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Radiologe 2012 · 52:124–131 DOI 10.1007/s00117-011-2233-8 Online publiziert: 1. Februar 2012 © Springer-Verlag 2012 H. Platzgummer · C. Schueller-Weidekamm Universitätsklinik für Radiodiagnostik, AKH, Medizinische Universität Wien, Wien Radiologische Frühdiagnostik  der rheumatoiden Arthritis Stellenwert von Ultraschall  und Magnetresonanztomographie Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine symmetrisch auftretende, po- lyartikuläre, chronisch entzündliche Gelenkerkrankung, die unbehandelt zur Gelenkdestruktion und Invalidi- tät führen kann. An die optimale bild- gebende Methode wird die Anforde- rung gestellt, die assoziierten Patho- logien in jedem Krankheitsstadium aufzuzeigen und Rückschlüsse auf die derzeitige Krankheitsaktivität zu zie- hen, um somit den Krankheitsverlauf quantifizieren zu können. Neben der Verlaufsbeurteilung sind differenzial- diagnostische Zusatzinformationen wertvoll, da bei der frühen RA in den ersten Wochen nach dem Auftreten klinischer Beschwerden die endgül- tige Diagnose oft noch nicht eindeu- tig möglich ist. Magnetresonanzto- mographie (MRT) und Ultraschall (US) sind in der Lage, eine Vielzahl der ge- wünschten Anforderungen reprodu- zierbar zu erfüllen. Klassifizierung der RA In den erneuerten ACR-/EULAR-Klassi- fikationskriterien (American College of Rheumatology/European League against Rheumatism) von 2010 der RA wurde der MRT und dem US eine bedeutende Stel- lung zuteil [1, 2, 22]. Das punktebasierte Klassifikationssystem kann angewendet werden, wenn in der klinischen Unter- suchung mindestens ein Gelenk typische RA-assoziierte Veränderungen zeigt. Al- le weiteren klinisch und auch radiologisch als pathologisch diagnostizierten Gelenke fließen in das Scoring ein. Die im Krank- heitsprozess früh auftretenden synovialen Veränderungen lassen sich in der MRT und dem US mit hoher Sensitivität und Spezifität bestimmen [3, 31, 33]. Ob der Einfluss neuer bildgebender Techniken zu einem besseren therapeutischen Out- come führt, ist derzeit nicht geklärt [34]. Die ACR-Kriterien von 1987 zur RA- Klassifikation wurden retrospektiv aus einer Patientengruppe mit etablierter RA abgeleitet. Zur Diagnose der frühen RA waren sie nicht ausgelegt [30]. Derzeit ist nicht vollständig geklärt, welche Auswir- kungen die geänderten Kriterien auf die Selektion des Patientenkollektivs haben. Patienten mit Monoarthritiden scheinen vergleichsweise öfter die erneuerten Klas- sifikationskriterien der RA zu erfüllen [8]. Abb. 18 Synovialitis, 3-T-MRT der linken Hand einer 70-jährigen Patientin mit rheumatoider Arthritis.  a Koronale farbkodierte T1-gewichtete fettunterdrückte Maximum-intensity-projection(MIP)-Sequenz  nach i.v.-Kontrastmittelgabe. Nachweis von Synovialitis (rot kodiert) des Handgelenks in 3 Handge- lenkregionen sowie des MCP-5-, geringer auch des PIP-2- und MCP-2-Gelenks. b Die koronale flüssig- keitssensitive Sequenz (STIR) zeigt ein hyperintenses Signal in denselben Arealen (Pfeile). MCP-GelenkMetakarpophalangeal-, PIP-Gelenk proximales Interphalangealgelenk, STIR „short tau inversion reco- very“ 124 | Der Radiologe 2 · 2012 Leitthema: Arthritis und Arthrose

Radiologische Frühdiagnostik der rheumatoiden Arthritis

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Page 1: Radiologische Frühdiagnostik der rheumatoiden Arthritis

Radiologe 2012 · 52:124–131DOI 10.1007/s00117-011-2233-8Online publiziert: 1. Februar 2012© Springer-Verlag 2012

H. Platzgummer · C. Schueller-WeidekammUniversitätsklinik für Radiodiagnostik, AKH, Medizinische Universität Wien, Wien

Radiologische Frühdiagnostik der rheumatoiden ArthritisStellenwert von Ultraschall und Magnetresonanztomographie

