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Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine Betrachtung im Kontext von Demographie, Integration und Digitalisierung Vortrag im Rahmen des Bildungsforums des Lahn-Dill-Kreises am 26. April 2018 in Wetzlar Horst Weishaupt

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Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine Betrachtung im Kontext von Demographie, Integration und Digitalisierung

Vortrag im Rahmen des Bildungsforums des Lahn-Dill-Kreises am 26. April 2018 in Wetzlar

Horst Weishaupt

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Rahmenbedingungen des Bildungssystems

Individuelle Bildungsinteressen

Arbeitsmarkt

Gesellschaft, internationale Verflechtungen,

„Globalisierung“

DemographischeBedingungen Bildungssystem

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1. Demografische Entwicklungen und gesellschaftliche Auswirkungen

1.1 Auswirkungen der Demografie auf das Bildungsangebot

1.2 Ersatz- und Zusatzbedarf an qualifizierten Arbeitskräften und Folgen

für das Schulsystem

2. Überlegungen zur Bewältigung der Herausforderungen

2.1 Folgerungen für die Kindertagesstätten- und Schulangebot

2.2 Folgerungen des Qualifikationsbedarfs des Beschäftigungssystems

für das Schulsystem

3 Fazit

Gliederung

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Zu- bzw. Abnahme der Bevölkerung 2030 gegenüber 2013 in den kreisfreien Städten und Landkreisen Hessens

1 Demografische Entwicklungen und gesellschaftliche

Auswirkungen

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Entwicklung der Bevölkerung im Haupterwerbs-alter (20 - 64 Jahre) und unter 20 Jahre 2014 bis 2030 in den Kreisen Hessens

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1.1 Auswirkungen der Demografie auf das Bildungsangebot

• Schülerzahlenrückgang im Lahn-Dill-Kreis bis 2030 zunächst noch in der

Sekundarstufe II, nach 2020 wieder zunehmend im Kindergarten und in

der Grundschule.

• Der Rückgang der Erwerbsbevölkerung führt zu einem Mangel an

Arbeitskräften im Kreis. Der Lahn-Dill-Kreis wird künftig einen Einpendler-

überschuss benötigen, um die Arbeitsplätze im Kreis zu besetzen.

• Das Schulsystem sollte daher durch geeignete Qualifizierungsangebote

dem demografischen Prozess schrumpfender Erwerbsbevölkerung

begegnen: Qualifizierung für den regionalen Arbeitsmarkt!

• Neben den quantitativen Entwicklungen müssen die sozialen Implikationen

des demografischen Wandels beachtet werden.

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Demografische und soziale Trends

Mit den demografischen Trends sind zugleich weitreichende soziale

Entwicklungen verbunden:

• Migranten haben durchschnittlich eine deutlich schlechtere soziale

Position in unserer Gesellschaft als Nichtmigranten. Hinzu kommen

Einschränkungen der gesellschaftlichen Teilhabe durch Armut, die oft

über die ökonomische Lage hinaus auch Bildungsferne und

gesellschaftliche Desintegration bedeuten.

• Bildungschancen sind nicht nur an individuelle Lebenslagen gebunden,

sondern auch an regionale Gelegenheitsstrukturen.

• Beachtung der Kumulation von benachteiligenden Bedingungen in

einzelnen Bildungseinrichtungen und über den Bildungsprozess hinweg.

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Kindertageseinrichtungen

• 34,7% der Kinder in Kindertageseinrichtungen im Lahn-Dill-Kreis hatten

2016 wenigstens ein Elternteil mit ausländischer Herkunft (in Hessen

40,6%). Von den Kindern mit ausländischer Herkunft wurden 36 % im

Lahn-Dill-Kreis in Kindertagesstätten betreut, in denen Kinder ausländi-

scher Herkunft die Mehrheit stellen (in Hessen 57,1%).

