachtungsperiode von 5 Jahren ≥ 2,5 ml/min pro Jahr. Die Berechnung der eGFR ist dabei ausreichend, eine direkte Messung der GFR ist nicht not-wendig. Andere Ursachen der Funktionsverschlechterung sind aber auszuschließen.

Nachweis mittels TKV: Bei Patienten unter 30 Jahren ist die GFR meist stabil. Sie beginnt erst ab einem TKV von 1.500 ml abzu-fallen. In diesem Erkrankungsstadium gilt vor allem der Nachweis einer raschen Zunahme des TVK von > 5 % pro Jahr als

uu Mit Tolvaptan steht erstmals ein Medikament zur Progressionshemmung der ADPKD für PatientInnen im CKD-Stadium 1–3 und rascher Progression zur Verfügung. uu Parameter zur Identifikation von PatientInnen mit rascher Progression: Nachweis eines definierten eGFR-Abfalls bzw. einer raschen Zunahme des Nierenvolumens (TVK).uu Eine Tolvaptan-Therapie sollte den PatientInnen nach strenger Selektion und unter engmaschiger Überwachung angeboten werden.

Prim. Prof. Dr. Karl Lhotta

Abteilung für Nephrologie und Dialyse,

Akademisches Lehr-krankenhaus Feldkirch

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NEPHRO Script Zystenniere | TOPICS

Progressionsparameter. Dieser Nachweis sollte durch mindestens 3 Messungen, die mehr als 6 Monate auseinander liegen, erfolgen. Zur Bestimmung des TKV sind MRI (bevorzugt, da ohne Strahlen-belastung) und CT geeignet. Die TKV-Bestimmung ist rasch, einfach und präzise mit der elliptischen Formel möglich.Auch mit Hilfe einer einzelnen Messung lässt sich die renale Pro-gnose, allerdings mit etwas mehr Unsicherheit, vorhersagen. An-hand des auf Körpergröße und Alter adjustierten TKV lassen sich 5 Gruppen (1A–1E), die mit unterschiedlichem eGFR-Verlust einhergehen, bilden. Ein Nomogramm erlaubt die Kategorisie-rung jedes einzelnen Patienten (Abb.). So haben Patienten der Klasse 1A eine stabile eGFR, solche der Klasse 1C einen erwarteten eGR-Verlust von 2,5 ml/min pro Jahr und die der Gruppe 1E von 4,6 ml/min im Jahr. Definitionsgemäß gelten daher Patienten der Klassen 1C–1E als solche mit rascher Progression und damit Behandlungsindikation.Ob eine Bestimmung es TKV mittels Sonografie exakt möglich ist, bleibt zweifelhaft. Eine rezente Studie fand einen renalen Längs-durchmesser > 16,5 cm bei Patienten unter 45 Jahren als Prädiktor für das Auftreten einer CKD 3 innerhalb von 8 Jahren. In dieser Studie wurde allerding nicht auf Größe und Alter adjustiert.

Genetische Faktoren und Familienanamnese

Eine genetische Testung von PKD1 und PKD2 wird nur bei den wenigsten Patienten vorliegen. Sollte eine„ truncating“ Mutation von PKD1 nachgewiesen sein, eine Hypertonie oder urologische Kom-plikationen (Zystenblutung oder Infektion) vor dem 35. Lebensjahr auftreten, so ist ebenfalls von einem raschen Progress auszugehen.Patienten, die nicht für eine Therapie anhand der angeführten Kriterien qualifizieren, aber zum Beispiel eine Familienanamnese mit Auftreten der terminalen Niereninsuffizienz vor dem 58.

Lebensjahr haben, sollten in regelmäßigen Abständen (3–5 Jahre) neuerlich evaluiert werden.