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine symmetrisch auftretende, po-lyartikuläre, chronisch entzündliche Gelenkerkrankung, die unbehandelt zur Gelenkdestruktion und Invalidi-tät führen kann. An die optimale bild-gebende Methode wird die Anforde-rung gestellt, die assoziierten Patho-logien in jedem Krankheitsstadium aufzuzeigen und Rückschlüsse auf die derzeitige Krankheitsaktivität zu zie-hen, um somit den Krankheitsverlauf quantifizieren zu können. Neben der Verlaufsbeurteilung sind differenzial-diagnostische Zusatzinformationen wertvoll, da bei der frühen RA in den ersten Wochen nach dem Auftreten klinischer Beschwerden die endgül-tige Diagnose oft noch nicht eindeu-tig möglich ist. Magnetresonanzto-mographie (MRT) und Ultraschall (US) sind in der Lage, eine Vielzahl der ge-wünschten Anforderungen reprodu-zierbar zu erfüllen.

Klassifizierung der RA

In den erneuerten ACR-/EULAR-Klassi-fikationskriterien (American College of Rheumatology/European League against Rheumatism) von 2010 der RA wurde der MRT und dem US eine bedeutende Stel-lung zuteil [1, 2, 22]. Das punktebasierte Klassifikationssystem kann angewendet werden, wenn in der klinischen Unter-suchung mindestens ein Gelenk typische RA-assoziierte Veränderungen zeigt. Al-

le weiteren klinisch und auch radiologisch als pathologisch diagnostizierten Gelenke fließen in das Scoring ein. Die im Krank-heitsprozess früh auftretenden synovialen Veränderungen lassen sich in der MRT und dem US mit hoher Sensitivität und Spezifität bestimmen [3, 31, 33]. Ob der Einfluss neuer bildgebender Techniken zu einem besseren therapeutischen Out-come führt, ist derzeit nicht geklärt [34].

Die ACR-Kriterien von 1987 zur RA-Klassifikation wurden retrospektiv aus einer Patientengruppe mit etablierter RA abgeleitet. Zur Diagnose der frühen RA waren sie nicht ausgelegt [30]. Derzeit ist nicht vollständig geklärt, welche Auswir-kungen die geänderten Kriterien auf die Selektion des Patientenkollektivs haben. Patienten mit Monoarthritiden scheinen vergleichsweise öfter die erneuerten Klas-sifikationskriterien der RA zu erfüllen [8].

Abb. 1 8 Synovialitis, 3-T-MRT der linken Hand einer 70-jährigen Patientin mit rheumatoider Arthritis. a Koronale farbkodierte T1-gewichtete fettunterdrückte Maximum-intensity-projection(MIP)-Sequenz nach i.v.-Kontrastmittelgabe. Nachweis von Synovialitis (rot kodiert) des Handgelenks in 3 Handge-lenkregionen sowie des MCP-5-, geringer auch des PIP-2- und MCP-2-Gelenks. b Die koronale flüssig-keitssensitive Sequenz (STIR) zeigt ein hyperintenses Signal in denselben Arealen (Pfeile). MCP-Gelenk Metakarpophalangeal-, PIP-Gelenk proximales Interphalangealgelenk, STIR „short tau inversion reco-very“

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Leitthema: Arthritis und Arthrose

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Remission im Fokus

Das therapeutische Ziel bei der Be-handlung der RA sind der Funktionser-halt der Gelenke und die klinische Re-mission. Unter adäquater Therapie mit DMARDs („disease modifying antirheu-matic drugs“) sind Erosionen potenziell reversibel, da die medikamentöse Thera-pie der RA in den letzten Jahren zuneh-mend effektiver geworden ist [9, 13]. Der frühe Therapiebeginn verbessert das kli-nische Outcome wesentlich [21].

Neue Remissionskriterien der ACR-/EULAR-Kriterien sind in Evaluation [12]. MRT und US sind in diesen Krite-rien noch nicht enthalten, haben aber das Potenzial, die Sensitivität zur Bestim-mung subklinischer Entzündungsaktivität zu steigern und damit die Remissionssco-res beeinflussen zu können [29].

Magnetresonanztomographie und Ultraschall

Gegenüber der technisch aufwendigen MRT ist der US kostengünstiger und pa-tientenfreundlicher. Mit dem US können mehrere Gelenke aus unterschiedlichen Körperregionen in einer Sitzung unter-sucht werden. In der MRT gelingt dies zwar im Rahmen der Ganzkörper-MRT-Untersuchungen, allerdings auf Kosten der Ortauflösung und unter großem Zeit-aufwand. Im Gegensatz zur MRT kann die Synovialitis sonographisch auch oh-ne Kontrastmittel (KM) dargestellt wer-den. Nicht entfernbare Metallimplantate, Platzangst und Kontraindikationen gegen gadoliniumhaltige MRT-KM schrän-ken das untersuchbare Patientenkollek-tiv für die MRT ein. Für die sonographi-

sche Untersuchung bestehen dagegen kei-ne Kontraindikationen.

