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Raus aus dem Pool - Innovative Captive- und Rent-a-Captive-Konzepte

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Autor

Dr. Paul Wöhrmann

ist Mitglied der Geschäftsleitung bei derZurich Continental EuropeCorporate und dort LeiterAlternative Risk Transfer. Er studierte an den Universitäten Hamburg,Köln und Fribourg (CH)Volks- und Betriebswirtschaftund promovierte anschlie-ßend. Paul Wöhrmann istseit 1990 im internationalenUnternehmensgeschäft derZürich tätig, überwiegendin der alternativen Risiko-Finanzierung.

TITEL

Innerhalb eines ganzheitlichen Risk-Management-Prozesses werden die Instrumente der alternati-ven Risiko-Finanzierung bei der Risiko-Steuerungzukünftig eine zunehmende Anwendung erfah-ren. Diese können als Investition nicht nur für dieOptimierung der traditionellen Risiko-Finanzie-rung genutzt werden, sondern leisten auch einenBeitrag für die Effizienzsteigerung der Beschaf-fungs- und Absatzprozesse von unternehmeri-schen Kernleistungen. Durch neuartige mathe-matische Erkenntnisse ist es leistungsfähigenUnternehmensversicherern möglich, ihren KundenEntscheidungsfreiheitsgrade zu eröffnen, dieihnen einerseits eine effiziente Risiko-Finanzie-rung ermöglichen und sie andererseits über dieZeit auch flexibler gegenüber zyklischen Schwan-kungen des Versicherungsmarktes agieren lassen.

Bestimmung optimaler Selbstbehaltefür die Risiko-Finanzierung

Systematische Risk-Management-Aktivitäten ha-ben eine Reduktion der direkten Kosten und der

(indirekten) Anschlusskosten zur Folge, da sichim Unternehmen zahlenmässig weniger und be-tragsmässig kleinere Schäden, Unfälle oder Ver-luste einstellen. Insgesamt vermögen sie die„totalen“ Risiko-Kosten (Total Cost of Risk) übermehrere Rechnungsperioden hinweg zu senkenund somit einen Beitrag zu besseren finanziellenErgebnissen zu leisten. Der Fähigkeitsausweis,mit Risiken systematisch und erfolgreich umge-hen zu können, wird zudem weitere positiv mess-bare unternehmerische Nutzen zeigen, beispiels-weise bei der Kapitalbeschaffung (Fremdkapital-oder Eigenkapitalfinanzierung), der Verwirklichungvon Konditionen bei der Risiko-Handhabung(traditionelle und alternative Risiko-Finanzierungs-lösung), der Vertrauensfestigung gegenüber Ver-tragspartnern, der Erfüllung rechtlicher Anforde-rungen (auch Corporate-Governance-Normen) undbetrieblichen Führungs- und Arbeitsinstrumenten.

Unternehmenskunden werden verständlicher-weise bei eigenem guten Schadenverlauf nur be-grenzte Bereitschaft zeigen, die durchschnitt-

Raus ausdem PoolInnovative Captive- und Rent-a-Captive-Konzepteals strategische Investition

Die Verhärtung der Versicherungsmärkte, wie sie in den vergangenen drei Jahrenweltweit zu beobachten war, stellt Unternehmen vor große Herausforderungen.So haben sich auch die Beweggründe für das Investment in ein Risk Managementfokussiert: neben den legislatorischen Gegebenheiten lassen sich steigendePreise und reduzierte Kapazitäten auf den traditionellen Versicherungsmärktenals Grund anführen. Daher werden in der Risiko-Finanzierung vermehrt Fragennach den Möglichkeiten der optimalen Risiko-Bewältigung gestellt. Auch werdenRisk-Management-Fragen vermehrt bei Finanzvorständen priorisiert.

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PML = Possible Maximum Loss, auch

MFL = Maximum Foreseeable Loss:

Schätzungen der für einefestgelegte Gefahr unter

bestimmten Bedingungenzu erwartenden Maximal-Schäden. Leider variierendie Definitionen von PML

und MFL usw. enorm, weshalb auch die ent-

sprechenden Schätzwertemit Vorsicht zu behandeln

sind. Sie erlauben keineBewertung der Schaden-

wahrscheinlichkeit.

