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Herausgeber: Leiter GeoInfoDBw Heft 1, 2012 Jahresheft Geopolitik 2011 Autoren: Christian Marius Stahmer Hans-Günter Mylius Arno Langanke GEOINFORMATIONSDIENST DER BUNDESWEHR SCHRIFTENREIHE

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Heft 1, 2012

Jahresheft Geopolitik 2011

Autoren:

Christian Marius StahmerHans-Günter Mylius

Arno Langanke

GEOINFORMATIONSDIENSTDER BUNDESWEHR

SCHRIFTENREIHE

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G E O I N F O R M A T I O N S D I E N S T D E R B U N D E S W E H R

– Schriftenreihe –

Jahresheft Geopolitik 2011

Autoren:

Christian Marius Stahmer

Hans-Günter Mylius

Arno Langanke

Herausgeber: Leiter Geoinformationsdienst der Bundeswehr

Bearbeitung und Herstellung: Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr Euskirchen 2012

ISSN 1865-6978

Druck: D01-VI.12-5,5-G121093

Heft 1, 2012

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Christian Marius Stahmer

Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Hans-Günter Mylius

Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch internationale Polizei im Rahmen multinationaler Einsätze der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Arno Langanke

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AA Auswärtiges Amt

BiH Bosnien und Herzegowina

BMVg Bundesministerium der Verteidigung

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

DPKO Department for Peacekeeping Operations (Abteilung für Friedenssicherungseinsätze der VN)

FPU Formed Police Unit (Internationale Hundertschaft)

HQ Hauptquartier

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

GPPT German Police Project Team (Deutsches Polizei Projekt Team, Polizeiberaterteam zum Polizei-aufbau in Afghanistan)

ICTY International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien)

IPTF International Police Task Force (Internationale Polizeieinsatztruppe in Bosnien und Herzegowina)

ISAF International Security Assistance Force (Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan)

KFOR Kosovo Force (Internationale Sicherheitspräsenz in Kosovo)

KFW Kreditanstalt für Wiederaufbau

KOCB Kosovo Organised Crime Bureau (Büro gegen organisierte Kriminalität in Kosovo)

KOS Kosovo

MNB Multinational Brigade (Multinationale Brigade)

MP Militärpolizei

NATO North Atlantic Treaty Organisation (Nordatlantikvertragsorganisation)

NATO/PFP NATO Partnership for Peace (NATO Partnerschaft für den Frieden)

NRO Nichtregierungsorganisation

OK Organisierte Kriminalität

OO Office of Operations (Büro für Friedenseinsätze innerhalb der DKPO)

OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

RMO Risk Management Office

RO Regierungsorganisation

SPC Standing Police Capacity (ständige Polizei-Personalkapazität der DKPO)

SPDS Strategic Policy and Development Section (Strategische Polizei- und Entwicklungssektion der DKPO zugehörig)

UN United Nations (Vereinte Nationen)

UNHCR Office of the United Nations High Commissioner for Refugees (Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen)

UNFICYP United Nations Peacekeeping Force in Cyprus (Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern)

UNMIK United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen in Kosovo)

VN Vereinte Nationen

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Vorwort

VorwortDie Inhalte des vorliegenden Jahresheftes Geopolitik 2011 entstanden in Anleh-nung an die Vorträge des 4. Kolloquiums Geopolitik, das im Jahr 2011 vom Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr (AGeoBw) in Euskirchen durchge-führt wurde.

Das 4. Kolloquium Geopolitik griff die Leitidee der deutschen Sicherheitspoli-tik, die so genannte Vernetzte Sicherheit (engl. Comprehensive Approach), auf. Die sicherheitspolitische Entwicklung wird weder rein national noch allein durch Streitkräfte beeinflusst, sondern entscheidet sich sowohl aufgrund militärischer als auch gesellschaftlicher, ökologischer, ökonomischer und kulturellen Bedin-gungen (vgl. BMVg, Weißbuch 2006). Daher bedürfen die Krisenprävention und –bewältigung eines ganzheitlichen Ansatzes, der das Zusammenwirken aller relevanten Akteure und Ressorts miteinander verbindet. Vor diesem Hintergrund berichteten Experten sowie Wissenschaftler und Angehörige von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen auf dem 4. Kolloquium Geopolitik über ihre Arbeit aus den beteiligten Ressorts/Fachbereichen (u. a. innere Sicherheit, Wie-deraufbau oder humanitäre Hilfe).

Die eintägige Veranstaltung gliederte sich in die Themenblöcke Grundlagen der Sicherheits- und Geopolitik sowie humanitäre Hilfe, Aufbau und Sicherheit. Ins-besondere im letzten Themenblock gaben Fachleute Einblicke in ihre Projekte im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik Deutschlands und berichteten über ihre Erfahrungen bezüglich der Zusammenarbeit im Rahmen der vernetzten Sicherheit. Drei Beiträge aus dem 4. Kolloquium werden in diesem Jahresheft vorgestellt.

Die Beiträge des Jahresheftes Geopolitik 2011 geben die Meinungen der Autoren wieder.

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Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan Christian Marius Stahmer

Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

Christian Marius Stahmer

1. EinleitungNeben dem intensiven Diskurs über den Einsatz der Bundeswehr wird häufig das Engagement der deut-schen Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan übersehen . Im Rahmen des politischen Projekts Afgha-nistan der internationalen Staatengemeinschaft enga-giert sich Deutschland nunmehr im elften Jahr . Es ist bereits seit 2002 wieder im Land präsent und konzen-triert sich auf wesentliche Sektoren für die Entwicklung des Landes, wie nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Energieversorgung, Trinkwasserversorgung, Grund- und Berufsbildung sowie gute Regierungsführung . Mit den Partnern in der afghanischen Regierung und Bevölke-rung unterstützen das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA) die Stabilisierung und den Aufbau Afghanistans . Mit der Umsetzung ihrer zahlreichen Maßnahmen sind vor allem die staatlichen Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusam-menarbeit, GIZ 1 und KfW 2, betraut . In den Jahren 2002 bis 2011 wurden durch die beiden Ressorts (BMZ und AA) für den zivilen Wiederaufbau und die Entwicklung in Afghanistan insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt (vgl . Abb . 1) .

Seit dem Einsetzen der Entwicklungsinitiative Nordaf-ghanistan des BMZ und AA im Jahr 2010 stehen erheb-lich angewachsene Mittel für die Jahre 2010 - 13 zur Verfügung . Die Mittel der Entwicklungsinitiative wer-den eingesetzt zur

„Förderung guter Regierungsführung, insbesondere der Stärkung von Provinz- und Distriktverwaltun-gen und der Korruptionsbekämpfung, der Energie- und Wasserversorgung, der Wirtschaftsentwicklung und Schaffung von Einkommen im ländlichen Raum

1 Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ); früher GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit)

2 Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW Entwicklungsbank)

sowie der Bildung, besonders der Beruflichen Bil-dung . Allein die zusätzlichen Investitionen in die Energieversorgung werden rund 500 .000 Einwoh-nern verlässlichen Zugang zu Elektrizität verschaffen und somit eine produktive Nutzung ermöglichen . Bis zu rund 100 .000 neue Kredite und Mikrokre-dite werden zur Schaffung und Unterstützung von kleineren und mittleren Unternehmen vergeben . Arbeitsintensive Vorhaben zur Verbesserung von Infrastruktur sorgen für deutlich mehr Beschäftigung und Einkommen vor allem zugunsten der Bevölke-rung in ländlichen Regionen .“ (BMZ, 2010)

Vornehmlich in den fünf Nordprovinzen Afghanistans, in denen Deutschland im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung auch militärisch und politisch Verantwor-tung trägt, und in der Hauptstadt Kabul stehen jährlich 430 Mio . € für Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung .

Damit ist Deutschland der drittgrößte Geber für die Stabilisierung und Entwicklung des geopolitisch wichti-gen Landes, das sich in Nachbarschaft zu dem rohstoff-reichen, aber politisch nicht gefestigten Zentralasien, zur bevölkerungsreichsten Demokratie und aufstrebenden Wirtschafts- und Gestaltungsmacht auf dem indischen Subkontinent und in direkter Nachbarschaft zu dem an weltweiter Bedeutung gewinnenden China befindet . Indien und Pakistan erlangten vor wenigen Jahren den Status einer Nuklearmacht . Der unmittelbare Nachbar Iran strebt zumindest nach den zivilen Fähigkeiten zur Beherrschung dieser Technologie . Es liegt auf der Hand, dass sich bezüglich der komplexen Lage in Afghanis-tan und des strategischen Umfelds Fragen ergeben, für die es vor allem zukunftsweisende, politische Lösungen und Antworten unter Einschluss der regionalen Nach-barschaft geben muss .

Die Ergebnisse der internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn Anfang Dezember 2011 umreißen die Perspektiven des heutigen Afghanistaneinsatzes und zeichnen das Bild einer Dekade der Transforma-tion für die Jahre 2015 – 2024 . Die Sicherung des bisher Erreichten sowie weitere Fortschritte für Stabilisierung, Wiederaufbau und Entwicklung stehen dabei im Vor-dergrund und definieren maßgeblich die Arbeitsfelder für die zivilen Akteure . Letztlich sind es zivile Akteure, welche auch nach der Transition der internationalen Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände im Lande verbleiben und die Prozesse der zivilen Entwick-lung Afghanistans weiter begleiten und unterstützen werden . Der NATO-Gipfel in Chicago im Mai 2012 und die Konferenz der internationalen Geber im Juli 2012 in Tokio werden den Handlungsrahmen sowie den Umfang und die Zielrichtung der zivilen Mittel für die Entwicklung des Landes bestimmen .

In Anbetracht der Sicherheitsbedingungen in Afgha-nistan mussten alle Akteure ihre Arbeit an die seit 2006 stark veränderte Lage anpassen . Zuallererst bedeutete das, für die Sicherheit der Mitarbeitenden von GIZ, KfW und anderen wirksame Vorkehrungen für ein funktionierendes Sicherheitsmanagement zu treffen . Die Umsetzung und darüber hinaus die Weiterführung

Abbildung 1: Jährliche Mittelzusagen des BMZ und AA für Afghanistan

Quelle: Die Bundesregierung (2012)

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Christian Marius Stahmer Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

des zivilen Engagements bedürfen mehr Flexibilität und Ausdauer der Akteure auf deutscher und afghanischer Seite als unter stabileren Sicherheitsbedingungen .

Wie diese Herausforderungen durch die GIZ ange-nommen wurden und welche Auswirkungen sich dadurch auf die Tätigkeitsfelder der technischen Zusam-menarbeit ergeben haben, soll im Folgenden themati-siert werden . Zunächst erfolgt ein kurzer Blick zurück in die bisherige Geschichte der zivilen Zusammenarbeit beider Länder .

2. Geschichte der deutsch-afghanischen Zusammenarbeit

Die staatliche Zusammenarbeit Afghanistans mit Deutschland kann auf eine mittlerweile beinahe 100jährige Tradition zurückblicken . Bereits 1937 wurde die Förderung beruflicher Bildung zu einem hervorge-hobenen Aktionsfeld der Zusammenarbeit . Von 1950 bis Mitte der 1970er Jahre förderte Deutschland die technischen Schulen in Kabul, Khost und Kandahar (vgl . Foto 1) . Bis heute wird dieses Erbe der Zusammenar-beit durch das Auswärtige Amt weitergeführt . Allerdings erlaubt die gegenwärtige Sicherheitslage nicht die aktu-elle Fortführung der Maßnahmen in Khost und Kandahar .

Insgesamt arbeiteten und lebten im Jahr 1939 rund 1 .000 deutsche Ingenieure, Architekten, Geologen und andere Experten im Land . Auch die mittlerweile wieder in Stand gesetzte Ringstraße geht auf deutsche Unter-stützung zurück 3 . Nach den Wirren des Zweiten Welt-krieges und der außenpolitischen Wiedereingliederung der Bundesrepublik in die Weltgemeinschaft setzte die technische Zusammenarbeit mit dem Land am Hindu-kusch in den späten 1950 er Jahren wieder ein . Das Jahr 1958 gilt als Meilenstein für die Grundlagen der Zusam-menarbeit, als das erste Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Afghanistan abgeschlossen wurde .

Legendär erscheint bis heute das von 1966-1978 durch das BMZ aufgelegte Entwicklungsprojekt in der Provinz

3 Sie wurde in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts vor allem durch deutsche Ingenieure geplant und gebaut und ist inzwischen asphaltiert .

Paktia (vgl . Foto 2) . In dieser, den pakistanischen Stammes-gebieten der Paschtunen gegenüberliegenden Provinz im Südosten Afghanistans, konzentrierten sich die Maßnah-men der westdeutschen Entwicklungszusammenarbeit mit ihren damaligen Instrumenten der technischen, finan-ziellen und personellen Zusammenarbeit 4 .

Das Projekt, mit der Ambition einen Landesteil fokus-siert zu entwickeln, wurde auf Grund der politischen Lage beendet . Die DDR-Experten aus dem östlichen Teil Deutschlands leisteten ihren Beitrag zur Geschichte der deutsch-afghanischen Entwicklungszusammenar-beit vor allem durch die Weiterführung des bundes-republikanischen Engagements während der Jahre der sowjetischen Präsenz und der afghanischen Nachfolge

von 1989-1992, in denen dies aus politischen Beweg-gründen für die westdeutsch initiierten Vorhaben nicht mehr möglich war . An der Humboldt-Universität Berlin wurde das Fach Afghanologie eingerichtet und afgha-nische Studenten absolvierten ihre Ausbildung nun in Berlin, Leipzig oder Dresden . Diese Zusammenarbeit dauerte bis 1992 an .

Unmittelbar nach dem Eintreten der internationa-len Gemeinschaft zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in Afghanistan im Dezember 2001 wurde ein erstes Kooperationsabkommen über die technische Zusam-menarbeit abgeschlossen . Seit 2002 unterhält die GIZ ein permanentes Büro in Kabul, welches die Maßnah-men im Auftrag von Bundesressorts, Partnerregierun-gen und multilateralen Organisationen steuert und in elf Provinzen Afghanistans umsetzt 5 . Gegenwärtig leben und arbeiten 400 deutsche und internationale Mitar-beiter der GIZ in Afghanistan . Unterstützt werden sie dabei von rund 1 .600 nationalen Fach- und Führungs-kräften, welche durch ihre Mitarbeit guten Kontakt zur Regierung, zu Institutionen und der Bevölkerung Afgha-nistans ermöglichen .

4 Neben GTZ (technische Zusammenarbeit), KfW (finanzielle Zusammenar-beit) war ebenfalls der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) für den Anteil der personellen Zusammenarbeit im Lande präsent .

5 Kabul, Herat, Uruzgan, Nangarhar, Badakhshan, Baghlan, Kunduz, Balkh, Sar-e-Pul, Takhar, Samangan

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Foto 1: Technikum Kabul

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 2: Entwicklungszusammenarbeit Provinz Paktia 1966-1978

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

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3. Entwicklungszusammenarbeit am Hindukusch seit 2002

Insgesamt wurde durch das internationale Engagement in zehn Jahren viel erreicht: Zahlreiche Flüchtlinge sind in das Land zurückgekehrt – geschätzte fünf Millionen seit 2002 . Etwa 80 % der Bevölkerung Afghanistans hat heute Zugang zu Basisgesundheitsdienstleistungen . Im Rahmen der initiierten Gesundheitsprojekte im Norden des Landes konnten bisher 750 .000 Patienten behan-delt werden, was u . a . zu einer Erhöhung der Lebenser-wartung führte .

