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5 Rainer Leonhardt und Frank-Rainer Schurich Die Kriminalistik an der Berliner Universität (1810-1994) 1 1. Von der Gründung der Universität bis zur Berufung Franz von Liszts (1810-1899) 2 Die Gründung der Berliner Universität erfolgte in politisch bewegter Zeit. Im Unterschied zu anderen, schon seit Jahrhunderten bestehenden deutschen Universitäten konnte die Alma Mater Berolinensis die fortschrittlichen Elemente des Zeitgeistes sofort in sich aufnehmen. Frei von jeglichen scholastischen Traditionen, von Wilhelm von Humboldts humanistischem Geist geprägt, von Anfang an auf die Einheit von Lehre und Forschung orientiert und der Freiheit der Wissenschaft verpflichtet, trat sie als eine fortschrittliche Universität in das Leben. Friedrich Engels, der die Universität 1841 die „Zitadelle des geistigen Berlins“ nannte, 3 hat die Verhältnisse so beschrieben: „Es ist der Ruhm der Berliner Universität, daß keine so sehr wie sie in der Gedankenbewegung der Zeit steht und sich zur Arena der geistigen Kämpfe gemacht hat. Wie viele andere Uni- versitäten, Bonn, Jena, Gießen, ja selbst Leipzig, Breslau und Heidelberg, haben sich diesen Kämpfen entzogen und sind in jene gelehrte Apathie versunken, die von jeher das Unglück der deutschen Wissenschaft war! Berlin dagegen zählt Vertreter aller Richtungen unter seinen akademischen Lehrern und macht da- durch eine lebendige Polemik möglich, die dem Studierenden eine leichte, klare Übersicht über die Tendenzen der Gegenwart verschafft.“ 4 Obwohl mit vorläufigem Lehrbetrieb bereits im Wintersemester 1809/10 begin- nend, erfolgte die eigentliche Eröffnung der Universität am 15. Oktober 1810. Während des Wintersemesters 1810/11 trugen sich insgesamt 247 Studenten als Hörer in die Register der vier Gründungsfakultäten ein. 5 Erster ernannter Rektor wurde Theodor Anton Heinrich Schmalz, erster gewählter Rektor Johann Gottlieb Fichte. Erste Dekane der Gründungsfakultäten waren Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher (Theologische Fakultät), Christoph Wilhelm Hufeland (Medizinische Fakultät), Johann Gottlieb Fichte (Philosophische Fakultät) und 1 Grundlage für diesen Beitrag ist eine überarbeitete und ergänzte Fassung von: Rainer Leonhardt und Frank-Rainer Schurich: Die Kriminalistik an der Berliner Universität. Aufstieg und Ende eines Lehr- fachs. Kriminalistik Verlag. Heidelberg 1994 (Kriminalistik – Wissenschaft & Praxis, Band 29). 2 Dieses Kapitel wie die beiden folgenden in der Erstfassung: Rainer Leonhardt: Abschied von einem Schatz. Zur Geschichte der Kriminalistik an der Berliner Universität (Von den Anfängen bis 1945). Kriminalistik 8-9/1991, S. 529-534. 3 Die Humboldt-Universität zu Berlin. Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Berlin 1973, S. 51. 4 Friedrich Engels: Tagebuch eines Hospitanten. In: Marx Engels Werke. Ergänzungsband, Zweiter Teil. Dietz Verlag. Berlin 1975, S. 249. 5 Nach Norman Balk: Die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Speyer & Peters. Berlin 1926.