Layerung / Layer = Lage, Schicht:

Ein Layer wird auch als Haftungsabschnitt

bezeichnet. Layer stellennach Haftungs- oder

Deckungssummen übereinander liegende

selbständige Deckungendar. Für jeden Layer

besteht ein eigener Vertrag.

lichen Versicherungsprämien, bezogen auf dasPortfolio des Versicherers, zu entrichten. Durchdie individuelle Umsetzung eines aktiven RiskManagements erwächst auch der plausible An-spruch auf eine individuelle Honorierung des Ri-siko-Verlaufes. Hiermit verbunden ist die Frageeines jeden Unternehmers nach der für ihn opti-malen Versicherungsstruktur, und damit nachden niedrigsten Risiko-Finanzierungskosten.Diese lassen sich aus der Addition von Risiko-Transfer- und Opportunitätskosten ermitteln:während bei steigenden Selbstbehalten die Ver-sicherungsprämien sinken, steigen gleichzeitigdie Opportunitätskosten, da in diesem Fall mehrKapital für die eigene Risiko-Finanzierung vor-gehalten werden muss. Ein jedes Optimum wirdverschieden ausfallen, bedingt durch die hinterdiesen Größen stehenden Berechnungselemente.So hat jedes Unternehmen einerseits ein für sichindividuelles Exposure und Schadenprofil, an-dererseits eine spezifische Kapitalkostenstruktur.

Eine Investition in das Risk Management ist da-her von qualitativen und von quantitativen Über-legungen begleitet. Diese münden auch in dieFrage nach der Höhe der Bereitstellung von eige-nem Kapital für die Risiko-Finanzierung. Der Um-fang der Zur-Verfügung-Stellung ist zum einenvon der Höhe der eigenen Opportunitätskostenbestimmt, da Kapital nicht in den Kerngeschäfts-bereichen investiert wird, zum anderen von derReturn-on-Equity-Erwartung in der Assekuranz.Diese berechnet nämlich ihre Verzinsungserwar-tung in die zu zahlende Versicherungsprämie ein.

In den vergangenen Jahren sind auch von grossenUnternehmensversicherern erhebliche Anstren-gungen unternommen worden, um kundensei-tige Dienstleistungen in Form der Ermittlung vonunternehmensspezifischen und optimalen (Kon-zern-) Selbstbehalten zu erbringen. Bedingt durchden markanten Anstieg der Versicherungsprämienist auch das kundenseitige Interesse am RiskManagement im Allgemeinen und an diesenDienstleistungen im Speziellen nachhaltig ge-weckt worden. Die Praxis zeigt, dass der Prozessder Ermittlung solch eines Optimums überwie-gend durch die nachfolgenden vier Phasen cha-rakterisiert ist.

Phase 1 – Risiko-Identifikation durch dieAnalyse der historischen Schaden- und derExposure-Daten: stehen unternehmensspezi-fische historische Schadendaten zur Verfügung,die derzeit und auch für die Zukunft eine Aus-sagekraft zeigen, weil das Unternehmen bei-spielsweise über die Zeit unveränderte Kernge-schäftsfelder betreibt, werden diese Erfahrungs-

werte auf der Basis von Einzelschäden für dieletzten fünf bis zehn Jahre aufbereitet. Gelingtes (bezogen auf den Analysezeitraum), geeigneteVerteilungsfunktionen für die Schadenhöhe unddie Schadenfrequenzen von Einzelschäden zuermitteln, lässt sich auch ein Benchmarking vomUnternehmen mit der korrespondierenden Bran-che durchführen.

Bei solch einer quantitativen Analyse muss na-türlich in Betracht gezogen werden, dass mehr-heitlich kleinere und mittlere Schäden berücksich-tigt werden, da nicht immer Größtschäden inner-halb des Betrachtungszeitraumes eingetretensind. In Ermangelung vorliegender Groß- undGrößtschäden, deren Bewertung mit in die Be-rechnung des Selbstbehalts einfliesst, werden inder Regel parallel zu den quantitativen Untersu-chungen von historischen Schadenzahlen auchso genannte Exposure-Analysen durchgeführt.Hierbei wird bei den zu analysierenden Unter-nehmen ein Benchmarking zur korrespondieren-den Branche vorgenommen. Als Exposure-Datendienen z. B. bei den Sachversicherungen dieVersicherungssummen und die so genanntenPML’s (Possible Maximum Loss). Exposure-Ver-fahren erlauben es, potenzielle Schadenszenarienzu simulieren.

