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Sternstunden des DDR- Humors / 1969 - 1970

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Die Jahre 1969-1970: Sachlich kritisch optimistisch

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1969 197

c ic , rit isc , o t imist isc

Weltbild

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Gisela Oechelhaeuser: Sachlich kritisch optimistisch . .. 7

1Kapitel: Sachlich kritisch optimistisch 9

Jochen PetersdorfDas Echo 10

Peter Gauglitz

Ein Beschwerdefall 12

John Staveer Kulturobmann am Nagel 15

C U Wiesner

Frisör Kleinekorte als Verschönerungsrat 18

Werner Troegner

Kleines Organon für den perfekten Schauspieler 21

2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes

Humorvolles aus dem lltag 23

Inge Ristock

\Varenhausgeflüster 24

Johannes Conrad\\Tenn die Neugier nicht wär 25

Ernst RöhlSchall und Rauch 26

Klaus Lettke

Individualität 27

Angela Gentzmer

Oma \Vanda 11nd Opa Friedrich

Sketch mit Helga Hahnemann und Alfred Müller 28

Renate Holland-MoritzGing-ging-gong-gong 32

Lothar Kusche

Ein Leben mit der Seife

Peter Gauglitz

Schwein gehabt

John StavePferd 11nd \Vagen

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Inhalt

3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen

Als wir Schüler und Pioniere waren

Renate Holland Moritz

Kindergeburtstag

Ernst Röhl

Pünktchen und Anton

Peter Hacks

Schulstunde spielen

Ottokar Domma

Wie man die Ferien verleben kann

John StaveErziehungsmaßnahmen

4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen

Wir Werktätigen in Stadt und Land

Irmgard AbeTagewerk

Hanskarl Hoernjng

Cosi non fan tutte

Ulrich Speitel

Bauen auf unserer Klitsche

Peter Gauglitz

Zeit Zeichen

Jürgen HartAlle Jahre wieder

5 Kapitel: Heißer Sommer

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48

49

s

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58

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67

69

Von Ostseestrand Datsche und Jugendclubs . 71

C U Wiesner

Kleines Haus am Wald

Renate Holland MoritzWozu ist der Garten da?

Erwin F B Albrecht

Kofferstudie

Rudi Strahl

Meeresbiologische Erkenntnis

John StaveOstsee Aussichten

Auf der Kurpromenade

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5

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6. Kapitel: Höher, schneller, weiter

Sportlich sportlich

Ernst RöhlDie vierbeinigen Sport-Freunde

Hans KrauseKnockout

Ralph WienerEin bescheidener Herr

7. Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete

Hansjoachim RiegenringDie Verführer

Lothar Kusche

Diskretion am TelefonJohannes Conrad

Interview mit einem Kämpfer

Erwin F B AlbrechtMerkt euch diesen Anschluß, Männer

Klaus Möckel

Poesie

Ernst Röhl

Flüchtlings-Gespräche

Klaus LettkeFortschritt

8. Kapitel: Wo wir sind, ist vornEs geht seinen sozialistischen Gang

Ralph WienerStart mit Scheibenbremse

Klaus Möckel

Verkehrte ZeitungPeter EnsikatBerlinisch for Sie

Heinz Helm

s tropft

Ein ganz besonderer Saft

Zeittafel

Rechtliches

Inhalt

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Die inheit von Kopf und Zwerchfell 7

itiseee

So wäre sie gerne gewesen, die größte DDR der Welt, Frontstaat des Ostens gegen den

übermächtigen Westen. In Berlin wurde der Fernsehturm gebaut. Unter dem Jubel der

ganzen Republik wurde jeder Nagel in den Zaun der Großbaustelle am Alexanderplatz

eingeschlagen. Die DDR hatte eine gepflegte Hauptstadt. Ihre Hinterhöfe, die Bezirks

und Kreisstädte, versteckte sie lieber. Sie feierte ihren 20. Geburtstag. Walter Ulbricht

schenkte seiner Lotte zu diesem Anlaß den Karl-Marx-Orden. In den offiziellen The

sen zum 20. Jahrestag lesen wir: »Die sozialistische DDR ist dem imperialistische est

deutschland um eine ganze Epoche voraus.« Die Anerkennungswelle der DDR began ·

Kambodscha, Irak, Syrien, die VAR, Sudan und der Südjemen waren die mutigen Län

der, die gegen die Hallstein-Doktrin verstießen und die damit riskierten, die Wirt

schaftshilfe des Westens zu verlieren. Die Anerkennung der DDR bereitete der BRD

nämlich einiges Kopfzerbrechen.

Auf der Feier zum 20. Jahrestag in der Werner-Seelenbinder-Halle verkündete derGenosse Leonid Breshnew, Generalsekretär der KPdSU, vor Gästen aus 84 Ländern:

» .. daß sich in der DDR ein vollkommen neuer Menschentyp herausgebildet hat, der

Erbauer der sozialistischen Gesellschaft.« Leider klaute auch der neue Mensch undbereicherte sich kräftig am Volkseigentum. Wenn er schon nicht wirklich neu war, der

neue Mensch, so war er doch wenigstens schnell. Karin Balzer lief innerhalb von drei

Monaten drei Weltrekorde über 100 Meter Hürden, und bei der Leichtathletik-Europa

meisterschaft in Wien errangen die Sportler der DDR vor der Sowjetunion die meisten

Medaillen.

Ebenfalls in den Thesen zum 20. Jahrestag lesen wir: »In der DDR ist der alte ' raumder Einheit von Geist und Macht verwirklicht.« So lautete die Theorie, und wie gernehätte ich das geglaubt. Unser Alltag aber wurde bestimmt vom Kampf zwischen Theo

rie und Praxis. Auch unsere Kabarettprogramme lebten von diesem Widerspruch.

Jürgen Hart, der Chef der »academixer«, setzte dagegen lieber auf die »Einheit von Kopf

und Zwerchfell«. In einer Parodie auf den Goetheschen Erlkönig streiten sich Theorie

und Praxis um einen Studenten.

Student: »Siehst, Theorie, du die Praxis nicht?

Ich bin gegen die Praxis nicht immun.«

Theorie: »Du bist bei mir, sie kann dir nichts tun ...Student, Student, laß uns schnell gehenIch bin für die Praxis, doch ich will sie nicht sehn «

Am 21.10.1969 wurde Willy Brandt Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Fünf Monate später trafen sich der Ministerpräsident der DDR, Willi Stoph, und der

Bundeskanzler der BRD, Willy Brandt, die beiden deutschen Willis, in Erfurt, um über

die Beziehungen beider deutscher Staaten zu reden. Tausende DDR-Bürger riefen be

geistert »Willi«, und zum Glück konnte man nicht hören, ob sie den mit » « oder den

mit »Y« meinten, oder eben alle beide.

Gisela Oechelhaeuser

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>>Hier haben Sie was

Schönes für Ihre Zei-

tung Da erübrigt sich

ja wohl jede Kritik <<

Sachlich kritisch optimistisch

ochen Petersdorf

Meister Spatz arbeitet als Echo. Jedoch nicht auf der Oberho

fer Höh oder in einer Felsspalte der Sächsischen Schweiz, sondern in den Spalten der Zeitung. Natürlich nicht hauptberuflich.

Welche Zeitung hält sich schon ein hauptberufliches Echo

Meister Spatz ist richtiger Meister, so wie es sich gehört. Er

leitet im »VEB Werkzeuge« eine Brigade, die sich mit dem Pro

blem des Entrostens beschäftigt. Ein wichtiges Problem und

nicht gerade die feinste Arbeit, wie

man sich denken kann. MeisterSpatz hat die Brigade im Zug. Diesnur als Vorbemerkung - damit

nicht etwa ein falscher Eindruckentsteht von Meister Spatz.Nun zu seiner Echo-Tätigkeit. Die

begann vor einigen Jahren. Es war

ein heller Sonnentag. Aber mehrdraußen. Drinnen in der Entroste

rei zog der Staub in Schwadendurch den Raum und teilweise

auch durch den Abzug, so daß man

auf den Redakteur Bernd Wetzererst aufmerksam wurde, als ermächtig hustete. Meister Spatz

ließ die Schmirgelscheiben und die

Entrostungstrommeln anhalten.»Wo brennt s denn?« fragte Spatzden Redakteur.In der Redaktion, sagte Wetzer.Das heißt, er sagte es nicht so di-

rekt, denn er war ja Redakteur.Aber er gab zu verstehen, daß ein Echo fehlte. Ein Echo aufden Wettbewerbs-Aufruf der Kumpels vom VEB 8. März.»Noch gar nicht gelesen«, sagte Meister Spatz.Macht ja nichts, erwiderte Bernd Wetzer. Er sagte das natürlich nicht so direkt, denn er war ja Redakteur. Aber es wäre

eben schön, meinte er, wenn der Wettbewerbsaufruf sofort ein

Echo fände. Mit den Feinheiten könnte man sich ja später

immer noch vertraut machen.

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Sachlich kritisch optimistis h

»Da ist was dran«, meinte Meister Spatz, »und ein Wettbewerb

ist j im Prinzip auch immer eine gute Sache.«

Aus den letzten drei Wörtern machte Wetzer die Schlagzeile

und berichtete dann noch recht anschaulich vom lebhaftenEcho, das der Wettbewerb vom VEB 8. März bei den Entrostern

um Meister Spatz gefunden hat. Auf dem Foto war zwar wegen

der Staubschwaden so gut wie nichts zu sehen, aber weil dieLeser solche Fotos gewöhnt waren, wirkte alles sehr natürlich.

Ein paar Monate später machte der VEB 1. Mai von sich reden.

Mit einer großen Betriebssportinitiative. »Gesundheit«, rief Mei-

ster Spatz, als Redakteur Wetzer in der staubigen Entrosterei

nieste. Unter dieser Schlagzeile berichtete Wetzer tags darauf

vom lebhaften Echo, welches das Sportprogramm des VEB

1. Mai bei der Brigade Spatz gefunden hat. Den Volkskunstauf

ruf vom VEB 7. Oktober hatte Meister Spatz bereits morgens

in der Straßenbahn gelesen. Deshalb brauchte Redakteur Wet-zer diesmal erst gar nicht lange in der Entrosterei herumzuhu

sten, sondern konnte das Echo bereits um 9 30 Uhr telefonisch

entgegennehmen.Die telefonische Echo-Arbeit wurde von beiden Seiten als sehr

angenehm empfunden und beibehalten.Im Laufe der Zeit qualifizierte sich Meister Spatz so weit, daß

Redakteur Wetzer kaum noch etwas zu redigieren brauchte

und den Echo-Ruf gleich zur Druckerei durchstellen konnte.

Mit dieser Methode war er den anderen Redaktionen natürlichum Längen voraus, was i m allerlei Neid einbrachte. Meister

Spatz jedoch war in letzter Zeit sichtlich verstimmt. Seit Wo-

chen war nichts sonderlich Begrüßenswertes herausgekommen. Eine ausgesprochene Dürre.

Mißmutig stapfte er durchs Werktor. Da hörte er, wie der Pfört

ner zu einem Kollegen sagte: »Es war auch Zeit, daß die Jungs

mal was unternehmen betreffs Kultur am Arbeitsplatz.«

»Kann ich mal telefonieren«, fragte Meister Spatz. Der Pfört

ner reichte i m den Apparat durchs Schiebefenster. Als Re-

dakteur Wetzer Spatzens Stimme hörte, stellte er gleich zurDruckerei durch.

Heute früh las Redakteur Wetzer in seiner Zeitung den Be-

schluß der Entrosterbrigade Spatz, ihre Arbeitshalle staubfrei

er und kulturvoller zu gestalten. Wie weiter mitgeteilt wurde,

hat diese Initiative bereits ein lebhaftes Echo gefunden, das

man auf Seite zwei lesen könne.

Da mußte Bernd Wetzer unheimlich husten.

Zwei ehemalige

Direktoren begeg

nen sich im Ge-

fängnis. »Wo warst

du Direktor?«-

»Ich war Zirkus

direktor « - »Und

warum bist du

hier?«- »Ich habe•m vergangenen

Oktober ein Transparent am Zirkus

anbringen lassen.«

- »Und was stand

drauf  « - »20 Jahre

DDR - 20 Jahrevolkseigener Zir-

kus Und du? «-

»Ich war Direktor

einer Textilfabrik

und hab auch einTransparent anbringen lassen.« -

»Und was stand

drauf?« - »Jeder

zweite Genosse einSpinner «

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12 Sachlich kritisch optimistisch

Peter Gauglitz

Letzte Woche trat ich meinen Dienst in der Kundendienst

abteilung des zentralen Warenhauses an.

»Wrr ziehen zur Zeit gerade den Monat der konsequenten Be-schwerdenachgehung durch«, steckt mir mein Leiter und läßt

auch was von Pluspunkten für gutes Nachgehen fallen. Kurzdarauf tritt ein Mann im Lodenmantel bei mir ein, nicht mehr

der Jüngste, der Herr Kunde. Ich biete ihm Platz, w o r ~ er sich

setzt und seinen grünfilzigen Hut zwischen den Händen dreht.

Gespannt frage ich ihn, welcher rt sein Anliegen sei.»Ich wollte mir ein Pfund Pflaumenmus in Papier kaufen«, er-widerte er, »oben bei Genußnahrungsmittel, aber der Fahrstuhl

ist nicht gefahren.«

»Und darüber«, nehme ich das Wort, »wollen Siesich beschweren?«

ualitätseinbrüche dürfen nicht auf

der Kappe der Endverbraucher lasten»Türlich, ist doch ne ziemliche Schlamperei«, sagt

er heftig,»das kann gar nicht laut genug ausgesprochen wer-den.«Flüssig notiere ich »Fahrstuhl verkehrt nicht « und sage:

»Immer dieser Fahrstuhl. Beine werde ich ihm machen. Beine «Der Lodenmantel blickt mich dankbar an. »Das haben Sie feingesagt«, sagt er. »Immer rauf aufs Schlimme Wenngleich ... «»Wenngleich?«»Nun, es ging auch so. Ohne den Fahrstuhl. Und wenn ichs

richtig überlege, wars gar nicht mal so übel, daß er nicht ge-fahren ist. Ich bin nicht die Treppe zu Nahrungsmittel raufge

stiegen, sondern unten geblieben. Im Erdgeschoß.«

»Ja, unser Erdgeschoß ... « werfe ich hin und streiche die Fahr

stuhlbeschwerde weg, »ist auch nicht ohne. Und hatten Sieetwa einen guten Einkauf?«

Der Lodenmäntelige stülpt sich den grünen Hut übers Knie.Jetzt hat er die Hände frei, breitet die Arme aus und zeigt mir

die leeren Handteller. »Einkauf? Wieso? Als ich kam, waren ge-rade Dosenöffner reingekommen. Richtige Büchsenöffner mit

spitzer Schneide, Kollege Ich stellte mich also an, und wie ich

endlich an die Reihe kam - entschuldigen Sie meine preußische

Ausführlichkeit, meine Eltern waren alles Potsdamer - da

sticht mich doch der Hafer, und ich erkundige mich, wie soeine Büchse mit dem Öffner aufgemacht wird. Leider hatten sie

keine einzige volle Büchse bei der Hand, nur zwei leere ...«

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Sachlich kritisch optimistisc_h

Unverzüglich verurteile ich die lückenhafte Handelsweise,

werfe »Keine bindende Kooperation Öffner - Vollbüchse - Ver-kaufskultur? «aufs Papier und bemerke: »Jawohl, die Beschwer

de leuchtet mir vollinhaltlich ein «»Nicht wahr«, sagt der Beschwerdeführer, »dagegen kann mangar nicht scharf genug, da muß man ... Wenigstens einerseits.

Andererseits ... «»Ja, bitte?«»Es hat auch wieder sein Gutes gehabt,

•ganz pnma sogar ... «

Enttäuscht betätige ich mich als Streicher von Beschwerden. Und der Mannerläutert mir ausführlich, was an demSchlechten das Gute war: Mit demBüchsenöffner wäre er gewiß losge

stiefelt und hätte nie im Leben amStrickstand ein paar hellrote Pulswär

mer aus Zellwollgemisch der Größe 48erstanden. Leider aber wären ihm diesebeim ersten Waschen bereits so einge-gangen, daß er sie doppelt gemoppelt

als unelastisches Uhrenarmband habe

tragen müssen Diesen nun, wahrhafthaarsträubenden Beschwerdefall vor

Augen, frage ich klipp und scharf: »Her-steller, Produktionsnummer, EVP? Mo-ment, ich läute gleich mal zum Einkauf

rüber - der kann sich vielleicht auf was

gefaßt machen «

1

»Was sein muß, muß sein«, erwidert der Grüne. »Aber trotzdem

wars schön - ach, wenn Sie wüßten, wie schön es war «»Wo? Etwa in den eingelaufenen Pulswärmern?«»Wieso Pulswärmer? Die hatte ich doch eine Woche später

schon ... «»Umgetauscht?« frage ich resignierend und ziehe den Finger

aus der Wählscheibe zurück.»Nein, bewahre, umgetauscht hat sie mir keiner.«Endlich, endlich wird mir klar, worüber sich mein Besucher

beschweren will: Für jene schundbaren Pulswärmer, Zellwoll-gemisch hellrot, wurde ihm, dem Kunden, kein Regreß

gewährt »Qualitätseinbrüche dürfen nicht auf der Kappe desEndverbrauchers lasten«, notiere ich begierig und lese meinen

Text dem Manne vor.

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»Was ist Philoso. hie?«»Wenn man mit

verbundenen. Augen in einem

verdunkelten Zimmer nach einerschwarzen Katzesucht.«»Und was ist derUnterschied zwischen materialistischer und idealistischer Philosophie?«»Materialisten

suchen n einem· dunklen 'Zimmer

mit verbundenen

Augen nach einerschwarzen Katze,die wirklich da ist.Idealisten suchenim gleichen Zimmermit verbundenen

Augen nach einerKatze, die gar nichtda ist.«»Und wie ist dasmit den DDR-Philosophen?«

Die suchen im .gleichen Zimmermit verbundenenAugen nach einer

schwarzen Katze,die nicht da ist,

·und rufen dabei

laut: Wrr haben dieKatze gefunden <«

sachlich kritisch optimistisch

»Richtig« sagt er. »Sie sagen es «Der festen Meinung, meinen Beschwerdefall unter Dach undFach zu haben, erkunde ich nebenher, was eine Woche später

denn gewesen wäre.

»Da hatte mir die Kollegin vom Wollestand die Pulswärmer

schon etwas angestrickt, gleich nen ganzen Pullover, obendran. Mit Norwegerhirschmuster.« Der lodengrüne Mann läßt

eine Pause eintreten, in deren Verlauf sein Gesicht sich mehr

und mehr verklärt. »Ja, ja, Verkäuferinnen gibts ... «

»Und wieder keine Beschwerde?« frage ich erschüttert und

streiche schon immer.»Nein«, sagt mein Visavis.

»Dann nennen Sie mir wenigstens den Namen der Kollegin. Er

kommt an die Wandzeitung, wegen hervorragender Kundenbetreuung.«

»Geht nicht. Gertrude ist weg. Nicht mehr im Kaufhaus.«Nun werfe ich, stark erschöpft schon, ein, auch das wäre der

Vorwurf einer Beschwerde. »Der Kunde gewöhnt sich an ein

freundliches Gesicht, und plötzlich ist es weg, verschwunden- elende Fluktuation «

»Ja, ja«, sagt der Mann. Das wäre nicht gerade angenehm. Jedoch das liebe Leben spiele nun mal so. »Nichts dran zu machen.«»Sie verzichten also wieder?« frage ich auf neunundneunzig.

»Klar, ich habe Gertrude doch geheiratet. Wir haben drei Kinder, Kollege, eins ist schon verlobt - mit nem ersten Verkäufer

sogar - und als der Fahrstuhl nicht fuhr, das ist nun auch

schon an die neunzehn, zwanzig Jahre her.«»Dann wollen Sie sich, in drei Teufels Namen, überhaupt nicht

beschweren?« frage ich und lasse alle Höflichkeit fahren.

»Doch, doch«, sagt mein Gegenüber. »Klar, will ich - und wie «»Nun sagen Sie bloß noch«, sage ich gereizt, »Über das Warenhaus vor neunzehn, zwanzig Jahren «

»Nein, über heute.«••

»Uber heute? Da rede ich die ganze Zeit mit Ihnen über heute,

und Sie meinen immer die Jahre von vorgestern - Herrgott

chen im Obergeschoß, was solls denn sein?«»Pflaumenmus«, sagt der Grüne. »Aber nicht die Konfitüre imGlas, sondern Mus in Packpapier. Das war damals um vier

Pfennig billiger ... «

Na endlich Die Kampagne und meine Pluspunkte waren gerettet.

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Sachlich, kritisch optimistisch

John Stave

»Ich mache jedenfalls den ganzen Zauber nicht mehr mit «

erklärte Bramberg kategorisch. »Ich hab mich damals breit

schlagen lassen: Bramberg, du bist der richtige Mann, du hastAhnung, du bist belesen, du schaffst das. Wir legen den Kul

turobmann in deine Hände So schmieren sie dir Honig ums

Maul. Natürlich, das hört jeder gerne: Wir brauchen dich Aberjetzt häng ich alles an den Nagel. Solln sie sich selber um ihre

Bildung kümmern. Ich habe über fünfzig Bücher zu Hause, undjetzt hab ich auch wieder Zeit für mein Theateranrecht und so

weiter.

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- ' '"

Weißt du, was sie dir obendrein noch machen? Frühjahrsputz

Vorwürfe - so siehts aus Da kann ich mich richtig erregenIch hab den Bildungsplan aufgestellt für letzten Monat. Ichhab manche freie Stunde rangehangen nur damit alles klappt.Und der Dank? Keine Resonanz. »Ich muß meiner Frau bei der

Wäsche helfen, ich muß die Kinder vom Kindergarten abho-

len, ich muß zum Durchleuchten, ich muß das und das und die-

ses und jenes.« So drücken sie sich. Aber wenn du dann mal

in die Oase reinsiehst, da sitzen sie in dem ganzen Qualm undtrinken Bier.

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16 Sachlich kritisch optimistisch

Ich mach das nicht mehr mit Ich kann auch mein Bier in der

Oase trinken, wie jeder andere auch. Ich kann auch sozusagen

meiner Frau bei der Wäsche helfen oder die Kinder gewisser

maßen abholen. Mit ein bißchen Phantasie geht alles. Man

macht sich ja lächerlich

Der Kollege Zwack zum Beispiel machte ein ganz süßsauresGesicht, als er mir die Vorteile des Kaufhalleneinkaufs

schmackhaft machte. Ich hatte dreißig Stühle schön halbrund

aufgebaut, aber kein Aas kam. Frieda Zibulski konnte ich nocham Schürzenzipfel erwischen, die kennst du auch. Ich sage,jetzt türmst du, aber der Vortrag ist wichtig für dich. Jetzt muß

ich einkaufen, sagt sie und reißt sich los. Noch schlim-Der Fernsehturm fiel vollkommen mer war die Sache am 28. Alles für die jungen Leuteins Wasser, weil Nebel war. organisiert. Der Kollege Scherbarth ist ein Phänomen

unter den Frisören, der Stolz der ganzen Innung Ichmußte regelrecht um ihn kämpfen. Drei Tage war ich alleine

deswegen unterwegs, alles für die Jugend. Und der Dank? Ichsaß alleine da, vollkommen alleine Aber das war noch nicht

das schlimmste. Wenn ich wenigstens Haare auf dem Kopf ge

habt hätte

Den Meister Scherbarth kriegen jedenfalls keine zehn Pferde

mehr in unseren Betrieb.

Der Doktor im Tierpark hatte noch obendrein Glück im Un-

glück. Gerade als ich ihm mitteilen wollte, daß kein Aas dawäre, kommt eine Rentnerbrigade mir wie gerufen und fragt,

ob sie im Extraraum Platz nehmen und Kaffee trinken könn

ten. Der Doktor Weber wundert sich natürlich, daß wir so ein

überalterter Betrieb sind. Gerade wir von der Elektronik, aber

wie er dann für seine Spitzschwanzelfen so riesigen Applaus

erntet, hat er das Alter vollkommen vergessen. Ich hab das

Dankschreiben von ihm noch oben, das kann ich mir an die

Wand nageln. Natürlich - ich hätte auch lieber was über Ele-

fanten, Nashörner, Löwen, Tiger, Känguruhs oder Schlangengehört, aber der Doktor Weber war der einzig greifbare MannAnfang des Monats, und er kann eben nur über Spitzschwanz

elfen, helf er sich. Ich war viermal deswegen auf dem

Gelände. Vier Abende, wo ich auch lieber in der Oase gehockt

hätte

Bei den Dachrinnen waren außer mir zwei ganze Personen,

der rothaarige Mechaniker Polzin und die kleine neue Botin,

die auch den Fahrstuhl mitunter führt und so ein bißchen hum-

pelt, aber kein Interesse für Dachrinnen und daß man sich

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sachlich kritisch optimistisch

dabei anseilen muß. Dauernd gequatscht, so daß ich ein paar

mal ordentlich zischen mußte.Der einzige der Referenten, der noch so ein bißchen mensch

lich mir gegenüber reagierte, war der Kollege Bade mit seinem

Kastenrudern, mit dem er j schließlich auch selber ankam.

Wilhelm, sagt er, mach dir nichts draus, wenn keiner kommt.

Es ist j nur gesellschaftliche Arbeit. Zu mir kommt fast nieeiner, höchstens mal aus Versehen. Aber ich hab trotzdem wunderbare Urkunden ...

Ich lehne das jedenfalls ab. Ich will Resonanz Zum Beispiel

auf den Rieselfeldern. Die Kollegin Pauske - noch eine sehr

reizvolle Dame Anfang fünfzig -, die die Führung machen sollte, war richtiggehend eingeschnappt. So ein interessantes

Thema, sagt sie, das wirklich jeden angeht Die kennt die Rie

selfelder, sag ich dir, wie ihre eigene Westentasche, muß na

türlich auch immer entsprechend Parfüm anspritzen. Rats auchnicht leicht Ich hab sie dann in den Marzahner Krug eingela

den, und da hat sie mir die ganze Geschichte vom Urschleiman erzählt, daß die Sache in Zukunft geklärt wird und so wei

ter. Hinterher wollte sie sich beinahe noch sofort mit mir ver

loben , weil ich so ein verständnisvoller Mensch wär. Brüderschaft war schon, aber ich hab dann lieber schnell bezahlt,

dann rein in den 0-Bus, weg war ich erst mal.

Der Fernsehtunn fiel vollkommen ins Wasser, weil Nebel war,

und bei den ägyptischen alten Steinen, war ich nicht auf demPosten, weil ich mich auf dem Rieselfeld vielleicht doch etwas

erkältet hab. Na ja, das ist j nun alles vorbei. Schon wegen

der Vorwürfe, die sie dir hinterher noch obendrein machen.

Hast du mit den Kolleginnen und Kollegen denn vorher disku

tiert? Hast du nach ihren Interessenkomplexen gefragt? Ichsage, da hört sich alles auf Ich kenne die Interessenkomple

xe: Oase, Fernsehen und so weiter. Ich war schon zufrieden,

daß ich die ganzen Vorträge und Exkursionen soweit alle unter

Dach und Fach hatte. Wenn ich noch jeden vielleicht extra ge

fragt hätte, hätten wir Weihnachten Kastenrudern können oder

zum Friseur gehen. Bei mir ist der Bart jedenfalls ab

Weißt du was? Ich pachte mir ein Häuschen an den Rieselfel

dern, und dann wandre ich mit Kollegin Pauske drüber hin. Und

ab und zu reinige ich die Dachrinne - ich weiß ja, Gott sei

Dank, Bescheid, wie das geht - und halte auch selber Vorträ

ge darüber. Wenn du erst mal Kulturobmann bist, kannst du

dich bei mir anmelden

17

Aus Solidarität mitder Sowjetunionerklärt die DDR

der VolksrepublikChina den Krieg.

In Peking wundert. .

man sich undschickt ein Tele

gramm »Bedenkt,ihr seid ein Volk

von 17 Millionen.Vielleicllt habt ihr

.

i

ejne Million unter ,: -Waffe r r dage- -

gen sind eineMilliarde undhaben 1_7 Millionenunter Waffen. 'lVollt .

ihr wirklich gegenuns antreten?<< .

In Berlih tr tt dasP-0litbüro zusam-

 . .

men, beratschlagtund schickt ein

.

Alltworttelegfammfolgenden Inhalts:»Ziehen:die Kriegs

erklärung zurück.Wrr wüßten nicht,wohin mit so vielen

Kriegsgefangenen.« .. . • '

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18 Sachlich , kritisch, optimistisch

C U Wiesner

tlS t OI O

tlors Ö o r ~orto a s

srat

Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?

Wieder Nachtschicht gehabt? Was mir betrefft, ick werd wohlheut auch nich pünktlich Feierabend machen können, indem nä-

mich die janze Koppverschönerung sozusagen auf meine ge-

brechliche Schultern beruht. Nu werdense vielleicht denken,

Herr Kafforke sitzt wieder im Blauen Affen, sauft rum und bla-

miert seinen greisen Meister mittels dumme pullitische Reden,

wovon er sowieso nischt versteht. Aber nee - dazu hat er dies

mal jar keine Jelegenheit. Ick hab ihm nämich als meinen De-

lektierten versandt, nein, nich aufm Deutschen Frisörkongreß,

wo es bei Lichte besehn gar nich gibt. Nein, auch nich zumSchaufrisieren. Wo denkense denn hin Kuckense sich doch

mal Kafforkes Mohrrübenfinger an, den laß ick doch nich mal

an meine alten Stammkunden· ran. Na, nu haltense mal stille

und sindse nich so neugierig Dis isjewissermaßen einJeheim

nis, und ick bin doch keine Quasseltante, deß ick so was ausplaudere, wo es noch dazu obendrein um ne ziemlich brenzli

che Sache betreffen tut. Sagense mal, ham Sie eigentlich dieseSchampanje verfolgt, wo es als Motto immer lautete: Schöner

unsere Städte und noch ville schöner unsere Jemeinden? Wört-lich krieg icks auch nich mehr beisammen. Man erzählte sich

ja sojar, deß der Majistrat 'n künstlichen Mond an Fernsehturm

ranbammeln wollte. Wie ick Ihre Glatze noch tarnen soll, weiß

ick bald auch nich mehr. Na, jedenfalls soll et nur daranjeschei

tert sind, desse nich wußten, wie se dis mit die einzelnen Mond-

phrasen hinkriegen. Also wenn Se mir fragen, ick find den Na-

turmond ville preiswerter, jedenfalls solange, wie der Ami nich

wirklich anfängt, unsern blassen Heinrich da oben parzellen

weise an seine Mülljonäre zu verscheuern. Herrjottnochmal, icksag ja gamischt gejen die wüssenschaftliche Leistung, aber

mitm Sack voll Mondklamotten als Jebrauchsmuster fängts anund - nehmse mal den Kopp 'n bißken runter, sonst werdense

am hellerlichten Tage noch mondsüchtig, und ick verschnippe

le Ihnen noch den spärlichen Rest.

Moment mal Muttern, jeh doch mal kicken, ob sich Herr Kaf-

forke immer noch so dusselich anstellt Wenn nich, kannste

ihm auch n Töppchen Kaffe bringen. Tschuldigense, also

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Sachlich, kritisch optimistisch

wie jesagt, mir intressiert der Mond nich fürn Sechser. Ickkomm ja doch nich mehr rauf - und darum bleib ick lieberaufm Teppich. Sehnse, zum Beispiel die janze Verschönerungskiste, in Berlin, dis hat mir eigentlich richtigjehend jefreut, undda war ick auch mal ausnahmsweise von Anfang an nich da-gejen. Wenn Se sich noch erinnern sollten, ick hab schon vor

zwanzig Jahre zu meine Stammkundschaft jesagt, wenn diehier im Laden meckerten: Paßt mal auf, dis kommt noch villeschöner Hab ick natürlich janz anders jemeint, wo ich dochdamals nich wissen konnte, deß der Staatsrat dis janz wörtlich nimmt.Ick selber hab ja schon immer sehr auf Reinlichkeit jehalten,schon weil unsereinen die Hügüneordnung dis so vorschreibtAber son Reinemachefimmel wie beinah alle Berliner auf einenHaufen, den kriegt Muttern beispielsweise nur im Frühjahr.