Initiierung und Überwachung der Therapie

Tolvaptan sollte nur an einem nephrologischen Zentrum mit Er-fahrung im Management der ADPKD und nach ausführlicher Aufklärung des Patienten verordnet werden. Kontraindikationen wie schwere Lebererkrankung, Schwangerschaft oder Stillen sind zu beachten. Harnabflussstörungen müssen ausgeschlossen werden. Elektrolyte, Nierenfunktion, Harnsäure und Blutzucker bei Diabetikern sollten monitorisiert werden. Die gleichzeitige Ver-abreichung von Diuretika wird nicht empfohlen. Spezielles Augenmerk ist auf die Überwachung der Leberfunktions-proben zu legen. In TEMPO 3:4 wurde bei 4,9 % der Patienten eine Erhöhung der Leberenzyme beobachtet, die allerdings nach Absetzen des Medikaments komplett reversibel war. Die Leber-enzyme und Bilirubin müssen daher während der ersten 18 The-rapiemonate monatlich überwacht werden, dann in 3-monatigen Abständen. Bei einem Anstieg der Leberenzyme ist die Therapie zu unterbrechen. Bei persistierender Erhöhung oder Anstieg über das 8-Fache der Norm muss Tolvaptan abgesetzt werden.Die Behandlung wird üblicherweise mit 45 mg morgens und 15 mg 8 Stunden später gestartet und kann schrittweise bei guter Verträglichkeit bis auf 90/30 mg erhöht werden. Unter der Ma-ximaldosis muss mit Tagesharnmengen von 5–6 Liter gerechnet werden. Sollte der Patient keine Zugang zu Flüssigkeit haben oder die Gefahr einer Dehydrierung bestehen, ist Tolvaptan zu pau-sieren. Auch in Situationen mit vermehrtem Flüssigkeitsverlust, vor sportlicher Betätigung oder vor Tätigkeiten, bei denen eine Diurese sehr störend wäre (Langstreckenflug, Kino), kann Tol-vaptan auch einmal pausiert werden. ■

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

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Nach: Irazabal et al., J Am Soc Nephrol 2015; 26: 160

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Patientenalter Jahre ab TKV-Messung

p = 0,653

p = 0,001

p = 0,001p = 0,040

p = 0,018

Abb.: Nierenvolumen-Zunahme und prognostizierter GFR-Verlust

A) Klassifizierung anhand des auf Körpergröße und Alter adjustierten Nierenvolumens (TKV)

B) Prognostizierter GFR-Verlust der Klassen 1A–1E für Männer (Ausgangsalter 44 a)

■ Normal■ A

■ B■ C

■ D■ E

p = 0,044

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Tacrolimus retard (Advagraf TM)

Weniger (oft) ist mehr Die Immunsuppression mit Tacrolimus 1-mal täglich ist gegenüber der 2-mal täglichen Anwendung mit besserem Transplant- und Patientenüberleben assoziiert.1 Die Umstellung auf Tacrolimus retard scheint effektiv und gut verträglich.2–4

Redaktion: Dr. Eva Maria Riedmann

Die Behandlungserfolge nach der Transplantation (TX) haben sich nicht zuletzt aufgrund effektiver immunsuppressiver The-rapiekonzepte in den letzten Jahren signifikant verbessert.5 Das

Immunsuppressivum Tacrolimus greift spezifisch in die Signaltrans-duktion und Aktivierung von T-Zellen ein und ist in der EU bereits seit Mitte der 1990er-Jahre unter dem Namen Prograf TM erhältlich. 2007 folgte die EU-Zulassung von Advagraf TM, das sich durch eine langsamere Freisetzung des Wirkstoffs Tacrolimus von Prograf TM unterscheidet. Das Medikament ist deshalb nur 1-mal täglich (qua-que die [QD]) einzunehmen (Prograf TM 2-mal täglich [BID]).6, 7

Tacrolimus QD bringt Vorteile

Tacrolimus retard hat gegenüber der BID-Formulierung den Vor-teil niedrigerer maximaler Talspiegel von Tacrolimus und deutlich geringerer Variabilität der Tacrolimus-Konzentration im zeitlichen Verlauf.8 Darüber hinaus wirkt sich die 1-mal tägliche Einnahme positiv auf die Adhärenz aus.9 Eine rezente Analyse der Daten des Europäischen Lebertransplan-tationsregisters (ELTR) zeigt einen Überlebensvorteil und weni-ger Transplantatverluste unter Tacrolimus QD.1 Insgesamt wur-den 4.367 Patienten inkludiert, die in den Jahren 2008–2012 an 21 verschiedenen europäischen Zentren einer primären Leber-transplantation (LTX) unterzogen worden waren. 528 Patienten erhielten Tacrolimus QD, 3.839 Tacrolimus BID. Die Gabe von Tacrolimus BID wurde als signifikanter Risikofaktor für geringeres Transplantat- und Patientenüberleben identifiziert. Nach 3 Jahren betrug der absolute Überlebensvorteil unter Tacrolimus QD 8 % für das Organ, und 6 % für Patienten.1