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Rainer Leonhardt und Frank-Rainer Schurich

Die Kriminalistik an der Berliner Universität (1810−1994)1

1. Von der Gründung der Universität bis zur Berufung Franz von Liszts

(1810−1899)2

Die Gründung der Berliner Universität erfolgte in politisch bewegter Zeit. Im Unterschied zu anderen, schon seit Jahrhunderten bestehenden deutschen Universitäten konnte die Alma Mater Berolinensis die fortschrittlichen Elemente des Zeitgeistes sofort in sich aufnehmen. Frei von jeglichen scholastischen Traditionen, von Wilhelm von Humboldts humanistischem Geist geprägt, von Anfang an auf die Einheit von Lehre und Forschung orientiert und der Freiheit der Wissenschaft verpflichtet, trat sie als eine fortschrittliche Universität in das Leben. Friedrich Engels, der die Universität 1841 die „Zitadelle des geistigen Berlins“ nannte,3 hat die Verhältnisse so beschrieben: „Es ist der Ruhm der Berliner Universität, daß keine so sehr wie sie in der Gedankenbewegung der Zeit steht und sich zur Arena der geistigen Kämpfe gemacht hat. Wie viele andere Uni-versitäten, Bonn, Jena, Gießen, ja selbst Leipzig, Breslau und Heidelberg, haben sich diesen Kämpfen entzogen und sind in jene gelehrte Apathie versunken, die von jeher das Unglück der deutschen Wissenschaft war! Berlin dagegen zählt Vertreter aller Richtungen unter seinen akademischen Lehrern und macht da-durch eine lebendige Polemik möglich, die dem Studierenden eine leichte, klare Übersicht über die Tendenzen der Gegenwart verschafft.“4 Obwohl mit vorläufigem Lehrbetrieb bereits im Wintersemester 1809/10 begin-nend, erfolgte die eigentliche Eröffnung der Universität am 15. Oktober 1810. Während des Wintersemesters 1810/11 trugen sich insgesamt 247 Studenten als Hörer in die Register der vier Gründungsfakultäten ein.5 Erster ernannter Rektor wurde Theodor Anton Heinrich Schmalz, erster gewählter Rektor Johann Gottlieb Fichte. Erste Dekane der Gründungsfakultäten waren Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher (Theologische Fakultät), Christoph Wilhelm Hufeland (Medizinische Fakultät), Johann Gottlieb Fichte (Philosophische Fakultät) und

1 Grundlage für diesen Beitrag ist eine überarbeitete und ergänzte Fassung von: Rainer Leonhardt und

Frank-Rainer Schurich: Die Kriminalistik an der Berliner Universität. Aufstieg und Ende eines Lehr-fachs. Kriminalistik Verlag. Heidelberg 1994 (Kriminalistik – Wissenschaft & Praxis, Band 29).

2 Dieses Kapitel wie die beiden folgenden in der Erstfassung: Rainer Leonhardt: Abschied von einem Schatz. Zur Geschichte der Kriminalistik an der Berliner Universität (Von den Anfängen bis 1945). Kriminalistik 8-9/1991, S. 529−534.

3 Die Humboldt-Universität zu Berlin. Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Berlin 1973, S. 51.

4 Friedrich Engels: Tagebuch eines Hospitanten. In: Marx Engels Werke. Ergänzungsband, Zweiter Teil. Dietz Verlag. Berlin 1975, S. 249.