Momentan siehts ja nu ziemlich manierlich inne Stadt aus,Jrünanlagen, Blumen schmuck und natürlichmeine Laube nichzu verjessen, wo ick eijenhändig neu anjepinselt und mit neueKletterrosen versehen habe. In jewisse Weiseisses aber auch zu einige Übertreibungen je-kommen wo ick mir sage, dis hätte nich seinbrauchen. Wissense, auf die eine Seite machtder Staat immer so mächtig auf der Arbeitertra

Dit war die jünstige Jelegenheit den

Staatsrat zu zeigen det ick würklich

auch alleine mitrejiere.

dition und wünscht in alle Fernsehspiele , deß man sich auf i rbesinnt. Und wie sieht die Wirklichkeit aus? Grade hier unsreGejend wo immer mehr so ein Proletenviertel war, was mani m auch ansah . und plötzlich kommense und kloppen dieletzten schönen vennurkelten ollen Fassaden runter und ver-putzen alles wie son richtigjehender Neubau. So werden einenebent die letzten Erinnerungen jenommen. Kaufmann Uppen-dahl wird Ihnen doch 'n Bejriff sind? Jenauso 'n privater Felsinne volkseigene Brandung als wie icke. Und über sein Ladenprangt immer dis Schild Colonialwaren. Gott wissense, der

olle Mann is ja so charakterlos. Dis schöne Schild, noch vonsein Opa eigenhändig jemalen, dis hat er sich überpinseln lassen. Bloß weil ihm die Natzjonale Front bei diese Gelegenheitgleich sein janzen Laden mitrenoviert hat. Janz so dusseligisses freilich auch nich. Kolonien gibs hier schon lange nichmehr; aber schließlich hamse bei uns auch die Herren abje-schafft - könnense mein Jedankenjang noch folgen? Ich über-lege ja auch schon dauernd, wie ick am jünstigsten unsere olleKüche renovieren lasse. Wenn ick mir nu bei die Natzjonale

19

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Zwei Schulfreundetreffen sich nachlanger Zeit wiederund erzählen, wasaus ihnen beruflichgeworden ist. Dereine, ein Stotterer,berichtet: »Ei-ei-ei

eigentlich wo -wo wollte i-i-ich ja Ru

Ru-Rundfunksprecher werden ... «Der andere: »Und

warum bist du esnicht geworden?«-»Wei-wei-weil i-i-ichni-ni-nicht i-in derP-P-P-Partei bin.  

Sachlich kritisch , optimistisch

Front erbietig zeigte und sagen täte, die sollen statt Wtllem

Kleinekorte Herrensalong dreiste ranpinseln: KleinekortensWerktätigenverschönerung?Aber vermutlich würdense denn kommen und sagen: Der jroßeJeburtstag von ne Republik is vorbei, jetz gehts wieder ohne

Musike, und nu ham wir schon wieder janz andere Sorgen, alswie unsere Städte noch ville schöner zu machen. Die Mensch

heit is ja manchmal so kurz von Jedanken. Jestern hab ick mirmit Albert Wuttken, den Wirt von HO Blauer Affe, inne Wolle

jehabt. Wissense, wenns da nich so jemütlich wär, würd ick ja

in diesen ollen Räucherschuppen jar nich mehr verkehren. Al

bert, sag ick eijentlich könntste mal 'n paar neue Jardinen an

schaffen und 'n paar Vasen auf die Tische stellen, die paarHerbstastern spendier ick sojar aus mein }arten. Wie er mir dar

aufhin wie son anjeschossener Rehbock ankickt, werd ick mirdoch zu die Äußerung hinreißen lassen: Sinngemäß - dennsprech ick immer janz fein - hat der Staatsrat nämlich auchgemeint: Schöner unsere Eckkneipen Wissense, was Wuttkemir jeantwortet hat? Die janze Aktion is längst abjeblasen, unddis weiß er aus sicherste Quelle, von einen Majistratsangestellten, der jesagt hat: Endlich hamwa wieder unsere Ruhe

Mir hat dis ja nu keine Ruhe jelassen. Erstens war ick von

Natur aus schon immer 'n Schönjeist, und zweitens war dis die

erste jünstige Jelegenheit, den Staatsrat mal zu zeigen, deß ick

würklich auch alleine mitrejiere, zumündestens hier bei uns insHaus, da bin ick denn in solche Fälle wie Julius Cäsar. Ick alsojestern abend noch alle greifbaren Hausbewohner zusammenjetrommelt, Fritze Ladenthin, Dokter Lielke und so. Denn habickjeden erst mal 'n Doppelten einjeschenkt, mit se meine Ab

sicht nich so schnell durchschauen, und denn schlängelte ickmir so pöapöh an meinen Jeheimplan ran: Wie wärs denn, wennwir unsern ollen Hinterhof mal alle zusammen renovieren wür

den? Wissense, und nu kommt da 'n Buddelkasten für die Jören

hin dazu 'n Kletterjerüst und 'n klitzekleines Stück Rasen mitzwei Bäumchen. Die hab ick direkt überrumpelt, wo ickja auchnoch mitm guten Beispiel voranjegangen und für heute nachmittag Herrn Kafforke zum Dreckwegkarren delektiert habe.Sehnse, auf die rt jeh ick ebent doch meine eigenen Wege.

Aber erzählnses bitte nich weiter, sonst kriegt mir womöglich

der Majistrat anne Hammelbeine, weil ick so einfach ohne An

weisung die Verschönerungsschampanje auf eigene Faust ver

längert habe

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Sachlich, kritisch optimistis<;h

Werner Troegner

I OS

p r o to

Der Sprung von der Schauspielschule zum großen Ruhm ge-

lingt selten auf Anhieb. Es fehlte bisher eine wissenschaftliche

Anleitung. Allen ambulanten Verleihern von Geste, Mimik und

Stimme kann demnächst hilfreich unter die Arme gegriffen

werden. Ein sechsbändiges Standardwerk erscheint im Verlag

»Kunst und Karriere, Kalau«. Die nachfolgenden Ausführun

gen sind als Verlagsprospekt zu betrachten.

Band 1: Grußrecht und Grußpflicht. Für alle Spar

ten mit Anhang Kleinkunst.

Allgemeine Grüßordnung (darstellendes Fach).

Den Intendanten: Ernst grüßen. Kinn etwa 15 Se-

kunden unten lassen. Kann verkürzt werden, falls

dein Vertrag verlängert wurde. Unhöflichkeit zahlt

sich nie aus. Er hat den längeren Arm.

Den Regisseur (fest verpflichtet): Wenn du bleiben

willst, freundlich grüßen. Dazu empfehlen sich ei-

nige Worte über die letzte gemeinsame Arbeit,

etwa: »Schwerer Brocken Hat aber viel Spaß ge-

macht, viel gelernt Endlich mal gearbeitet wor-

den.« Wenn dein Bleiben sicher ist, genügt einnett-kollegialer Gruß. Dazu vielleicht Floskelnwie: »Aber nicht wieder nur die Wurzen, bitte «

oder »Daß du dem die Rolle geben konntest Da

hätte ich dir aber was anderes draus gemacht.«

(Stimmt immer. Wenn du gehen willst, grüße trocken und iro-

nisch. Dazu paßt dann: »Woanders wird das Stück vor der Pre

miere erst einmal inszeniert « Oder: »Gelernte Regisseure

kenne ich schon aus Perleberg.« Oder: »Man müßte irgendwo

mal wieder künstlerisch arbeiten können «Den Regisseur (als Gast tätig), wenn er a von einem größe

ren Theater kommt: Gruß geradezu herzlich. Du hast alle seine

Inszenierungen gesehen und findest sie »einfach toll«. Rede-

wendungen: »Ja, bei Ihnen wird künstlerisch gearbeitet Sie

holen aus den Leuten alles raus.« Kommt der Gastregisseur b

von einem mittleren oder gleichwertigen Theater, so wird ein

freundlicher Gruß in den meisten Fällen als ausreichend ange

sehen. Dazu dann: »Ich werde hier immer unterschätzt « oder

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Kabarettist und Schau-

spieler Werner Troegner

gibt in seinem Kleinen

Organon« hintersinnige

Ratschläge für die Kolle-gen Schauspieler.

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Aber sauen Sie nicht

alles wieder ein In

einer halben Stunde st

Feierabend < <

lles zum Wohle des Volkes

lnge Ristock

Morjen. Hat schon jemand gemerkt, daß ick zu spät bin? Mann,

seh ick aus Mann, is mir schlecht Ick hab vielleicht 'ne Nachthinter mir Also det muß ick dir erzählen. - Strumpfhosen?

Könn Se nich lesen? Ein Stock höher. - Blöde Kuh. Bei der Jah-reszeit Strumpfhosen Wo war ick stehngeblieben? Ach so: Ick

bin ja so unglücklich Gestern war ick doch bei der Manuela

aus de Miederabteilung zum Jeburtstag. Dis is vielleicht 'ne ar-

rogante Zicke Da war ooch ihr Kusäng, so 'n richtig einjebil

,

-

deter Pinkel. Jab furchbar an mitseim 'frabant, den er bestellt hat

Na, dachte ick, bei mir blitzt du ab.

Und richtig, will mir doch der Mak-

ker nach Hause bringen JungerMann, sage ick - ganz Dame, ver-

stehste? - ich bin ein anständiges

Mädchen, und vor der Düre stehn

und so is bei mir nich. Also sind wir

zu ihm. - Wenn die Zicke da drüben

jetzt zu mir kommt, also die bedien

ick nich. Die hat sich doch neulich

fünf Perlonblusen zeigen lassenund dann nich mal 'n Knopp je

kooft. Jetzt geht se zu'n Mänteln. -

Wo war ick stehnjeblieben? Ach so:

Bei ihm inne Wohnung. Eine Liege

hat der Gelb und lila. Aber zuessen hat er mir nischt anjeboten.

Hätt ja ooch nischt jenomm. Ick

wollte den Kerl ja nur verladen. Er

war ja so janz nett, aber ick bliebuff Distanks. Na, hör mal, man

weiß ja, was man sich schuldig is - Unterröcke? Da drüben.

Selbstbedienung. Steht dran. Aber wühln Se nich alles durch

einander, wir ham jestem erst sortiert. Wenn Se Ihre Größe

nich wissen, kann ich Ihn ooch nich helfen.

Um einsen wollt ick jehn. Da merk ick doch, daß ick mein

Haustürschlüssel vergessen hab. Eigentlich hatte ick ihmjajar

nich vergessen, aber ick dachte es. Er war inner Jackentasche.

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  lleszum Wohle des olkes

Natürlich laß ick dummes Schaf, naiv wie ick bin, mir überre

den zu bleiben. Na, hör mal Ick steh doch nich sechs Stunden

im Rejen vor meiner eijenen Hausdüre Hätt mir ja'n Dood je-holt N e, Klingel is nich. Denn hab ick ihm 'n paar jelatscht

Warum? Mann, Kollegin, bist du aber naiv - Pullova ham wir

nur janz teure und janz billige. Und nur in Grün und Rosa. N e,in Blau nich. - Also, Freddy, hab ick jesacht, so heißt er näm-

lich. Und wenn man schon Freddy heißt, is bestimmt was faul

Freddy, wir kennen uns erst seit fünf Stunden und überhaupt:

Beim ersten Male nie Da hab ick meine Prinzipien. - Kostü-

me? Da hängen se doch. Die passen Ihnen sowieso nich. Die

sind nur für Schlanke. - Und jetzt kommt der Gipfel: Früh um

fünfe haut mich Freddy raus. Seine »Schwester« käme um sech

se von Schicht. Da hab ick ihm noch 'n paar jelangt. Warum?

Weil dis eine hundsjemeine Jemeinheit is Also Männer jibs,

nee Keene Moral im Leibe. Natürlich war nischt, weil ick nichwollte. Mir is janz schlecht. Hoffentlich krieje ick keen Kind.

Wo doch mein Bräutijamm seit acht Wochen uff Lehrjang is ...

Apropos Lehrjang. Weißte schon, daß wir alle 'n Lehrjang zurHebung der Verkaufskultur besuchen solln? Als ob wir nich

schon so jenug um die Ohren hätten.

Wo t t dio OIAtJior tieAt wär

Heute morgen schaltete ich wie üblich die Nachrichten des Ber-

liner Rundfunks an.In der Spitzenmeldung teilten mir die Kollegen Nachrichtenre

dakteure mit, daß drei Zwimerinnen des VEB »Spul mit «den

doppelten Auerbachknoten entwickelt haben, der so gut wiemaschenfest ist und einen jährlichen Nutzen bringt.

Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schaltete ich

daraufhin die Nachrichten aus und eilte beschwingt zur Arbeit.

Im Betrieb erfuhr ich von einem Kollegen, der die Nachrichtenbis zum Ende gehört hatte, daß in der vergangenen Nacht aus

bisher noch ungeklärten Gründen Australien im Meer versunken ist. Daraufhin nahm ich mir vor, bei Nachrichtensendun

gen künftig auch die Unter-ferner-liefen-Meldungen anzuhören.

Denn irgendwie interessiert einen j doch, was sonst noch sopassiert.

Johannes onrad

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Hier st zwar nichts

los aber eine Planstellest eben eine Planstelle. «

lles zum Wohle des Volkes

Ernst Röhl

Auf den Namen kommt s nicht an, sagen manche Leute. Ich

denke anders darüber. Vor drei Wochen hieß ich noch Obermül-

ler. Aber sagen Sie selbst - Obermüller klingt das nicht ekel

haft unbescheiden? Als ob man sich aus den Millionenmassen

einfacher, werktätiger Müllers um jeden Preis herausheben

wollte. Vor drei Wochen bei meiner

Hochzeit, habe ich die Gelegenheit

genutzt und den Namen meiner Frau

angenommen. Nun heiße ich Gottsei Dank Müller.

Oder der Name meines Betriebs:

Volkseigenes Kombinat für kaltgepreßtes südsüdostsächsisches Lein-

öl und spezialgereinigte südsüdostsächsische Leinsaat, Sitz Sollsdruff,

Werk Kannsdruff, Betriebsteil

Darfsdruff. Gewisse Spottdrosseln

finden den Namen zu lang, weil sie

bei der Aussprache ein paar Mal

Luft holen müssen und weil bei der

Einstellung neuer Kollegen die Aus-weise für Arbeit und Sozialversiche

rung immer gleich voll sind. Ich da-

gegen gehe vom Positiven aus und

behaupte: Kein Wort ist überflüssig.

Der Name ist so kurz und genauwie

möglich. Völlig ausgeschlossen, daß

meine Bude mit dem Halbstaatli-

chen Kombinat für warmgepreßtes nordnordwestthüringisches

Rapsöl und allgemeingereinigte nordnordwestthüringischeRapssaat, Sitz Willsdruff Werk Mußdruff, Betriebsteil Möchts-

druff verwechselt wird. Und jeder, der den Namen hört, kannsich genau vorstellen, was wir den lieben, langen Tag treiben.

Leider gibt es noch eine Menge wenig aussagekräftiger Fir-

menschilder. Zum BeispielVEB Schlachthof. Wer oder was wird

geschlachtet? Zu welchem Zweck? Wird eventuell Fleisch ver-arbeitet? Wenn ja, wozu? Zu Buletten, zu Frikadellen, zu Le-

berwurst?

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  8 lles zum Wohle des Volkes

Angela Gentzmer

11ta Wa11da ' - pa 1tiodtieA

Sketch mit Helga Hahnemann und Alfred Müller

Opa: Zeig mal unsern Wochenplan

Oma: Den hast du doch zwischen deinen Rentnerausweis undden Kurantrag gesteckt, damit wir 'n immer griffbereit haben

Opa: Wo denn?

Oma: Links Friedrich Neben deine Lesebrille

Opa: Na, die hab ich doch auf der Nase

Oma: Die is' doch die für die Feme Links is, wo der Daumenrechts ist

••

Opa: Ach ja, hier Liest: UbertragOma: Friedrich Jetzt haste die Sammelliste vonne Volkssolida-rität jejriffen Kannst du denn keine Ordnung in deine Ta-

schen halten? Jetzt wühlt Oma in seinen Taschen und holt ein

vollgeschriebenes lattPapier hervor: Nehmen wir dis solangeSo Nu lies mal vor, aber langsam Ich muß meine Optik erstsuchen Jetzt wühlt sie in ihrer Tasche

Opa: 6 Uhr Wecken

Oma: Zu früh

Opa: Nö Zu spätOma: Friedrich Wenn ich sage, zu früh, dann isses zu früh Wir

haben heute unsern Rommeabend Da kommen wir vor 11

nicht in die Federn Und gerade morgen will ich eben nicht

aussehen wie meine eigene Großmutter Weiter:Opa: 10 Uhr Abfahrt nach Bad Schandau mittels per ReisebusOma: Und Frühstück?Opa: Na, vorher, Wanda

Oma: Ich frage ja, wann?

Opa: 8.15 bis 9.10 Uhr

Oma: Geht gerade noch Sonst hab ich während der Fahrtimmer so'n hartnäckigen Schluckauf

Opa: 13 Uhr Essen 16 Uhr Kaffeetafel - anschließend Tanz

Oma: Hoffentlich ham se 'ne vernünftige Kapelle

Opa: Die »city-Kreis-rollers «

Oma: Na ja, die ham j 'n ganz vernünftigen Sound

Opa: Die sind auch laut genug

Oma: Der Tag ist jedenfalls hin

Opa: Der ist hin

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Alles zum ohle des Volkes

Oma: Sehen wir mal Dienstag

Opa: Der Dienstag ist für mich völlig ausgebucht 9.00 Uhr

Treff mit Jungen Pionieren Da halte ich einen Vortrag über

die Arbeiterbewegung - anschließend Diskussion, danach

Rennbahn

Oma: Rennbahn? Is Mittwoch Du bist wohl wieder inne falscheSpalte gerraten?

Opa liest: Ich meine j auch die andere Rennbahn: Die BollenBahn

Oma: Zeig mal her Mit Otto und Karl zur Bowling-Bahn

Mensch, Friedrich Ich denke, du hattest am Gymnasium inRezitation 'ne Eins?

Opa: Du sollst mich nicht immer korrigieren, Wanda Selbst ge

lernte Schauspieler brauchen auf der Bühne für ihren Texteinen Dompteur

Oma: Friedrich Auf welchem Postenstehen wir Mittwoch?

Opa: Bei dem vom »anderen Ufer«

Beim Friseur

Oma: Dis heißt, du 3 Stunden und ich

eine Da kann ich dann noch schnell

ein paar Besorgungen machen Du

brauchst unbedingt lange, wolleneUnterhosen Weiter

Opa: Dann sind wir auf »Haifischjagdin der Karibik«.

Oma: Müssen wir da alle beide hin?

Opa: Ja, selbstverständlich Da ist

doch wieder derselbe Doktor, der im

vorjen Jahr schon den Lichtbildervortrag gehalten hat Der

nimmt das nachher noch persönlich krumm, wenn einer fehltOma: Donnerstag?Opa: Schöner unsere Städte und Feierabendvorgärten Gemein

sames Unkrautzupfen mit Blasmusik Essen aus der Gulaschkanone Danach medizinischer Vortrag von Frau Dr. Bauerlein »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an «

Oma: Bleibt uns dann noch Zeit, irgendwie unsere Pflicht zu

tun?Opa: Wenig, aber wir können es j versuchen

Oma: Können wir uns Donnerstag wenigstens ausschlafen?Opa: Wo denkst du hin? Donnerstag, Freitag, Sonnabend - da

geht's hier rund Besuch des Bürgermeisters - feierliche

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Sketchpartner Helga

Hahnemann und Alfred

Müller: Mit 66 Jahren,

da ängt das Leben an

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.Eulen-Spiegelbild aus Senzig, Kreis. Königs Wuster-  - • ""'" ii);,„„„ „„.„ : ","' „ hausen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.

I Eine Kundin fragt einen Lehrling im Kaufhaus ~ ~ r r -

zeche Prellen?II • • IIAber nicht bei mir.

:;:::.;::..::==

nach Weißkohl. »Harn wa nich « Das hört der

Lehrausbilder. »Du gehst da falsch ran. Wenn

du nach Weißkohl gefragt wirst, sagst du,

Weißkohl haben wir nicht, aber Rotkohl ist vor

rätig.« Am nächsten Tag ist der Lehrling in der

Haushaltwarenabteilung. Kommt eine Kundin

und fragt: »Haben Sie Klopapier?« - »Nein«, sagt

der Lehrling, »Klopapier haben wir nicht, aberSandpapier ist vorrätig . .. <<

lat nita, dtn 28.03.6'9

U t i . . ~ . . J i - L ~ ll ,; b-1...n &• '

<l• :f.rei\11_;;, d•n 28.o3.l969,iet di• :.:eldtatelle S2' 11i\a

J ab lo.3o Ubr ••aea 13ttrdig11Dg &••obloslltll.

Eittge.ondt von Q. O. Patzte, So8nlt1

$p•is•n

Pikantes WOnflelsch Obetbocten mit loost

Wonnes Edtchen mit 9emi dltem SoJot.XStrammer Max

X Kotlsboder Sdlnlu.

l Omelett• mit Wiinfleiscn

Rühreier mit Sdilnken und Brat

Geffügefsalat mit Butter und Toost

Ungotisdier Rindrlehdu.alat mit Brot

) Ei&tSOlat mit Sdiinkensbeif;n

O.likote8-Fleisd\solot

J f i ö l k h e n m.Sohnemeenetltid'I

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Brotenplots. noch lut e s ~Speiials.chnitte

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32 lles zum Wohle des Volkes

Renate Holland Moritz

Opa Tiede ist ein Mensch und Staatsbürger, den man sich nicht

besser backen könnte. Irotz seiner siebzig Jahre immer nett

und kregel, bei allen Aufbauschichten dabei, hilfsbereit und

zuvorkommend gegen jedermann und vor allem ein großerBastler vor dem Herm. Wrr die Nachbarn von Opa Tiede, haben

noch nie über tropfende Wasserhähne, defekte Bügeleisen oderunbeschnittene Obstbäume zu klagen gehabt. Wrr brauchen

den jeweiligen Schaden bloß bei offenem Fenster zu erwäh

nen, und schon kommt Opa Tiede angeflitzt und bringt alles in

Ordnung. Gewiß, manchmal dauert so eine Reparatur ganz

schön lange. Aber schließlich war Opa Tiede vor seinem Rent

nerleben beim telefonischen Störungsdienst beschäftigt und

betreibt alle anderen handwerklichen Sparten als Amateur.

Irotzdem befaßt er sich mutig mit jedem heißen Eisen.

Ein solches Eisen war unsere Klingel. Das heißt, unsere Klin

gel war eigentlich noch ganz gut. Sie bestand aus einem leicht

verrosteten Drückapparat an der Gartentür, von welchem sich

ein vier Meter langes Kabel ins Haus zog und dort in einen al

tertümlichen Holzkasten mündete, der im Bedarfsfall heiser

scheppernde Laute von sich gab.

Zum letzten Geburtstag meines Mannes schleppte sein besterFreund ein kleines schwarzweißes Plast-Schächtelchen an.

Wenn man es ein wenig schüttelte, ertönte ein liebliches Ging

Gong-Geläut, wie man es aus den eleganten Komfort-Wohnun

gen kennt, die sich vorwiegend in DEFA-Filmen befinden. Und

in diesem Augenblick kam Opa Tiede. Er stürzte sich sofort auf

das Ging-Gong-Schächtelchen und vertiefte sich in die beilie

gende Beschreibung.»Großartige Erfindung« sagte er »und popelleicht zu verstehen.

Da will ich doch gleich ...«»Erst wollen wir mal anstoßen«, unterbrach ihn mein Mann.

Nach dem fünften Kognak stieß Opa Tiede aus Versehen an das

Ging-Gong-Gerät und war sofort wieder voll Tatendrang. Wrr

mußten ihm eine Trittleiter an den altertümlichen Schepperkasten stellen, den er sogleich abmontierte. Ein, zwei Stünd

chen später war auch das schicke schwarzweiße Kästchen be

festigt und ein Druck auf den Knopf an der Gartentür bewies,

daß Opa Tiede wieder einmal ganze Arbeit geleistet hatte:

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  lles zum Wohle des Volkes

Wenn man scharf hinhörte war das liebliche Ging-Gong-Ge

läut durchaus zu vernehmen. Allerdings mußten zu diesem

Zweck Radio- oder Fernsehgerät ausgeschaltet und die Kinder

zu äußerster Ruhe ermahnt werden.

»Was Recht ist  muß Recht bleiben« sagte Opa Tiede »dieses

Ging-Gong ist effektiv zu leise. Aber keine Angst ich finde

schon einen Ausweg.«Und er fand einen. Das heißt er fand ein zweites Ging-Gong

Kästchen in einem Geschäft für Wirtschaftsartikel und er prä-

sentierte es uns samt gepfefferter Rechnung. Wir waren wohl

etwas konsterniert aber Opa Tiede erklärte schnell er habe

schon einen wunderbaren Platz für das zweite Ging-Gong ge

funden nämlich im Keller. Er erziele damit einen feinen Dop

peleffekt und das natürlich doppelt laut. Also befestigte er das

Kästchen m Keller neben einer Abzweigdose führte Drähte

durch das Kellerfenster entfernte aus dem Gartenweg einenhalben Zentner Pflastersteine legte auf diese Weise das Kabel

SJAHREDDR 10JAHREDOR 1SJAHRE DDR

zu Ging-Gong Nr. 1 frei hielt sämtliche Drähte zusammen und

im Haus erscholl es von oben und unten sehr lieblich aber doch

hörbar: Ging-Ging-Gong-Gong.Opa Tiede verabschiedete sich stolz und müde denn über sei

nen vielerlei Anstrengungen war es später Abend geworden.

m nächsten Morgen kam er gleich nach dem Frühstück er

probte noch einmal durch Zusammenhalten der Drähte den

schönen Doppeleffekt verband dann die Kabel sachkundig

schippte den Gartenweg wieder zu klopfte die Pflastersteine

ein und begann seine übliche Ziererei wegen der Bezahlung.

»Ehe ich das Geld annehme wollen wir uns die Sache noch ein-

33

20JAHREDDR

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  4

Der Leiter einesLandwarenhauses

will eine neue Yerkäuferin einstellen. ·. . . .  . .

Er fragt: »Sind Sieverheiratet?« Die

Frau nickt. »Wie

viele Kinder habenSie?« Die Frau vol

ler Stolz: »Vier.« -»Leben Ihre Elternnoch?« - »Ja.« -»Schwiegereltern

auch?« - »Ja << -»Haben Sie Ge-

schwister?« - »Ja

fünf. Und die habenauch Familie 'und

wohnen alle in derNähe so daß man

sich auch mal ge

genseitig unterstützen kann.<< - )>Tut

mir leid« sagt derVerkaufsstellenleiter, »dann kann ichSie nicht anstellen.Von den Apfelsinen

.„· -  

und Bananen, die

wir zweimal im

Jahr geliefert be

kommen müssenwenigstens ein

paar über demLadentisch ver

kauft werden.«

lles zum Wohle des Volkes

mal anhören«, sagte er mit falscher Bescheidenheit und drück

te auf den Klingelknopf. Es geschah nichts Weder Ging noch

Gong waren zu hören. Opa Tiede entfernte sich hochroten Kop

fes, um über das Phänomen nachzudenken.

Am nächsten Morgen buddelte er die Pflastersteine und da

nach das Kabel wieder aus, durchschritt das Wohnzimmer und

die Küche und stieg in den Keller. Hier hielt er die Drähte zusammen, und beglückt vernahmen wir das liebliche Ging-Ging

Gong-Gong. Opa Tiede atmete auf und reparierte in stunden

langer Arbeit den aufgerissenen Gartenweg. Als er den letzten

Pflasterstein eingeklopft hatte, ging er frohgemut zum Klingel

knopf, drückte und - nichts

Nun wurde Opa Tiede zum Stier. Er riß den Gartenweg wieder

auf als vermutete er darunter einen vergrabenen Goldschatz.

Er rannte ins Haus, durch das Wohnzimmer die Küche in den

Keller hielt die Drähte zusammen und lauschte bebend demdoppelten Ging-Gong. Dann rannte er aus dem Keller der Küche

und dem Wohnzimmer in den Garten, drückte auf die Klingel -

nichts Sein Marathonlauf zwischen Garten und Keller währte,

bis ihn seine Frau holen kam. Es war gegen Mitternacht.

Die Tortur wiederholte sich. Am nächsten Morgen am über

nächsten, am dritten. Wrr waren zu keiner Arbeit und zu kei

nem wie auch immer gearteten Familienleben mehr fähig. In

Wohnzimmer Küche und Keller war Opa Tiede durchgehend an

wesend. Sein Gesicht hatte einen manisch gehetzten Ausdruck,

aber er ließ dennoch nicht davon ab im Keller die Drähte zu

sammenzuhalten, versonnen dem doppelten Ging-Gong zu lau

schen, voll rasender Spannung nach oben zu rennen, durch

Küche Wohnzimmer in den Garten und erneut festzustellen,

was schon unzählige Drückversuche vorher bewiesen hatten:

Die Klingel funktionierte nicht. Da sich aber Opa Tiede trotz

minutiöser Nachforschungen und stundenlangen Nachdenkens

keiner technischen Unterlassungssünde bewußt wurde, ver

suchte er eben wundergläubig immer wieder sein Glück. Er

versuchte es drei Wochen lang, Tag für Tag. Seine Frau weinte sich bei uns aus, die fürchtete, er werde den Verstand ver

lieren, auch kränkten sie die ironischen Bemerkungen der

Nachbarn, die ihre Schäden allein reparieren mußten, weil wir

angeblich Opa Tiede bestochen hatten, nur noch für uns zu ar

beiten. Dabei hätten wir gern eine größere S11mme springen lassen, wenn wir dafür Opa Tiede losgeworden und wieder in den

Besitz unserer alten, scheppernden Klingel gelangt wären.

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  lleszum Wohle des Volkes

Endlich geschah wirklich ein Wunder. Ein Kurantrag den OpaTiede schon vor Monaten gestellt hatte wurde günstig beschie

den, und er verließ uns schweren Herzens in Richtung Bad

Berka. rr waren dankbar und glücklich und es störte unsnicht im geringsten daß uns die stumme Klingel und der aufgerissene Gartenweg vor Zeitungskassierern Versicherungs

vertretern und anderen lieben Gästen bewahrten.

Doch nach vierzehn Tagen ungetrübten Glücks kam ein Telegramm. »Kur abgebrochen stop Fehlerquelle gefunden stop

Eintreffen morgen stop Tiede. «Vierzehn Tage und Nächte hatte••

der Armste über das Geheimnis•

• f f •

• •• •

•. .

••des lautlosen Doppel-Ging-Gongs

nachgegrübelt und plötzlich war

ihm aufgegangen was er uns nun

strahlend vorführte: Kellerlicht

und Klingel liefen wohl über

ein und denselben Draht waren

also gewissermaßen zusammenge

schaltet. Da er aber als ordent

licher und sparsamer Mensch bei

jedem Verlassen des Kellers das

Licht ausgeknipst hatte war damit

auch der Klingelstromkreis unter

brochen. Oder so ähnlich. Jeden

falls handelte es sich jetzt nur

noch um eine Arbeit von wenigen

Stunden und Opa Tiedes schön

ster Augenblick wurde durch einen

Druck auf den Klingelknopf miteinem lieblichen Ging-Ging-GongGong eingeläutet.

• ••• • •

. • • •

•. 1

••

 

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• • •

•• „.,. .

• •

•.• • •

• • •• • • •• • •

»Wenn das kein Grund zum Feiern ist « sagte mein Mann und

holte eine Flasche Sekt aus dem Keller. »Geben Sie her«, sagte

Opa Tiede fröhlich »im Öffnen von Sektflaschen bin ich mindestens Europameister.« Er entfernte das Silberpapier und den

Draht und begann vorsichtig den Korken hochzuschieben. Imnächsten Augenblick ertönte ein gewaltiger Donnerschlag

etwas krachte und zerschellte und ein liebliches wenn auch

einfaches Ging-Gong untermalte die Szene musikalisch. Unddas alles nur, weil bei uns nie einer die Wohnzimmertür zumacht. Sonst hätte der Sektkorken niemals das hübsche schwarzweiße Plast-Kästchen treffen und total zerstören können.

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  6

Die Tante aus Köln

schreibt an ihreVerwandten in der

DDR und schließtmit den Worten:»Hoffentlieh er-

reicht euch derBrief, man hört ja

· immer, daß die

Post bei euchdurch die Stasikontrolliert wird.«

Nach zwei Wochen

kommt der Briefzurück mit demAufdruck: »Nicht

befördert wegenVerleumdung derSicherheitsorganeder DDR. Es gibtkeine Postzensur.«

l les zum Wohle des Volkes

Lothar usche

Man hatte mich ins Variete geschickt, wo ich einen auftreten

den Künstler interviewen sollte, und ging also zu einem vondenen hin und fragte, wie lange er dort schon arbeite, und er

sagte: »Ich bin nicht zum ersten Mal hier. Ich arbeite seit fünf-

undvierzig Jahren. Das heißt: Ich arbeite seit fünfundvierzig

Jahren mit Seife.«»Stellen Sie Seife her?

»Aber nein«, sagte er, »ich arbeite mit Seife.«

»Aha. Sie waschen sich mit Seife.«

Er schüttelte sich. »Ich kann Seife nicht riechen. Wenn man

fünfundvierzig Jahre mit Seife gearbeihat, kann man sich damitnicht auch noch waschen. Ich benutze nur Badusan.«

Was er denn nun mit dieser Seife eigentlich täte?»Genaugenommen tue ich gar nichts mit ihr. Sie rutscht mir

bloß immerzu aus der Hand - das ist alles.« Das verstand ich

nicht ganz. Er sagte: »Ich verstehe es eigentlich auch nicht.