• 23,4% der Kinder in Kindertageseinrichtungen im Lahn-Dill-Kreis hatten

2016 wenigstens ein Elternteil mit ausländischer Herkunft und zusätzlich

eine nichtdeutsche Familiensprache; in Kinderkrippen 17,8% (Wetzlar

24,5%, Restkreis 15,4%), im Kindergarten 24,4% (Wetzlar 38,2%,

Restkreis 20,7%).

• In Kindergärten ist die Personalausstattung mit 10,3 Kinder je Erzieherin

deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt (9,2).

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Anteil der Kinder von 6 bis 9 Jahren mit Leistungen zum Lebensunterhalt (SGBII, 31.12.2015) und der Schülerinnen und Schüler in Grundschulen mit Migrationshintergrund 2016/17 zwischen den Kreisen Hessens

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Herausfordernde soziale Situationen an einzelnen Schulen des Kreises

• Fast ein Viertel der Grundschüler des Kreises haben eine nichtdeutsche

Familiensprache. Von diesen lernen 20% in Schulen, in denen die

Mehrheit der Schüler eine nichtdeutsche Familiensprache haben.

• In der Sekundarstufe I lernen in den Realschulklassen des Kreises ein

Drittel der Schüler in Klassen, in denen die Mehrheit der Schüler eine

nichtdeutsche Familiensprache angeben.

• Zur Armutssituation an einzelnen Kindertagesstätten und Schulen liefert

die Statistik keine Daten. Doch besteht ein Zusammenhang zwischen

SGBII-Quote von Kindern und dem Anteil von Kindern mit

Migrationshintergrund.

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Page 13: Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine ... · Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine Betrachtung im Kontext von Demographie, Integration und Digitalisierung

1.2 Ersatz- und Zusatzbedarf an qualifizierten Arbeitskräften und Folgen für das Schulsystem

Entwicklung der Bevölkerungsjahrgänge der Berufseinsteiger und der aus dem Erwerbsleben Ausscheidenden in Hessen 1967 bis 2060 (Durchschnitt-liche Jahrgänge der Altersgruppen, ab 2016 Vorausschätzung des HLS)

Horst Weishaupt „Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel". Vortrag am 26. April 2018 in Wetzlar 13

Page 14: Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine ... · Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine Betrachtung im Kontext von Demographie, Integration und Digitalisierung

Ergebnisse

• Die geburtenstarken Jahrgänge verlassen in den kommenden 20 Jahren

den Arbeitsmarkt und werden durch geburtenschwache Jahrgänge ersetzt.

Durch die demografische Entwicklung wird die Zahl der Erwerbspersonen

bis 2035 in Deutschland um 5 Millionen zurückgehen, darunter 1 Mio.

Akademiker (ceteribus paribus).

• In Hessen kommen auf 10 Beschäftigte, die in den Ruhestand gehen in

den kommenden 20 Jahren nur etwa 7 junge Erwachsene, die deren

Arbeitsleistung übernehmen können – fast die Hälfte darunter mit

Migrationshintergrund. Der Strukturwandel am Arbeitsmarkt (Stichwort:

Digitalisierung) wird dadurch erschwert und verlangt nach

berufsbegleitender Weiterbildung und Zusatzqualifizierung.

Horst Weishaupt „Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel". Vortrag am 26. April 2018 in Wetzlar 14

Page 15: Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine ... · Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel – Eine Betrachtung im Kontext von Demographie, Integration und Digitalisierung

Ergebnisse

• Arbeitsmarktprognosen sagen übereinstimmend einen steigenden

Qualifikationsbedarf bei den Erwerbstätigen voraus (Stichwort:

Digitalisierung). Gleichzeitig prognostizieren sie einen langfristigen

Überhang an Unqualifizierten von 1,2 bis 1,4 Millionen, die bei sinkendem

Arbeitskräfteangebot wegen fehlender Qualifizierung nicht in den

Arbeitsmarkt integriert werden können und die Sozialsysteme belasten,

obwohl Vollbeschäftigung möglich wäre.

• Alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente setzen vorhandene Qualifikationen voraus oder erfordern eine zusätzliche Qualifizierung: ohne die Bildungspolitik sind die Arbeitsmarktprobleme der Zukunft nicht zu lösen!

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2. Überlegungen zur Bewältigung der Herausforderungen

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2. 1 Folgerungen für die Kindertages-stätten- und Schulentwicklung

• Das Platzangebot für Kleinkinder unter 3 Jahren liegt im Lahn-Dill-Kreis

mit 26,1% unter dem Landesdurchschnitt (30,2%). Ebenso ist die

Ganztagsbetreuungsquote mit 40,2% 2017 deutlich niedriger als im

Landesdurchschnitt (54,7%). Auch die ungünstige Personalversorgung

sollte Anlass für einen weiteren intensiven Ausbau der Vorschulerziehung

sein, um den Lahn-Dill-Kreis für junge Familien attraktiv zu machen.

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2. 1 Folgerungen für die Kindertages-stätten- und Schulentwicklung

• Für eine wohnortbezogene Schulversorgung in der Grundschule sind kleine

Grundschulen mit jahrgangsübergreifende Klassen kein „Defizitmodell“ der

Schulentwicklung.

• Notwendig ist eine intensivierte berufsbegleitende Fortbildung der Lehrkräfte.

• Versuche zur Zusammenarbeit von Kindertagesstätte und Grundschule

wären denkbar.

• Akzeptanz durch die Eltern wichtig.

• International gibt es Beispiele erfolgreicher Verbundschulmodelle (Schule mit

Dependenzen)

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Ganztagsbetreuung in der Grundschule und Kinderhort

In der Sekundarstufe I und bei den Förderschulen ist die Ganztagsbetreuung

im Kreis gut ausgebaut. Doch hatten im Schuljahr 2016/17 nur 11 von 61

Grundschulen Ganztagsangebote, inzwischen sind sechs weitere

Grundschulen im „Pakt für den Nachmittag“.

Nach den Kriterien der Kindertagesstättenstatistik besteht eine

Ganztagsbetreuung, wenn die Kinder (ganzjährig) an 35 Stunden in der

Woche betreut werden. Mit dem Ganztagsangebot in der Grundschule ist

diese Betreuung nur bei gebundenen Ganztagsschulen (neun Monate im

Jahr) gegeben. Diese existierten nicht im Lahn-Dill-Kreis vor den ersten

Schulen im „Pakt für den Nachmittag“.

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Unterschiede zwischen der Ganztagsförderungsquote von Kindergarten- und Grundschulkindern in den hessischen Kreisen (nicht berücksichtigt sind die sechs gebundenen GTS) 2016

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Ganztagsbetreuung in der Grundschule

Für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätig-

keit sollten in der Grundschule die Schule-Hort-Kombinationen

flächendeckend ausgebaut werden, um eine ganzjährige Betreuung der

Kinder vergleichbar mit den Kindertagesstätten zu gewährleisten. Dies wäre

auch ein Beitrag, um die niedrige Frauenerwerbsquote im Kreis zu erhöhen.

Schulen mit besonderen Förderbedarfen (Sprachförderung, muttersprach-

licher Unterricht, ergänzende kulturelle Angebote etc.) – und dies gilt für alle

Schularten - müssen besondere Personalzuweisungen erhalten, um die

besonderen pädagogischen Aufgaben zu bewältigen (durch Bildungsferne der

Eltern, höherer Anteil von Schülerinnen und Schülern mit

sonderpädagogischem Förderbedarf in Inklusionsschulen).

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Inklusion

Integrative sonderpädagogische Förderung kann zur Standortsicherung von

Schulen im ländlichen Raum und zur Verringerung der teilweise erheblichen

Transportbelastung von Schülerinnen und Schülern an Sonderschulen

beitragen.