5 Nach Norman Balk: Die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Speyer & Peters. Berlin 1926.

Verlag
Schreibmaschinentext
Frank-Rainer Schurich, Ingo Wirth (Hrsg.) Die Kriminalistik an den Universitäten der DDR 2015 / 460 Seiten / 29,80 € / ISBN 978-3-89574-880-6 Verlag Dr. Köster, Berlin / www.verlag-koester.de
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für die Juristische Fakultät der damals 23-jährige Kriminalist Friedrich August Biener (1787−1861), der sich mit 17 Jahren an der Leipziger Universität habili-tiert hatte und mit seinen Arbeiten wesentliche Grundlagen für das Strafver-fahrensrecht schuf. Von Beginn an war die Juristische Fakultät eine der tragenden Fakultäten. Von den knapp 150 Jurastudenten des Jahres 1813 nahmen nicht weniger als 88 an den Freiheitskriegen teil – bezeichnend für die damalige Atmosphäre. Es dominierte über lange Jahre die sogenannte historische Rechtsschule, de-ren bedeutender Vertreter mit großem Einfluss auf den Geist von Fakultät und Universität Friedrich Karl von Savigny (1779−1861) war. Die historische Rechtsschule hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei aller Wider-sprüchlichkeit insofern aktuelle Bedeutung, als sie mit ihrer Besinnung auf das ältere römische und das germanische Recht den Bedürfnissen der wachsenden kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung entgegenkam, ein einheitliches und gemeinsam rezipiertes Recht gegen Kleinstaaterei und Rechtszersplitterung wirksam zu machen. Kriminalrecht im Sinne der Feuerbachschen Auffassungen las von 1810 bis 1832 der Gründungsdekan Biener.6 Eigentlich sollte Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach (1775−1833), Staatsmann, Rechtsphilosoph, Kriminalwissen-schaftler,7 auch gesetzgeberisch tätig, selbst an die Fakultät geholt werden. Der Antrag der Juristischen Fakultät vom Oktober 1814 an den Rektor der Uni-versität, durch Berufung Feuerbachs das Kriminalrecht zu stärken, fand wohl auch deshalb die Zustimmung des zuständigen preußischen Ministeriums, weil mit Feuerbach (damals wegen der Flugschrift „Über deutsche Freiheit […]“, in der er staatsbürgerliche Freiheit der Deutschen forderte, von München als 2. Präsident an das Appellationsgericht in Bamberg strafversetzt) der preußi-schen Strafgesetzgebung neue Impulse verliehen werden sollten. Dass Feuerbach von der Berliner Offerte angetan schien, belegen Bemerkun-gen in einem Brief an die mit ihm befreundete Elise Gräfin von der Recke: „Ich merke, in Preußen versteht man sich auf Geister und weiß, wozu sie gut sind. In Bayern weiß man es nicht mehr, wenn man es je gewußt hat: Geister bedeuten hier mehr nicht als Gespenster, vor welchen sich die armen Sünder fürchten.“8 Warum es zu keiner Berufung Feuerbachs gekommen war, bleibt unbekannt. Die sich restaurierenden gesellschaftlichen Verhältnisse dürften wegen der

6 Vgl. Horst Schröder und Horst Bein: Friedrich August Biener (1787−1861). Berühmte Wissenschaftler

der Universität. Humboldt-Universität 33, 1985/1986, S. 6. Ein Hauptwerk Bieners ist die Monografie Beiträge zu der Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte von 1827. Neudruck Scientia-Verlag. Aalen 1965.

7 Das für die Kriminalistik wohl bedeutendste Werk Feuerbachs ist das Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts von 1801 (bis 1831 in 11 Auflagen erschienen, weitere Auf-lagen besorgte Karl Joseph Anton Mittermaier 1836 und 1847).

8 Zit. nach: Max Lenz: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Band 1 Gründung und Ausbau. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Halle 1910, S. 564.

