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Ausgabe November 4/2012 Das Magazin von THEMA Arbeiterinnen weltweit SCHWEIZ Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation

Solidarität 4/12

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Magazine of Solidar Suisse

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Ausgabe November 4/2012

Das Magazin von

themaArbeiterinnenweltweitschweizInitiative gegenNahrungsmittelspekulation

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Esther MaurerGeschäftsleiterin Solidar Suisse

2 EDITORIAL

MEDIEnschAu

Händler, Versicherungen, Fonds oder Vermögensverwalter, aber auch deren ausländische Ableger gelten. (…)Auch wenn die Finanzbranche das Ge-genteil behaupte, sei Spekulation einer der wichtigen Faktoren für Preisanstiege bei Nahrungsmitteln, sagte Esther Mau-rer, Geschäftsführerin von Solidar Suisse. In den letzten Jahren stieg der Anteil der Spekulanten im Nahrungsmittelhandel laut Maurer auf rund 80 Prozent (…)

27.9.2012china-Granit wird PolitikumChinesischer Granit bei der Zentralbahn-Haltestelle auf der Allmend führt zu Kri-tik. Nun will die SP politisch aktiv werden. (…) Beim Bau wurden Granitplatten aus China verlegt, die nicht zertifiziert sind. Ohne Zertifikat sei das Risiko sehr gross, dass die chinesischen Arbeiter beim Ab-bau und bei der Verarbeitung des Granits ausgebeutet werden, wie Christian En-geli von Solidar Suisse erklärt (…)

2.10.2012spekulation verbieten(…) Schweizer Unternehmen sollen die Finger von der Spekulation mit Nahrungs-mitteln lassen. Die Juso und mehrere Hilfswerke präsentierten gestern in Bern ihre Volksinitiative mit diesem Ziel. (…)Erwirken will die Initiative ein Verbot von Investments in Finanzinstrumente, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungs-mittel beziehen. Das Verbot würde für Schweizer Finanzakteure wie Banken,

Liebe Leserin, lieber LeserVor gut zwei Monaten habe ich unbändig neugierig und hoch motiviert die Geschäftsleitung von Solidar Suisse übernommen. Die Neugier ist seither nicht geringer geworden: Jeden Tag ver-tiefe ich meine Kenntnisse der Solidar-Projekte, lerne Schlüs-selpersonen und Netzwerke kennen und lasse nach und nach in meinem Kopf Skizzen entstehen, wo und wie sich Soli-dar in fünf und in zehn Jahren in der Ent-wicklungszusammenarbeit posi tionieren soll. Und meine ungebremste Motivation wird täglich neu genährt von einer durch und durch sinnhaften Arbeit und einem engagierten Team.

Die Themenvielfalt, in die unsere Schwer-punkte faire Arbeit und Partizipation ein-gebettet sind, ist enorm – und die globa-len Entwicklungen, die sie bedrohen, sind es auch. Wenn wir beispielsweise zurzeit unser Engagement in China ausbauen, so bedeutet dies nicht nur, dass wir auf einem Terrain aktiv werden, wo Arbeitsrechte und Menschenwürde von wirtschaftlichen Interessen und Ge-winnoptimierungsstrategien plattgewalzt werden. Es bedeutet auch, dass wir gerade jetzt den Menschen unsere Unterstüt-zung bieten müssen, damit sie ihre Rechte einfordern und sich erfolgreich dagegen wehren können, Opfer des Booms zu sein. Denn ArbeiterInnen sollen an einer nachhaltigen Wirtschafts-entwicklung teilhaben. Und auch wenn unser Engagement noch punktuell ist – und es angesichts der Grösse Chinas blei-

ben wird – verfolgen wir eine Leuchtturm-Philosophie: Unser Kampf für Menschenwürde soll auf andere Länder übertragbar sein und über unser Netzwerk mit asiatischen Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft die vorhandenen

Strukturen stärken.In diesen ersten Monaten ist mir aber auch zunehmend klar geworden, dass der Wechsel von der Zürcher Stadträtin und Vorsteherin des Polizei departements zur Geschäftsleiterin von Solidar Suisse we-niger gross ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. So wie ich mich in einem umfassenden Sinn während zwölf Jahren für die Sicherheit der Zürcher Bevölke-rung verantwortlich fühlte, geht es nun um globale Existenzsicherung und damit ebenfalls um die Sicherheit der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ob Wiederaufbau in Sri Lanka oder faire

Löhne für südafrikanische StadionarbeiterInnen, ob Sicherheit durch Arbeit und stabile Nahrungsmittelpreise, ob Schutz vor Korruption oder einem mörderischen Regime wie in Syrien, es geht immer um dasselbe: Ohne Sicherheit fehlen Zukunftsper-spektiven – für die Gemeinschaft wie für jedes Individuum.

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, danke ich für Ihre Unterstüt-zung und freue mich, wenn sie ein wohlwollendes, aber auch kritisches Auge auf unsere Arbeit haben. Esther Maurer

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herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: [email protected], www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks SolidarRedaktion: Katja Schurter, Rosanna Clarelli, Christian Engeli, Alexandre Mariéthoz, Samira Marty, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil VoicesÜbersetzungen: Irene Bisang, Daniel Süri, Milena Hrdina, Jean-François ZurbriggenKorrektorat: Jeannine Horni, Carol Le CourtoisDruck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 50.–,Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr).Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier.

Titelbild: Djénéba Camara hat ihren Traum von der eigenen Schneiderei verwirklicht. Foto: Lukas Frohofer. Rückseite: Unterstützen Sie unsere weltweiten Entwicklungs-programme mit dem Kauf einer Solidar-Geschenkkarte.

sTAnDPunKT Der Nahrungsspekulant ist ein Tigerhai: Jean Ziegler zu den verheerenden Auswirkungen der Nahrungsmittelspekulation. 7

KuLTuRELL «Wisch und Weg – Sans-Papiers-Hausarbeiterinnen zwischen Prekarität und Selbstbestimmung» 15

AKTuELLSolidar verteilt Nahrungsmittel für syrische Flüchtlinge im Libanon und unterstützt die freiwilligen HelferInnen, die enormen Herausforderungen zu bewältigen.

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ThEMAUnter welchen Bedingungen arbeiten Frauen und wofür kämpfen sie? Sechs Porträts von Frauen aus Sri Lanka, Burkina Faso, Südafrika, der Schweiz, Brasilien und Serbien. 4

IMPREssuM

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ThEMA Arbeiterinnen rund um den Globus 4 Djénéba Camara führt in Burkina Faso eine eigene Schneiderei 6 Was bringt die WM den Arbeiterin-nen? Eine südafrikanische Stadion-arbeiterin und eine brasilianische Strassenhändlerin erzählen 8 Corinne Hagger wehrt sich gegen die Massenentlassungen bei Merck Serono in Genf 10 Thedevas Dushyanthi hat sich im Norden Sri Lankas wieder eine Existenz aufgebaut 11 sTAnDPunKT Jean Ziegler: Wegen der Nahrungs-mittelspekulation verhungert alle fünf Sekunden ein Kind 7 AKTuELL Solidar leistet humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge im Libanon 13 KuLTuRELL Neue Studie zu Hausangestellten ohne geregelten Aufenthaltsstatus in der Schweiz 15 PInGPOnG 12 nETZWERK News aus den SAH-Vereinen 16 EInBLIcK Bojana Bijelovic setzt sich gegen die Jugendarbeitslosigkeit und für internationalen Austausch ein 18