Aber waren Sie niemals im Variete? Sind Sie der erste Mensch,

der meine Nummer noch niemals gesehen hat? Seit fünfundvier-

zig Jahren lacht die ganze Welt über mich «

»Wie war doch gleich Ihr werter Name?«

»Mein Name«, brummte er, »tut gar nichts zur Seife. Sache,

meine ich. Ich heiße Plaschek. Auf der Bühne aber bin ich Knil-

ly, der urkomische Fensterputzer. Zuerst steige ich auf meine

große Stehleiter, und dann ... «

»Dann putzen Sie die Fenster ausgerechnet mit Seife?«

»Das ist doch scheißegal. Ich komme ja sowieso nicht zum Putzen. Schließlich handelt es sich nicht um Fensterputz-, sondern

um Unterhaltungskunst. Außerdem fällt mir die Seife sofort aus

der Hand. Und dann falle ich hinterher. Von der Leiter. Und das

mache ich fast jeden Abend - seit fünfundvierzig Jahren. Sind

Sie schon mal von der Leiter gefallen?«»Ich kann mich nicht erinnern.«

»Na ja, Sie sind ja auch bloß Journalist - da braucht man so

was nicht zu können. Ich dagegen muß die Seife nicht bloß fal-

lenlassen, sondern sie auch wieder einzufangen suchen.

Schwierig. Die Seife ist naß. Sie rutscht immerzu weg. Und ichrutsche immerzu hinterher.«

»Und das«, erkundigte ich mich höflich, »kann man fünfund-

vierzig Jahre lang machen?«

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  lles zum Wohle des Volkes

Knilly-Plaschek sah melancholisch in sein Teeglas und bemerk

te: »Es gibt Leute die knipsen sechzig Jahre lang Fahrkarten.Die sind großenteils nicht sehr glücklich; ich meine: die Leute

nicht die Fahrkarten. Im Gegensatz zu diesen Knipsern mache

ich den Leuten ein bißchen Spaß. Ein Fensterputzer der keine

Fenster putzt sondern bloß die Leiter herunterfällt und dannauf allen vieren seiner nassen Seife hinterherschleicht - das

ist etwas für das Herz der Menschen. Glauben Sie irgend

jemand hat einen besonderen Spaß daran

wenn ihm einer die Fahrkarte knipst? Ichsage es nur als Beispiel ich habe nichts

gegen Fahrkartenknipser. Aber die fallen j KUcH

nicht mal von einer Leiter runter.«Nun fragte ich ihn um dem Interview einenkleinen philosophischen Stich zu geben

nach seiner Ansicht vom Wesen der Seife.

Das aber hatte ihn niemals interessiert und

er sagte bloß: »Eine Definition könnte ich

Ihnen anbieten. Aus Berlin: Seife is wenn

du keene hast kannste ooch Bimsstein

nehmen. Das stimmt natürlich; aber das

habe ich vor fünfundvierzig Jahren auch

schon gewußt. Damals wollte ich noch kein

Seifenfänger werden sondern Flieger. Aber

ich war zu kurzsichtig. Das heißt ich bins

heute noch. Doch das stört nicht beim Run-

terfallen von der Leiter man kommt injedem Fall unten an. Schwerkraft und so.

Newtons Apfel falls Sie sich erinnern kön-

nen. Beim Seifensuchen ist die Kurzsich

tigkeit ausgesprochen vorteilhaft; die Leute lachen sich krumm

weil sie denken ich täte so als ob - dabei kann ich die Seife

wirklich kaum sehen. Das Geheimnis meines bescheidenen Er-

folges ...«»Verehrter Herr Knilly-Plaschek ich danke Ihnen für das Ge-

spräch.« Das muß man nämlich nach Interviews immer sagen.

»Darf ich mir gestatten Sie noch rasch auf ein Täßchen Kognak

in die Kantine einzuladen?«»Sehr freundlich« sagte er »aber bitte keinen französischen

Kognak ...«»Vertragen Sie den nicht? Ich hatte mir immer eingebildet es

sei der allerbeste?«

»Mag sein« sprach Knilly »aber er hat so ein seifiges Aroma.«

7

• ••

Das Beschwerdebuch

gebe ich Ihnen nicht

Ich will doch nicht in

Teufels Küchel  

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  8 lles zum Wohle des Volkes

Peter auglitz

Abends spät rüttelt Erich bei mir an der Gartenhauspforte.»Stell dir vor, morgen früh ist Maxi dran, um halber acht «»Am Sonntag?«

»Ging nicht anders - wegen Fritze.«»Fri ze?«

»Das ist doch der, welcher - na, du weißt schon.«»Ach der, dieser ... «Auch mir will die Berufsbezeichnung des Fritzen, bei dem Maxidrankommen soll, nicht über die Lippen. So hart am Rande der

großen Stadt hat man eben noch seine eigenen herzlichen Be-ziehungen zu den Haustieren. Meine beiden Enten, Daphne und

Chloe, aßen, bis ich sie wegschenkte, beispielsweise in derKüche mit. Hinterher habe ich immer feucht nachgewischt. UndMaxi, die rundum rosige Maxi, welche Erich für einen Spott

groschen als Kümmerling von der LPG an Land gezogen, ihr

Unter anfeuernden Rufen tragen Frau

und fünf Kinderchen hinterher was

Maxis sterbliche Hülle hergegeben hat.

ein Dach übern Kopf gezimmert und sie darun

ter aufopfemd fettgepflegt hatte - morgen früh

also. Erich fährt sich mit der Daumenmaus

übers Auge weg. Dann sagt er, leicht erstickt,

daß er um halb acht mit mir als Freund rechne.

»Du kommst doch?«»Ich komme «Selbstredend bin ich hingegangen, nur nicht ganz so früh. Ich

mag nämlich jene betont schwermütigen Rückblicke auf diedahingegangene Existenz nicht, kann überhaupt keine kum-mervollen Nachgesänge aushalten. Und um der Wahrheit noch

die letzte Ehre zu geben: Ich habe auch Manschetten gehabt

vor Fritze, der Maxi ... So bin ich gegen Mittag mit weichen

Knien zum Tatort gestakst. Erichs Waschküche - ein einziger

Hexenkessel: Bullenhitze. Wurstbrühe siedet. Dampf wallt. Un-weit der xt mit kühnem Schwung im Stahl liegt lappig einMaxiohr am Boden. Das linke, das rechte? Erich, die Ärmel auf-geschürzt, knetet still Pfeffer unters frisch Gehackte.

Gequetscht stoße ich »Mahlzeit « hervor. Erich zweigt eine

Handvoll Hackepeter ab. »Schmeckt unheimlich - koste mal «»Danke, ich habe schon gegessen «

Inmitten Fleischdunst und Wurstwasserdampf ragt Fritze als

Fels aus der Brandung. So um die Sechzig rum, groß, bäuchig,

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Alles zum Wohle des Volkes

etwas ungeschlacht - ein Vollblutherr mit stimmungsvollen

Blauaugen. Fritze hält einen Darm um den andern ans Wurstmaschinenmaul. Drauf bindet er mit Strippe Zipfel ab und langt

in den Siedekessel.»Frische Leberwurst, so was Gutes kriegste in kein Konsum

nich « Fritzen kann ich nicht widerreden, Fritze lacht so gewin-nend. In die Leberwurst hineinhauend, staune ich dann nicht

schlecht über Erichs sonst immer affentierfreundliche Familie.

Unter anfeuernden Rufen tragen Frau und fünf Kinderchen hin-

weg, was Maxis sterbliche Hülle an Wurst- und Fleischware

hergegeben hat. Nun

bemerke ich pietät

voll-schlicht: »Gutes

Tierchen, schnuff

schnüff armes Tier-

chen «

»Maxi?« heult Erich.

»Das Vieh hat mir

gestern noch im

neuen Halbschuh ge-

bissen, Schweinerei « Von Erichs Un-

tierigkeit brüskiert,

halte ich mich an

den wurstpressenden Fritze. Scheint

=----  .

i SU l- ------ •

er mir doch noch am meisten Mensch geblieben zu sein. »So

ists recht«, freut sich Fritze. »Hol mal fix heißes Imiwasser mit

Bürste bei und schrupp den Hackklotz ab «

Den Hackklotz Aber zieren gilt nicht. Nicht bei Fritze, dem

Großen. Freundlichen. So flüstere ich mir behende ein, Tätig

keit lenke vom Greulichen ab, und werde Mitarbeiter.

Nachdem auch Hackepeterwolf und Schwungaxt sauber glän

zen, spanne ich mich als Mitesser von Schnauze mit Mostrichein. Nunmehr darf ich auch gleich beim Nachspülen mit Ver-

schnitt mithalten, der bald ausgeht, was wiederum eine Orts-verlagerung zum WEISSEN SCHWAN hin nach sich zieht. Und

alles Weitere geht saukomisch vonstatten - besonders meineSkatrunde mit Fritze um Maxis Ringelschweif, den ich prompt

verloren habe, weil ich immerzu an das liebe Tier denkenmußte. Aber Schwamm drüber: Morgen früh so halber achte,

ist Suse dran. Die Vierzentnersau vom Wrrt

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Zwei Volkspolizi-

sten stehen auf derStraße ·und weinen.Ein mitfühlenderPassant fragt, ,w s

denn los sei. ·»Uns ist der Streifenhund d von„

gelaufen «»Ach«, tröstet derBürger, »d s ist

doch nicht so. schlimm. Der findet· schon zurück zum

Revier.«

»Ja, der «

• l l es zum Wohle des Volkes

John Stave

r O

Ich habe mir jetzt kürzlich erst Pferd und Wagen zugelegt. Es

bot sich eine günstige Gelegenheit. Das Pferd ist ein Wallach,heißt Jupp und ist acht Jahre alt, während der Wagen mehr

einer Kutsche ähnelt, aber ohne Bock. So daß ich auch bei

Regen trocken sitze.

Wissen Sie, ich hatte es einfach satt, immer zusehen zu müs

sen, wie der Wohlstand um mich herum wächst, blüht und ge-

deiht, wie sich die Freunde und Bekannten ein Auto nach dem

anderen anschafften, während ich nach wie vor im Sommer mit

dem Rad, im Wmter mit der Straßenbahn ins Geschäft fuhr.

Dann geriet ich schon ins Gerede, daß ich Säufer wäre, nur weilich ein einziges Mal in einer Kneipe war, um mir Streichhölzer

zu kaufen. Natürlich habe ich mich einen Moment dort nieder

gelassen und anstandshalber ein Bier getrunken. Gleich hieß

es am andern Tag: Wir haben ihn wieder ( ) in der Kneipe ge-

sehen. Er trank allein für sich. Kein Wunder, daß er kein Geld

für ein Auto hat

Dabei waren das früher alles ganz vernünftige Menschen. Die

gingen nach Feierabend einen heben, trudelten ein bißchen,

sangen mitunter und stritten auch, aber waren ein Herz und

eine Seele. Bis der erste sein Auto hatte.

Es war ein ganz popeliger Opel P 4. Er bestand vorwiegend aus

Klappern - also Geklappere. Ich fand das recht komisch, weil

ich noch nicht ahnte, welche Weiterungen diese Anschaffung

nach sich ziehen würde. Wenn ich nur die Gesichter meiner so

genannten Freunde besser oder genauer betrachtet hätte, wenn

dieser schäbige Opel P 4 in ihr Blickfeld rollte

Dann ging es Schlag auf Schlag. Eddi kaufte sich einen alten

Hanomag. Paul einen F 7, Kurt einen F 8. Lothar einen P 70.

Heinrich einen F 9. Carl einen EMW, Klaus einen P SO. Maxeinen Wartburg. Theo einen Adler-Triumph, Johannes einen

Hansa Lloyd (über DHZ), Achim einen Opel Kapitän (ebenfalls

DHZ), Hans einen Trabant, Siegfried einen Skoda MB 1000.

Willi einen Moskwitsch und Franz einen Wolga. Ich kaufte mir

- wie üblich - eine Monatskarte.

Der Stammtisch war jetzt veiwaist. Ich erfand in der ersten Zeit

noch Trudelspiele, die man allein veranstalten konnte. Dann

blieb ich auch weg. Der Gastwirt nahm sich das Leben.

Die Frauen meiner Freunde wurden dicker. Sie paßten jetzt

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4 l les zum Wohle des Volkes

Selbst Kitti rief neulich an, ob ich mit ihr eine Radtour machen

wollte. Als ich ihr mitteilte, daß ich jetzt selber Pferd und

Wagen hätte, war sie natürlich sehr überrascht, nahm meine

entsprechende Einladung aber gern dankend an, ohne die Ho

senklammern von damals in den Mund zu nehmen. Vergange

nen Sonnabend nun kam Martin mit seinem Tatra vorgerauscht.

Ich wollte gerade anschirren gehen. Rechts um die Ecke bei

mir, die alte Tischlerei, die hatte sowieso einen Stall, und der

alte Tischlermeister Holzbach hat den Jupp mit offenen Armen

aufgenommen und untergestellt. Er pflegt ihn sogar kostenlos

- ist ja auch Rentner - und manchmal laß ich die beiden eine

Biege fahren. Also Martin. Ach, er stöhnte wegen seiner Atem

beschwerden. Setzte sich gleich auf den Rinnstein und japste.

»Du sollst jetzt einen Wagen ohne Motor haben? Ich meine.

einen Wagen, der ohne Motor geht?«

»Mit Pferd.«

»Wie denn: fährt? Welche fype? PS?«

Du kannst ja so ein Tier nicht nachts

unter der Laterne stehenlassen

»Ein PS.«

»Witzbold Verbrauch?«»Zentner Hafer die Woche . Es ist ein Hafer-

motor «

»Ein Pferd???«

»Ja, ein Pferd mit Wagen.«

Martin wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wieviel Kilo

meter hatten der Gaul runter?«»Ich weiß nicht. Aber jedenfalls läuft er acht Jahre ohne Gene

ralreparatur.«»Und die Puppen? Ich meine, die Mädchen sollen ja sehr beein

druckt sein. Kitti hat mir letzte Woche sogar einen Korb gege

ben.«

»Du kannst dir das Gefährt ja mal ansehen. Es ist gleich hier

um die Ecke.«»Ein Garagenpferd? Ich meine, ein Stallwagen?«

»Natürlich. Du kannst ja son Tier nicht nachts unter der Later

ne stehnlassen. «

»Ach so«, machte Martin verächtlich. »Dann kommt für mich

so was sowieso nicht in Frage. Dann kauf ich mir doch den

Tschaika de luxe. «

Sprachs, wälzte sich in sein Auto und brauste los.

Diesmal gebe ich aber so schnell nicht klein bei .Wenn der sich

tatsächlich den Tschaika de luxe anschafft, kauf ich mir ne

Quadriga.

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44 Lernen lernen nochmals lernen

Renate Holland Moritz

Die Geburtstage unserer Tochter verliefen seit ihrem dritten Le

bensjahr immer auf die gleiche Weise: Wrr rannten uns die Hak

ken ab, um etwa ein Zehntel ihrer Wünsche zu erfüllen,

schleppten Torten, Eisbomben, Würstchen und Brause, ferner

einen Sack voll kleiner Artikel wie Malhefte, Buntstifte, Autos

und Püppchen, die bei den Pfänderspielen verteilt werden soll

ten, behängten am Vorabend die Bäume im Garten mit Lampi

ons, die wir am Geburtstagsmorgen alle wieder abnahmen, weil

sie vom obligatorisch einsetzenden Regen völlig aufgeweicht

waren. Zum Kaffee erschienen vierzehn bis fünfzehn minder

jährige Gäste mit erwartungsvollen Augen und bunten Blumen-

sträußen, und dann gings los. Die

Erst tanzte er mit allen Mädchen Tango und

Walzer dann spielten wir Hänschen-piep-einmal.

Kleinen aßen die Früchte von den Tor

ten, bespritzten sich mit Schlagsah

ne, verschmähten Kakao und Milch

kaffee, bevorzugten einhellig eine Mixtur aus Eiscreme und

Brause, mußten mit Ersatzschlüpfern versorgt und teilweisesogar in die Badewanne gesetzt werden. Während der Pfänder

spiele gabs Jubelrufe und Verlierertränen. Wurden die Verlie

rer mit Trostpreisen bedacht, setzte es Prügel durch die gerech

tigkeitsfanatischen Sieger. Nach der abendlichen Salat- undWürstchen-Schlacht zogen die Kleinen glückstrahlend und mit

Geschenken beladen ab. Wir hingen kraftlos in den Seilen und

trösteten uns mit der einjährigen Schonzeit. So verlief der fei

erliche Tag viele Jahre lang. Tochter und Gäste wurden größerund gefräßiger, die Ratespiele komplizierter, allein die Strapa

zen und das Chaos blieben sich gleich. Bis zum letzten Mal: Das

liebe Kind sah seinem vierzehnten Geburtstag entgegen.

»Jetzt ist endgültig Schluß mit den Kindereien« sagte sie ho

heitsvoll. »Ihr braucht lediglich für ein kaltes Buffet und eineAnanasbowle zu sorgen, dann könnt ihr gehn. «

»Zu liebenswürdig«, sagte mein Mann »wann dürfen wir wie

derkommen?« - »So gegen neun, zehne. Paar Zigaretten für die

Jungs ist wohl zuviel verlangt?« - »Ist« sagte ich scharf. »Was

die Bowle betrifft, so gib dich keinen Illusionen hin. Ich werde

nicht Ananas noch Selters scheuen, mehr spielt sich nicht ab.«

»Mann o Mann« stöhnte das Kind »woanders werden wir mit

Sie angeredet Ihr denkt wohl wir bleiben ewig Babys?«

Wrr überschlugen uns wie alljährlich, waren aber trotzdem froh-

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Lernen lernen nochmals lernen

gemut denn der eigentlichen Katastrophe durften wir ja fern-

bleiben. Am Nachmittag nahmen wir die Gratulationscour ab.Wir erinnerten uns amüsiert manche der jungen Damen undHerren die aus lichten Höhen von 1 70 m bis 1 90 m auf unsherabsahen vor Jahren aufs Töpfchen gesetzt zu haben.

Schließlich zeigte unsere Tochter unmißverständlich zurUhr

und wir verdufteten.Das befreundete Ehepaar das wir besuchten hatte Bedenken.»Könnt ihr das verantworten?« sagte die Frau des Hauses. »Im-

merhin sind sie mitten in der Pubertät. Was da so alles passie-ren kann steht sogar in der >Jungen Welt< u lesen.«»Na ja«  sagte ihr Mann ein Lehrer. »Ichwill euch ja nicht nervös machen aber inmeiner achten Klasse sind zwei Mädchenguter Hoffnung.«

Der Same des Zweifels war in unsere Her-

zen gesenkt. Wenn die vierzehn Vierzehn-

jährigen wirklich nicht mehr vorhatten alszu futtern zu tanzen und sich zu unterhal-ten hätten wir ja auch zu Hause bleibenkönnen. Von mir aus in einem anderenZimmer. Aber doch in Reichweite. Nach

••

kurzer Uberlegung beschlossen wir esnicht darauf ankommen zu lassen. Wir

schlichen nach Hause und postierten unsohne gesehen zu werden hinter einem geöffneten Wohnzimmer-

fenster. Die jungen Leute hatten den Tisch aus dem Zimmer ge-

schafft und die Sessel zu einem Halbkreis gestellt. Daraufsaßen alle wie die Ölgötzen und polkten Ananasstückchen ausihren Gläsern. Das Tonband donnerte Beatmusik.»Wat is eh«  schnauzte unsere Tochter »wollt ihr einpennenoder is det ne Party eh?«»Sone schnellen Dinger kann ick nich«  sagte Michael »nur

slow and swing eh. «Unsere Tochter ließ das Tonband schnel-ler laufen stoppte fuhr wieder schneller bis sie endlich einelangsame Musik gefunden hatte. Da sprang ihre beste Freun-din Ramona auf und holte Michael. Die beiden standen sichstumm und gelangweilt gegenüber und wackelten im Zeitlupen-tempo mit Armen und Beinen. »Blöde Kuh eh« sagte unsereTochter giftig und begann ihrerseits mit Detlef traumtänzerischeGesten zu vollführen. Andere folgten ihrem Beispiel bis derlangsame Titel vorüber war. Dann setzten sich alle wieder hin.

Einige aßen Salate und kleine Häppchen vom kalten Buffet.

5

Na schön. Wenn dir

Opi ufDauer zu lang-

weilig ist geben wir ihn

Tante Elfriede und du

bekommst deinen eige-

nen Farbfernseher.  

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46

-

[n oer Schule

nen die Kinder, daßder Mensch vom -

Affen abstammt.Meint Fritzchen

.

z11m Lehrer: »Aber. .

-DDR-Bürger stam-

men bestimmtnicht vom Affenab « »Wieso

nicht?« - »Kein

ehemaliger Affe -.Hält es so lange ·

ohne Bananenaus «

Lernen lernen nochmals lernen

»Det fetzt ein eh«, sagte Peter »det Futter fetzt ein.«

»Du nich«, entgegnete Karin »ick denke du bist der Stim

mungsbomber eh Aber nee setzt sich hin und frißt hundert

Stunden. Ick finde dich urst ...«

»Wie bitte?« flüsterte mein Mann. »Wie findet sie ihn?«

»Langweilig denke ich«, flüsterte ich zurück.»Fernsehen jestern war cheffig«, sagte unsere Tochter »ein

fach urst eh.« Mein Mann guckte ratlos. »Gestern hats ihr noch

gefallen. Ich versteh das nicht.«

»Schorsch ist ein Unterheuler« sagte Wolfgang. »Detter gibt er

ne Eins bei zwölf Punkte und mir bei elfe ne Drei. Da kuckste

nich durch eh.«

»Hör auf mit Mathe« brummte Katja »oller Arithmetikpenner.

Am besten is Bio. Olle Josy is superurst einwandfrei eh.«

Wolfgang einer der schwächsten Schüler hatte kein Interes

se an diesem Gespräch. Er wandte sich an unsere Tochter:

»Weeßte noch vor zwee Jahre eh? Deine Alte hat prima Eis

angeliefert und bei Blindekuh hat sie sich aufn Appel gesetzt

und gelacht. Schaue Frau eh.«

»Dein Vater voriges Jahr einfach fetzig eh Stadt-Land mit er

schwerten Bedingungen det haut ein. Ick hab zwei Kugel

schreiber gewonnen.«

»Adrian sein einziges Erfolgserlebnis« kicherte Myriam. »'Irotz

dem, wo sind denn deine Ernährer? Ohne die is ja urst ...«

»Jetzt reichts« sagte mein Mann, dem das linke Bein einge

schlafen war. Wrr gingen ins Haus und wurden mit Freudenge

heul begrüßt. Erst tanzte er mit allen Mädchen Walzer und

Tango und ließ sich von ihnen die verrückten Beat-Sachen

beibringen ich tat desgleichen mit den jungen Herren. Dann

spielten wir »Hänschen piep einmal« Länderraten und Mau

Mau. Als Preise verteiltenwir aus eigenen Vorräten Bücher und

Singleplatten. Da es an diesem Tag ausnahmsweise nicht ge

regnet hatte begaben wir uns bei Einbruch der Dunkelheit in

den Garten zündeten die Kerzen in den vorjährigen Lampionsan und gerieten in eine richtiggehende Singebewegung. Um

halb zehn verabschiedeten sich alle in einwandfrei verständ

lichem Hochdeutsch von uns und versicherten es sei so schön

gewesen wie all die Jahre wenn nicht noch schöner.

Rechtschaffen müde fielen wir ins Bett. Mein Mann rieb sich

die schmerzenden Kniegelenke. »Was ist schon so ein bißchen

Muskelkater gegen das was da alles hätte passieren können«

sagte er milde.

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Lernen lernen nochmals lernen

rnst Röhl

Unser Anton ist nun schon ein halbes ahrSchüler, und ich muß

sagen, es geht besser, als wir gedacht hatten. Denn Herr Quin-

ten, sein Klassenlehrer, kennt allerhand Mittelchen, mit denen

er seinen ABC-Schützlingen die Schul-Arbeit leicht macht. Er

verteilt nicht bloß für jede Antwort Zensuren, sondern er drückt

Anton, wenn er fleißig war, auch hin und wieder einen Bien-

chenstempel ins Heft. Das stachelt unsern

Anton immer besonders an, denn für zwan-zig Bienchen gibt es ein schriftliches Lob.

Damit die Kleinen aber ganz genau wissen,

wohin der Hase in der Schule läuft, teilt

Herr Quinten außerdem noch Punkte aus.Für gutes Verhalten einen roten, für

schlechtes Verhalten einen schwarzenPunkt. Seit er Schüler ist, steht für Anton

nicht mehr der Mensch, sondern der Punkt

im Mittelpunkt.

Neulich zeigt er mir einen Marienkäfer mit

fünf schwarzen Pünktchen auf dem Buckel

und sagt: »Guck mal, Vati, der hat auch

nicht grade ne reine Weste « Na ja, das istso Kindermund. Aber seit das mit den Punk-

•••

••

••• • ••

ten geht, zieht meine Frau nie mehr die r ~ = ~schwarzgepunktete Kittelschürze an, die sie -

vorher in der Küche gern getragen hat. Mich dagegen bewun-

dert Anton hemmungslos, denn ich bin Hobby-Imker und habe

im Garten einen Bienenstock mit vier Völkern. Das sind knapp

gerechnet hunderttausend Bienchen.

Kurz und gut, auf Anton hat das Bienchen-Punkt-System sei-

nen Eindruck nicht verfehlt. Herr Quinten aber ist schon wie-der am Knobeln. Auf der Elternversammlung vor drei Wochen

erklärte er uns die verfeinerte Punktwertung System Quin

ten). Er meinte, daß untadelig gutes Verhalten und extrem

schlechtes Verhalten eigentlich selten vorkämen und rein rote

Punkte beziehungsweise rein schwarze Punkte folglich eben-

so selten vergeben werden dürften. Er hätte deshalb angefan- 

gen, auch die Zwischenwerte zu erfassen. Nicht ganz gutes

Verhalten ergibt demnach einen rosa Punkt, nicht ganz schlech-

  asPunktsystem

47

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48 Lernen lernen nochmals lernen

tes Verhalten einen hellschwarzen Punkt. Mittelmäßiges Ver

halten das bisher überhaupt nicht bewertet werden konnte

bringt einen rein weißen Punkt ein der bei schlechter Beleuch

tung allerdings unsichtbar ist. Ich finde diese Punktwertung im

Prinzip ausgezeichnet fürchte jedoch daß sie meinen Bien

chen-Nimbus untergräbt wenn Anton mir die schwarzen Punk

te ankreidet die ich in diesem Text aus grammatischenGründen setzen mußte. Es sind - I-Tüpfelchen Umlaute und

Doppelpunkte mitgerechnet - insgesamt zweihundertunddrei.

>>jetzt haben wir aber

eine Weile zu tun, bis

wir die wieder einge-

wohnt haben «

Butterbrot mit Ei

Ich bring dir was bei.

Goldne Berge sind aus Gold

Blechne Berge sind aus Blech

Kupferberge sind aus Kupfer

Wer mit Stullen wirft ist frech.

Butterbrot mit BratenIch will dir was verraten.

Es sprach der große Zoroaster:

Wer keinen Tabak hat raucht Knaster.

Es sprach der große Kasimir:

Wer keinen Branntwein hat trinkt Bier.

Es sprach der große Kammundbürste:Wer keinen Schinken hat ßt Würste.

Aber Junge dein Benehmen

Ist zum Schämen.

Man trägt keine Mäuse in den TaschenOhne ihnen die Füße zu waschen.

Und deine Haltung zu TreppengeländernMußt du auch ändern.

Butterbrot mit KäsSchwatz nicht ich sehs.

Butterbrot mit Speck

Du bist mir zu keck.

Butterbrot mit Mandelkernen

Warte bis man dich verdrischt

Alle Menschen müssen lernen

Nur der Lehrer der lernt nischt.

Peter Hacks

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••

In einer Leipziger Schule. Der Lehrer äßt die

Kinder Tee-Sorten und ihre Wirkung aufzählen.Fritzchen meldet sich "S-E-Dee « -  So , sagtder Lehrer verwundert, und welche Wirkung

• · . soll das haben?" Fritzchen: Mein Vater sagt:um Einschlafen «

ras sind die vierVV4 •

schwersten Juit:e im ?

Leben eines Polizisten

»Die erste Klasse «

/

/

e ,

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5 Lernen lernen nochmals lernen

Ottokar Domma

OtlO

a

Das Wort Ferien heißt auf deutsch Urlaub und hat verschiede-

ne Auswirkungen: Man muß das einmal bei einigen Schülern

und Elternteilen untersuchen.

Die Ferien sind ein Ereignis, welches alle Jahre wiederkommt.

Vorher und nachher gibt es auch mal Ferien, aber bloß ein biß-

chen zum Rumeiem und Schularbeiten nachholen. Die richtigen

Ferien beginnen im Sommer und hören im Herbst auf. Dazwi-

schen fängt ein paar Tage die Schule an, damit wir uns wieder

an die Schulluft gewöhnen. Deshalb kann man die Herbstferi-

en mit zu den großen Ferien rechnen.

In unserer Klasse gibt es verschiedene Ferienfonnen. Die mei-

sten fahren in ein Betriebsferienlager. Ich war auch schon ein-

mal in einem solchen. Wir haben meistens appelliert, morgens

und abends, und wenn ein hoher Betriebsleiter oder so was

kam, appellierten wir zwischendurch noch einmal. Dann räum-

tenwir dauernd die Zelte auf und nahmen Befehle entgegen. Die

schönsten Stunden waren, wenn die Gruppenleiter Skat spiel-

ten, und das war oft. Jetzt konnten wir uns erst richtig freizeit-

beschäftigen. Dabei lernte ich ebenfalls das schöne Skatspiel.

Als wir wieder nach Hause fuhren war ich ziemlich dreckig.

Daraus muß man eine Lehre ziehen. Sie lautet, man soll sich

nie über ein Ferienlager beschweren. Als ich nämlich meinen

Elternteilen so ein bißchen erzählt habe, wie es war, schlug

meine Mutter die Hände übern Kopf und machte ein Faß auf,

indem sie auf der Betriebseltemteilversammlung sprach: »Man

muß die Bengels doch mal erinnern, daß sie sich ordentlich wa-

schen und sauber halten « Diese Kritik stimmte aber nicht,

denn meine Mutter hat sich selber gewundert, wieso meine Un-

terhosen und Hemden im Koffer noch ganz sauber waren. Bloßdie Sachen, die ich dauernd an hatte, waren nicht mehr so.

Auch mein Vater machte seinen Mund auf und ziemlich viel

Wmd weil ich nicht richtig Skat gelernt habe und nur mauem

kann. Diese Kritik ist auch nicht gerecht, denn mein Gruppen-

leiter hatte gar keine Zeit, uns das Skatspielen richtig beizu-

bringen, und er jagte uns beim Zugucken jedesmal weg indem

er ausrief, er kann Kiebitze nicht leiden. Und wir sollten lieber

mit der Dame spielen. Weilwir

keine hatten, sondern in einemKnabenzelt lebten, lehrte uns der Zeltknabe Horst Kubitzka

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Lernen lernen nochmals lernen

das Skatspielen. Mauem lernten wir nicht das kommt viel-

leicht erst in der 8. Klasse dran.

Als die Elternteile von der Versammlung kamen sagten sie es

ist besser wenn ich vielleicht einmal zu Hause bleibe und nichtins Betriebsferienlager mitfahre und es reicht was sie wieder

über mich gehört haben.Daraus muß man lernen dass man sich niemals nicht beschwe

ren soll. Denn eine Beschwerde kann man auch mit einem Echo

vergleichen. Sie kommt gleich wieder mehrstimmig zurück.

Ein paar aus unserer Klasse fahren zu einer Expedition. Hier

hätte ich auch gern mitgemacht. Aber unser Pilei rief ich war

voriges Jahr dabei andere wollen auch einmal.

51

Das stimmt. Voriges Jahr experimentierten wir

nach Kleinbeimersdorf und suchten Spuren. DieManche Schmeichler bringen dem

Lehrer sogar ein Geschenk miteinen mußten rauskriegen wer die ersten Genos-

senschaftsbauern waren und was sie damals dachten und die

anderen mußten erforschen wer heute Genossenschaftsbauer

ist und was heute gedacht wird.