Die MRT ist sowohl für die quantita-tive Messung der Entzündungsaktivität, der Erosionsdiagnostik als auch zur Ein-grenzung der Differenzialdiagnosen hilf-reich. Sie bietet mit Hilfe der EULAR-OMERACT-Kriterien (Outcome Mea-sures in Rheumatology) reproduzierbare und validierte Ergebnisse [16]. Das OME-RACT-RAMRIS- (Rheumatoid-Arthritis-Magnetic-Resonance-Image-Scoring-Sys-tem) von 2002 zur Beurteilung entzündli-cher und destruierender Veränderungen bei der RA der Hand- und Fingergelenke wurde 2003 publiziert [23, 26]. Es besteht aus einem Referenzatlas mit Vergleichsbil-dern zur Diagnose und Quantifizierung häufiger Veränderungen im Rahmen der RA sowie aus Definitionen und Empfeh-lungen für Untersuchungsprotokolle. Als Grundprotokoll, um die Vergleichbar-keit von Studien zu ermöglichen, werden eine T1-gewichtete Sequenz in 2 Ebenen vor und nach intravenöser KM-Gabe so-wie eine T2-gewichtete fettgesättigte oder Short-tau-inversion-recovery(STIR)-Se-quenz empfohlen.

Die Rolle des US zur Beurteilung der RA ist in den vergangen Jahren deutlich gewachsen. Durch die technische Wei-terentwicklung der Ultraschallgeräte und der Hochfrequenzsonden (>14 MHz) sind oberflächlich gelegene Pathologien hervorragend detailreich beurteilbar. Mit dem US ist es möglich, eine Synovialitis und frühe erosive Veränderungen mit ho-her Sensitivität und Spezifität abzubilden [4, 31]. Die dynamische Untersuchung er-laubt zusätzlich eine Funktionsdiagnos-tik des Band- und Sehnenapparats. Als anwenderabhängige Technik ist der US auf standardisierte Untersuchungsabläu-

fe und Dokumentationskriterien angewie-sen. Die OMERACT Ultrasound Guide-lines aus dem Jahre 2003 beinhalten De-finitionen und Richtlinien zur sonogra-phischen Untersuchung [36]. Task Forces arbeiten an der kontinuierlichen Weiter-entwicklung dieser Richtlinien.

Von der Synovialitis zur Erosion

Synovialitis

Synovialitis (engl. „synovitis“, . Abb. 1) ist ein früh messbares Aktivitätszeichen der RA und ein Prädiktor für das Auftre-ten erosiver Veränderungen [24]. In der MRT ist die Synovialitis als ein über die Norm verdicktes intrasynoviales Areal mit erhöhter KM-Anreicherung defi-niert. Die Graduierung der Entzündungs-aktivität wird auf Basis des RAMRIS-Re-ferenzatlas anhand eines semiquantitati-ven Scores (0–3) durchgeführt. Die OME-RACT Ultrasound Guidelines definierten Synovialits als anormales echoarmes oder echoleeres (in Relation zum isoechoge-nen oder echoreichen subdermalen Fett) intraartikuläres Gewebe, welches nicht verschiebbar und schlecht komprimier-bar ist und ein Dopplersignal aufweisen kann. Der am häufigsten verwendete Sco-re ist ein mit der MRT vergleichbarer se-miquantitativer Score von 0–3, abhängig von der Fläche an Powerdoppler(PD)-Si-gnal innerhalb der hypertrophierten Syn-ovialitis [38]. PD weist hypervaskulari-siertes Synovialgewebe reproduzierbar nach und ermöglicht somit die Unter-scheidung von aktiver zu inaktiver Syn-ovialitis [7]. Bei der frühen undifferen-zierten Arthritis macht das Fehlen von Synovialitis die Diagnose einer RA un-wahrscheinlich [20]. Bei Patienten, die

Abb. 2 8 Randständig sklerosierte Erosion. 70-jährige Patientin mit rheumatoider Arthritis. a Die Projektionsradiographie der linken Hand lässt eine Erosion nur erahnen (Pfeil). b Die koronale T1-gewichtete, fettunterdrückte Sequenz nach Kontrastmit-telgabe zeigt eine rundliche Läsion an typischer Lokalisation mit hyperintensem Signal, Synovialgewebe entsprechend. c MS-CT als Goldstandard: axial fehlende Spongiosastruktur der Erosion (Pfeil). MS-CT Mehrschicht-CT

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unter Therapie progrediente Knochen-destruktion zeigten, wurde mittels US und MRT eine subklinische Synovialitis nach-gewiesen [6, 14].