Mehr als 3 .500 öffentliche Schulen wurden landes-weit neu errichtet oder instandgesetzt . Dort sind seit 2002 etwa sieben Millionen Kinder unterrichtet worden – davon ca . zwei Millionen Mädchen . Mehr als zehn Jahre nach der internationalen Afghanistankonferenz auf dem Petersberg in Bonn verbindet die Ringstraße wieder 21 der 34 Provinzen des Landes . Große Ent-wicklungsleistungen wurden durch den Bau von 13 .000 km Straßen vollbracht, die vielen Teilen des Landes die Anbindung an die Außenwelt erleichtern (vgl . Foto 3) . Dies sind entscheidende Verbesserungen der Basis-infrastrukturen, ohne die keine Gesellschaftsordnung und kein Staat Stabilität für die Bürger bieten und als Gemeinwesen funktionieren kann . Auch in anderen Landesteilen schreitet trotz verschlechterter Sicher-heitslage der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur voran . Mittlerweile verringerte sich beispielsweise die Fahrt-zeit von Kunduz nach Faizabad im entlegenen Nordos-ten des Landes von 16 Stunden im Jahre 2002 auf heute rund 4-5 Stunden .

Gerade im ländlichen Teil des Landes profitieren rund 209 .000 Personen von den Maßnahmen der GIZ im Auftrag der Bundesressorts zum ländlichen Stra-ßen- und Wegebau . Rund 600 km Straßen wurden dort angelegt und ausgebessert und zahlreiche Brücken konstruiert . Alle diese Fortschritte sind als Einkommen schaffende Maßnahmen angelegt und werden, wo immer möglich, durch die deutschen Durchführungs-organisationen mit lokalen Arbeitskräften und Kapazi-täten umgesetzt (vgl . Foto 4) .

Zur Sicherung der grundlegenden Lebensbedin-gungen wurden im Rahmen der technischen Zusam-menarbeit Wassertanks und Saatgut geliefert und Bewässerungsvorhaben für 250 .000 Menschen in den Nordprovinzen unter deutscher Verantwortung umge-setzt (vgl . Foto 5) .

Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse der inter-nationalen Unterstützung des Landes im Bildungsbe-reich . Der Bau von rund 2 .000 Schulen mit ca . 11 .000 neuen Unterrichtsräumen, die Beiträge zu Gehältern von 300 .000 Lehrerinnen und Lehrern sowie Richterinnen und Richtern sind wertvolle Investitionen in die Zukunft eines neuen Afghanistans (GIZ, unveröffentlicht) 6 . Für 2010 waren die Mittelzusagen der Entwicklungszusam-menarbeit Deutschlands für Afghanistan im Bildungsbe-reich auf 37,48 Millionen Euro erhöht worden (vgl . Abb . 2) .

Aber: Entwicklung ist kein automatischer Prozess, der nur aufwärts führt . Entwicklung kann unterminiert, gestoppt oder umgelenkt werden . Deshalb ist die Sicher-heitslage eine herausragende Determinante, um die Voraussetzungen für stabilisierte Staatlichkeit zu schaf-fen, welche die Entwicklungs- und Lebenschancen der Afghanen zu verbessern hilft und nach außen die regio-nalen Perspektiven in einer tendenziell volatilen Weltre-gion mit positiven Vorzeichen mit gestalten kann .

6 Trackingsystem Afghanistan, umgesetzt durch GIZ unter Federführung BMZ, Stand 2011 .

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Foto 4: Arbeitsintensive Maßnahmen schaffen Einkommen für die lokale Bevölkerung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 3: Straßenbau in Nordafghanistan

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 5: Bohrarbeiten zur Basiswasserversorgung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

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Christian Marius Stahmer Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

Aber es ist auch anzumerken, dass schätzungsweise etwa 40 % der Menschen in Afghanistan ohne Arbeit sind . Noch immer lebt weit mehr als die Hälfte der Men-schen unterhalb der Armutsgrenze, zum Teil in extremer Armut . Besonders Frauen und die ländliche Bevölke-rung sind betroffen . Der Anteil der Analphabeten in der Bevölkerung, quer durch alle Schichten, liegt bei knapp 70 % . Dazu kommt, dass die staatlichen Institutionen und Strukturen bisher nur unzureichend funktionieren . Auch verfügt der afghanische Staat über viel zu geringe eigene Einnahmen, um seinen Aufgaben ohne externe Hilfe gerecht werden zu können . Von den internationa-len Gebern werden etwa 95 % der Staatseinnahmen zur Verfügung gestellt, wobei afghanische Ministerien bis-lang nur eine Verausgabungsrate der Entwicklungsbud-gets von ca . 41 % in 2011 erreichten (MOF, 2011) . 7

Die anhaltend prekäre wirtschaftliche Lage weiter Teile der Bevölkerung und das unzureichende Vertrauen in vielerorts noch zerstörte, vor allem in den ländlichen Gebieten durchgängig schwach ausgeprägte bis nicht vorhandene staatliche Strukturen bestimmen entschei-dend die Wahrnehmung der Afghanen von ihrem Staat . Schlafmohnanbau und Opiumhandel machen zudem, geschätzt, rund ein Drittel der afghanischen Wirtschaft aus . In den Provinzen fehlt noch weitgehend eine funktionsfähige Polizei und Justiz, um den Drogenhan-del und andere Kriminalität wirksam zu unterbinden . Nach Angaben des VN-Büros für Drogen- und Ver-brechensbekämpfung (UNODC) lag der Anteil Afgha-nistans an der weltweiten Opiumproduktion 2011 bei 92 % (UNODC, 2011) .

Bedenkt man die kommende Reduzierung der nach-fragewirksamen Ausgaben des internationalen Militärs und der zivilen Organisationen, so ist es im Sinne einer stabilen Fortentwicklung Afghanistans unerlässlich, die

7 Trackingsystem Afghanistan (s . o .)

sozialen, ökonomischen und fiskalischen Konsequen-zen der Transitionsphase in den Blick zu nehmen . Der afghanischen Regierung muss weiterhin an einer nach-haltigen Unterstützung zur Bewältigung dieser Heraus-forderungen gelegen sein . Sie muss beispielsweise ihre eigenen Kompetenzen stärken und mit eindeutigen Schritten zur Korruptionsminderung beitragen .

4. Interministerielle Zusammenarbeit in Afghanistan und der Beitrag der GIZ

Angesichts der weltweit zunehmenden Herausforde-rungen für ein sowohl völkerrechtlich legitimiertes als auch engagiertes Krisenmanagement zur Förderung von Frieden und Sicherheit ist auch die internationale Ver-antwortung Deutschlands gewachsen . Seit seiner Verab-schiedung durch das Bundeskabinett im Jahre 2004 bildet der Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung den Referenzrahmen für eine politische Grundausrichtung, die in zahlreiche Poli-tik- und Handlungsfelder der Bundesregierung hineinwirkt und im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffes auch Politikbereiche wie die Entwicklungspolitik einschließt .

Diese Prämisse findet sich auch im Umsetzungsbericht der Bundesregierung zum Aktionsplan aus dem Jahre 2011, wo es entsprechend des Koalitionsvertrags vom 26 . Oktober 2009 heißt:

„Bei der internationalen Krisenprävention und -bewäl-tigung stehen bei uns politische und diplomatische Bemühungen an erster Stelle, dennoch wächst die Bedeutung des Einsatzes ziviler Kräfte von Polizei und Justiz . Wir müssen gemeinsam mit unseren Partnern darauf vorbereitet sein, mit diesen Mitteln krisenhaf-ten Entwicklungen frühzeitig entgegenzusteuern und bei Ausbruch von Krisen schnell und verlässlich zu handeln . . .“ (Die Bundesregierung, 2010) .

Dazu ist es aus ziviler Sicht erforderlich, das deutsche Engagement für Entwicklung und Stabilisierung Afgha-

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Abbildung 2: Mittelzusagen Deutschlands für Afghanistan

Quelle: GIZ, unveröffentlicht 7

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nistans sinnvoll zu entfalten . Anhand des gegenwärti-gen Afghanistaneinsatzes und seines integrierten, zivile und militärische Komponenten umfassenden Ansatzes, ist ablesbar, dass sowohl eine zielgerichtete Bearbei-tung von außen- und sicherheitspolitischen als auch entwicklungspolitischen Aufgaben als stetiger Prozess gedacht und umgesetzt werden muss . Im Koalitionsver-trag vom 26 . Oktober 2009 heißt es dazu:

„Wir bekennen uns zum Ansatz einer vernetzten Sicherheitspolitik . Dies erfordert moderne und leis-tungsfähige Streitkräfte und geeignete zivile Inst-rumente zur internationalen Konfliktvorsorge und -bewältigung sowie eine noch engere Integration und Koordinierung .“ (Koalitionsvertrag, 2009)

Ein anschauliches Beispiel der interministeriellen Zusam-menarbeit ist das Modell der Provincial Reconstruction Teams (PRTs), welches den ganzheitlichen Ansatz des deutschen Engagements abbildet . Die mehrjährigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit in den PRTs in Afghanistan bieten wichtige Anhaltspunkte für künf-tige Missionen, auch wenn diese im Verlauf der Tran-sition der Sicherheitsverantwortung während der Jahre 2012 - 2013 abgeschlossen sein werden und sich nicht eins zu eins auf andere Situationen übertragen lassen . Die Abstimmung deutscher Positionen zum Einsatz in Afghanistan findet durch wöchentliche Videokonferen-zen der beteiligten Ressorts sowie monatliche Treffen auf Leitungsebene zur politischen Steuerung des Ein-satzes statt . Diese Koordinierung spiegelt sich vor Ort in den von Deutschland betriebenen PRTs, die aus Ver-tretern unterschiedlicher Ressorts bestehen . Integrierte zivil-militärische PRTs in Kunduz und Faizabad beste-hen jeweils aus zivilen (Diplomaten, Polizeiausbilder sowie Wiederaufbau- und Entwicklungsexperten) und militärischen Anteilen .

Aufbauend auf den in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnissen aus der konkreten inter-ministeriellen Zusammenarbeit im Rahmen des Afgha-nistaneinsatzes bringt sich die GIZ im Auftrag von Bundesministerien als kompetente Durchführungsor-ganisation ein . Dabei kann die GIZ auch auf Erfahrun-gen aus der Arbeit in anderen Kontexten staatlicher Fragilität sowie der Krisen- und Konfliktbearbeitung, wie auf dem Balkan, in Jemen, in der Demokratischen Republik Kongo, im Nahen Osten oder in Südsudan, zurückgreifen: beispielsweise bei der Bearbeitung von strukturellen Ursachen von Konflikten und Kri-sen, welche häufig den Zerfallsprozessen von Staa-ten zugrunde liegen oder den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft durch die fortgesetzt inadäquate Verteilung von Wohlstand, Ressourcen und Lebens-chancen gefährden . Dafür arbeitet die GIZ möglichst mit allen an Entwicklung orientierten gesellschaftli-chen Kräften vor Ort zusammen .

Nicht zuletzt sollte festgehalten werden, dass die Sicherheit der Bürger in einer Gemeinschaft nur durch Zusammenarbeit erreicht und gewährleistest werden kann . Es überrascht daher nicht, dass unter den Bedingungen zerstörter sozialer Infrastruktur und

fragiler Staatlichkeit, wie in Afghanistan, eine Stabili-sierung langfristig nur gelingt, wenn der Bevölkerung vor allem ein Zuwachs an Sicherheit und individuel-len Entwicklungsoptionen ermöglicht wird . Dies hebt der Weltentwicklungsbericht 2011 der Weltbank deutlich hervor:

“The central message of the Report is that strengthening legitimate institutions and gover-nance to provide citizen security, justice, and jobs is crucial to break cycles of violence” . (The World Bank, 2011)

Daher steht die Arbeit der GIZ in Afghanistan zur Sicher-heit der Bürger unter dem Leitsatz: Sicherheit braucht Entwicklung und Entwicklung braucht Sicherheit .

5. Die Risikomanagement-Strategie der GIZWährend zivile Akteure, wie die GIZ, in den Jahren 2002 bis 2006 vielerorts Bewegungsfreiheit genos-sen, müssen nun leider allzu oft Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten hingenommen werden . Das erschwert vor allem die Kontaktaufnahme zur Bevölke-rung und trifft die Zusammenarbeit mit den Partnern an neuralgischer Stelle . Genau dort liegt aber der Schlüssel für eine erfolgreiche Arbeit in fragilen Lagen . Die Arbeit der GIZ hat sich diesen Rahmenbedingungen anpassen müssen .

Insgesamt bleiben die potentiellen Risiken für den Einsatz des GIZ-Personals in Afghanistan hoch . Für die persönliche Sicherheit des eingesetzten Personals ist die militärische Sicht auf die Gesamtlage ein entscheidender Indikator . Laut der International Security Assistance Force (ISAF) hat sich in Teilen des Landes die Sicherheitslage langsam stabilisiert . Im Vergleich zu 2010, mit 31 .800 Vorfällen, gingen die Zwischenfälle in 2011 auf 25 .500 Anschläge und Angriffe der bewaffneten Opposition auf Einrichtungen der Regierung sowie afghanische und internationale Sicherheitskräfte zurück (Die Bundesregie-rung, 2011) 8 . Dies ist für den Einsatz der GIZ von beson-derer Bedeutung, da der Trend auch eine Veränderung der Zielauswahl nahelegt . Primär ist nicht mehr das inter-nationale Militär Angriffsziel, vielmehr stehen afghani-sche Sicherheitskräfte und Regierungsvertreter im Fokus, mit der Folge, dass 2011 das verlustreichste Jahr für die Zivilbevölkerung geworden ist (UNAMA, 2012) .

Das im Auftrag von BMZ und AA betriebene Sicher-heitssystem für die deutschen Durchführungsorga-nisationen hat zur Aufgabe, die Sicherheitslage zu beobachten, zu analysieren und entsprechende Hand-lungsempfehlungen an die Entscheider in den Ressorts und den Landes- bzw . Regionalführungen von KfW und GIZ zu geben . Per E-Mail und SMS werden die Mitar-beitenden laufend informiert, im Gefahrenfall gewarnt und mit Handlungsanweisungen versehen .

Das Risk Management Office der GIZ (RMO) prüft zudem die sichere Durchführung anstehender Dienst-reisen und die risiko- und konfliktsensible Durchführung und Gestaltung der Vorhaben . Konfliktsensibles Planen

8 Fortschrittsbericht Afghanistan, S . 15

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Christian Marius Stahmer Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

und Handeln trägt maßgeblich zur Akzeptanz der ein-zelnen Maßnahmen und damit zur Sicherheit bei und ist gleichzeitig ein Erfolgsfaktor für Entwicklungsvorha-ben (vgl . Foto 6) .