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arb eiterinnen

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ThEMA

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weltweitSolidar engagiert sich weltweit für faire Arbeit. Das ist bitter nötig, denn eineinhalb Milliarden Menschen arbeiten unter prekären Bedingungen und über 30 Prozent aller Beschäftigten verdienen weniger als zwei US-Dollar im Tag. Und wie sieht die spezifische Situation von Arbeiterinnen aus? Unter welchen Bedingungen arbeiten Frauen, wofür kämpfen sie? Was ver- bindet die Schweizer Wissenschaftlerin mit der sri-lankischen Reisbäuerin? In sechs Porträts möchten wir ihnen einen kleinen Einblick in das Leben ganz unterschiedlicher Frauen in Burkina Faso, Sri Lanka, Serbien, der Schweiz, Brasilien und Südafrika geben. Foto: Birgit Ruprecht

arb eiterinnen

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solidar bietet PerspektivenSeit elf Jahren unterstützt Solidar Suisse in Burkina Faso die Frauenorganisation Fawe (Forum of African Women Educa-tionalists). Fawe ermöglicht Frauen, die über keine oder mangelnde Schulbildung verfügen, eine Berufsausbildung. Das Lehrangebot erstreckt sich von Schnei-derei über Stofffärben bis hin zu Auto-mechanik oder Elektrik.Die Ausbildung soll den jungen Frauen den Einstieg in die Arbeitswelt erleich-tern – bei einer nationalen Arbeitslosen-quote von etwa 75 Prozent keine einfa-che Aufgabe.

Ich besuche Djénéba Camara an einem heissen Donnerstagnachmittag in Bobo-Dioulasso, einer Stadt im Westen Burki-na Fasos. Die junge Schneiderin sitzt zu-sammen mit ihrem Angestellten Moussa Traoré an der Nähmaschine. Die Kundschaft in ihrer Boutique «Nabou Couture» ist durchmischt: Männer und Frauen jeglichen Alters betreten den in Gelb und Pink gehaltenen Laden – die meisten StammkundInnen. Die beste Werbung für ihre Schneiderkunst trägt Djénéba Camara am eigenen Körper: Ihr gelb-braunes Kleid hat sie selbst entwor-fen und genäht, wie sie stolz erklärt.

Auch Djénéba Camara hat ihr Schneide-rinnendiplom dank der Ausbildung bei Fawe erworben. Danach arbeitete sie drei Jahre als Angestellte in einem Schneider-atelier, bis sie sich ihren Traum von der ei-genen Boutique erfüllen konnte.

schneider als MännerberufDjénéba Camara öffnet seit fünf Jahren jeden Morgen früh ihre Boutique und ar-beitet täglich bis zu elf Stunden. Das Ein-gangsschild fehlt zwar noch, dafür hat sich im Innern in den letzten Jahre eini-ges getan: Für den Einstieg in die Selb-ständigkeit hat sie von Solidar Suisse eine Nähmaschine erhalten. Seit der Er-öffnung hat sie sich nicht nur eine weite-re Maschine und Mobiliar zugelegt, sie hat auch zwei Angestellte, die ihr bei Be-darf aushelfen, sowie einen Praktikanten einstellen können.Die Schneiderei ist in Burkina Faso kein Frauenberuf, sondern traditionell Män-nersache. Inzwischen gleicht sich das Verhältnis zwischen Schneidern und Schneiderinnen jedoch langsam aus. Djénéba Camaras Angestellter Moussa Traoré hat kein Problem damit, eine Frau als Chefin zu haben: «Es kommt auch mit einem männlichen Vorgesetzen vor, dass man sich nicht immer einig ist oder mal dicke Luft herrscht», meint er.

Täglicher Kampf um die ExistenzDjénéba Camaras Handwerk ist zwar ge-fragt, dennoch schafft sie es nicht jeden Monat, die 30 Franken für Miete und Strom für ihren kleinen Laden aufzubrin-gen. Es bleibt ihr daher nichts anderes übrig, als zusätzlich einem Nebenjob nach-zugehen. Ihren gewagten Schritt in die Selbständigkeit bereut sie trotz aller Schwierigkeiten nicht: «Ich liebe meinen Beruf, und das motiviert mich weiterzu-machen». www.solidar.ch/fawe

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mit einer nadel Fuss Fassen In Burkina Faso geht die Schneiderin Djénéba Camara trotz finanzieller Engpässe ihren eigenen Weg.Text und Foto: Lukas Frohofer, Solidar Suisse

Den Traum von der Selbstständigkeit erfüllt: Djénéba Camara vor ihrer eigenen Boutique.

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nahrungsmittel-spekulanten sind tigerhaieFür ihre Profite gehen Nahrungsmittel-spekulantInnen über Leichen. Eine Initiative will die Nahrungsmittelspekulation stoppen. Text: Jean Ziegler, Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung

Der Tigerhai ist ein riesiges Tier aus der Familie der Requiemhaie, extrem ge-frässigen Karnivoren. Diese Bestie mit grossen Zähnen und schwarzen Augen gehört zu den gefürchtetsten Bewohne-rInnen des Planeten. Er ist in allen ge-mässigten und tropischen Meeren zu Hause und fischt gern im Trüben.Mit seinen mächtigen Kiefern kann er einen Druck von mehreren Tonnen pro Quadratzentimeter erzeugen. Um seinem Organismus genügend Stoff zuzuführen, ist er ununterbrochen in Bewegung.Der Tigerhai ist in der Lage, einen in 4 600 000 Litern Wasser aufgelösten Tropfen Blut aufzuspüren.Der Nahrungsmittelspekulant, der an der Börse für Agrarrohstoffe in Chicago han-delt, weist grosse Ähnlichkeit mit der Be-schreibung des Tigerhais auf. Wie dieser

ist er fähig, seine Opfer über viele Kilome-ter zu entdecken und sie im Handumdre-hen zu vernichten. Und das, um seine Gefrässigkeit zu befriedigen, soll heis-sen, seine unersättliche Profitsucht.

Die Marktgesetze sorgen dafür, dass nur die zahlungsfähige Nachfrage erfüllt wird. Vorsätzlich lassen diese Gesetze ausser Acht, dass die Ernährung ein Menschenrecht, ein Recht für alle, ist.Der Trader, der mit Grundnahrungsmit-teln spekuliert, ist an allen Fronten tätig und verschlingt alles, was ihm irgendet-was einbringen kann: Vor allem spielt er mit Boden, Betriebsmitteln, Saatgut, Dünger, Krediten und Lebensmitteln.

Alle fünf sekunden verhungert ein KindDie Weltmarktpreise für Reis, Weizen und Mais explodieren. Der Preis für Mais ist in den letzten 12 Monaten um 63 Pro-zent, für Reis um 38,2 Prozent gestiegen. Der Weizenpreis hat sich verdoppelt.Die SpekulantInnen hingegen machen

astronomische Profite. In den Kanisterstädten der Welt, wo laut Weltbank 1,2 Milliarden extrem arme Menschen le-ben, können die Eltern nicht mehr genug Nahrung kau-fen. Ihre Kinder verhungern.

Laut der FAO verhungert alle fünf Se-kunden ein Kind unter zehn Jahren. Eine Milliarde der weltweit sieben Milliarden Menschen sind permanent schwerstens unterernährt.