Phase 2 – Risiko-Beurteilung: aus den vorlie-genden Verteilungsfunktionen werden Schaden-erwartungswerte und Varianzen ermittelt. Fernerlassen sich Erkenntnisse für Häufigkeitsvertei-lungen und damit die Schaden-Quantile errech-nen. Diese sind für die Berechnung geeigneterSelbstbehalte (z. B. bei einer Layerung oder auchin der Bestimmung von Jahresaggregaten) wich-tig. Am Ende der ersten zwei Phasen sollte esmöglich sein, einen versicherungsmathemati-schen Preis für die Risiko-Finanzierung des in-dividuellen Kundenportfolios zu errechnen.

Phase 3 – Strukturierung und Berechnungdes optimalen Risiko-Transfers: nachdem einquantitativ errechneter – so genannter techni-scher – Preis vorliegt, wird es möglich sein,unter Berücksichtigung der Marktlage, der be-stehenden Risiken sowie der maximalen Risiko-Tragfähigkeit und der Bereitschaft, Kapital zurVerfügung zu stellen, die optimale Risk-Mana-gement-Investition für einen Selbstbehalt zu be-stimmen. Manchmal lässt sich bereits schon einIndikator für eine Risiko-Selbsttragung in derErmittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit vonGroßschadenpotenzialen durch Phase 1 ableiten. Die Ermittlung eines Optimums führt somit zuden nachfolgenden unternehmensspezifischenMehrwerten:

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TITEL

Self Insured Retention:Selbstbeteiligung, basierend auf der Eigentragung eines Risikos(Selbstversicherung). Bei Vereinbarung einesSelbstbehalts übernimmtder Versicherungsnehmerbei jedem Schaden einendefinierten Anteil. Daneben werden auch dieSchadenregulierungskostenauf den Eigenbehalt angerechnet.

FOS (Freedom of Service) Police:Die Dienstleistungsfreiheitder EU beinhaltet imWesentlichen das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit auszuüben. Die europarechtlichenRegelungen untersagenjede Beschränkung desDienstleistungsverkehrs,sofern sie nicht aus dem Allgemeininteressegerechtfertigt und verhältnismäßig sind, wie aus Gründen der öffentlichen Ordnung,Sicherheit und Gesundheit.Dies gilt auch für Versiche-rungsdienstleistungen.

Combined Ratio:Summe aus Schadenquoteund Kostenquote bei Versicherungsunternehmen

� Transparenz der Schadendaten (z. B. nachGeschäftseinheiten und Risken) als Grundlage zurEntscheidungsfindung durch das Management� Transparenz von Schadendaten zur Vereinfa-chung von Gesprächen mit Unternehmensversi-cherern� Erzielung eines optimalen Selbstbehalts beiMinimierung der Transferkosten durch individu-elle Kalkulation� Ausschöpfung der Prämieneinsparpotenziale� effizienter Einsatz von Eigenkapital zur Risiko-Selbsttragung.

Phase 4 – Kosten- bzw. Nutzenanalysezwecks Implementierung: im Rahmen einerbetriebswirtschaftlichen Analyse werden nun dieverschiedenen Möglichkeiten der Implementie-rung geprüft und gegeneinander abgewogen, sobeispielsweise die Frage nach der Finanzierungeiner Risiko-Selbsttragung innerhalb der Unter-nehmensbilanz oder durch die Inanspruchnahmeeiner externen Bilanz wie die eines Versiche-rungsunternehmens oder die eines alternativenRisiko-Trägers. Das Resultat solch einer Studiezeigt die quantitativen Risk-Management-Inve-stitionsgrößen im Vergleich zu dem erwartetenversicherungstechnischen Erfolg der Risiko-Selbsttragung auf.

Die Frage nach der Selektion eines probatenRisiko-Finanzierungs-Instrumentes zum Zweckeder Bewirtschaftung der ermittelten Risiko-Selbst-tragung ist nachhaltig von der Unternehmens-struktur des Versicherungsnehmers beeinflusst,so z. B. ob eine nationale oder internationaleGeschäftstätigkeit ausgeübt wird. Die Termino-logie von so genannten „Gruppenselbstbehalten“als Self Insured Retention ist daher auch aufinternational operierende Konzerne fokussiert,welche solche zusätzlich auf Konzernstufe ein-richten (in sogenannten Masterverträgen), alsoals Ergänzung zu den uneinheitlich bestehendenlokalen Selbstbehalten in den entsprechendenKonzernländern.