Das Sicherheitssystem steht allen Mitarbeitenden in Fragen der Sicherheit und Gesundheit zur Seite . Es berät zu notwendigen passiven Schutzmaßnahmen für die Büros der Durchführungsorganisationen und für die Unterkünfte des Personals . Weiterhin ist das System für die Ausarbeitung von Notfallplänen verant-wortlich und steuert diese bei Bedarf . Die Mitarbei-tenden erhalten vor der Ausreise, bei Ankunft im Land und während des Aufenthalts fortlaufend Sicherheits-einweisungen und Weiterbildungsangebote . Darüber hinaus gibt das RMO Hinweise und Anleitung zur Aus-gestaltung der Vorhaben in unterschiedlichen Gefähr-dungslagen . Dadurch wird eine flexible Anpassung an sich verändernde Sicherheitslagen erreicht sowie eine grundsätzliche Durchführungsmöglichkeit der Vor-haben auch unter den Bedingungen von prinzipiell unvorhersehbaren und dynamischen Lagen im Lande ermöglicht .

Aufgrund des Einsatzes von Personal in weiten Tei-len des Landes (elf Provinzen) stellen insbesondere die zunehmenden Angriffe auf afghanische Regierungs-stellen und der steigende Einsatz von Sprengfallen eine große Gefahrenquelle dar . Eine Veränderung der Sicherheitslage in einzelnen Provinzen und Distrikten hat daher räumlich und zeitlich begrenzte Auswirkun-gen auf die Projektarbeit . Im Norden des Landes ist besonders die Sicherheitslage in der Provinz Kunduz hervorzuheben, die teilweise nur eine ferngesteuerte Projektimplemen tierung zulässt . Es gilt, die sich daraus ergebenden unvermeidlichen Risiken für entsandte wie afghanische Mitarbeitende durch das etablierte Risi-komanagementsystem auf ein verantwortbares Maß zu begrenzen . Auch Kriminalität stellt eine reale und ernstzunehmende Gefahr für das Personal dar . So ist die Zunahme krimineller Vorfälle von hoher Relevanz, welche 2011 landesweit um 39 % im Vergleich zum

Vorjahr stiegen (Die Bundesregierung, 2011) 9 . Mit Stand Dezember 2011 trug die GIZ die Verantwortung für etwa 400 entsandte deutsche und internationale sowie für rund 1 .600 afghanische Mitarbeitende .

Selbstverständlich verstärkt die Sicherheitslage die Notwendigkeit zur Kommunikation und zum Austausch mit den deutschen Streit- und Sicherheitskräften . Die Bundeswehr gibt GIZ-Personal in Lagebesprechun-gen sowie Gesprächen vor Ort Hintergrundinforma-tionen zu aktuellen Geschehnissen in den Distrikten, die zur Beurteilung der Sicherheitslage von Bedeutung sind . Außerdem können GIZ-Mitarbeitende, die nach Afghanistan sowie anderen Krisenstandorten entsandt werden, an Sicherheitstrainings am VN-Ausbildungs-zentrum der Bundeswehr in Hammelburg teilnehmen . Weiterhin leistet die Bundeswehr wichtige logistische Unterstützung für die GIZ in Afghanistan . Dabei han-delt es sich z . B . um Mitflüge in Bundeswehr-Transport-maschinen, einschließlich Materialsendungen . Eine wichtige Unterstützung ist dabei auch die Gewissheit medizinischer und psychologischer Mitversorgung von GIZ-Mitarbeitenden in Notfällen und die Vereinbarun-gen für Evakuierungsfälle . Wichtig ist natürlich ebenfalls die Möglichkeit der Nutzung von Serviceeinrichtungen der Bundeswehr (Post, Postbank, Kantine, etc .) durch das GIZ-Personal . Die Transition und die stufenweise Rückführung der Bundeswehr aus dem Einsatzraum in Nordafghanistan in den kommenden Jahren stellt die GIZ daher vor die Herausforderung, alternative Lösun-gen für diese operativen Fragen zu finden .

6. Sektoren des Engagements: Die Entwicklungsiniti-ative der Bundesregierung in Nordafghanistan

Die Bundesregierung konzentriert ihre zivile Unterstüt-zung im Rahmen der Geberkoordinierung, gemäß den entsprechenden Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung, vor allem auf die Hauptstadt Kabul und die fünf Nordprovinzen Badakhshan, Baghlan, Balkh, Kun-duz und Takhar (vgl . Abb . 3) .

Die Entwicklungsoffensive (vgl . BMZ 2010) ist auf mehr Wirksamkeit in der Fläche angelegt und soll Hilfe schneller und direkter bei den Menschen ankommen lassen . Gleichzeitig werden leistungsfähige, legitime und bürgerorientierte staatliche Strukturen in diesen Provinzen aufgebaut .

Vier übergeordnete Zielsetzungen im ressortge-meinsamen Vorgehen in Nordafghanistan zur Stabili-sierung und Entwicklung des Landes sieht die Planung für die Jahre 2010 - 2013 vor . Zum einen werden mehr Einkommen und Beschäftigung mit der Ausweitung von Programmen zur ländlichen Entwicklung geschaf-fen . Weitere wirtschaftliche Impulse werden durch den arbeitsintensiven Ausbau von Basisinfrastruktur, der Förderung von Unternehmen, der Vergabe von Mikrokrediten, der Steigerung landwirtschaftlicher Pro-duktivität und der Wiederbelebung von Wirtschafts-kreisläufen gesetzt . Insgesamt sollen so bis zu drei

9 Fortschrittsbericht Afghanistan, S . 17

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Foto 6: Vertrauensbildende Gesprächsrunden sorgen für Konfliktsensibilität

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

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Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan Christian Marius Stahmer

Millionen Menschen (ca . drei Viertel der Bevölkerung in den fünf Schwerpunktprovinzen) im ländlichen Raum erreicht werden .

Als zweites Aktionsfeld wird der Ausbau der Verkehrs-infrastruktur, als Basis für wirtschaftliches Wachstum und mehr Sicherheit, zu besseren Lebensbedingungen der Bevölkerung führen . Die Provinz- und Distriktzen-tren sowie entlegene Gebiete werden zukünftig mit bis zu 700 km ganzjährig nutzbaren Straßenverbin-dungen verknüpft sein . Etwa 2,5 Millionen Menschen, und damit fast zwei Drittel der Bevölkerung in den fünf Nordprovinzen, werden davon profitieren .

Drittens gilt es, die Energie- und Trinkwasserversor-gung in allen Provinzhauptstädten und etwa der Hälfte der Distriktzentren sowie im ländlichen Raum für ins-gesamt rund zwei Millionen Menschen, also rund 50 % der Gesamtbevölkerung in den fünf Schwerpunktpro-vinzen, zu verbessern .

Außerdem erhalten die Provinz- und Distriktverwal-tungen zur Leistungssteigerung materielle Ausstattung, Beratungsleistungen sowie Schulungen zur Unterstüt-zung der Reorganisation von Verwaltungsabläufen und zur Optimierung der Zusammenarbeit von Provinz- und Distriktverwaltungen . Es ist beabsichtigt, alle Pro-vinz- und ca . zwei Drittel der Distriktverwaltungen in den fünf Schwerpunktprovinzen zu erreichen .

Mit der Umsetzung der Planungsziele sind sowohl die finanzielle Zusammenarbeit (KfW) und die techni-sche Zusammenarbeit (GIZ) beauftragt .

In den folgenden Unterkapiteln werden im Überblick die Fortschritte, die in den genannten Sektoren bislang erreicht wurden, dargestellt .

6.1 Ländliche EntwicklungZur Verbesserung der Lebensbedingungen für die länd-liche Bevölkerung benötigen die Menschen Zugang zu signifikanten staatlichen Basisdienstleistungen als Grundlage einer nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung . Durch die Maßnahmen der GIZ wurden in den fünf priorisierten Provinzen bis-

lang 123 Trinkwasserstellen für rund 47 .000 Personen eingerichtet . Zudem wurden 93 km Straßen, 2 Brücken, 113 km Bewässerungskanäle und 72 Wasserreservoirs für ca . 180 .000 Personen bereitgestellt .

Etwa 16 .800 Landwirte konnten in neuen und ertrag-reicheren Anbaumethoden (vgl . Foto 7) und Kursen zur Steigerung der Ernährungssicherung fortgebildet wer-den . Kleinkredite wurden an 2 .700 Personen, darunter 1 .800 Frauen vergeben . Zudem wurden 400 Staatsan-

wälte und traditionelle Rechtsvertreter zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sensibilisiert . Durch Radio-programme in fünf Provinzen wurde die Öffentlichkeit mit dem Ziel der Prävention von häuslicher Gewalt mit erhöhten Kapazitäten versehen .

6.2 Gute RegierungsführungDie Sensibilisierung der afghanischen Partner für verant-wortungsvolles Regierungshandeln auf nationaler Ebene sowie in den Provinzen und Distrikten kennzeichnet die Zielsetzung der Projekte der GIZ . Dabei berät die GIZ im Auftrag des BMZ die afghanische Regierung u . a . in

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Abbildung 3: Regionaler Fokus der Entwicklungsinitiative Nordafghanistan

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 7: Verbesserte Anbaumaßnahmen steigern den Ertrag der afghanischen Landwirte

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

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den Themen Korruptionsbekämpfung und Rohstoffgo-vernance . Ebenso fördert die GIZ den Aufbau von ver-besserten Kapazitäten der dezentralen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen in den nördlichen Provinzen (vgl . Foto 8) . Zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan gilt es, Verbesserungen im Rechtsverständ-nis bei Regierungsstellen zu fördern und das Empfinden von Rechtssicherheit innerhalb der Bevölkerung vor-anzubringen . Maßnahmen zur Geschlechtergleichstel-lung, zum Aufbau und zur Stärkung einer Friedenskultur unter den afghanischen Ethnien, um der Eskalation von Gewalt entgegenzuwirken, zählen ebenfalls zum Spek-trum der GIZ-Aktivitäten .

Seit Beginn der Vorhaben konnten in 13 afghanischen Ministerien Genderabteilungen eingerichtet, ein Beirat im Frauenministerium geschaffen und im Finanzminis-terium eine Abteilung zur Unterstützung der gleich-stellungssensiblen Budgetierungsprozesse eingerichtet werden .

Seit Mitte 2009 wurden in Kabul und in 56 Distrikten der Nordprovinzen 1 .645 Fälle im Rahmen der Armen-rechtshilfe vorgebracht, davon 832 von Frauen . In der zivilen Streitschlichtung konnten 6 .643 Fälle, davon 1 .049 von Frauen eingebracht werden . Zudem wurden 223 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizminis-teriums, 529 Polizisten und Polizistinnen sowie 210 Älteste in geltendem Recht geschult (vgl . Foto 9) .

6.3 WasserDurch die nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserres-sourcen kann die Trinkwasserversorgung und Abwas-serentsorgung der Bevölkerung verbessert werden . Die Institutionen im Wassersektor, wie etwa die städtischen Wasserwerke in Mazar-e-Sharif und Kunduz, werden zunehmend in die Lage versetzt, die Trinkwasser- und Sanitärversorgung – insbesondere für die Armen – sowie den Wasserressourcenschutz signifikant zu ver-bessern (vgl . Foto 10 und 11) .

In der direkten Beratung im Wassersektor bildet die GIZ mit der afghanischen Regierung Entscheidungs-träger und Fachpersonal auf nationaler und lokaler Ebene weiter . Für die Provinzhauptstädte im Norden ist der Bau von dezentralen städtischen Abwasserent-sorgungsanlagen vorgesehen . Mittlerweile werden ca . 40 .000 Einwohner von Kunduz mit sicherem Trinkwas-ser versorgt .

6.4 EnergieDer Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung mit Fokus auf regenerative Energietechnologien sowie eine Qualitätssteigerung durch die Standardisierung im Strom-sektor sind Ziele der Aktivitäten der GIZ (vgl . Foto 12) .

Zur produktiven Nutzung von Kleinwasserkraft wurde ein Elektrifizierungskonzept auf Provinzebene durch die

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Foto 8: Kapazitätsaufbau für weibliche Staatsangestellte

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 11: Neubau eines Rohrsystems zur Wasserversorgung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 10: Wiederherstellung der Wasserversorgung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 9: Ältestenversammlung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

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GIZ mitentwickelt, bei gleichzeitiger technischer Stan-dardisierung auf nationaler Ebene . Schrittweise wurden vier Kleinwasserkraftanlagen für ca . 35 .000 Einwohner in der Provinz Badakhshan rehabilitiert oder neu errich-tet (vgl . Foto 13) .

6.5 Grundbildung und Berufliche BildungMehr als sechs Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter – so viele wie noch nie in der Geschichte Afgha-nistans – besuchen regelmäßig den Unterricht (vgl . Foto 14) . Mehr als 35 % der eingeschulten Kinder sind

Mädchen . Ein großer Erfolg, da ihnen während der Taliban-Herrschaft der Zugang zum Bildungssektor fast vollständig verwehrt blieb .

Die BMZ-geförderten Maßnahmen der GIZ ver-bessern die Qualität und Relevanz der Grundbildung . Weiterhin werden die Kapazitäten des Bildungsminis-teriums ausgebaut und die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern unterstützt . Durch die Arbeit der GIZ wur-den 2 .600 Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet . Damit profitieren 105 .000 Kinder von einem qualitativ verbes-serten Unterricht in ihren Schulen .

Die durch die GIZ mitentwickelten Aus- und Wei-terbildungszentren für Lehrer im Norden des Landes wurden durch das afghanische Bildungsministerium lan-desweit übernommen (s . Foto 15) . Die GIZ knüpft außer-dem an früheres deutsches Engagement in den 1960er und 1970er Jahren an, indem sie die damals gebauten

technischen Schulen instand setzt und die Ausbildung von Berufsschullehrern unterstützt . Zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen ausgewählter Berufsbildungsinstitutionen werden die afghanischen

Ausbildungskapazitäten ausgebaut und der Aufbau eines Ausbildungssystems für Berufsschullehrer durch die Entwicklung von Ausbildungsprofilen vorangetrie-ben . Darüber hinaus fördern die Projekte berufliche Trainingsmaßnahmen auch für Mädchen . Dazu zählen

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Foto 13: Kleinwasserkraftwerk

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 12: Ländliche Elektrifizierung

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 15: Übergabe Schulgebäude in Badakhshan

Quelle: Eigene Aufnahme ( 2009)

Foto 14: Schulunterricht in Nordafghanistan

Quelle: GIZ, unveröffentlicht

Foto 16: Ausbildung in der Metallverarbeitung in Afghanistan

Quelle GIZ, unveröffentlicht

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Christian Marius Stahmer Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

auch der Bau und die Rehabilitierung von vier pädago-gischen Hochschulen . Die GIZ hat 81 Schulen und vier Außenstellen der Lehrerausbildungszentren in Nordaf-ghanistan instand gesetzt oder neu errichtet sowie die Ausstattung von 80 Schulen ermöglicht . Insgesamt wurden rund 25 .000 Lehrerinnen und Lehrer aus- und fortgebildet, etwa 20 .000 Auszubildende sowie 1 .050 Ausbilderinnen und Ausbilder in der beruflichen Bil-dung qualifiziert (s . Foto 16) .

6.6 Nachhaltige WirtschaftsentwicklungZur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wirt-schaft werden öffentliche und private afghanische Institutionen für Wirtschaftsförderung unterstützt . Ver-besserte Bedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten tragen zur Erhöhung der Beschäftigungschancen und Ein-kommenssteigerung der Bevölkerung bei . Die GIZ berät zur Wirtschaftsreform . Sie hat die afghanische Industrie- und Handelskammer, mit mittlerweile rund 55 .000 ein-getragenen Unternehmern in 21 regionalen Kammern, aufgebaut und damit zur Entwicklung der notwendigen Rahmenstrukturen für erhöhte Investitionen und wirt-schaftliches Wachstum sowie durch die Einrichtung der Afghanischen Agentur zur Exportförderung zur Steige-rung der Außenhandels beigetragen (vgl . Foto 17) .