7sTAnDPunKT

Die Schweiz und insbesondere Genf ist heute wegen der horrenden Steuerprivile-gien das Weltzentrum der Rohstoff- (vor allem Nahrungsmittel-)SpekulantInnen.

unterstützen sie die Juso-Initiative Die Schweizer JungsozialistInnen (Juso) haben Anfang Oktober begonnen, Un-terschriften für ihre Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» zu sammeln. Die Initiative will Börsenspeku-lation auf Grundnahrungsmittel in der Schweiz verbieten und dieses Verbot in die Bundesverfassung aufnehmen.Die Börsen-SpekulantInnen spielen mit dem Leben von Millionen Menschen. Die vollständige und sofortige Abschaffung der Spekulation auf Lebensmittel ist eine Forderung der Vernunft. Aus diesem Grund bitte ich Sie, gemeinsam mit Soli-dar Suisse die Juso Schweiz bei dieser lebenswichtigen Initiative zu unterstüt-zen. www.solidar.ch/newsGenf ist das Welt-

zentrum der nahrungs-mittelspekulation.

Jean Zieglers neues Buch «Wir lassen sie verhungern – die Massenvernich-tung in der dritten Welt» ist im Septem-ber 2012 im C. Bertelsmann Verlag erschienen.

Wir lassen sie verhungern

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Universität einschreiben, doch die 400 Rand Gebühr dafür kann ich mir nicht leisten.

Wie lange haben Sie in Soccer City gearbeitet?Gut zwei Jahre. Zuerst war ich einfache Arbeiterin, dann war ich nach einer Weiterbildung von Seiten der Baugewerkschaft NUM für die Arbeitssicherheit zuständig: Ich kon-trollierte vor Arbeitsbeginn die Baustelle und behielt während der Arbeitszeit im Auge, dass die Schutzmassnahmen ein-gehalten wurden. Denn es war eine sehr gefährliche Arbeit.

In Soccer City verdiente ich 12 Rand pro Stunde, nach einem Streik wurden die Löhne erhöht und ich hatte 15 Rand Stundenlohn – das heisst etwa 2200 im Monat (ca. 255 Franken). Nach Fertig-stellung des Stadions übernahm das Un-ternehmen eine Baustelle im Ausland. Die Männer nahmen sie mit, die Frauen entliessen sie – mit der Begründung, es habe in den Unterkünften keinen Platz für Frauen. Aber sie waren bereits in Südafrika zurückhaltend bei der Beschäf-tigung von Frauen auf der Baustelle.

Und wie erging es Ihren Kolleginnen und Kollegen?Genau wie mir. Die Männer gingen zum Teil mit ins Ausland, die Frauen wurden alle entlassen. Es war sehr hart.

Unterschieden sich die Arbeitsbedin-gungen für Frauen und Männer?Häufig wurden die Maschinen von Män-nern betrieben. Deshalb brauchten sie mehr Männer als Frauen. Ich weiss nicht, ob wir den gleichen Lohn erhielten.

Konnten Sie bei Ihrer Arbeit auf der Stadionbaustelle neue Fähigkeiten erwerben? Ja, ich habe Diplome als Bauarbeiterin oder für die Bedienung von Maschinen erhalten. Doch die Unternehmen akzep-tieren die Diplome nicht. Sie stellen nur unter 35-Jährige ein – und häufig keine Frauen. Bei mir ist vor allem das Alter der Grund, dass ich keine Arbeit bekomme. Ich bin 37.

Das heisst, die WM hat Ihre Situation nicht verbessert?Nein, aber es war schön, sie in Südafrika zu haben. Die Leute kamen von überall her, um unser Soccer City zu sehen. Eine Zeit lang hatten wir einen Job. Ich bin stolz, Soccer City gebaut zu haben. www.solidar.ch/anstoss

Portia Mhkize hat für die Fussball-WM 2010 in Südafrika das grösste Stadion Afrikas mitgebaut. Heute ist sie wieder arbeitslos.Interview: Katja Schurter, Fotos: Joachim Merz und Emilio Pedrina

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Wie geht es Ihnen zwei Jahre nach der WM?Portia Mhkize: Ich bin inzwischen ent-lassen worden und versuche, meinen Le-bensunterhalt mit Recycling zu decken. Ich sammle Flaschen, zerschlage sie und verkaufe die Glasscherben. Damit verdie-ne ich 400 bis 500 Rand pro Monat (45 bis 55 Franken). Für meine drei Töchter von 18, 15 und 6 Jahren bekomme ich etwa 500 Rand staatliche Unterstützung. Ich habe also nur noch halb so viel Ein-kommen wie während meiner Arbeit auf der Baustelle von Soccer City. Es ist sehr schwierig, damit durchzukommen. Meine älteste Tochter würde sich gerne an der

«Ich bin stolz, soccer city gebaut zu haben.»

wie arbeiterinnen (nicht) von der wm proFitieren

Zwei Jahre arbeitete Portia Mhkize auf der Baustelle von Soccer City. Dann wurde sie entlassen.

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PolizistInnen begnügen sich nicht mit dem Vertreiben der StrassenhändlerIn-nen: Verbale und physische Gewalt sind an der Tagesordnung. Gerade bei inter-nationalen Grossanlässen wie der Fuss-ball-WM oder der Olympiade häufen

sich die Repressalien gegen StrassenhändlerInnen. Seit 2009 können sie sich of-fiziell registrieren lassen, um eine Bewilligung zu erhalten. Die Anzahl Bewilligungen in-

nerhalb der Stadt ist aber begrenzt. Kriterien dafür wurden bisher nicht veröf-fentlicht, und die Mehrheit der langjähri-gen informellen StrassenhändlerInnen ging leer aus, was in einer Kriminalisie-rung ihrer Arbeit resultierte. Wenn ihre Ware konfisziert wird, verlieren sie auf ei-nen Schlag ihre Lebensgrundlage.

Recht auf ArbeitDie Vereinigung der StrassenhändlerIn-nen (MUCA) setzt sich für ihre faire Be-handlung ein. In einem offenen Brief an den Bürgermeister von Rio de Janeiro hat sie ihre Anliegen formuliert, um

öffentlichen Druck zu erzeugen: «Wir werden wie Kriminelle behandelt, wenn wir Überlebensstrategien suchen in einer Stadt, die nur für 60 Prozent der Bevöl-kerung eine Arbeitsstelle bieten kann. Wir sind ehrliche und anständige Arbei-terInnen und verlangen das Recht auf Arbeit und Selbstorganisation.»

Widerstand gegen RepressionMaria de Lourdes engagiert sich aktiv bei MUCA: «Wir treffen uns einmal pro Mo-nat, um mit anderen Verbänden ein kom-munales Netzwerk aufzubauen mit dem Ziel, gemeinsam gegen Repression und Ungerechtigkeiten vorzugehen.» Doch sie möchte sich auch beruflich gegen die aktuellen Verschärfungen einsetzen: Nach der Tagesarbeit auf dem Markt be-sucht sie einen vierstündigen Abendkurs, um ihren Mittelschulabschluss nachzu-holen. «Ich bin im letzten Jahr. Nachher will ich Rechtswissenschaften studieren und An wältin werden, um die Rechte von StrassenhändlerInnen zu verteidigen.»www.solidar.ch/fairewm

«wir Fordern das recht auF arbeit»In Rio de Janeiro kämpfen Strassen-händlerInnen um die Anerkennung ihrer Arbeit und gegen die zuneh-mende Repression. Text und Fotos: Nora Wintour, StreetNet International

Maria de Lourdes lebt mit ihrem Mann und zwei ihrer Kinder im Alter von 9 und 17 Jahren am Rand von Rio de Janeiro. Ihr ältester Sohn ist von zuhause ausge-zogen und hilft ihr tagsüber bei der Ar-beit im Zentrum Rios. Dort verkauft sie

ihre selbst gemachten Gürtel seit acht Monaten an einem legalen Marktstand: «Jetzt fühle ich mich sicherer, und die Po-lizei bedroht mich nicht mehr.»15 Jahre lang hat sie als informelle Stras-senhändlerin ihre Waren auf einem klei-nen Einkaufswagen ohne Bewilligung verkauft – immer auf der Hut, nicht ins Visier der Polizei zu geraten.