Evaluation geeigneter Instrumentefür das Selbsttragen von Risiken

Da international tätige Unternehmen ihre Grup-penselbstbehalte – entgegen den lokalen unddamit dezentralen Selbstbehalten (unversichert)von Konzerngesellschaften – zentral managen undfinanzieren müssen, benötigen diese auch einzentrales Instrument. Traditionelle Wege wie z. B.die Einrichtung eines Selbstbehaltes durch den„Führenden Versicherer“ auf der Stufe des Master-vertrags werden kundenseitig nur vereinzelt ver-folgt. Grosser Beliebtheit hingegen erfreuen sich

für Risk-Management-Investitionen die bekann-ten und praxisbewährten Captive- und Rent-a-Captive-Konzepte. Gegenüber dem traditionellenRisiko-Transfer, welcher durch ein Überwälzender Risiken an den Versicherungsmarkt charak-terisiert ist, bestehen alternative Transfermög-lichkeiten in der Wahl eines anderen Rechtsträ-gers oder durch den Zugang zu bis dahin nichtgenutzten Kapitalgebern von Risiko-Kapital, bei-spielsweise durch die Inanspruchnahme des Ka-pitalmarktes via Effekten. Bei der ARF steht dieFinanzierung des Risikos im Vordergrund. Alter-native Finanzierungen des Selbsttragens von Ri-siken werden gegenüber den traditionellen For-men der Eigenfinanzierung überwiegend nicht„on balance“, sondern „off balance“ abgewickelt.

Das Captive- und Rent-a-Captive-Konzept im Überblick

Unter einer Captive-Gesellschaft ist ein Asseku-ranzunternehmen zu verstehen, welches als Toch-tergesellschaft eines Nicht-Versicherungsunter-nehmens in Form einer Kapitalgesellschaft ge-gründet wird. Der Hauptzweck solcher konzern-eigener Versicherungsunternehmen besteht in derÜbernahme von (primär versicherungstechni-schen) Risiken der angeschlossenen Gruppen-gesellschaften. Captives können sowohl als Erst-wie auch als Rückversicherer lizenziert werden.Die in vielen Staaten strengen Eigenkapitalvor-schriften und Aufsichtsverfahren haben in derVergangenheit mehrheitlich zur Gründung vonRückversicherungs-Off-Shore-Captives geführt.In Europa erfahren die Captive-Standorte Irland,Luxemburg, Schweiz und Liechtenstein regenZuspruch. Diese Standorte haben vor Jahren ihreRahmenbedingungen zur Gründung von Capti-ves dereguliert.

Seit einigen Jahren kann man auch vereinzeltüber die Captive Standorte Irland und Liechten-stein die Gründung von Erstversicherungs-Cap-tives beobachten. Von beiden Standorten könnenFOS-Policen (Freedom of Services in der EU)ausgestellt werden. Für das Spektrum der Sach-versicherungen wird als Beweggrund häufig dieHöhe von Kapazitätsbereitstellungs-Kosten beitraditionellen Erstversicherern angeführt. Dieseresultieren aus der Zielverfolgung ambitiöserCombined Ratios, welche im derzeitigen Kapital-marktumfeld unterhalb von 100 Prozent angesie-delt sind. Bei Haftpflichtversicherungen lassensich Gründe zur Errichtung von Erstversiche-rungs- Captives aus der von Versicherungsneh-merseite vermerkten unzureichenden Deckungs-breite und -tiefe von derzeitigen Versicherungs-lösungen ableiten. >>>

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Für eine Captive-Rückversicherung bietet sichdem Kunden grundsätzlich die gesamte Paletteder proportionalen und der nichtproportionalenRückversicherung an. Voraussetzung ist aller-dings, dass der Erstversicherer über die notwen-dige Flexibilität und die Infrastruktur für einejeweilige Vertragsumsetzung verfügt. Sowohl fürdie proportionale als auch für die nichtpropor-tionale Rückversicherung lassen sich einerseitsauf Seiten des Zedenten (Erstversicherer), an-dererseits beim Zessionär (Captive bzw. Unter-nehmenskunde) plausible Argumente finden.