Die afghanische Regierung wird bei Handels-, Zoll-, Steuerfragen und Exportförderung unterstützt . So konnten die Exporte um 10 % gesteigert werden . Die GIZ wirkt am Ausbau der First Micro Finance Bank mit, welche durch die Vergabe von rund 100 .000 Mikrokre-diten und 300 Krediten an kleine und mittelständische Unternehmen an 17 Standorten mit einem Gesamt-volumen von rund 106 Millionen Euro zur wirtschaft-lichen Entwicklung beiträgt . Darüber hinaus wurden Einkommenssteigerungen durch verbesserte Wert-schöpfungsketten (Teppiche, Trockenfrüchte, Wolle, Halbedelsteine etc .) erreicht .

6.7 Polizeiaufbau AfghanistanDer Aufbau der afghanischen Polizei ist ein hervorgeho-benes Ziel der Bundesregierung . Das deutsche Auswär-tige Amt (AA) unterstützt das Deutsche Polizei Projekt Team (GPPT, Polizeiberater) und die Europäische Polizei-

mission (EUPOL) durch begleitende Maßnahmen . Dazu zählen Baumaßnahmen und Ausstattung für afghanische Polizeieinrichtungen und Alphabetisierungsmaßnahmen für Polizistinnen und Polizisten (s . Foto 18) .

Inzwischen konnten die Ausbildungszentren der Polizei in Kabul, Kunduz und Mazar-e-Sharif, das Haupt-quartier der afghanischen Bereitschaftspolizei und Verkehrspolizei in Kabul sowie das Provinzhauptquar-tier der Polizei in Faizabad gebaut, ausgestattet und in Betrieb genommen werden .

Ebenfalls wurden im Rahmen der, durch das AA finanzierten, GIZ-Projektdurchführungseinheit Alpha-betisierungskurse für 1 .776 Absolventen, darunter 21 Frauen, in 62 Distrikten und 7 Provinzen des Regional-kommandos Nord angeboten .

6.8 Baumaßnahmen im Auftrag des Auswärtigen Amtes

Zur Stabilisierung des Umfelds deutscher militärischer Kontingente und zur Stärkung afghanischer Regierungs-stellen in den Nordprovinzen ist die GIZ durch das AA mit der kurzfristigen Schaffung dringend benötig-ter Objekte der technischen und sozialen Infrastruktur beauftragt . Die zahlreichen Maßnahmen erstrecken sich auf Schulgebäude, Universitätsgebäude (s . Foto 20) und Berufsschulen im Bildungsbereich .

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Foto 19: Afghanische Polizeianwärter während der Ausbildung

Quelle GIZ, unveröffentlicht

Foto 18: Alphabetisierungskurs für Polizeianwärter

Quelle GIZ, unveröffentlicht

Foto 17: Ausstellung zur Exportförderung

Quelle GIZ, unveröffentlicht

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Der von der Bundeswehr und der deutschen Polizei unterstützte Fähigkeitsaufbau der afghanischen Sicher-heitskräfte wird mit infrastrukturellen Maßnahmen des AA flankiert . Die GIZ baut mit einem flexiblem Pro-gramm und lokalen Baufirmen Polizeistationen, Polizei-verwaltungsgebäude und andere Polizeieinrichtungen

in den Provinzen Nordafghanistans . Zu den Aufgaben dieser Einheit zählen auch die Errichtung und Wieder-herstellung von Verkehrsinfrastruktur, wie der Neubau und die Reparatur von Straßenanbindungen und zivilen Flughäfen .

6.9 Baumaßnahmen für den Auslandseinsatz der Bundeswehr

Für die Bundeswehr im Auslandseinsatz in Nordaf-ghanistan bzw . für Baumaßnahmen in und um deren Liegenschaften hat die GIZ ein eigenes baufachliches Programm eingerichtet .

Im Rahmen der Baumaßnahmen in Afghanistan wur-den die Unterkunfts- und Funktionsgebäude (s . Foto 21 und 22) sowie die Ingenieurbauwerke in der Liegenschaft Kunduz errichtet . Zu den Maßnahmen zählen auch die technische Gebäudeausrüstung, der Straßen- und Wege-bau, die Medienversorgung sowie Verbindungsstraßen und Brückenbauwerke im und im Umfeld des PRT in Kunduz sowie in Taloqan .

6.10 GIZ International Services in AfghanistanSeit 2001 gibt es ein Büro der GIZ International Ser-vices (GIZ IS) in Kabul . Das Tochterunternehmen der

GIZ arbeitet vornehmlich für nicht-deutsche Auftrag-geber, wie das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das Flüchtlingshilfswerk der Verein-ten Nationen (UNHCR), die Europäischen Union, die Regierung des Vereinigten Königreiches, die niederlän-dische Regierung und auch multilaterale internationale Organisationen, wie die Weltbank . Diese Auftragge-ber haben die GIZ IS mit der Durchführung von Ent-wicklungsvorhaben in den Sektoren (1) Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, (2) Infrastruktur, (3) sozio-ökonomische Entwicklung, (4) Bildung und (5) Gesund-heit beauftragt .

7. FazitJe näher der Zeitpunkt einer substantiellen Verände-rung des bisherigen Engagements der Bundesregierung und ihrer internationalen Partner im Afghanistanein-satz rückt, desto deutlicher wandelt sich die Gewich-tung der dort eingesetzten Instrumente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik . In den frühen Jahren des Engagements von 2002-2006 leisteten die jeweili-gen Aufgabenträger mit eher gering aufeinander abge-stimmten entwicklungspolitischen, diplomatischen, militärischen und polizeilichen Konzepten ihren Bei-trag zur Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans . In den darauffolgenden Jahren 2007-2011 veränderte sich der Einsatz erheblich, rückte die Aufstandsbekämp-fung in den Mittelpunkt der politischen und media-len Aufmerksamkeit und führte unterdessen doch zu fortwährender und vertrauensvoller Zusammenarbeit im Einsatzland selbst . Gerade in Hinsicht auf die Ent-wicklung Afghanistans wurden signifikante Mittel durch die Bundesregierung bereitgestellt und leistungsfähige, zivile Strukturen zur Umsetzung von mehrjährigen Ent-wicklungsprojekten ausgebaut .

Dieser Ansatz, hinterlegt mit robusten militärischen Fähigkeiten, erlaubte auch die Weiterführung von langfristigen Vorhaben der Entwicklungszusammen-arbeit auch unter den Konfliktbedingungen Afghanis-tans . Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn die Zukunft des Landes entscheidet sich in Schulen, auf Märkten, in Handwerksbetrieben und in den staat-lichen Institutionen Afghanistans . Die auf der interna-

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Foto 20: Schulneubau Taloqan

Quelle GIZ, unveröffentlicht

Foto 21: Fertiggestellter Rohbau eines Unterkunftsgebäudes im Feldlager Kunduz

Quelle GIZ, unveröffentlicht

Foto 22: Innenausbau mit lokalen Arbeitskräften

Quelle GIZ, unveröffentlicht

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Christian Marius Stahmer Ziviler Aufbau unter Konfliktbedingungen – Die Arbeit der GIZ in Afghanistan

tionalen Afghanistankonferenz in Bonn in Konturen skizzierte Leitvorstellung einer sich an die Transition der Sicherheitsverantwortung anschließenden Trans-formationsdekade der Jahre 2015-2024 verdeutlicht diese Grundannahme .

Es wird für die in Afghanistan verbleibenden zivilen Akteure eine Herausforderung darstellen, diese Phase

sicher und erfolgreich zu gestalten . In jedem Fall wird die Bedeutung ziviler Akteure nach weitgehender Redu-zierung des internationalen und damit auch deutschen Militärs zunehmen . Umso entscheidender wird der Beitrag der zivilen Akteure mit ihren Ansätzen für den Wiederaufbau und zur Entwicklung des Landes sein .

Literatur

BMZ (Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung) (2010): Presse . Aktuelle Meldung vom 05 .05 .2010: Bundesentwicklungsminister Niebel: Entwicklungsoffensive in Afghanistan . http://www .bmz .de/de/presse/aktuelleMeldungen/2010/mai/20100505_afghanistan/index .html

Die Bundesregierung (2010): 3 . Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplanes Zivile Krisen-prävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung . Juni 2010, S . 6 f .

Die Bundesregierung (2011): Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages, Dezem-ber 2011 . http://www .auswaertiges-amt .de/cae/servlet/contentblob/604602/publicationFile/163001/111214-Fortschrittsbericht2011 .pdf

Die Bundesregierung (2012): Mediathek . Infografiken . Das deutsche Engagement in Afghanistan . http://www .bun-desregierung .de/Webs/Breg/DE/Service/Mediathek/Infografiken/infografiken_node .htm, 20 .03 .2012

GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) (unveröffentlicht): Regionalabteilung Afgha-nistan/Pakistan . Eschborn .

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP (26.10.2009): Wachstum . Bildung . Zusammenhalt . 17 . Legislatur-periode, S . 122 . http://www .cdu .de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp .pdf

MOF (Ministry of Finance, Government of Islamic Republic of Afghanistan) (2011): Annual Performance Review Report 1390, S . 6 . http://mof .gov .af/Content/files/MOF%201390%20ANNUAL%20PERFORMANCE%20REVIEW%20REPORT%20RIMU .pdf

The World Bank (2011): World Development Report 2011 . Conflict, Security, Development, S . 2 .

UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) (2012): Afghanistan Annual Report 2011 . Protection of Civilians in Armed Conflict, S . 1 .

UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) (2011): World Drug Report 2011 . http://www .unodc .org/documents/data-and-analysis/WDR2011/World_Drug_Report_2011_ebook .pdf

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Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi Hans-Günter Mylius

Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi

Hans-Günter Mylius

1. EinführungDer südostafrikanische Staat Malawi ist mit einer Flä-che von 118 .494 km 2 (Landfläche abzüglich des Anteils am Malawi-See ca . 94 .000 km 2) einer der kleineren Staaten der Region . Mit einer geschätzten Bevölke-rung von 14 Millionen Einwohnern ist das Land relativ dicht besiedelt (150 Einw ./ km 2) . Ohne Zugang zum Meer grenzt Malawi an Sambia im NW, Tansania im NE und Mosambik im Osten, Süden und Westen . Die Hauptstadt ist Lilongwe, Blantyre im Süden ist die größte Stadt und Mzuzu ist das urbane Zentrum im Norden (siehe Abb . 1) .

Malawi gehört zu den am geringsten entwickelten Ländern der Erde und die Wirtschaft basiert überwie-gend auf der Landwirtschaft mit einer sich abzeichnen-den Entwicklung des Bergbausektors .

Der Große Afrikanische Grabenbruch verläuft von Nord nach Süd durch das Land mit dem 587 km lan-gen und bis 84 km breiten Malawi-See . Den Abfluss des Sees an seinem Südende bildet der Shire River, der 400 km weiter südlich in Mosambik in den Sambesi River mündet .

Der Wasserspiegel des bis zu 700 m tiefen Malawi-Sees liegt auf 474 m Seehöhe . Das bergige Hochland von Malawi wird von Plateaus mit 750 bis 1 .250 m Höhe geprägt . Die höchsten Gipfel erreichen im Mulanje-Massiv im Süden 3 .002 m und im Nyika-Plateau im Norden werden 2 .627 m erreicht . Der tiefste Punkt des Landes liegt mit 37 m im Süden an der Grenze zu Mosambik .

Das Klima ist in den tiefer liegenden Gebieten im Süden des Landes und am Ufer des Malawi-Sees am wärmsten, während die Hochlandregionen mild tem-periert sind . In der Regenzeit von November bis April treten häufig Gewitterstürme mit Starkregen auf . In der Trockenzeit sind Regenfälle eher selten .

2. ProblemstellungIn Malawi leben 80 % der Bevölkerung auf dem Land . Die Urbanisierungsquote ist mit 5 % eine der höchsten auf der Welt . Die Städte wachsen kaum kontrollierbar und rapide . Aufgrund der geringen Industrialisierung (10 % der Beschäftigten) sind die meisten Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt . Ein Großteil der Bevöl-kerung sichert die Nahrungsmittelversorgung durch eigenen Anbau, wobei nur etwas mehr als 20 % der Flä-che des Landes für Ackerbau geeignet ist .

Das andauernd hohe Bevölkerungswachstum, wel-ches trotz HIV-AIDS noch bei 2,76 % liegt, führt zu einem hohen Druck auf die Naturressourcen Wasser, Boden und Energie und damit zu zunehmenden Vertei-lungskonflikten . Hinzu kommt, dass die urbanen Zen-tren nur eingeschränkt in der Lage sind, die üblichen Serviceleistungen, wie Trinkwasserversorgung, Abwas-serentsorgung und Energie für alle Einwohner anzubie-ten . Es zeichnet sich deutlich ab, dass die im Jahr 2002 auf der VN-Weltentwicklungskonferenz verabschiede-ten Millennium-Entwicklungsziele in Malawi nicht im angestrebten Zeitraum erreicht werden können . Mit weiter stark zunehmender Bevölkerung ist damit eine Verschlechterung der Lebensbedingungen zu erwarten . Zunehmende Naturgefahren, die sich in Überflutungen, Hangrutschen und der hohen Bodenerosion zeigen, verschärfen die Lage zusätzlich . Die unkontrollierte Ent-waldung und Landnutzung steigert die Umweltschäden in Malawi in besonderem Maße .

3. ProjektansatzDie Geologischen Dienste von Malawi hatten sich in der Vergangenheit überwiegend damit beschäftigt, Mine-rallagerstätten zu entdecken, um durch deren Nutzung

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Abbildung 1: Lagekarte von Malawi im südöstlichen Afrika und Arbeitsschwerpunkte des Umweltgeologieprojekts

Quelle: BGR, unveröffentlicht

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Hans-Günter Mylius Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi

nationalen Wohlstand zu schaffen . Heute ist die Bereit-stellung einer verlässlichen Datenbasis des Potentials an mineralischen Rohstoffen noch immer eine Hauptauf-gabe, aber die Entwicklung von Konzepten zum Schutz der Umwelt bei der Gewinnung der Rohstoffe ist als wesentlicher Bestandteil hinzu gekommen . Die ange-wandten Geowissenschaften tragen hier zu einer kon-fliktfreieren Entwicklung bei und sie helfen, negative Umweltauswirkungen zu minimieren . Veränderungen an der Erdoberfläche und im Untergrund werden beob-achtet, um entsprechende Vorschläge für die Landnut-zugsplanung zu geben . Damit sollen die erforderlichen Voraussetzungen für ein nachhaltiges Fortbestehen von Flora und Fauna und nicht zuletzt die Lebensbedingun-gen für uns Menschen gesichert werden .

