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9 771661 806003 35 JANUAR/FEBRUAR2012 HEFT-N˚35JAHRGANG07 KOSTENCHF8,00 WEBPUNKTMAGAZIN.CH Suad Sadok die perfekte GeiGe Zäh wie der BerG Vom Tellerwäscher zum Generaldirektor In Brienz lernen Schüler wie sie gebaut wird Die Skimanufaktur Zai setzt neue Akzente

PUNKT Retro

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Früher war alles besser! Vielleicht ist dieses Mantra der Grund, dass Retro ein Dauerbrenner ist. Retro fungiert als emotionale Haltestelle, und die resultierenden Produkte sind Zeitinseln, die das Leben überschaubar machen. Ist retro gar ein probates Mittel gegen die Krise?

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Page 1: PUNKT Retro

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Suad Sadok

die perfekte GeiGe

Zäh wieder BerG

Vom Tellerwäscher zum Generaldirektor

In Brienz lernen Schüler wie sie gebaut wird

Die Skimanufaktur Zai setzt neue Akzente

Page 2: PUNKT Retro

Walter ZempCEO NextiraOne Schweiz

Jon ErniExecutive Director Business Sunrise

Alle Infos zum Zusammenschluss: business-sunrise.ch

1 + 1 = 3Der Zusammenschluss von NextiraOne und Business Sunrise stellt mehr dar als die Summe der Einzelteile. Es entsteht ein neues Unternehmen. Business Sunrise wird zur besten Alternative für Schweizer Geschäftskunden.

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Page 3: PUNKT Retro

ter von ihm, sie seien durch die Suad- Sadok-Schule gegangen. Ei-ne sehr spannende Persönlichkeit. Übrigens, warum sind eigentlich Retro- Produkte derzeit so ange-sagt bei jung und alt?

Redaktor Auf die Mode bezogen behaupte ich, dass den Desig nern nichts Neues mehr einfällt. Aber ich mache ihnen gar keinen Vor-wurf, ich trage ja selber seit kur-zem eine Panto-Brille, und die waren schon in den 40-ern be-liebt. Vielleicht liegt es auch da-ran, dass die Jugend in den heuti-gen unsicheren Zeiten nach etwas sucht, an dem sie sich orientieren und festhalten kann. Fündig wirdsie dabei in der Vergangenheit. Hast Du nicht auch manchmal das Gefühl, Du hängst in der Retro- Schleife fest?

Chefredaktor Ich hab zuhause einen alten Nabholz-Pullover. Bin ich nun ein Retronaut?

Redaktor Eindeutig, denn Nab-holz ist immerhin schon fast 200 Jahre alt. Die Geschichte der Mar-ke ist – geprägt durch Konkurs

und Neuübernahme – durchaus spannend. Dank der Treue ihrer Kunden gibt es die Mode von da-mals heute wieder – natürlich der Zeit angepasst. Apropos Zeit res-pektive zeitlos: Hängt in Deinem Kleiderschrank neben dem Nab-holz-Teil nicht auch ein massge-schneiderter Anzu g?

Chefredaktor Klar habe ich massgeschneiderte Anzüge, mitt-lerweile kosten sie ja nicht mehr die Welt. Kein Wunder, schliess-lich gibt es immer mehr Anbieter, und auch die Produktionsmetho-den werden laufend verbessert. Doch hier sollte man die nötige Vorsicht walten lassen, etwa wenn man in den Ferien in Thailand günstige Anzüge kauft. Die sind zwar nicht per se schlecht, ein ge-lungener Kauf erfordert aber Pro-duktwissen seitens des Kunden.

Redaktor Sollten das heutige Konsumenten nicht immer und überall mitbringen?

Chefredaktor Doch, eigentlich schon. Selbstverantwortung ist schliesslich das Gebot der Stunde.

Redaktor Na bitte. Nun fehlt nur noch, dass Du auf Deiner Dachterrasse einen eigenen Bau-ernhof betreibst.

Chefredaktor Die Idee eines Garten auf meinem Dach ist gar nicht so übel. Damit könnte ich meine Nachbarschaft mit Gemüse und Früchten versorgen. So, wie es die Bauern von Brooklyn nun bereits im dritten Jahr tun. Die ruhen sich nicht auf ihren Lor-beeren aus, im Gegenteil. Unser Mann vor Ort hat mit ihnen ge-sprochen und sich ihrer weiterhin grossen Pläne versichert.

Redaktor Für eine soche Aktion ist mein Balkon zu klein. Da hal-te ich mich lieber weiter an Retro-Produkte, der Trend hat ja nicht nur die Modebranche erfasst. Du kennst doch sicher den Spree-Fuchs aus der Werbung. Neu ist Dir aber vermutlich, dass das Waschmittel ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten ist. Aber genug der Worte. Lassen wir die Rotkäpp-chen-Sektkorken knallen und stos sen an auf PUNKTretro. Die letzte Ausgabe im alten Outfit.

Chefredaktor So, Barbara, PUNKTretro ist die letzte Aus­gabe im alten Gewand. In derRetrospektive betrachtet, hat sich PUNKTmagazin ganz ordentlich entwickelt. Was ist für Dich ei­gentlich Retropektive?

Redaktor Eigentlich blicken wir doch immer nach vorne, verlassen uns auf Analysen und Pro gnosen von Ökonomen und Wissenschaf­tern. Doch häufig lohnt auch der Blick zurück. Retrospektive ist für mich gleichbedeutend mit Rück­besinnung, beispielsweise auf al­te Werte, Erkenntnisse und Qua­lität. Gerade unserer Generation schadet das nicht, oder?

Chefredaktor Da gebe ich Dir Recht. Zu diesem Thema passt der Interviewgast dieser Ausgabe. Suad Sadok, ein Schweizer tür­kischer Abstammung, der immer konsequent gehandelt hat und sich so vom Kofferträger zum Mana­ger hocharbeiten konnte. Noch heute sagen ehemalige Mitarbei­

WorteRinoBoRini&BaRBaRaKalhammeR

IllustratIoniandavidmaRsden

PunktmagazinN°35RetRo

03

crescendo

Page 4: PUNKT Retro

inhaltn˚35 / 2012RetRo januaR/febRuaR

wirtschaftliches

10 kRisenwundeR RetRo? Auch wenn früher nicht alles besser war, bei

Produkten funktioniert der Retro-Ansatz er-

staunlich gut – und vor allem immer wieder.

Vor allem in Krisenzeiten scheinen Retro-Pro-

dukte als Zeitinseln perfekt zu funktionieren.

Ist retro gar ein möglicher Weg aus der Krise?

18 kuRz & bündig

Vinyl / Technologische Singularität / Stabilo

Boss / 8 Bit / iElectribe / Retro-TV-Serien / tl;dr /

Marken-Recycling / Holzspielsachen.

24 fliegen ohne gRenzen?

Der Luftverkehr boomt, Fliegen ist schon vor

längererem zu einer bezahlbaren Selbstver-

ständlichkeit geworden. Das war nicht immer so

– und wird wohl auch nicht immer so bleiben.

28 Mit RetRo in die foRMel 1

Seit fast 200 Jahren existiert die Traditionsmarke

Nabholz. Nachdem die letzten Jahre der Firmen-

geschichte ziemlich turbulent verliefen, konzen-

triert man sich jetzt wieder auf alte Werte und

versucht, an vergangene Erfolge anzuknüpfen.

30 ostpRodukte iM aufwind Nach dem Mauerfall waren Produkte aus der

DDR nicht mehr gefragt. Gegen die westliche

Vielfalt waren sie schlicht chancenlos. Heute ist

dem nicht mehr zwingend so, der Retro-Trend

verschafft «DDR-Produkten» neuen Aufwind.

33 paneM et ciRcenses Kolumne von Dr. Mirjam Staub-Bisang, Finanz-

expertin mit Anwaltspatent und MBA-Abschluss.

34 so zäh wie deR beRg Ein Zai-Ski setzt sich aus 70 bis 120 Einzel teilen

zusammen, bei einem Industrieski sind es 30.

Während letzter in 45 Minuten gefertigt wird,

dauert der Prozess bei Zai zehn Stunden. Man

beginnt zu ahnen, weshalb die Skier von Zai –

trotz der stolzen Preise – so gefragt sind.

36 die baueRn von bRooklyn

Zu Beginn war es eine Meldung, die sich einfach

nur gut anhörte: In New York bauen sie auf den

Dächern Früchte und Gemüse an. Mittlerweile

sind zwei Jahre vergangen, doch die Bauern von

Brooklyn sind alles andere als müde. Ihre Ziel

verfolgen sie ehrgeiziger denn je.

10

inserenten

02 Sunrise

05 Swiss Global AM

07 Swisscanto

09 Saxobank

23 iShares

39 Barclays

47/49Club 25

81 Fondsmesse

83 Swiss

84 Fidelity

PUNKTcover N˚35

FotograFie AlfoNso smiTh

alfonsosmith.com

Styling sAbiNA hexsPoor

tatmotiv.ch

Hair & Make-up rAhel bredy

style-council.ch

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FotoaSSiStenz AlAN mAAg

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04

RetRoN°35Punktmagazin

Index I

Page 5: PUNKT Retro

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A member of the GAM group.

Julius Bär Fonds unabhängig Schweizer Wurzeln zuverlässig PLF globales Netzwerk inspirierend transparent überzeugend aktiver Asset Manager

Page 6: PUNKT Retro

12

investierbares

42 investieRen in deR neuen noRMalität

Investitionen an der Börse waren früher mehr

oder weniger Selbstläufer. Mit wenigen Ausnah-

men ging es praktisch immer aufwärts. Diese

Zeiten sind vorbei – und werden wohl auch nicht

wiederkommen. Anleger sollten sich da rum mit

der neuen Normalität anfreunden.

44 pRodukte in küRze Immobilien / Small- und Mid-Caps / Steuer-

optimierung / Wein / Wandelanleihen / Barrier

Reverse Convertibles.

48 backtests

Bei neu lancierten Produkten sind Backtests ein

gern benutzter Fürsprecher. Oft ohne Berechti-

gung, denn aufgrund willkürlich gewählter

Messzeiträume sind ihre Ergebnisse meist nicht

wirklich aussagekräftig.

50 ein theMa, zwei standpunk te

Daniel Lampart (Schw. Gewerkschaftsbund)

& Jan-Egbert Sturm (KOF).

52 panoRaMa lyxoR Lyxor setzt Qualitätsstandards bei ETF.