Die proportionale Rückversicherung ist dadurchcharakterisiert, dass die Versicherungssummen,die Originalprämien und Schäden in einem imVoraus vereinbarten prozentualen Verhältniszwischen dem Erst- und dem Rückversichereraufgeteilt werden. Der Rückversicherer bezahltdem Zedenten von der zedierten Rückversiche-rungsprämie eine Rückversicherungsprovision.Mit dieser beteiligt sich der Rückversichereranteilsmässig an den Akquisitions- und Verwal-tungskosten der Erstversicherer. Die Provisionwird als Durchschnittsprozentsatz von der zedier-ten Bruttoprämie berechnet und je nach Brancheund Vertragsart individuell ausgehandelt. Dieproportionale Rückversicherung wird allgemeinin die Quoten- und Summenexzedenten-Rückver-sicherung unterteilt. Bei einem Quotenvertragpartizipiert die Captive an jedem rückversicher-ten Risiko sowohl prämien- als auch schaden-seitig im vereinbarten prozentualen Verhältnis.

Bei der Summenexzedenten-Rückversicherungwerden Prämien und Schäden entsprechendder Rückversicherungs-Quote zwischen Erst-und Rückversicherer aufgeteilt, jedoch erst fürRisiken, deren Versicherungssumme den Eigen-behalt des Erstversicherers übersteigen.

Bei der nichtproportionalen Rückversicherungwird die Leistungspflicht des Rückversicherersausschliesslich durch die Höhe des Schadensbestimmt und hängt nicht von der Versiche-rungssumme ab. Der Erstversicherer haftet fürSchadenzahlungen bis zur Höhe des definiertenSchadenlimits.

Rent-a-Captive-Konzept

Als eigenständige juristische Person ist eine Cap-tive zu gründen, zu kapitalisieren und zu führen.Sie bindet daher Kapital, welches der Kerntätig-keit des Mutterhauses entzogen wird. Die anfal-lenden Kosten schmälern zwar die grundsätzli-che Attraktivität von Captives nicht. Dennochkönnen sie für mittlere Unternehmen prohibitivwirken, kommen doch die Vorteile einer Captive-Lösung erst ab einem gewissen Prämienvolumenvoll zum Tragen. Um diese Selbstversicherungs-lösungen auch mittelgrossen Unternehmungenzugänglich zu machen, haben Unternehmens-versicherer ihr Dienstleistungsspektrum um dasRent-a-Captive Konzept erweitert (siehe auchAbb. 2). Hier gründet der Kunde keine eigeneGesellschaft, sondern mietet sich gleichsam in

Abb. 1: Rückversicherungs-Captive-Konzept

Versicherter Versicherer

Captive Manager

Retrozessionär RetrozessionärRetrozessionär

Erstversiche-rungsvertrag

Management-honorare

Rückversicherungsvertrag

Dividendenzahlung

Prämienfluss

Retrozessionsvertrag

Schadenfluss

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die bestehende Infrastruktur eines Erst- oderRückversicherungsträgers ein. Im Innenverhält-nis wird für jeden Kunden ein Konto geführt, aufwelchem die Prämien sowie die darauf erzieltenAnlageerträge verbucht und gleichzeitig dieManagementgebühren und allfällige Schaden-zahlungen belastet werden. Resultiert am Endeder Laufzeit eines Rent-a-Captive Vertrages einGewinn, wird dieser in den Unternehmenskreis-lauf des Kunden zurückgeführt. Weist das Kontodagegen einen negativen Saldo aus, muss derKunde diesen ausgleichen. So stellen Rent-a-Captive Lösungen ein flexibles Finanzierungs-instrument auf vertraglicher Basis dar. Sie erlau-ben es dem Unternehmenskunden, mit limitiertenKosten unmittelbar an seinem Risiko-Verlauf teil-zuhaben.

Gewöhnlich sind im Mantel eines Rent-a-Captive-Vehikels mehrere Accounts verschiedener Kundenoperativ, die sich folglich auch die Kosten teilen.Im Aussenverhältnis erscheint diese Fazilitätals eine Gesellschaft. Konsequenterweise stehenalle sich in dieser Gesellschaft befindlichen Ver-mögenswerte unbesehen ihrer Zugehörigkeit zueinem individuellen Kundenkonto zwecks Befrie-digung von Ansprüchen Dritter zur Verfügung.Dieser Umstand kann denn auch als Schwächedes Rent-a-Captive-Konzeptes empfunden wer-den. Weist nämlich ein Konto einen ausgespro-chen schlechten Schadenverlauf auf und wird dieentsprechende Muttergesellschaft durch schwereAuswirkungen eines Schadenereignisses derarterschüttert, dass sie nicht mehr in der Lage ist,den geschuldeten Nachschuss zu leisten, könnenzur Begleichung von Ansprüchen gegen die Rent-a-Captive-Gesellschaft Mittel anderer Kunden-konten herangezogen werden. Im Extremfallführt dies gar zum Konkurs der Rent-a-Captive-Gesellschaft. Dabei würden die Vermögens-werte aller Konten in die Konkursmasse fallenund entsprechend in Mitleidenschaft gezogen.Rent-a-Captive-Konzepte werden daher in derRegel von Versicherungsgesellschaften angebo-ten, die über nach versicherungstechnischenParametern ermittelte angemessene Eigenkapital-mittel verfügen.