Verlust der LebensgrundlageWäre Maria de Lourdes bei ihrer illegalen Verkaufstätigkeit von der Polizei erwischt worden, wäre sie vertrieben und ihre Ware konfisziert worden. Doch manche

«Wir werden wie Kriminelle behandelt.»

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Maria de Lourdes (vorne) setzt sich gegen die Vertreibung von StrassenverkäuferInnen im Vorfeld der Fussball-WM 2014 in Brasilien ein.

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überflüssig geworden, weil meine Arbeit woanders kostengünstiger erledigt wird.»

Eine andere WeltCorinne Hagger erinnert sich gut an die Tage nach der Be-kanntgabe der Schliessung. «Die Beschäftigten waren wie betäubt. Dieser Zustand dauerte an, bis sich die Unia

einschaltete. Wir waren erst etwas er-staunt: Bis dahin gehörten die Gewerk-schaften für uns zu einer anderen Welt.» Die beiden Welten kamen sich jedoch rasch näher. «Bereits eine Woche später organisierte die Unia die erste Versamm-lung, an der 300 Personen teilnahmen. Die GewerkschafterInnen bewiesen da-bei viel Menschlichkeit und erläuterten klar, was die Unia für uns tun konnte. Die Professionalität der Gewerkschaft hat uns tief beeindruckt.»

«Am 24. April 2012, als der CEO von Merck Serono nach Genf kam, goss es in Strömen. Erst lobte er den Erfolg und In-

novationsgeist des Unternehmens in den höchsten Tönen, dann gab er bekannt, dass die Niederlassung in Genf ge-schlossen werde. Die Leute waren scho-ckiert. Viele weinten», erzählt Corinne Hagger. Die 1500 MitarbeiterInnen wur-den informiert, dass sie ihren Arbeitsplatz bis Ende Jahr verlieren würden. So auch Corinne Hagger. Die 56-jährige Wissen-schaftlerin ist seit 2006 bei Merck Sero-no mit der Erforschung neurodegenerati-ver Krankheiten beschäftigt: «Nun bin ich

hart erkämpfte ZugeständnisseIhre KollegInnen drängten Corinne Hag-ger, sich als Personalvertreterin zu enga-gieren. «Damit begann für mich ein span-nendes Abenteuer, bei dem ich mit MitarbeiterInnen in Kontakt kam, die ich zuvor kaum kannte.» Das Personal von Merck Serono organisierte mehrere De-monstrationen und sammelte 15 000 Un-terschriften für eine Petition. Doch die Firmenleitung verweigerte jegliche Ver-handlung. Deshalb traten die Beschäftig-ten am 12. Juni in einen Streik. Am 28. Juni verpflichtete die Genfer Kammer für kollektive Arbeitsbeziehungen, die sich auf Antrag des Genfer Regierungs-rates eingeschaltet hatte, die Konzernlei-tung zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Sozialplan. Dabei musste je-des Zugeständnis hart erkämpft werden. Schliesslich stimmte die Personalver-sammlung am 9. August einer Abschluss-vereinbarung zu. «Wir zogen es vor, die Vereinbarung zu akzeptieren statt das Ri-siko einzugehen, alles zu verlieren.»Der ausgehandelte Sozialplan enthält Verbesserungen wie eine Senkung des Frühpensionierungsalters oder die Zusa-ge von Merck Serono, die Einrichtung ei-nes Instituts für Biotechnologie in Genf zu unterstützen, wodurch möglicherweise 300 Arbeitsstellen erhalten bleiben.

Der Kampf geht weiterCorinne Hagger ist noch heute empört über das Verhalten des Konzerns: «Seit dem 24. April spricht Merck Serono nur noch über Geld. Ich habe das Wort ‚Pati-ent’ nie mehr gehört.» Doch sie ist froh, dass sie an dieser Mobilisierung mitwir-ken konnte. Und der Kampf geht weiter: «Die Personalversammlung hat beschlos-sen, sich für eine Mobilisierung auf natio-naler Ebene einzusetzen und für einen echten Schutz vor Massenentlassungen zu kämpfen.»

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«Ich bin überflüssig, weil meine Arbeit woanders kostengünstiger ist.»

Die Massenentlassungen haben Corinne Hagger motiviert, sich aktiv im Arbeitskampf zu engagieren.10

massen- entlassung2011 machte Merck Serono 12 Milliar-den Franken Gewinn. Trotzdem wird der Genfer Standort geschlossen.Text: Alexandre Mariéthoz, Foto: Robert Hofer

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Die 22-Jährige Thedevas Dushyanthi sitzt vor einem Berg getrocknetem Reis im Dorf Othiyamali, etwa 100 Kilometer südlich von Jaffna. Sie wurde im Alter von 18 Jahren von den Tamil Tigers (LTTE) zwangsrekrutiert, die im Bürger-krieg für die Unabhängigkeit der TamilIn-nen kämpften. Bei einem Beschuss in Jaffna verlor sie ihr linkes Bein und ihren rechten Fuss und wurde zehn Monate

lang von den Sicherheitskräften der Re-gierung gefangen gehalten.Heute steht Thedevas Dushyanthi wie-der auf eigenen Beinen. Einerseits mit-hilfe von Prothesen, und andererseits ist

sie dank der Unterstützung von Solidar selbständige Reisbäuerin. Sie ist für 1,5 Hektaren Land verantwortlich, die sie von ihren Eltern geerbt hat. Mit ihrem Einkommen sichert sie den Lebensun-terhalt für sich und ihren 17-jährigen Bruder.

neue Lebensgrundlage schaffenSolidar leistet Soforthilfe für Kriegsver-

triebene, die in ihre Dörfer zurückgekehrt sind. Nach einer Einführung erstellen die RückkehrerInnen einen Business-Plan für ein eige-nes Geschäft und erhalten einen Startbeitrag. Seit ihrer

Rückkehr im Jahr 2010 ist Thedevas Dushyanthi Mitglied des Frauenvereins und der BäuerInnenvereinigung in ihrem Dorf. Diese haben sie im Gebrauch von Spritzmaschinen, der Leitung und Durch-

führung von Projekten und in Buchhal-tung weitergebildet. «Die Landwirtschaft ist unsere traditionelle Existenzgrundla-ge, deshalb ist es wichtig, neue Techni-ken zu erlernen, um bessere Erträge zu erzielen und unsere Ausgaben möglichst tief zu halten», erläutert sie.

Gleichberechtigung als ZielIn den Weiterbildungen war auch Gleich-berechtigung ein Thema. Obwohl Frauen und Männer gleich viel arbeiten, sind die Löhne für Männer höher. Hinzu kommt, dass die Frauen zwar an den Gemeinde-versammlungen mitdiskutieren können – die wichtigen Entscheidungen werden aber meist von Männern gefällt.Mit ihrem jetzigen Leben ist Thedevas Dushyanthi zufrieden: «Ich habe einen Computerkurs in Jaffna besucht, aber ich möchte weiterhin auf dem Feld arbeiten. Damit kann ich die Ausbildung meines jüngeren Bruders unterstützen.»