Zunehmend stellen Forschungsbefunde die Leistungsfähigkeit der

Förderschulen in Frage (Schulleistungen, erreichte Schulabschlüsse, fachliche

Qualität des Unterrichts, fehlende Qualifizierung des Personals, Probleme der

Unterrichtsdifferenzierung bei sehr heterogener Schülerschaft).

Horst Weishaupt „Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel". Vortrag am 26. April 2018 in Wetzlar

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Inklusion

Mit 4,3 % liegt die sonderpädagogische Förderquote des Kreises deutlich

unter dem Landesdurchschnitt (5,7%). 70% der Schülerinnen und Schüler

mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchten im Schuljahr 2016/17

eine Förderschule (Hessen: 75%), davon 6,4% außerhalb des Kreises

(Angaben ohne Schüler in Nachbarländern).

Im Bereich Lernen ist im Kreis die Inklusionsquote mit 17,3% sehr niedrig

(Hessen: 30,6%). Im Bereich Sprachheilförderung besteht ein deutlich

unterdurchschnittliches Förderangebot (Kreis: 2,8%, Land: 11,3%).

Breite Beteiligung der allgemeinen Schulen, strukturelle Benachteiligungen

gegenüber Förderschulen (z. B. Ganztagsbetreuung, gesicherte

Personalversorgung etc.)

Horst Weishaupt „Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel". Vortrag am 26. April 2018 in Wetzlar 23

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Sekundarstufe

• Durch die Entkopplung von besuchter Schulart und Bildungsgang verliert

der Übergang auf weiterführende Schularten nach der Grundschule an

Bedeutung. Den Eltern sollte vermittelt werden, welche Bildungsgänge

mit welchen fachlichen Profilen eine berufliche Bleibeperspektive in der

Region eröffnen.

• Dies gilt in besonderem Maße nach der Sekundarstufe I. Dafür ist aber

wichtig, dass Strukturentwicklungen im Schulwesen auf regional

spezifische Profile des Qualifikationsbedarfs ausgerichtet werden.

• Auf die durch die veränderten demografischen Konstellationen

veränderten Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt und die

Verschiebungen in den regionalen Beschäftigungsbedingungen sollte

aufgeklärt werden: „Nichts bleibt, wie es war.“

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Sekundarstufe I

• Leistungsheterogen zusammengesetzte Lerngruppen und ein fachlich

qualifizierter Unterricht (kein fachfremd erteilter Unterricht) sind in der

Sekundarstufe I anzustreben, um Benachteiligungen zu vermeiden.

Entsprechend müssen die Schulen mehrzügig sein.

• Angebote der Berufsvorbereitung und beruflichen Orientierung müssen in

der Sekundarstufe I verstärkt werden, um die schulischen Qualifizierung auf

die Bedingungen des regionalen Arbeitsmarkts auszurichten. Maßnahmen

der Kooperation von beruflichen Schulen und allgemeinbildenden Schulen

sind ergänzend zu fördern, um schon frühzeitig schwierige Berufs-

einmündungsprozesse zu begleiten und individuelle Entwicklungs-

möglichkeiten zu finden (s. auch: Bertelsmann Stiftung 2012, 2013).

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2.1 Folgerungen für das Schulangebot (Sekundarstufe II)

Der Lahn-Dill-Kreis fördert überzeugend berufsorientierte

Qualifizierungsprozesse in der Sekundarstufe II. Ein Drittel der

Abiturzeugnisse werden an beruflichen Schulen erworben, fast die Hälfte

aller Studienberechtigungen.

Im Blick auf die regionale Verwertbarkeit der erworbenen Qualifikationen

sollten die Fachoberschulen und beruflichen Gymnasien auch bei

rückläufigen Schülerzahlen gestärkt werden.

Die strukturpolitischen Möglichkeiten des Schulberufssystems sollten in

Zukunft in Verbindung mit den lokalen Arbeitgebern verstärkt ausgelotet

werden.