54 panoRaMa scoach 5 Jahre Wachstum, Qualität und Sicherheit.

Die neue Normalität erschwert es Anlegern

zusehends, hohe Renditen zu erwirtschaften.

Seine Karriere verlief steil, doch er blieb sich

selber immer treu: Suad Sadok.

Um die perfekte Geige zu bauen, braucht es

Erfahrung und Jahrhunderte altes Wissen.

kopflastiges

56 suad sadok

Im Alter von 22 Jahren kam der Türke Suad

Sadok in die Schweiz – ohne anerkannten Ab-

schluss und ohne Kenntnisse der deutschen

Sprache. Er begann ganz unten, als Kofferträger

im Hotel Carlton. Seine Karriere beendete er als

Generaldirektor der Schweizerischen Speisewa-

gengesellschaft. Wie so eine Laufbahn möglich

ist, erzählt der Vollblutgastronom Suad Sadok

im Gespräch mit PUNKTmagazin.

63 poMMeRland Kolumne vom Querdenker, Entrepreneur mit

aka demisch-querulatorischem Gedankengut.

64 liebeR welt- als schweizeRMeisteR Die Fussballer der FA Raetia nehmen nicht am

Schweizer Meisterschaftsbetrieb teil. Müssen sie

auch nicht, denn als Auswahl des früheren Alt

Fry Räetiens verfolgen sie ein höheres Ziel: Die

Teilnahme am Viva World Cup 2012 in der auto-

nomen Region Kurdistan im Nordirak.

genüssliCHes

66 das achten deR tRaditionen Brienz ist aus Holz geschnitzt. Das zeigt sich an

der Geigenbauschule, in der junge Menschen aus

aller Welt seit 1944 das Handwerk des Geigen-

baus erlernen. Damals wie heute braucht es dazu

Ruhe, Fingerfertigkeit, Wissen – und vor allem

Erfahrung.

71 die kRaft deR MaRken Kolumne von Prof. Dr. Dirk Boll, Geschäfts-

führer Kontinentaleuropa bei Christie’s.

72 anzüge Machen MänneR

Ob Financier, Türsteher oder Bestatter – ein

Herrenanzug lässt sie alle Kompetenz ausstrah-

len. Der Anzug hat nicht an Relevanz verloren,

der Trend nach Massanzügen bestätigt dies.

74 RetRo-futuRisMus Schon immer machten Menschen Vorhersagen

über die Zukunft. Im Rückblick spricht man von

Retro-Futurismus: Die Zukunft, die nie stattge-

funden hat. Ausnahmen inklusive.

76 gadgets Pompös, Quotidian, Apart.

unter anderem

03 Crescendo

08 Impressum

82 Descendo

42 56 66

06

RetRoN°35Punktmagazin

Index II

Page 7: PUNKT Retro

Videos zu Fondsthemen: www.swisscanto.ch/multimedia

Geld macht glücklich (Nr. 69), wenn man es in Firmen investiert,

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Page 8: PUNKT Retro

neutralDrucksache

No. 01-11-857222 – www.myclimate.org© myclimate – The Climate Protection Partnership

auflage

12500Exemplare

40000Leser/Ausgabe(LpA)

issn-nr.

1661-8068

ersCHeinung 2012

N˚35Januar/Februar

N˚36März/April

N˚37Mai/Juni

N˚38Juli/August

N˚39September/Oktober

N 40November/Dezember

HaftungsaussCHluss

DieWiedergabevonArtikeln

undBildern,auchauszugswei-

se,nurmitGenehmigungdes

Verlags.FürunverlangteZusen-

dungenwirdjedeHaftungab-

gelehnt.DieimMagazinver-

öffentlichtenAngabendienen

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neAufforderungzumKaufund/

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balt-blue-knight, S20 B02 fm AG,

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S21 B02 paper.li, S22 B01 dalje.

com, S22 B02 etsy.com, S25 vin-

tageadbrowser.com, S26 B01-

02 ryanair.com, S28 B01-02 PR

Nabholz, S29 B01 PR Sauber,

S29 B02-03 PR Nabholz, S31

B02-03 PR DDR-Museum, S32

B01-02 PR DDR-Museum, S33

B01-02 PR DDR-Museum, S34-

35 PR ZAI, S38 watchmyfoodg-

row.com, S44 B01-02 PR Swiss

Prime Site, B03 PR Allreal, S45

retroarama.com, S46 fm AG, S47

retroarama.com, S64-65 Yacine

Azzouz, S72 fm AG, S76-80 PR-

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orderto

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AusgAbe N°30

Von Cargo über Velo und Aufzü-

gen hin zu Altersbarrieren, Krie-

gen sowie Krankheiten.

AusgAbe N°31

Entrepreneurship hört sich zwar

sexy an, ist aber zuweilen für

viele ein Minenfeld.

AusgAbe N°32

Sucht, Nerd, TxtEagle, Musik,

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Tank, Film, Beauty & mehr ...

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ausgaben˚35 / 2012RetRo januaR/febRuaR

AusgAbe N°33

Nachhaltigkeit ist ein Mega­

trend, der richtiggehend nach

Erläuterungen schreit.

AusgAbe N°34

Starke Marken schaffen

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08

RetRoN°35Punktmagazin

Impressum

Page 9: PUNKT Retro

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Page 10: PUNKT Retro
Page 11: PUNKT Retro

Früher war alles besser! Vielleicht ist

dieses Mantra der Grund, dass Retro

ein Dauerbrenner ist. Retro fungiert als

ewige emotionale Haltestelle. Die daraus

resultierenden Produkte sind Zeitinseln,

die das Leben überschaubar und ver-

ständlich machen. Retro stimuliert Erin-

nerungen und stillt die gesellschaftliche

Sehnsucht nach Sicherheit. Ein funktiona-

les Mittel gegen Krisen?Fotografie: Alfonso Smith

Styling: Sabina Hexspoor

Hair & Make-up: Rahel Bredy (Style Council)

Model: Daria Rhyner (Fotogen)

Fotoassistenz: Alan Maag

RetRoRetRoRetRo

DasKrisen-wunDer

Worte: Rino Borini

PunktmagazinN°35RetRo

11

Wirtschaftliches

Page 12: PUNKT Retro

Retro-Wellen begegnen uns überall. Es ist geradezu re-tro, in welcher Fülle sie derzeit die Konsumwelt über-schwemmen. In den Schaufenstern stehen plötzlich wieder dieselben Kleider, die man gerade erst erfolg-reich verdrängt hatte. Doch nicht nur Kleiderpro-duzenten, auch Vertreter anderer Branchen setzen

immer wieder gerne auf Retro-Produkte. Seien es Turnschuhe, die bereits vor 30 Jahren getragen wurden, oder Hi-Fi-Anlagen, deren Optik an die von unseren El-tern benutzten Gerätschaften erinnern. Auch altmodische Tätigkeiten wie Stricken, Wandern oder das Erlernen von Standardtänzen erleben eine Renaissance. Konsumenten entdecken die Schönheit alter Möbel und von Vintage-Ge-genständen. In der historischen Aufarbeitung vergangener Jahrzehnte zeigt man sich geläu-tert. Vieles, was als ungemein fortschrittlich und dem Wohlstand zuträglich galt, hat sich als Scheinblüte entlarvt. All diese Aspekte haben ei-nen Zusammenhang und beschreiben die aktu-elle Gegenwart. Doch zurück zu den Retro-Produkten. Sie beweisen, dass der Trend, altes wiederzuverwer-ten, erfolgreich sein kann. Auf der Strasse, auf dem Laufsteg, in den Charts – Retro-Produkte sind überall anzutref-fen. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob es sie in dieser Form früher auch gab, oder ob sie lediglich durch ihr Erscheinungsbild auf retro machen – die Kaufgründe bleiben dieselben. Selbst innovativs-te Branchen wie die Automobilindustrie bleiben nicht von ständigen Retro-Anfällen verschont. Da ist es nur praktisch, dass die Generati-on Golf – geborenen zwischen 1965 und 1975 – die Spiesserautos ih-rer Väter entdeckt.

Autobauer nutzen diesen Trend und werfen mit hoher Kadenz Re-tro-Modelle auf den Markt. Denn sowohl bei Autos wie Mode gilt: Was gut ist, kommt irgendwann wieder. Modelle wie der Mini oder der Fiat 500, die sich bezüglich Design schon fast skrupellos bei ih-ren Vorbildern aus den 40-er und 50-er Jahren bedienen, verkau-fen sich prächtig. Auch Volkswagen, Europas grösster Automobil-hersteller, hat das erkannt. Mit einer zweiten Version des Beetle, der

seinerseits ja bereits ein Retro-Auto war, will man eine neue Zielgruppe ansprechen und ei-nen Markt erobern, den man in Europa vor gut 13 Jahren aufgegeben hatte. Vermutlich schie-len die Wolfsburger neidisch auf die Erfolge des Minis. Das Retro-Modell des kultigen Gefährts aus den 60-ern wurde durch die gleichnamige BMW-Tochter 2001 auf den Markt gebracht und hat sich mittlerweile über 1,5 Millionen Mal ver-kauft.

Warum Retro? Immer mehr Menschen lassen sich von Retro-Produkten verleiten, aber war-um? Für junge Menschen dürfte die Sehnsucht nach dem positiven Image vergangener Zeiten ein Grund sein. Die damalige Unbeschwert-heit wirkt verlockend, gerade in Anbetracht der

heutzutage früh erwarteten Lebenszielorientierung. Bei älteren Kun-den, welche die Produkte schon im ersten Loop erlebt haben, wecken Retro-Produkte erlebte Erinnerungen. Retro ist präsent wie selten zuvor. Auf welche Epoche dabei zurückgegriffen wird, ist sekundär. Hauptsache, Neues kann um jeden Preis vermieden werden. Fällt unserer Gesellschaft nichts mehr ein? Die Sozialwissenschaf-terin Susanne Schulz verneint vehement. Sie erklärt sich die Erfolgs-welle der neuen, alten Produkte einerseits mit der «Begeisterung für

UUDDD UUD RBBB BBD

UDUD U

DuD

CD UD UD CCU

CD UD UD CCU

CD UD UD CCU

D UD CCU

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D CU

RRR«retro ist so

präsent wie selten

zuvor. Auf welche

epoche dAbei zurück­

gegriffen wird, ist

sekundär.»