Knochenmarködem

Das Knochenmarködem (KMÖ) in der MRT entspricht histologisch einer ossä-ren Entzündungsreaktion [18]. Fettiges Knochenmark wird durch ein entzündli-ches Infiltrat ersetzt. In mehreren Studien zeigte sich das KMÖ als Prädiktor für spä-tere erosive Veränderungen und kann als prognostischer Faktor herangezogen wer-den [9, 17].

Als KMÖ wird eine unscharf begrenz-te, intratrabekuläre Läsion mit einem Sig-nalverhalten, welches mit erhöhtem Was-sergehalt vereinbar ist, definiert. Gegen-

Zusammenfassung · Abstract

Radiologe 2012 · 52:124–131   DOI 10.1007/s00117-011-2233-8© Springer-Verlag 2012

H. Platzgummer · C. Schueller-Weidekamm

Klinisches/methodisches Problem.  Für das optimale Therapiemanagement bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) sind spezifische und sensible diagnostische Methoden zur Be-urteilung der Krankheitsaktivität unerlässlich.Radiologische Standardverfahren.  Ne-ben der Projektionsradiographie gewinnen die bildgebenden Methoden zur Frühdiag-nostik der RA, insbesondere die Magnetre-sonanztomographie (MRT) und der Ultra-schall (US), zunehmend an Bedeutung.Empfehlung für die Praxis.  MRT und US spielen eine Schlüsselrolle in der bildgeben-

den Frühdiagnostik der RA. Die Messung der Entzündungsaktivität stellt die Basis für die Therapieentscheidung dar. Sie kann mit dem US und der MRT quantitativ und semiquanti-tativ bestimmt werden. Synovialitis und Kno-chenmarködem sind Prädiktoren für Erosio-nen.

SchlüsselwörterRheumatoide Arthritis (RA) · Synovialitis ·  Erosion · Ultraschall ·  Magnetresonanztomographie (MRT)

Radiological imaging in early diagnosis of rheumatoid arthritis. The role of ultrasound and magnetic resonance imaging

AbstractClinical/methodical issue.  For optimal ther-apy management of patients with rheuma-toid arthritis (RA) specific and sensitive diag-nostic methods are essential for assessment of disease activity.Standard radiological methods.  In addi-tion to projection radiography, imaging tech-niques, in particular magnetic resonance im-aging (MRI) and ultrasound (US) are becom-ing increasingly more important for the early diagnosis of RA.Practical recommendations.  The MRI and US techniques play a key role in the ear-

ly imaging diagnostics of RA. Measure-ment of inflammation activity represents the basis of therapeutic decision-making and can be quantitatively and qualitative-ly determined with MRI and US. Synovi-tis and bone marrow edema are predictors of erosion.

KeywordsRheumatoid arthritis · Synovitis · Erosion ·  Ultrasound · Magnetic resonance imaging (MRI)

über der protonengewichteten hat die STIR-Sequenz eine höhere Sensitivität für KMÖ und sollte vorzugsweise verwendet werden. Entsprechend der Hypervaskula-risation, die im Rahmen der ossären Ent-zündungsreaktion auftritt, wird eine ver-mehrte KM-Anreicherung im KMÖ auf den T1-gewichteten fettunterdrückten Se-quenzen beobachtet.

Erosionen

In der MRT werden Erosionen (. Abb. 2) als Knochenläsionen in juxtaartikulä-rer Lokalisation, typischem Signalverlust in T1-gewichteten Sequenzen als Hin-weis auf die Auflösung der Trabekels-trukur mit einhergehendem Verlust des

Fettmarks und einer Kortikalisunterbre-chung in mindestens 2 Ebenen definiert. Die Schichtdicke der Sequenzen sollte zur Beschreibung von Erosionen unter 3 mm liegen, um kleine Erosionen (≤2 mm) kor-rekt erkennen zu können. T1-gewichtete 3-D-Gradientenechosequenzen mit Re-konstruktionen von 0,4 mm Schichtdi-cke haben sich für die Erosionsbeurtei-lung bewährt. Die OMERACT Ultra-sound Guidelines definieren Erosion als intraartikuläre Unterbrechung der Kno-chenoberfläche, welche in 2 senkrecht zu-einander stehenden Ebenen sichtbar ist.