Switch von BID zu QD – effektiv und gut verträglich

Mehrere Studien2, 3, 4 bestätigen die Effektivität und Sicherheit einer Umstellung von 2- auf 1-mal täglich Tacrolimus bei nierentrans-plantierten (NTX) Patienten.Im Rahmen einer spanischen Studie2 wurden 1.832 stabile NTX-Patienten von Tacrolimus BID auf die QD-Formulierung umgestellt. Die Konversion erfolgte im Verhältnis 1:1 (mg:mg) bezogen auf die Gesamtdosis. Nach der Umstellung wurde eine geringfügige Re-duktion der Tacrolimus-Talspiegel beobachtet, was eine Anpassung

der täglichen Dosis erforderlich machte. Der wichtigste Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion, die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), zeigte keine signifikante Änderung über einen Beobach-tungszeitraum von 12 Monaten hinweg. Proteinurie, Blutdruck, Lipid-, Leber- und Glukose-Parameter blieben stabil. Die retardierte Formulierung war gut verträglich, die Abstoßungsrate mit 0,4 % gering. Fast alle Studienteilnehmer (99,4 %) bevorzugten die QD-Formulierung, als Begründung gaben sie die verringerte Dosisfrequenz (66 %) und eine verbesserte Adhärenz (34 %) an.2 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine kleinere multizentrische Studie3, die 128 stabile NTX-Patienten einschloss, die Tacrolimus BID ≥ 12 Wochen erhalten hatten. Nach 6 Wochen erfolgte die Umstellung auf Tacrolimus QD im Verhältnis 1:1 (mg:mg), an-schließend wurden die Patienten über 12 Wochen beobachtet. Pri-märer Studienendpunkt war die Veränderung der Kreatinin-Clea-rance (Vergleich vor und nach dem Switch), sekundäre Endpunkte waren Biopsie-belegte akute Abstoßung, Patienten- und Organüber-leben sowie Sicherheit. Die renale Funktion blieb nach dem Switch auf die retardierte Formulierung stabil. Es trat kein Fall von akuter Abstoßung auf, das Patienten- und Organüberleben lag bei 100 %.3 Die Sicherheit der Umstellung von Tacrolimus BID zu QD belegt auch eine retrospektive Studie4 mit 589 NTX-Patienten, die nach einer mittleren Post-Transplant-Periode von 4,6 Jahren auf Tacro-limus QD umgestellt worden waren. Eine retrospektive Analyse der Krankengeschichten zeigte, dass die renale Funktion nach Konver-sion über 12 Monate hinweg weitestgehend stabil geblieben war. Das Organüberleben lag ein Jahr nach der Umstellung bei 96,3 %, das Patientenüberleben bei 99 %.4

FAZIT: Die Umstellung stabiler TX-Patienten von Tacrolimus BID auf die retardierte QD-Formulierung ist in Übereinstimmung mit der Fachinformation möglich, beeinträchtigt nicht die Nie-renfunktion und geht mit geringen Abstoßungsraten und guter Verträglichkeit einher. ■

1 Adam R. et al., Am J Transplant 2015; 15 (5): 1267–822 Guirado J. et al., Am J Transplant 2011; 11 (9): 1965–713 Lauzurica R. et al., Transpl Int 2012; 25 (1): 48–554 Slatinska J. et al., Transplant Proc 2013; 45 (4): 1491–65 Adam R. et al., J Hepatol 2012; 57 (3): 675–886 Fachinformation Advagraf TM

7 http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/human/000712/WC500022235.pdf

8 Sanko-Resmer J. et al., Transpl Int 2012; 25 (3): 283–939 Kuypers D.R. et al., Transplantation 2013; 95 (2): 333–40Fa

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Phosphat- und Kaliummanagement bei CKD-PatientenBei dialysepflichtigen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) kommt es häufig zur Entwicklung einer Hyperphosphatämie. Die Erhöhung des Phosphatspiegels im Blut geht mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einher und war ein wichtiges Thema bei der dies-jährigen OEGN-Wintertagung in Salzburg.