RetRoN°35Punktmagazin

Page 13: PUNKT Retro

das Neue, andererseits herrscht eine Sehnsucht nach Werten, die man in der alten Zeit zu finden glaubt.» Zur Erläuterung erwähnt die Wis-senschafterin Turnschuhe im Design der 70-er Jahre: «Wer sich solche Schuhe kauft, erwirbt auch die subjektive Teilhabe an einem authen-tischeren Lebensgefühl». Sneakers waren der Ursprung der Street- und Breakdance-Bewegung in New York. Seit über 30 Jahren gehören sie – fernab von Turnhallen oder Leichtathletikbahnen – zum Alltag, Die Sportartikelhersteller haben es mit dem Retro-Look geschafft, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Der Konsument kauft, weil er sich vom transportierten Lebensgefühl angesprochen fühlt. Ganz egal, wie stark er es wirklich lebt. Diese Faktoren ermöglichen Trends kommerziellen Erfolg und Dauerhaftigkeit.

Cover-Versionen en masse Ein anderes Paradebeispiel für die Macht von Retro-Wellen liefert seit Jahrzehnten immer wieder die Musik-industrie. Auch hier wird der Grundsatz gelebt, dass, was einmal gut und erfolgreich war, ein zweites Mal funktioniert. Oder ein drittes, viertes und fünftes Mal. Kein Künstler, der nicht schon mit einer lau-en Neuaufnahme versucht hätte, auf den Retro-Zug aufzuspringen. Selbst Weltstar Madonna hielt sich mit ihrer Version von American Pie an Altbekanntes. Der Song stammt ursprünglich von Don Mc-Lean und wurde 1971 aufgenommen. Auch wenn die neuen Versionen nicht unbedingt gut waren, Geld liess sich mit ihnen zumeist sehr wohl verdienen. Doch die wirklich goldenen Zeiten der Cover-Versionen sind vorbei. Sie sind zwar wei-terhin fester Bestandteil der Hitparade, aber die Verwertungskadenz ist nicht mehr derart hoch, wie sie es zwischen 1996 und 2006 war. Dies bestätigt der deutsche Musikwissenschafter Marc Pendzich. Er hat sich während Jahren intensiv mit dem Phänomen Coversongs auseinandergesetzt und festgestellt, dass ab Mitte der 90-er Jahre im Durchschnitt 20 Prozent aller Charterfolge neue Interpretationen al-ter Hits waren. ¬

Die 20-er Jahre gelten als «golden». Die Wirtschaft wächst immens, die Menschen schöpfen nach Ende des 1. Weltkriegs neue Hoffnung. Doch sie währt nur bis zum 25. Okto-ber 1929. Der Schwarze Freitag reisst die Welt in eine Depression und hat eine Weltwirtschaftskrise zur Folge. Während Lindberg den Atlantik überquert, laufen die Frauen mit Bubikopf-Frisu-ren umher. Kunstbezogen sind die 20-er erwähnenswert: Picasso,Klee, Bauhaus, Surrealismus, Art Déco, Zwölftonmusik.

PunktmagazinN°35RetRo

13

KriseNWuNder retroWIrtschaftlIches

Page 14: PUNKT Retro

RetRoN°35Punktmagazin

14

Page 15: PUNKT Retro

Nach 2006 ist die Zahl der Hitcovers in den Charts zurück-gegangen, heute liegt sie noch bei rund zehn Prozent. «In den vergan-genen Jahren haben sich die Vertriebsbedingungen stark verändert», erklärt Pendzich den Rückgang, «es ist nun mal ein Unterschied, ob man sich mal eben einen Song für einen Franken herunterlädt, oder extra in den Laden geht und einige Franken mehr für eine physische Single ausgibt.» Und weil sich mit Single-Veröf-fentlichungen heute nicht mehr viel Geld ver-dienen lässt, stehen Charterfolge bei Künstlern nicht mehr oben auf der Liste. Deshalb ist auch die Produktion eines einzelnen Songs – und so-mit auch eines Covers – weniger lukrativ. Wer nun aber annimmt, Cover-Versionen sei-en eine Erfindung der Neuzeit, der irrt. Bereits in den 70-er Jahren kopierten die Musiker, was das Zeug hielt. Teilweise kupferten sie ab aus vorhe-rigen Jahrzehnten, teilweise gar bei Stücken aus demselben Jahrzehnt. Ein Ex trembeispiel liefert der weltbekannte Song «Ain’t No Sunshine». Das 1971 von Bill Withers veröffentlichte Ori-ginal wurde noch im selben Jahrzehnt über 30 Mal gecovert. Unter anderem vom damals noch jungen Michael Jackson und von Tom Jones. Bis heute gibt es fast 150 Versionen des Songs.

Retro-Produkte für Krisenzeiten Die Beispiele zeigen, dass es gar nicht so einfach ist, dem Retro-Trend zu widerstehen. Die Welt kann nicht jeden Tag neu erfunden werden, selbst Trendsetter werden das einsehen müssen. «Die enormen Wahlmöglichkeiten in unserer Wohl-standsgesellschaft mit ihrer bunten Warenwelt und den immer schnel-ler wechselnden Produktzyklen verhindern, dass uns die Produkte, die wir konsumieren, vertraut werden können», sagt Susanne Schulz.

Doch nicht immer funktioniert der Retro-Ansatz so, wie man es sich vorstellt. Man kann zwar die Produkte imitieren, ob die Nach-ahmung aber auch die gewünschten Renditen liefert, weiss nie-mand. Das gilt allerdings auch für Neuerfindungen. Ob sie erfolg-reich werden, weiss der Hersteller erst nach Lancierung, also in der Zukunft. Unternehmerischer Erfolg zeigt sich immer nur in der Re-

trospektive. In diesem Sinne stellt man Fragen an die Vergangenheit. Ähnlich wie in der Mu-sik-, Film- oder Modebranche, deren Exponen-ten sich fragen, was in der Vergangenheit die gros sen Hits waren, die es zu covern oder repro-duzieren gilt. Menschen schauen gerne zurück, gerade in Krisenzeiten. Denn in diesen wird of-fensichtlich, dass kein Masterplan existiert, wie die kommenden Jahre zu gestalten sind. Weder für das Individuum noch für die Gesellschaft. Auch das mag ein Grund für den anhaltenden und immer wiederkehrenden Erfolg von Retro- Produkten sein. Dabei wird die Halbwertzeit der Retro-Wellen laufend kürzer, da sie das kul-turelle Sinn- und Stimmungsdefizit nicht dau-erhaft kompensieren könnten, umschreibt die US-Forscherin Katherine A. Loveland von der University of Arizona die Zeitdimension. Der grosse Erfolg von Retro-Produk-

ten hängt nach Einschätzung von Marktforschern vielfach von der aktuellen Verunsicherung der Konsumenten ab. In einer Krise, in welcher der Alltag unsicher wird, Werte neu definiert werden und Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind, hat dieses Sehnsuchtspoten-zial nach Verlässlichkeit und Regeln direkte Auswirkungen auf die Bedürfnisse einer Gesellschaft. Angestrebt wird eine Rückkehr zu Altbewährtem, Bekanntem und Vertrautem. ¬

¬

Die 50-er Jahre sind geprägt durch den Wideraufbau nach dem 2. Welt-krieg, der im Deutschen Wirtschafts-wunder mündet. Fast noch grösser ist die Freude über das Wunder von Bern. Max Frisch schreibt seinen Homo Fa-ber, Günter Grass die Blechtrommel, und die Filmindustrie fragmentiert sich. So unterschiedliche Genres wie Western, Heimatfilm und Film Noir kommen auf. In Amerika sorgen James Dean, Johnny Cash, Elvis Pres-ley und Frank Sinatra für Furore.

Bill Withers auf der Bühne.

Sein Song «Ain’t no Sunshine»

wurde noch im Jahrzehnt der

Erscheinung (70-er) über 30

mal gecovert.

«die welt kAnn

nicht jeden tAg neu

erfunden werden.

selbst trendsetter

werden dAs einsehen

müssen.»

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KriseNWuNder retroWIrtschaftlIches

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In einer Reihe von Experimenten konnte Loveland zeigen, dass Retro-Produkte, die eine nostalgische Sehnsucht erfüllen, gerade bei schlechter Stimmung eine besondere Anziehung auf uns ausüben. Nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse steht der Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit an zweiter Stelle. Das Wissen um derar-tige Mechanismen ist für die Marktforschung von grosser Bedeutung, behauptet die US-Forscherin weiter: «Unternehmen können sich diese Effekte in unsicheren Zeiten, wie beispielsweise in Wirtschaftskrisen, zunutze machen und verstärkt Retro-Produkte auf den Markt brin-gen.» Dinge, die man bereits von früher kennt, schaffen eine Illusion von Orientierung und Konstanz.

Wacklige Wirtschaftswelt Man kann nicht leugnen, dass sich die derzeitige Wirtschaftslage mit all ihren ernüchternden Nebeneffek-ten, weltweite politische Unruhen und Naturkatastrophen auf unser Verhalten auswirken. Nicht zu leugnen ist auch das derzeit wackeli-ge Konsumentenvertrauen verbunden mit einem Bedürfnis nach Halt und Sicherheit. Von diesem Vertrauen hängt die künftige wirtschaft-liche Entwicklung ab. Wer über einen sicheren Arbeitsplatz und ein geregeltes Einkommen verfügt, kann optimistisch in die Zukunft blicken. Und nur dann ist man auch bereit, ausgedehnte Ferien zu planen oder über grössere Anschaffungen wie Auto, Wohnung und weitere mehr oder weniger nützliche Konsumgüter nachzudenken. Umgekehrt sinkt die Konsumlaune, wenn Beschäftigte vermehrt zu Kurzarbeit gezwungen werden oder um ihren Job fürchten. Das oft strapazierte Sprichwort «Die Geschichte wiederholt sich» be-zieht sich definitiv nicht nur auf Zeiträume von mehreren hundert Jah-ren oder auf Gründung und Zerfall grosser Weltreiche. Auch Dinge, die beliebt und erfolgreich, aber nur ein paar wenige Jahre alt sind, können jäh wieder im Hier und Jetzt auftauchen. In der Wirtschaftsgeschichte gibt es erstaunliche Parallelen zwischen Heute und Damals. Und noch erstaunlicher ist, dass das Damals noch gar nicht lange her ist.

