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2011-01-27/21:03:35/schichtleiter Schwarze Milch zur fünften Stunde Paul Celans „Todesfuge“ am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus: Welche Lehren Schüler aus der Vergangenheit ziehen Von Johannes Hauser Ingolstadt (DK) Mit einer ein- drücklichen Performance haben Schüler der Ludwig-Fronhofer- Realschule gestern den „Ge- denktag für die Opfer des Natio- nalsozialismus“ begangen. Es war die zentrale Veranstaltung mit Vertreten von Stadt, Kirche und Verbänden. Als roter Faden zog sich dabei Paul Celans „To- desfuge“ durchs Programm. Vier mal wurde aus dem Gedicht rezitiert, in dem Celan den Tod seiner von den Nazis ermorde- ten Eltern verarbeitet. Die Neuntklässler hatten ihren Auftritt in den ehemaligen Fahrradkeller des Schulzen- trums verlegt. Auf dem Weg dorthin wurden die Gäste von schwarz gekleideten Schülern flankiert. Trommelwirbel und martialische anmutendes „Wachpersonal“ sorgten für eine beklemmende Stimmung in dem dunklen Betonbau. Tänzerisch stellten Schüle- rinnen der 9b/d zunächst die Entwicklung des vermeintlich friedvollen jüdischen Lebens hin zu Verfolgung und Vernich- tung während der Nazi-Diktatur nach. Die 9d verarbeitete ihre Eindrücke eines Besuchs des Konzentrationslagers Dachau in Fotos und Bildern, Dominik Neubauer intonierte das Lied „Ein Koffer spricht“, der israe- lisch-stämmigen Liedermache- rin Nizza Thobi. Bemerkenswert war, dass sich die Jugendlichen nicht darauf beschränkten, die Gräuel der Vergangenheit zu thematisie- ren. Sie verbanden ihre Vorstel- lung mit konkreten Forderun- gen an die Gegenwart. „Gedenken ist ein Moment, Nachdenken ist ein Prozess“, hieß es in einer Laufschrift, die die Schüler über ihre „Denkbil- der“ auf der Leinwand projizier- ten. Mobbing, Missbrauch, Fol- ter und Fremdenfeindlichkeit erfordern Zivilcourage und ver- antwortungsvolles Handeln. „Nie wieder“, lautete die Essenz der 45-minütigen Vorstellung. Schweigend wurden die Be- sucher schließlich in den Musik- saal geleitet, in dem die Schüler eine Ausstellung über die Ingol- städter Opfer des Nationalsozia- lismus aufgebaut hatten. (sic) In unserer beliebten Rei- he „Von Gaimersheim fürs Le- ben lernen“ geht es heute um das Schaufeln. Wir spielen da- mit natürlich nicht auf diese Geschichte mit der Nordumge- hung an. Damals, im August 2008, als sieben Honoratioren zum feierlichen ersten Spaten- stich für das Gemeinschafts- projekt schritten, bis ihre Zahl auf sechs schrumpfte, weil Gai- mersheims Bürgermeisterin An- drea Mickel, ganz neu im Amt, überraschend umkehren muss- te; für die junge Sozialdemokra- tin und einzige Frau in der Run- de hatte niemand einen Spaten vorgesehen – was natürlich nur ein bedauerlicher Zufall war. Nein, diesmal geht es um das Schneeschaufeln. In dieser An- gelegenheit hat uns gestern die Nachricht eines Lesers aus Gai- mersheim erreicht, der ein Pro- blem von nahezu philosophi- scher Tiefe aufwirft. Er schreibt: „Nachdem die Gaimersheimer Bürgermeisterin uns Bürger wie- derholt aufgefordert hat, den Neuschnee nicht auf die Straße zu räumen, sondern auf unse- ren Grundstücken abzuladen, stelle ich mir die Frage: Wem gehört nun der Schnee auf dem Gehweg?“ Schließlich, so führt er weiter aus, „sagt die Gemein- deordnung aus, dass wir Bür- ger den Gehweg verkehrssicher freizuhalten haben. Aber wer- den wir damit auch gleichzeitig Eigentümer der Schneemengen und sind damit auch zur Ent- sorgung verpflichtet?