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2.1 Folgerungen für das Schulangebot (Sekundarstufe II)

Auch die Situation der Teilzeit-Berufsschulen erscheint aufgrund des

Ausbildungsplatzangebots vergleichsweise günstig, eine weitere

Rückentwicklung des Übergangssystems zugunsten berufsvorbereitender

Maßnahmen an allgemeinbildenden Schulen ist wünschenswert.

Berufsschüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollten eine

sonderpädagogische Förderung erhalten.

Bei den beruflichen Schulen sollte auf eine integrierte Weiterentwicklung der

vier Ausbildungsbereiche geachtet und gegebenenfalls auch der Verbund mit

allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe II und dem öffentlichen

Weiterbildungsbereich angestrebt werden, damit die demografische

Entwicklung zur Chance für neu angepasste berufliche Qualifizierungs-

strukturen in ländliche Regionen wird.

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2.2 Folgerungen des Qualifikationsbedarfs des Beschäftigungssystems für das Schulsystem

• Formen einer nachholenden Qualifizierung für Personen mit eher niedrigem

Bildungsstand und das Nachholen von Schul- und insbesondere

Berufsbildungsabschlüssen sind in Zukunft wichtige Voraussetzungen um

den Arbeitskräftebedarf zu befriedigen und das Überangebot an

unqualifizierten Arbeitskräften abzubauen.

• Zugleich sind es wichtige Maßnahmen, um den Strukturwandel in der

Arbeitswelt zu bewältigen (Stichwort Digitalisierung).

• Dabei muss zusätzlich an Nachqualifizierungsaufgaben im Zusammenhang

der Anerkennung von im Ausland erworbenen Schul- und

Berufsabschlüssen gedacht werden.

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2.2 Folgerungen des Qualifikationsbedarfs des Beschäftigungssystems für das Schulsystem

Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit sind zu kurzfristig ausgerichtet.

Wichtig ist der nachträgliche Erwerb von Berufsbildungsabschlüssen, um

eine dauerhaft gesicherte Arbeitsmarktintegration zu erreichen. Nur etwa 100

Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung im Lahn-Dill-Kreis streben den

Erwerb eines Berufsbildungsabschlusses an.

Günstiger ist die Situation für die berufliche Weiterbildung zum Techniker

und Meister.

Die Volkshochschule kann vor allem den nachträglichen Erwerb von

Schulabschlüssen unterstützen.

Horst Weishaupt „Regionale Bildung im gesellschaftlichen Wandel". Vortrag am 26. April 2018 in Wetzlar 29

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• Für alle Formen nachholender Qualifizierung („zweite Chance“,

Weiterbildung älterer Arbeitnehmer), die eine zunehmende Bedeutung

erhalten, stellt nur das öffentliche Berufsschulsystem eine flächendeckende Infrastruktur bereit. Regional- und strukturpolitisch ist

es von unverzichtbarer Bedeutung.

• Eine Änderung des Rechtsrahmens für die berufliche Weiterbildung ist

notwendig, damit die Bedingungen für Nachqualifizierung und berufliche

Weiterbildung durch die beruflichen Schulen verbessert werden.

Nachqualifizierungsaufgaben angesichts der Arbeitsmarkterfordernisse

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3 Fazit

Strukturentwicklungen im Bereich der Kinderbetreuung und des

allgemeinbildenden Schulwesen sollten die veränderten

gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Die Entwicklung des Bildungsangebots des Kreises sollte

verantwortungsbewusst abstimmt werden mit dem gesellschaftlichen

Bedarf an allgemeinbildenden und beruflichen Qualifikationen. Nur so kann

Bildung auch einen positiven Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze in der

Region und einer Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung leisten.

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Kontakt

Prof. i. R. Dr. Horst Weishaupt

Ehemaliger Leiter der Arbeitseinheit "Steuerung und Finanzierung des

Bildungswesens"

Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung

Schloßstr. 29

60486 Frankfurt am Main

[email protected]