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feinsinnigen, liberalen Haltung von Feuerbach (Vater des Philosophen Ludwig Feuerbach) nicht ohne Einfluss gewesen sein. Sicher hätte eine Berufung Feuerbachs der Entwicklung der lange Zeit stagnierenden Kriminalwissen-schaften an der Berliner Universität wichtige Impulse verleihen können. Die Dominanz der historischen Rechtsschule wurde auch durch die Auseinander-setzungen von Savignys mit Eduard Gans (1798−1839), dem hegelianischen Rechtsphilosophen, Völkerrechtler und Kriminalisten, nicht aufgehoben. Gansʼ auf tief greifende soziale Reformen abzielende Anschauungen wurden obrigkeit-lich nicht ohne Misstrauen verfolgt. „Der Professor Gans“, hielt der preußische Kronprinz Hegel in einem Gespräch vor, „macht uns alle Studenten zu Republi-kanern. Seine Vorlesungen über Ihre Rechtsphilosophie, Herr Professor, sind immer von vielen Hunderten besucht, und es ist bekannt genug, daß er Ihrer Darstellung eine vollkommen liberale, ja republikanische Färbung gibt.“9 „Das öffentliche Recht tritt in dieser Fakultätsepoche gegenüber der privatrecht-lichen und allgemein historischen Rechtsbetrachtung an Bedeutung zurück.“10 Das Kriminalrecht lag weiterhin in den Händen von Biener, der im Winter-semester 1831/32 Jus criminale duce Feuerbachio ankündigte. Von krimina-listischem Interesse waren in der Folgezeit Clemens August Karl Klenze (1795−1838) und Karl Ernst Jarcke (1801−1852). Klenze, Teilnehmer der Befreiungskriege, veröffentlichte unter anderem Lehrbücher zur römischen Rechtsgeschichte und zum Strafrecht.11 Jarcke las von 1820 bis 1832 über merkwürdige Kriminalfälle und war an der Herausgabe von Julius Eduard Hitzigs (des zeitweiligen Direktors am Kammergericht Berlin) Zeitschrift für Kriminalrechtsfälle und dessen Annalen der deutschen und ausländischen Criminalrechtspflege beteiligt. 1832 kam Wilhelm Heffter (1796−1880) nach Berlin. Als akademischer Lehrer bis 1879 wirkend, war Heffter auch als Ordinarius des Spruchkollegiums der Fakultät tätig. Seine Verdienste um das Strafrecht und das Strafprozessrecht in Preußen stellten ihn in eine „Reihe unter den gleichstrebenden deutschen Kriminalisten und Prozessualisten seiner Zeit […] namentlich Mittermaier und Waechter“. In der Jubiläumsausgabe anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung der Fakultät wurde auf Heffters in der Tradition Feuerbachs stehendes, 1833 erschienenes Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts verwiesen.12 Die Glückwünsche der Abgeordneten der deutschen Universitäten zum 50-jährigen Jubiläum der Berliner Universität überbrachte im Oktober 1860 Karl

9 Zit. nach: Hans Nathan: Die Entwicklung der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität. Neue

Justiz 23/1960, S. 779. 10 Zit. nach: Otto Liebmann: Die Juristische Fakultät der Universität Berlin, von ihrer Gründung bis zur

Gegenwart in Wort und Bild, in Urkunden und Briefen. Festausgabe der Deutschen Juristen-Zeitung. Halle 1910, S. 18.

11 Ebd., S. 19. 12 Ebd.

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Joseph Anton Mittermaier (1787−1867), ein Mitarbeiter und Freund Feuerbachs, der insofern für die Herausbildung der Kriminalistik als Wissenschaft Bedeutung hatte, als „er eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin, der Psychologie, der Chemie und anderer Naturwissenschaften sowie von Erfah-rungstatsachen und taktischen Regeln zusammentrug“,13 an die später Ludwig Hugo Franz von Jagemann (1805−1853) und Hans Groß (1847−1915), die ver-schiedentlich als die eigentlichen Begründer der Kriminalistik als Wissenschaft angesehen werden, anknüpfen konnten. Mittermaiers Verdienste um die Nutzbarmachung von Erkenntnissen der Psy-chologie für die Untersuchung von Straftaten veranlassten Groß, ihn in sei- ner Criminalpsychologie als den verehrten Lehrer, den „unsterblich große[n] Meister“14 zu bezeichnen. Das Bestreben um die Entwicklung einer wissenschaftlichen Untersuchungs-kunde vollzog sich indes außerhalb der Berliner Universität, ja überhaupt un-abhängig von unmittelbarer universitärer Einflussnahme, wenn man von Groß absieht.15 Ernsthafte Bemühungen um die Einführung der strafrechtlichen Hilfswissen-schaften, vor allem der Kriminalistik, an der Juristenfakultät in Berlin wurden erstmalig von Franz von Liszt (1851−1919) unternommen. Als Vertreter der soziologischen Rechtsschule und Mitbegründer der Internationalen Kriminalisti-schen Vereinigung kam er 1899 mit seinem 1888 in Marburg gegründeten und 1889 in Halle fortgesetzten Kriminalistischen Seminar an die Fakultät. 2. Die Bemühungen Franz von Liszts um die Einrichtung eines Instituts

für Kriminalistik (1899−1920)