“ So weit die Stimme Gaimers- heims. Doch da dieses Problem ortsunabhängig drängt, geben wir die Frage an alle weiter: Na? Wie schaut’s aus. Kommen wir nun unserer Bürgerpflicht nach, wenn wir das ganze Zeug nach dem Motto „Verkehrssicherheit geht vor“ den Nachbarn in den Garten schaufeln? Oder müssen wir gemäß der Devise „Basisde- mokratie beginnt vor der eige- nen Haustür“ beim morgendli- chen, von peniblen Mitbürgern beäugten Leistungsschaufeln in der eigenen Einfahrt Schnee an- häufen (um ihn dann spät am Abend heimlich in hohem Bo- gen über den Zaun zu schmei- ßen)? Fragen über Fragen. Es kommt noch besser: Was ist eigentlich, wenn gar keiner räumt? Wem gehört der Schnee dann? Oder dürfte ihn der Win- terdienst, so vorhanden, theo- retisch mitnehmen und behal- ten? Und was passiert, wenn sich Nachbarn um Schnee strei- ten, weil ihn beide beanspru- chen? Hat sich darüber schon mal einer Gedanken gemacht? Vielleicht bekommt ja jeder, der die Antworten weiß, zum Dank eine Schneeschaufel aus Gaimersheim. Von der Bürger- meisterin handsigniert. LOKALES Ingolstädter Zeitung Seite 19, DK Nr. 22, Freitag, 28. Januar 2011 Beklemmende Erinnerung: Tänzerisch stellten Schülerinnen der 9. Klasse an der Fronhofer Realschule das Schicksal der Juden während des Nationalsozialismus nach. Foto: Rössle Heute gilt’s (I): Deshalb stellt die Stadt dem Lokal ein Ultimatum Heute gilt’s (II): Deshalb drücken andere Wirte dem Lokal die Daumen Ingolstadt (jhh) Die Wirte in der Innenstadt verfolgen die Diskussion um den Eiskeller mit Sorge. So mancher fürchtet ähn- lichen Ärger, wie er jetzt Claus Bechmann ins Haus steht. Der hat sich auf den heutigen Be- such des Bauordnungsamtes nicht besonders vorbereitet. „Ich habe alles getan, was ich akzeptieren kann“, sagt er. Die Tanzfläche ist verschwunden, die Musiklautstärke reduziert. Die ohnehin schon verkleinerte Anlage wird aber stehen blei- ben. „Darauf lasse ich es an- kommen. Wenn mir mein An- walt nicht dringend etwas ande- res rät.“ Außerdem wird er am Abend wieder einen Kollegen an die Plattenteller stellen. Den Begriff „DJ“ vermeidet er. „Es könnte sein, dass sie mir die Sache stilllegen“, argwöhnt Bechmann. Er sehe jedoch nicht ein, „dass das alles nur für mich gelten soll“. Discjockeys seien in vielen Gaststätten und Bars der Stadt Standard. „Dort muss man das dann auch machen.“ Besorgte Beobachter „Dann müssten sie 80 Prozent der Läden in der Innenstadt dicht machen“, schätzt ein Alt- stadtwirt, der anonym bleiben möchte. Auch bei ihm wird auf- gelegt. „Ein Endlosband interes- siert keinen mehr. Es sind im- mer mehr Studenten in der Stadt. Wir müssen attraktiv bleiben“, mahnt er. „Der Eiskeller gehört nach In- golstadt“, betont Sandra Buck, die Inhaberin des Suxul. „Ich wünsche dem Claus gute Ner- ven.“ Sie hat Erfahrung, was Auseinandersetzungen mit der Stadt betrifft. Seit rund einein- halb Monaten wird das Suxul als „Versammlungsstätte“ und „Club“ geführt. Discjockeys sind hier erlaubt. Angst um das Suxul muss Buck deswegen nicht ha- ben, sie treibt eine andere Sorge: „Mein Gefühl ist, dass die Stadt alles, was neu oder für Jugendli- che ist, aus der Innenstadt raus haben will. Es fehlt nur noch, dass hier abends die Heuballen durch die Straßen wehen.“ „Der Willkür ausgeliefert“ Eugen Hoffart ist Betreiber des Maki-Clubs. Der wurde stets als „Diskothek“ geführt. Eine „Absicherung“, wie er erklärt. Als „Club“ oder „Musikcafé“, sei ihm die Gefahr zu groß, „dass uns einer in die Suppe spuckt“. Den Eiskeller sieht Hoffart weniger als Konkurrenz, denn als wichtigen Teil des hiesigen Nachtlebens. Selbstverständ- lich müssten Vorlagen eingehal- ten werden. Wenn die drohende Schließung des Eiskellers aller- dings eine „politische Entschei- dung“ sei, könne man schon Angst bekommen. „Dann sind die Wirte der Innenstadt der Willkür ausgeliefert.