«Es ist wichtig, neue Techni-ken zu erlernen, um bessere Erträge zu erzielen.»

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eine neueexistenz Thedevas Dushyanthi ist nach Ende des Krieges in Sri Lanka in ihr Dorf zurück- gekehrt und baut nun Reis an.Text: Christian Gemperli, Solidar Suisse, Foto: Solidar

Dank Ihrer Spende von 50 Franken kann eine zurückgekehrte Familie mit Saatgut und Werkzeug ausgestattet werden, um einen Gemüsegarten für ihren Eigenkonsum anzulegen und eine Man gelernährung der Kinder zu vermeiden.www.solidar.ch/fluechtlinge

Ihre spende wirkt

Trotz des Verlustes ihrer Füsse schafft es Thedevas Dushyanthi, ihren Lebens-unterhalt als Reisbäuerin zu bestreiten.

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sOLIDAR-REBus

SpielregelnWenn Sie die Bilder benennen und die neben den Bildern angegebenen Buchstaben streichen bzw. austauschen, ergibt sich das Lösungswort.

Schicken Sie das Lösungswort mit dem beiliegenden vorfrankierten Antwort-Talon, einer Postkarte oder per E-Mail an [email protected], Betreff: «Rätsel». Jede richtige Lösung nimmt an der Verlosung teil.

1. Preis Eine wattierte ePad-Hülle aus recycelten Velopneus und Jeans.

2. und 3. Preis Je ein USB-Stick mit 4 GB.

Der 1. Preis wird von der Werkstatt seMo des sAh Waadt und der 2. und 3. Preis vom sAh Zentralschweiz gestiftet.

Einsendeschluss ist der 20. Dezember 2012. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 1/2013 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse.

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 3/2012 lautete «Labour Radio». Die GewinnerInnen sind ausgelost: Katharina Oetiker-Tanner aus Zürich, Laurence Corbaz aus Pully und Christian Zaugg aus Obermumpf haben je ein handgewobenes Tuch aus Burkina Faso gewonnen. Wir danken den Mitspielenden für ihre Teilnahme und unserer burkinischen Partnerorganisation Association pour le Développement du Département d’Ipelcé für die gestifteten Preise.

EIn TEsTAMEnT änDERn

Es gibt immer wieder Gründe, ein Testament anzupassen: Neue Begünstigte werden aufgenommen, alte gestrichen, die einen sollen mehr, die anderen weniger erhalten. Das ist ganz leicht – wenn einige Regeln beachtet werden. Zum Beispiel, dass beim handschriftlichen Testament jede Ände-rung mit vollständigem Namen und Erstelldatum zu unter-zeichnen ist.

Im Merkblatt «Ein Testament ändern» finden Sie alle nötigen Informationen dazu. Sie können es mit dem beigelegten Service-Talon bestellen oder direkt bei Christof Hotz, Tele-fon 044 444 19 45, [email protected]

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Der Bürgerkrieg in Syrien hat seit März 2011 etwa 20 000 Todesopfer gefordert. Laut Uno befinden sich eineinhalb Millio-nen Menschen auf der Flucht. 300 000 haben die Grenzen zu den Nachbarstaa-ten Jordanien, Irak, Türkei und dem Liba-non überquert. Hier spitzt sich die Situa-tion in den Flüchtlingslagern zu. Das UNHCR geht von 80 000 syrischen Flüchtlingen im Libanon aus, die in ange-mieteten Zimmern in palästinensischen Flüchtlingslagern, in Garagen, illegalen Zeltcamps oder Moscheen leben. «Pro Raum sind bis zu 15 Personen unterge-bracht, die fast schon in Schichten schla-fen und essen», berichtete die Solidar-Mitarbeiterin Henriette Eppenberger, die Mitte Oktober vor Ort die Bedürfnisse für Nothilfe abklärte. «Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder und Jugend-

liche, auch viele Babys. Ich habe in mei-nem Leben noch nie so viele Neugebo-rene gesehen wie in den letzten Tagen.»

Prekäre Bedingungen Die Bedingungen der Flüchtlinge im Li-banon sind prekär – es fehlt an Nahrung und hygienischer Grundversorgung, ins-besondere für Neugeborene und Klein-kinder. Die Solidarität vor Ort ist gross: Viele junge AktivistInnen aus lokalen li-banesischen Organisationen leisten Frei-willigenarbeit. Die meisten von ihnen sind dafür aber nicht genügend ausgebildet.

Dringend benötigte hilfe Gemeinsam mit dem norwegischen Part-nerhilfswerk Norwegian People’s Aid (NPA) bietet Solidar den Flüchtlingen im Libanon dringend benötigte Hilfe: Le-

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humanitäre hilFe Für syrische Flüchtlinge

Solidar Suisse unterstützt syrische Flüchtlinge im Libanon. Denn die Not ist gross.Text: Christian Engeli, Foto: Henriette Eppenberger

bensmittel und Hygieneartikel werden verteilt; hinzu kommen spezielle Hilfspa-kete für Neugeborene, Frauen und Kin-der. Schulkinder sollen mithilfe von ge-spendetem Material so schnell wie möglich wieder Unterricht erhalten. Zudem werden Freiwillige, die sich um die Flüchtlinge kümmern, weitergebildet, damit sie die hohen Anforderungen ihres Einsatzes bewältigen können.

Die syrischen Flüchtlinge brauchen dringend unsere Unterstützung: Spen-denkonto 80-188-1 (Vermerk Nothilfe Syrien) oder online unter: www.solidar.ch/syrien

Ihre hilfe zählt

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Faire Beschaffung: Offener Brief ans ParlamentHalsabschneider-Löhne für NäherIn-nen, die Uniformen für den Schweizer Zivilschutz fertigen, Kinderarbeit für un-sere Pflastersteine, vergiftete Arbeite-rInnen, die unsere Computer montieren: Solidar Suisse fordert gemeinsam mit sieben anderen Hilfswerken, dass die öffentliche Hand beim Einkauf von Gü-tern endlich auf faire Arbeitsbedingun-gen achtet. Mit einem offenen Brief for-derten die NGOs Mitte September das

neue Existenz für Kriegs-vertriebene in sri Lanka Im September hat Solidar Suisse im Norden von Sri Lanka ein neues Pro-jekt zur Unterstützung von Kriegsver-triebenen gestartet. Es hilft 600 kürz-lich in ihre Dörfer zurückgekehrten Familien mittels Finanzhilfen und Bera-tung dabei, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Arme Familien bauen ge-gen Bezahlung die zerstörte Gemeinde-infrastruktur wieder auf und erhalten so ein dringend benötigtes Einkommen. Gleichzeitig verbessern sie die Lebens-bedingungen in der Gemeinde. Ausser-dem werden fünf Fischerei-Kooperati-ven mit Booten ausgestattet und in Organisationsentwicklung geschult. Das Projekt wird in enger Zusammen-arbeit mit dem Schweizerischen Roten Kreuz, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und mit Unterstützung der Glückskette durch-geführt. www.solidar.ch/existenz

unterstützung der sozial-partnerschaft in BulgarienIm Rahmen des schweizerischen Erwei-terungsbeitrages lanciert Solidar ge-mein sam mit dem bulgarischen Arbeits-ministerium ein Projekt zur Stärkung der Sozialpartnerschaft. In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, ArbeitgeberInnen und weiteren interessierten Kreis en soll