ART-Strategien bei Captives undRent-a-Captives

Prinzipiell lassen sich im europäischen Marktdie folgenden ART-Strategien bei Captives undRent-a-Captives beobachten:

a) Sehr guter Schadenverlauf: Unternehmens-kunden werden bei gutem Schadenverlauf, derzudem bedeutend besser als die durchschnittliche

Schadenquote der Branche ist, geringe Bereit-schaft zeigen, die durchschnittlichen Versiche-rungsprämien zu entrichten. Daher erwächst auchder plausible Anspruch, am versicherungstech-nischen Resultat des Versicherers zu partizipieren.Im Anschluss an eine vorgenommene aktuarielleAnalyse zur Ermittlung optimaler Selbstbehalte(siehe oben) besteht auch Klarheit darüber, welcherTeil der Risiko-Finanzierung vom Unternehmenselbst übernommen werden soll. Gerade bei denSachversicherungen konnte man in den letztenJahren eine bedeutende Nachfrage nach Captive-und Rent-a-Captive-Lösungen für die Risiko-Be-wältigung des Frequenz- und Volatilitätsbereichesfeststellen. In Märkten, in denen in der traditio-nellen Sach-Erstversicherung proportionale Struk-turen dominieren, konnte vermehrt die Verfolgungvon Risk-Management-Strategien beobachtetwerden, die eine Layerung des Versicherungs-programmes zum Ziel hatten. Durch Übernahmeeines Primary Bereiches, der auch den mathe-matisch errechneten Volatilitätsbereich mit ein-schliessen kann, erhalten Unternehmen Zugangzu den traditionellen Excess Providern, die auf-grund ihres Geschäftsmodells nicht die gleichenPricing-Überlegungen wie die Primary-Anbieterzugrunde legen. Diese Möglichkeit ist Unterneh-men normalerweise bei proportionalen Strukturenverwehrt. Durch den Einkauf von Jahresaggre-gaten in Form von Stop-Loss-Versicherungenlässt sich zudem die maximale Haftungsstreckeeiner Captive- oder auch eines Rent-a-Captive-Konstruktes limitieren.

b) Sehr schlechter Schadenverlauf: Unter-nehmen, die einen sehr ungünstigen Schaden-verlauf aufweisen, dies insbesondere im Frequenz-bereich, nutzen Rückversicherungs-Captives, umkonzernintern ein aktives Risk Management sys-tematisch umsetzen zu können. Später erzieltetechnische Gewinne können dann gegenüberden lokalen Gruppengesellschaften individuellzurückfliessen, was entsprechend tiefere Risiko-Kosten zur Folge hat. Anstelle der Einrichtungvon lokalen Selbstbehalten wird weiterhin eineErstversicherungspolice benötigt, weil die ange-schlossenen Konzernunternehmen nicht alle ein-zeln solch eine Finanzkraft aufweisen, um vor-gesehene Selbstbehalte finanzieren zu können.Ferner kann bei einer Captive-Rückversicherng– bei entsprechender Anzahl von versichertenRisiken – von einem Portfolioeffekt profitiertwerden.

c) Arbitragestrategie: bei Unternehmen, welchedie Verfolgung von Preisstrategien zwischen ver-schiedenen Versicherungsmärkten anstreben unddie ein Arbitragepotenzial ausschöpfen können,

Excess-Layer: Haftungs- oder Deckungssumme oberhalbeines Basis-Layers bzw. Primary-Layers

Stop-Loss-Versicherung =Verlustbegrenzung:Bezeichnung der Jahresüberschaden-Rückversicherung. Form der nichtpropor-tionalen Rückversicherung,bei der die Leistung desRückversicherers durcheine aussergewöhnlicheSchadenbelastung währendder gesamten Vertrags-periode ausgelöst wird.