Mein Freund Harald und ich haben uns einen ausgesucht der

damals schon drin war und auch heute noch denkt. Er warganz prima und wir schrieben alles auf. Als wir wieder zu

Hause waren brachte der Schweine-Sigi ein Stullenpaket mit

einer Zeitung drumrum mit. Dort war unser Genossenschafts

bauer schon fotografiert und der Reporter schrieb einen Arti-

kel über ihn aber viel mehr als wir und flotter und mit etwasweniger Fehlern. Deshalb muß man überlegen ob wir immer

richtig expedirieren und ob es nicht besser ist wenn wir gleich

zur Zeitung gehen und dort alles abschreiben? Auch gibt es bei

uns ebenfalls solche Genossenschaftsbauern und man mußnicht extra nach Kleinbeimersdorf eine Expedition machen.

Aber mein Freund Harald meinte unsere Genossenschaftsbauern kennen wir schon zu gut und es ist genauso als wenn wir

unsere Elternteile oder Lehrer beschreiben möchten. Und es

gibt dann bloß Knatsch und Tratsch. Deshalb ist eine Expedi-tion in andere Dörfer Wüsten und Urwälder besser. Dort kön-

nen wir wirklich aufschreiben was wir hören was wir aber bei

uns im Dorf hören das schreibt man lieber nicht auf.

Manche Kinder verreisen mit ihren Elternteilen. Der Pillenhei

ni fährt in diesem Jahr nach Ungarn und die dicke Mia in die

Hohe Tatra. Auch kennen sie schon mehrere solche Länder.Wenn sie wiederkommen geben sie immer mächtig an und fra-

gen ob sie schön braun sind. Als ich voriges Jahr der dicken

Mia antwortete sie und ihre Eltern sind ganz schön besengt

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52

Was möchtest du denn

mal werden «

>>Versetzt «

Lernen lernen nochmals lernen

petzte sie es gleich wieder. Mias Mutter hielt deswegen mit

ihrem Wartburg und frug mich zum Fenster raus  wie ich das

meine sie sind besengt? Und die Mutter ist deshalb auf dem

Weg zum Direktor. Ich erwiderte dass am Schwarzen Meer die

Sonne mehr und länger sengt als bei uns und das wissen wir

von unserem Herrn Erdkundelehrer Burschelmann. Mias Mut

t r gab Gas und hinterließ einen elenden Gestank. Entweder

kam das vom Schock oder ihre Mischung haut nicht hin.

Der Pillenheini gibt jetzt nicht mehr so toll an. Denn als r er

zählte er ist mit der IL 18 über unseren Wald geflogen frag

ten wir ihn ob er einmal mit uns in den Wald fährt und wir zei-

gen ihm ein Geheimnis. Der Pillenheini holte

gleich freudig sein Rad und dann fuhr r

mit mir meinem Freund Harald dem

Schweine-Sigi und dem langen Schücht los.

Wir fuhren ein paar Kilometer ziemlich

kreuz und quer. An einer Stelle im Wald hiel

ten wir und stellten die Räder hin. Wir sag

ten zum Heini r muß sich jetzt die Augen

verbinden lassen damit er nicht das Ver

steck sieht wo wir unser Geheimnis aufbe

wahren. Wir nahmen dann leise unsere

Räder und hauten ab.

Der Pillenheini hat erst drei Stunden später

wieder zurückgefunden weil r den Waldbloß von der IL 18 aus kennt.

Manche Kinder schreiben aus den Ferien auch Ansichtskarten

an die Lehrer damit sie wissen wo sie überall gewesen sind.

Auch freuen sich die Lehrer darüber wenn sie aus den Karten

lernen welche Gasthäuser es in Thüringen oder woanders gibt.

Und manche Schmeichler bringen sogar dem Lehrer ein Ge

schenk mit sagen wir grüßende Fische die auf ihrem Rücken

verkünden daß sie aus Binz sind oder ein Perlmutterschiff

vom Brocken auf welchem eine Hexe sitzt auch hat sie einenSchlitz wo man Geld reinsteckt und schon ist die Sparkasse

fertig. So ein schönes Geschenk kann ich nicht machen weil

ich zu Hause bleiben muß. Aber ich werde unsere Kneipe »Zur

feuchten Grotte« fotografieren und unserem Herrn Burschel

mann schicken. Darauf schreibe ich: Das Wetter ist sehr heiß

und hier ist es sehr schön. Auch habe ich schon einen ziemlich

tollen Brand und eine gute Aussicht. Es grüßt Sie

Ottokar

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Lernen lernen nochmals lernen

John Stave

»Diese Rodelbahn ist viel zu gefährlich für so ein kleines Kind«,

sagte Anita Falke streng zu ihrem Mann Benno, der sich gerade in seinen zweitbesten Ulster warf. Die Mutter richtete den

Blick zärtlich auf ihren fast zehnjährigen Sohn Etzel, der be

reits in einen dicken Anorak gehüllt war, in Schihosen und

Schistiefel. Auf dem Kopf trug er eine sogenannte Teufelsmüt

ze, rot und blau gestreift.

»Heute wird der neue Schlitten eingeweiht und damit basta Ichbin ganz andere Todesbahnen schon als Sechsjähriger hinun

tergefahren und habe es auch überlebt. Und was hatten wir da

mals noch für Schlitten Sogenannte eiserne Enten, kreuzge

fährlich, mein Junge «

»Ja, Papa«, sagte Etzel Falke todesmutig.

»Ich nehme an«, bemerkte Anita, »dein Vater war der König der

Todesbahnen. Er ist nur zu bescheiden, es hinauszuposaunen.«

»Ich war nicht schlecht. Immerhin war ich der einzige von den

ganz Kleinen, die die Todesbahn auf dem Bauch liegend hinun

tersausten. Und nun komm «

Benno schulterte den im Korridor stehenden funkelnagelneu

en Schlitten und stakste - er trug ein paar Filzstiefel, die ihm

ein ehemaliger Straßenbahnfahrer für ein Spottgeld abgelassenhatte - gefolgt von seinem nunmehr doch etwas blaß werden

den Söhnchen, die Treppe hinab.

Die Straße war völlig vereist. Ein einziger Sommertag mitten

im tiefsten Winter hatte die ganze Schneepracht gewaltig

zusammenschrumpeln lassen, aber dann hatte der Frost das

Zepter sofort wieder an sich gerissen. Und nun wurden ältere

Bewohner der Stadt stark an die Eiszeit erinnert.

n den zur Straße abfallenden Hängen des großen Parks ver

suchten ein paar Kinder und Halbwüchsige ihr Rodelglück,doch die meisten scheiterten. Selbst ein Thomas Köhler hätte

bei diesen Bodenverhältnissen seinen Schlitten vermutlich so

wieso an den Nagel gehängt.

Nicht so Benno Falke, der es sich in den Kopf gesetzt hatte,

mit seinem Sohn Etzel Schlitten zu fahren. Und Benno ist nun

einmal ein prinzipienfester Mann.

Ein steiler Weg führte einen Berg hinauf, der durch Zuschüt

ten eines im Krieg zerstörten Bunkers künstlich entstanden

53

Ein Amerikaner,ein Russe und einDDR-Bürger wer

den von einemKannibalenstammgefangengenommen. Der Häuptlingwill wissen, auswelchem Land siestammen. Der

Amerikanertrumpft auf: »Ichkomme aus denVereinigten Staaten, dem größtenImperium der west

lichen Welt. «Der

Häuptling schütteltden Kopf: »Kenne

ich nicht, ab in den

Kessel.«Er fragtden Russen: »Ichkomme aus derSowjetunion, dermächtigsten Kraft

des Kommunis

mus. «- »Kenne ichnicht, ab in denKessel.«Als derDDR-Bürger seine

Heimat nennt,umarmt ihn derHäuptling: »DDR

gut - Solidarität,bei euch habe ichdoch studiert ...«

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5 lernen lernen nochmals lernen

war. Von der obersten Plattform dieser Anhöhe nahm die To

desbahn ihren Anfang. Benno wunderte sich insgeheim, daßihnen niemand begegnete oder folgte oder sie überholte, dennVater und Sohn hatten große Schwierigkeiten mit dem Auf

stieg und kamen nur langsam voran. Sie zogen sich an Gelän-••

dem und tief herunterhängenden Asten Meter um Meter in die

Höhe. Die Filzstiefel erwiesen sich hierbei als nicht sehr rutschfest, weil sie auch mehr zum Stehen auf der Plattform einerElektrischen angefertigt worden waren.Etzel fand mit seinen Schis iefeln besser Halt, deshalb durfteer den Schlitten ziehen.Nach gut zwanzig Minuten waren die Falkes oben angelangt.Und siehe da: die Abfahrtsluken der Todesbahn waren vernagelt. Ein Schild sprach unmißverständlich ein sogenanntes Ver-

bot aus. »Die Ro-del-bahn«, las der Knabe hoff-

Geteilte Freude ist doppelter Schmerz.

Paß auf wie es gemacht wird

nungsvoll, »ist we-gen Verrei-«»Steh nicht herum, hilf mir lieber«, herrschteBenno den Jungen an.

Der Vater schwang sich auf eine steinerne Begrenzung, zogden Schlitten zu sich herauf, dann den Knaben. Etzel segeltesofort zur anderen Seite wieder hinunter und wäre um ein Haarvorfristig auf die Todesbahn geraten, hätte er sich nicht geistesgegenwärtig an den funkelnagelneuen Schlitten geklammert,der ihm nun folgte. Und gleich nach dem Schlitten kam Benno

Falke mit seinen Filzstiefeln.»Hornochse«, knurrte Benno im freien Fall. »Hält sich am Schlit

ten fest.«»Du hast ja auch nicht losgelassen, warst ja selber dumm«,

verteidigte sich der jüngere der beiden Männer. Kein Wunder,

daß dem älteren die eine Hand ausrutschte. Plitsch - es wardie erste Maulschelle, die Etzel von seinem Vater im Liegenempfing.»Hör auf zu heulen Los, ich leg mich jetzt bäuchlings auf den

Schlitten. Du setzt dich obendrauf, auf meinen Rücken. Aberdie Quanten werden auf die Kufen gestellt, verstanden? Nichtim Schnee mit rumfuhrwerken. Putz dir erst mal die Nase «

Benno sah die Todesbahn jetzt aus einer längst vergessenenAugenhöhe, mehr aus der Froschperspektive, und zum erstenMal wurde ihm wieder bewußt, welche Ängste er vor dreißigJahren ausgestanden, wie er sich an einen Pflock geklammerthatte und wie die Großen schließlich seine Hände gelöst undihn mit Gewalt abgeschoben hatten.

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Lernen lernen nochmals lernen

Klein-Benno war damals während der Fahrt abgesprungen und

laut schreiend ohne Schlitten nach Hause gelaufen.

»Ich habe ganz echt Angst, Papi « sagte Etzel von oben herab

Benno spürte, daß der Knabe an allen Gliedern zitterte.

»Ach was«, sagte Benno, »jetzt geht die Post ab. Dein Vater ist

doch bei dir Halt dich schön fest. Eins, zwei, los <<

Es war gewissermaßen auch eine Erziehungsmaßnahme, be

ruhigte sich Benno auf den ersten Metern der Todesbahn.

»Mich haben sie damals auch ins Wasser geschmissen, und ich

konnte nicht schwimmen « rief Benno, und für einen Moment••

hatte er die Ubersicht verloren. Der Schlitten gewann an

Schnelligkeit, begann sich jedoch im

Kreise zu drehen wie eine bemannte Ra

kete, nur daß die Schwerkraft nicht auf

gehoben war.

Etzel Falke wurde wie die erste Stufeder Rakete in den Weltraum geschleu-

dert. Benno legte noch zehn, fünfzehn

Meter in einer recht eigenwilligen Tech

nik zurück: Er rutschte, auf der rechten

Seite liegend, Hände und Füße weit von

sich gestreckt, mit dem Kopf nach hin-

ten, quer über die Bahn. n einem Wall

kam Benno zum Halten. Der Schlitten

war umgeschlagen, aber weder Perso-nen- noch Sachschaden war entstanden.

»Ich habe dir extra eingeschärft, du sollst die Füße drauflas-

sen. Klar, daß wir aus der Bahn geraten mußten.«

»Ich kannja sowieso schon schwimmen, Vati«, versuchte Etzel

sein bißchen Haut zu retten.

»Hör auf zu singen Jetzt gehts noch mal nach oben«, befahl

Benno Falke.

»Nein, nein, liebster Papa«, bettelte der Knabe. »Ich hole auch

andauernd Kohlen aus dem Keller und Zigaretten und Bier undhelfe immerzu Mutti beim Abwaschen und will auch meine

Schularbeiten immer ganz schön erledigen und ... «

» ••• und stecke deine Rute ein«, äffte Benno den Jungen nach.

Die Erziehungsmaßnahme schien schon ein bißchen gewirkt zu

haben. »Das kennen wir. Aber damit du siehst, mein Sohn, daß

dein Vater auch gleichzeitig dein treuester Freund ist ...«

»Das ist ja schon Heini Pawliczek «

»Quatsch nicht Also weil ich dein treuester Freund bin, werde

So, und nun s i schön

vorsichtig, hörst du?«

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56 Lernen lernen nochmals lernen

ich alleine hinunterfahren, damit du einmal siehst, wies ge-

macht wird.«»Ich kann doch dann gleich unten bleiben, Papsi«, schlug Etzelpraktischerweise vor.

»Nichts ist: Geteilte Freude ist doppelter Schmerz. Du kommstmit zum Start «Kühn und zuversichtlich machten sich die zwei erneut an denanstrengenden Aufstieg. Benno mehr kühn, aber Etzel mehr zu-

versichtlich, denn ihm konnte, falls der Vater sein Wort hielt,herzlich wenig passieren. Halb erschöpft, aber glücklich, langten sie nach einer guten Viertelstunde oben an. Etzel rieb sichverstohlen die Hände. Benno begab sich an den Start.»Paß auf, wie es gemacht wird « rief Benno, der bereits auf dem

Schlitten lag. »Eins, zwei ... «»Halt, im Namen des Parkgesetzes « ertönte da eine krächzende Stimme. Aus einem verschneiten Gebüsch tr t ein altesMännlein in der Dienstkleidung des Gartenamtes.»Mensch. Sie sind doch der ...« sagte Benno erfreut, »der mir

die Stiefel hier verkauft hat.«»Jetzt verkauf ich Ihnen was andres«, sagte der Parkwächter.»Hier, einen Ordnungsstrafschein in Höhe von fünf Mark .

••

Wegen Ubertreten eines Parkverbotes und wegen Sachbeschä-digung beim Übersteigen einer Absperrung «

»Aber lieber Freund«, begann Benno.

»Ich bin eine Amtsperson. Im Weigerungsfalle muß ich Sie derPolizei übergeben.«»Nananana, nun mal kurzgetreten, Herr General«, sagte Benno.

»Da haben Sie Ihre fünf Mark - machen Sie sich einen schö-

nen Sonntag. Und nun geben Sie die Bahn frei «

»Halt«, rief der Parkwächter wiederum und sprang wie ein junges Reh vor den startklaren Schlitten. »Das Wintersportgerätist konfisziert «Benno stand langsam auf. Er war zwei Köpfe größer als das

Männlein. »Ich weiche nur der Gewalt«, sagte Benno Falke,und sein Gesicht rötete sich schnell. »Wo und wann kann ichden Schlitten also wieder abholen?«»Unten an meiner Bude«, sagte das Männlein. »In einer Minu-

te.« Es schwang sich auf den Schlitten, stieß sich mit beidenBeinen ab, rief noch: »Es handelt sich um eine reine Erzie-

hungsmaßnahme « und sauste sicher zu Tale.»Deine scheiß Schlittenfahrerei«, sagte Benno zu seinem SohnEtzel. Dann machten sie sich an den Abstieg.

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  8 Was des Volkes ände schaffen

lrmgard be

w r

Montags geht Rosi ganz gerne in die Stinkbude, montags hat

der Versand angenehme Arbeit, Sendungen an Kliniken oder an••

praktische Arzte, sauber und leicht zu verpacken. Kleine Kar-

tons, Zellstoff und Holzwolle, zum Schluß das neue hellgrüne

Packpapier - fertig sind die Päckchen an die Herrn Dr. med. in

Philadelphia, Leau oder Casabra, Namen, die fremd anmuten,

geheimnisvoll, oder auch solche, die Rosi einfach Spaß machen:

Butterlake, Wassersuppe, Hammelstall und Hundeluft.

Ab Dienstag siehts schon unfreundlicher aus, schmierige Ka

nister, große Korbflaschen, staubige Säcke mit immer densel

ben unpersönlichen Adressen - Piesteritz, Leuna, Bitterfeld.

Aber heute fängt ja alles erst an, heute ist Montag, und der Alte

hat grade die Listen verteilt. Rosi guckt sich ihre Posten an,Buchstaben G-K, da geht der Spaß schon los: Dr. med. Fried

rich Wilhelm Gänsicke, Ohnewitz - na bitte, hinein ins Vergnü

gen. Holzwolle griffbereit, passenden Karton aufgeklappt, wei

ter kommt sie nicht, denn Waltraud, L-0, winkt Rosi hinüber

an ihren Packtisch, da sind schon Inge, A-F, und Helga, P-S,

eifrig dabei, einen Geburtstagstisch herzurichten für Annchen,

T-Z. Annchen, selbstverständlich, ist noch nicht da, eine Vier

telstunde später kommt sie. Mit Kuchen. »Hat die Verwandt

schaft übriggelassen«, sagt sie. »Mann, war was los «

Die Kolleginnen der Versandabteilung trinken Kaffee. Annchen

berichtet, was los war, spendiert eine Runde Pralinen. Rosi be

geistern Annchens Tanten nicht, sie möchte kleine Päckchen

packen, sie sagt: »Wenn ich morgens rauche, wird mir schlecht.«

»Weder morgens noch abends«, sagt plötzlich eine Männerstim

me. »Aber wenn schon rauchen, dann feuer- und lebensver

sichert « Da hat sich der Verwalter des Materiallagers einge

schlichen, bringt eine Rolle hellgrünes Packpapier, und allewissen: So seltene Kavaliersgesten sollen in Versicherungs

policen umgemünzt werden, mit denen der Kollege Material

lager-Verwalter nebenberuflich einen Pfennig verdient. Aber er

wird lediglich eine halbe Stunde fabelhaft auf den Armgenom

men, von A-Z, das heißt, G-Kist auszuklammern, denn Rosi hat

sich zu ihrem Packtisch zurückgeschlichen, greift auch schon

tatendurstig in die Holzwolle - da zischt Annchen: »Der Alte «

Alle schnappen ihre Versandlisten, der Materiallager-Verwalter

wedelt mit dem Material-Entnahmeschein, trollt sich dann über

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  asdes Volkes ände schaffen

den Hof in die Oxydanlage, vielleicht ist hier ein Pfennig zu ver

dienen. In den Raum poltert der Alte: »Kurze Pause. Bespre

chung.« Zu besprechen ist der geplante Abteilungsausflug, wie

macht mans am besten? Vorarbeiten? Haushaltstag? »Einer

muß auch kassieren.« Das zieht sich hin. Rosi steckt aufs neue

entschlossen die Hand in die Holzwolle, das raschelt, das macht

stutzig. »Tja«, sagt der Alte, »wir müssen weitermachen, überlegts euch, wir sprechen morgen noch mal drüber.« Und geht.

Die Kolleginnen der Versandabteilung sprechen gleich noch

mal drüber. Rosi fischt derweil aus hohen Regalen, was an den

ulkigen Doktor in dem ulkigen Dorf zu verschicken ist.

Da setzt draußen eifriges Laufen ein. Die

Kollegen der Oxydation, die Weißkittel von

der Pharmazie, Sekretärinnen der Werklei

tung, alles rennt zur Kantine.

»Der Röntgenzug«, sagt Rosi.Richtig Sie sind ja auch darauf eingerich

tet, also schnell die Ausweise, noch biß

chen überkämmen, bißchen frisch machenund hin. Da steht zwar eine ansehnliche

Schlange, aber zurücklaufen lohnt nicht,

gleich ist Mittag. Als die Kolleginnen der

Versandabteilung den letzten Blusenknopf

wieder schließen, tutet es. Essen.

In der Kantine, durch die Stuhlreihen.drängt sich der BGLer. Gibt auch Rosi ein

Zeichen. Rosi steckt den Nachtisch, zwei

Goldparmänen, in die Kitteltasche, geht zur

•• •

o•. . .-  " •

•• ••

kleinen Baracke neben dem Hauptlabor: Versammlung der Ge

werkschaftsvertrauensleute. Hart, was da gesagt wird. Zuge

geben, der Versand hat keinen Einfluß auf Produktionszahlen,

die Frauen verpacken, was kommt, mal mehr, mal weniger,

trotzdem - Rosi denkt an ihren verlassenen Packtisch, an die

Liste G-K.Indessen, Rosis Packtisch ist keineswegs verlassen, hier

herrscht reger Betrieb. Der Kollege Materiallager-Verwalter

kam noch mal auf einen Sprung rüber, dokumentarisch zu

belegen, wie schnell der Mensch sich den Tod holen kann. Ein

mal leichtsinnig anziehen, Lungenentzündung, aus Die Doku

mente, Fotos, zeigen in der Tat leichtsinnig gekleidete Men

schen, und wenn die Kollegin genau hinsehen, überhaupt völ

lig unbekleidete Menschen. »Altes Schwein « sagt Annchen.

Von wegen Schwein. »Alles FKK « Sie ziehen den Kollegen ein

>>Weitermachen Der

Lochkartenlocher st

noch nicht repariert <<

9

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1969 - 1970

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60

Zwei F . r e u n o ~ .u:il    ' : ;terhalten sich-üöen · ·

die neue Arbeit, ? ·der eine in einem ·VEB aufnehmenwill. »Machst halt -

den s t e l l v e r t r e t e n

wieder a c h k e n n t ~ ·•msse. <

as des Volkes Hände schaffen

bißchen auf. Materiallager-Verwalter für den FKK-Strand - so

ein Posten Keine Arbeit und mancher Pfennig nebenbei zu ver

dienen. Plötzlich Schritte auf dem Gang, angestrengtes Lau-

schen, prophylaktische Griffe zu Versandlisten. Gott sei Dank

- nur Rosi. Aber dann, hinter Rosi der Alte Fixes Mäuschen

huscheln. Der Verwalter verfatzt sich planlos und diesmal ohnejedes Papierehen. »Kurze Pause Arbeitsbesprechung«, wettert

der Alte. Dicke Luft.

Rosi wickelt das Päckchen ein. Das Päckchen an Herm Dr.

med. Friedrich-Wilhelm Gänsenicke, Ohnewitz, hastig, eilig,

dieses eine wenigstens soll heut fertig werden. Dann bricht

das Donnerwetter los. Seit fünf Jahren wird hier über die Be-

deutung der Postleitzahlen gesprochen Seit fünf Jahren geht

immer wieder was schief Also noch mal: »Wieviel Nester Naun

dorf gibt es?« - »Zweiundzwanzig.« - »Ja, das sitzt, das habt ihrbegriffen. Aber jetzt: Wieviel Petersdorfs?« - »Fünf.« - »Nein.

sechs«, sagt Rosi. »Einen in Berlin bei der Funzel.«

Aber das kommt heute nicht an. Weil eine Sendung nicht an-

gekommen ist, jedenfalls nicht bei Herrn Erich Müller, Arzt,

12101 Petersdorf, sondern bei Herrn Erich Müller, Bestattungs

institut, 12141 Petersdorf. »Also«, sagt der Alte, der Mann

kommt sich verscheißert vor. Aber darum gehts nicht. Es geht

um das Porto, das hier aus dem Fenster fliegt, 70 Pfennig, Tara

nicht gerechnet . . . Bares Geld, Volkseigentum Wann denktihr eigentlich im großen Rahmen, Donnerwetter «

Da tutet die Sirene, da ist Feierabend, und Annchen sagt: »Man

kommt reinweg zu nichts « und damit ist Schluß für heute, die-

sen Montag, in der Versandabteilung.

Nein, doch nicht Schluß und Feierabend. Da kommt j noch mal

- lange nicht gesehen und doch wiedererkannt - der Kollege

Materiallager-Verwalter. Roter Kopf und irrer Blick: »Wo sind

die Fotos?«Viel Gesuche, kein Erfolg, nirgends Fotos, nirgends

Nackedeis, verdammte Schweinerei. Vielleicht in irgendeinDoktorpäckchen eingepackt? »Los, alles aufmachen «

Da ist, gottlob, nicht viel aufzumachen, denn da ist, welch

Glück, nur ein Päckchen gepackt worden, an irgendeinen ulki

gen Doktor in irgendeinem ulkigen Dorf. Was bleibt - Rosi

reißt es wieder auf, da haben wir sie ja, und es gibt noch einen

nachträglichen Spaß, als Annchen sagt: »Ob der Doktor sich

beschwert hätte?« Aber das alles ist schon nach der Sirene, also

nach der offiziellen Arbeitszeit, und interessiert uns deshalb in

dieser Chronik nicht mehr.

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Anfrage des Landwirtschaftsministeriums an eine sächsische

LPG: > ~ G e n o s s e n könnt ihr die Milchproduktion um 10 Prozent

steigern?« - »Kein Problem.« - »Genossen, könnt ihr die Milch-

produktion um weitere 20 Prozent steigern?« - »Natürlich könnenwir auch das aber dann wird die Milch s hon seht dünn «

' -·., ._ fll .\t,  

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6

l MKLEiPfBARACKE

»Dierbeit

in drei

Schichten klappt noch

nicht aber das Umklei-

den <<

•• •

Was des Volkes ände schaffen

anskarl oerning

os HOH a t t ~ t tZwei Straßen-Bauarbeiter

Erster: August, guck mal, das Loch ist immer noch in der Stra

ße, das gute alte Loch ...

Zweiter: Das dient doch jetzt der Wissenschaft. Gestern waren

schon die Archäologen da.

0

Erster: Wer war da?

Zweiter: Archäologen. Das sind Altertumsfor-

scher.

Erster: Die haben wohl deine Alte erforscht?

Zweiter: Ich weiß, daß du mit Cohrs in einer

Klasse warst.

Erster: Na mal im Ernst: Was wollten denn die

Archäologen?

Zweiter: Die sind in das Loch reingekrochen.

Die haben nach Werkzeugen gesucht, aus der

Steinzeit.

Erster: Haben se denn welche gefunden?

Zweiter: Freilich, jaja. Eine Hacke. Bloß im

Jahrhundert haben die sich geirrt. Das war die

die du vor zwei Jahren liegengelassen hast

Erster: Wieso haben die sich da geirrt, August?

Die Werkzeuge, mit denen wir arbeiten, die

stammen doch aus der Steinzeit.

Zweiter: Sage nichts gegen die Steinzeit, du.

Das Werkzeug damals hat wenigstens gehal

ten Komm pack mit zusammen, es ist gleich

Feierabend.

Erster: August, wir haben noch eine ganze Stunde Zeit.

Zweiter: Ach was ist denn heute für ein Tag?Erster: Donnerstag,

Zweiter: Na also. Wenn w r Donnerstag nicht wenigstens eine

Stunde vor Feierabend Feierabend machen, was ist denn da?

Erster: Ach so, ich weiß, da sind wir freitags müde.Zweiter: Und wenn wir freitags müde sind?

Erster: Da können w r am arbeitsfreien Sonnabend nicht rich-tig arbeiten.

Zweiter: Bei fünffachem Verdienst.

Erster: Genau. Das ist eben die Dialektik,

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  asdes olkes ände schaffen

Zweiter: Seit wann machst denn du auf Dialektik?

Erster: Wenn s ums Geld geht, schreck ich vor nichts zurück.

Zweiter: Und wer zahlt uns den fünffachen Verdienst?

Erster: Na unser volkseigener Straßenbau, wer denn sonst.

Zweiter: st eine großzügige Bude, kann man nicht anders

sagen.

Erster: Bloß es gibt eben noch viel zuwenig Löcher.

Zweiter: Zuwenig? Mir langt schon unser Planungsleiter, das

Loch

Erster: Ich mein doch so ein Loch in der Straße. Das liegt und

liegt.

Zweiter: Ein Auto nach dem anderen fährt rein.

Erster: Eine Achse nach der anderen bricht.

Zweiter: Die Achsenbauer kommen gar nicht mehr mit der Pro-

duktion nach.••

Erster: Es sei denn, sie machen Uberstunden.Zweiter: Am arbeitsfreien Sonnabend ...

Erster: Bei fünffachem Verdienst.

Zweiter: Wie wir.

Erster: Und wem haben die Achsenbauer das zu verdanken?

Zweiter: Den Schlaglöchern ...

Erster: Die wir so liebevoll hegen und pflegen.

Zweiter: Siehst du, Paul, so wäscht eine Hand die andere.

Erster: Deswegen gibt es bei uns auch so viele saubere

Menschen

•• • •

63

Natürlich fällt das

unter Leistungslohn.

Oder ist das etwa keine

Leistung?< 

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6 Was des Volkes ände schaffen

Ulrich Speitel

Bei uns, bei den Leuten vom flachen Lande, steht das Bauen

in hoher Blüte. Kein achtbarer Mensch, der nicht irgend etwas

zu bauen hat, Zäune, Garagen, Taubenschläge und Hollywood

schaukeln, nicht zu glauben, was alles gebaut werden kann.

Wir saßen zwei Jahre auf unserer Klitsche, mühten uns, hin-

ter den manchmal absonderlichen Baudrang der Leute zu kom

men und bauten nichts.

Es wurde gefragt: Was ist er für einer?

Es wurde geantwortet: Er baut nicht

Es wurde geredet: ein Bruder Leichtfuß, träg und ohne streb-

same Ader.

Wir wollten nicht als unstrebsam, träge und leichtfüßig geltenund beschlossen den Bau einer Badestube. Selbstverständlich

kann man um den Bau einer Badestube bei einem

Mit dem Bauen kam die sozialistische Baubetrieb nachsuchen. Doch dort klärte man uns

Nachbarschaftshilfe in Gang. auf, daß der Bau einer Badestube ins NAW Un-

terabteilung Eigeninitiative fällt. Die Eigeninitia-

tive beginnt mit der Suche nach einem Maurer der nebenbe-

ruflich noch hinreichend Mumm Zeit und Laune in petto hat,

eine Badestube hochzuziehn. Mumm und Laune waren bei allen

Maurern reichlich vorhanden, Zeit nicht.Nach hundertsechs Eigeninitiativkilometern endlich hattenwir

Glück. Ein Maurer kam und besah sich den Stall. Unser Stallenthielt derzeit außer Luft und zwei Schwalben lediglich drei

Hühner. rr planten, eine Stallecke zur Badestube hochzupo-

lieren. Der Maurer billigte unsern Plan und sah sich um.

»Material?«

Material hatten wir keins. Der Maurer strich sich bekümmert

die Backen. »Auto?«

Wir besaßen einen Trabant, das rettete uns.Es wurden nämlich Steine gebraucht und Zement, Kalk Kies

Bretter und sogenannte Sauerkohlplatten, dies für den Maurer

und für den Anfang.

Wir notierten das kurz und schätzten die Materialbeschaffung

auf zwei allerhöchstens vier bis sechs Wochen. Der Maurer sah

uns gutmütig an.

»Kommt ihr vom Zirkus? Könnt ihr zaubern?«

Da schwante uns, daß Baustoff irgendwie knapp sein mußte

und eine Steigerung unserer Eigeninitiative um 500 Prozent

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Was des Volkes Hände sch ffen

verlangte. Unser Maurer hatte geraten vom Material reichlich

zu bestellen etwa das Doppelte von dem was gebraucht wurde.Das ergab sich aus seinen Baustofferfahrungen. Wir hatten

auch unsre Erfahrungen und bestellten sicherheitshalber dasDoppelte von dem was gebraucht wurde an zwei auch drei ver-

••

schiedenen Stellen. Doch das Material hatte Ahnlichkeit mit

der Bahn: Es ließ sich Zeit.Wrr hüllten die Mutter in hübsch kurze Kleider brachten ihren

natürlichen Charme in Schwung und ließen sie auf die Hand

werker und auf andere Bau

stoffquellen los. Den Herbst

und den Wmter waren wir im

Prinzip unterwegs forschtenhier fragten da spielten mit

dem blöden Gedanken Fliesen

und sanitäre Keramik notfallsmit Spargelstangen zu lockern

merkten aber glücklicherweisebeizeiten: Es war alles alles

da. Gabs eine Fußbodenent

wässerung nicht in der Nähe -

nicht in Brandenburg oder Ro

stock - in Dresden lag eine

herum das war so gut wie fast

sicher. Ein Boiler fand sich in

• • •„ + •

. • „• • „ •. . . .

„ •. .... _ „

der Hauptstadt im Quartal darauf auch in Friesack und wasmomentan nirgendwo zu erstehen war hatten seltsamerweise

die Nachbarn im Schuppen.

Das wunderte uns da sahn wir nicht durch. Wieso hatten die

Nachbarn allerlei Material wenn Baustoff gewaltig knapp war?

»Na eben ... weils knapp ist« sagten die Nachbarn lächelten

weise und da sie inzwischen unsre Baulust bemerkt hatten

griffen sie uns mit anerkennenden Worten und mit ihren Ma

terialreserven unter die Anne. So kam mit dem Bauen zunächstdie sozialistische Nachbarschaftshilfe in Gang.