Die Bevölkerung fordert auch in Malawi zunehmend eine bessere Planung, damit Grundbedürfnisse und eine verbesserte Lebensqualität erreicht und gewährleistet werden können . Das heißt für die Geowissenschaftler, sich vermehrt mit der Sicherstellung der Versorgung mit den Naturressourcen Wasser, Energie (Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran), mineralischen Rohstoffen (Metalle und Nichtmetalle/Industrieminerale) und mineralischen Baurohstoffen sowie den legitimen Belangen der Men-schen zu befassen . Die Naturgefahren, wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Hangrutsche und Überflutungen, sind in einer Gefährdungsbewertung zu erfassen, damit sich die betroffene Bevölkerung, mit der nötigen Auf-klärung versehen, auf die jeweiligen Georisiken in ihrer Region besser einstellen kann . Die Grundwasserres-sourcen sind durch die Ausweisung von Schutzzonen vor einer Verunreinigung zu schützen . In Gebieten mit Gefahr für Bodenerosion können Empfehlungen für ver-besserte Methoden in der Landwirtschaft zum Erhalt des fruchtbaren Bodens beitragen .

Für Malawi wurde deshalb ein Umwelt-geologie-Projekt kon-zipiert, um für diese Probleme Lösungsan-sätze zu entwickeln . Das deutsche Bundesminis-terium für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung und das Ministerium für Naturressourcen und Umwelt der Repub-lik Malawi haben die Umsetzung des Pro-jektes ermöglicht . Die Realisierung erfolgte auf deutscher Seite durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und in Malawi war der Geologische Dienst in Zomba der Hauptpartner .

Die folgenden Beispiele aus diesem Projekt zeigen auf, wie die Geowissenschaften zu einer Sicherstellung und Verbesserung der Lebensbedingungen und damit auch der Vermeidung von Konflikten beitragen können .

4. Umweltgeologie ProjektDas Projekt Umweltgeologie in der Stadt- und Regio-nalplanung unterstützt den geologischen Dienst sowie urbane und regionale Planungsbehörden in Malawi, insbesondere durch Ausbildung der Fachkräfte und die gemeinsame Durchführung von Pilotmaßnahmen, wie sie in den folgenden Kapiteln beschrieben werden . Die Fach- und Führungskräfte sollen durch diese Qualifizie-rungsmaßnahmen in die Lage versetzt werden, ihr Land nachhaltig zu entwickeln .

4.1 NaturkatastrophenDie regelmäßig wiederkehrenden Naturkatastrophen for-dern Jahr für Jahr Menschenleben . Häuser und Brücken werden zerstört, Straßen und Eisenbahnlinien beschädigt und es kommt zu Ernteausfällen . Durch eine angepasste Landnutzungsplanung lassen sich Schäden minimie-ren . Dafür war eine detaillierte Gefährdungsabschät-zung erforderlich, die in Pilotgebieten erfolgte . Mit den gewonnenen Erfahrungen konnten die verantwortlichen Mitarbeiter in den kommunalen Verwaltungen für ein verbessertes Katastrophenmanagement geschult werden .

4.1.1 ErdbebenrisikoDas Erdbebenrisiko in Malawi geht auf die fortwäh-rende Dynamik im Afrikanischen Grabenbruch zurück . Die Gefahr wird dabei für Malawi als nicht besonders hoch eingeschätzt . Wie das Beispiel der jüngsten Erdbebenserie zeigt, können aufgrund der besonderen Verhältnisse im Lande dennoch bereits bei schwachen

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Abbildung 2: Lage der Erdbebenserie vom 06.-19.12.2009 bei Karonga in Nord-Malawi

Quelle: Eigene Darstellung, umgezeichnet nach Lamont-Doherty Earth Observatory (2010)

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Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi Hans-Günter Mylius

Erdbeben erhebliche Schäden auftre-ten . Im August 2009 wurden im Nor-den von Malawi leichte Schwarmbeben mit zunehmender Intensität beobach-tet . Darauf folgte dann im Dezember eine Serie von mittelstarken Erdbeben, bei denen über 10 .000 Häuser zerstört oder beschädigt wurden (siehe Abb . 2) . Das landesweite Seismometer-Netz wurde daraufhin 2011 erweitert, um die Beobachtung der seismischen Aktivität durch den Geologischen Dienst von Malawi zu verbessern . Gemeinsam mit strukturgeologischen Kenntnissen über die Hauptstörungszonen kann damit die Zonierung der Erdbebengefährdung im Land besser eingeschätzt werden . Die Bauvorschriften wurden ebenfalls an die Gefährdung angepasst .

4.1.2 FlutrisikoÜberflutungen führen im gesamten Land regelmäßig zu Ernteausfällen und zerstören Häuser und Straßen . Die Bevölkerung in den am häufigsten betroffenen Gebieten sollte die Gefah-ren eigentlich kennen und sich in höher gelegenen Gebieten niederlassen . Das geschieht aber nicht, da man es vorzieht, direkt in der Nähe der frucht-baren Ackerflächen zu wohnen . Aufklärungsmaßnah-men wurden bislang nicht befolgt .

Für die Stadt Blantyre wurden für vier Flussgebiete im Stadtgebiet die Hochflutlinien mit einem 50-Jahre-Niederschlagsmaximum bestimmt, um die gefährde-ten Flächen auszuweisen . Zahlreiche Wohnhäuser und

Industrieanlagen stehen bereits in den potentiellen Flutgebieten und in der Regenzeit werden immer wie-der Häuser zerstört . Baugenehmigungen werden in den Risikogebieten nicht mehr erteilt, aber die ungeplante Bebauung findet weiterhin statt .

4.1.3 Massenbewegungen (Hang rutsche, Murgänge, Schlammströme, Steinschlag)

Malawi wird, besonders in der Regen-zeit zwischen November und März, von tropischen Wirbelstürmen mit ein-hergehenden Starkregen bedroht (siehe Abb . 3) . An den steilen Berghängen, mit teilweise mächtiger Bodenbedeckung, besteht ein hohes Risiko für Hangrutsche, Steinschlag und Schuttströme . Die vom Menschen verursachte extreme Entwal-dung verstärkt diese Gefahr zusätzlich . Der Mangel an geeigneten Siedlungsflä-chen zwingt viele Menschen dazu, sich in gefährdeten Gebieten niederzulassen .

Gemeinsam mit Fachkräften des Geologischen Dienstes und Stadt- und Regionalplanern wurden Gefährdungs-bewertungen für Naturgefahren in den Städten Zomba und Blantyre sowie in zahlreichen ländlichen Gebieten durch-geführt . Die erstellten Risikokarten (siehe Abb . 4) weisen Gebiete aus, in denen eine Wohnbebauung unterbleiben sollte oder es werden eingeschränkte Land-nutzungen vorgeschlagen . In geplan-

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Abbildung 4: Blantyre Ndirande Mountain: Karte der Hangrutschgefährdung

Schuttströme (grau) und Gefährdungsgebiete (gelb) sowie instabile Gesteinsgerölle (rot) .Quelle: BGR, unveröffentlicht

Abbildung 3: Ein tropischer Wirbelsturm mit über 400 km Durchmesser erreicht Malawi

Starkregen mit über 400 l/m 2 in 24 Stunden bzw . 150 l/m 2 in drei Stunden wurden ver-zeichnet .

Quelle: NOAA Satellite and Information Service (2000)

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Hans-Günter Mylius Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi

ten Siedlungsgebieten wurden diese Einschränkungen berücksichtigt, aber die ungeplante Besiedlung, die z . B . in der Stadtentwicklung von Blantyre auf über 70 % der Fläche geschätzt wird, findet trotz der Natur-gefahren weiterhin statt . Die Personalsituation in den Stadtplanungsbehörden und im Geologischen Dienst reicht nicht aus, um landesweit breitenwirksam über die Naturgefahren zu informieren . Distrikt-Umwelt-kommissionen wurden, ebenso wie die traditionellen Dorfältesten, auf Informationsveranstaltungen über die vorbeugenden Möglichkeiten zur Reduzierung der Risi-ken durch Naturgefahren (wie z . B . Steinschlag, s . Foto 1) unterrichtet . Der notwendige Aufwand für Aufklärung und Personal-Training kann aber von diesem Projekt allein nicht geleistet werden .

4.1.4 ErosionsrisikoIn Malawi ist der jährliche Verlust an fruchtbarem Mut-terboden mit bis zu 50 t pro ha besonders groß . Das liegt unter anderem daran, dass Starkregen oft dann

auftreten, wenn die Aussaat an steilen Berghängen gerade erfolgt ist und schützendes Wurzelwerk und Pflanzenbedeckung noch nicht entwickelt sind (s . Foto 2 und 3) . Die hangparallele Bepflanzung mit Vetivergras könnte diesem Problem zumindest teilweise entgegen-wirken, wird aber noch zu wenig betrieben .

Besonders negativ wirkt sich die extreme Abholzung im Umkreis der großen Städte aus . Für die Holzkohle-herstellung und die Gewinnung von Feuerholz hat der Ring der Abholzung um Blantyre im Süden des Landes beispielsweise einen Durchmesser von 120 km erreicht . Das führt unter anderem auch dazu, dass der Shire River, an dem die drei Wasserkraftwerke des Landes liegen, die 98 % der Stromversorgung liefern, extrem versandet ist . Das hat wiederum zur Folge, dass auch die Staudämme der Kraftwerke versanden und ständig ausgebaggert werden müssen . Die Nutzlast der Turbi-nen sinkt dadurch zeitweise auf weniger als 30 % der Kapazität . Eine vom Projekt vorgeschlagene Gesamt-bewertung des Erosionsrisikos des Shire River-Einzugs-gebietes konnte bislang aufgrund der fehlenden Mittel nicht durchgeführt werden . Nur auf Basis einer solchen Ursachenbewertung könnten Vorschläge zur Regu-lierung erarbeitet werden . Stattdessen werden kost-spielige Vorschläge zur Behebung des Problems durch regulierende Flussbauwerke gemacht, die aber nicht an den eigentlichen Ursachen ansetzen .

5. Infrastrukturschäden als Folge von Natur- katastrophen

Von Naturkatastrophen ausgelöste Infrastrukturschä-den (vgl . Foto 4 und 5) wurden landesweit an den Hauptstraßen aufgenommen und Empfehlungen zur Vermeidung oder Reduzierung von Schäden in einem Bericht zusammengestellt . Die Straßenbehörde soll

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Foto 1: Blantyre, Ndirande Mountain NE – bis zu 1000 t schwere Gesteinsbrocken bedrohen unterhalb gelegene

Stadtteile

Die Gerölle entstanden bei einem großen Steinschlagereignis, als der steile Gipfel des Ndirande zum Einsturz kam .

Quelle: Eigene Aufnahme (2000)

Foto 3: Blantyre, Ndirande Mountain – Flächenhafter Bodenabtrag

Unsachgemäße landwirtschaftliche Nutzung der Steilhänge bis in den Gipfelbereich führt zu einsetzendem flächenhaftem Boden-abtrag (Bildmitte) und gefährdet die Hangstabilität, was zur Folge haben kann, dass in der Regenzeit massive Hangrutsche entstehen .

Quelle: Eigene Aufnahme (2000)

Foto 2: Zomba Mountain: Einsetzende Bodenerosion an frisch entwaldetem Steilhang nach der Aussaat von Mais

Starkregen wäscht den Boden in Kanälen aus, die sich immer wei-ter in den Hang fressen, bis sie am unterliegende Festgestein enden .

Quelle: Eigene Aufnahme (2000)

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damit in die Lage versetzt werden, die jährlich für die Instandsetzung der Verkehrsverbindungen erforderli-chen erheblichen Mittel zu reduzieren .

6. MüllentsorgungIn Malawi wurden in den Jahren 1994 bis 1998 die gesetzlichen Grundlagen und Durchführungsbestim-mungen für Umweltbelange neu geregelt, unter ande-rem auch die Regeln für den Umgang mit Abfall . Bis heute gibt es aber noch keine den Erfordernissen ent-sprechend geplante Hausmülldeponie in Malawi . Da

insbesondere die Deponien in den großen Städten massive Umweltprobleme nach sich ziehen, ist eine steigende Unzufriedenheit unter den Anwohnern zu verzeichnen . In Mzuzu kam es bereits 2002 zu ersten Protesten der betroffenen Bevölkerung und zeitweise wurde den Müllfahrzeugen der Stadt der Zugang zur Deponie verwehrt .

Vom Umweltgeologieprojekt wurden erstmalig in Malawi Untersuchungen zur Deponiestandortsuche durchgeführt . Von Anfang an wurde ein ganzheitliches Müll-Management-Konzept angestrebt, dass darauf abzielt, das Müllaufkommen zu minimieren und das Recycling zu maximieren . Der hohe Anteil an orga-nischem Abfall wird dabei der Kompostierung zuge-führt . Für den problematischen Kunststoffanteil laufen Gespräche mit privaten Investoren, um die kommer-zielle Wiederverwendung zu prüfen . Der Glasbruch des größten Getränkeherstellers wird inzwischen in Sammeltransporten, trotz der erheblichen Kosten, zur nächsten Glashütte nach Südafrika verbracht . Der anfal-lende metallische Abfall wurde bisher nur einmal von einem Unternehmer in ganz Malawi gesammelt, zentral in Blantyre zusammengeführt und dann nach Südafrika zu einer Sekundärhütte verbracht . Für die ständig anfal-lenden metallischen Kleinmengen auf den Hausmüllde-ponien gibt es dagegen noch kein Sammelkonzept .

In Blantyre, der größten Stadt des Landes, verun-reinigt die einzige existierende Hausmülldeponie der Stadt (s . Foto 6 und 7) einen der wenigen Flüsse, der das ganze Jahr über Wasser führt . Die unterhalb der Deponie lebende Bevölkerung muss, seitdem der Fluss verschmutzt ist, auf Kosten der Stadt mit sauberem Trinkwasser versorgt werden . Aufgrund der Dringlichkeit wurde ein neuer Deponiestandort ausgewählt . Infolge der dichten Bebauung und der zahlreichen Streusied-lungen sowie der ungünstigen morphologisch-geologi-schen Verhältnisse eignen sich nur wenige Gebiete im Nahbereich der Stadt als Deponiestandorte .

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Foto 4: Abgesenkter Brückenpfeiler am Naminkokwe River

In der Nähe der Mua Mission hat das Hochwasser am Namin-kokwe River den Brückenpfeiler abgesenkt und den Uferschutz stark beschädigt . Der Verkehr wird über eine Behelfsbrücke geführt .

Quelle: Eigene Aufnahme (2003)

Foto 5: Zerstörte Behelfsbrücke am Dwambadzi River

Hochwasser hat zum wiederholten Male am Dwambadzi River eine Behelfsbrücke zerstört . Die Nord-Süd-Küstenstraße war des-halb über Monate blockiert und die Bewohner der Region mussten lange Umwege über das Hochland in Kauf nehmen, da Alternati-ven nicht bestehen . Der Neubau einer flutsicheren Brücke strom-aufwärts und die Straßenverlegung wurde nach Jahren durch eine EU-Finanzierung von 20 Millionen Euro ermöglicht . Mit der Auswer-tung von Luftbildern (Fernerkundung) und geologischen Gelände-aufnahmen konnte der Talbereich mit wechselndem Flussverlauf in mächtigen Sanden (Mäander) abgegrenzt und der neue Brückens-tandort in anstehendem Festgestein bestimmt werden .