Ab den 80-er Jahren sanken die Inflationsraten, das Wachstum war kräftig und stetig. Die Ökonomen glaubten an einen permanen-ten Aufschwung. In ihren makroökonomischen Modellen gab es kei-ne grossen Krisen und schon gar keine Blasen. Die Risiken schienen mathematisch-statistisch berechenbar und beherrschbar. In den 90-er Jahren war die Welt schon fast perfekt: Der Arbeitsmarkt boom-te und das Internet sorgte für eine Schwemme von Firmengründun-gen und Börsengängen. Doch um die Jahrtausendwende, am Ende der New Economy, kam die grosse Ernüchterung. Börsenwerte in Milliar-denhöhe wurden vernichtet.

Zurück zu alten Werten Heute stehen wir vielleicht wieder an einem ähnlichen Punkt. Nachdem der Weltwirtschaft zum zweiten Mal in-nerhalb kurzer Zeit klar wurde, dass es nicht immer nur aufwärts ge-hen kann, stellt man sich vermehrt kritische Fragen. Gibt es andere Möglichkeiten glücklich zu werden, als viel Geld zu verdienen? Sollten Freundschaft, Kinder, Familie und einer Kultur, die wir wertschätzen, nicht eine grössere Bedeutung zugemessen werden? Bis vor kurzem setzten viele eher auf Quantität statt Qualität. Hier hakt die Werbung ein. Zur musikalischen Untermalung der Werbebotschaften werden altbekannte Lieder benutzt. Sie sollen die heute Erwachsenen an ih-re Jugend zurückerinnern, ganz nach dem Motto: War das nicht eine schöne Zeit? Denn die Industrie weiss: Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, wird die Sehnsucht nach Vergangenem nachlassen. Um nicht von jeder Retro-Welle mitgerissen zu werden, muss je-der selber verstehen, warum und unter welchen Bedingungen etwas in der Vergangenheit gut oder schlecht funktioniert hat. Retrospekti-ven sind mehr als nur eine Ansammlung von Empfehlungen. Zurück-schauen ist ein Prozess, der mit dem Sammeln von Daten beginnt und zur Gewinnung von Einsichten dienen soll. Diese sollen dazu verhel-fen, in Zukunft bessere Entscheidungen zu treffen. Und sei es die Ent-scheidung, mal wieder eine Retro-Welle zu starten.

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In den 80-er Jahren findet der Über-gang vom Industrie- ins Informa-tionszeitalter statt, PC und Privat-fernsehen entstehen. Gordon Gecko wird zur Ikone der Yuppies, die – er-möglicht durch den Thatcherismus – keine Grenzen kennen. Weder beim Gewinnstreben noch beim Kokain-konsum. Im Kino bricht die Zeit der Mehrteiler an: Back to the Future, Rambo, Indiana Jones. Modisch, da ist man sich mittlerweile einig, waren die 80-er eine Katastrophe.

Die 60-er Jahre sind die Zeit des Auf-bruchs: Flower Power, Studentenpro-teste und sexuelle Revolution bewir-ken monumentale gesellschaftliche Veränderungen. Für die Amerikaner bedeutet die erste Mondlandung ei-nen ideologischen Sieg über die Rus-sen, im Sechstagekrieg erlangt Isra-el Kontrolle über den Gazastreifen. Die veränderten Konventionen er-möglichen das Entstehen neuer Mu-sikrichtungen wie Soul, Funk, Beat, Garage Rock oder Ska.

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WIrtschaftlIchesKriseNWuNder retro

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Vinyl-Liebhaber drehen sich vor Freude mit 45 Umdrehungen pro Minute im Kreis. Die Schallplatte ist wieder auf dem Vor-marsch. Die Zahlen sind verheis sungsvoll wie schon lange nicht mehr. Zwischen 2007 und 2010 wuchs die Anzahl verkaufter Plat-ten um sagenhafte 360 Prozent – Tendenz weiterhin steigend. Das totgeglaubte Medium hat sich, wie der sprichwörtliche Phö-nix, aus der Asche erhoben und wechselte letztes Jahr erstaunli-che 3,6 Millionen Mal den Besitzer. Darüber hinaus ist die Dun-kelziffer vermutlich höher, als man annehmen würde. Vinyl wird nämlich häufig von wenig bekannten Künstlern bevorzugt, die nicht über einen Barcode verfügen und darum in den Statistiken nicht erfasst werden. Entsprechend wird gemunkelt, dass die tat-sächlichen Verkaufszahlen bis zu sieben Mal höher sein könnten. Die Euphorie verebbt jedoch schlagartig, wenn die Zah-len in einem historischen Kontext betrachtet wer-den. Im Vergleich zu den 70-er Jahren, in de-nen das kleine Schwarze Jahresabsätze von nicht weniger als 340 Millionen Stück er-reichte, erscheint der gegenwärtige Boom in etwa so spannend wie ein Joghurt-Ausverkauf im Tante-Emma- Laden. Dennoch ist die Entwicklung interes-sant, denn zeitgleich verabschiedet sich die CD, der langjährige Marktführer, mehr oder minder definitiv in die ewi-gen musikalischen Jagdgründe. Symp-tomatisch dafür ist das gegenwärtig kur-sierende Gerücht, Major Labels wie Sony, Universal, Warner und EMI wollten spätes-tens ab Ende 2012 die CD gänzlich begraben

beziehungsweise auf Sammlereditionen in geringen Stückzahlen beschränken. In der Folge würde noch mehr über digitale Forma-te abgesetzt. Eine solche Entwicklung scheint bei der LP undenk-bar. Disc Jockeys und Audiophile rund um den Globus schwören seit Jahrzehnten ungebrochen auf sie. Um sich wortwörtlich im Grab drehen zu können, bietet die englische Firma «And Vinyly» seit kurzem gar die Möglichkeit, die eigenen sterblichen Überres-te in Vinyl zu pressen – «Live on Beyond the Groove». Doch wie überlebt der analoge Dinosaurier in einer Welt, in der die CD viel praktischer ist und Downloads qualitativ immer besser werden?

Wieso hält man am Rauschpegel, an der Staub- und Kratz-empfindlichkeit fest? Es scheint, als wäre der ver-

meintliche Nachteil der Platte, nämlich ihre Phy-sis, zugleich ihr grösster Vorteil. Und dies nicht

nur deshalb, weil die grössere Hülle den Cover-Künstlern freies Austoben ermög-licht. Rein die Tatsache, dass eine Platte greifbar ist, sprich neben der Musik auch ein sinnliches Erlebnis bietet, ist rele-vant. Die Platte ist ein Produkt im ei-gentlichen Sinn, das sich anhören, an-fassen und ansehen lässt. Stöbern, das den Namen auch wirklich verdient, ist

nur mit Vinyl möglich. Und während Social Networking heute im Grunde darin

besteht, alleine vor dem Computer zu sitzen, ist es beruhigend zu wissen, dass man sich immer

noch mit Freunden zu einer echten Tour durch die Platten läden treffen kann. Um dort, je nach Begleitung,

auch etwas Anderes anfassen zu können als nur Vinyl. bp

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WirtschaftlichesKurz & bündig

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das gegenteilvon RetRoRobin Hansen prophezeit das Zeitalter der Technologischen Singularität. Behält er Recht, erhalten die Menschen richtig viel Freizeit. Technologische Singularität herrscht, wenn sich Maschinen mittels künstlicher Intelligenz selber verbessern kön-nen. Robin Hansen, Privat dozent an der George Mason University in Virginia, glaubt, dass dies noch in diesem Jahrhundert geschehen könnte. Um seine Theorie zu ver-stehen, hilft eine Retrospektive. Hansen teilt die Weltgeschichte in fünf Phasen ein, er nennt sie Singularitäten. Nach Entstehung des Universums (1) folgte die Evoluti-on des menschlichen Gehirns (2), danach die Ökonomie der Jagd (3), anschliessend die der Bauern (4). Jede Phase war jeweils drastisch kürzer war als die vorangegan-gene. Der weltweite Output hat sich dabei konstant alle paar Jahrhunderte verdop-pelt. Mit der Industriellen Revolution (5) ist die Dauer bis zur Verdoppelung auf we-nige Jahrzehnte geschrumpft. Steigt das Wachstum weiterhin exponentiell an, könnte eine Output-Verdoppelung gemäss Hansen in Zukunft alle paar Wochen stattfinden – und zwar bereits im Jahr 2075. Der Amerikaner erachtet Intelligenz als Allheilmittel, da mit ihr alle Probleme gelöst werden können. Wenn Computer so intelligent sind wie Menschen – oder sogar intelligenter – lösen sie auch deren Probleme. Momentan noch gibt es Arbeiten, die Menschen besser können als Computer, bei anderen ist es umge-kehrt, bei gewissen spielt es keine Rolle. Mit Eintreffen der Technologischen Singulari-tät würde sich dieses Verhältnis laufend ändern. Mit der Zeit gäbe es nur noch wenige Aufgaben, die Menschen besser erledigen könnten , für alles andere wären Computer ge-eigneter. Menschen hätten somit wieder mehr von der knappsten Ressource überhaupt – Zeit. Da Maschinen schnell lernen, würde sich der Lerneffekt immer weiter erhöhen. Die Herstellungskosten würden mit jeder weiteren Einheit sinken, und die vermehr-te Nutzung zu weiteren Fortschritten führen. Zu guter Letzt müssten Menschen nur noch wenig arbeiten. Das resultierende niedrigere Einkommen würde durch Effizienz-gewinne kompensiert. Da nur wenig menschliche Arbeitszeit erforderlich wäre, könnten die Produkte deutlich günstiger hergestellt werden. Sie wären somit auch mit kleine-rem Einkommen erschwinglich. Hansen glaubt übrigens nicht, dass die Funktions-weise des menschlichen Gehirns komplett verstanden werden kann oder muss. Um es zu imitieren, sei das auch gar nicht nötig. Eine Simulation, so wie es IBM mit dem Blue-Brain-Projekt anstrebt, reiche vollends aus, ist der Wissenschafter überzeugt. df