Franz von Liszt, Vetter des gleichnamigen Komponisten, geboren am 2. März 1851 in Wien, verstorben am 21. Juni 1919 in Seeheim (heute Seeheim-Jugenheim), beabsichtigte, mit seinem Kriminalistischen Seminar „den straf-rechtlichen Unterricht zu unterstützen und zu ergänzen […] durch Bereitstellung einer reichhaltigen und sorgfältig gewählten Büchersammlung sowie durch die Ermöglichung eines täglichen persönlichen Verkehrs zwischen Lehrern und Schülern die wissenschaftliche Arbeit auf kriminalistischem Gebiet anzuregen

13 Eva-Maria Stelzer: Karl Joseph Anton Mittermaier, 1787−1867. Kriminalistik und forensische Wissen-

schaften. Wissenschaftliche Schriftenreihe der Humboldt-Universität zu Berlin 1967, S. 179. 14 Hanns Gross: Criminalpsychologie. Leuschner & Lubensky. Graz 1898, S. 666. 15 Neben dem ersten und wohl wichtigsten Werk von Ludwig Hugo Franz von Jagemann Handbuch der

gerichtlichen Untersuchungskunde (Band 1, die Theorie der Untersuchungskunde enthaltend. Verlag von G. F. Kettembeil. Frankfurt am Main 1838; Band 2, die Pragmatik der Untersuchungskunde in 344 actenmäßigen Beispielen enthaltend. Verlag von G. F. Kettembeil. Frankfurt am Main 1841) später vor allem Wilhelm Stiebers Practisches Lehrbuch der Criminal-Polizei (Druck und Verlag von A. W. Hayn. Berlin 1860) und Hermann Ortloffs Lehrbuch der Kriminalpolizei auf Grund der Deutschen Reichsgesetze (Fuesʼ Verlag. Leipzig 1881), die insbesondere pragmatischen Intuitionen folgen.

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und zu fördern“.16 Absichtlich vermied von Liszt die Bezeichnung „Strafrecht-liches Seminar“, und er unterschied es auch deutlich von einem juristischen Seminar, denn es „soll die Tätigkeit des Kriminalistischen Seminars alle Zweige der gesamten Strafrechtswissenschaft umfassen, durch kriminalbiologische und kriminalsoziologische Untersuchungen ebenso gut wie durch geschichtliche und rechtsvergleichende Arbeiten einer gesunden Kriminalpolitik zu dienen suchen“.17

Franz von Liszt Aus: Die Humboldt-Universität. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1973, S. 114

In einer Darstellung seines Kriminalistischen Seminars anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Berliner Universität18 verwies von Liszt darauf, dass er von Beginn an die Absicht hatte, eine kriminalistische Sammlung zu schaffen, die unter anderem die zur Begehung von Verbrechen verwendeten Werkzeuge und die durch sie erzeugten Gegenstände sowie all das umfassen sollte, was Groß als Kriminalistik bezeichnete. Die Gründe für das Scheitern dieses Vor-habens, obwohl 1895 die Genehmigung des preußischen Kultusministeriums vorlag und die Unterstützung der Minister der Justiz und des Inneren zugesagt war, sind nicht bekannt. Seit dem 1. April 1900 befand sich das Kriminalistische Seminar in den Lisztschen Privaträumen in Charlottenburg, Kantstraße 30. Da die Raumlage bald sehr beengt war, wurde in Erwägung gezogen, angrenzende Räume in der Schlüterstraße zu nutzen.

16 Abhandlungen des Kriminalistischen Seminars zu Marburg, hrsg. von Franz von Liszt. Band 1.

J. C. B. Mohr. Freiburg 1889, S. 1. 17 Ebd. 18 Zit. nach: Max Lenz: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Band 3

Wissenschaftliche Anstalten, Spruchkollegium, Statistik. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Halle 1910, S. 31.

Verlag
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Frank-Rainer Schurich, Ingo Wirth (Hrsg.) Die Kriminalistik an den Universitäten der DDR 2015 / 460 Seiten / 29,80 € / ISBN 978-3-89574-880-6 Verlag Dr. Köster, Berlin / www.verlag-koester.de