“ Behörde dreht Eiskeller den Ton ab Ingolstadt (hri) Es ist ein Lo- kaltermin im wörtlichen Sinn: Das Bauordnungsamt ist heute im Eiskeller an der Jesuiten- straße zu Gast. Für Betreiber Claus Bechmann geht es um al- les oder nichts, um die Frage, ob er seinen Laden dicht ma- chen muss. Für eine Disco gibt es keine Genehmigung, und eine solche hatte er bisher be- trieben. Nun hat er die Räume zum Musikcafé umgestaltet, um die Auflagen der Stadt zu erfüllen. Doch die Verwaltung möchte ihm jetzt die Lautspre- cherstecker endgültig ziehen. Café ja, Musik – außer vielleicht dezent im Hintergrund – nein, lautet die Ansage. „Das macht ihm das Geschäft total kaputt“, urteilt Rechtsanwalt Hans Nüsslein. Er vertritt Bechmann in der Sache. Und versteht den ganzen Vorgang nicht. Musik unzulässig Juristisch bezieht sich das Bauordnungsamt auf eine Ge- nehmigung von 1997 für den Betrieb eines Cafés mit mögli- cher Erweiterung zum Musik- café, wobei vorher ein Lärm- gutachten einzureichen sei. „Das haben wir bis heute nicht bekommen“, nimmt Stadtspre- cher Gerd Treffer Stellung. „Tatsache ist, dass sich das Lo- kal schleichend in Richtung Diskothek entwickelt hat.“ Die Option Musikcafé ist laut Bau- ordnungsamt inzwischen eben- falls passé, weil die bauliche Fertigstellung des Lokals erst im August 1998 erfolgte und die Geltungsdauer der ur- sprünglichen Genehmigung damit überschritten sei. Gutachten mangelhaft? „Ich verstehe nicht, warum der ursprüngliche Bescheid plötzlich nicht mehr gelten soll“, sagt Rechtsanwalt Nüss- lein. „Mein Mandant hat die Tanzfläche mit Tischen und Stühlen zugemacht, das große DJ-Pult ist entfernt, und die an die Musikanlage gekoppelten Lichteffekte sind ebenfalls ab- gestellt. Aus unserer Sicht ha- ben wir alle Auflagen erfüllt.“ Zum Beispiel die der maxima- len Besucherzahl von 199. Und auch das geforderte Lärmgut- achten gibt es. Betreiber Bech- mann hatte eine solche Unter- suchung im vergangenen Ok- tober in Auftrag gegeben und der Stadtverwaltung zukom- men lassen. Dazu ließ das Bauordnungsamt jetzt wissen: „Der uns von Ihnen vorgelegte Messbericht... erfüllt, nach Rücksprache mit unserem Um- weltamt, nicht den an eine Bauakustikmessung gestellten Forderungen.“ Bechmann hat- te seinen Gutachter dazu noch einmal befragt und die Aus- kunft erhalten, dass die Nor- men sehr wohl erfüllt seien. Ende vom Lied? Nur für das Foto baute Claus Bechmann gestern kurz seine Musikanlage im Eiskeller ab. „Wir machen weiter wie bisher“, betont er – wenn ihn das Bauordnungsamt lässt. Foto: Rössle AUF EIN WORT... . . . heute mit Michael Mundt alias DJ Mighty Mike, der seit sechs Jahren regelmäßig im Eiskeller für die Musik ge- sorgt hat. Was würde es in Ihren Augen für die Altstadt be- deuten, wenn es den Eiskel- ler in seiner bisherigen Form nicht mehr gäbe? Ich finde, dass der Stadt damit ein Wahrzeichen im Nachtleben genommen wird. Das wird besonders das Pu- blikum zwischen 18 und 30 Jahren treffen. Im Eiskeller ist, anders als im Maki-Club und Suxul, überwiegend Mainstream-Musik aufgelegt worden, also Stücke, die aus den Charts bekannt sind. Wie ist die Stim- mung in der Szene angesichts der aktuel- len Ent- wicklung? Es gibt großes Bedauern. Viele fin- den, dass da ganz schön übertrieben wird. Ohne jetzt alle Hintergründe zu kennen, habe ich den Eindruck, dass die Stadt überhaupt nicht mit sich reden lässt. Immer noch mehr Auflagen. Da stellt sich schon die Frage: In welche Richtung möchte sie gehen? Klar haben auch die Nach- barn und Anlieger Rechte, aber es muss für die Stadt ebenso von Interesse sein, ein attraktives Nachtleben zu bieten. Wir haben hier viele Studenten, die erwarten ein Angebot. Wenn in der Innen- stadt nichts mehr los ist, krie- gen wir wieder ein ganz an- deres Problem. Dann fahren die Leute raus in die Loca- tions im Umland, und wir haben Alkoholfahrten und andere Auswüchse. hri Fragen, Beschwerden, Anregungen? Heute zwischen 13 und 14 Uhr für Sie am Telefon: Silvia Obster Lokalredaktion 0841-885607-22