übeR- stattunteRstReichenTextmarker von Stabilo Boss sind täglich im Einsatz. Gestern, heute – und ziemlich sicher auch morgen. Dank Leuchtstiften muss der Leser einen Text nur überflie-gen, und die vom Vorleser in leuchtenden Neofarben markierten Stellen springen sofort ins Auge, sie schreien förmlich: «Achtung, hier steht etwas Wichtiges!» Ohne ihre Hilfe würde man sich in so manchem Buchstabenwirrwarr hoff-nungslos verirren. Erfunden wurde der Textmarker 1971 vom Deutschen Gün-ter Schwanhäusser. Der Träger des deut-schen Bundesverdienstkreuzes trat als gelernter Landwirt 1950 in die Schwan-Stabilo-Bleistiftfabrik ein. Auf einer Ferienreise durch die USA in den 60-er Jahren beobachtete er, wie Studenten Textstellen markierten mit einem Stift, aus dem braune Tinte tropfte: «Das geht besser», war Schwanhäusser überzeugt. Er täuschte sich nicht, und 1971 gelang-te der revolutionäre Leuchtstift in die La-denregale der Welt. Weltweit wurden seit-her über 1,8 Milliarden Stifte abgesetzt, Stabilo Boss ist der meistverkaufte Text-marker überhaupt. Pro Sekunde werden zwei Stück verkauft, das sind 400 000 pro Tag und über 60 Millionen im Jahr. Der Länge nach aneinander gereiht, entspre-chen sie eineinhalbmal dem Weltum-fang. Die für einen Stift untypische Form wird laufend kopiert, dabei ist sie durch Zufall entstanden. Ein Industriedesig-ner formte und knetete, entwarf und ver-warf, doch es wollte und wollte nicht ge-lingen. Genervt schlug er mit der flachen Hand auf die Knetmasse – und da lag er, der Prototyp. Der Konzern ist auch heute noch flott unterwegs, zum Ge-schäftsabschluss Ende Juni 2011 konn-te ein weiteres Rekordhalbjahr vermel-det werden. Stabilo-Chef Schwanhäus ser äussert sich zum Geschäftsbereich Sta-bilo wie folgt: «Unser jährlicher Neu-produktionsanteil liegt bei 15 Prozent, wir haben den Mix aus Neuem und Be-währtem sorgfältig im Blick. Und der Leuchtmarker, den mein Vater erfun-den hat, macht immer noch einen gu-ten Anteil vom Umsatz aus.» Offen bleibt die Frage, warum der «Stift zum Lesen» Leuchtstift genannt wird. So unheim-lich praktisch und vielseitig einsetzbar er auch ist, leuchten kann er nicht. rb

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8 bit bis in alle ewigkeit8-Bit-Prozessoren sind das Vinyl der Computerindustrie: Veraltet, simpel – aber Kult! Zwar erlauben 8 Bit nur die Darstellung von 256 Zuständen (2 hoch 8, darum 8 Bit), doch für viele Anwendungen reicht das allemal. Moderne Computer verwenden denn auch immer noch – wenn auch nicht als Hauptprozes-soren – eine Vielzahl von 8-Bit-Pro-zessoren. Vor allem in unterstützen-den Funktionen kommen sie zum Einsatz, beispielsweise bei Maus, Tastatur und Monitor. Die noch im-mer häufige Verwendung von 8-Bit-Architekturen ist jedoch nicht der Grund für ihre hohe Bekanntheit, denn wer weiss schon, wieviel Bit dieser oder jener Prozessor hat. 8 Bit ist Nostalgie pur und erinnert an die Zeit, als ein einzelner Mensch noch im Stande war, die Funktionsweise eines Computersystems komplett zu verstehen. In den 70-er und 80-er Jahren war das Zusammenbauen von 8-Bit-Bausätzen ein beliebtes Hobby, und auch heute noch werden in Kellern rund um den Globus Wi-derstände und Leiter zusammen-geschweisst. Die Freude, wenn das Endprodukt die gewünschten Ope-rationen tatsächlich ausführen kann, ist ungebrochen. Mittlerweile ist 8 Bit sogar Teil der Popkultur, kann fast schon als eigene Kunstrichtung bezeichnet werden. Dies ist dem Charme von Videospielen auf Syste-men wie NES von Nintendo und Master System von Sega zu verdan-ken, die aus heutiger Sicht angenehm primitiv funktionierten: links, rechts, vor, zurück, A oder B. Auch die Grafik war bestechend simpel, le-diglich 256x224 Pixel werden darge-stellt. In Kombination mit den cha-rakteristischen Sounds der Begleit -melodien (8-Bit-Musik, Bitpop) sorgten Spiele wie Mario Bros, The Legend of Zelda, Donkey Kong Jr., Sonic the Hedgehog oder Track & Field für erste technologiebedingte Begeisterungsstürme in den Wohn-zimmern. Wer sich nach den guten alten Zeiten sehnt, aber nicht über eine entsprechende Konsole verfügt, dem hilft moderne Technik. Emula-toren erlauben es, die alten Spiele auf neuen Computern zu simulieren, in-klusive Originalgrafik und -musik. Die perfekte 8-Bit-Illusion. df

Korg, der führende Hersteller elektro-nischer Musikinstrumente, veröffent-licht seine berühmte Electribe Drum Machine als iPad-App und zieht dabei alle Register des Retro-Futurismus. Retro-Kult entsteht meist von selbst. Es sei denn, man hilft ein wenig nach. Wie das geht, zeigt der japanische Synthesi-zer-Riese Korg mit der Einführung der iElectribe- App. Zugegeben, die Electribe-Produkt reihe besitzt bereits einen ge-wissen Kultstatus. Schon seit Jahrzehn-ten wird sie von kreativen Musikern als unverzichtbares Hilfsmittel geschätzt. Mit den Korg-Geräten lässt sich so ziem-lich jeder Sound erzeugen oder verän-dern. Zugleich ist die Reihe jedoch lang-sam aber sicher in die Jahre gekommen und erfährt zunehmend Druck der Kon-kurrenz. Insbesondere softwarebasierte Drum-Maschinen erweisen sich vom Klang her zunehmend als ebenbürtig und überflügeln die Originale gar be-züglich Bedienkomfort und Flexibilität. Schliesslich reicht ein gewöhnlicher Lap-top, um die Software zu starten, und man braucht keine unhandliche Kiste mit sich herumschleppen. Genau der richtige Zeitpunkt also, um eine Kehrtwende ein-zuleiten. Und das tut Korg, was neidlos anzuerkennen ist, ganz ordentlich. Die Adaption der alten Maschine auf Apples schickem Tablet wurde mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Die Oberfläche ist atemberaubend, die Ergonomie wurde

elegant der Finger-Steuerung ange-passt und fast alle Featu res des ori-

ginalen Electribe wurden übernommen. Und all das zu einem vergleichsweise lä-cherlichen Preis von 20 Franken. Dafür würde man beim Original nicht einmal ein paar Knöpfe kriegen. Ist Korg unter die Altruisten gegangen, oder sind die Ja-paner ganz einfach übergeschnappt? Weit gefehlt. Mit der iElectribe-App eröffnet sich Korg eine neue Zielgruppe, wenn nicht gleich einen komplett neuen Markt. Der niedrige Preis lockt Amateure, die kein Geld für ein Originalprofukt auf-wenden können oder wollen, jedoch scharenweise die Kopie kaufen. Darüber hinaus hätten die meisten (vor allem die jungen) Musikfans die Electribe- Reihe ohne die App gar nie kennengelernt. Folglich kann Korg da rauf spekulieren, dass sich einige Käufer über kurz oder lang neben der App das Original zulegen werden. Dies könnte tatsächlich eintref-fen, denn die mangelhafte Konnektivität von Apples Tablet sowie einige Beschnei-dungen innerhalb der App (ungenügende Export-Funktion, nur ein Effekt gleich-zeitig einsetzbar) machen das Programm für professionelle oder Live-Anwendun-gen nur bedingt brauchbar. Schlimms-tenfalls wird mit der App wenigstens der Produkt name einer breiteren Masse zu-gänglich gemacht, was nie verkehrt ist. Vor allem aber erschafft Korg mit seinem Retro-Futurismus einen Electribe-Kult, der ohne Apples iPad nie möglich gewe-sen wäre. Eine ausgezeichnete Strategie, der andere Hersteller vielleicht schon bald folgen werden. bp

zuRück in die zukunft

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eRfRischend abgRündigRetro-TV-Serien wie Mad Men und Boardwalk Empire drehen die Zeit zurück in die brummenden 60-er beziehungsweise die ausufernden 20-er. Gefeiert wird die pure politische Unkorrektheit. Sie betört und heimst reihenweise Fernsehpreise ein. Die Hauptcharaktere der beiden Serien sind primitive Machos. Aber nicht, weil sie zu wenig Grips im Kopf oder zu viel Testosteron im Blut hätten, sondern einfach weil es damals normal war. Don Draper, Kreativchef der New Yorker Werbeagentur Sterling Cooper an der Madison Avenue und seinen Chefs in der Serie Mad Men liegt die Welt zu Füssen. Im vielfältigen Sinne des Wortes. Zuhause Frau und Kind, treu und erge-ben, unter dem Pult die stets adretten Bürogehilfinnen. Sie selbst nippen derweil un-unterbrochen an ihrem Whisky-Glas, ziehen genüsslich an der Lucky Strike und sind dabei wahnsinnig erfolgreich. Das hört sich unendlich plump an. Und keiner hält’s für möglich, dass junge Menschen von heute – auch und vor allem Frauen – geradezu süchtig nach diesen Serien sind. Ist die Emanzipation gescheitert, oder woher kommt die Faszination? «Serien wie Mad Men oder Boardwalk Empire sind speziell auch für junge Leute attraktiv, weil sich darin die abgehobene Marktsphäre, etwa des gegenwär-tigen Börsen geschehens, auf eine politisch erfrischend inkorrekte Weise spiegelt», er-klärt Angela Keppler, Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim und Autorin wissenschaftlicher Arbeiten über den Fern-sehkonsum. Nikotin- und Alkoholsucht sind im sauberen Gegenwarts-TV nur noch Verlierern und Bösewichten vorbehalten. In den 20-ern oder 60-ern waren sie Zei-chen des Wohl-, um nicht zu sagen Anstands. Doch warum vermissen wir heute die-se Lust am Fehlbaren und Ruchlosen? Andreas Ziemann, Universitätsprofessor für Mediensoziologie an der Bauhaus-Universität Weimar, erkennt hier den «klassischen Romanstoff» wieder, «der idealtypisch mit gebrochenen Charakteren, mit dem Schei-tern und letztlich der kathartischen Erlösung der Protagonisten arbeitet.» In Zeiten radikaler Rauchverbote, Abstinenzlertums, veganischer Kindererziehung und Pilates-Zumba- Wahn sind Mad Men und Boardwalk Empire willkommene Kontrapunkte. Witzig wie tragisch, stilvoll wie abgründig, historisch fundiert wie süffisant unter-haltsam. Und erfolgsverwöhnt. Gleich reihenweise holen sie in den USA Golden Glo-bes und Emmies ab. Die zweite Staffel von Mad Men läuft übrigens seit November 2011 im Schweizer Fernsehen. Boardwalk Empire wurde hierzulande bis jetzt nur im Pay TV ausgestrahlt, aber bereits in 160 Länder verkauft. Auch Whiskyproduzenten profitieren vom neuen Retro-Hype, 2011 stieg der Absatz von Single Malts im Ver-gleich zum Vorjahr um 13,4 Prozent. Man spricht vom Mad-Men-Effekt – für den gemäss Untersuchungen überwiegend Frauen verantwortlich sein sollen. js