Quelle: Eigene Aufnahme (2001)

Foto 6: Blantyre Mzedi Hill Hausmülldeponie

Ungeplant abgelagerter Haus- und Industriemüll umschließt das Quellgebiet des Chisombezi River . Die bis heute betriebene Depo-nie hat bereits das gesamte Areal mit mehrere Meter mächtigem Abfall bedeckt, sodass an eine Sanierung des Flusssystems kaum mehr zu denken ist .

Quelle: Eigene Aufnahme (2002)

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In Chigumula konnte ein Standort gefunden werden, der den Anforderungen in idealer Weise entspricht (vgl . Abb . 5) . Das Gebiet ist weit genug von der nächsten Wohnbebauung entfernt, verkehrstechnisch gut erreich-bar und nicht zu weit vom Stadtzentrum Blantyres entfernt . Das Areal mit homogenen geologischen Ver-hältnissen ist groß genug, um den Betrieb einer Haus-mülldeponie für mehrere Jahrzehnte zu gewährleisten . Die tonreichen Bodenschichten haben eine Mächtigkeit

von über sieben Metern und bilden eine geologische Barriere, die das Eindringen von kontaminierten Sicker-wässern aus dem Deponiekörper in das Grundwasser verhindern kann . Außerdem sind bestimmte Tonmine-rale in der Lage, mögliche Schadstoffkomponenten zu absorbieren . Die Entfernung zum nächsten Flusssystem ist groß genug, um die Sickerwässer aus der Deponie bei schwachem Gefälle in einem künstlichen Feucht-gebiet zu klären . Danach können die Wässer über einen Absetzteich für die abschließende Klärung in das Gewässernetz geleitet werden .

Ein für Malawi entwickeltes Deponiekon-zept mit geologischer Barriere erlaubt eine dauerhafte und kostengünstige Müllentsor-gung, die ohne die kostspielige Errichtung einer technischen Barriere mit Kunststoff-dichtungsbahnen auskommt (s . Abb . 6) . In dem in Malawi vorherrschenden feucht-tropischen Wechselklima haben sich fast überall mächtige tonige Verwitterungsbö-den gebildet, welche die Standortanforde-rungen an eine geologische Barriere, wie sie in Deutschland und Europa gefordert wird, oftmals bei weitem übertreffen .

7. Mineralische BaurohstoffeNeben der Vermeidung von Naturkatastro-phen und Umweltbelastungen ist und bleibt eine zentrale Aufgabe des Geologischen Dienstes Malawis, die wirtschaftliche Akti-vität durch die Erschließung von Mineral-lagerstätten zu unterstützen . Für Blantyre wurde die Verfügbarkeit der mineralischen Baurohstoffe Sand, Kies, Ton (vgl . Foto 8 bis 10) und Festgestein bewertet und die in Betrieb befindlichen Abbaue sowie poten-tielle Vorkommen in einer thematischen Karte erfasst, damit diese Gebiete für die zukünftige Entwicklung der Stadt reserviert werden und weiterhin als Quelle für Roh-stoffe zur Verfügung stehen . Die in Blantyre durchgeführten geologischen Untersuchun-

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Foto 7: Blantyre Mzedi Hill Mülldeponie – wilde Ablagerung

Die wilde Ablagerung (rosa umrandete Fläche) erstreckt sich auf 1 km Länge .Quelle: Eigene Darstellung, überarbeitet nach google Earth (2010)

Abbildung 6: Deponiekonzept für Malawi

Quelle: BGR, unveröffentlicht

Abbildung 5: Eignung der geologischen Barriere für eine Deponie

Nachweis der Eignung der geologischen Barriere für eine Deponie mittels Hand-bohrungen bis 7 m Tiefe, geophysikalischen Untersuchungen bis ca . 30 m Tiefe und mechanischen Bohrungen bis 25 m Tiefe – Laboruntersuchungen an ungestörten Bodenproben belegen die hervorragende Eignung der gering durchlässigen toni-gen Böden .

Quelle: BGR, unveröffentlicht

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Umweltgeologie hilft die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – Fallbeispiel Malawi Hans-Günter Mylius

gen dienten der Erstellung einer digitalen geologischen Karte der Lockergesteinsbedeckung für das Stadtgebiet im Maßstab 1:25 .000 . Damit steht der Stadtplanungs-behörde eine Planungsgrundlage für eine Vielzahl von Aufgaben zur Verfügung .

Zurzeit wird eine gleichartige Karte für die Stadt Mzuzu in Nord Malawi erstellt, um den Stadtentwick-

lungsplan für die strategische Landnutzung und die Ent-wicklung der Stadt in den nächsten 30 Jahren auf eine solide Datenbasis zu stellen .

8. ZusammenfassungDie kleine Auswahl von Fallbeispielen aus dem Umweltgeologieprojekt zeigt, wie Geologie die Stadt- und Regionalplanungsbehörden in der Landnutzungs-planung unterstützen kann . Geologie hilft, die Prozesse im globalen Erdsystem und das Zusammenspiel zwi-schen Geosphäre und den menschlichen Eingriffen in die Natur besser zu verstehen und zu steuern . Geo-logisches Fachwissen wird auch benötigt, um zu einer ausreichenden Versorgung mit den Naturressourcen Wasser, Energie und mineralische Rohstoffe beizu-tragen . Die Bewertung der Naturgefahren kann dazu beitragen, besser auf Naturkatastrophen vorbereitet zu sein und Schäden zu reduzieren . Die lokalen und globalen Einwirkungen auf unsere Umwelt können, z . B . beim Abbau von Rohstoffen, minimiert werden . Die Erfahrungen der Geowissenschaftler und die Kenntnis für eine nachhaltige Entwicklung sichern wirtschaftli-ches Wachstum und dienen somit auch der Stabilität Malawis im Sinne der vernetzten Sicherheit .

Literatur

BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) (unveröffentlicht): Projekt: Malawi - Unterstützung des Geologischen Dienstes bei umweltgeologischen Aufgaben . Hannover .

Google Earth (2010): Blantyre Mzedi Hill, Koordinaten 15° 46‘ S, 35°05‘ O . 12 .05 .2010

Lamont-Doherty Earth Observatory (2010): Scientists respond to earthquakes in Malawi . Columbia University, New York, USA . http://blogs .ei .columbia .edu/2010/02/05/malawi-intro/ 27 .02 .2012

NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) Satellite and Information Service (2000): Realzeit Satellitenbild Malawi . Washington, USA . http://www .ssd .noaa .gov/

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Foto 9: Sandgewinnung

Geeigneter Bausand ist in Blantyre knapp und so wird minderwer-tiger Sand in vielen kleinen Bachläufen gewonnen .

Quelle: Eigene Aufnahme (2002)

Foto 10: Schotterherstellung

Im Stadtgebiet von Blantyre wird an vielen Stellen Schotter per Hand hergestellt . Oftmals führen diese Tätigkeiten zur Destabilisierung der Berghänge und gefährden Straßen und Siedlungen .

Quelle: Eigene Aufnahme (2002)

Foto 8: Ziegelherstellung

Die Herstellung von Ziegelsteinen aus humusreichem schwarzem Mutterboden in Blantyre verbraucht wertvollen Boden für Ziegel-steine mit schlechter Qualität und hinterlässt eine Landschaft, die für den weiteren Ackerbau nicht mehr geeignet ist .

Quelle: Eigene Aufnahme (2003)

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Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch internationale PolizeiArno Langanke im Rahmen multinationaler Einsätze der Vereinten Nationen

Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch internationale Polizei im Rahmen multinatio-naler Einsätze der Vereinten Nationen

Arno Langanke

1. Konventionelle Praxis bis etwa 2007Nach militärischen Konflikten, zu deren Lösung man-datierte, nicht am Konflikt beteiligte Militärkräfte 1 in den betroffenen Staaten interveniert haben, kommt es mittlerweile regelmäßig zu Folgeaktivitäten . Sie bezwecken zum einen die Friedenserhaltung oder -sicherung, zum anderen die Entwicklung von Struktu-ren der inneren Sicherheit in den am Konflikt beteilig-ten Staaten (s . Foto . 1) .

Dabei ergibt es sich automatisch, dass Militärkräfte von der Stunde Null an im ehemaligen Kriegsgebiet anwesend sind und alle Aufgaben, die der (inneren) Sicherheit dienen, wahrnehmen . Allerdings sind die Pri-oritäten, die durch den Auftrag bestimmt sind, in der Regel anders gesetzt, als es bei der Zivilverwaltung und der Polizei der Fall wäre . Gleichwohl nimmt das Militär neben seiner ureigenen Aufgabe von Beginn an auch Aufgaben wahr, die verhindern sollen, dass sich ein rechtsfreier Raum, oder aber ein Machtvakuum entwi-ckeln . Hier ist es von entscheidender Bedeutung, wie diese Aufgaben, z . B . im Rahmen der Strafverfolgung, durchgeführt werden, damit später eine sachgerechte Weiterbearbeitung durch die Zivilpolizei erfolgen kann .

1.1 Erste Phase: unmittelbar nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzung

In der Regel beginnt die durch die VN legitimierte Intervention mit massivem militärischem Kräfteeinsatz, was dazu führt, dass nach der formellen Befriedung viel militärisches Personal direkt verfügbar ist . Nach den friedenschaffenden Aktivitäten folgen die frie-

1 z . B . NATO/PFP, legitimiert durch die Vereinten Nationen .

denserhaltenden und -sichernden Maßnahmen . Dazu gehören auch erste Maßnahmen und Ermittlungen, die etwaigen Verfahren vor einem Tribunal (z . B . ICTY 2) aber auch der gemeinen Strafverfolgung und Gefahrenab-wehr dienen . Diese anfängliche Wahrnehmung polizei-licher Aufgaben erfolgt nach besten Kräften und dem eigenen Potential entsprechend . Regelmäßig wird das Gros dieser Aufgaben durch spezielle Militärkräfte, besonders die Military Police (Feldjäger), wahrgenom-men . Je nach Herkunftsland dieser Soldaten gibt es unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten und auch Interessen, wovon wiederum die Aktivitäten und ihr Engagement direkt abhängen . Dieser Aufgabenwahr-nehmung kommt umso mehr Bedeutung zu, wenn in dem ehemaligen Kriegsgebiet/Krisengebiet keine funktionierende Polizei existiert .

An den Fällen Bosnien und Herzegowina (BiH) und Kosovo (KOS) soll kurz die unterschiedliche Ausgangssi-tuation dargestellt werden:

BiH: In den beiden Teilen, Republika Srpska und Kan-tonsföderation, gab es unmittelbar nach Kriegs-ende eine überwiegend funktionierende Polizei, die allerdings nicht durchgängig nach demokra-tischen Prinzipien und die Menschenrechte ach-tend handelte . Es kam also von Beginn darauf an, polizeiliche Willkür (z . B . ethnisch begründet) zu unterbinden . Das für die internationalen Polizei-kräfte maßgebende Mandat 3 trug allerdings deut-lich die Handschrift von Militärs, was im Vollzug des Auftrages (bloßes Monitoring) wie auch in Abgrenzung zu militärischer Zuständigkeit ver-schiedentlich zu Problemen führte . Der Umstand, dass die International Police Task Force (IPTF) keine Exekutiv-Befugnisse hatte, sondern lediglich die lokale, bosnische Polizei bei ihrem Handeln überwachte, wurde von der lokalen Bevölkerung, aber auch von anderen an der Mission teilneh-menden Kräften, namentlich dem Militär, kaum akzeptiert: Man erwartete von der internationa-len Polizei, dass sie bei strafrechtlichen Sachver-halten ermitteln sowie bei drohenden Gefahren entsprechende Maßnahmen treffen würde . Die Formulierung des Mandats, auf das sich die damaligen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates geeinigt hatten, sah eben ein solches aktives Handeln der internationalen Polizeitruppe nicht vor . Daraufhin wurden die Aktivitäten der zivilen polizeilichen Komponente beim Department for Peacekeeping Operations (DPKO) intensiviert, so dass die folgenden Mandate stärker den Mög-lichkeiten, Fähigkeiten und ureigenen polizeili-chen Aufgaben entsprachen .

2 International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, gegründet durch VN Resolution 827 vom 25 .05 .1993 .

3 Gemäß VN Resolution 1035 vom 21 .12 .1995, Annex 11 zum Friedensab-kommen von Dayton, wurde eine International Police Task Force ohne Exe-kutiv-Befugnisse eingesetzt, die lediglich die Überwachung der bosnischen Polizei hinsichtlich Einhaltung von Menschenrechten zur Aufgabe hatte .

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Foto 1: Polizei in VN-Friedensmission an der libanesisch-syrischen Grenze zur Inspektion der Grenzsicherheit

Quelle: Eigene Aufnahme (2007)

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Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch internationale Polizeiim Rahmen multinationaler Einsätze der Vereinten Nationen Arno Langanke

KOS: Nach dem Rückzug der serbischen Sicherheits-kräfte – unter Milosevic war es zu ethnischer Säuberung des Staatsdienstes, auch und gerade im Bereich der Polizei gekommen – gab es keine Polizei in Kosovo . Es musste somit von Seiten des Militärs auch der Bereich der zivilpolizeilichen Belange bedient werden, zumal es einige Zeit dauerte, bis die durch die VN autorisierte interna-tionale Polizeitruppe 4 arbeitsfähig war (Erreichen der Sollstärke; Organisationsstruktur) . In diesem Fall war tatsächliches Handeln, insbesondere im Bereich Strafverfolgung von den Militärkräften zumindest so lange gefordert, bis die ersten zivi-len Polizeikräfte einsatzbereit waren . Dies nahm, je nach Örtlichkeit, bis zu einem Jahr in Anspruch . Die Aufgabe dieser internationalen Polizei bestand neben der Wahrnehmung der Exekutiv-Aufgaben (Ermittlungen in Strafverfahren, Gefah-renabwehr, verkehrspolizeiliche Aufgaben) auch darin, unter dem Dach der OSZE eine Polizei für Kosovo aufzubauen und dieser dann sukzessive die Befugnisse zu übertragen .

In beiden Fällen hatte also das Militär auch Aufgaben zu erledigen, welche nicht zum originären Tätigkeitsbe-reich von Soldaten gehörten . Es galt also, die fachkom-petente Institution, die International Police Task Force, schnellstmöglich funktionsfähig zu installieren .

1.2 Zweite Phase: die Arbeitsaufnahme der inter-nationalen zivilen Polizeikomponente

Gemäß den Vorgaben aus den jeweiligen VN-Resolu-tionen (legitimierte Stärke, Auftrag) wurden, nachdem eine vorläufige Befriedung durch das Militär erreicht und ein Mindeststandard an sicherem Umfeld durch starke militärische Präsenz gegeben war, Polizeikräfte aus zahlreichen Mitgliedstaaten der VN sukzessive in das Einsatzgebiet gebracht . Damit ging die logistische Ausstattung (Technik, Fahrzeuge, etc .) einher . Das heißt, zu diesem Zeitpunkt war insbesondere der administra-tive Part der VN gefordert .