Parlament auf, in der anstehenden Revi-sion des Bundesgesetzes für öffentli-che Beschaffung griffige Regelungen einzubauen. Damit könnten längst über-fällige Sozial- und Nachhaltigkeitskrite-rien gesetzlich verankert werden. Zum Beispiel die Kernarbeitsnormen der In-ternationalen Arbeitsorganisation (IAO), wie es Solidar Suisse mit seiner Kam-pagne «Keine Ausbeutung mit unseren Steuergeldern» bereits seit fünf Jahren fordert. www.solidar.ch/kehrseite

nOTIZEn

Massaker in südafrika Am 16. August 2012 starben in Marika-na 34 ArbeiterInnen im Kugelhagel der Polizei, als diese eine Versammlung streikender MineurInnen des Bergbau-unternehmens Lonmin brutal auflöste. Weitere 78 wurden verletzt. Die Arbei-terInnen hatten eine massive Lohner-höhung von 4000 auf 12 500 Rand (ca. 1400 Franken) gefordert. Eine Unter-suchungskommission soll das Massa-ker von Marikana aufklären. Es ist das schlimmste Blutvergiessen seit dem Ende der Apartheid 1994.

Der Schweizer Rohstoffgigant Xstrata mit Sitz in Zug hält 25 Prozent der Akti-en an Lonmin, dem drittgrössten Platin-produzenten weltweit. Das Manage-ment hatte sich lange geweigert, Verhandlungen zu führen. Erst nach dem Massaker kam es zu Gesprächen. Mitte September einigten sich Konzern und Gewerkschaften auf eine 22-pro-zentige Lohnerhöhung. Nach den Er-eignissen von Marikana kam es auch in anderen Bergbauunternehmen Südafri-kas zu Streiks.www.solidar.ch/news

Post-it-FilmDer neuste Clip von Solidar Suisse ist im Internet bereits rund 10 000 Mal auf Deutsch und 4000 Mal auf Französisch angeklickt worden. Im kurzen Spot wer-den die Grundgedanken der Entwick-lungszusammenarbeit von Solidar an-hand von zahlreichen Post-it-Zetteln ein - drücklich visualisiert. Wer errät, wie viele Post-its es für den Kurzfilm brauchte, kann den Wettbewerb gewinnen. www.solidar.ch/film

die Verantwortung von Unternehmen gesteigert, die Lösung von Arbeitskon-flikten gefördert und die Arbeitssicher-heit verbessert werden. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt ist im Herbst 2012 gestartet. Solidar unterstützt die bulgarischen Partner bei der Umset-zung und bringt die schweizerische Er-fahrung der Sozialpartnerschaft ein.

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wisch und wegJeder 17. Haushalt im Kanton Zürich beschäftigt eine Hausarbeiterin ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Eine neue Studie schildert ihre prekären Lebensbedingungen. Text: Samira Marty

Sie sind Putzfrauen, Kinderbetreuerin-nen und Altenpflegerinnen: Fast aus-schliesslich Frauen, leben sie mitten un-ter uns und erledigen ihre Arbeit unbemerkt hinter Hausmauern, ständig auf der Hut, nicht verhaftet zu werden. Rund 8000 Sans-Papiers verrichten im Kanton Zürich Hausarbeit. Eine im Juli 2012 erschienene Studie (siehe Kasten) zeigt auf, wie ihr Ar-beitsalltag aussieht. Sie basiert auf Inter-views mit Hausarbeiterinnen und Arbeit-gebenden.

nachfrage löst Einwanderung ausSans-Papiers sind vor allem in Branchen tätig, wo eine grosse Nachfrage besteht,

die nicht durch SchweizerInnen oder EU-Angehörige abgedeckt wird – zum Bei-spiel in der Gastronomie, im Bau- und Sexgewerbe, in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten. Diese Versorgungs-lücke wird von MigrantInnen aus Latein-amerika, Asien und Osteuropa über-brückt.Weltweit arbeiten laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über 100 Millionen Menschen in Privat-haushalten, davon ein Grossteil mit ille-galem Aufenthaltsstatus. In der Schweiz gehen die Schätzungen zur Zahl der Sans-Papiers weit auseinander. Je nach Quelle wird von 70 000 bis 300 000 Personen ausgegangen.

Illegal sein heisst rechtlos seinDer Alltag der Hausarbeiterinnen ist von Ängsten und Unsicherheiten geprägt; nicht nur aufgrund des Risikos, von der Polizei entdeckt und ausgeschafft zu werden, sondern auch, weil sie die Ar-beitsstelle von heute auf morgen verlie-ren können. Denn wegen ihres illegalen Aufenthaltsstatus verfügen die Betroffe-nen über keinerlei Sicherheiten oder Ar-beitsverträge. Die Gefahr, schwer krank zu werden, ohne eine Krankenversiche-rung in der Schweiz zu besitzen, ist eben-falls eine grosse Belastung.

soziales netz als stützeDie Arbeitsvermittlung läuft über globale soziale Netzwerke. Der erste Kontakt mit den Arbeitgebenden in der Schweiz wird zum Beispiel durch eine Bekannte aus

derselben Herkunfts region hergestellt, die bereits in der Schweiz arbeitet.Nach der Migration in die Schweiz ge-winnen diese sozialen Beziehungen eine (über)lebenswichtige Bedeutung. So sagt die Putzfrau Clarice Z.: «Es ist sehr wichtig, Freunde zu haben. Vor allem hier, wo es so kalt ist.» Durch ihre Freund-schaften erfahren die Hausarbeiterinnen, welchen Lohn sie verlangen können, und entwickeln gemeinsam Strategien zur Alltagsbewältigung. Der Austausch hilft, ihre Rolle als passive Opfer zu überwin-

den und gegenüber ihren ArbeitgeberIn-nen selbstbewusster aufzutreten. «Klar ist es hart. Man ist immer recht kaputt. Der Job ist ja stets das Gleiche», meint Clarice Z. «Aber Gott sei Dank putze ich viele Häuser.»

«Wisch und Weg – Sans-Papiers-Hausarbeiterinnen zwischen Prekari-tät und Selbstbestimmung» von Sarah Schilliger (Universität Basel), Alex Knoll (Universität Fribourg) und Bea Schwager (Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich). Seismo Verlag 2012.

studie

KuLTuRELL 15

WischundWeg!Sans-Papiers-

Hausarbeiterinnen zwischen Prekarität und Selbstbestimmung

Alex Knoll Sarah SchilligerBea Schwager

«Klar ist es hart. Der Job ist ja stets das Gleiche.»

Illegalisierte HausarbeiterInnen haben keinerlei Sicherheit: Sie können jederzeit ausgeschafft oder entlassen werden.