Frühe und etablierte RA zeigen in der MRT dieselben Verteilungsmuster von Erosionen. Am häufigsten sind Erosio-nen an den MCP-2- und MCP-3-Gelen-

Abb. 3 8 Tenosynovitis, 3-T-MRT der rechten Hand eines 47-jährigen Patienten. a Axiale farb-kodierte T1-gewichtete, fettunterdrückte Gra-dientenechosequenz nach Kontrastmittelgabe: deutliches Enhancement um die Flexor-digito-rum-indicis-Sehne auf Höhe des MCP-2-Gelenks. b Koronale flüssigkeitssensitive Sequenz (STIR) nativ: peritendinöses hyperintenses Signal (Pfei-le). MCP-Gelenk Metakarpophalangealgelenk, STIR „short tau inversion recovery“

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Radiologische Frühdiagnostik der rheumatoiden Arthritis. Stellenwert von Ultraschall und Magnetresonanztomographie

Zusammenfassung

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ken sowie an Os capitatum, distaler Ulna, Os lunatum, Os triquetrum und Os sca-phoideum aufzufinden [25]. Eine aktuelle Metaanalyse fand ein gutes Inter- und In-trarateragreement zur Beschreibung von Erosionen in der MRT und im US [4]. Bei der frühen RA werden mit dem US öf-ter Erosionen beschrieben, bei der etab-lierten RA zeigt die MRT höhere Scores. Die MCP-3-, MCP-4-, Metatarsopha-langeal(MTP)-3- und -4-Gelenke sind auch mit Hilfe schmaler Hochfrequenz-Hockeystick-Linearschallköpfe MR-to-mographisch besser einsehbar. Erosionen sind ab einem Durchmesser von 1,5 mm und einer Tiefe von 1 mm im US erkenn-bar, der überwiegende Anteil der Erosio-nen ist kleiner als 2 mm [19].

Tenosynovitis

Sonographisch wird die Tenosynovitis de-finiert als echoarmes oder echoleeres, ver-dicktes Gewebe, mit oder ohne Flüssigkeit in der Sehnenscheide, das in 2 senkrech-ten Ebenen sichtbar ist und möglicher-weise ein Dopplersignal aufweist. Für die MRT wurde 2007 ein dezidiertes Scoring-system von Haarvardsholm et al. [15] vor-gestellt (. Abb. 3).

Zur Unterscheidung zwischen RA und Psoriasisarthritis (PsA, . Abb. 4) sind proliferative Veränderungen im Rahmen von Enthesiopathien, die typisch für die

PsA sind, hilfreich. Jedoch kommen auch bei der RA Tenosynovititiden der Flexor-digitorum- sowie der Tibialis-posterior-Sehne vor [11, 37].

Entzündlich veränderte Sehnen ten-dieren aufgrund der aufgelockerten, ödematös veränderten Faserstruktur zu Längsrissen. Die funktionelle Beurteilung der pathologisch veränderten Sehne ge-lingt im US im Vergleich zur MRT besser.

Die anatomisch vorgegebene Enge des Karpaltunnels prädisponiert zu einer Kompression des N. medianus. In man-chen Fällen tritt dies als erstes klinisches Zeichen einer RA auf. Das morphologi-sche Korrelat zum Karpaltunnelsyndrom ist eine pathognomische sanduhrförmige Komprimierung des Nervs durch die von den Sehnenscheiden ausgehenden Syn-ovialproliferationen.

Quantifizierung der Entzündungsaktivität

Zur Messung der Dynamik der Ent-zündungsaktivität sind reproduzierba-re Quantifizierungsmethoden nötig. Die OMERACT-RAMRIS-Methode enthält validierte, einfach zu handhabende se-miquantitative Scorings, welche für den klinischen Alltag geeignet sind. Objek-tive quantitative Messungen sind deut-lich zeit- und kostenintensiver und wer-den vorwiegend für die Validierung von

Scorings, Überprüfung der Therapieeffi-zienz und der Korrelationen mit histolo-gischen Veränderungen eingesetzt [5, 27, 32]. Der diagnostische Mehrwert ist der-zeit nicht geklärt.