In dieser Phase begann aber auch schon die erste Zusammenarbeit bzw . die notwendige Abstimmung zwischen Militär und Polizei . Sinnvollerweise wurde die polizeiliche Struktur zunächst den bestehenden Gegebenheiten der militärischen Struktur (Multinatio-nal Brigade/MNB-Bereiche) angepasst, um einheitliche Gesprächs- und Arbeitsebenen zu schaffen . Für die praktische Ausgestaltung der Zusammenarbeit auf der Arbeitsebene hat es sich als äußerst positiv und effek-tiv erwiesen, dass Militärpolizei- und UNMIK-Stationen weitestgehend in gemeinsamen Gebäuden (bzw . Com-pounds) untergebracht waren . Hier kann exemplarisch die hervorragende Kooperation im Süden Kosovos zwischen KFOR MNB South und Police Region Prizren

4 Gemäß VN Resolution 1244 vom 10 .06 .1999 wurde eine bis zu 4200 Mann starke Polizeikomponente mit Exekutiv-Mandat in die United Nations Inte-rim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) entsandt . Hier wurden auch zum ersten Mal Internationale Hundertschaften, sog . Formed Police Units (FPU) für bestimmte Aufgaben eingesetzt .

(beides deutsch geführt) benannt werden . Der eins zu eins Informationsfluss in der Arbeitsebene bewirkte eine effiziente Zusammenarbeit . So war auch gewähr-leistet, dass die jeweiligen vorgesetzten Dienststellen mit gleichlautenden, abgestimmten Informationen ver-sorgt wurden . Weiterhin von Vorteil war der Umstand, dass die Polizei in die jeweilige Sicherheitsentwick-lung der vergleichbaren Strukturen eingebunden war . Dies erleichterte den praktischen Teil der Arbeits-aufnahme, da man in der Regel auf jeder Ebene nur einen Ansprechpartner (counterpart) hatte, mit dem konkrete Vorgehensweisen, taktisch, aber auch im Hinblick auf die Übergabe von Aufgaben und Ver-antwortlichkeiten, zu verhandeln waren . Einige Teil-bereiche polizeilicher Aufgabenstellung verblieben mehr oder weniger lange beim Militär . Insbesondere zu Anfang der Kooperation war das Militär der stär-kere, mächtigere Partner, der auch im Zusammenhang mit ureigenster polizeilicher Aufgabenstellung eigene Ziele verfolgte und somit in manchen Fällen die Kom-petenz nur ungern abgab . Dies war von der Nationali-tät der jeweiligen Militärs abhängig .

1.3 Dritte Phase: Sollstärke ist erreicht und Orga-nisationsstruktur auf allen Ebenen ist etabliert, formelle Funktionsfähigkeit ist gegeben

Mit zunehmender Missions-Dauer erreichte die inter-nationale Polizei ihre legitimierte Stärke und war der-gestalt strukturiert, dass sie die Übernahme aller ihr zugedachten Aufgaben durchführen konnte . Die Dauer bis zur gesamten Aufgabenwahrnehmung durch die internationale Polizei war von Region zu Region unter-schiedlich und auch von den handelnden Personen (und Nationen) abhängig . Die Erfüllung des Mandates, das heißt die sukzessive Übernahme der ausschließ-lichen Polizeigewalt wurde intensiv betrieben . Dabei stellte das Militär während der gesamten Zeit auch für die Polizei den Sicherheits-Backup dar . Das Mili-tär übte nicht zuletzt wegen der Waffenüberlegenheit mehr Einfluss auf bestimmte Bevölkerungsgruppen aus und genoss teilweise deutlich mehr Respekt und Vertrauen als die zivile internationale Polizei 5 . Dies für die eigene Aufgabenstellung nutzbar zu machen, konnte dort gelingen, wo ein offener, vertrauensvoller Umgang mit dem Partner Militär gepflegt wurde . Auf allen Ebenen hat sich dabei bewährt, nicht nur recht-zeitige und umfassende Informationen zu liefern, son-dern auch nach außen hin, also für die Bevölkerung sichtbar, gemeinsam zu operieren, wo immer es nötig und sinnvoll erschien . Gemeinsame Operationen und die gemeinsame Planung derselben – auch wenn sie unterschiedlichste Zwecke verfolgten – stärkten nicht nur den Zusammenhalt, sondern verdeutlichten auch gegenüber der Bevölkerung, dass Polizei und Militär, trotz der unterschiedlichen Aufgabenstellung, gemein-

5 Dies lag z . T . auch daran, dass die Zusammensetzung der internationalen Polizeikomponente (von den VN bewusst so geplant) auch Polizisten aus Staaten beinhaltete, die keine besonders große Akzeptanz bei der lokalen Bevölkerung, aber auch bei Teilen der Polizeikomponente selbst hatten .

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Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch internationale PolizeiArno Langanke im Rahmen multinationaler Einsätze der Vereinten Nationen

sam auf das gleiche übergeordnete Ziel hinarbeiteten: den Aufbau einer demokratischen Prinzipien verpflich-teten Gesellschaft mit komplementären Verwaltungs- und Sicherheitsstrukturen .

Dazu zählte auch die Unterstützung beim Aufbau sowie der Aus- und Fortbildung der lokalen Polizei . Allerdings ergaben sich in diesem Bereich Probleme, die in der noch nicht genügend ausgeprägten Vertrau-enswürdigkeit der lokalen Autoritäten begründet war . Nicht ohne Grund befürchtete das Militär, dem deutlich mehr Sachverhalte mit unterschiedlichsten Geheimhal-tungsstufen vorlagen, die unberechtigte Weitergabe von vertraulichen Informationen auch durch Angehö-rige der lokalen Polizei . Gemeinsame Einsätze unter Einbeziehung der lokalen Polizei wurden also nur zöger-lich angegangen und litten teilweise unter Kommunika-tionshemmnissen . Hier kam der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Militär und internationaler Polizei besondere Bedeutung zu .

1.4 Vierte Phase: praktische Auswirkung der Verant-wortungsübernahme

Transition und unfixing 6, Termini, die den Prozess der praktischen Übernahme der Polizeigewalt charakte-risieren, machten ab einem gewissen Zeitpunkt den Hauptteil der gemeinsamen Besprechungen und Abstimmungen aus . Die abschließende Aufgabenüber-tragung an die Polizei (in Kosovo in doppelter Ausge-staltung, da die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben schnellstmöglich an die internationale Polizei und von ihr an die lokale Polizei transferiert werden sollte) konnte nur dort vonstattengehen, wo übereinstim-mend festgestellt worden war, dass die lokale (Kosovo-) Polizei tatsächlich in der Lage war, die Anforderungen zu erfüllen . Aus diesem Grunde wurden für spezifische Bereiche Vereinbarungen getroffen, die das Wann und Wie regelten . Der Erarbeitung dieser Vereinbarungen kam auch deswegen zunehmend Bedeutung zu, da das Militär ab einem bestimmten Zeitpunkt das Per-sonal deutlich reduzierte . Es war also im Interesse aller Beteiligten, dass die Übergabe sach- und zeitgerecht abgestimmt erfolgte .

Beispielhaft sei hier die Übergabe in der Region Prizren genannt, wo die Personen- und Objektschutz-maßnahmen (Posten, Eskorten), die vom Militär in spezi-fischer Art und Weise durchgeführt worden waren, der Polizei übertragen werden sollten . In Teilen unproble-matisch stellten sich einige Bereiche als schwierig bzw . als (noch) nicht von der Polizei zu leisten dar . So konn-ten in einigen Ortschaften, in denen Bevölkerungsteile der serbischen Minderheit wohnten, zunächst nicht genügend lokale Polizisten eben dieser Ethnie einge-stellt werden . Ebenso sorgte ein latent vorhandenes oder bisweilen offenes Misstrauen gegenüber loka-len Polizisten der jeweils anderen Ethnie dafür, dass

6 Unter Transition versteht man hier die sukzessive Übergabe der Polizeige-walt an die lokalen Behörden; das Unfixing stellt die Freigabe fester Militär-posten dar, sei es für bestimmte Zeit oder aber in Gänze .

bestimmte Aufgaben (z . B . Schutz von serbisch-ortho-doxen Kirchen durch albanischstämmige Polizisten) sehr kritisch betrachtet wurden . Eine Weiterführung bestimmter Maßnahmen durch die anwesenden inter-nationalen Kräfte (Militär und internationale Polizei) wurde mancherorts deutlich präferiert . Ein abgestimm-ter Fahrplan ermöglichte letztlich den Erfolg, der durch die praktische Umsetzung bestätigt wurde .

Gerade auch bei dieser praktischen Umsetzung war es von Vorteil – und dies galt in mehreren Regionen – dass die jeweiligen Commander (Brigade-Kommandeur und Police Regional Kommandeur) die gleiche Natio-nalität hatten . Vieles konnte im Bereich der Kommu-nikation deutlich einfacher bewerkstelligt werden, weil man die gleiche Sprache teilte . Ebenso wichtig war der bereits oben genannte Aspekt der räumlichen Nähe zwischen internationaler Polizei und MP mit einem sehr kurzen Draht zu den Task Forces der MNB . Dies führte zu einvernehmlichem Handeln und nur selten war Nachsteuerung vonnöten .

Bei verschiedenen Einsatzlagen (größer angelegte Durchsuchungsaktionen im Hinblick auf illegalen Waf-fenbesitz, große Demonstrationen) fungierte das Militär je nach Absprache, entweder als direkter Einsatzpartner – allerdings nicht in einem Unterstellungsverhältnis – oder aber als Backup (Sicherheitsgarant im Hintergrund, der für den Fall erheblicher Ausschreitungen zahlenmä-ßig und von der Ausrüstung her besser für solche Lagen gerüstet war) . Mit zunehmender Missionsdauer redu-zierte sich verständlicherweise die Bereitschaft, diese Rolle zu übernehmen . In einigen örtlichen Bereichen des Missionsgebietes lehnten die Verantwortlichen eine solche Kooperation in Gänze ab, da die Aufgaben-stellung innere Sicherheit zunehmend oder von Beginn an allein der Polizei zugedacht war .

Da aber das Militär auf Dauer zahlenmäßig deutlich stärker präsent war, kamen insbesondere die Kräfte der MP und der Task Forces recht häufig in die Situation, in polizeilich bedeutsame Sachverhalte mehr oder weni-ger stark eingebunden zu sein, z . B . weil sie als Erste an einem Tat-/Unfallort eintrafen . Um den dann gege-benenfalls erfolgenden ersten Angriff 7 so vornehmen zu können, dass eine sachgerechte Weiterbearbeitung (z . B . ohne Spurenverlust/-veränderung) möglich wurde, wurden Schulungsmaßnahmen für die jeweils neuen MP-Kontingente durchgeführt . Diese wurden nicht nur dankbar angenommen, sondern führten regelmäßig zu guten dauerhaften Kontakten . Dieser kleine Dienstweg führte in nicht wenigen Fällen zu erfolgreichen, abge-stimmten Maßnahmen, die recht schnell umgesetzt werden konnten . Auch hier muss auf die handelnden Personen und/oder Nationen hingewiesen werden . Bei einigen wurde diese Praxis ausdrücklich unterstützt, andere hingegen waren in keiner Weise an einer sol-chen Zusammenarbeit interessiert . Nicht koordinierte oder mindestens kommunizierte Einsätze führten in der Regel zu Unstimmigkeiten und Nachbereitungsbe-

7 Im Sinne eines polizeitaktischen Begriffs .

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darf auf höherer Ebene . Dabei wurde deutlich, dass der rechtzeitigen gegenseitigen Unterrichtung hohe Bedeu-tung zukam, ggf . aus Geheimhaltungsgründen nur auf der Führungsebene .

Aber auch was die strategische Ausrichtung anbe-langte, war der Schlüssel zum Erfolg der offene, vertrau-ensvolle Umgang miteinander (HQ KFOR und UNMIK) . Am Beispiel KOCB 8, einer Dienststelle für die Bekämp-fung der Organisierten Kriminalität (OK), wird deutlich, dass durch die besseren materiellen Möglichkeiten, die im Bereich des Militärs vorhanden waren, eine effiziente und effektive Arbeit überhaupt erst möglich war . Es lag im Interesse der europäischen Staaten (bzw . der Quint-Staaten 9) OK mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und unter Ausschöpfung aller bestehenden Möglich-keiten anzugehen . Es wurden hierzu auch zusätzliche Gelder von Seiten der Quint-Staaten eingebracht, die der Verbesserung der technischen Ausstattung dien-ten . Erst eine zwischen dem Police Commissioner und dem Commander KFOR vereinbarte Kooperation ermöglichte ernsthafte Bemühungen, dieses Phänomen zu bearbeiten . Die technischen und rechtlichen Mög-lichkeiten des Militärs ermöglichten Maßnahmen, die durch zivile Polizei nicht hätten vorgenommen werden können bzw . dürfen .

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass speziell im Bereich OK die geheimdienstliche Informationsge-winnung von großer Wichtigkeit war . Dies galt in zuneh-mendem Maße auch für die Bekämpfung terroristischer Gewaltkriminalität . Auch hier war aufgrund der deutlich besseren technischen Voraussetzungen auf Seiten des Militärs die Kooperation zwischen Militär und Polizei für den Erfolg unbedingt vonnöten .

Auch aufgrund des Umstandes, dass die Entwick-lung einer auf rechtsstaatlichen Prinzipien fußenden Polizei selbstverständlich die uneingeschränkte Res-pektierung derselben beinhaltete, so dass manch taktisch wünschenswerte Maßnahme aufgrund recht-licher Restriktionen von der Polizei nicht durchgeführt werden konnte, lag es im Interesse der Polizei, die z . T . weiter gefassten Befugnisse des Militärs für eigene Zwecke nutzbar zu machen . Mittel und Möglichkei-ten des Militärs sind z . T . umfangreicher – gleichwohl natürlich ebenso rechtsstaatlich legitimiert . So konn-ten durch das Zusammenspiel und den gegenseitigen Austausch Informationen erlangt werden, die mit den polizeilichen Mitteln nicht hätten erlangt werden kön-nen, aber für die Aufgabenerfüllung in der postkonflik-tären Region bedeutsam waren .

Abschließend bleibt festzuhalten, dass bei der Reali-sierung gemeinsamer Ziele, trotz unterschiedlicher Man-date, Auftragslagen und (taktische) Vorgehensweisen bei den beiden Partnern Polizei und Militär vorlagen und vorliegen, für die aus meiner Sicht eine enge Koopera-

8 KOCB (Kosovo Organised Crime Bureau) war die Dienststelle, die gerade im Nachkriegs-Kosovo die vorhandenen, sich weiter verfestigenden orga-nisierten Kriminalitätsstrukturen einzudämmen versuchte .

9 Quint: Botschaften der fünf Staaten USA, Großbritannien, Frankreich, Itali-en und Deutschland in Prishtina .

tion nicht nur wünschenswert, sondern sachlich geboten ist . Zwar sollen beide Partner nicht Aufgaben des jeweils anderen übernehmen (mit Ausnahme der Anfangsphase, wie oben beschrieben), aber nach meiner Überzeugung führen eine enge Kooperation und offene Kommunika-tion von Militär und Polizei zu Einsatzerfolgen und zur schrittweisen Erreichung der Ziele .