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16 nETZWERK

sAh Zentralschweiz: Zehn Jahre co-Opera Am 4. September 2012 hat das Pro-gramm Migration Co-Opera des SAH Zentralschweiz in Luzern sein zehnjähri-ges Bestehen gefeiert. Mit Ausstellun-

gen und Installationen wurden die Ange-bote und Projekte für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen prä-sentiert. Einer der Höhepunkte war der offizielle Jubiläumsanlass mit Bundesrä-tin Simonetta Sommaruga. Sie tauschte sich mit Mitarbeiterinnen und Teilneh-mern aus, um sich über die konkrete In-tegrationsförderung zu informieren: «Ich möchte schliesslich an der Basis erfah-ren, wo der Schuh drückt», so Sommaru-ga. Co-Opera unterstützt Flüchtlinge bei der Arbeitssuche, bietet Sprach- und In-tegrationskurse an und führt verschie-dene Veranstaltungen durch.

sAh Zürich: neues Angebot für junge Flüchtlinge Das Programm «Anschluss» des SAH Zürich richtet sich an vorläufig Aufge-nommene und anerkannte Flüchtlinge im Alter von 16 bis 25 Jahren mit Wohn-sitz im Kanton Zürich. Die TeilnehmerIn-nen verfügen über keine oder keine in der Schweiz anerkannte Berufsausbil-dung und sprechen zum Teil wenig Deutsch. «Anschluss» fördert die beruf-liche Integration der jungen Frauen und Männer mit dem Ziel, eine Lehrstelle zu finden. Sie werden mit Begleitung und Beratung, der Abklärung ihrer Neigun-gen, Deutschförderung und Nachhilfe in schulischen Bereichen unterstützt.

Befristete Arbeitseinsätze und intensi-ves Bewerbungscoaching bereiten sie praktisch auf das Berufsleben vor. Das Programm wird im Auftrag der kantona-len Fachstelle für Integra tionsfragen betrieben.www.sah-zh.ch

im Rahmen einer Weihnachtsaktion je-weils rund 1000 Spielsachen, die wie-der wie neu aussehen, gratis an die Walliser Sozialdienste verteilt werden können. Seit einem Jahr werden die Spielsachen ausserdem in einem La-den wohltätigen Einrichtungen angebo-ten. Walliser Krippen und Ludotheken kommen auf diese Weise günstig zu Playmobils und Puzzles, die sie sich sonst nicht leisten könnten. www.oseo-vs.ch

Frauenpalaver zu sri Lanka«Die Stimme der Stimmlosen im Krieg in Sri Lanka»: Zu diesem Thema leitet die ehemalige sri-lankische Journalistin Rathika Thevakumar am 27. November um 19 Uhr ein Gespräch im Sentitreff an der Baselstrasse 21 in Luzern. Die Veranstaltung steht am Ende der Reihe Frauenpalaver mit dem Titel «Arbeit, Frau und Migration». Die gemeinsam von Schweizerinnen und Migrantinnen organisierte Veranstaltungsreihe des SAH Zentralschweiz strebt einen inter-kulturellen Austausch zwischen Frauen an, um den gegenseitigen Respekt zu fördern und Vorurteile abzubauen. www.sah-zs.ch

sportliches Zeichen gegen FremdenfeindlichkeitAm 11. Lauf gegen Rassismus nahmen Ende September 255 LäuferInnen teil – doppelt so viele wie letztes Jahr und ein absoluter Rekord. Sie legten insge-samt 1280 km zurück und erliefen den Rekordbetrag von rund 75 000 Franken für Projekte der Sans-Papiers-Anlauf-stelle Zürich, des SAH Zürich und der Autonomen Schule Zürich.Neben Prominenz – die Zürcher Stadt-präsidentin Corine Mauch, die Stadträt-Innen Gerold Lauber, Daniel Leupi und Claudia Nielsen sowie Nationalrat Balthasar Glättli – waren dieses Jahr auch diverse Teams vertreten: von den Gewerkschaften über Familien bis zu PinkCop, dem Verein der schwulen und lesbischen PolizistInnen der Schweiz. www.laufgegenrassismus.ch

sAh Wallis: neues Leben für alte spielsachen Das SAH Wallis sammelt alte Spielsa-chen und verhilft ihnen in seinen Werk-stätten zu neuem Leben. Die Objekte werden sortiert und repariert, sodass

In dieser Rubrik bieten wir Organisationen aus unseren netzwerken eine Plattform. In dieser nummer sind es neuigkeiten aus den sAh-Regionalvereinen, die in der schweiz Programme für Erwerbslose und MigrantInnen durchführen. Mit ihnen verbinden uns eine gemeinsame Geschichte und Trägerschaft.

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20 Jahre sAh WaadtZu Beginn der 1990er Jahre wurde die Schweiz von einer Wirtschaftskrise er-fasst. Im Kanton Waadt liess die Schliessung mehrerer Fabriken die Ar-beitslosenrate in die Höhe schnellen: von einem Prozent Ende der 1980er Jahre auf sieben Prozent im Juli 1993. Das SAH hatte damals soeben eine In-formationsstelle in Lausanne eröffnet und wurde angefragt, ob es den zahlrei-chen Erwerbslosen Unterstützung bie-ten könne. Am 22. April 1992 wurde die Section Régionale Vaud des SAH ge-gründet, am 1. Januar 2005 wurde sie zum eigenständigen SAH Waadt.Heute betreibt das SAH Waadt sieben Zentren im ganzen Kanton, die mit dem Arbeitsamt, dem Fürsorge- und Sozial-

amt, dem Jugendamt und der kantona-len IV-Stelle sowie mit über 500 Waadt-länder Unternehmen zusammenarbeiten.Das zwanzigjährige Jubiläum wurde mit verschiedenen Anlässen gefeiert. Am 28. und 29. September konnte sich die Bevölkerung an Tagen der offenen Tür über die vielfältigen Programme infor-mieren. An der offiziellen Feier vom 8. November nahmen Pierre-Yves Mail-lard, Präsident des Waadtländer Staats-rates, Laurent Baillif, Stadtpräsident von Vevey, sowie Toni Erb vom Seco teil.Ausserdem hat das SAH Waadt eine Publikation zu seiner zwanzigjährigen Geschichte herausgegeben und sich einen neuen Webauftritt gegönnt: www.oseo-vd.ch

sAh Bern: studie zur Inte - g ration am ArbeitsplatzIntegration ist Sache der Betroffenen, des Staates, der Zivilgesellschaft, aber auch und vor allem der Arbeitgeben-den. Das zeigt die Studie «Wirtschaft in der Verantwortung», die von der Migra-tions-Alliance des Kantons Bern, der das SAH Bern angehört, in Auftrag ge-geben wurde.Die vielen zugewanderten Fachkräfte bedeuten eine Herausforderung für die Schweizer KMU. Laut Studie ist es un-realistisch, dass der Staat allein die In-tegration der Angestellten übernimmt. Deshalb müssen die Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen und Inte-

gration am Arbeitsplatz fördern. Von ei-nem solchen Engagement können Schweizer Unternehmen nur profitieren – sei es kulturell oder durch einen Re-putationsgewinn, der den Werkplatz Schweiz stärkt.Im Kanton Bern ist der Handlungsbe-darf gross. Nur wenige der untersuch-ten Betriebe verfügen über Integrati-onskonzepte. Deshalb schildert die Studie positive Beispiele von Berner KMU, die zeigen, wie ausländische Fachkräfte erfolgreich integriert wer-den können. www.sah-be.ch/aktuell