Später kam dann der Frühling und mit dem Lenz kam auch tat

sächlich der Maurer wieder. Später erschienen auch der Tisch

ler der Elektriker und der Klempner. Sie arbeiteten flott tran

ken mäßig hielten ihre Tarife in Grenzen.

Mich qualifizierten sie nebenbei zum Handlanger.Ich lief bestiefelt herum die Brust entblößt meine Muskeln ge

rieten in Form und türmten sich und ein seltsames Gefühl kam

mich an das Gefühl des Bauens.

6

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Bis Wochenende muß

der Kabelgraben zu

sein. Montag fängt dieGasversorgung hier an

zu buddeln.  

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))Schön vorsichtig, der

Mischer gehört unserem

Betrieb Wenn er kaputtist, kann ich ihn nichtmehr für Mark die

Stunde vermieten.

Was des Volkes Hände sch ffen

Bauen schien mir mit einemmal etwas Besonderes zu sein. Duschreibst eine Geschichte, sie wird gedruckt oder nicht, damit

hat sich der Fall. Oder du nähst einen Anzug irgendwer trägt

ihn - was bleibt? Aber wenn du was baust, mein Lieber das

steht eine Weile da ist was zu sehen, das erfreut noch Enkel

und weitere Kindeskinder, was du da hingeklotzt hast. So ein

Gefühl etwa kam mich an und wollte nicht wieder gehen. Alsdie Akazien blühten, bereinigten wir den Dreck, badeten an

und sahen mit einemmal, daß unsre Klitsche von allerhand üb-

riggebliebenem Baustoff bedeckt war. Was tun damit? Baustoffist keine Räucherware und hält sich nicht ewig. Der Zement

wird hart, auch der Kalk will verbaut sein.

Das Baugefühl in meiner Brust war noch mächtig zugange, und

• „ • -•

ich begann unverzüglich

die Waschküche abzuput

zen. Besenputz. Auf halbem Wege ging mir der

Baustoff aus. Ich holte

. .-

Nachschub heran, sicher

heitshalber ein wenig mehr

und behielt genug übrig,

um eine Hundehütte in An-

griff zu nehmen. Die Hun-

dehütte war kaum begon

nen, da wurde neuer Bau-stoff erforderlich. Ich be

schaffte ihn es ging wieder

nicht ohne Reste ab und so

wuchs die Hundehütte hin-

über ins Bienenhaus, das

Bienenhaus in massive

Zäune und Wege die Wege in eine Gartenlaube, ich komm aus

dem Bauen nicht mehr heraus, aber eins steht fest: Sobald ich

meinen eigenen Grabstein errichtet habe, mache ich SchlußKein Baustoffrest wird mich wieder verleiten, ich habe anderes mit ihm vor.

In der Nachbarschaft ist nämlich, ein Bruder Leichtfußzuge

zogen, träge und wenig strebsam, das sieht man gleich. Fast

ein ahr wohnt er hier, ohne irgend etwas gebaut zu haben.

Dem schenk ich die Reste.

Oder wart mal: Ich könnte natürlich auch einen luftdichten

Schuppen bauen, der mir das Restmaterial sicher beherbergt.

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Was des Volkes Hände schaffen

Peter auglitz

oit·

Jüngst habe ich ein hübsches kleines Erlebnis in der Verwal

tung gehabt. In Zimmer 112, beim jungen Kollegen Müllersohn. An der Tür finde ich das Schildchen »Komme sofort wie

der« vor.

Nachdem ich eine Viertelstunde brav Posten gestanden habe,

geht eine nette Brünette den Gang entlang.

»Kollege Müllersohn kommt gleich «

»Nein«, stelle ich richtig, »sofort. Da stehts.«

»Ist doch das gleiche.« Die Brünette verhält, und wir philoso

phieren über die Ungleichheit von gleich und sofort. So gehen

die nächsten zehn Minuten weg. Worauf derjunge Kollege Mül

lersohn erscheint.

»Zu mir? Gut, kommen Sie gleich mal rein «

Ich sage: »Sofort « und darf mich unverzüglich setzen. »Also,

ich möchte - mein Anliegen ist folgendes ...«

»Einen Moment, bitte «

»Bitte <<

Der junge Kollege Müllersohn schiebt einen Akt genießerisch

von sich, zieht einen anderen Vorgang heran, und nichts deu

tet darauf hin, daß Müllersohn, der »einen Moment« gesagt

hat, in den nächsten paar Momenten für mich momentan wäre.

»Hmmm-mmchch «

»Sagten Sie was, Bürger?«

»Ich habe gehüstelt.«

»Gesundheit « wünscht mir der Kollege Müllersohn. Darauf

greift er zum Telefon, pikt einen Stift in die Drehscheibe und

läßt sie über die Nummern schnurren.

»Wenn Sie sich noch einen Moment gedulden ... «

Noch einen

Müllersohn spricht in den Draht. In schöner Zeitlupe sagt erdem anderen Ende durch, das Wetter habe sich ja nun Gott sei

Dank verbessert. Aber das andere Ende muß die Verbesserung

nicht ganz mitgekriegt haben, denn Müllersohn wird deutli

cher. »Es ist umgeschlagen - ra-di-kal « Seitenblick zu mir:

»Augenblick noch « Gut, in Augenblicken kann mir keiner was

vormachen. »Ein Augenblick« habe ich mal gelesen, ist genau

die Zeit, welche ein Auge benötigt, um den Blick auf etwas zu

werfen. Bei Augenpaarblicken dauerts übrigens auch nicht län-

  7

Ein Handwerker

stirbt und kommtzu Petrus. Der be-

grüßt ihn mit den· .

iW'orten:   »Da d u- .

·ja endlich.« Darauf

der Handwerker:»War es denn wirk

. lieh nötig, mich so. .früh zu h o l e n ? ; ; ; . . .' '• ' - '" .. • . ' -_ -. , . , • , _ ; J i ~ i

~ > W i e s o ? « fragt Pe-

trus. »Na, ich bindoch erst 45 Jahrealt.« Petrus: »Das

· .kann nicht sein.

Wenn. ch mir Q ie ·  .

S t u n d e n z e t t e i a .

sehe, die du ausgefüllt hast, bist duschon über 80.«

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68

>>Was hat dieser nüll-

mann eigentlich erfu.n-

den?

>>Die Pausenzigarette.

???• • •

>>Brennt länger.<<

as des Volkes ände sch ffen

ger. Die Augenblicke gehen zu Hunderten ins Land. Was dem

jungen Kollegen Müllersohnjedoch nichts weiter ausz11machen

scheint. Ohne Anzeichen von nervöser Hast hat er sich mitt

lerweile in ein zweites Telefonat verstrickt. Geruhsam bespricht

er irgendeine Rosi, rund zwanzig Minuten lang. Dann aber, ge-

rade als Kollege Müllersohn mich mit dem vierten Augenblick

ehen abgefrühstückt hat, muß bei Rosi der Bürowasserkessel

gepfiffen haben. Müllersohn hält sich gelassen sein Ohr zu.

Dann legt er resignierend auf, und ich bin dran.

»Sie wünschen, Kollege?«

»Ich, ich ... In diesem

Moment läutet es.»Eine Sekunde «

Hurra, endlich etwas

Greifbares. Weiß ich

doch längst, daß Müller-

sohns »Eine Sekunde«

kaum länger als sechs

Augenblicke - zwanzig

Minuten andauern wird.

Aber dann wickelt sich

alles erheblich kürzer

angebunden ab. Müllersohn haucht »Müller-

sohn ... « in die Muschel.Worauf ein beachtlicher

Ruck in die eingesunke

ne Sitzgestalt des jungenKollegen fährt. »N eiin «

schreit er entgeistert auf. »Ist j entsetzlich Komme sofort

Fliege schon « Und jetzt kommt das Verrückteste: Der junge

Kollege Müllersohn schnellt hoch. Er überspringt in einem ein-

zigen gewaltigen Temposatz seinen Schreibtisch und meine

Beine. Wirft mir von oben herab den Ruf »Kleine Sekunde nur «zu und katapultiert sich schreckensbleich aus dem Zimmer in

den Gang. Wie einer, bei dem ein liebenswerter Angehöriger -

möglicherweise Trabant 601 - völlig überraschend das Zeitli-

che gesegnet hat. Doch nichts dergleichen war geschehen. Wie

ich eine kleine Sekunde (gleich dreißig Minuten) später von

ihm selbst erfahre, hatte Kollege Müllersohn in der Hast derMonate nur eine Kleinigkeit verschwitzt: Sich rechtzeitig in

die Urlaubsliste einzutragen.

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Was des olkes Hände schaffen

Jürgen Hart

Rudi: Na, ihr wollt wohl zu mir?

Produktionsleiter (zitiert aus einem Bericht): » • und so ist es

uns gelungen, den Halbjahresplan mit siebenundachtzigkom

mafünf Prozent zu erfüllen. Das ist ein schöner Erfolg Den-

noch sind bei uns keine Spuren von Selbstbefriedigung zu

verzeichnen. Bei weiterer kontinuierlicher Arbeit unserer Bri-

gade sollte es möglich sein, den Jahresplan mit fünfundneun

zig Prozent zu erfüllen «Kommt dir das nicht bekannt vor?

Rudi: Freilich, ist doch von mir

Produktionsleiter: Mehr fällt dir dazu wohl nicht ein?

Rudi: Nee

Sekretärin: »••• ist es uns gelungen, den Halbjahresplan mit sie-

benundachtzigkommafünf Prozent zu erfüllen?«

Rudi: Na und? Ist doch wohl stilistisch einwandfrei formuliert?

Sekretärin: Aber die Prozentzahlen

Rudi: Siebenundachtzigkommafünf Prozent ist viel, gelle?

Produktionsleiter: Aber wir hatten hundert ausgemacht

Rudi: Hundert Prozent? Das hättet ihr mir aber vorher sagen

können, das gabs ja noch nie. Und wenn ich mir das richtig

überlege, ist das auch gar nicht zu schaffen

Sekretärin: So, warum denn nicht?Rudi (aufbrausend): Na, was kann ich denn dafür, daß wir den

Paule im Winter vierzehn Tage zum Schneeschippen abstel

len mußten. Bis hierher stand uns der Schnee Und wenn der

Paule nicht geschippt hätte, na ich weiß nicht, wo er heute

stände Und dann gleich die Grippewelle Hundertfünfzig

Grad Fieber hatten wir in der Brigade

Sekretärin: Hundertfünfzig Grad?

Rudi: Natürlich, alle viere Jeder siebenunddreißigkommafünf

Jeden Tag ham wir aus eigener Tasche drei Flaschen Wodkagekauft, nur damit wir gerade an der Maschine stehen konn

ten Und dann kam noch der Sommer mit der Urlaubswelle.

Kaum wird es warm, schon rammeln die Leute in Urlaub

Sekretärin: Das kann man aber vorausplanen

Rudi: Wie wenn man vorneweg wüßte, wanns warm wird Ich

hab im Juli schon gefroren wie ein Hund, und im Februar hab

ich geschwitzt Man kann eben nicht planen, wann man

schwitzt oder friert Und trotzdem ham wir den Plan mit sie

benundachtzigkommafünf Prozent erfüllt

9

Walter Ulbricht ist

in Moskau zu Be-

such und hält sich

im Kreml auf.

Während er auf

Breshnew wartet,

beobachtet er einenkleinen glatzköRfi-

gen Kerl, der derHeizung hantiert.»Kennen wir uns ·nicht?« fragt er.

»Klar, ich bin doch

Nikita Chrusch-tschow.« - »Was

machst du denn,hier

als Schlosser?« -»Ich bin froh, daß

ich den Posten o- · . ~

kommen h a b e . < < ~' - -

»Mensch, du warstmal der erste Mann

im Staat. Das geht

doch nicht. Ich spre

che mal mit Leonid. «

Chruschtschow:

»Walter, sei vorsichtig, der braucht

auch noch einenTischler.«

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Warum gibt es .-- 1i'

keine Trabis, dieschVJarzlackiertsind?

as des olkes ände schaffen

Produktionsleiter: Ja, schon, aber wem solln wir denn das wei-

termelden

Rudi: Das ist eure Sache, wir ham gearbeitet, geschuftet, ge-

wühlt, durchgezogen, rangeklotzt ...

Produktionsleiter: Na, Moment mal? Wenn zum Beispiel der

Paule nicht Schnee geschippt hätte?

Rudi: Der hat aber

Produktionsleiter: Nur mal angenommen

Rudi: Welcher Paule?

Produktionsleiter: Na hier der ...

Rudi: Zickenpaule?

Produktionsleiter: Ja, derRudi: Der hat gar nicht geschippt Der Karnickelpaule hat ge-

schippt

Produktionsleiter: Das ist doch völlig egal

Rudi: Das ist eben nicht egal Der Zickenpaule hat sich doch

im Winter neunundfünfzig/sechzig die Ohren erfroren, den

kann man nicht in den kalten Schnee rausschicken

Produktionsleiter: Das ist mir jetzt egalRudi: Na, das ist vielleicht ein Arbeitsklima

Produktionsleiter: Jedenfalls hat der Paule nicht geschippt

Rudi: Aber ...

Produktionsleiter: Und wenn die Kaltwelle nicht getobt hätte

Rudi: Die Grippewelle

Produktionsleiter: Und wenn die Urlaubswelle nicht dazwi-schengekommen wäre, dann hättet ihr doch den Plan mit

hundert Prozent erfüllt?

Rudi versteht langsam: Ja, dann, mit hundertundein Prozent

Produktionsleiter: Na, dann melden wir doch einfach weiter,

daß die siebenundachtzigkommafünf Prozent nach unseren

neuesten präzisierten Plänen einer Planerfüllung von hun-

dertzwei Prozent entsprechen.

Sekretärin: ... hundertdrei Prozent entsprechen.

Rudi: Na , das ist eure Sache Hauptsache, die Jahresendprämiestimmt

Produktionsleiter: Na, das kriegen wir schon hin

Rudi: Wer weiß, wie lange noch?

Produktionsleiter: Wir ham da schon für die Zukunft vorge-

sorgt. Wir haben einen Patenschaftsvertrag mit der Rappbo-

detalsperre abgeschlossen. Sobald wir mit der Planerfüllung

nicht mehr hinkommen, werden dort Maßnahmen wirksam

Rudi: Die wolln uns dann wohl Arbeitskräfte schicken?

Produktionsleiter: Nein, die öffnen dann die Schleusen

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72 Heißer Sommer

C. U. Wiesner

»Und wenn wir nun doch zu Knauerhases Silvesterparty gehn?«

»Nein, Elisabeth. Da wird den ganzen Abend über Kunst undAutos gequatscht, nach Mitternacht trägt Knauerhose selbstgehämmerte Gedichte zur Gitarre vor. Pfui Deubel « - »Und

wenn wir nun doch mit dem Reisebüro irgendwohin fahren?« -»Nein, Elisabeth. Da weiß man nicht, wie die Quartiere sind.

Und dann Silvesterpunsch mit lauter fremden Leuten? Nee.

mein Kind « - »Und wenn wir nun ... es gibt noch Karten für

die Neunte. Und dann nach Haus, so ganz für uns und keine

Leute?« - »Nein, Elisabeth. Die Hausgemeinschaft feiert eine

Treppe höher, kuck mich nicht so an Die Leute, die man täg

Im Harze jodelt man wenn

man sehr fröhlich ist.

lich auf der Treppe trifft ... Man kennt das doch: So kurz

nach zwölfe klingeln sie bei uns - die armen Pfeiffers

sind allein. Dann traut man sich nicht, nein zu sagen,besäuft sich, andern Tags wird man beredet. Ohne uns,

Elisabeth «

Frau Pfeiffer hätte nach vielen Jahren mal wieder gern so rich

tig Silvester gefeiert. Sie war von Haus aus ein fröhliches Kind,

aber so herzensgut, daß sie ihrem Manne nie widersprach. Des-

sen Entschluß stand unumstößlich fest: Zurück zur Natur. Ein

Jahreswechsel ohne Tamtam. Ohne Leute.m Nachmittag des 26. Dezember verließen Pfeiffers in Mut-

zingerode den Kleinbahnzug. Herr Köpernitz, ein gemeinsamerguter Bekannter, seines Zeichens Leiter des Mutzingeröder Fe-

rienheimes, erwartete sie mit seinem Kombi vor dem Bahnhof.

»Ihr hättet natürlich«, sagte er, als sie am Ortsausgang das

idyllisch gelegene Heim passierten, »ohne weiteres hier im

Haus unterkommen können. Was meint ihr, was wir Silvester

für ein Faß aufmachen Tanz in allen Räumen, und das halbe

Dorf dabei.« Die arme Frau Pfeiffer warf einen hilflos flehendenBlick auf ihren Mann, doch der sah stur gradeaus und fragte:»Wie weit ist es noch?« Den letzten Kilometer mußten sie zu Fuß

gehen, denn der Weg ward schmal und steil. »Wenn ihr was

braucht«, so sprach Herr Köpernitz - er trug den größeren derbeiden Koffer - »'ne gute Stunde ist es bis zum Dorf.« - »Wir

sind mit allem eingedeckt«, entgegnete Herr Pfeiffer, der an

dem andern Koffer schwer zu schleppen hatte. »Sogar zum Fei-

ern ein paar Flaschen. Nee, mein Lieber, so ist das nun nicht.«

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Heißer Sommer

Die Jagdhütte lag in einem tiefen dunklen Tann. Für gewöhn

lich wurde sie vom Heim nur in der Sommersaison mit Gästen

belegt. Nachdem sich Herr Köpernitz mit den Worten: »Na denn

guten Rutsch «verabschiedet und der jungen Frau noch einenmitleidigen Blick zugeworfen hatte, begannen sich Pfeiffers

einzurichten. Das Holz war feucht, und es dauerte geraume

Zeit, bis Herr Pfeiffer das Herdfeuer entfacht hatte. Unter an

deren Umständen hätte er wohl geflucht, so aber sagte er mit

einem etwas gequälten Jauchzen in der Stimme: »Elisabeth,

jetzt wirds gemütlich.«

ahrharfen

••. -  ' „

Sein Weib, das teure, befühlte zer

streut die klamme Bettwäsche - seit

Tagen hatte es im Harz geregnet -und rief mit leiser Stimme: »Holdrio <<

Worauf Herr Pfeiffer wissen wollte,

was sie damit meinte. Vorm Fensterschwammen in der Dämmerung Ne

belschwaden. »Na, ich versuch zu jo

deln«, sprach Elisabeth, »m Harze jo

del t man, wenn man sehr fröhlich

ist.« Wortlos setzte Herr Pfeiffer

einen Kessel Wasser auf, um einen

Grog zu brauen, denn er sah, daß

seine Frau schon blaue Lippen hatte.

Und ein Unmensch war Herr Pfeiffernicht.

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Als sie am Morgen drauf erwachten

- ob es Morgen war oder Mittag,

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wußten sie nicht genau zu sagen; seine Uhr war stehngeblie

ben, ihre Uhr war liegengeblieben im Badezimmer in der Stadt

- fielen draußen dichte, weiße Flocken.»Die Pfähle dort vom Zaun«, sprach sinnend der Herr Pfeiffer

im Trainingsanzug, den er auch die ganze Nacht getragen hatte,

»sehn sie nicht aus, Elisabeth, als hätte ein Zaubrer sie mit weißem Pelz bedeckt?« Frau Pfeiffer widersprach wie üblich nicht.

Das dünne Eis der Waschschüssel klimperte unter ihren star

ren Fingern. Nachdem sie den Inhalt einer Fleischbüchse mit

einem unaussprechlich ungarischen Namen gegessen hatten,hielten sie Mittagsruh. Was hätten sie sonst machen sollen? Die

Tür ging nicht mehr auf. Es schneite unablässig. Und außer

dem, da drinnen wars gemütlicher. So meinte wenigstens Herr

Pfeiffer. Er wurde nur ein bißchen ungehalten, als er erfuhr, Eli-

73

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1

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In Berlin im Hotel Unter den Linden hängt einSchild: »Hier wird Russisch Englisch Französisch

und Spanisch gesprochen.« Der Gast versucht es in

allen Sprachen. Er wird nicht verstanden. Schließ-

lieh fragt er auf Deutsch: »Wer spricht denn hier

1 eigentlich diese Sprachen?«Darauf der Kellner:~ · ~ ~ ~ ~ U ? mein Herr, die Gäste «„ „ . 0 • : 1u11 Jitf1l IU l l U l l J l \ ~ i ; ; ~ ~ • - . .

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dich

gesundl

fotografiert

im

Naherholungs.zentrum„Zum Possen•bel

Sondershausen

von Hans HOttnerS.1Jin

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  eißer Sommer

Triebe nicht entfernt worden Der Strauch hat schon gar keine

Proportion mehr, sondern wuchert in die Gegend wie eine

Brombeerhecke. Wirklich, zum Brechen

Dann haben diese Leute so eine rt Weg in der Wildnis und

mitten auf diesem Trampelpfad wachsen ein paar Krokusse.

Man ist j als anständiger Gartennachbar gewissermaßen zurHilfe verpflichtet, deshalb habe ich schon vergangenen Herbst

gesagt, sie sollen die Zwiebeln ausgraben und sich einen Stein

garten anlegen, wo Krokusse immer sehr nett zur Geltung kom

men wenn sie als farbige Tuffs ein bißchen symmetrisch ver-

teilt werden. Aber nein. Rappelzundt, der Banause, schätzt es,

wenn ihm die Dinger um die Füße rumwachsen. Solchen Leu

ten dürfte von Rechts wegen gar kein Garten zustehen.

Mein Schwager Jürgen, der sich immer einstellt, wenn ihm die

Gute Luise in den Schoß fällt oder der Apfelwein ausgeblub

bert hat, würde das Rappelzundt-Grundstück gern übernehmen. Mein Mann hat ihm das schon mal aufgemalt, wo man ein

Spargelbeet hinsetzen könnte und etwas Frühgemüse, einge

rahmt von Küchenkräutern. Vor dem Haus natürlich ein Rosen

rondell und an den Zaun die Frühblüher, damit der wintermü

de Spaziergänger eine Freude hat. Aber Rappelzundt war stur.

Er braucht den Garten, sagte er. Wozu braucht er den Garten?

Er pflegt ihn nicht, liebt ihn also nicht, was will er denn damit?•m Nachmittag desselben Tages erhielten wir die Antwort. Es

war der 1. Juni, das Datum werde ich nicht vergessen. Da kam

Er will sich nicht in

unser Kollektiv einfü-

gen Er fährt nur her

um zu faulenzen <<

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  8 Heißer Sommer

doch so eine Invasion aus dem Kinderheim wo die olle Rap

pelzundt in der Küche aushilft. Mindestens zehn Gören stürm

ten auf das Grundstück und freuten sich in einer Lautstärke

daß mir fast die Hacke aus der Hand fiel. So lange sie mit Kaf

fee und Kuchen vollgestopft wurden gings j noch aber dann

schwatzte ihnen Rappelzundt solche albernen Kinderspiele wieEierlaufen und Sackhüpfen und Wurstschnappen auf und da

gings mit Karacho über Stock und Stein.Mein Mann und ich hörten natürlich kaum hin. Wenn man sei

nen Garten in Schuß halten will hat man keine Zeit sich um

die lieben Nachbarn zu kümmern. Aber unsere Kinder standen

dauernd am Zaun und kuckten wie zwei Kühe wenns donnert.Ich wurde ganz schön sauer schließlich haben die Kinder

genug zu tun mit ihrem Radieschenbeet und für die Karnickel

müssen Butterstauden gestochen werden  und von einem biß

chen Gießkannenschleppen sterben sie auch nicht gleich.

Da platschte ein Ball in die Pfingstrosen. Ich dachte mein

Mann wird nicht mehr. Voll Wut wollte er den Ball über den

Zaun schießen mit Zielrichtung Kaffeekanne aber

Gegen Gartenanarchie und Zweckent leider traf er eine Klamotte und mit dieser die

fremdung ist kein Kraut gewachsen. Hauswand wo sich an einem Spalier die Clema-

tis hochrankelte - bis zu diesem Augenblick. Die

Klamotte wurde zu ihrem Grabstein. Mein Mann schnauzte mit

schmerzverzerrtem Gesicht daß ihm der Rappelzundt für den

Schaden aufkommen muß egal wie er das machen will und

wenn er dem Herrn Förster in Barnim eine Clematis aus den

Rippen schneidet. Währenddessen hatten unsere Kinder den

Ball rübergebracht und sich von Rappelzundts einladen las

sen. Mein Mann verlangte daß ich dem Spuk sofort ein Ende

bereite aber man legt sich j nicht gern mit den Nachbarn an.

Als die Kinder nach Stunden zurückkamen schleppten sie

einen Haufen Luftballons Lampions und ähnliche Kinkerlitz

chen an und sagten das sei ein prima Kindertag gewesen und

wenns nächstes Jahr schön wäre dürften sie wieder mitfeiernin Rappelzundts Garten in dem es so richtig gemütlich ist.

Mein Mann hat sich schon an den Kulturbund gewandt und

an die Schiedskommission aber gegen Gartenanarchie

Zweckentfremdung und negative Beeinflussung anständiger

Kleingärtnerkinder is t kein Kraut gewachsen. Da versagt der

Gesetzgeber. Jedenfalls ist das ein gutes Thema für unsere Jah

reshauptversammlung im Kleingärtnerverein.

Den Kindertag feiern wir natürlich auch: Wenns am 1. Juni

nicht regnet gehen wir mit den Kindern ins Kino.

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Heißer Sommer

Erwin F B. lbrecht

r s t ~Der Koffer kommt in vielen Variationen vor von der heulendenMiniform »Kofferheule« bis zum voluminösen Schrankkoffer.

Variabel ist auch das Material der Koffer es reicht von derPappe über die Kunststoffe bis zum Krokodilleder wobei sichder Vermerk erübrigt daß beim Krokokoffer nicht nur das Material sondern auch die Preise nicht von Pappe sind.Die größten Kaffer nehmen nicht nur den Reisebedarf sondernauch die Reisenden selber auf haben unten Räder und heißen

Wohnwagen. Mit ihren Bewohnern haben sie eins gemein: Siehängen am Auto. Andere Reisende die wegen ihres Koffers besonders auf der Hut sein wollen stellen sich natürlich aufHutkoffer ein. Und wer bei dem unterwegs vorkommenden Ärgerleicht in die Luft geht besorgt sich einen Luftkoffer.

Verbleiben wir bei dem normalen Reisekoffer. Er wird entstaubt aber nicht entzettelt denn die Klebezettel bedeutenbeispielsweise für die Familie Kagelmann das gleiche wieStocknägel für den repräsentationshungrigen Wanderer. DerKlebezettel dokumentiert daß das Ehepaar Kagelmann nebstSöhnchen in Oberrumpelhausen das Hotel »Zum Waldgesäusel« beehrt haben  in Quiekenhagen bei Berlin das HO-Hotel»Zum Goldbroiler« und natürlich in Vama das Strandhotel»Pfirsichblüte«.

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9

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8 eißer ommer

Die Klebezettel bleiben also dran, während Mutti Kagelmannroutiniert zu packen beginnt und Vati die Kofferschlüssel sucht,

die auch Himmelsschlüssel heißen könnten, weil Vati minde-

stens dreimal flucht: »Himmel, wo hast du die Mistdinger bloß

verbuddelt, Frau « Schließlich finden sie sich in seiner Urlaubs

zigarrentasche.

Keiner versteht wie Mutti den Koffer bis auf den letzten Ku-

bikmillimeter vollzustopfen. In ihrem linken Winterhausschuh

(man kann nie wissen) bringt sie mindestens zwei Bürsten,

eine Dose Krem, drei Schuhlappen, eine Büchse Heringshap

pen (für alle Fälle) unter. Und es müßte mit dem Teufel zuge-

hen, wenn im rechten Schuh neben Vatis Elektrorasierer und

einer Rolle Klopapier nicht auch noch Flibol und Tipp ix Platz

fänden (wegen der Mücken).

Schließlich ist der Koffer voll. Um die Schlösser zum Ein-

schnappen zu bringen, muß sich die ganze Familie geschlossen auf den Deckel setzen. Aber erst nachdem gegen Sohnis

Protest die zusammenklappbare Kinderschaukel wieder raus

geflogen ist, hats geschnappt, und das gleich mehrfach: Die

Schlösser sind zugeschnappt, Sohni ist eingeschnappt, Mutti

schnappt nach Luft und Vati sich die letzte Flasche Pils.Und jetzt packt Kagelmann den Koffer, um mal das Gewicht zu

testen. Kricks, reißt das Ende des betagten Kunstledergriffs

aus dem Metallbügel. »Himmel und Zwirn « donnert Vati. »Das

ist j denn doch zum Kofferheulen «

MoorosOiollo9iseAo erl OHHtHiS

oi1tos O s t s o o ~ r a ~ O o r sDer albernste Fisch ist die Flunder:

Man tritt dauernd drauf,

und sie nimmts in Kauf -da ist ihre Plattheit kein Wunder

Das schlauste Vieh unter Fischen

ist sicher der Aal:

Den konnt ich nicht mal

geräuchert im Laden erwischen.

udi Strahl

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  eißer Sommer

ohn Stave

sts

In wenigen Jahren wird es soweit sein: Da wird ein Tag kom-

men, an dem sämtliche Bürger der DDR (mit Ausnahme der

Bürger, die sowieso ans Schwarze Meer fahren am 1. Juli inder Ostsee baden wollen. Einer, der den Zug verpaßt hat,

kommt noch angerannt. In HERINGSDORF zur Kurverwaltung:

»Haben Sie noch ein Bett für mich?«

»Ja, wir haben hier noch ein Zweibettzimmer, das nicht richtig

ausgelastet ist. Es befinden sich erst 149 Urlauber drin«, sagt

die Kurverwaltung.

»Dann hab ich j noch mal Glück gehabt « ruft der letzte Ur-

lauber beglückt aus und geht ins Wasser.

Am Konsum in ZEMPIN stehen 4 789 Leute Schlange nach

Schrippen.

ZINNOWITZ beherbergt an diesem bewußten Tag allein 1,8Millionen Urlauber. Vor dem Selbstbedienungs-Gasthaus »Ein-

heit« werden die Hungrigen aus kleinen Kanonen mit Menüko-

Feinfrost-Buletten beschossen.

Der KOLPINSEE wird ausgebaggert, gekachelt und von der

Brause-Feuerwehr mit Limonade gefüllt. Die Getränkeversor

gung in Kölpinsee und Loddin ist damit gesichert.

Die Oberförsterei NEUPUDAGLA schießt alle frei herumlaufen

den Ochsen gleich mit Spießen, so daß nur noch Feuer unter

81

Wer an Land gehen

will empfängt sofort

eine tischfertige Konser-

ve ein Kl.appstühlchen

und zwei Flaschen

Brause. s ist verboten

die Sachen in der Stadt

zu verscheuern <<

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82

WfRKt fl R.

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...-

TECHNiSCHERDiREKTOR

K A U ~ f t t h : N NDiREKTOR

eißer Sommer

den erlegten Tieren angemacht werden muß. Die Verteilung

der Ochsen am Spieß liegt in den Händen der Fischbratküchen

des HO-Kreisbetriebes WOLGAST

Das Kulturhaus in MURCHIN wird zur Snackbar für ganz U e

dom umgebaut.

Der Bürgermeister von KARLSHAGEN führt am Strand vor,

wie man ohne größere Verletzungen oder Brüche aus einer Tiefkühlassiette Sauerkohl essen kann.Die FDGB-Heime in Friedrichroda Thür.) werden nach BAN

SIN Us.) umgesetzt.

Unter Anteilnahme von 17559 unterkunftslosen Urlaubern wird

in AHLBECK durch den FDGB-Feriendienst ein Bettenhaus fürzwölf Personen eingeweiht.••

UCKERITZ: Vor 500000 begeisterten Zeltlem verspeist der Di-

rektor von Menüko eine in seinem Betrieb vorbereitete koch

fertige Kartoffel und geht daran zugrunde .Die Wassertemperatur beträgt an diesem Tag in TRASSEN

HEIDE elf Grad im Schatten. Luft: dick.

Wenn zwei sich flachsen, freut sich der dritte. Daher waren Wal

ter und Hans im ganzen Ferienheim so beliebt, und wo ein Witz

duell zwischen ihnen entbrannte, sammelten sich Zuhörer.So schlenderten wir auf dem Wege zum Kurkonzert wie zufäl

lig hinter den beiden her. Und schon ging s los.