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lässt sich tendenziell das Vorliegen von propor-tionalen Captive-Rückversicherungen beobachten.Hierbei werden gezielt Retrozessionäre (Rück-versicherer von Captives) im weltweiten Rück-versicherungsmarkt nach dem Preisfindungs-prozess selektiert. Bei erfolgreicher Umsetzungsolch einer Strategie verbleibt daher aus Konzern-optik ein substantieller Teil des in der Erstversi-cherung abgeführten Prämienvolumens in derCaptive, und zwar durch den preiswerteren Ein-kauf von Retrozessionsschutz. Solche Strategienwerden in der Regel aus der Optik des Zedenten(Erstversicherers) dann unterstützt, wenn aus-reichende Sicherheiten von der Captive zurVerfügung gehalten werden, welche dann imFall einer Insolvenz der Captive zugunsten desZedenten zum Tragen kommen können.

Sofern der lokale und traditionelle Versicherungs-markt ein für den Unternehmenskunden unzu-reichendes Angebot zur Deckung von Risikenbereithält, könnte durch den Zugang zum Rück-versicherungsmarkt durch eine eigene Captivedie Möglichkeit eröffnet werden, notwendigeDeckungen selbständig einzukaufen, um sie dannan die Erstversicherer weiterzugeben. Letzterewären nun in der Lage, einen entsprechendenVersicherungsschutz zugunsten des Versichertenauszustellen.

d) Finanzierung von Ausschlüssen odererweiterten Versicherungsdeckungen: imFalle von Softwareherstellern zählen beispiels-weise neben dem Preis bei maßgeschneidertenInformatiklösungen auch Dienstleistungen wieGarantie, Online Services, zusätzliche Funktionenusw. zu wesentlichen Erfolgsfaktoren. So ist esnicht auszuschliessen, dass sich Hersteller ge-genüber dem Käufer verpflichten, allfällig verur-sachte Schäden infolge einer mangelhaften Soft-wareherstellung zu beheben. Solche Herstellerkönnen also gefordert sein, im Rahmen ihrer Ver-kaufs- und Verhandlungsstrategien erweiterteGarantien anzubieten. Die aus solch einer Garan-tie möglicherweise resultierenden vertraglichenVerpflichtungen und die somit bestehenden Ri-siken können den traditionellen Versicherungs-schutz sprengen. Eine Lösung ließe sich in Formeiner kombinierten Betriebshaftpflichtversiche-rung modellieren, wodurch sich durch den Ein-bezug einer Captive eine zusätzliche Versiche-rungskapazität aufbauen ließe.

e) Transparenz in den Erstversicherungs-risiken: aus Konzernsicht wird eine Captive alsFührungsinstrument etabliert, dank dem nun grup-penweit der Aufbau von systematischen Daten-sammlungen erzielt und damit eine verbesserteRisiko-Transparenz erreicht werden können.

Abb. 2: Nichtproportionale Captive-Struktur

FÜHRENDERVERSICHERER

Selbstbehalt

MITVERSICHERER

Risikotransfer-Layer

Der Selbstfinanzierungs-Layerdeckt die hochfrequenten Schäden und die Excess-Deckung komplettiert die integrierte Versicherungslösung.

Selbstfinanzierungs-Layer

Durch die Implementierung einer Captive, einer R-a-C odereiner Finite-Lösung werden die hochfrequenten Schäden absorbiertund damit das Programm effizienterzu handhaben. Ein Stop-Loss kann – nach Prüfung durch dasUnderwriting – hinzugefügt werden.

Mehrere Jahre

Ein Versicherungsvertrag

Selbstbehalts-Layer

Stop

-Los

s

Captive,Rent-a-Captive oderFinite Risk Solution

Versicherung

24 RISKNEWS 04/04

TITEL

Da in der Vergangenheit Unternehmen häufigdurch Zukäufe gewachsen sind, stellt sich auchim Risk Management die Frage nach der Inte-gration von neu erworbenen Organisationen.Da diese risiko-technisch in der Erstversiche-rung möglicherweise von Mitwettbewerberndes Hausversicherers betreut wurden, sind in derRegel keine verlässlichen Risk-Management-Daten zentral abrufbar. Beteiligt sich eine Cap-tive via Rückversicherung am Frequenzbe-reich, so verfügt sie quartalsweise über allerisiko-relevanten Informationen. Eine systemati-sche Datenaufbereitung erlaubt dann aus Sichtder Captive rasch, auf der Ebene der versicher-ten Konzernunternehmen gezielte Risk-Manage-ment-Massnahmen einzuleiten.

f) Lange Abwicklungszeiten bei Haftpflicht-schäden: bei Haftpflichtschäden sind die invol-vierten Parteien häufig mit langwierigen Ab-wicklungszeiten konfrontiert. Zwischen der Mel-dung des Schadens durch den Versicherungs-nehmer und der gesamten Schadenbegleichungkönnen durchaus zehn Jahre oder mehr ver-streichen. Während dieser Zeitdauer werden vomVersicherer in der Bilanz versicherungstechni-sche Rückstellungen gebildet. Aus den korre-spondierenden Aktivpositionen werden attrak-tive Kapitalerträge erwartet.