Hans-Jürg FehrPräsident Solidar Suisse und SP-Nationalrat

Ein Hilfswerk wie Solidar Suisse be-treibt ein professionelles Fundraising. Wir gehen auf Privatpersonen, Stiftun-gen, Kantone und Gemeinden zu und ermuntern sie, unsere Entwicklungs-projekte mit einer Spende zu unterstüt-zen. Diese Spenden machen einen er-heblichen Teil unserer Einnahmen aus. Sie sind für uns unverzichtbar. Ich dan-ke sehr herzlich dafür, speziell auch Ih-nen, liebe Leserinnen und Leser der «Solidarität», denn Sie sind eine tragen-de Säule unserer Mittelbeschaffung. Das Fundraising führt uns aber nicht nur Geld zu, es hilft uns auch, unsere Tätigkeit in Entwicklungsländern der Schweizer Bevölkerung bekannt zu machen und bei ihr zu verankern. Jede Sammelaktion ist auch eine Informati-onskampagne und soll am praktischen Beispiel zeigen, wie wir Spenden ein-setzen. Es gibt Spenderinnen und Spender, die mein Dank nicht mehr er-reicht. Sie haben an uns gedacht, bevor sie starben. Sie haben Solidar im Tes-tament als Alleinerbin oder Miterbin ih-res kleinen oder grösseren Vermögens bestimmt. Sie haben vor ihrem Tod ent-schieden, dass ihr soziales Engage-ment länger dauern soll als ihr Leben. Natürlich waren sie uns vorher schon verbunden. Sie waren Mitglied von So-lidar oder gehörten zum grossen Kreis unserer Spenderinnen und Spender. Sie kannten und schätzten unser En-gagement. Sie unterstützten es zu Lebzeiten und hatten Vertrauen in uns. Sie wussten, dass ihr Geld bei uns gut aufgehoben ist. Sie haben investiert in Solidarität, die wirkt. Über den Tod hi-naus.

KOLUMNE

Über den Tod hinaus

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Frischer wind Für wandelBojana Bijelovic ist mit ihren 29 Jahren eine der jüngs-ten aktiven GewerkschafterInnen in Serbien. Sie gibt Vollgas beim Engagement für serbische Jugendliche. Text: Samira Marty, Bild: Cyrill Rogger

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«In der Schweiz ist es idyllischer als auf einer Postkarte», meint Bojana Bijelovic, als ich sie im Juni 2012 in Zürich treffe. Die junge Frau ist mit einer Delegation von VertreterInnen aus Jugendsektionen der serbischen Gewerkschaften für eine Woche in der Schweiz zu Besuch. Hier wollen sie sich mit der Schweizer Ge-werkschaftsjugend austauschen und über Zukunftsperspektiven für Serbien disku-tieren.Bojana Bijelovic wohnt mit ihrem Ehe-mann in der serbischen Hauptstadt Bel-grad. Sie ist in der Gewerkschaft Catus einerseits Präsidentin der Jugendsektion und andererseits in der Abteilung Inter-nationale Kontakte tätig (s. Kasten). «Das ist unser Fenster zur Welt», erklärt sie, «ich pflege Kontakte mit der Internatio-nalen Arbeitsorganisation (IAO), mit di-versen NGOs auf der ganzen Welt und

mit den serbischen Gewerkschaften. Mit der Unterstützung von Solidar Suisse setzt sich Catus für die Entwicklung des Sozialdialogs in Serbien ein: Wir fördern die Zusammenarbeit von Gewerkschaf-ten inner- und ausserhalb Serbiens und bauen so ein stabiles Netzwerk auf.»Ausserdem strebt Catus die Stärkung der Jugendsektionen an, um eine allmähliche Verjüngung der Gewerkschaftsmitglieder zu erreichen. Denn Bojana Bijelovic ist mit ihren 29 Jah-ren eher eine Ausnahme: «Die Leute sind immer positiv überrascht, wenn sie mich als Vertreterin von Catus kennen lernen. In serbischen Gewerkschaften sind nur wenige junge Frauen aktiv, unsere Funktionäre sind meist älter und männlich. Das möchte ich verändern.»

Jugendlichen eine Perspektive eröffnenDie Jugendarbeitslosigkeit von über 40 Prozent ist eines der Hauptprobleme Serbiens. Trotz dieser schwierigen Vor-aussetzung auf dem Arbeitsmarkt serbi-schen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten, sie dazu zu bewegen, nicht nur für sich, sondern für die Gemeinschaft zu ar-beiten, das ist Bojana Bijelovics grösste Motivation: «In Serbien gibt es ein Sprich-wort, das besagt: Wer nichts tut, wird nichts verändern. Das ist meine Lebens-philosophie. Daran denke ich jeden Mor-gen, wenn ich zur Arbeit fahre.»

Optimistisch in die ZukunftBojana Bijelovic war bereits während ih-rer musikalischen Grundausbildung viel-seitig engagiert: unter anderem in einem Bücherladen, in einer lokalen NGO, die sich für nachhaltige Entwicklung einsetzt, und bei einer ehrenamtlichen Stelle für StudentInnenaustausch. Dennoch ist sie keine Workaholic: «Meine Mutter hat mir und meiner Schwester immer eingebläut, dass es nicht nur Karriere gibt, sondern dass soziale Kontakte mit FreundInnen und Familie auch wichtig sind.» So spannt Bojana nach Feierabend gerne bei einem

Spaziergang in der Natur aus oder kocht für ihre FreundInnen.Viele junge SerbInnen können Arbeit und Freizeit kaum ausgeglichen gestalten – so sie denn eine Stelle haben. Am Ar-beitsplatz sind sie hohen Belastungen ausgesetzt, weil die Arbeitgebenden we-gen der hohen Arbeitslosigkeit den Ein-

druck haben, sie könnten ruckzuck eine neue, bessere Arbeitskraft einstellen, die bereit ist, ihr Leben gänzlich der Arbeits-stelle unterzuordnen. Frauen übernehmen nach wie vor ten-denziell eher häusliche Aufgaben oder sind im informellen Sektor tätig. Bojana Bijelovic bedauert dies und ist zuver-sichtlich, dass sich in Zukunft einiges ändern wird: «Inzwischen haben prozen-tual mehr junge Frauen als junge Männer eine höhere Ausbildung und sind sehr motiviert, sich und die Situation in Serbi-en zu verändern – so wie ich», meint sie und schmunzelt.

Solidar Suisse setzt sich in Serbien für den Sozialdialog ein, um die Einhaltung der Arbeitsrechte zu verstärken, das Klima für eine wirtschaftliche Entwick-lung zu verbessern und die Arbeitslo-sigkeit zu reduzieren. Eine Vorausset-zung dafür sind starke Sozialpartner. Die Unterstützung der Jugendsektio-nen der beiden grössten Gewerk-schaftsverbände ist dabei ein wichtiger Aspekt. Mit Weiterbildung, Kampagnen und Studien wurde erreicht, dass die Anliegen von jungen ArbeitnehmerIn-nen und Arbeitslosen innerhalb der Gewerkschaften, in Politik und Wirt-schaft mehr Beachtung erlangt haben.

von Jugendlichen

stärkung der Anliegen

Bojana Bijelovic setzt sich dafür ein, dass Jugendliche in Serbien eine Perspektive

erhalten und Frauen qualifizierte Arbeit ausüben.

EInBLIcK 19

«Meine Arbeit öffnet der Gewerkschaft ein Fenster zur Welt.»

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… eine nähmaschine, damit in Sri Lanka eine Familie in ihrem Dorf eine Schneiderei einrichten kann.

… eine Radiosendung, um die Zuckerrohrarbeiter in Bolivien über ihre Rechte zu informieren.

… eine hühnerschar, die einer Familie in Burkina Faso die Existenz sichert.

• TragenSieaufdembeiliegendenvorfrankiertenAntwort-Talon oder unter www.solidar.ch/geschenkkarte Ihre Bestellung ein.

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