2. Modifizierter Ansatz seit etwa 2007Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen, welche die Vereinten Nationen auf dem Balkan in den 90er Jah-ren des letzten Jahrhunderts gemacht hatten, wurde deutlich, dass ein effektiver und effizienter Einsatz eige-ner Kräfte und auch die Entwicklung von soliden Ver-waltungsstrukturen im betroffenen Land in der bisher praktizierten Art und Weise nicht oder nur sehr bedingt erreicht werden konnten . Eine von den VN eingesetzte und von Lakhdar Brahimi 10 geleitete Kommission, die eben diese Effektivität und Effizienz von VN-Missionen untersuchte, legte 2000 ihren Bericht (Brahimi Report) vor (UN 2000) . Wesentliche Schwächen der bisherigen Praxis wurden dabei schonungslos aufgedeckt und ent-sprechende Änderungsvorschläge unterbreitet . Beispiel-haft seien hier nur drei erwähnt, die von besonderer Relevanz für die Polizei sind:1 . Ein bloßes Monitoring – wie in Bosnien praktiziert –

führt eher nicht zu dem Ziel, eine funktionierende, dem demokratischen Prinzip und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtete Polizei zu etablieren . Vielmehr bedarf es nicht nur der einfachen Beobach-tung, sondern eines ebenenspezifischen Mentoring und Advising, um eine diesbezügliche dauerhafte Entwicklung zu initiieren . Von daher ist der Typus der bloßen Monitoring-Mission bei den VN seit dem Brahimi Report nicht mehr mandatiert worden . In der Praxis sieht es in einigen VN-Missionen aller-dings bisweilen immer noch nicht so aus, als würden die eingesetzten internationalen Poli zisten diesem Erfordernis Rechnung tragen (können) .

2 . Der Umstand, dass eine mandatierte Polizeikom-ponente in den früheren VN-Missionen immer erst relativ spät arbeitsfähig war, führte zu einem tempo-rären Machtvakuum bzw . rechtsfreien Raum, in dem sich Organisierte Kriminalität, aber auch alltägliche Kriminalitätsformen mehr oder minder unbeein-trächtigt entwickeln konnten . Dies wiederum hatte erhebliche Auswirkungen auf die danach einset-zende Tätigkeit der zivilen Polizei . Einer der Gründe für die relativ späte Arbeitsfähigkeit der Polizei-Kom-ponente liegt in dem zähen Rekrutierungsprozess für die internationalen Polizeimissionen . Dies gilt auch für das benötigte Führungspersonal (z . B . Police Commissioner), welches bei den ersten grundlegen-den Entscheidungen innerhalb einer sich entwi-ckelnden Mission eben nicht im Mehrklang mit allen anderen beteiligten Partnern der Mission agieren konnte . Nicht selten dauerte es mehrere Monate,

10 Lakhdar Brahimi, ehemaliger algerischer Außenminister .

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bis die für Führungsfunktionen in der Polizeikom-ponente der Mission vorgesehenen internationalen Polizisten tatsächlich vor Ort eintrafen .

Diesem Umstand wurde durch die Installation einer Standing Police Capacity (SPC) in der Police Divi-sion beim DPKO Rechnung getragen . Die Gene-ralversammlung der Vereinten Nationen bewilligte zunächst insgesamt 28 Planstellen, die mit Polizisten der unterschiedlichsten Fachgebiete besetzt waren . Diese Komponente, die fest installiert ist und mitt-lerweile auf 42 budgetierte Planstellen angewachsen ist, kann nach einer entsprechenden VN-Sicher-heitsrat-Resolution, die auch eine Polizeikompo-nente vorsieht, sofort entsandt werden, so dass die aus polizeilicher Sicht bedeutsamen Aspekte bei der Entwicklung der Mission von Beginn an Berücksich-tigung finden können . Der Leiter dieser SPC 11 wurde und wird bei neu mandatierten Missionen als Police Commissioner eingesetzt, bis auf dem Wege der üblichen administrativen Auswahl der von DPKO bestätigte Amtsinhaber benannt worden ist . Wäh-rend dieser Phase werden also schon alle für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Mandats relevanten Belange eingebracht .

3 . Als weiteren Schwachpunkt hatte der Brahimi Report aufgeführt, dass die unterschiedlichen Komponen-ten einer Mission, gerade was auch den gesamtstra-tegischen Ansatz anbelangt, nicht selten zu wenig aufeinander abgestimmt waren . Von daher wurde im Hauptquartier der VN der Ansatz des Integra-ted Mission Planning Process entwickelt, über den gewährleistet werden soll, dass alle beteiligten Kom-ponenten bereits bei der Planung, unter Berücksich-tigung des zur Verfügung stehenden Budgets, ihre Strategien eng aufeinander abstimmen . Innerhalb des DPKO im Hauptquartier der Vereinten Nationen arbeiten insbesondere die Military Division und die Police Division unter der politischen Aufsicht des Office of Operations 12 (OO) schon vor Beginn der etwaigen Mission, nämlich zur Vorbereitung eines vorlagefähigen Entwurfes einer Resolution für den Sicherheitsrat, eng zusammen .

3. Struktur der Polizeikomponente der VN und aktuelle Entwicklungen

Nach der letzten Organisationsreform innerhalb des VN-Sekretariats im Jahr 2008 hat sich unter dem Dach des DPKO eine etwa 100 Mitarbeiter starke Polizeikom-ponente etabliert . Gegenüber den Anfängen in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, wo die zivile poli-zeiliche Komponente nur als ein drei Polizisten umfas-sender Annex der Military Division existierte, ist dies ein, nicht zuletzt auf den bereits erwähnten Brahimi Report zurückzuführender, signifikanter Anstieg .

11 Für die ersten 4 Jahre nach Installation der SPC war dies der leitende Poli-zeidirektor Wolf von der Bundespolizei .

12 Das Office of Operations (OO) stellt im DPKO die erforderliche politische Begleitung der polizeilichen und militärischen Aufgaben geplanter und existierender Missionen sicher .

Unter der politischen Rahmensetzung durch das Office of Operations entwickelte sich die Police Divi-sion, die aus 4 Sektionen besteht: • Mission Management and Support: Hier werden die

vom HQ vorgegebenen Erfordernisse der jeweiligen Missionen bearbeitet, z . B . Personalwechsel in den Polizeikomponenten oder Disziplinarsachen .

• Strategic Policy and Development Section (SPDS): Hier werden für alle Polizeikomponenten in den jeweiligen Missionen gültige Vorschriften entwickelt . Zu vergleichen sind diese in etwa mit Polizei-Dienst-vorschriften in Deutschland, allerdings auf einem von allen Mitgliedstaaten akzeptierten Niveau .

• Standing Police Capacity (SPC): siehe Kap . 2 • Recruitment Cell: In dieser Sektion wird das Personal

für die hochrangigen Funktionen in den jeweiligen Missionen ausgesucht . Dabei spielen Aspekte wie National Balance (Regionale Balance) und Quanti-tät der Truppengestellungen für die Missionen der Vereinten Nationen eine wesentliche Rolle .

Neben der administrativen Abwicklung der Missionen kommt in den letzten Jahren der Entwicklung von ein-heitlichen Vorschriften, was die internationale polizei-liche Aufgabenwahrnehmung anbelangt, immer mehr Bedeutung zu . So wurde innerhalb DPKO die sog . Capstone Doctrine entwickelt, die den spartenüber-greifenden Ansatz und grundsätzliche Aspekte verbind-lich für alle an den Missionen beteiligten Komponenten darstellt . Basierend hierauf wurden und werden in der SPDS spezifische Rechtswerke für die Polizeikompo-nenten entwickelt . Beispielhaft seien hier die Themen Anwendung unmittelbaren Zwangs und Einsatz von FPUs genannt . Gerade bei letzterem Thema hatte die Praxis gezeigt, dass internationale Polizeieinheiten nicht unbedingt miteinander kompatibel sind, gleichwohl aber gemeinsam eingesetzt werden . Daher wurde mit Beteiligung der VN-Mitgliedstaaten, unter der Feder-führung des Deutschen Polizei-Attaches der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, die FPU Doctrine entwickelt . In ihr sind die (Minimal-) Standards (Ausrüstung, Ausbildung, Stärke) für die international eingesetzten Hundertschaf-ten geregelt .

4. FazitIm Zusammenhang mit dem Einsatz internationaler Polizisten in postkonfliktären Ländern und Regionen hat sich die Situation innerhalb der letzten 20 Jahre deut-lich verändert . Wenngleich es auch schon kurz nach der Gründung der VN erste Entsendungen von Poli zisten in Missionen im Nahen Osten gab und bereits 1964 die immer noch aktive Mission auf der Insel Zypern (UNFICYP) mit internationalen Polizisten ausgestattet worden ist, hat sich eine erkennbare Änderung in der Wahrnehmung dieser Polizeikomponenten erst seit dem Zerfall Jugoslawiens ergeben . Mit den beiden gro-ßen VN-Missionen auf europäischem Boden (Bosnien und Kosovo) begann im Prinzip die Ausweitung der internationalen Polizei . Es wurde nicht zuletzt durch

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die Aussagen und Forderungen des Brahimi Reports die zunehmende Bedeutung einer möglichst frühzei-tigen Entwicklung von funktionierenden Verwaltungs-strukturen im ehemaligen Konfliktgebiet erkannt . Und hierzu gehört unbedingt auch die Verankerung einer an demokratischen Prinzipien orientierten volksnahen Polizei, die der Achtung der Menschenrechte verpflich-tet ist . So lässt sich auch erklären, dass die Zahl der internationalen Polizisten, inklusive der entsandten FPUs, seit Mitte der 90er Jahre stetig gestiegen ist und noch weiter steigt (vgl . Abb . 1) .

Kritisch anzumerken ist dabei allerdings, dass die Bereitschaft, Personal für diese wichtigen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, bei den europäischen und nord-amerikanischen Staaten deutlich zurückgegangen ist, so dass knapp 80 % des in die VN-Missionen entsand-ten Personals aus Asien bzw . Afrika stammt (s . Abb . 2) .

Vergleichbares kann man übrigens auch für die unter der Ägide der Europäischen Union installierten Poli-zei-Missionen feststellen (z . B . in Afghanistan) . Auch für diese Mission fällt es dem Mandatgeber, also der

EU, zunehmend schwer, geeignetes Personal in aus-reichender Zahl zu rekrutieren . Dies wirkt sich auch negativ auf die Bemühungen der VN aus, begehrtes Personal aus (west-)europäischen oder nordamerikani-schen Staaten zu finden, da diese begrenzte Anzahl an Polizisten von supranationalen Organisationen umworben wird .

Es ist und bleibt eine wichtige und lohnenswerte Aufgabe, im Rahmen von internationalen Friedensmis-sionen als deutscher Polizist in den postkonfliktären Regionen mitzuhelfen, um eine funktionierende Polizei aufzubauen und auszubilden .

Literatur

Center on Internattional Cooperation (2009): Annual Reviev of Global Peace Operations, New York University .

UN (United Nations) (2000): Report of the Panel on United Nations Peace Operations . 21 August 2000 . http://www .un .org/peace/reports/peace_operations/

UN (United Nations) (2009): UN Police Magazine . 3rd edition, July 2009 . Sustainable Peace through Justice and Security . http://www .un .org/en/peacekeeping/publications/unpolmag/unpolmag_03 .pdf

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Abbildung 2: Kräftegestellung des Militärs und der Polizei für VN-Missionen (nach Regionen)

Quelle: Eigene Darstellung nach UN (2009) und Center on Internattional Cooperation (2009), unveröffentlicht

Abbildung 1: Entwicklung der Polizeistärken in den VN-Missionen von 1995-2009

Quelle: Eigene Darstellung nach UN (2009), unveröffentlicht

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Autorenverzeichnis

Autorenverzeichnis

• Christian Marius Stahmer, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Eschborn .

• Dr. Hans-Günter Mylius, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover .

• Polizeioberrat Arno Langanke, Polizei NRW, Neuss .

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Bisherige Veröffentlichungen in der Schriftenreihe des GeoInfoDBw

Mit der Fusion des Militärgeographischen Dienstes der Bundeswehr und des Geophysikalischen Beratungsdienstes der Bundeswehr werden die Fachpublikationen der beiden Dienste in der Schriftenreihe des GeoInfoDBw zusammengefasst. Damit beginnt eine neue Aufzählung der bisherigen Veröffentlichungen.

Heft 1, 2003 Regierungsdirektor Dr.-Ing. Fischer Geophysikalisch bedingte Leistungsgrenzen der Hubschrauber CH-53G und CH-53GS

Heft 1, 2004 Oberst a. D. Dipl.-Ing. Oskar Albrecht Beiträge zum militärischen Vermessungs- und Kartenwesen und zur Militärgeographie in Preußen (1803-1921)

Heft 2, 2004 Oberst a. D. Dipl.-Ing. Hafeneder Überblick über das Militärische Geowesen Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert

Heft 1a, 2008 Oberst a. D. Dipl.-Ing. Rudolf Hafeneder Deutsche Kolonialkartographie 1884-1919 (TEXT-BAND)

Heft 1b, 2008 Oberst a. D. Dipl.-Ing. Rudolf Hafeneder Deutsche Kolonialkartographie 1884-1919 (ANLAGEN-BAND)

Heft 1, 2009 Regierungsdirektor Dipl.-Met. Wolfgang Meyer und weitere Autoren Geschichte des Geophysikalischen Beratungsdienstes der Bundeswehr – 1956 bis 2003 –

Heft 2, 2009 Georg Mischuk Piraterie in Südostasien

Heft 3, 2009 Hartmut Behrend, Dr. Wolfhart Dürrschmidt, Christian D. Falkowski, Dr. Monika Lanik, Dr. Judith Miggelbrink, Dennis Tänzler, Prof. Dr. Heinz Theisen, Frank Wehinger Jahresheft Geopolitik 2008

Heft 4, 2009 GeoDir Dr. Willig Die Odyssee des Wehrgeologenarchivs als Teil der Heringen Collection

Heft 5, 2009 Oberst a. D. Dipl.-Ing. Theo Müller und Dirk Hubrich Überblick über das Karten- und Vermessungswesen des deutschen Heeres von 1919 bis 1945

Oberst a. D. Dipl.-Ing. Theo Müller Die Divisionskartenstellen des deutschen Heeres von 1939 bis 1945

Heft 1, 2010 T. Albrecht und D. Gärtner Besonderheiten der Seewetterberatung (Teil 1)

T. Albrecht und I. Hinrichs Der Einfluss des küstennahen Auftriebsphänomens auf die Konzentrationen von Dimethylsulfid an der Meeresoberfläche (Teil 2)

T. Albrecht und R. Wolke Messung und Modellierung von CH2O-Variationen in der marinen Atmosphäre (Teil 3)

T. Albrecht Meteorologische Verhältnisse im Atlantik und Nordpazifik im Sommer 2004 (Teil 4)

Heft 2, 2010 Steffen Bauer, M. A., PD Dr. Stefan Bayer, Col John Fitzgerald, Prof. Hermann Kreutzmann, Dr. Hans-Jochen Luhmann, Prof. Christian-D. Schönwiese Jahresheft Geopolitik 2009

Heft 3, 2010 Andreas Dachs Rechenzeitoptimierung, Robustifizierung und Tuning eines Kalmanfilters zur Datenfusion für Navigationsanwendungen

Heft 4, 2010 Dr. Torsten Albrecht Atmosphäre und Ozean im Nördlichen Polargebiet

Heft 1, 2011 Rolf Clement, Leonhardt Van Efferink, Melanie Hanif, Michel-André Horelt, Ralf Lasinski, Annegret Mähler, Peter Cornelius Mayer-Tasch, Georg Mischuk & Johannes Hamhaber, Martin Müller, Heinz Nissel, Rainer Rothfuß, Wolfgang Schreiber, Ricarda Steinbach Jahresheft Geopolitik 2010