Redaktion: Katharina Miedzinska, MSc

Bereits in Frühphasen der Niereninsuffizienz finden sich Stö-rungen des Kalzium-Phosphat-Haushalts und des Knochen-metabolismus, welche progredient mit dem Verlust der ex-

kretorischen Nierenfunktion ansteigen. Die Phosphatretention bei chronischer Niereninsuffizienz ist wahrscheinlich auf den Ver-lust der glomerulären Filtrationsrate (GFR) sowie auf einen rela-tiven Vitamin-D-Mangel zurückzuführen, in dessen Folge es zu einer Hypokalzämie kommt.1 Die erhöhten Serumphosphatwerte begünstigen Phosphat- und Kalziumablagerungen im Gefäßsystem und folglich mitunter das Auftreten von Herzinsuffizienz, Ar-rhythmien und koronarer Herzerkrankung, weswegen der Hy-perphosphatämie mittlerweile eine immer wichtigere Bedeutung für das Überleben von CKD-Patienten beigemessen wird.

Erhöhte Serumphosphatwerte erhöhen die Mortalität

„Der Zusammenhang zwischen Phosphatüberladung und hohen Mortalitätsraten geht aus vielen vergangenen observationellen Stu-dien hervor“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz, Kli-nische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universität Graz, einleitend bei seinem Vortrag über den therapeutischen Nutzen und den praktischen Einsatz von Phosphatbindern und verweist auf ältere und neue Studien, in denen der Zusammenhang zwischen CKD und kardiovaskulären Ereignissen untersucht wurde. So ließ sich in einer Studie mit 1.120.295 erwachsenen nicht-dialysierten Patienten, bei welchen die Kreatinin-Konzentrationen im Serum zwischen 1996 und 2000 erfasst wurden, ein Zusammenhang zwi-schen einer reduzierten GFR, dem Mortalitätsrisiko, kardiovasku-lären Ereignissen und Hospitalisierungsraten herstellen.2 In einer Studie von Eddington et al.3 (n = 1.203) konnte gezeigt werden, dass erhöhte, jedoch noch immer im normalen Referenzbereich befindliche Serum-Phosphatwerte bei CKD-Patienten in den Sta-dien 3 und 4 mit einer erhöhten Mortalität assoziiert waren. Diese Daten bestärken den Bedarf nach einem optimierten Phosphatma-nagement bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz.1, 3

Herausforderung Therapietreue

Eine Maßnahme, um den Serum-Phosphatspiegel zu senken, ist die phosphatarme Diät. Da derartige alimentäre Phosphatrestrik-tionen bei vielen CKD-Patienten alleine jedoch nicht ausreichen, um die Serum-Phosphatwerte zu senken, wird die Gabe von Phos-phatbindern notwendig. Es stehen unterschiedliche phosphatbin-dende Substanzen zur Verfügung, und obwohl diese eine effektive Behandlungsmöglichkeit darstellen, erreichen bis zu 50 % aller CKD-Patienten nicht ihren erstrebten Phosphatspiegel.4 Als Haupt-gründe hierfür gelten schlechte Verträglichkeit und mangelnde Therapietreue aufgrund der hohen Tablettenlast. Im Durchschnitt müssen Dialysepatienten 19 Tabletten täglich schlucken, etwa die Hälfte davon entfällt auf Phosphatbinder.5 Rosenkranz: „Je mehr Tabletten ein Patient schlucken muss, desto geringer ist die The-rapietreue.“ Wurde lange Zeit auf kalziumhältige Phosphatbinder zurückgegriffen, stehen CKD-Patienten mittlerweile kalziumfreie Präparate zur Verfügung, die im Vergleich zu kalziumhältigen Phosphatbindern mit einem geringeren Hyperkalzämierisiko ein-hergehen.6 „Es gibt keine optimale Therapieform, jede Intervention hat ihre Vor- und Nachteile und wie bei anderen Erkrankungen sollten beim Phosphatmanagement zukünftig multifaktorielle The-rapieoptionen angestrebt werden“, so Rosenkranz.