Schwarze Milch zur fünften Stunde

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Tänzerisch stellten Schülerinnen der 9b/d zunächst die Entwicklung des vermeintlich friedvollen jüdischen Lebens hin zu Verfolgung und Vernichtung während der Nazi-Diktatur nach. Die 9d verarbeitete ihre Eindrücke eines Besuchs des Konzentrationslagers Dachau in Fotos und Bildern, Dominik Neubauer intonierte das Lied „Ein Koffer spricht“, der israelisch- stämmigen Liedermacherin Nizza Thobi. LOKALES Ingolstädter Zeitung Seite 19,DKNr. 22, Freitag, 28. Januar 2011 von Von Johannes Hauser

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Schwarze Milch zur fünften StundePaul Celans „Todesfuge“ am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus: Welche Lehren Schüler aus der Vergangenheit ziehen

Von Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Mit einer ein-drücklichen Performance habenSchüler der Ludwig-Fronhofer-Realschule gestern den „Ge-denktag für die Opfer des Natio-nalsozialismus“ begangen. Eswar die zentrale Veranstaltungmit Vertreten von Stadt, Kircheund Verbänden. Als roter Fadenzog sich dabei Paul Celans „To-desfuge“ durchs Programm.Vier mal wurde aus dem Gedichtrezitiert, in dem Celan den Todseiner von den Nazis ermorde-ten Eltern verarbeitet.

Die Neuntklässler hattenihren Auftritt in den ehemaligenFahrradkeller des Schulzen-trums verlegt. Auf dem Wegdorthin wurden die Gäste von

schwarz gekleideten Schülernflankiert. Trommelwirbel undmartialische anmutendes„Wachpersonal“ sorgten füreine beklemmende Stimmungin dem dunklen Betonbau.

Tänzerisch stellten Schüle-rinnen der 9b/d zunächst dieEntwicklung des vermeintlichfriedvollen jüdischen Lebenshin zu Verfolgung und Vernich-tung während der Nazi-Diktaturnach. Die 9d verarbeitete ihreEindrücke eines Besuchs desKonzentrationslagers Dachau inFotos und Bildern, DominikNeubauer intonierte das Lied„Ein Koffer spricht“, der israe-lisch-stämmigen Liedermache-rin Nizza Thobi.

Bemerkenswert war, dass sichdie Jugendlichen nicht darauf

beschränkten, die Gräuel derVergangenheit zu thematisie-ren. Sie verbanden ihre Vorstel-lung mit konkreten Forderun-gen an die Gegenwart.