Retrospektiven und Zusam men fas-sungen sollten kurz gehalten werden, sonst droht ihnen das im Titel abge-kürzte Schicksal. tl;dr ist eine im In-ternet entstandene Abkürzung und steht für «too long; didn’t read» – zu lang, hab’s nicht gelesen. Zeit ist schliesslich das knappste und wertvollste Gut. Wenn sich der Verfasser des Texts viel Mühe ge-macht hat, kommt tl;dr zwar einer verba-len Ohrfeige gleich, doch lieber Ohrfeigen statt Riesenpleiten. Von diesen wären uns vielleicht einige erspart geblieben, wenn die jeweils Verantwortlichen nicht ein-fach so getan hätten, als hätten sie die Unterlagen gelesen, sondern sie mit dem Vermerk tl;dr zurückgeschickt. Zumin-dest wäre so ihr Unwissen bekannt ge-wesen. Beispiel Swissair-Pleite: Aus den damaligen Unterlagen war durchaus er-sichtlich, dass die vorgeschlagenen Be-teiligungen nicht lukrativ waren, son-dern das Gegenteil davon. Doch die Zeit, um seitenlange Dokumente durchzu-ackern, hat ein Verwaltungsrat nebst all seinen anderen (Verwaltungsrats-)Man-daten und Verpflichtungen nicht. Gemäss dem tl;dr-Prinzip hätte das Dossier vor der Sabena-Übernahme so ausgesehen: «Verdient Sabena Geld? Nein. Sollen wir Sabena kaufen? Nein.» Erledigt. Auch die Wissenschaft nimmt vermehrt Abschied von ellenlangen Formulierungen, die ja doch nur liest, wer sie korrigieren muss. Ein aktuelles Beispiel liefert eine For-schungsgruppe um den Physiker Michael Berry von der University of Bristol. Das von ihm veröffentlichte Paper behandelt die hochkomplexe Frage, ob die schein-bare Neutrino-Überlichtgeschwindig-keit mit quantenmechanischer Messung erklärt werden kann. Den Hintergrund bilden Experimente, bei denen Elemen-tarteilchen – eben diese Neutrinos – auf-traten, die sich schneller bewegten als Licht, was gemäss Einsteins Relativitäts-theorie nicht möglich ist. Also, können nun die Neutrinos mit Quantenmecha-nik erklärt werden? Die Antwort der Forscher: «Wahrscheinlich nicht.» df

tl;dr

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böses holzHolzklötzchen und Brio-Bahnen sind für Kinder lerntechnisch besonders wertvoll, nachhaltig und gesundheitlich unbedenk-lich. Weit gefehlt! Elf Prozent betrug in der Schweiz das Umsatzwachstum bei traditio-nellen Spielwaren im ersten Halbjahr 2011 im Vergleich zur Vorjahresperiode. 450 Mil-lionen Franken Jahresumsatz werden 2011 in diesem Sektor laut Rolf Burri, Präsident des Schweizerischen Spielwarenverbands, er-wartet. Ähnlich viel wie beim elektronischen Spielzeug (500 Millionen Franken). Holz – seit das Waldsterben als Falschmeldung er-klärt wurde der Inbegriff für Nachhaltigkeit – liegt bei Spielwaren voll im Trend, jeden-falls bei Eltern, Göttis und Tanten. Unmen-gen davon liegt in Form von Brio-Bahnen, Spielbauernhöfen, Klötzchen und Puppen-häusern alljährlich unter den Weihnachts-bäumen. «Da hatten auch wir schon Freude daran», spricht’s aus der heiligabendlichen Sofaecke. Verkäufer und Hersteller betonen,wie wertvoll das Material Holz für die Ent-wicklung der Kinder sei. Und gesundheit-lich viel unbedenklicher als das giftige Plas-tik aus China oder die nervösen und krank machenden Computerspiele. Da verdrängt man gerne auch jene Spielwarentests aus Deutschland, die – gerade in Holzspiel-

waren – wiederholt Schadstoffe nachge-wiesen haben. So unter anderem Stiftung Warentest, die in einer Untersuchung Ende2010 in sämtlichen 15 untersuchten Holz-spielzeugen schädliche Stoffe nachwies. Al-lein in den Eisenbahnen von Brio stellten die Forscher erhebliche Mengen Flammschutz-mittel, polyzyklische aromatische Kohlen-wasserstoffe (PAK) und Nickel fest, das sich beim Berühren freisetzt. PAK wurde auch in einem Holzspielzeug für Kleinkin-der von IKEA nachgewiesen. In Holzpuzz-les fand man Formaldehyd und in Holzbau-steinen Nonylphenol, dem ironischerweise schädigende Wirkung auf Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit nachgesagt wird. Nur gerade 8 der total 50 getesteten Spiel-sachen sind gänzlich frei von Schadstof-fen. Sechs davon sind aus Plastik. In der Testwiederholung im Oktober 2011 konn-ten keine wesentlichen Verbesserungen fest-gestellt werden. Was soll’s, sagt der Nost-algiker: «Früher hat uns das ja auch nicht umgebracht.» Was soll’s, sagt auch der der Master of Advanced Studies in Education: «Hauptsache, sie werden optimal aufs Be-rufsleben vorbereitet und lernen, sorgsam mit der schadstoffbelasteten Umwelt umzu-gehen.» Frohe Weihnachten, trotzdem. js

MaRken- RecyclingWiederverwertung liegt im Zeit-geist, auch bei Marken. Doch wie schafft man es, einen alten Brand erfolgreich wiederzubeleben? Marken, die sich in die Geschichts-bücher verabschieden, müssen nicht zwingend dort verbleiben. Immer wieder schaffen es Markenmacher, ehemalige Kultmarken wiederzube-leben. Das Motto dabei lautet: Was damals funktioniert hat, tut’s heute auch noch. Gerade in Krisenzeiten setzt mancher darauf, dass sich Konsumenten die Sicherheit von früher zurückwünschen – und die-selben Produkte kaufen wie damals. Das mag funktionieren für ältere Generationen, welche die Produkte selber gekannt haben. Doch wie schafft man es, jüngere Käufer-schichten anzusprechen mit einer Marke, die unter Umständen älter ist als sie selber? Eine Antwort dazu lieferte die bekannte Werbeagentur DDB Worldwide in ihren Yellow Papers mit vier konkreten Ratschlä-gen: 1.) Lass die Kunden den Brand wiederentdecken (alte Generation) oder neu entdecken (neue Generati-on). Ein Retro-Brand muss aufre-gend sein, darf aber nie die Dualität der Kundschaft vergessen. 2.) Der Brand muss in Verbindung gebracht werden mit zeitlosen und generatio-nenübergreifenden Werten wie Au-thentizität, Simplizität, Identität, Spass und Mitgliedschaft. 3.) Bleib dir selber treu, aber zeitgenössisch. Es herrscht ein Verdrängungsmarkt, Erfolg hat nur, wer besser ist als die Konkurrenz – Old Brand, New Tricks. 4.) Bilde eine Community. Die Möglichkeiten der sozialen Netz werke sind riesig. Kunden sol-len eben nicht bloss Kunden sein, sondern Fans. Wie das geht, zeigt unter anderem Turnschuhhersteller Converse, der sich gefühlte zehnmal aus der Versenkung empor kämpfte, auf Facebook mittlerweile über 20 Millionen Fans hat und von seinem Paradeschuh, dem Chuck Taylor All Star, weit über 600 Millionen Paar absetzen konnte. df

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Fliegenohnegrenzen?

Der Luftverkehr boomt. Dank Billigairlines und einem steten Flotten- und Streckenausbau ist Fliegen schon seit längerem zu einer bezahlbaren Selbstverständlichkeit geworden. Doch wo sind die Grenzen?

E inst waren Flugreisen ein wirkliches Erlebnis. Mit Vorfreude überbrückte man die lange Wartezeit, die zwischen Buchung im Reisebüro und tatsächlichem Einsteigen in das Flugzeug

verging. Während des Fluges genossen die Passagiere den zuvorkom-menden Rundum-Service des Flugpersonals, und selbst nach dem Aussteigen schwebten sie häufig immer noch auf Wolke Sieben. Verliebt in eine Dienstleistung, die damals ein klei-nes Vermögen kostete. Heute lassen uns unbundling, rebundling und upselling, die allesamt Zusatzkosten bedeuten, bereits während der Online-Buchung in die Luft gehen. Fliegen ist zwar immer noch eine Dienstleistung, doch scheinbar ist irgendwie der Service auf der Strecke geblieben. «Damals haben wir die Passagiere nach dem handschriftlichen Eintragen in die Bu-chungsliste noch persönlich zum Flieger begleitet», erinnert sich Jean-Claude Donzel, der 1967 als Check-In-Agent bei der damals noch unter den Namen Swissair agierenden grössten Schweizer Fluggesellschaft begann.