Abb.: Durchschnittliche Tablettenlast durch Phosphatbinder: Vergleich von PA21 und Sevelamer7

■ PA21■ Sevelamerkarbonat

Behandlungs- start

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Sucroferric Oxyhydroxide: reduzierte Tablettenlast

Mit dem 2014 zugelassenen Phosphatbinder Sucroferric Oxyhy-droxide (PA21) steht dialysepflichten erwachsenen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz nun ein neues Präparat zur Kontrolle des Serum-Phosphatspiegels zur Verfügung. Sicherheit und Wirk-samkeit des kalziumfreien, eisenbasierten Phosphatbinders, der in Form einer Kautablette eingenommen wird, wurden im Rahmen einer offenen randomisierten, aktiv kontrollierten Phase-III-Studie mit 1.055 dialysepflichtigen Patienten mit Hyperphosphatämie überprüft (Abb.).7 Dabei erhielten 707 Patienten PA21 in einer Dosierung von 1 bis 3 g pro Tag, 348 Patienten wurden mit Seve-lamer, dem bisherigen kalziumfreien Behandlungsstandard, in einer Dosierung von 4,8 bis 14,4 g behandelt. Nach insgesamt 24 Wo-chen wiesen beide Behandlungsgruppen eine vergleichbare Reduk-tion der Serumphosphatspiegel gegenüber den Ausgangswerten auf, doch während Patienten des Sevelamer-Arms täglich zwischen 8 und 10 Tabletten schlucken mussten, waren bei Patienten unter PA21 nur 3 bis 4 Tabletten pro Tag für eine effektive Hyperphos-phatämie-Kontrolle erforderlich. Rosenkranz: „Die Studienergeb-nisse zeigen, dass PA21 bei reduzierter Tablettenlast genauso wirk-sam ist wie die Vergleichssubstanz.“ Zu den häufigsten Nebenwir-kungen von Sucroferric Oxyhydroxide zählen Diarrhö, Übelkeit und Stuhlverfärbung. Die empfohlene Anfangsdosis für PA21 be-trägt 3 Tabletten pro Tag (eine Tablette pro Mahlzeit).

Neue Therapien bei Hyperkaliämie

Auch für CKD-Patienten mit Hyperkaliämie, welche mitunter zu Arrhythmien, Muskelschwäche und Parästhesien führen kann, stehen bald neue Therapien zur Verfügung. „Bei Hyperkaliämie handelt es sich nicht nur um ein biochemisches von der Norm abweichendes Ereignis. Ein zu hoher Kaliumspiegel im Blut ist ein großes klinisches Problem und kann zu gefährlichen Herz-rhythmusstörungen führen“, betont Univ.-Prof. Dr. Rainer Ober-bauer, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Medi-zinische Universität Wien. Momentan befindet sich ein in den USA bereits mit Ende 2015 zugelassener Kaliumbinder im Zen-trum klinischer Forschungsaktivitäten, welcher die Absorption von Kalium durch die Bindung im Magen-Darm-Trakt reduziert. Ergebnisse einer Phase-III-Studie8 bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit der Substanz und zeigten bei Patienten unter Placebo 4-mal häufiger wiederkehrende Hyperkaliämien als unter Verum (60 % vs. 15 %). ■

1 Ritter C.S. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2016 Feb 10; 2 Go A.S. et al., N Engl J Med 2004 Sep; 351 (13): 1296–305; 3 Eddington H. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2010 Dec; 5 (12): 2251–7; 4 Yolee P.M. et al., J Nephrol 2014; 27 (6): 673–679; 5 Chiu Y.W. et al., Clin J Am Soc Nephrol 2009; 4 (6): 1089–1096; 6 Jamal S.A. et al., Lancet 2013 Oct; 382 (9900): 1268–77; 7 Floege J. et al., Kidney Int 2014; 86 (3): 638–647; 8 Weir M.R. et al., N Engl J Med 2015; 372: 211–221

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Fachkurzinformation siehe Flappe