„Gedenken ist ein Moment,Nachdenken ist ein Prozess“,hieß es in einer Laufschrift, diedie Schüler über ihre „Denkbil-der“ auf der Leinwand projizier-ten. Mobbing, Missbrauch, Fol-ter und Fremdenfeindlichkeiterfordern Zivilcourage und ver-antwortungsvolles Handeln.„Nie wieder“, lautete die Essenzder 45-minütigen Vorstellung.

Schweigend wurden die Be-sucher schließlich in den Musik-saal geleitet, in dem die Schülereine Ausstellung über die Ingol-städter Opfer des Nationalsozia-lismus aufgebaut hatten.

(sic) In unserer beliebten Rei-he „Von Gaimersheim fürs Le-ben lernen“ geht es heute umdas Schaufeln. Wir spielen da-mit natürlich nicht auf dieseGeschichte mit der Nordumge-hung an. Damals, im August2008, als sieben Honoratiorenzum feierlichen ersten Spaten-stich für das Gemeinschafts-projekt schritten, bis ihre Zahlauf sechs schrumpfte, weil Gai-mersheims Bürgermeisterin An-drea Mickel, ganz neu im Amt,überraschend umkehren muss-te; für die junge Sozialdemokra-tin und einzige Frau in der Run-de hatte niemand einen Spatenvorgesehen – was natürlich nurein bedauerlicher Zufall war.

Nein, diesmal geht es um dasSchneeschaufeln. In dieser An-gelegenheit hat uns gestern dieNachricht eines Lesers aus Gai-mersheim erreicht, der ein Pro-blem von nahezu philosophi-scher Tiefe aufwirft. Er schreibt:„Nachdem die GaimersheimerBürgermeisterin uns Bürger wie-derholt aufgefordert hat, denNeuschnee nicht auf die Straßezu räumen, sondern auf unse-ren Grundstücken abzuladen,stelle ich mir die Frage: Wemgehört nun der Schnee auf demGehweg?“ Schließlich, so führter weiter aus, „sagt die Gemein-deordnung aus, dass wir Bür-ger den Gehweg verkehrssicherfreizuhalten haben. Aber wer-den wir damit auch gleichzeitigEigentümer der Schneemengenund sind damit auch zur Ent-sorgung verpflichtet?“

So weit die Stimme Gaimers-heims. Doch da dieses Problemortsunabhängig drängt, gebenwir die Frage an alle weiter: Na?Wie schaut’s aus. Kommen wirnun unserer Bürgerpflicht nach,wenn wir das ganze Zeug nachdem Motto „Verkehrssicherheitgeht vor“ den Nachbarn in denGarten schaufeln? Oder müssenwir gemäß der Devise „Basisde-mokratie beginnt vor der eige-nen Haustür“ beim morgendli-chen, von peniblen Mitbürgernbeäugten Leistungsschaufeln inder eigenen Einfahrt Schnee an-häufen (um ihn dann spät amAbend heimlich in hohem Bo-gen über den Zaun zu schmei-ßen)? Fragen über Fragen.

Es kommt noch besser: Wasist eigentlich, wenn gar keinerräumt? Wem gehört der Schneedann? Oder dürfte ihn der Win-terdienst, so vorhanden, theo-retisch mitnehmen und behal-ten? Und was passiert, wennsich Nachbarn um Schnee strei-ten, weil ihn beide beanspru-chen? Hat sich darüber schonmal einer Gedanken gemacht?

Vielleicht bekommt ja jeder,der die Antworten weiß, zumDank eine Schneeschaufel ausGaimersheim. Von der Bürger-meisterin handsigniert.

LOKALES IngolstädterZeitung Seite 19, DK Nr. 22, Freitag, 28. Januar 2011

Beklemmende Erinnerung: Tänzerisch stellten Schülerinnen der 9. Klasse an der Fronhofer Realschuledas Schicksal der Juden während des Nationalsozialismus nach. Foto: Rössle

Heute gilt’s (I):Deshalb stellt dieStadt dem Lokalein Ultimatum

Heute gilt’s (II):Deshalb drückenandere Wirte demLokal die DaumenIngolstadt (jhh) Die Wirte in

der Innenstadt verfolgen dieDiskussion um den Eiskeller mitSorge. So mancher fürchtet ähn-lichen Ärger, wie er jetzt ClausBechmann ins Haus steht. Derhat sich auf den heutigen Be-such des Bauordnungsamtesnicht besonders vorbereitet.„Ich habe alles getan, was ichakzeptieren kann“, sagt er. DieTanzfläche ist verschwunden,die Musiklautstärke reduziert.Die ohnehin schon verkleinerteAnlage wird aber stehen blei-ben. „Darauf lasse ich es an-kommen. Wenn mir mein An-walt nicht dringend etwas ande-res rät.“ Außerdem wird er amAbend wieder einen Kollegen andie Plattenteller stellen. DenBegriff „DJ“ vermeidet er.