Der dynamische KM-Einsatz ist so-wohl in der MRT als auch im US mög-lich. Ein direkter methodenübergreifen-der Vergleich der Werte ist aufgrund des unterschiedlichen KM-Verhaltens nur eingeschränkt möglich. Innerhalb der Synovialitis zeigt der Grad der Vaskula-risierung eine erhebliche Variabilität [28]. Die Position der Messpunkte ist bedeu-tend und sollte ausreichend dokumen-tiert sein, insbesondere wenn die Unter-suchung zur Verlaufsbeurteilung wieder-holt werden soll.

In mehreren Studien wurden US-KM zur Steigerung der diagnostischen Sensi-tivität verwendet. Die gesteigerte Sensi-tivität birgt jedoch wiederum die Gefahr in sich, dass die Hypervaskularisierung „überinterpretiert“ wird und vermehrt falsch-positive Befunde entstehen. Unter Einsatz von KM kann bei bis zu 50% der MCP-Gelenke gesunder Probanden ein intrasynoviales Powerdopplersignal ge-messen werden [35]. Ähnliche Ergebnis-se sind in der MRT beschrieben [10]. Ein absoluter Grenzwert zwischen pathologi-scher und physiologischer Vaskularisie-rung ist derzeit nicht etabliert.

Abb. 4 8 Psoriasisarthritis (PsA), 56-jähriger Patient. a 3-T-MRT der rechten Hand coronale, farbkodierte T1-gewichtete fett-unterdrückte Sequenz nach i. v. Kontrastmittelgabe. Nachweis von Synovialitis (rot kodiert) am MCP-3-, PIP-2-, PIP-3-, PIP-4-, DIP-2-, DIP-4- (pathognomonisch für PsA) und Handgelenk. (b) Dorsales und juxtaartikuläres Verteilungsmuster der Synoviali-tis. Dynamische Messung am PIP-3-Gelenk dorsal zeigt eine kräftige Anreicherungsrate mit Plateauphase in der dynamischen Auswertung. c Transversale Schnittführung dorsal des PIP-3-Gelenk zeigt eine Synovialitis Grad 2 mit Powerdoppler (weniger als 50% der Synovialhypertrophie signalreich). Pfeilspitze echoreicher Reflex der Kortikalis. MCP Metakarpophalangeal-, PIP proximales, DIP distales Interphalangealgelenk

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Fazit für die Praxis

F  MRT und US spielen eine Schlüsselrol-le in der bildgebenden Frühdiagnos-tik der RA.

F  Synovialitis und Knochenmarködem sind Prädiktoren für Erosionen.

F  Die Messung der Entzündungsaktivi-tät stellt die Basis für die Therapieent-scheidung dar und kann mit dem US und der MRT sowohl quantitativ als auch semiquantitativ bestimmt wer-den.

Korrespondenzadresse

Dr. H. PlatzgummerUniversitätsklinik für  Radiodiagnostik, AKH,  Medizinische Universität Wien,Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien, Österreichhannes.platzgummer@ meduniwien.ac.at

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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15.  Haavardsholm EA, Ostergaard M, Ejbjerg BJ et al (2007) Introduction of a novel magnetic resonan-ce imaging tenosynovitis score for rheumatoid ar-thritis: reliability in a multireader longitudinal stu-dy. Ann Rheum Dis 66:1216–1220

16.  Haavardsholm EA, Ostergaard M, Ejbjerg BJ et al (2005) Reliability and sensitivity to change of the OMERACT rheumatoid arthritis magnetic resonan-ce imaging score in a multireader, longitudinal set-ting. Arthritis Rheum 52:3860–3867

17.  Hetland ML, Ejbjerg B, Horslev-Petersen K et al (2009) MRI bone oedema is the strongest predic-tor of subsequent radiographic progression in ear-ly rheumatoid arthritis. Results from a 2-year ran-domised controlled trial (CIMESTRA). Ann Rheum Dis 68:384–390

18.  Jimenez-Boj E, Nobauer-Huhmann I, Hanslik-Schnabel B et al (2007) Bone erosions and bone marrow edema as defined by magnetic resonance imaging reflect true bone marrow inflammation in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 56:1118–1124

19.  Koski JM, Alasaarela E, Soini I et al (2010) Ability of ultrasound imaging to detect erosions in a bone phantom model. Ann Rheum Dis 69:1618–1622

20.  Machado PM, Koevoets R, Bombardier C et al (2011) The value of magnetic resonance imaging and ultrasound in undifferentiated arthritis: a sys-tematic review. J Rheumatol(Suppl) 87:31–37