»In deinem Betrieb herrschen j jetzt anscheinend wunder

bare Zustände«, sagte Walter, Angestellter des Berliner Magi

strats, zu dem Freund, »da scheint j jetzt wirklich alles zu

schlafen. Wohl den Sauregurkenschlaf?«

»Sauregurkenschlaf? Wieso denn?«

»Na, ich hab gehört, sie haben eurem BGL-Vorsitzenden vor

vierzehn Tagen aus Ulk den Schreibtisch zugenagelt.«»Na und?«

»Das hat der Mann bis heute nich jemerkt ...«»Och, det is noch jarnischt«, entgegnete der andere, »in euer

Rathaus soll doch neulich een entsprungener Löwe einjedrun

gen sein. Det haben se sojar erst nach vier Wochen jemerkt.«

»Das ist j nun Blödsinn, mein Lieber«, opponierte Walter.»Wovon soll denn der Löwe in der ganzen Zeit gelebt haben?«

Hans guckte sich um und zwinkerte uns zu. Dann meinte er

trocken: »Der hat jeden Tag een Abteilungsleiter jefressen ... «

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84 Höher schneller weiter

Ernst Röhl

Dieter Fromm und Jürgen Haase sind in aller Munde, wie man

so sagt. Schön. Doch wer spricht eigentlich von Fidelio der al

lein wesentlich schneller rennen kann als Fromm und Haase

zusammen? Im Sport-Echo drucken sie ellenlange Riemen über

Mittelstreckler die die Meile unter vier Minuten laufen. EinRennpferd Herrschaften das die Meile nicht in wenigstens

zwei Minuten schafft braucht sich gar nicht erst zum Ziel zu

bemühen sondern kann gleich den kürzesten Weg zur Pony

Diele einschlagen. So siehts doch aus. Im Mittelpunkt steht der

Rennpferde lassen in puncto Verkehrs-

sicherheit zu wünschen übrig

Mensch. Ein Pferd kann sich zehnmal die Hak

ken ablaufen; es rangiert in der Sportbericht

erstattung selbst dann noch unter »ferner liefen«, wenn es gewonnen hat.

Ich finde, es ist an der Zeit, mit diesem Brauch zu brechen und

auch mal Notiz von den Leistungen derjenigen Athleten zu neh

men, die ihren Sport auf vier Beinen ausüben.

Kürzlich fand in Wroclaw das Meeting der besten Vollblutpfer

de aus Polen Ungarn Bulgarien der Sowjetunion der CSSR

und der DDR statt. Während des vorausgegangenen Meetings

in Hoppegarten bei Berlin hatten unsere Pferde die Order, un

bedingt vor der Gegnerschaft im Ziel einzutreffen. Das gelangleider in keinem Rennen. Um einen derartigen Einbruch in die

sem Jahr zu verhindern packte ich meinen Koffer, eilte auf

dem Schienenweg schnurstracks an den Ort des Geschehens

und klopfte auf der Rennbahn Wroclaw-Partynice an die Stall

tür der DDR-Delegation. »Verstehen Sie denn was von Pfer

den?« fragte Trainer Lehmann. »Das will ich meinen«, sagte

ich. Schließlich habe ich schon im frühen Kindesalter ein un

gebärdiges Schaukelpferd zugeritten. Später beim Turnen über

sprang ich das Pferd nicht achtlos sondern demonstriertemeine Liebe zum Pferd stets indem ich mich rittlings auf dasselbe setzte. »Sind Sie jemals von einem Rennpferd abgesetzt

worden?« fragte der Trainer. »Von einem Rennpferd nie « ent

gegnete ich wahrheitsgemäß. Obwohl mich dieser Umstand als

Jockei empfahl verzichtete ich auf alle Ritte und ließ mich be

scheiden als Stallbursche engagieren. Und das war gut so, denn

wie ich kurze Zeit darauf feststellte lassen Rennpferde trotzder hohen Geschwindigkeit die sie entwickeln in puncto Ver-

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Höher, schneller weiter

kehrssicherheit zu wünschen übrig. Kein Lenkrad keine Hupe,

nicht einmal ein simples Katzenauge am Hinterrad. Das einzi

ge, was entfernt an ein Motorrad erinnert ist der Sattel.Um meinen Stallburschenverpflichtungen nachkommen zu kön

nen brauche ich nur noch ein Quartier. Leider ist im Stall keine

Boxmehr

frei, woich mein müdes Haupt auf einen Habersackbetten könnte. Die Hotels der Stadt sind gastlich aber leider

nicht gastfrei. Die Zimmervermittlung hat jedoch noch einwohnliches Stübchen in petto bei der duften Oma Grzeczuk. Ich

sage: »Dzien dobry ... «Sie: »Guten Tag.«Damit haben wir beide

unseren deutsch-polnisch polnisch-deutschen Sprachschatz

erschöpft. Immerhin ermittele ich durch Hoppe-hoppe-ReiterGebärden daß die wyscigowy, also die Rennbahn mit der Stra

ßenbahn zu erreichen ist. Allerdings dauert die Fahrt fast eine

St11nde. Das ist eine gewisse Härte denn das Tagwerk einesStallburschen verlangt den Heroismus des Frühaufstehers der

mir im Grunde fremd ist.Kaum daß ich zu Bett gegangen bin, stehe ich also wieder auf.

Es gelingt mir tatsächlich mich den Kollegen anzuschließen

die auf dem Weg zum Stall sind. Dort setzt freudiges Gewieher

ein, sobald die Renner die trauten Stimmen ihrer Pfleger ver

nehmen. Wahrscheinlich haben sie einen gehörigen Brand in

der Kehle. Wer könnte das besser verstehen als ich Dann

mache ich die Bekanntschaft der durstigen Seelen. Sie heißen

Fidelio, Wmton, Bergfried Angola, Monet. Ulkige Namen. Aberes kann ja nicht jeder Mike, Denis oder Kai-Uwe heißen wie

die Schulanfänger heutzutage. Ich halte mich nicht lange mit

Begrüßungsformeln auf sondern bringe Monet eilends den er

sehnten kühlen Trunk. Ein Glas Wasser bis zum Rand gefüllt.

Das ruft allgemeines Kopfschütteln hervor. Die vierbeinigen

Athleten wünschen die kalte Labsal eimerweise. Bitte sehr

gleich Einen Eimer Wasser für Monet. Er leert ihn im Hand

umdrehen bis zur Neige. So einen Zug habe ich noch nicht er

lebt zumindest nicht im Zusammenhang mit Wasser. Hernachgibts eine Portion Hafer samt Kraftfutter-Dessert.

Im Anschluß an die Fütterung werden die Boxen gesäubert.

Pferde machen Mist, wie man weiß. Einen Haken allerdings hat

die Sache: Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd die launische

Angola, in deren Box ich mit Hand anzulegen versuche hat es

nicht nur faustdick hinter den Ohren. Sie hat auch eine lockere Hinterhand mit der sie mich schlagfertig begrüßen möch

te. Gewiß sticht sie Hafer. Es glückt mir, ihrem Hinter-Hand-

  ufdie lätze ...

... fertig ...

. . los

8

• • •

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8

>>Wem sagen Sie das?

ei mir sinds die

Bäume die ausschla-

gen <<

Höher schneller weiter

schlag auszuweichen. Ich kann solche Vertraulichkeiten nun

mal nicht ausstehen, vor allem nicht auf nüchternen Magen.

Mittlerweile ist der Morgenspaziergang fällig. Die Jockeis und

Pfleger nehmen unerschrocken auf den Pferden Platz. Dann

geht es schrittweise im Kreis herum, Gänsemarsch. Es ist Sitte,

daß die Damen den Herren Vortritt lassen, damit letztere beim

Anblick des schönen Geschlechts nicht auf dumme Gedankenkommen. Auch Pferde haben kein Herz von Stein. Für Flirts ist

ohnehin keine Zeit, denn die Morgenarbeit beginnt. Die

Pferde müssen auf dem grünen Rasen ein paar hundertMeter »schnell gehen«, worunter etwa sechzig Sachen

••

zu verstehen sind. Ubung macht den Meister. Das Trai-

ning verläuft ohne Nervosität von Roß und Reiter. Zwei

Tage später allerdings, kurz vor dem Rennen, kann

Monet ein gewisses Startfieber nicht unterdrücken.

Wer wollte es ihm verdenken Schließlich ist er nichtim Ausland, um sich die Beine zu vertreten. Sondern

die Republik.

Die Rennbahn in Wroclaw hat ihren großen Tag. An

allen Ecken und Enden Fahnen und Schlachtenbumm

ler. Sie wollen ihre Favoriten gewinnen sehen, und sie

lassen sich das vor den Totalisatoren schon einen

Zwanzig-Zloty-Schein kosten. Sie nehmen Platz oder

setzen auf den Sieg ihres Pferdes.

Auf »los « gehts los. Auch in Wroclaw. Allerdings heißt»los « hier »jazda « Bis zu diesem Grad müssen Roß

und Reiter die Landessprache beherrschen. Nach fünf

Rennen hat das Publikum eine hohe Meinung von der

Höflichkeit unserer Pferde, die den Siegerkranz fünfmal an

dern überließen. Das sechste Rennen bestreiten Monet und Fi

delio. Fidelio übernimmt die Rolle des Schrittmachers, schlägt

gleich eine harte Gangart an und zermürbt die Gegner. Monet

sieht sich die Sache lange vom letzten Platz an, aber als das

Ziel näher rückt, macht er sich auf die Socken und siegt vorzwei starken polnischen und zwei ungarischen Gegnern. Tri

umph, Applaus, gewonnen Wetterlage an den Toto-Schaltern:

Moneten für Monet

Siegerehrung. Das Zaumzeug von Monet wird mit der rotwei

ßen Siegerschleife geschmückt. Die DDR-Hymne ertönt. Ich

stehe dabei, gerührt, siegesbewußt, Stolz in der Brust. An die

sem Sieg habe auch ich meine schwerwiegende Aktie. Schließ

lich spielte ich im Stall eine tragende Rolle. Ich trug - erinnern

Sie sich? - einen Eimer Wasser für Monet.

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88

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Höher schneller weiter

Hans Krause

Nun bringt die Hausfrau wieder die Gefäße

aus Glas und Porzellan in Sicherheit.

Und in den Sesseln brüten die Gesäße

beim heißersehnten Fernsehdauerfight.

1

Herr Schultz begrüßt Europas harte Männer,

geht in den Tele-Clinch und simpelt fach.

Denn auch die weichen fühlen sich als Kenner

beim Bildschirmnahkampf unterm eignen Dach.

Man sitzt zu Haus in der neutralen Ecke

und führt bei einem Täßchen Tee Regie.

Man macht die einen innerlich zur Schnecke

und schenkt den andern seine Sympathie.

Man ist stets um zwei Conterschläge schlauer

und immer einen Uppercut voraus.

Man trifft gestochne Linke viel genauer

und wenn man punktet, punktet man gleich aus.

Trotz bester Kondition sind dann die Nerven\ nach ein paar Stunden meistens Häckerling.

Die teure Gattin muß das Handtuch werfen

und nimmt den Gatten kampflos aus dem Ring.

Noch im Pyjama tritt er vor den Spiegel

und meint: Wenn ich an deiner Stelle wär

Ein Blick der Hausfrau auf den Eisbeinhügel

hart unterm Brustbein - und er boxt nicht mehr

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Höher schneller weiter

Ralph Wiener

Die »Lauf-dich-gesund-Bewegung« war im vollen Gange. Alle

Bürger vom vierten bis zum vierundneunzigsten Lebensjahre

waren aufgefordert worden, am Sonntag früh um sieben zum

gemeinsamen Langstreckenlauf zu erscheinen.

»Die Sache hat etwas für sich«, sagte Herr Cornfeld und legte

rund um seinen Garten eine Aschenbahn an. Dann begann er

zu laufen. Jeden Morgen pünktlich um sieben zog er seine Krei

se. Er lief genau 1500 Meter. Keine besonders lange Strecke,aber es genügte. Die »Lauf-dich-gesund-Bewegung«wurde von

Herrn Comfeld beharrlich verwirklicht. Die verantwortlichenOrgane der Kreisstadt Polzau jedoch runzelten die Stirn.

»Was ist das für eine Art«, rief Bürgermeister Krone in einerStadtverordnetenversammlung aus. »Wir wollen uns alle in

einer modernen, gesundheitsfördernden Bewegung zusammen

schließen, wollen gemeinsam dokumentieren, wie positiv das

tägliche Laufen zu werten ist - und da läuft einer um seinen

Garten herum.«

»Individualist«, ertönte es aus der Versammlung.

»Außenseiter «

»Das soll gesund sein?«

Die Wellen der Empörung machten sich freien Lauf.Schließlich erhob sich der Redakteur der Kreiszeitung. »Mich

trifft dieser Vorfall am schwersten«, sagte er. »Was soll ich auf

unserer Sportbeilage berichten? Daß sich die >Lauf-dich-ge

sund-Bewegung< n den Garten des Herrn Comfeld verlagert

hat? Es ist schmerzlich genug, daß letzten Sonntag nur noch

zwei Teilnehmer zu unserem Lauf erschienen waren: ein Volks

korrespondent und unser Fotoreporter. Aber gegen solche

Entartungen, wie sie durch diesen Herrn Cornfeld praktiziert

werden, müssen wir entschieden vorgehen. Wenn wir etwasmachen, dann gemeinsam und öffentlieh «»Bravo « riefen die Stadtverordneten.

»Schluß mit der Geheimnistuerei im Sport«, befahl Kollege Jung

nickel. Dann schickte man eine Delegation zu Herrn Cornfeld.»Ich verstehe Sie nicht, meine Herren«, sagte der Gartensport

ler, »schließlich habe ich Ihren Aufruf genauestens befolgt. Ich

halte die Idee vom täglichen Laufen für sehr gut. Deshalb habeich ...«

9

Eine DDR-Sportle

rin zeigt ihrer Oma

auf dem Globus, wo

sie überall schongewesen ist. »Guck

mal, Oma, hier istAfrika. Und hier ist

Asien. Und hierwar ich auchschon, hier istAmerika.« Fragtdie Oma: »Und wo

ist die DDR?« Die

Enkeltochter zeigtes ihr: »Da, siehstdu, der klitzeklei

ne, winzige Punkt

hier, das ist dieDDR.« Da fragt die

Oma ungläubig:»Du, weiß das derHoneclier?«

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90 Höher schneller weiter

»Hören Sie zu«, unterbrach Sport-Sekretär Schilasky die Be

teuerungen. »Es geht nicht nur darum, daß Sie laufen. Wir wol

len über unsere >Lauf-dich-gesund-Bewegung< berichten. Anden Rat des Bezirkes und vielleicht noch höher. Verstehen Sie?«

Herr Cornfeld verstand nicht.

»Mann«, drängte Kollege Jungnickel, »wenn jeder für sich läuft,

davon haben wir nicht den geringsten Nutzen. Das spielt sich

im stillen ab. Was wir wollen, ist eine Massenbewegung, eine

Dokumentation der Volksgesundheit «

Aber da hatte Herr Cornfeld schon die Tür verschlossen.

»Irgendwas haben wir falsch gemacht«, sagte der Sport-Sekre

tä zu der übrigen Delegation, und KollegeWenn Cornfeld anerkannter DDR-Meister

wird, gibt das bei uns Großen Bahnhof

Jungnickel meinte, er wolle sich gelegent

lich etwas Besseres einfallen lassen.

Unterdessen lief Herr Comfeld treu und

brav seine Runden. Täglich 1500 Meter. Bei Wind und Wetter.Und von Woche zu Woche wurde er schneller.

So eifrig war er in sein tägliches Laufen vertieft, daß er gar

nicht merkte, wie sich der Vorsitzende der BSG Stahl, Sport

freund Weichleder, hinter einem Busch niederließ und interes

sehalber die Zeit stoppte, welche Herr Comfeld für die 1500Meter benötigte.

Nach Beendigung des Laufes blickte Weichleder auf die Uhr.

Seine Hand begann zu zittern. Schweiß stand auf seiner Stirn

Fiebernd vor Aufregung lief er zum Sportplatz der BSG, wogerade für die kommenden Bezirksmeisterschaften trainiertwurde.

»Das ist nicht möglich « rief er schon von weitem. »Das glaubt

ihr nicht, Leute. Seht auf meine Uhr « Die Sportfreunde umringten ihren Vorsitzenden. »Das braucht Comfeld für die 1500

Meter«, stammelte Weichleder. Freund Bachmann, ein erfahre

ner Leichtathletik-Trainer, blickte auf den noch zitternden Zeit-

messer.

»Das bedeutet Bezirksmeister«, sagte er.»Ein Bezirksmeister in Polzau«, rief Sportfreund Krause. »So

etwas hat es noch nicht gegeben «

»Wir stellen den Bezirksmeister « jubelten die Sportler.

Der Vorsitzende hob die Hand. »Moment « beschwichtigte er.

»Wir können den Bezirksmeister nicht stellen.«

»Warum nicht?« entgegneten die Sportler.

»Weil wir Herrn Cornfeld nicht melden können«, stellte Weich

leder fest. »Er gehört keiner BSG an.«

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Höher schneller weiter

»Aber er läuft die 1500 Meter in einer phantastischen Zeit « be

tonte Bachmann.

»Das schon«, stimmte Weichleder zu, »aber privat.«

Die Sportfreunde begriffen nicht.»Die Sache ist die«, erklärte der Vorsitzende, »um an einem

offiziellen Wettkampf teilzunehmen, muß man irgendwie organisiert, also Mitglied einer BSG sein. Herr Cornfeld läuft ledig

lich um seinen Garten herum. Wer soll den da vorschlagen?«

»Vielleicht die Kleingartensparte«, meinte Freund Krause.

Weichleder reckte sich empor. »Es bleibt nur ein Weg offen: Wrr

müssen diesen Herm Cornfeld überreden, unserer BSG beizu

treten.« Dann gingen sie zu Cornfeld.

»Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte der Gartensportler, »wol

len Sie, daß ich an irgendwelchen Meisterschaften teilnehme.

Das ist es gerade, was ich nicht will. Nichts verachte ich so sehr

wie eitlen Ruhm. Ich laufe, um mich gesund zu erhalten. Aufbilligen Lorbeer bin ich nicht erpicht.«

»Menschenskind«, raunte Weichleder, der sich kaum noch be

herrschen konnte, »z m erstenmal in der Geschichte des Sports

hat unser Polzau die Aussicht, einen Bezirksmeister zu stellen

- und das wollen Sie uns versauen?«

»Ich bitte Sie«, sagte Herr Cornfeld, »wir wollen doch etwas den

guten Ton wahren. Oder ist es bei uns so, daß jemand gegen

seinen Willen gezwungen werden kann, einer BSG beizutre

ten?«»Das nicht«, gab Weichleder kleinlaut zu und zog mit den Sport

freunden unverrichteterdinge ab.

Die Bezirksmeisterschaften lagen einige Wochen zurück, als es

in der BSG Stahl eine ungeheure Aufregung gab.

»Ich werde wahnsinnig « schrie Weichleder. »Es st nicht zu

fassen Heute früh habe ich Cornfelds Zeit gestoppt. Der Mann

läuft DDR-Rekord Ein DDR-Meister in Polzau «

In Windeseile verbreitete sich die Kunde.

»Stell dir vor«, sagte Trainer Bachmann zu seiner Frau, »dieserCornfeld läuft DDR-Rekord. Wenn wir den in unsere BSG krie

gen, geht es mit uns allen bergauf. Ich, Trainer Bachmann.habe ihn so weit gebracht, wird es heißen. Das bedeutet, ich

werde vielleicht zentraler Verbandstrainer Na, und unser Bür

germeister erst Wenn Cornfeld anerkannter DDR-Meister ist,

gibt das in Polzau einen Großen Bahnhof. Der Bürgermeisterhält die Willkommensrede. Weißt du, was das bedeutet? Wrr

alle klettern eine Treppe rauf «

- ... ...

- -

91

J

))Ist gut, wir glauben es

Ihnen ja «

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92

. . kann man f st

damit rechnen daß sich

jedermann entgegen-

kommend zeigt <<

Höher schneller weiter

»Aber nicht, solange der in seinem Garten rumläuft«, schränk

te Erna Bachmann ein.

»Da hast du recht«, gab der Trainer ernüchtert zu und versank

in angestrengtes Grübeln.

Eine Woche später berief der Kreisausschuß für Kultur, Bildung

und Sport eine Sondersitzung ein, zu welcher Herr Comfeld ein

geladen wurde.»Meister Cornfeld«, sagte Kollege Jungnickel, »durch unermüd

liches Training haben Sie den bisherigen DDR-Rekord im 1500-

Meterlauf eingestellt. Die Kreisstadt Polzau ist stolz auf Sie

Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß Ihnen

die Ehrenmitgliedschaft in der BSG

Stahl verliehen wurde und sie zu den

DDR-Meisterschaften nach Leipzig

delegiert werden.« .

Max Cornfeld lächelte einfältig. »IhreEntscheidung in allen Ehren«, erwi

derte er, »aber erstens nehme ich die

Ehrenmitgliedschaft nicht an, und

zweitens nehme ich prinzipiell an kei

nen Meisterschaften teil. Jeglicher

Ruhm ist mir zuwider.«

Kollege Jungnickel und Sekretär Schi

lasky nahmen infolge restloser Er

schöpfung ihren Jahresurlaub.Als sie zurück waren, lief Max Corn

feld Europarekord.»Dieser Gartensportler bringt uns alle

ins Irrenhaus«, schnauzte Bürgermeister Krone. »Wie könnten

wir dastehen Aber von jetzt ab weht ein anderer Wind: Er soll

sehen, wohin Eigenbrötelei führt Das Kollektiv der Stadt wendet sich von ihm ab.«

Das war für Herrn Cornfeld zuviel.

Er schwor den Polzauern bittere Rache und zog nach Wilkenau, einem Ort, der über dreihundert Kilometer von Polzau ent

fernt war.

Kurze Zeit später erschien eine Meldung in sämtlichen Zeitun

gen: »Max Comfeld, Mitglied der BSG Aufbau in Wilkenau, lief

bei den Olympischen Spielen im 1500-Meterlauf Weltrekord.«

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9

>>Und wenn du tausend-

mal Herzchirurg bist:Hör endlich auf dir

andauernd Notizen zu

machen <<

Unter vier ugen

Hansjoachim Riegenring

i ll r r r

Das Mädchen saß uns gegenüber und lächelte aus einem uns

unbekannten Grunde vor sich hin.

»Hübsch nicht?« sagte mein Freund Eduard.»Hm.«

»Diese Haare.«

»Hmhm.«

»Bestimmt hat sie grüne Augen.«

»Möglich.«

· -

»Und wie sie lächelt «

»Aber der Rock ist etwas zu lang.«

»Eine Frau, die so lächelt, braucht kei-

nen Minirock.«»Das stimmt«, gab ich zu.

»Sicher eine Ausländerin.«

»Wie kommst du darauf?«

»Ich habe einen Blick dafür.«

»Angeber.«

»Brauchst sie ja nur zu fragen.«

»Frag doch selbst.«

»In Ordnung« nickte Eduard. »Ich gehe

jetzt hin und frage, ob ich sie zu einemSpaziergang einladen darf.«

»Haha.«__ »Traust du dich etwa?«

»Natürlich. Aber ich mache das nicht so

plump. Ich sage etwa: Guten Tag meine

Dame gestatten Sie daß ich mich zu

Ihnen setze, ohne Ihnen nahezutreten?«

»Habe ich mir gedacht«, schmollte Eduard, »daß du es wieder

auf die Witzige versuchst.«»Sehen Sie werde ich weiter sagen, ich bin ein Mann der ...«

»Bedaure mein Herr« flötete Eduard mit Frauenstimme, »er-

stens lege ich keinen Wert auf Ihre Bekanntschaft, und zwei-

tens mache ich mir nichts aus Männern.«

»Darauf werde ich antworten: Das trifft sich gut. Ich auchnicht.«

»Weiß schon« seufzte Eduard, »dann muß sie lachen, und du

hast gewonnen. Aber eine Chance mußt du mir auch geben.«

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Unter vie   ugen

»Ist gemacht. Sie nimmt also deine Einladung zu einem Spa-•

z1ergang an.«

»Danke. Ich frage, wohin sie gehen möchte, und sie sagt: Zum

Fernsehturm.«

»Meinst du?«

»Ja. Weil sie nämlich im Turmrestaurant Kaffee trinken will.«

»Interessant. Bin gespannt, wie du reagierst.«»Ich sage: Dafür ist es noch zu früh, mein Fräulein. Aber wenn

Sie nichts dagegen haben, leiste ich Ihnen bis zur Eröffnung

Gesellschaft.« Er zwinkerte mir listig zu. »Das ist etwa in einem

dreiviertel Jahr «

»Donnerwetter«, rief ich ehrlich erstaunt, »was sind wir heute

raffiniert und schlagfertig Was machst du n11n mit ihr?«

»Ich werde sie zum Tanzen auffordern«, sagte Eduard.

»Sie kann gar nicht tanzen.«

»Sie hat dir wohl einen Korb gegeben?«»So geht es nicht«, protestierte ich. »Wir müssen uns einigen.

Entweder sie kann tanzen oder nicht.«

»Sie kann nicht«, gab Eduard nach. »Bist du wenigstens damit

einverstanden, daß sie einen netten kleinen Schwips hat?«

»Einverstanden.«

»Gut. Eine Taxe fährt vor. Wrr steigen ein. Sie lehnt sich an

mich. Meine Hand legt sich auf ihre ... «

»Nun komm«, bremste ich, »laß mich auch mal ein Stück mit

der Dame fahren Sie lehnt sich an mich mit glücklichem Lä-cheln ...«

»Das habe ich vergessen«, sagte Eduard bedauernd.

»Ich streichle ihre Haare, ihren Nacken, ihren Hals, ihren ... «

»Ich weiß«, winkte Eduard ab, »du warst immer schon mutiger

als ich. Das letzte Stück gehen wir natürlich zu Fuß. Was hältst

du davon, daß sie übermütig die Schuhe wegschleudert?«

»Das machen viele. Nein, sie verdreht beim Gehen die Füße

ganz nach innen und fragt, ob ihr das gut steht.«

»Aha. Das kannte ich noch nicht.«

»Wrr kommen an die Haustür. Sie sieht mich lange an. Legt die

Arme um meinen Hals. Und dann ...«

»Ein Kuß.« Eduard schloß mit glücklichem Lächeln die Augen.

»Ein Kuß«, flüsterte ich, »ein langer heißer Kuß.«

Eduard boxte mich in die Seite. »Uns kann so leicht keine Frau

widerstehen, was?«

»Völlig unmöglich«, grinste ich. Dann standen wir auf und gin-

gen. An dem Mädchen vorbei.

9

Es lebe der Fernseh

turm mit Walter

llibricht an der

Spitze

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96 Unter vier ugen

Lothar Kusche

Man kann das Telefon für ein Instrument zur Vermittlung wich

tiger persönlicher Nachrichten halten man kann es aber auch

wie ein Spielzeug zur privaten Massenkommunikation handhaben und eben dies tut meine Freundin Natalie mit Leidenschaft.

Ich trete unverhofft in die Wohnung, den Hut noch auf dem

Kopf, weil der Nagel, da ich ihn selber eingeschlagen habe

längst aus der Wand gefallen ist werde mit der Andeutung

eines Kopfnickens begrüßt und höre: »Na, du alte Tüte; jetztversuch ich es schon zum vierhundertsten Mal. Was machen

denn die Kinder? So. Hm. Da geht das Fieber meistens genau

so schnell weg, wie es kommt. -Ach der ist gestorben? Na so

was. - Nu paß mal auf. Die neueste Super-Schote. Meinhard

D. Eb ·ttl ·i K lt Dippel ist rausgeschmissen worden. Ja, raus-  e r sensuppe m erwe1 e zur a - . .

h 1 t t bl· kt b t bt . f geschmissen. Er hat sich an der Portokasse

sc a e ers arr c e ru zu mir au . griff I h ßt · d ußt · kver en. c wu eesJa asm eJa om-

men, er hatte schon immer diese knallbunten Schlipse ... waskocht bei dir über? - Na gut ich wollte dir das bloß mal erzählen. Tschöh. «

Inzwischen ist mir eingefallen daß ich meinen Hut auf den

gipsernen Franz Liszt plazieren kann der als Erbstück die

obere Seite unseres Klaviers ziert und ich will soeben einehöfliche Frage das Mittagessen betreffend in den Raum glei

ten lassen aber Natalies rastlose Telefonfinger sind schon wie

der mit dem Wählen beschäftigt.»Hier bin ich Rufe schon seit Tagen an. Sitzt ihr auf den Ohren?

Sag mal, du kanntest doch Dippel, nicht? Meinhard Dippel -

Ja, genau den meine ich. Nun stell dir mal vor, der war doch

bei Schneusenheim angestellt bei dieser Bude die solcheDingspieperichverschlüsse machen oder so was. Und nun haben

sie ihn gefeuert verstehst du? Er ist zackig auf die Straße geflogen wie ein altes Fensterleder weil er Briefmarken geklauthat. Doll, wa? - Ja  meinem Alten gehts soweit gut der steht

hier rum und glotzt. -Also bis später dann. Grüß dich. Ja, denauch.«

Ich benutze die Pause um tief durchzuatmen doch schon wird

der nächste Partner drahtlos angesprochen.»Ich dachte schon euch gibts gar nicht mehr. - Ja, ja. - Also

ganz kurz. Dippels Meinhard hat seine dreckigen Finger etwas

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Unter vier ugen

zu tief in die Portokasse gesteckt, und darauflrin hat ihm der

alte Schneusenheim empfohlen, sich zu empfehlen. Dippel,

nicht Schneusenheim. Er liegt auf der Straße. Fristlos entlas

sen. Dippel, Mensch Nicht Schneusenheim. Dem seine Brief

marken waren es ja. Bis nachher «

Ich nehme im Sessel Platz, vorsichtig, weil der Sessel alt ist

und zuweilen knarrt wie alte Sessel und Menschen das an sichhaben. »Natalie«, hauche ich, und ein liebenswürdiges »Nu

warte doch mal einen Moment, du Affe« beglückt mich.

Dann werden Erna, Susanne, Jutta, Berta und die andere Jutta

darüber verständigt, daß Meinhard Dippel wegen Veruntreuung

von Portogeldem entlassen worden ist, was Natalie ganz genau

weiß, weil ihr die Dippeln, also Meinhards Frau Beate, dies per

sönlich gestanden hat.

Kaum sind zwei Stunden vergan

gen, da steht schon die nur nochwenig dampfende Erbsensuppe

(»den Inhalt des Beutels mit dem

Schneebesen in lauwarmes Wasser

einrühren, z11m Kochen bringen und

auf kleiner Flamme ca. 10 Min.

garen lassen«) auf dem Tisch. Ich

erhebe den Löffel, um ihn in die de

likate Speise zu versenken - da

klingelt das Telefon.

Dippels Gattin Beate spricht. Da ihr

Familienkrach verklungen ist, tut es

ihr leid, daß sie Meinhards Verbre

chen publik gemacht hat, und sie

bittet Natalie, die Schandtat des

Portokassenräubers unverzüglich

•• •

•.;:;- .

. . . •

.  TfLEF0Niß9 Hf

Wro<AUFTRAGE....__...  14)

·

zu vergessen und niemanden davon in Kenntnis zu setzen.

Natalie: »Na, glaubst du wirklich, ein Wort wäre über meine Lip-

pen ...? Elfie hab ichs wohl gesagt, aber ich wußte doch nicht,

daß ... Na, nu halt mal, die Luft an - Irene sagt bestimmt nichtsweiter Gut, ich sage denen, daß sie nichts sagen sollen. Aber

höre mal Auf mich kannst du dich hochprozentig verlassen. -

Wie gehts sonst? Na, denn gehab dich mal.«

Die Erbsensuppe, mittlerweile zur Kaltschale erstarrt, blickt

betrübt zu mir auf.

Eine neue Amtsperiode der Fernspruchkammer beginnt, zum

zweiten Male wird das Fernsprechbuch durchgearbeitet. Elfie,

9

._.•,

Bei dem Personalman-

gel kann man ruhig mal

einen Mann ranlassen «

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. • \ i i e C S f : i A t i t i C me. ' l ·4i : W •„ ....... *I ' ~ • •

60JahreInternationaler

}irauentag

Dort kämpfer1 "wo das

Ich bin d m l ~ wirklich nur g e k o n ; m e ~ . ::m dir den Abschiedskuß zu ge en.