„Es könnte sein, dass sie mirdie Sache stilllegen“, argwöhntBechmann. Er sehe jedoch nichtein, „dass das alles nur für michgelten soll“. Discjockeys seien invielen Gaststätten und Bars derStadt Standard. „Dort muss mandas dann auch machen.“

Besorgte Beobachter

„Dann müssten sie 80 Prozentder Läden in der Innenstadtdicht machen“, schätzt ein Alt-stadtwirt, der anonym bleibenmöchte. Auch bei ihm wird auf-gelegt. „Ein Endlosband interes-siert keinen mehr. Es sind im-mer mehr Studenten in derStadt. Wir müssen attraktivbleiben“, mahnt er.

„Der Eiskeller gehört nach In-golstadt“, betont Sandra Buck,die Inhaberin des Suxul. „Ichwünsche dem Claus gute Ner-ven.“ Sie hat Erfahrung, wasAuseinandersetzungen mit derStadt betrifft. Seit rund einein-halb Monaten wird das Suxul als„Versammlungsstätte“ und„Club“ geführt. Discjockeys sindhier erlaubt. Angst um das Suxulmuss Buck deswegen nicht ha-ben, sie treibt eine andere Sorge:„Mein Gefühl ist, dass die Stadtalles, was neu oder für Jugendli-che ist, aus der Innenstadt raushaben will. Es fehlt nur noch,dass hier abends die Heuballendurch die Straßen wehen.“

„Der Willkür ausgeliefert“

Eugen Hoffart ist Betreiberdes Maki-Clubs. Der wurde stetsals „Diskothek“ geführt. Eine„Absicherung“, wie er erklärt.Als „Club“ oder „Musikcafé“, seiihm die Gefahr zu groß, „dassuns einer in die Suppe spuckt“.

Den Eiskeller sieht Hoffartweniger als Konkurrenz, dennals wichtigen Teil des hiesigenNachtlebens. Selbstverständ-lich müssten Vorlagen eingehal-ten werden. Wenn die drohendeSchließung des Eiskellers aller-dings eine „politische Entschei-dung“ sei, könne man schonAngst bekommen. „Dann sinddie Wirte der Innenstadt derWillkür ausgeliefert.“

Behörde dreht Eiskeller den Ton ab

Ingolstadt (hri) Es ist ein Lo-kaltermin im wörtlichen Sinn:Das Bauordnungsamt ist heuteim Eiskeller an der Jesuiten-straße zu Gast. Für BetreiberClaus Bechmann geht es um al-les oder nichts, um die Frage,ob er seinen Laden dicht ma-chen muss. Für eine Disco gibtes keine Genehmigung, undeine solche hatte er bisher be-trieben. Nun hat er die Räumezum Musikcafé umgestaltet,um die Auflagen der Stadt zuerfüllen. Doch die Verwaltungmöchte ihm jetzt die Lautspre-cherstecker endgültig ziehen.Café ja, Musik – außer vielleichtdezent im Hintergrund – nein,lautet die Ansage. „Das machtihm das Geschäft total kaputt“,urteilt Rechtsanwalt HansNüsslein. Er vertritt Bechmannin der Sache. Und versteht denganzen Vorgang nicht.

Musik unzulässig

Juristisch bezieht sich dasBauordnungsamt auf eine Ge-nehmigung von 1997 für denBetrieb eines Cafés mit mögli-cher Erweiterung zum Musik-café, wobei vorher ein Lärm-gutachten einzureichen sei.„Das haben wir bis heute nichtbekommen“, nimmt Stadtspre-cher Gerd Treffer Stellung.„Tatsache ist, dass sich das Lo-kal schleichend in RichtungDiskothek entwickelt hat.“ DieOption Musikcafé ist laut Bau-ordnungsamt inzwischen eben-falls passé, weil die baulicheFertigstellung des Lokals erstim August 1998 erfolgte unddie Geltungsdauer der ur-sprünglichen Genehmigungdamit überschritten sei.