21.  Machold KP, Stamm TA, Nell VP et al (2007) Very re-cent onset rheumatoid arthritis: clinical and sero-logical patient characteristics associated with ra-diographic progression over the first years of di-sease. Rheumatology (Oxford) 46:342–349

22.  Østergaard M (2010) Clarification of the role of ul-trasonography, magnetic resonance imaging and conventional radiography in the ACR/EULAR 2010 rheumatoid arthritis classification criteria – com-ment to the article by Aletaha et al. in Ann Rheum Dis (2010) 69:1580–1588

23.  Østergaard M, Edmonds J, Mcqueen F et al (2005) An introduction to the EULAR-OMERACT rheu-matoid arthritis MRI reference image atlas. Ann Rheum Dis 64(Suppl 1):i3–7

24.  Østergaard M, Hansen M, Stoltenberg M et al (1999) Magnetic resonance imaging-determined synovial membrane volume as a marker of disea-se activity and a predictor of progressive joint de-struction in the wrists of patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 42:918–929

25.  Østergaard M, Moller Dohn U, Duer-Jensen A et al (2011) Patterns of magnetic resonance imaging bone erosion in rheumatoid arthritis–which bones are most frequently involved and show the most change? J Rheumatol 38:2014–2017

26.  Østergaard M, Peterfy C, Conaghan P et al (2003) OMERACT rheumatoid arthritis magnetic resonan-ce imaging studies. Core set of MRI acquisitions, joint pathology definitions, and the OMERACT RA-MRI scoring system. J Rheumatol 30:1385–1386

27.  Platzgummer H, Schueller G, Grisar J et al (2009) Quantification of synovitis in rheumatoid arthri-tis: do we really need quantitative measurement of contrast-enhanced ultrasound? Eur J Radiol 71:237–241

28.  Rhodes LA, Tan AL, Tanner SF et al (2004) Regio-nal variation and differential response to therapy for knee synovitis adjacent to the cartilage-pannus junction and suprapatellar pouch in inflammatory arthritis: implications for pathogenesis and treat-ment. Arthritis Rheum 50:2428–2432

29.  Saleem B, Brown AK, Keen H et al (2011) Should imaging be a component of rheumatoid arthritis remission criteria? A comparison between traditio-nal and modified composite remission scores and imaging assessments. Ann Rheum Dis 70:792–798

30.  Saraux A, Berthelot JM, Chales G et al (2001) Abili-ty of the American College of Rheumatology 1987 criteria to predict rheumatoid arthritis in patients with early arthritis and classification of these pa-tients two years later. Arthritis Rheum 44:2485–2491

31.  Scheel AK, Hermann KG, Ohrndorf S et al (2006) Prospective 7 year follow up imaging study com-paring radiography, ultrasonography, and magne-tic resonance imaging in rheumatoid arthritis fin-ger joints. Ann Rheum Dis 65:595–600

32.  Schueller-Weidekamm C, Krestan C, Schueller G et al (2007) Power Doppler sonography and pulse-in-version harmonic imaging in evaluation of rheu-matoid arthritis synovitis. AJR Am J Roentgenol 188:504–508

33.  Sugimoto H, Takeda A, Hyodoh K (2000) Early-sta-ge rheumatoid arthritis: prospective study of the effectiveness of MR imaging for diagnosis. Radio-logy 216:569–575

34.  Suter LG, Fraenkel L, Braithwaite RS (2011) Role of magnetic resonance imaging in the diagnosis and prognosis of rheumatoid arthritis. Arthritis Care Res (Hoboken) 63:675–688

130 |  Der Radiologe 2 · 2012

Leitthema: Arthritis und Arthrose

Page 8: Radiologische Frühdiagnostik der rheumatoiden Arthritis

35.  Terslev L, Torp-Pedersen S, Bang N et al (2005) Doppler ultrasound findings in healthy wrists and finger joints before and after use of two different contrast agents. Ann Rheum Dis 64:824–827

36.  Wakefield RJ, Balint PV, Szkudlarek M et al (2005) Musculoskeletal ultrasound including definiti-ons for ultrasonographic pathology. J Rheumatol 32:2485–2487

37.  Wakefield RJ, O’connor PJ, Conaghan PG et al (2007) Finger tendon disease in untreated early rheumatoid arthritis: a comparison of ultrasound and magnetic resonance imaging. Arthritis Rheum 57:1158–1164

38.  Weidekamm C, Koller M, Weber M et al (2003) Dia-gnostic value of high-resolution B-mode and dop-pler sonography for imaging of hand and fin-ger joints in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 48:325–333

Neue Biomaterialien für Knochen- und Knorpelersatz

Für Knochendefekte und Knorpelverschleiß 

gibt es jetzt Aussicht auf besonders ver-

trägliche Implantate einer neuen Genera-

tion. Forscher der

Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft 

sowie der Universität Stuttgart entwickeln 

für Knochen- und Knorpelersatz biomime-

tische Gerüststrukturen, die die natürliche 

Umgebung des Körpers nachahmen. Auf 

diesen Matrices differenzieren Stammzellen 

zu Knochen- und Knorpelzellen. 