Kn i rp •.. der

liegen

Bitte um Abholung.

tlt

• 8. März 1970

t

Leben ist.Clara Zetkin

Die sowjetische Führung beschließt, ihrem Volk

1im Fernsehen Striptease zu zeigen. Als es so

weit ist, fragt der Chefideologe. »Und, ist die

Frau, die sichjetzt Millionen Sowjetbürgern

nackt zeigen wird, auch ihrer Aufgabe gewach-sen?« - »Aber ja, Genosse«, sagt Breshnew, »Sie

ist ein zuverlässige Genossin und hat ihr Parteibuch seit 1916.«

Daran lst efndeutfar zu erkennen.da8 umere Mädchen an der SPitze\Vie In der Brette stlrker aewnrd@"slncl Der war daran durchn __ 19 'A• .. - - - -- • --.i-- -

\ \1 KAlfl lt uTC o J 4r

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ICH LI G HIT

Z/E6E.NPETEI

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1

Zu Hause sagt Wal

ter llibricht zu

Lotte: »Lotte, gehmal i1m den Tischherum.« Lotte:»Was soll denn

das?« Walter:Nun

mach mal. Und zieh

dabei langsam , ·,>

deine Blus'e u :1<>·

Sie zieht die Bluse·aus. »Und nun laßmal deinen Rockfallen.« So geht dasimmer weiter, bisLotte entkleidet da

steht. Da sinniertWalter: »Lotte, ich

kann einfach nichtverstehen, was die .Kapitalisten . n  : i. {<',;

Striptease so toll ;finden.«

Unter vier ugen

Johannes Conrad

11torviow tit oi1t Ht

Reporterin: Woran denken Sie, Herr Kabbel, wenn Sie das Wort

Frauentag hören?Kabbel: Frauentag? Nun, das ist eben der Frauentag. Der in

ternationale Frauentag, nicht wahr. Das müßten Sie doch

wissen. Ist das nicht der sechste März?

Reporterin: Der achte

Kabbel: Richtig, der achte. Ich habe das jetzt mit dem Geburts-

tag von Hans Sachs verwechselt.

Reporterin: Hans Sachs? Wurde der nicht am 5. November ge-

boren?

Kabbel: Ich sagte ja, ich habe das verwechselt.

Reporterin: Gut Also, woran denken Sie bei Frauentag?Kabbel: Nun, an den achten März eben Er wurde zu Ehren der

Frauen im internationalen Maßstab von uns Männern er

kämpft, nicht wahr. Sozusagen ist er ein fortschrittlicher Eh

rentag. Auch für meine Frau.

Reporterin: Wie werden Sie den achten März begehen?

Kabbel: Ich weiß doch jetzt noch nicht, wie ich den achten

März begehe. Das weiß doch kein Mensch Wenn ich nicht

krank bin, werde ich sicherlich schuften. Meine Frau wird

auch arbeiten.Reporterin: Dann nehmen wir den achten März des vergange-

nen Jahres. Haben Sie da Ihrer Frau eine besondere Freude

gemacht?

Kabbel: Wenn ich Sie nun fragen würde, was Sie beispielswei-

se Ihrem Mann am 26. Juli für eine besondere Freude ge

macht haben, hähä

Reporterin: Aber der Frauentag ist doch ein besonderer Tag

Kabbel: Nun ja, für meine Frau eben. Der internationale Frau-

entag eben. Das haben wir ja erkämpft, nicht wahr. Er ist einEhren ...

Reporterin: Dann will ich mal direkt fragen: Schenken Sie Ihrer

Frau am Frauentag nicht wenigstens Blumen?

Kabbel: Blumen? Die bekommt sie doch im Betrieb

Reporterin: Sie schenken Ihrer Frau also nicht einmal Blumen?

Kabbel: Aber natürlich doch Zum Geburtstag kriegt sie meist

welche.

Reporterin: Und den Frauentag feiern Sie nicht?

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Unter vier ugen

Kabbel: Ich bin doch keine Frau, hähä. Bei Feiern fällt mir ein:

Wir Männer haben am letzten Frauentag die Frauen unseres

Betriebes in der Kantine bedient. Dabei trugen wir weiße

Tändelschürzchen, hähä. Sogar unser BGL-Vorsitzender Das

werden wirwohl in diesem Jahr wieder tun. Jetzt weiß ich es

wieder, weil ich am nächsten Morgen diese außerordent-

lichen Kopfschmerzen hatte.

Reporterin: Außerordentliche Kopfschmerzen?

Kabbel: Nun, das Ehrenbedienungspersonal hat sich nach der

Anstrengung noch auf einen kleinen Umtrunk begeben. Ver

dientermaßen sozusagen, nicht wahr.

Reporterin: Und die Frauen?

Kabbel: Die sind natürlich nach Hause geganqen. Wir konnten

doch nicht mit den Kolleginnen losziehen. Was hätten da unsere lieben Gattinnen gesagt

Reporterin: Wo waren denn Ihre lieben Gattinnen?

Kabbel: Die waren auch zu Hause. Wir konnten sie doch nicht

an ihrem Ehrentag auf diese dumme Sauftour mitnehmen

Reporterin: Dann wünschen wir Ihnen auch für dieses Jahr die

außerordentlichen Kopfschmerzen, Herr Kabbel Und ein hef

tiges Dankeschön für Ihre aufschlußreichen Worte

101

>Na und? Du si hst mich

doch sowieso nur von die-

ser Seite «

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1 2

Erwin F B Albrecht

or t o ~ä orl

Unter vier Augen

OSOH

»Du vertrottelst immer mehr, Otto«, stellten meine Skatkum

pane im »Blauen Affen« zu Pinneleben eines Abends fest undfuhren mit verteilten Rollen fort: »Schon wieder haste dir statt

ner Krawatte den Gürtel von deinem Bademantel um den Halsgewürgt.« - »Es wird wirklich Zeit, daß de heiratest Mann.

Brauchst doch nur die Null-null zu wählen.«

Nun, mir war wohlbekannt daß bei uns in Pinneleben über die

Null-null die probeweise eingerichtete Eheanbahnung der Deut

schen Post zu erreichen war. Ebenso wußte ich daß unser

Fernmeldeamt bei der Vermittlung von Ehen bereits mehr Er

folge aufzuweisen hatte als bei der Vermittlung von Ferngesprächen. Ich überwand also meine notorische Schüchternheit und

wählte andertags die Null-null.

»Eheanbahnung Platz 17. Tante Kornelia«, meldete sich eine

E.

1h F h tt . h . . nicht unflotte Amselstimme. Die Namensnennung

1ne so c e rau a e 1c 1n meiner .. hatte man eingefuhrt um den Verhandlungen

Schulzeit gesehen, auf dem Rummel, . . t· h · h Ch akt 1 ih di. . emen m 1msp ansc en ar er zu ver e en, eals Herkul1ssa, das Urwaldwe1b. B . h T t . d d. t d 111 i..eze1c nung » .an e« wie erum 1en e er vvGU1-

rung der gebotenen Distanz zwischen Amtsperson und Heirats

wütigen.»Gut, rufen Sie morgen wieder an und verlangen Sie Tante Kor

nelia«, schloß Tante Kornelia die Aufnahme meines Antrags.

Mit Hochspannung geladen rief ich wieder an. »Ihr Fall liegt

nicht sehr schwierig lieber Eheanwärter« sagte die Amsel

stimme. »Unser Computer hat für Sie die günstigsten Erfolgs

chancen in Form eines Besuches im >Alten Walzerhaus< in

Berlin errechnet. Es gibt dort einen Tischfernsehfunk und

sonnabends ist >Verkehrter Ball<, der verhilft auch dem Ver

klemmtesten zur Braut.«Ich fuhr nach Berlin. Eben hatte ich im »Alten Walzerhaus« bei

dem mindestens ebenso alten Ober ein Pils bestellt und kon

statierte gerade daß die erschienene mehr als reife Jugend wie

montags für den Filmfreund ausgewählt aussah als mein Tisch

fernseher klingelte. Ich stellte auf Empfang und hörte: »Schö

ner Mann Ihre Glatze stört mich nicht denn Ihr Mollenfried

hof strahlt soviel Wärme aus. Sie müssen der Meine werden.«

Schön und gut aber wie sah sie aus? Das Organ klang nach

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Unter vier ugen

Adele Sandrock mit einem Schuß Louis Armstrong. »Ich bin

eine noch unverbrauchte Schlächtermeisterswitwe, zart wie

Schabefleisch, aber ich weiß, was ich will. Versuchen Sie also

nicht, mir zu entrinnen. Alle Ausgänge sind von meinen ehe

maligen Klotzgesellen besetzt. Und nun bitte ich um den näch

sten Tanz ich habe den Kokswalzer für uns bestellt.« Richtigsetzte die Drei-Opas-Band mit »Mutter der Mann mitn Koks is

da« ein - da kam auch das Bild. Es zeigte Tisch Nr. 9 und eine

Dame daran, die ich so ähnlich schon mal in

1 3

dem Rummel. Als Herkulissa, das Urwaldweib ~ e f e e c ~ t w;„/J 1 1 < 4 . r ~ l f lt ·

das m t Männern jonglierte. Jetzt erhob sie sich y c>zu einer Länge, die sie zur Alpinistin prädesti-   ' '

nierte. Ein Klimmzug und sie war oben auf dem

Matterhorn. Und nun kam die Schlächterin

näher, l1m mich als willenlosen Kalbsbraten auf

das Parkett zu schleifen.Da sprang ich auf, hechtete durch ein offenes

Saalfenster, landete in einem Gebirge ausge

fegter Papierschlangen und fuhr wieder nach

Hause, um mich zu beschweren.

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte die Amselstim

me »wir haben inzwischen den Fehler auch

schon bemerkt. Sie sollten nicht zum >Alten

Walzerhaus< sondern Sie müssen sich am nächsten Heiratswunschkonzert bei Radio DDR

3. Programm beteiligen. Ich wünsche vollen

Erfolg.«

Knapp einen Monat später hielt ich einen Brief in der Hand den

ich immer wieder las. >>Lieber alter Strolch Wie freue ich mich

daß uns das Radio wieder zusammenführt Weißt Du noch, wie

wir als echte Berliner Rotznasen den Müggelsee unsicher

machten und wie Du verrückt nach meinem Pferdeschwanz

warst? Ich bin seit zehn Jahren als erfolgreiche Tapetenkunst-schaffende tätig, fühle mich aber in meinem Landhaus auf dem

Weißen Hirsch so allein. Was hat Dich den begabten Apothe-

ker, nach Pinneberg verschlagen? Du sollst mir die Stadt zei-

gen und ich möchte Dich dieserhalb mit meinem Wolga besu-

chen. Vielleicht blüht uns beiden ein spätes Glück? Wann darf

ich kommen? Immer Deine Ingelore.«

Der Wolga kam, ich sah, sie siegte. Zwar war Ilo für meinenGeschmack ein wenig zu dünn, zu bunt, zu mini - aber na,

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104

- ~ . . . . . . . . . . . . . - = - - - - . . . . . . _,,. .

. ·j ; .

Warum gibt es - <

in der DDR keine

staatlich geregelte Familien-

·. planung?•. Die erforderlichen·, ·. · 

Produktionsmittelligen immer nochin privater Hand.

Unter vier ugen

sagte ich mir, man muß sich an neue Tapeten eben erst gewöh

nen.Ich zeigte der Jugendfreundin unsere Sehenswürdigkeiten, das

Geburtshaus des bekannten Lyrikers Arthur Müller-Pinnele

ben und das Sterbehaus von August Leberecht Knobel, dem Er

finder der Knobelbecher. Schließlich schliefen wir im Hotel

»Stadt Pinneleben«, Zimmer 8 und 9.

Am nächsten Morgen war meine Zukünftige weg. Auf meinemNachttisch lag ein Zettel. »Strolchi Sei nicht böse, aber ich

konnte Dir doch nicht sagen, daß ich noch zwei andere Anwärter testen muß, die ich in die engere Wahl gezogen habe, einen

Ingenieur aus Rostock und einen Oberlehrer aus Greifswald.Nachdem die beiden mir ihre Städte gezeigt haben, werde ich

mich entscheiden. Wenn sie nicht mehr aufweisen als Du mit

Deinem ausgesprochenen Murmeltier-Temperament, komme

ich auf Dich zurück Küßchen Ingelore.«

Noch vom Hotel aus wählte ich die Null-null, um mich über die

neue, falsche Verbindung zu beschweren. Mit einem beachtli

chen Prozentsatz Krähe in der Amselstimme erklärte Tante

Kornelia: »Mein Gott, Sie haben auch immer was zu meckern

Schließlich sind wir doch ein Probebetrieb.«

Ich aber war nun nicht mehr zu halten. Vor vier Wochen habe

ich geheiratet. Na, wen schon Die Amselstimme mit dem Pro

zentsatz Krähe und sonstigem Zubehör, das man treffend eine

dufte Serpentine nennen könnte: Kurve an Kurve. Und bei unserm ersten Waldspaziergang hat Kornelia gestanden: »Es war

uns doch erlaubt, nach Feierabend die Elektronenanlage für

uns selbst zu benutzen. Und da hat der Computer mir geraten,

ihn bei der Bearbeitung Ihres Antrags zweimal falsch zu füt

tern, so daß ich statt Ihrer Daten die von einem alten, auf ein

Abenteuer scharfen Hafenkapitän und das andere Mal von

einem jungen Innendekorateur einspeiste. Dann wurde ich auf

Geheiß des Computers Ihre Kundin ... «

» .. um Krügerolbonbons und Spalttabletten zu kaufen, obwohlSie nicht mal'n Bandwurm haben, bloß um mich zu schnappen«,

rief ich glücklich, »bis mein Gespür sich nicht mehr bremsen

ließ und ich Sie als Platz 17 erkannte.«

Zehn Minuten später waren wir verlobt, und meine frischeBraut nahm mich mit nach Hause, um mir ihre sechs munte

ren Kinderchen vorzustellen. Denn Tante Kornelia war schonmal. Aber schuldlos geschieden. Die lieben Rangen heißen Ala

rich, Beowulf, Cäcilie, Desdemona, Epaminodos und Feodosia.

Doch vor Quinctilius möchte Kornelia nicht aufhören, sie fin-

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Unter vier ugen

det den Namen so schön. Von mir aus machen wir auch bis Za-

charios durch, ich schrecke vor nichts mehr zurück, denn das

mit dem Murmeltier laß ich mir nicht noch einmal sagen.

In acht Monaten erwarten wir den Buchstaben G Gregorius

oder Geraldine. Und vorige Woche meinte Kornelia: »Es wird

nun auch langsam Zeit Otto daß du dich von deinen Kneip-

kollegen trennst. Du vertrottelst immer mehr. Als du gestern

zu deinem Bierlachs gingst, haste dir statt ner Krawatte den

Gürtel von deinem alten Bademantel um den Hals gehängt.«

Seitdem gehe ich nicht mehr zum Skat, sondern studiere Elek-

tronik. Außerdem habe ich für meine Freizeit eine produktive

Nebenbeschäftigung übernommen. Als Aushilfe bei unserm

Fernmeldeamt. Und wenn ein an unserer Damenkollektion mit

dem ständigen Eingang von Neuheiten interessierter Postkunde einmal unsere Null-null wählen sollte, kann er unter Um-

ständen meine pappihaft strahlende Stimme hören: »Hier Ehe-

anbahnung Platz 18, Onkel Otto.«

oosio

Da war ich jung

Du hast mir Verse vorgelesen

Von mir

hast du gesagt

ich hab's geglaubt

Was bin ich damals

für ein dummes Ding gewesen

Ich hab ir dies und das

und noch viel mehr erlaubt

Heut weiß ich längst

die Verse warn von Heine

und du ein Schuft

Mein Gott

bin ich allein

Das BUCH DER LIEDER

träumt

im Lampenscheine

Könnt ich nur einmal noch

wie früher

dämlich sein

KT aus öckel

1 5

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1 6 Unter vier A u ~ e n

Ernst Röhl•

••ospr e

Mensch, Habersack, alte Pfeife Gibts dich auch noch

Aber in alter Frische.

Und was trinkst du?

Wie früher.

Otto, zwei Pils, zwei Spezi

Na, wie siehts aus, was machen Frau und Kinder?

f - , „ ' . , - • -- --/• - r _ - -• f> t • • - ......... /· (

' '

Keine Ahnung, lange nicht gesehn.

___ _ _   _ ·- 1 · 

Wieso? Bist du nich mehr verheiratet?

Theoretisch ja. Aber ich leb nich mehr mit

der Alten zusammen. Und wie gehts Hilde?Von der bin ich geschieden. Ging einfach

nich mehr. Von morgens bis abends das Gemecker: Du hast die Wahl - entweder der

lt1

'

--

_-r- 1

\

„,. , .. 'I -./

ale bloß ni ht den

Teufel an die Wand <<

1

1

l•1•1

Schnaps oder wir

Und?

Da is mir die Wahl nich schwergefallen. Na,

erst mal Prost, alter Hund Prost, Haber

sack

Und du? Immer noch in der Kfz-Bude?

Schon lange nich mehr. Hat mir nich mehr

gefallen mit der Zeit. Bin zum Schlachthofrüber.

Was denn, du als gelernter Schlosser?

Den Beruf konnte ich dann nich mehr aus

üben. Vom Schlachthof bin ich rüber zum

Kohlehandel.

Warum denn das?

Hat mir nich mehr gefallen. Beim Kohlehandel hab ich auch

bald in den Sack gehaun. Dann Kartoffeln ausgeladen, Möbel

getragen und momentan bin ich bei der Schädlingsbekämpfung. Nagervertilgung, wenn dus ganz genau wissen willst. Ich

bin auf einer Stelle immer bloß so lange geblieben, bis mjrs nich

mehr gefallen hat. Aus Prinzip.

Und wann hats dir nich mehr gefallen?

Immer wenn der Lohnpfändungsbeschluß eintrudelte.

Mann, da gehts dir genau wie mjr. Prost

Zum Wohl, Habersack Otto, noch mal zwei Pils, zwei Spezi.

Ich hab auchn Haufen Stellen hinter mir. Sieht ja nich gut aus

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Unter vier ugen

im Arbeitsbuch, aber mach was. Hilde hat sich natürlich gleich

hinters Gericht geklemmt. Vor der Hochzeit die große Liebe,

nach der Scheidung Paragraph 141. Zahlemann und Söhne. Ich

kenn die Weiber, mein Lieber. Aber erst müssen se Vatem malzu fassen kriegen.

Hast du eigentlich wieder was von dem Schimmelpfennig ge

hört?

Allerdings. Von dem nimmt kein Hund mehr ein Stück Brot.

Wieso?

Der sitzt ...••

Mach kein Arger

Wollte ja immer hoch hinaus. Zuletzt war er Buchhalter. Hab

mir gleich gedacht, daß das nich gut geht.

Weißte, was der füm Ding gedreht hat?

Na?

Zweitausend Eier unterschlagen.

Das Saustück Schimmelpfennig ein Krimineller Da kannste

mal sehn. Mal ehrlich, das hätte ich ihm doch nich zugetraut.

Nee, ich auch nich.

Sag mal, warum glotzt du andauernd so dußlig zur Tür?

Reine Notwehr

Versteh ich nich.

Meine Frau hat mal zu mir gesagt: Wo du hingehst, da will

auch ich hingehn. Stell dir vor, die findet mich

Haste viel Rückstand?Na ja, mittel. Höchstens zweieinhalb Mille.

Genau wie ich. Na denn, prost

Prost, Habersack

Eins will ich dir sagen - man muß im Leben konsequent sein.

Konsequent, das ist das Wichtigste. Ich hänge mit der Miete.

Mir hamse Strom und Gas abgedreht. Die Raten füm Fernse

her sind überfällig. Und jetzt frage ich dich - soll ich ausge

rechnet bei den Alimenten anfangen? Is das konsequent? Na,

sag mal selbstMeine Alte tut so, als wärse wer weiß wie arm. Dabei hatse

erst vergangenen Herbst ihm Meister gemacht. Weiß doch

jeder, was solche Leute nach Hause bringen. Verlogen is das

Aas, du glaubst es nich.Was hab ich gepredigt damals: Vorsicht

is die Mutter der Porzellankiste, hab ich gesagt. Wo ne Pille

is, is auch ein Weg. Aber nee - ihr Kinderlein kommet Nu

stehtse da. Tja, wer nich hören will muß fühlen. Und ich würde

ja zahlen, kannste glauben. Wennse mir nich so fürchterlich un-

1 7

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1 8

>>Endlich haben wir sie

soweit und jetzt wirdwieder Naturfarbe mo-

dern <<

Unter vier Augen

sympathisch wär Aber die is mir zuwider, das kann sich kei-

ner vorstellen. Wo se geht und steh denktse nur ans Geld. Mir

tun bloß die armen Kinder leid.

Laß den Kopf nich hängen, Junge Prost

Prost, Habersack Na ja, ich hab ne ziemlich kaputte Leber.

Wenn mirs zu bunt wird, laß ich mich auf Rente setzen.Da mußte aber viel Schwein haben. Da lassense unsereins nich

so schnell ran.

Wenn ich damit nich durchkomme, verzieh ich mich einfach.

Nach Leipzig oder Dresden. Mal sehn. Wohin der Wind uns

weht.

Du bist schön blöd. Irgendwann schnappense dich auch da.

Aber wie soll ich denn sonst untertauchen, Habersack?

Machs wie ich Ich hab wieder geheiratet.

Na und?

Ich habe den Namen von meiner Frau angenommen. Gestatten- Lehmann, geborener Habersack

ortseAritt

Es war einmal ein Känguruh,

das nähte seine Tasche zu

und sagte stolz zu seiner Sippe:»Mein Sohn geht in die

Kinderkrippe.«

Klaus ettke

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11

11 .

;

_·-····--·-····--·-- /I /, ,

. 1

o wir sind ist vorn

Ralph Wiener

t rt tit

Der Zug setzte sich in Bewegung. Erst stockend dann zügiger.Bäume flogen vorbei vereinzelte Häuser Gartenzäune und

plötzlich ein langes riesiges Transparent:Wir Eisenbahner begrüßen stürmisch die Konferenz zur breiteren

Entfaltung des umfassenden ufbaus der Produktivkräfte und st

dies ein weiteres Bollwerk bei der Festigung ...Mehr konnte man nicht lesen denn der Zug fuhr

schnell und das Transparent drohte auf Nimmer

wiedersehen zu entschwinden. Aber da hatte es

nicht mit Herm Lilienstein gerechnet der geistes-gegenwärtig aufsprang und die Notbremse zog.

Es gab ein ohrenbetäubendes Knirschen der Zug

verringerte seine Geschwindigkeit bis er schließlich stand. Herr Lilienstein sprang aus dem Wagen

und lief zurück in Richtung Transparent.Als das Zugbegleitpersonal Herrn Lilienstein zu

rückgeholt hatte schrie der Schaffner den Ausreißer an: »Warum haben Sie die Notbremse gezogen?«

- »Wegen des Transparentes« verkündete Herr Li

lienstein mit ruhiger Stimme. »Wegen was?«

Der Frevler holte zu einer näheren Erklärung aus:»Als ich vorhin durch die Scheibe sah fiel mir ein

Transparent ins Auge. Ich konnte nicht mehr lesenbei welcher Festigung die Konferenz ein Bollwerk

sein sollte und da habe ich ...« - »Da haben Sie die Notbrem

se gezogen?« schrie der Schaffner und schlug die Hände über

dem Kopf zusammen.»Das mußte ich jawohl tun« sagte Herr Lilienstein. »Sehen Sie

Herr Schaffner da haben sich die Eisenbahner soviel Mühe ge

geben und eine Losung an der Bahnlinie aufgestellt. Ich findedie Achtung vor ihnen gebietet es den Reisenden zu ermögli

chen den Text unverstümmelt aufzunehmen. Es war meinePflicht ...«Der Schaffner hielt es nicht für geraten sich in einenDisput mit dem sonderbaren Herrn einzulassen. Er stellte schnell

noch dessen Personalien fest qann fuhr der Zug weiter.VierWochen später saß Herr Lilienstein dem Reichsbahn-Amt

mann Merkel gegenüber. »Sie wollen die Strafe für unberechtigte Betätigung der Notbremse nicht zahlen?« fragte der Amt-

mann.

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  owir sind ist vorn •

»Wie komme ich dazu?« entgegnete Lilienstein. »Wenn die

Reichsbahn an der Bahnlinie ein Transparent aufstellt, erwartet sie damit zugleich, daß man es lesen soll.«

Der Amtmann wischte den Schweiß von der Stirn. »Sie mes-sen der Sache einen zu großen Wert bei.«

»Da protestiere ich aber energisch « unterbrach Lilienstein.»Meinen Sie etwa, daß Ihre Kollegen Eisenbahner das Transparent nur aus Jux dort angebracht haben?«»Also hören Sie zu«, beschwichtigte ihn der Amtmann, »ich

werde feststellen, wer die blödsinnige Idee hatte. Kommen Sie

in vierzehn Tagen wieder «

Die Untersuchungen des Amtmanns ergaben, daß eine Maler-

brigade des Reichsbahnausbesserungswerkes das besagteTransparent hergestellt hatte, weil in ihrem Quartalsarbeitsplan die Verpflichtung enthalten war, »zwölf moderne Losungen

grafisch zu gestalten und im Bahnbetriebsgelände zu verbreiten«. Da bereits alle Türen und Wände in Bahnhofsnähe versorgtwaren, hatte sich Kollege Falkner bereit erklärt, ein Transparent an der Bahnlinie in der Nähe seines Wohnhauses - er wohntsechs Kilometer vom Bahnhof entfernt - anzubringen.»Die Losung wird sofort entfemt «befahl Amtmann Merkel derMalerbrigade.»Entfernen?« fragte Brigadier Graumann entsetzt. »Eine Lo-

sung?« - »So schnell wie möglich « bekräftigte der Amtmann.

»Emma«, sagte ein paar Tage später Kollege Falkner zu seinerFrau, »wir sollen die Losung da drüben wieder entfernen. Du

kannst das nachher gleich mal machen «

»Ich?« fragte Emma empört. »Ich soll eine Losung abreißen?«Kollege Falkner versuchte es noch mit seinen Kindern, aber daswaren junge Pioniere, und zu so etwas waren sie nicht bereit.Überall stieß er auf eisige Ablehnung.»Ihr Beispiel macht Schule « sagte Amtmann Merkel zwei Wo-

chen später zu Herrn Lilienstein. »Inzwischen ist schon wieder

zweimal die Notbremse gezogen worden. Auf Grund dieser Vor-gänge haben wir entschieden, daß Sie die Strafe nicht zu zah-

len brauchen. Es ist das Recht jedes Staatsbürgers, Losungenvollinhaltlich in sich aufzunehmen. Aber in Zukunft, verehrtester Herr Lilienstein, werden wir das Ziehen der Notbremse zuverhindern wissen «

»Nehmen Sie das Transparent weg?« fragte Lilienstein.»Wo denken Sie hin « seufzte der Amtsmann. »Wenn bei unsirgendwo eine Los11ng hängt, bleibt sie hängen. Aber der Ma-

lerbrigade spielen wir einen Streich: rr leiten die Züge um <<

1 1 1

Warum fand das

Treffen WtllyBrandts mit WilliStoph in Erfw:t;µn.gnicht in ßerliri,statt?Antwort: In Berlinhätte der Eindntckentstehen können,daß man Brandteinen Bären aufbin-den wollte. In Erfurtdagegen konnteman durch die ·Blume sprechen .

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  2

1 1 \ \ \1

o wir sind ist vorn

laus Möckel

o i t ~Auf Seite eins sehr schwarz und fett

Lokales

Fernsehtipsdas Wetter

die Gärtnerpostein bißchen Bett

ein Mord

jedoch in kleiner LetterAuf Seite zwei sehr knallig

SPORT

in Ganzaufnahme unsre Mannen

Das setzt auf Seite drei sich fortmit Kämpfen

wo wir nicht gewannen

Für Technikfreunde finden wir

was von MotorenMikrofonen

dazu Kultur auf Seite vier

drei Verse

und zwei Rezensionen

Danachwas in der Welt geschieht

wer wo auf welche Art regiertewas man für Konsequenzen zieht

wie gut man selbst die Wirtschaft führte

Die großen Reden endlich kleinzum Schluß

soweit die Seiten reichen

Und das soll UNSRE Presse sein

sagt ihrAch bitte nicht erbleichen

Es ist ja bloße Phantasie

Wenngleichganz praktisch wär s gewesen

für jene Bürger nämlich

die

ihr Blatt gespanntVON HINTEN LESEN

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~ ~ ~ ~ ~ . · ~ · ~ ~ - - r y i ~ _ , , . - , , - - : t- . . ' .. i)1

»Keine Anstrengung mehr. Der Jahrestag ist vorbei.t<

r .. , . w , ; - „ . . ; i t ' l f ~ J < ' ~

1 < . f r t r l r l „ ~   t q f 1rddw i~ o & k s s n \ i d a r i i a l

0

• • t. oger Ko men z - •·

l 11

Am Morgen seines zweiten Besuchstages in den USA

wird Breshnew von Präsident Nixon gefragt, was er denn

geträumt habe. »Ich habe vom Capitol in Washington ge

träumt, und auf dem Dach wehte eine rote Fahne « - ))Na

so was«, sagt Ford, l>und ich habe vom Kremlpalast

geträumt, auf dem wehte auch eine rote Fahne <c Bresh-

new lächelt überlegen: »Die können sie doch dort immer

sehen - »Na ja, auf der Fahne stand noch irgend etwas

~ ~

geschrieben.« - »Und was?c< - »Ja, das weiß ich nicht, ich

kann doch nicht C ~ h ~ i n ~ e : s ~ i s ~ c ~ h c _ . . . ~ ~ : - . : : : ; : ~ ~ - : : : : : ~ ~ ~ ~ = = = = : =llien d 21 hhresgses ,J:,lDR WU1' ' von

' "Zu l ib M ~ i t e r n 4 t S ~ o e r Kon1um-

Kombihates der ob t- undaemilse-

verarbeitenden Industrie ~ l ß e n~ n e u e ~ ~ s Gench:, -. _

M a ~ a -IJ.W

-Ua-IJ.l a - ./U..a-  Jta -,_' .

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§; '', ' '''< ~ j . ,,,

· pmckell;' :. • · . . . . : : . 7 " " ' ~ - . . . . , , . , _ . . . ... . . : : , ? 1 ; . , . , ~

Met  al

-Ua--Ua--Ucr.

.Da wird def Rot der

_ .. stichhaltig argumentierenGemeinde künftig few•t

körtnen• • •Aus. d•in J1.1nl.tl•ft

Jton"i:Jorl

20 Jahre DDR -

20 Jahre MITROPAauf neuen Wegen

»Warst du zur letzten Parteiversammlung?«

»Ach, wenn ich gewußt hätte, daß es die letzte war ... «

.-...... .. • ; u „. „ . _..,.._...,.,

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  4 Wo wir sind ist vorn

Peter nsikat

Lehrer: Meine Damen und Herren Um einem dringenden Be-

dürfnis aller Zugereisten mit und ohne Zuzugsgenehmigung

für unsere Hauptstadt zu entsprechen, hat sich der DeutscheFernsehfunk entschlossen, ab sofort »Berlinisch for Sie« in

sein Lehrprogramm aufzunehmen. Mein Mitarbeiter, der Ber-

liner Sprachwissenschaftler Professor Orje, und ich wollen

versuchen, Sie in die Geheimnisse des Berliner Mundwerks• •

emzuwe1sen.

Professor: Det heeßt, wir lern Sie det, wa.

Lehrer: Zunächst aber einige allgemeine Bemerkungen über

den Berliner und sein Verhältnis zur Sprache. Denn daß er

was mit ihr hat, steht fest. Da, wo der Sachse gemütlichdurch die Syntax <latscht, während er seinen

Der Berliner ersetzt die Grammatik durch Guchen ditscht, wo der Mecklenburger auf sei-

seinen unwiderstehlichen Charme nen s-pitzen S-teinen hockt und so lange nach-

denkt, bis er findet, daß es kaum noch was zu

sagen gibt, da redet der Berliner so lange, bis die Zuhörernachdenklich werden. Das aber, liebe Schüler aus Sachsen

und Anhalt, ist der erste Fehler, den der Zugereiste macht:

Er meint, der Berliner meine etwas, wenn er redet. Merke

aber: Reden gehört in Berlin zum Stoffwechsel.Professor: Wenn ick Ihnen freundschaftlich daroff hinweise,

detse wat aufm Keks ham, denn is det nischt Ehrnrührijet,

sondan der Anfang eines Berlina Jedankenaustauschs.

Lehrer: Normalerweise hat der Berliner den Mund ständig auf.

Ja, er scheint schon mit offenem Mund geboren zu sein, so

daß man sein kleines, goldenes Herz sehen kann. Und läßt

einfach rausfallen, was kommt. Kommt zum Beispiel ein jun

ges Mädchen vorbei, so wird der Berliner es nie schweigend

hinnehmen. Er wird sie so lange vollquatschen, bis sie nurnoch wünschen kann, er hätte sie schweigend hingenommen.

Professor: Mann Ejon, kiek ma den steilen Zahn, da möcht ick

ma anne Schuhe fassen. Na Puppe, haste Ausjang? Wenn de

mir einladen tust, laß ick mir breitschlaren. Ick steh off

blond Det se mit de Neese nich anne Obaleitung komm, denn

is detjanze Mekapp im Eima Haste detjesehn Ejon, nich mal

flörten will se sich lassen. Merke - der Berliner kennt weder

Komma noch Strich; er zieht alles durch.