Selbst wenn nun der Risiko-Verlauf eine sehrhohe Schadenquote – bedingt durch die Reser-venstellung – aufweist, wird der Kunde nichtbegeistert sein, wenn der Versicherer Sanierungs-massnahmen einleitet. Die Einrichtung einerCaptive kann dem Kunden gegenüber dem tra-ditionellen Konzept spürbare Mehrwerte erbrin-gen. Es wird vereinbart, dass der Kunde einbestimmtes Risiko-Spektrum selbst finanziert.Dieses wird via Rückversicherer vom Kunden(Captive) selbst übernommen und die entspre-chenden Prämien transferiert. So können dieKapitalerträge, die aus den gebildeten Rückstel-lungen seines Risiko-Bereiches erwirtschaftetwerden, auch in der Captive verbleiben. Wennaus der Auflösung von Rückstellungen Abwick-lungsgewinne resultieren oder sich der effektiveSchadenverlauf günstiger als der prognostizierteherausstellt, verbleiben die nicht für die Schaden-leistung in Anspruch genommenen Gelder in derCaptive.

Die Planungssicherheit von langfristigen Risikenkann man erhöhen, indem zu Vertragsbeginn ver-

sucht wird, für mehrere Jahre die Konditionen(Deckungsumfang, -summen und Selbstbeteili-gung) sowie die Versicherungsprämien festzu-legen. Für den von der Captive übernommenenSelbstfinanzierungsteil erbringt der Versichererweiterhin die professionellen Dienstleistungenin der Schadenerledigung, da das Erstversiche-rungsverhältnis ja unverändert bleibt.

Fazit und Ausblick

Die Instrumente der alternativen Risiko-Finan-zierung sind von Unternehmensversicherern inden letzten Jahren entscheidend weiter entwickeltworden. Durch den Prozess der Verhärtung dertraditionellen Versicherungsmärkte haben auchCaptives und Rent-a-Captives einen erfreulichenZuspruch erfahren.

Sollte sich die Anzahl von europäischen Unter-nehmensversicherern als Folge der zyklischenMarktentwicklung reduzieren, könnte sich eineweitere unternehmerische Entscheidungsgrund-lage zu Gunsten eines Investments in eine alter-native Risiko-Finanzierungsstruktur entwickeln,nämlich die Sicherstellung der kundenseitigenEntscheidungsfreiheit. Aktives und ganzheitli-ches Risk Management in Verbindung mit denhier skizzierten Konzepten zeigt eine unmittel-bare Messbarkeit von vorgängig getätigten Risk-Management-Investitionen, womit auch der Um-fang eines direkten Return-on-Investment trans-parent wird.

Aus in 2003 durchgeführten Befragungen vonRisikomanagern – im Hinblick auf deren größteHerausforderungen – darf die Erkenntnis gezogenwerden, dass die Instrumente der alternativenRisiko-Finanzierung im Rahmen der Risiko-Steuerung in den nächsten Jahren eine zuneh-mende Anwendung erfahren. Dies belegt aucheine der letzten SIGMA-Studien der SwissRe,in der ausgeführt wird, dass bei den 2500 welt-weit größten Unternehmen bereits 52 Prozentder Gesamtprämien alternativen Risiko-Finanzie-rungsträgern zugeführt werden.

Die optimale Risiko-Bewältigung bleibt sowohlfür die Angebots- als auch für die Nachfrageseiteeine Priorität im Risk Management. Sowohl Un-ternehmenskunden als auch Versicherer verfol-gen hierdurch das gleich gerichtete Interesse,nämlich die Risiko-Qualität zu steigern und dieRisiko-Finanzierungskosten zu minimieren.

Quellenverzeichnis: The Journal of Risk Management, Mai 2003 / Swiss Re (Hrsg.): SIGMA, The picture of ART,No. 1/2003, S. 13