Preise im Sinkflug Heute ist Donzel Pressesprecher der Swiss. Mit seinen 45 Jahren Erfahrung im Luftverkehr be-trachtet er die Veränderungen in seinem Wirtschaftszweig durchaus kritisch: «Der Preisdruck ist in unserer Branche immens, und auch auf den von uns angebotenen Strecken herrscht durch die stetige Expansion der Low-Cost-Carrier ein Überangebot an Sitzplät-zen.» Des Weiteren seien Fluggesellschaften für Politiker optimale Geldbringer. «Kontinuierlich steigende Gebühren und immer neue Zuschläge wie beispielsweise für Lärm und jüngst für CO2 lassen Geld in die Staatskassen fliessen. Ganz nach dem Prinzip: Wer sich einen Flug leisten kann, der verträgt auch noch ein paar Extra spesen.» Steigende Kosten und immer mehr Mitbewerber haben die Fliegerei verändert. «Heute fliegen Massen und die erwarten tendenziell immer tiefere Flugpreise. Dies ist für die Airlines nicht gesund», sagt Louise Kaben, verantwortlich für PR und Marketing bei Singapore Airlines. «Es gibt gewisse Direct Operating Costs wie Taxen und Kerosin, die

nicht gesenkt werden können. Das heisst, die Ausgaben für Dienstleistungen müssten re-duziert werden.» Bei Singapore Airlines, die zu den weltweit führenden Premium-Flug-gesellschaften gehört, ist das nicht denkbar. Schliesslich ist es gerade der einmalige und kaum zu übertreffende Bordservice, der die Airline auszeichnet. Daher bleibt man den Werten wie asiatische Gastfreundschaft und dem Streben nach Perfektion, die 1972 durch das Singapore Girl eingeführt wurden, treu. Die Strategie hat Erfolg, der Jahresgewinn 2010

betrug etwa 778 Millionen Franken und wuchs damit überproportio-nal. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 betrug er gerade einmal 153 Millionen Franken. Viele Passagie-re sind also trotz günstigeren Ange-boten immer noch bereit, mehr für eine Flugreise auszugeben, wenn sie dafür neben perfektem Entertain-ment an Bord auch das Rundum-Service-Paket ohne versteckte Ser-vicegebühren und Abstriche bei der Betreuung erhalten. «Bei der Swiss gilt das All-Inclusive-Prinzip. Wir bringen den Passagier nicht nur von A nach B, sondern garantieren ihm ohne zusätzliche Kosten den An-

schlussflug und checken sein Gepäck durch. Und vor allem gibt es Snacks und Getränke auch weiterhin kostenlos», sagt Jean-Claude Donzel. Daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern.

Retro-Veränderungen im Anmarsch Um dies zu untermauern, wurde die Marke Swiss kürzlich aufgefrischt. Pressesprecher Donzel dazu: «Unser Land steht für Zuverlässigkeit, Qualität und Pünktlichkeit. Werte, die wir als unter der Schweizer Flagge fliegendes Un-ternehmen repräsentieren und im Rahmen ¬

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unserer täglichen Arbeit leben. Dies soll mit dem neuen Logo noch klarer ersichtlich wer-den.» Doch wer sich den neuen Auftritt etwas genauer anschaut, der ist verführt zu denken: Schon einmal gesehen! Und wahrlich erinnern sowohl das neue Logo wie auch der Anstrich der Heckflossen mit dem Schweizer Kreuz an das Design des Unternehmens, als es noch un-ter den Namen Swissair agierte. Ein Vorzeichen für eine gravierende Retro- Veränderung? Zumindest Werner Alex Walser erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Swiss noch Swissair hiess und «eindeutig weniger Men-schen in den Genuss einer Flugreise kamen.» Als er im Jahr 1999 sechzigjährig in Pension ging, war er der vermutlich älteste aktive Swiss-air-Pilot aller Zeiten und konnte auf 34 Jahre Dienstzeit im Cockpit zurückblicken. Für ihn ist vor allem die Automatisierung kennzeich-nend für die Veränderungen im Luftverkehr. «Die Fliegerei macht die gleiche Entwicklung durch wie der Supermarkt und die Bahn. Sie ist endgültig zum Alltagsgut degradiert worden. Vieles ist offensichtlich anonymer, ab strakter oder gar menschenunfreundlicher geworden.» Die Grenze liegt für Walser dort, wo der Kunde «aldisiert» wird und keine Auskunftsperson mehr ansprechbar ist. «Den Passagieren wird praktisch das glei-che Produkt angeboten wie früher, jedoch mit weniger Personal. Abläufe werden opti-miert, und dadurch steigt der Leistungsdruck auf die Crew», bestätigt auch Valérie Haus-wirth, Präsidentin der Schweizerischen Ge-werkschaft des Kabinenpersonals (Kapers) und selber aktive Flugbegleiterin, die Aussage des Ex-Piloten und heutigen Buchautors Wal-ser. «Der Traumberuf Flugbegleiterin ist zum harten Knochenjob geworden. Weniger Er-holungszeiten, strengere Einsätze und kürze-re Aufenthalte im Ausland machen den Beruf sehr viel weniger attraktiv. Ausserdem stellen wir fest, dass sich die Lohnentwicklung nicht an die Anforderungen angepasst hat, im Ver-

gleich mit der gesamtschweizerischen Lohn-entwicklung sogar zurückgegangen ist.»

Wohin geht die Reise? Fliegen ist nicht mehr, was es einmal war. Aus der einstigen Luxus-dienstleistung ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Um diese weiterhin gewährleis-ten zu können, ist eine Automatisierung vie-ler Vorgänge unumgänglich. Aber ist das aus Kundensicht überhaupt wünschenswert? Gibt es allenfalls Grenzen, die zu überschreiten eine Bruchlandung nach sich zöge? «Wir kommen nicht darum herum, gründlich umzudenken. Nicht alles, was machbar ist, wird künftig auch noch wünschbar oder gar vernünftig sein. Die Grenzen des Wachstums bekommen immer klarere Konturen», sagt Buchautor Werner Alex Walser. «Der ökologische Druck wird aus meiner Sicht rasch zunehmen, und das Fliegen dürfte wieder zu einem Produkt werden, das nicht mehr so günstig wie heute konsumiert werden kann.» Auch der Selfmade-Trend für Passagiere lässt sich nicht bis zur Unendlichkeit ausbau-en. «Im Rahmen der Flugsicherheit bestehen strenge Auflagen von den Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugbehörden sowie nationale und internationale Vorschriften, die zwingend befolgt werden müssen. Unregelmässigkeiten beim Buchen, Einchecken oder Verspätungen führen zu Problemen. Hier kommt der Kun-de schnell an seine Grenzen», mahnt Valérie Hauswirth von Kapers. Vielleicht ist der Retro-Trend im Rahmen des Luftverkehrs also sogar ein Muss, das durch alte Logos und einstige Uniformen of-fensichtlich gemacht werden soll. Und viel-leicht ist die Freiheit über den Wolken halt doch nicht ganz so grenzenlos, wie uns der deutsche Liedermacher Reinhard Mey – selber passionierter Pilot – einst weismachen wollte. Eine Flugreise wieder als etwas Beson-ders zu betrachten, damit könnten wir zu-mindest schon heute anfangen.

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Fliegen soll Spass machen

– auch dem Chef. Michael

O’Leary, Enfant terrible der

Luftfahrtbranche und CEO

der von Tony Ryan gegrün-

deten Billigf luggesellschaft

Ryanair, posiert mit seinen

«Girls of Ryanair».

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WIrtschaftlIchesflugbraNcHe

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Mit RetRoin diefoRMel 1

Vor fast 200 Jahren begann man bei Nabholz in Schönwerd mit der Kleiderproduktion. Nach einigen Rückschlägen hat die äl-teste Sportmarke der Welt nun wieder Fahrt aufgenommen und mischt neuerdings sogar in der Formel 1 mit. Die Achter-bahnfahrt einer Kultmarke.

Die letzten 20 Jahre der Firmengeschichte von Nabholz als tur-bulent zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. 1992: Kon-kurs. 2002: Neustart mit neuen Akteuren. Ab 2008: Relaunch

und Neupositionierung der Marke. Man könnte meinen, die einst so stolze Marke habe ein Problem mit Kontinuität, doch der Schein trügt. Bereits 1821 begann man bei Nabholz mit der Produktion der legendären Bekleidung, damals noch in Schönwerd im Kanton Solo-thurn. Spätestens mit den Olympischen Sommerspielen 1968 in Me-xiko City avancierten die schlichten Kleidungsstücke zum Kult. Nicht weniger als elf Nationen liessen sich damals von Nabholz einkleiden. Trotz der grossen Präsenz an Olympia konnte der Drive nicht ge-halten werden. Nur – im Verhältnis zur Firmengeschichte kurze – 22 Jahre nach diesem Höhepunkt musste Konkurs angemeldet wer-den. Dafür verantwortlich waren jahrelange Misswirtschaft und die Tatsache, dass Nabholz am überteuerten Schweizer Produktions-standort festhielt. Die Firma war schlicht nicht mehr konkurrenzfä-hig. Der letzte Geschäftsführer verschenkte sogar, bevor er die Firma schloss, die Namensrechte der Marke. Und zwar seiner Liebesaffäre – der Buchhalterin. Zurück im Markenolymp 2002, also genau zehn Jahre nach dem vorläufigen Ende, kauften die zwei Jungunternehmer Marco Dalla Bona und Philippe Saxer für 100 000 Franken die Markenrechte, setz-ten Claudio Benelli als Geschäftsführer ein und liessen Nabholz von der inzwischen Konkurs gegangenen Firma Dalbotex AG vertreiben. Nun hatten sie zwar die Rechte, doch die Inhaber kannten die alten Produktlinien nicht. Und schliesslich waren es ja genau diese alten Stücke, die damals den Erfolg von Nabholz ausmachten – und wieder ausmachen sollten. Damit an die alten Traditionen angeknüpft wer-den konnte, schalteten die neuen Besitzer eine Anzeige in der Oltner Zeitung. In dieser wurden die ehemaligen Nabholz-Kunden darum gebeten, ihre alten Stücke einzuschicken. Die Aktion war ein voller Erfolg, offenbar hatte so manch ein Grossvater noch den einen oder anderen stilsicheren Nabholz-Trai-ner im Keller. Mit derart vielen Retro-Stücken als Vorlage war es für die Jungunternehmer ein Leichtes, neue Produktlinien zu entwerfen.

Praktisch nur mit einem Markennamen im Gepäck wagten sie den Neustart – und hatten Erfolg dabei. Bereits nach kürzester Zeit war die erste Kollektion restlos ausverkauft. Man-fred Bruhn, Professor für Marketing an der Universität Basel, erklärt die hohe Nachfrage nach Retro-Artikeln mit dem «Wunsch nach einer heilen Welt, in der noch alles in Ord-nung war. Eine Welt, in der die Qualität der Produkte und das Handwerkliche im Vorder-grund standen.»

Fashion Sportswear statt Trainingsanzüge Keine sechs Jahre später war der Höhenflug der Jungunternehmer bereits wieder zu En-de. Sie verkauften die Rechte an den heuti-gen Besitzer, die Nabholz Sport AG. Als Ge-schäftsführer wurde Andreas Caduff, der seine Sporen bei Adidas Originals abverdient hatte, eingesetzt. Sein Auftrag lautete, das La-bel Nabholz neu zu positionieren und im in-ternationalen Markt zu etablieren.