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Wo wir sind ist vorn

Lehrer: Aber bis Sie, meine lieben Anfänger, es so weit brin

gen, werden Sie wohl noch viele hübsche Mädchen still ansich vorüberziehen lassen müssen. Beginnen wir zunächst

mit einfachen Ausspracheübungen. Lassen Sie alles hängen

und bullern Sie aus Leibeskräften. Ein normaler Umgangs-

ton würde Sie nämlich sofort als Nicht-Berliner entlarven.Dann fügen Sie überall das schöne Wort »möh«, auf deutsch»Mensch«, ein.

Professor: Wat denn »mÖh«, det soll 'n Auto sein, möh? Det isej doch keen Auto möh, det haste wohl uff'm Weihnachts

markt als belegtes Brötchen gekooft.

Lehrer: Was immer Sie an grammatischen Regeln gelernthaben, müssen Sie auf der Stelle vergessen.

Professor: Also dieset spärliche Männeken da w ll mir in puncto

Auto wat vormachen. Na klar hatt'ste Vorfahrt, Mann Abawenn de mir so dusselig ankiekst, denkt doch keena, daß dedet weeßt. Merke - der Berliner sagt immer mir. Auch dann,wenn's stimmt.

Lehrer: Ein Berliner, angesprochen auf das Alter einer nicht

mehr jungen Dame, wird stets die Form wahren.Professo: Also alt isse nich, aba 'ne janze Weile schon off der

Erde.

Lehrer: Da, wo der Normalverheiratete scheinheilig fragt: Juckt

es dich etwa, Liebes? wird der Berliner praktisch raten.Professor: Nicht kratzen Puppe, waschen.

Lehrer: Und wo in normalhochdeutschen Kreisen der Tod eines

Bekannten Ratlosigkeit und Entsetzen auslöst, bemerkt derBerliner nur ...

Professor: Na, wenna sich vabessat hat

Lehrer: Sie merken schon, liebe Schüler, Berlinisch kann man

nich wie andre Sprachen lernen. Berlinisch kann man nurdenken. Dann aber kann man fast alles sagen, auch das, was

man eigentlich nicht sagen kann. Zum Beispiel zu einemMädchen, dessen Minirock auch das Notwendigste kaum be-deckt ...

Professor: Puppe, da mußte aban Schal vom Mund lejen, sonsthaste Durchzuch

Lehrer: In der Hoffnung, daß auch Sie, liebe Nicht-Berliner, soetwas bald über die Lippen bringen, schließen wir unsereerste Lektion »Berlinisch for Sie« mit dem Hauptmerksatz:

Der Berliner ersetzt die Grammatik durch seinen unwider

stehlichen Charme. Den allerdings müssen Sie mitbringen.

11 5

Ein Flugzeug stürztab, an Bord befan-den sich Breshnew,

Husak, Kadar und

Gomulka. Wo istdie Trauer amgrößten?In der DDR

· Warum?Weil Ulbricht nicht

dabei war.

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  6

Frage: Wie verhält ·man sich bei einem.eventuellen Einsatzvon Atomwaffen?Antwort: Sofort ·.

den Kopf mit ein emweißen s c h e n ·;·:„ ;

' ' '

tuch bedecke$ ,_. gemessenentes zum Ftiedh(JF · J;, '.· ·;·

_ _

gehen. ..Nachfrage: Wa.ru..tll ·gemessenen Schrittes?Antwort: Damit in

der ganzen Kater;. •

strophe nicht noclieine Panik ent-steht. ·

Wo wir sind ist vorn

Heinz Helm

Ort: Eisenbahnabteil 1. Klasse

Personen: Otto, Emma, seine Frau, Handelsreisender, Monteur,Kulturfunktionär, Schaffner, Zeitungsleser

Otto (faßt sich an den Kopf und sieht nach oben): Es tropft.Handelsreisender: Wie bitte?Otto: Es tropft Da ist irgend etwas undicht.Kulturfunktionär: Ja, da oben. Anscheinend das Dach. Ist ja

kein Wunder bei dem Regen.Handelsreisender: Kein Wunder, na hören Sie mal

Otto: Meine Schwiegermutter war neulich in Westdeutschland,die sagt, da regnet es nie durch. Das ist typisch für unsereVerhältnisse. Irgendwas ist immer undicht.

Handelsreisender: Die Ausnutzung der Wasserkräfte ist letzlich der entscheidende Schritt zur Durchsetzung der weitgehenden Elektrifizierung im Kommunismus - Lenin

Otto: Wohltätig ist des Wassers Macht, wenn sie der Menschbezähmt, bewacht - Goethe

Monteur: Zitate hin - Zitate her, es regnet durch.Emma: Jetzt habe ich auch einen Tropfen auf den Kopf bekom

men Otto, kannst du das nicht dicht machen?Otto: Erstens bin ich kein Dachdecker und zweitens habe ich

Urlaub.Kulturfunktionär: Aber man muß etwas unternehmenMonteur: Wir können ja wetten, auf wen der nächste Tropfen

fällt.Handelsreisender: Lassen Sie doch diese albernen ScherzeZeitungsleser (sieht von der Zeitung hoch): Was ist denn das

für eine Streiterei?

Kulturfunktionär: Haben Sie nicht gehört, es tropftZeitungsleser (sieht nach oben): Ja, aber von oben. (liest weiter)Otto: Packen Sie doch mal Ihre blöde Zeitung beiseite und

sagen Sie was.Zeitungsleser: Das könnte Ihnen so passen Das habe ich ein-

mal gemacht in meinem Betrieb. Seit der Zeit warte ichimmer erst ab, wie sich die Mehrheit äußert.

Kulturfunktionär: Darum geht es ja gar nicht. Wir müssenetwas unternehmen.

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  owir sind ist vorn

Zeitungsleser: Solange das Wasser von oben kommt, ist kein

Grund zur Besorgnis.

Monteur: Na, von unten kann es ja nicht tropfen. Dies ist doch

kein Dampfer.

Zeitungsleser: Sehen Sie

Emma: Otto, ich werde naß Unternimm doch mal wasOtto: Heute ist nicht Frauentag. Setz dir meinen Hut auf.

Emma: Huch, jetzt ist mir das ganze Wasser in den Hals ge-

laufen

(Otto schlägt sich auf die Schenkel und lacht.)

Emma: Was lachst dudenn so albern, Otto?

Otto: Ich warte schonlange darauf, daß du

den Hals einmal vollkriegst.

Emma: Taktgefühl hattestdu nie.

Otto: Als letzten Winter

meine Nase tropfte,

hast du ...

Kulturfunktionär: Aber

streiten Sie doch nicht.

Wir verderben uns dieganze Kleidung.

Otto: Ich kann mit meiner

Frau streiten, so oft ich

will.

.. I

1

' .'

' '„.

Kulturfunktionär: Ist denn kein richtiger Werktätiger dabei,

der etwas tut? rr müssen etwas unternehmen.

Handelsreisender: Das sagen Sie schon zum vierten Mal.

Kulturfunktionär: Nein, zum dritten ...

Handelsreisender: Zum viertenEmma: Wir müssen die Notbremse ziehen

Otto: Bloß nicht, nachher kommt da auch noch Wasser raus

Zeitungsleser: Aber Kollegen. Das sind doch alles nur kleineUnzulänglichkeiten. Wie sah es denn 1945 aus? Da gab's

überhaupt kein Wasser. Man muß alles im Zusammenhang

sehen. Die Sonne scheint auch schon wieder.

Otto: Das steht wohl in Ihrer Zeitung?

Zeitungsleser: Nein, aber ich habe bisher noch keinen Tropfen

abbekommen.

,

. ..„ ; .

1

J

'''''

7

Also wirklich ich freue

mich sehr über die Ur

kunde. Aber Idioten-Al-

fred war eigentlich nur

mein Spitzname in der

Schule.  

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118 Wo wir sind ist vorn

Monteur: Hä, Kunststück, das Wasser läuft ja auch von oben

in Ihre Tasche reinZeitungsleser: Was (Springt auf, nimmt die Tasche aus dem

Gepäcknetz, öffnet sie, es läuft Wasser heraus.)Emma: Otto, er macht mir die Füße feucht Beschütze mich,

oder ich lasse mich endgültig von dir scheiden und ziehe

mein Geld aus dem GeschäftOtto (springt auf): Herrrr Sie haben meine Frau von unten naß

gemacht

Kulturfunktionär: Wie die

- ------   ee• ,'1\e

Ci • • CA "" r „' v ----

  A <;.. r VOIJ. \

lA'-' i

kleinen Kinder

Zeitungsleser: Da, sehen Sie,

der BKV ist durchgeweicht

und die Zeitung ist auch

nicht mehr trocken.

-

- - - -

Schaffner (tritt ein): Was ist

denn das für ein Lärm?

Kulturfunktionär: Bitte, Herr

Schaffner, Sie müssen uns

helfen, es läuft durch

Schaffner: Wer hat hier ge

raucht?Monteur: Ich, das sehen Sie

doch

Schaffner: Rauchen ist hierverboten. Paragraph drei

zehn der Eisenbahnverkehrs

ordnung. Sie zahlen fünf

MarkMonteur (zahlt): Und daß es

hier durchläuft, stört Sie

wohl nicht?

Schaffner: Durchlaufen ist nicht verboten.

Kulturfunktionär: Sie müssen uns helfenSchaffner: Das werde ich auch Wenn wir in Dresden sind,

schreibe ich die fünfte Mängelanzeige - es kommt ja doch

keiner.Monteur: Ich kann mir denken, woran das liegt. Da ist das Ab-

flußrohr vom Wasserbehälter undicht.

Schaffner: Nicht mein BierMonteur: Hören Sie, ich weiß, woran das liegt

Schaffner: Na, denken Sie , ich nicht?

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  owir sind ist vorn

Monteur: Dann stellen Sie's doch ab Sie brauchen nur hier

draußen das Ventil zweimal herumzudrehen.Schaffner: Dafür bin ich nicht zuständig. (Geht ab.)

Kulturfunktionär: Junger Mann, Sie wissen doch mit so was Be

scheid, Sie sind doch ein Werktätiger. Retten Sie uns Sie wis

sen, wo das Ventil ist.Monteur: Damit er mich noch mal in die Pfanne haut

Zeitungsleser: Für die sozialistische Menschengemeinschaft

darf uns kein Opfer zu groß sein.

Monteur: Ich gehe ja schon. Aber auf Ihre Verantwortung.

(steht auf und dreht an einem Ventil.)

Handelsreisender: Es hört auf.

Kulturfunktionär: Wenn Denken und Handeln eine Einheit sind

- das ist Marx in der Praxis.

Monteur: Das Ventil war nicht richtig festgeschraubt. Das ist

Murks in der Praxis.

Schaffner (kommt zurück): Na, tropft es noch?

Kulturfunktionär: Gott sei Dank nicht mehr Der junge Mann

hat es abgestellt. Es gibt eben noch Eigeninitiative.

Schaffner: Was heißt hier Eigeninitiative? Gemäß Paragraph

drei der Eisenbahnverkehrsordnung gibt es keine Eigeninitia

tive, denn das eigenmächtige Hantieren der Reisenden an

den Einrichtungen der Reichsbahn ist streng verboten. Sie

zahlen zehn Mark Strafe und stellen sofort wieder an

»Spenden Sie Ihr Blut für den Betrieb, für den Stadtbezirk oder

direkt fürs Rote Kreuz?«

»Eigentlich hatte ich mehr an Menschen gedacht ...«»Ich meine, statistisch gesehen.«

»Geben Sie's dem, der es am nötigsten braucht.«

»Nötig brauchen brauchen's alle; für die Quartalsabrechnung.«»Ach, Sie stehen im Wettbewerb?«

»Erraten.«

»Taj, ich arbeite beim Stadtbezirk ... «

»Sie befinden sich aber in unserer Betriebspoljkljnik. Wissen

se was, ich schreib Ihr Blut unserem Betrieb gut.«

»Und der Stadtbezirk?«

»•.• der soll sich für den Quartalsbericht was aus den Fingern

saugen.«

9

Familie Meyer hateinen Papagei, derimmer »Die Sau

kommunisten Nie-  - . .

der mit der SED «

krächzt. EinesTages kündigt einSED-Funktionärseinen Besuch an.

Die Hausfrau putztdie Wohnung blitz

blank, aber wohinmit dem Papagei?

Der landet im Tiefkühler. Der Mann

. kommt, agitiert ein

bißchen und geht · ·

wieder. Drei Stunden danach denkt

die Hausfrau an

den Papagei undholt ihn aus dem

Tiefkühler. Da

krächzt er nurnoch: >)Liebe Kom

·munisten Niedermit dem Kapitalismus «

Die Hausfrau fragterstaunt, warum er

. .

seine Meinung ge-

ändert habe. Dar

auf der Papagei:

»Drei Stunden Sibi- ·rien reichen mir «

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Zeittafel 969•

20. März

22. März

17. April

8. Mai

12. Mai

12.-25. Mai

14. Mai

16. Mai

28.-30. Mai

Jurek Beckers Lustspiel >>Jungfer Sie gefällt mir<< nach Kleist

wird von Günter Reisch für die DEFA verfilmt

DEFA-Kinderfilmpremiere >>Mohr und die Raben von Lon

don<< nach dem Roman von llse und Vilmos Korn.

Nach der Zerschlagung der tschechischen Reformbewegung

tritt Alexander Dubcek als Vorsitzender der KPC zurück.

Als erstes nichtkommunistisches Land nimmt Kambodschadiplomatische Beziehungen zur DDR auf. Im laufe des Jah

res erkennen der Irak, der Sudan, Syrien, die Demokratische

Volksrepublik Jemen und die Vereinigte Arabische Republik

die DDR völkerrechtlich an.

Der Vorsitzende der DDR-CDU, Gerald Götting wird zum

neuen Präsidenten der Volkskammer als Nachfolger des ver

storbenen Johannes Dieckmann gewählt.

Die DDR wird Mannschaftssieger bei XXII. Friedensfahrt.

In Rostock wird der erste Museums-Neubau der DDR, die Ro

stacker Kunsthalle, eröffnet.DEFA-Filmpremiere >>Mit mir nicht, Madam<< mit Manfred

Krug und Annekathrin Bürger.

Auf dem VI. Deutschen Schriftstellerkongreß wird ein neues

Statut angenommen.

Was ist der Unterschied zwischen einer Fuhre Langholz und derKulturpolitik der DDR?

Bei einer Fuhre Langholz kommt erst das dicke Ende und danndie rote Fahne.

30. Mai

10. Juni

11.-13. Juni

27. Juni

2. Juli

12. Juli

22. Juli

26. Juli

BRD-Regierung beschließt, daß jede Anerkennung der

DDR weiterhin als unfreundlicher Akt gewertet werde

modifizierte Hallstein-Doktrin).

Gründung des Bundes der Evangelischen Kirche in der

DDR. Damit wird die bislang bestehende juristische und

organisatorische Einheit der Evangelischen Kirche Deutsch

lands EKD) beendet.

Der 2. Frauenkongreß tagt unter dem Motto: >>Der Frauen

Herz, Wissen und Tat für unseren sozialistischen Friedens

staat<<. Fast die Hälfte aller Frauen ist berufstätig.

DEFA-lndianerfilmpremiere >>Weiße Wölfe<< Co-Produk

tion DDR/Jugoslawien).

Die 250er MZ ETS Trophy Sport wird im Zschopauer

Motorradwerk gebaut.

Roland Matthes schwimmt in Santa Clara über 200 m

Rücken Weltrekord.

Die Bundesregierung beschließt, künftig das Hissen der

DDR-Nationalflagge und das Abspielen der DDR-Staatshym

ne bei Sportveranstaltungen nicht zu behindern.

Eröffnung des V. Turn- und Sportfests in Leipzig.

2

ünter Reisch

Zum ehemaligentschechischen Parteichef Dubcekkommt ein Engelund sagt: »Du bistein echter Kommunist darum will ich

dir drei Wünsche er

füllen. «Dubceküberlegt nicht langeund sagt: »Die Chi

nesen sollen in dieTschechoslowakeikommen und sie be

setzen und wiederabziehen.« - «Und

der zweiteWunsch?«

Nach mal das glei

che. Und der dritte?

Nach mal das gleiche. Der Engel wun

dert sich und fragtvorsichtshalbernoch mal ob er sichdas gut überlegt

habe. Dubcek:»Selbstverständlich.

Da müssen die Chi

nesen sechsmaldurch die Sowjet-

•UllIOn .«

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Karin alzer

Sowjetisch-chinesischer Krieg: Sowje

tische Siegesmeldung am ersten Tag:»100 000 chinesische Kriegsgefangene.« Siegesmeldungam zweiten Tag: »1Million chinesischeKriegsgefangene.«Siegesmeldung am

dritten Tag: »10 Mil

lionen chinesischeKriegsgefangene.«Am vierten Tag

trifft ein Telegrammaus Peking ein:

»Gebt auf, sonst ergeben wir uns alle «

27. Juli

29. Juli

Zeittafel 969

Weltrekord von Karin Balzer über 100 m Hürden auf demV. Turn- und Sportfest.Walter Ulbricht stellt fest, daß die Freundschaft zur Sowjetunion in eine neue Qualität übergegangen ist.

Anfrage an den Sender J,erewan: »Ist es wahr, daß sich die Liebeder DDR zur Sowjetunion ständig vertieft?«

Antwort: »Ja, sie hat soepen einen Tiefpunkt erreicht.« .. .- . .

1. August Die 20-Pfennig-Münze kommt in Umlauf.

23.-24. August Die Frauenmannschaft gewinnt in Budapest den Europapokal im Schwimmen.

27. August Der Ministerrat beschließt eine Erhöhung des staatlichenKindergeldes: Ab 1. Oktober gibt es ab dem 3. Kind statt 20nun 50 Mark Kindergeld monatlich.

28. August Zentrales Fest der jungen Talente in Artistik und Schlager.

10.-14. September Der DDR-Achter gewinnt die Goldmedaille bei der RuderEM der Männer in Klagenfurt Österreich).

13.-20. September Die DDR-Mannschaft gewinnt das Weltpokal-Turnier imVolleyball der Männer.

16. -19. September Verhandlungen zwischen Ministerien der DDR und der BRD

über Verkehrs- und Postfragen.

16. September DEFA-Filmpremiere >>Seine Hoheit, Genosse Prinz<< von RudiStrahl mit Rolf Ludwig und Rolf Herricht.

20. September Uraufführung von Rudi Strahls Komödie >>In Sachen Adam

25. September

29. September

2. Oktober

3. Oktober

und Eva<< eines der meistgespielten DDR-Stücke, in Magde

burg.Die ersten Fünfmarkmünzen kommen in Umlauf.

DDR unterzeichnet Atomwaffen-Sperrvertrag.

Neues Wahrzeichen für den Alexanderplatz: die Weltzeituhr.Sie wird zu einem der beliebtesten Treffpunkte in Berlin.Das zweite Programm des DFF beginnt zu senden. ErsteFarbfernsehsendung im französischen SECAM-System. Absofort erscheint die Fernsehzeitung FF-Dabei in Farbe.

Eine japanische Delegation besucht das Gelände des DDR-Fern

sehens in Berlin-Adlershof. Nach dem Rundgang sagt der Delegationsleiter: »Ein schönes Fernsehmuseum haben Sie hier.Und woproduzieren Sie?«

3. Oktober Der Fernsehturm in Berlin 365 m hoch) wird feierlich eröffnet. Das sich drehende Cafe im Turm ist eine besondere Attraktion.

Vom Berliner Fernsehturm kann man vier Meere sehen - untenein Häusermeer, oben das Wolkenmeer, im Westen das Lichtermeer und im Osten gar nichts mehr.

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Zeittafel 969

4. Oktober

4 Oktober

In Berlin eröffnet der Vergnügungspark Plänterwald.

Die 4x 800-m-Staffel der Frauen Schmidt, Hoffmeister, Pöh

land, Wieck) läuft Weltrekord in Potsdam.

7 Oktober Am Altmarkt in Dresden wird der neuerbaute Kulturpalasteröffnet. Zum Auftakt erklingt Beethovens 9. Sinfonie.

9.- 20. November V Internationaler Robert-Schumann-Wettbwerb in Zwickau.

12. November 550. Jahrestag der Gründung der Universität Rostock. Festansprache Willi Stophs.

15.-22. November XII. Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche für

Kino und Fernsehen in Leipzig.

19. November Die Puhdys geben in Freiberg ihr erstes Konzert. Gilt als

Gründungsdatum der Band.

28. November Abkommen zwischen der DDR und der Sowjetunion über

visafreien Reiseverkehr zwischen beiden Ländern.

30. November DEFA-Kinderfilmpremiere >>Der Weihnachtsmann heißt

Willi<<.

4 Dezember DEFA-Filmpremiere >>Weite Straßen - stille Liebe<< mit JuttaHoffmann und Manfred Krug.

18. Dezember Käthe-Kollwitz-Preis der Deutschen Akademie der Künste

an Theo Balden verliehen.

18. Dezember StaatsratsvorsitzenderWalter Ulbricht schickt Bundespräsi

dent Heinemann einen Brief mit dem Entwurf eines Vertra

ges über die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen zwi

schen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland.

19. Dezember Uraufführung der Oper >>Lanzelot<< von Paul Dessau an der

Deutschen Staatsoper Berlin Text: Heiner Müller).

29. Dezember Die Zeitungen sprechen vom kältesten Dezember seit 1893.

Rekordminustemperaturen führen zu Engpässen bei Nah

rungsmitteln und Brennstoffen.

1969 verlassen 16 975 DDR-Bürger das Land.

Sportler des Jahres:

Roland MatthesSchwimmen)

Petra Vogt

Leichtathletik)Volleyball-National

mannschaft der Männer

Torschützenkönig der

Oberliga:

Gerd Kostmann vom

FC Hansa Rostock mit

18 Treffern

Fernsehlieblinge:

Lissy Tempelhof

Günter HerltKarl-Eduard von

SchnitzlerHans-Georg Ponesky

Benito Wogatzki

Klaus Feldmann

Annemarie Brodhagen

Kollektiv Sandmännchen

Karl-Heinz Gerstner

Heinz Florian Oertel

Manfred Krug

neue Bücher:

Stefan Heym

>>Lassalle<<

Erwin Strittmatter

>>Ein Dienstag imSeptember<<

Jurek Becker

>>Jakob der Lügner<<

Peter Edel

>>Die Bilder des Zeugen

Schattmann<<

Helmut Sakowski

>>Wege übers Land<<

123

Dieter irrvon den Puhdys

. .

·Oberliga-Plazlerung .1969 .

• 1 F€ vorwärts Bertin'

2. FC Carr Zeiss Jena3 ·1._ C ·Magdeburg

.

· 4:. J C Hansa Rostock

s BSG SachseRring ···· . ·Zwicka·u

\ :· .

· BSG.Chemie Leipzig

. .' FC M a r x ' . S t a d t' . . .

8. fCRot-Weiß Erfurt.

· 9 ssG-Wismut Aue: .

1 Ber1iner FC.Dynamo

11 ..Haliescfier FC ·· -. · Ghemie · · ·

·1.2. BSG Stahl Resa. . .

13. 1 FC Union Bertin ·

. 1 4. 1. FC Lok: Leipzig. .

große Hits:

>>Mach dir keine Sorgen<<

Andreas Holm

>>Schön fängt jede

Liebe an<<

Michaelis Chor

>>Kleines Boot<<

Kathrin und Klaus

>>Was so begann<<

Roland Neudert

>>Verliebt<<

Klaus Sommer

>>Es fängt ja alles erst an<<

Rosemarie Ambe

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\

Götz riedrich

Zeit tafel 197

197

6. Januar Horst Queck wird Sieger der internationalen Vierschanzen

tournee.

13. Januar In Berlin-Mitte legt Oberbürgermeister Herbert Fechner den

Grundstein für die neue Leipziger Straße.

20. Januar Oskar Fischer löst Otto Winzer als Außenminister ab.

22. Januar Bundeskanzler Willy Brandt schlägt dem Vorsitzenden des

Ministerrates der DDR Willi Stoph Verhandlungen über

Austausch von Gewaltverzichtserklärungen vor.

24. Januar Gershwins Porgy and Bess mit Manfred Krug hat in der

Regie von Götz Friedrich an der Komischen Oper Premiere.

2.-3. Februar Die Landwirtschaft der DDR kann die Bevölkerung nicht

ausreichend versorgen mit der Sowjetunion werden baldi

ge Lieferungen vereinbart.

Rostacker Hafen. Ein Mann beobachtet die einlaufenden Schiffe ..

Ein Wachoffizier.spricht ihn an. »Was machen Sie liier?« .»Ich warte um zu sehen wie die sowjetischen Schiffe voll mit

· Weizen beladen aei uns eintreffen.«..

Der Offizier: »Dann gucken Sie nicht so viel aufs Meer, gucken. .

Sie in die Zeitung « .

3.-9. Februar Gabriele Seyfert holt sich den Europameistertitel im Eis

kunstlauf in Leningrad.

15.-21. Februar Das 1. Festival des politischen Liedes findet in Berlin statt.

24 . Februar

3.-8 . März

18. März

DDR-Singeklubs Gruppen und Solisten aus aller Welt tref-

fen sich von nun an jedes Jahr. Dieter Süverkrüp Miriam

Makeba die chilenische Gruppe lnti lllimani sind dabei.

Erste Folge des fünfteiligen Fernsehfilms >>Ich Axel Cäsar

Springer<< mit Horst Drinda in der Titelrolle .

Gabriele Seyfert wird Weltmeisterin in Ljubljana .

Einen Tag vor dem Besuch Brandts in Erfurt wird im DFF die

Fernsehdokumentation >>Bei Kuhnerts war man Sozialde

mokrat<< ausgestrahlt.

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Zeittafel 197

19. März Treffen von Bundeskanzler Brandt und Ministerratsvorsit

zendem Stoph zu Verhandlungen in Erfurt. Die Willy-Willy-

Rufe gelten Willy Brandt.

Als Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt zusammentreffen, un-

terhalten sie sich über ihre Hobbys. Brandt: »Ich sammle Witze,

die man über mich macht. «

Darauf Stoph: »Und ich sammle die, die Witze über mich gemachthaben.{(

26. März

125

Die Botschafter der drei Westmächte in der Bundesrepublik

und der sowjetische Botschafter in der DDR nehmen Ver-

handlungen zu einem Viermächte-Abkommen über Berlin runo Apitz

7. April

16. April

16. April

17.April

auf.

Der Schriftsteller Bruno Apitz stirbt in Berlin.

DEFA-Filmpremiere >>Unterwegs zu Lenin<< nach Alfred Ku

rella (Co-Produktion DDR/UdSSR).

In Wien beginnen amerikanisch-sowjetische SALT-Verhand

lungen, Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung.

Beschluß über Umtausch der Parteidokumente der SED-Ge

nossen, mit 99,6°o der Mitglieder und Kandidaten werden

persönliche Aussprachen geführt.

19. April An der Berliner Leninallee wird das Lenin-Denkmal des Bild

hauers Nikolai Tomski eingeweiht.. - ,;\ . . . ·ß . „ _ ~ r c ~ ; ; ;

, · ·   · ' • · ,  i - ' iHermann Axen geht spazieren und k o l J ~ t am Lenin.:Dehkmalvorbei· Da hört er jemanden stöhnen. Verwundert schaut er Lenin

an und hört ihn sagen: »Alle haben ein Pferd, nur ich muß stehen.Besorg mir ein Pferd <<Hermann rennt zu Walter und erzählt ihm

d a v o n ~ Beide gehen zum Denkmal. Als Lenin Walter sieht, sagt

er: »Hei;tnann, du solltest mir ein Pferd pringen und keine Ziege «-•   • ' E •. . ..

22. April

29. April

7. Mai

8.-9. Mai

14. Mai

21.-24. Mai

Der 100. Geburtstag Lenins wird mit zahlreichen Veranstal

tungen begangen, u. a. mit den Ausstellungen >>Im Geiste

Lenins - mit der Sowjetunion in Freundschaft unlösbar ver

bunden<< im Alten Museum und >>Ein neuer Mensch - Herr

einer neuen Welt<< in der Akademie der Künste.Beilegung des jahrelangen Streits um den Kostenausgleich

bei der Post zwischen DDR und BRD.

Die DDR eröffnet ein Außenhandelszentrum in Paris.

Der sowjetische Film >>Befreiung<< hat in der DDR aus Anlaß

des 25. Jahrestages der Befreiung feierliche Premiere.

Landeskulturgesetz regelt Umwelt- und Landschaftsschutz.

Bei der Judo-EM in Berlin siegen Rudolf Hendel (Halbmit

telgewicht) und Klaus Hennig (offene Klasse).

·Warum sind Parteiausschlüsse gefähr-lich? ·

Sie drohen die Rei-

hen der Parteilosen••

zu verwassem.

·sehen zwei Lenm-.denkmälem.«

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126

Anfrage an den Sen-der J rewan: »Dartein kleiner Funktio

när einen großenkritisieren?«

Antwort: »Im Prin

zip ja aber es wäfeschade um n

• -1

nen.«

Wolfgang ordwig

9.-14. Juni

12.-14. Juni

21. Juni

26. Juni

27. Juni

1. Juli

4.-6. Juli

26. Juli

28. Juli

Zeittafel 197

Bei der Europameisterschaft der Ringer in Berlin gewinnt

Heinz-Helmut Wehling im Klassischen Stil Federgewicht),

Klaus-Peter Göpfert Leichtgewicht) und Horst Stottmeister

im Freistil (Mittelgewicht).

Die 12. Arbeiterfestspiele finden im Bezirk Rostock statt.

Schiedsrichter Rudi Glöckner pfeift das Fußball-Weltmei

sterschaftsfinale in Mexico-City.Der erste Olsenbanden-Film kommt in die DDR-Kinos.

DEFA-lndianerfilmpremiere >>Tödlicher Irrtum<< mit Gojko

Mitic, Annekathrin Bürger und Armin Mueller-Stahl.

Exportwaren werden ab sofort nicht mehr mit >>Made in

Germany<<, sondern mit >>Made in GOR oder >>Hergestellt

in der DDR gekennzeichnet.

Peter Frenkel erreicht im 20 km Gehen Weltrekord, Burglin

de Pollak gelingt mit 5406 Punkten Weltrekord im Fünf

kampf.Weltrekord über 100 m Hürden durch Karin Balzer.

Erich Honecker reist nach Moskau, um mit Breshnew ge

heim über Ulbrichts Ablösung zu beraten. Breshnew kriti-

siert an Ubricht: >>Er will mir Vorschriften machen.<<

Bei Erich Honecker klingelt spät abends das Telefon. Als Erich ab-

nimmt legt der anonyme Anrufer auf. Das wiederholt sich. Beim

dritten Mal nimmt Erich ganz schnell den Hörer ab und ruft:

»Mein lieberWalter wenn du das jetzt noch einmal machst dann

nehme ich dir das Telefon auch noch weg.«

10. August Eröffnung des neuerbauten Spreewaldhafens.

12. August Moskauer-Vertrag zwischen BRD und SU wird geschlossen

Gewaltverzicht, Anerkennung bestehender Grenzen).

29./30. August In Stockholm sichert sich die Leichtathletik-Männermann

schaft den Europa-Pokal.

3. September Wolfgang Nordwig springt Weltrekord im Stabhochsprung

bei der Studentenweltmeisterschaft in Turin.

3. September DEFA-Filmpremiere >>Netzwerk<<, Drehbuch und Regie RalfKirsten.

5. September Auf der Leipziger Herbstmesse sprechen Außenwirtschafts

minister Horst Sölle und Carsten Rohwedder aus dem Bon

ner Wirtschaftsministerium über Handelsfragen. 1969 hatte

sich der Handel BRD und DDR um 25 Prozent ausgeweitet.

15. September Gründung der Akademie der Pädagogischen Wissenschaf

ten der DDR.

27. September Volksbühnen-Premiere der ersten Regiearbeit von Fritz Mar

quardt in Berlin, Katajews >>Avantgarde<<.

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Nachweise

Die Karikaturen stammen von

Dietrich Bauer: 33Heinz Behling: 61 u. 65 68 81 113 o.

Manfred Bofinger: 48 m. 48 u. 52 86 92 94 99 m. 99 u. 103 118

Henry Büttner: 73 88 110

Peter Dittrich: 13 15 31 u. 35 77

Heinz Jankofsky: 26 117Harald Kretzschmar: 120 121 122 123 124 125 126 127

Lothar Otto: 61 o. 75 u.

Harri Parschau: 10 47 48 66 75 o./m. 79 82 106 108 112 113 u.

Louis Rauwolf: 31 m. 37 45 59 61 u. 62 63 85 87 o. 97 101 105

Karl Schrader: 8 18 24 41 48 o. SO 55 87 1. 99 o.Wolfgang Schubert: 31 o. 61 m. 87 u. 91

Fotos:

Klaus Winkl er: 29

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den

Autoren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns ge-lungen Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.

Impressum

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www sammelwerke de

Genehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionen

in der Verlagsgruppe Weltbild

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Printed in the EU

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sachlich kritisch optimistisch

...