Die Forscher entwickelten einen Zellbio-

chip, der es ermöglicht, das Verhalten von 

Stammzellen auf unterschiedlichen Ober-

flächenstrukturen mit hohem Durchsatz zu 

untersuchen. Mittels diesen Biochips ge-

lang es den Forschern, ein Kompositmate-

rial aus Polymilchsäure und Hydroxylapatit 

zu identifizieren, welches das Anwachsen 

und die Proliferation adulter Stammzellen 

begünstigt. 

In die Oberfläche der Matrix können zu-

dem Signalproteine integriert werden, die 

die Ausdifferenzierung der Zellen fördern. 

Dies gelingt mittels NANOCYTES® – kleinen 

Nanokügelchen mit einem festen Kern und 

einer flexiblen Schale. Das Signalprotein 

TWEAK wurde bereits erfolgreich auf den 

biomimetischen Matrices untergebracht. 

Damit die Signalmoleküle zum richtigen 

Zeitpunkt aus den Nanopartikeln frei-

gesetzt werden, haben Polymerforscher 

Schutzgruppen entwickelt, die sich durch 

Licht zum gewünschten Zeitpunkt aktivie-

ren lassen. 

Mit den biomimetischen Matrices wurde 

die Basis für körpereigene Implantate ge-

schaffen. Nun soll der Differenzierungspro-

zess außerhalb des Körpers standardisiert 

und evaluiert werden. Wenn dies gelingt, 

könnten selbstheilende Implantate für Kno-

chen und Knorpel bald in die medizinische 

Praxis gelangen.

Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft,

www.frauenhofer.de

Fachnachrichten

131Der Radiologe 2 · 2012  | 

Buchbesprechungen

Kubella KPatientenrechtegesetzHeidelberg: Springer 2011, 275 S., 106 Abb., (ISBN 978-3-642-22740-0), 89.00 EUR

Ein „Patientenrechte-

gesetz“ gibt es in 

Deutschland nicht, ein 

Vorschlag zur Kodifika-

tion des Behandlungs-

vertrages im BGB wird 

hier vorgelegt. Dem 

ca. 4-seitigen „Entwurf 

eines Patientenrechtegesetzes“ folgt eine 

nahezu 100-seitige Begründung. Auf ins-

gesamt 260 Seiten der fundierten Arbeit 

werden die Gesetze in den Niederlanden, 

Finnland und Frankreich berücksichtigt. Der 

Entwurf fixiert die richterrechtlich begrün-

dete Rechtslage in entscheidenden Fragen: 

Behandlungsvertrag, Krankenhausauf-

nahmevertrag, sachgemäße Behandlung, 

Aufklärung, Einwilligung, Information und 

Mitwirkung des Patienten, Dokumenta-

tion, Befundsicherung, Einsichtnahme in 

Krankenunterlagen, Schweigepflicht, Be-

weislast im Schadensfall, Anwendung des 

Werkrechts. Dazu Formulierungsvorschläge 

zu unzulässigen abweichenden Vereinba-

rungen. Einzelne Vorgaben können kritisch 

gesehen werden, so wenn festgelegt wer-

den soll, ein Kind sei vor Vollendung des 14. 

Lebensjahres generell einwilligungsunfä-

hig. Der Textvorschlag wird die Diskussion 

um ein Patientenrechtegesetz befördern, 

insofern ist die Arbeit durchaus verdienst-

voll. Ein Gesetz, welches ohnehin geltendes 

Recht festschreibt, wird man aber kaum als 

dringlich bezeichnen können. Befürworter 

mögen auf eine Verbesserung durch die 

Wirkung gesetzlicher Regelungen setzen, 

eigentlich neue Regelungen oder gar Ver-

schärfungen zu Lasten der Ärzte brächte 

der Gesetzentwurf nicht, vielleicht etwas 

mehr gefühlte Rechtssicherheit.

R. Dettmeyer (Gießen)