Gutachten mangelhaft?

„Ich verstehe nicht, warumder ursprüngliche Bescheidplötzlich nicht mehr geltensoll“, sagt Rechtsanwalt Nüss-lein. „Mein Mandant hat dieTanzfläche mit Tischen undStühlen zugemacht, das großeDJ-Pult ist entfernt, und die andie Musikanlage gekoppeltenLichteffekte sind ebenfalls ab-gestellt. Aus unserer Sicht ha-ben wir alle Auflagen erfüllt.“Zum Beispiel die der maxima-len Besucherzahl von 199. Undauch das geforderte Lärmgut-achten gibt es. Betreiber Bech-mann hatte eine solche Unter-suchung im vergangenen Ok-tober in Auftrag gegeben undder Stadtverwaltung zukom-men lassen. Dazu ließ dasBauordnungsamt jetzt wissen:„Der uns von Ihnen vorgelegteMessbericht . . . erfüllt, nachRücksprache mit unserem Um-weltamt, nicht den an eineBauakustikmessung gestelltenForderungen.“ Bechmann hat-te seinen Gutachter dazu nocheinmal befragt und die Aus-kunft erhalten, dass die Nor-men sehr wohl erfüllt seien.

Ende vom Lied? Nur für das Foto baute Claus Bechmann gestern kurz seine Musikanlage im Eiskellerab. „Wir machen weiter wie bisher“, betont er – wenn ihn das Bauordnungsamt lässt. Foto: Rössle

A U F E I N W O R T . . .

. . . heute mit Michael Mundtalias DJ Mighty Mike, der seitsechs Jahren regelmäßig imEiskeller für die Musik ge-sorgt hat.

Was würde es in IhrenAugen für die Altstadt be-deuten, wenn es den Eiskel-ler in seiner bisherigenForm nicht mehr gäbe?

Ich finde, dass der Stadtdamit ein Wahrzeichen imNachtleben genommen wird.Das wird besonders das Pu-blikum zwischen 18 und 30Jahren treffen. Im Eiskellerist, anders als im Maki-Clubund Suxul, überwiegend

Mainstream-Musik aufgelegtworden, also Stücke, die ausden Charts bekannt sind.

Wie istdie Stim-mung inder Szeneangesichtsder aktuel-len Ent-wicklung?

Es gibtgroßes Bedauern. Viele fin-den, dass da ganz schönübertrieben wird. Ohne jetztalle Hintergründe zu kennen,habe ich den Eindruck, dassdie Stadt überhaupt nicht mit

sich reden lässt. Immer nochmehr Auflagen. Da stellt sichschon die Frage: In welcheRichtung möchte sie gehen?Klar haben auch die Nach-barn und Anlieger Rechte,aber es muss für die Stadtebenso von Interesse sein,ein attraktives Nachtleben zubieten. Wir haben hier vieleStudenten, die erwarten einAngebot. Wenn in der Innen-stadt nichts mehr los ist, krie-gen wir wieder ein ganz an-deres Problem. Dann fahrendie Leute raus in die Loca-tions im Umland, und wirhaben Alkoholfahrten undandere Auswüchse. hri

Fragen,Beschwerden,Anregungen?

Heute zwischen13 und 14 Uhr fürSie am Telefon:

Silvia ObsterLokalredaktion

!0841-885607-22

Nizza
Rechteck
in dem dunklen Betonbau. Tänzerisch stellten Schülerinnen der 9b/d zunächst die Entwicklung des vermeintlich friedvollen jüdischen Lebens hin zu Verfolgung und Vernichtung während der Nazi-Diktatur nach. Die 9d verarbeitete ihre Eindrücke eines Besuchs des Konzentrationslagers Dachau in Fotos und Bildern, Dominik Neubauer intonierte das Lied „Ein Koffer spricht“, der israelisch- stämmigen Liedermacherin Nizza Thobi. Bemerkenswert war, dass sich