Seit 2008 findet der grosse Umbruch am neuen Firmenstandort in Wallisellen bei Zü-rich statt. Es werden jedoch nicht mehr wie früher Trainingsanzüge hergestellt, sondern Fashion Sportswear, wie Caduff im Gespräch auf einer Zwischenstation seiner Europatour durch Dänemark, Schweden und Italien klar-stellt: «Mit dem Fokus auf funktionalen Ja-cken und Mäntel produziert Nabholz künftig

Nabholz auf dem Höhe-

punkt der Popularität an den

Olympischen Sommerspielen

1968 in Mexiko City . Nicht

weniger als elf Nationen lies-

sen sich von der Traditions-

marke ausstatten.

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Wirtschaftlichesnabholz

WortesimonjaCoby

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unter dem Motto ‹Function meets Fashion› Premium Sportswear für Männer, die Qua-lität und Tradition zu schätzen wissen.» Die-se komplette Neupositionierung – ermöglicht durch «das historische Kapital und das tolle Logo» – hatte Folgen: Die Kollektionen von Nabholz sind heute nicht mehr im Sporthan-del erhältlich, sondern im Modefachhandel. Mit diesen Veränderungen hat Nabholz definitiv auf die Überholspur gewechselt. Davon zeugt auch die Partnerschaft mit dem Schweizer Formel-1-Rennstall Sauber. Ge-schäftsführer Caduff erklärt die sportlichen Ambitionen mit dem Rennstall, der seit 2010 wieder vollständig im Besitz von Gründer Peter Sauber ist, folgendermas sen: «Mit dem Schritt in die Formel 1 wollen wir für Nab-holz im Rahmen des Markenrelaunches eine globale Aufmerksamkeit erreichen – und so Schritt für Schritt neue Märkte erschliessen.» Solche Engagements seien nützlich, um wei-terführende Zusammenarbeiten auf unkom-plizierter Basis aushandeln zu können. Be-reits hätten sich erste Interessenten aus dem asiatischen Markt gemeldet.

Hohe Funktionalität, reduziertes Design Trotz des hohen Tempos, das er an den Tag legt, verliert Caduff nicht den Weitblick: «Wir müssen uns genau überlegen, zu welchem Zeitpunkt wir welche Schritte machen.» Nab-holz setzt nicht nur auf hochwertige Materia-lien, die in Italien verarbeitet werden, und auf

Internationalisierung, sondern vor allem auf eine zielgerichtete Markenkommunikation. Caduff und sein Team vertrauen auf die Au-thentizität, die von der alten Marke ausgeht, und nutzen sie, um die neuen Kleidungsstü-cke einer erweiterten Kundschaft schmack-haft zu machen. Gleichzeitig sollen natürlich auch frühere Nabholz-Kunden angesprochen werden. «Unsere Zielgruppe besteht aus Männern ab 35 Jahren, die qualitativ hochwertige Pro-dukte mit klarem, reduziertem Design und hoher Funktionalität schätzen und lediglich ihre starke Persönlichkeit unterstreichen wol-len. Living Legends mit grosser Lebenserfah-rung, die auf ein bewegtes Leben – mit Sie-gerlächeln statt Bedauern – zurückschauen und gerne an ihre wilden Jahre zurückden-ken», beschreibt Caduff die anvisierte Kund-schaft. Ihm zufolge brauchen Nabholz-Kun-den keine Statussymbole, sondern nordisches Understatement. Seit mittlerweile knapp vier Jahren ist die Schweizer Modemarke wieder auf dem Weg nach oben. Es liegt nun an Caduff und sei-nem Team, zu beweisen, dass der eingeschla-gene Weg der richtige ist. Die Chancen sind intakt, denn obschon die Marke Nabholz vor allem in den letzten Jahren Neupositio-nierungen und Besitzerwechsel zu verkraf-ten hatte, ist sie geprägt von einer inhärenten Kontinuität, die mit kurzen Unterbrüchen seit 1821 anhält.

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Darstellung: PUNKTmagazin

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ostMaRken iM aufwind

Die Deutsche Demokratische Republik ist tot – lang lebe die DDR! Im ehemaligen Osten Deutschlands hat sich eine Indus-trie etabliert, die diesen Mythos gewinnbringend ausschlach-tet. Auch die Marken von einst erleben eine Renaissance.

E s mag sein, dass die Glasscheiben, welche die Überdachung bilden, weniger russig sind als früher. Auch die Halle mag neu sein. Und darin mag sich eine zweistöckige McDonald’s-Fili-

ale eingenistet haben. Aber eigentlich, wird sich manch ein Reisender denken und eine Träne unterdrücken, wenn man es genau betrach-tet, ist doch noch alles so wie früher. Noch immer spucken Nachtzü-ge täglich übermüdete Reisende aus Moskau, Kiew, Warschau und an-deren Städten des ehemaligen Ostblocks auf die Bahnsteige des Berliner Ostbahnhofs aus. Noch immer ist das Bahnhofsgebäude auf der Nord-seite von grauen Plattenbauten umstellt. Noch immer riecht die Luft im Winter nach Braunkohle. Und wer noch immer nicht überzeugt ist, stu-diert am besten die Aushänge der Imbissbuden hinter dem Bahnhofs. Die meisten schenken noch immer russische Spezialitäten wie Borschtsch, Soljanka und Wodka aus.

Ausgebuchte Plattenbauten Man muss nicht zwingend selber in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aufgewachsen sein, um in dieser Umgebung Nostalgie zu empfinden. Oder eher: Ostalgie. Die Wortschöpfung, die auf den Kabarettisten Uwe Steimle zurück-geht, meint die Sehnsucht nach den Lebensweisen und Gegenständen aus dem Alltag der untergegangenen DDR. Daher verwundert es auch nicht, dass Daniel Helbig sein Ostel ausgerechnet in einer der Platten-bauten am Ostbahnhof untergebracht hat.

Das Ostel – eigentlich ein Hostel, nur eben ohne «H» – surft erfolgreich auf der Ostal-gie-Welle. Hinter dem Empfangstresen zeigen Uhren die Zeit in Moskau, Havanna und Pe-king an. Sämtliche Plüschsofas, Blumentape-ten, Multifunktionstische bis hin zu Portraits des ehemaligen Staatsvorsitzenden Erich Ho-necker in den Zimmern, die «Pionierlager» oder «Parteizentrale» heissen, sind ostdeut-sche Originale. Helbig und sein Partner ha-ben sie auf Flohmärkten sowie Ebay zusam-mengesammelt, anschliessend gereinigt und restauriert. «Nur Matratzen, Bettwäsche und Badezimmer sind neu», sagt Besitzer Helbig, selber ein Kind der DDR. Auf Kritik von Bürgerrechtlern, in seiner Her berge werde die DDR-Diktatur verharm-lost, reagiert er gelassen: «Wir wollen nicht das Regime von damals zurück. Uns interes-siert das Design, in dem Menschen früher ge-wohnt haben.» Das Konzept scheint zu funk-tionieren, das Ostel ist meist ausgebucht. Dazu passend mag manchem das Angebot von East Car Tours erscheinen. Seit 2003 bie-tet die Berliner Firma eine Stadtrundfahrt in einem Trabi, die Trabi-Safari, an. Wer Inter-esse an einem solchen Trip hat, muss jedoch zuerst in einem Crashkurs die am Lenker angebrachte Krückstockschaltung erlernen. Auch betanken muss man selber, denn der ¬

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ostalgieWIrtschaftlIches

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Trabant, die ostdeutsche Antwort auf den VW-Käfer, rührt sich nur mit einem Benzin-Öl-Gemisch im Verhältnis von 50 zu 1, das an regulären Tankstellen nicht mehr erhältlich ist. Jährlich gehen mehr als 40 000 Menschen mit dem Trabi auf Berlin-Safari, mittlerwei-le betreibt East Car Tours rund 80 der 24-PS-starken Zweitakter, die im Volksmund wenig schmeichelhaft Rennpappe, Duroplastbom-ber oder Gehhilfe genannt werden. Dennoch bleibt der Trabant, was soviel wie Begleiter oder Weggefährte bedeutet, Kult. Zu DDR-Zeiten war er zudem eine sichere Geldanlage. Da die Wartefrist für einen neu-en Trabi bis zu 14 Jahre betrug, verloren ge-brauchte Fahrzeuge kaum an Wert. Fans hat der Trabi auch heute noch. Allein in Deutsch-land sind nach Angaben des Verkehrsminis-teriums – zwanzig Jahre, nachdem am 30. April 1991 der letzte Trabi vom Band lief – noch immer 33 000 Rennpappen auf den Stras sen unterwegs. Deren Fahrer bezahlen übrigens sehr niedrige Versicherungsprämi-en. Der Trabi ist dafür bekannt, dass er nur selten liegen bleibt.

Marken aus der Asche Auch die Produkt-marken von einst erleben zurzeit eine Re-naissance. Anders als das Ostel, der Trabi oder das ostdeutsche Ampelmännchen mit Hut und langem Schritt, reiten sie nicht auf der Retro-Welle, sondern haben ihr Erschei-nungsbild modernisiert, um mit westlichen Produkten mithalten zu können. So zum Bei-

spiel die Rotkäppchen Sektkellerei. Mit ei-nem gesamtdeutschen Marktanteil von 46,8 Prozent ist sie nationaler Marktführer. Frei-lich erwirtschaftet die Firma den Grossteil ihres Umsatzes in Höhe von fast einer Mil-liarde Franken noch immer in ostdeutschen Bundesländern. Dort trinken zwei von drei Menschen den Sekt der Traditionsmarke Rot-käppchen, in den westlichen Bundesländern ist es nur jeder Zehnte. Von einst 700 DDR-Marken haben 120, also nur knapp jede sechste, bis heute über-lebt. Nach der Wende und der Öffnung der Märkte waren viele Ost-Produkte schlicht nicht mehr konkurrenzfähig. Zudem wur-den die Regale buchstäblich über Nacht mit Waren aus dem Westen gefüllt, um die an-haltende Abwanderung der Bevölkerung in den reicheren Westen zu stoppen. Der Absatz einst erfolgreicher DDR-Produkte wie Spree-waldgurken, Wernesgrüner-Bier oder Hallo-ren-Schokokugeln brach ein, die meisten Be-triebe machten dicht. So wäre es auch Rotkäppchen ergangen, wenn leitende Mitarbeiter um Geschäftsfüh-rer Gunter Heise die Firma 1993 nicht aus der Konkursmasse der DDR herausgeholt und privatisiert hätten. Als die Ostdeutschen, enttäuscht von der Wende, sich der Ostalgie sowie den Marken von einst zuwandten und auch immer mehr Wessis auf den Geschmack kamen, setzte Rotkäppchen zum Höhenflug an. Dieser gipfelte in der 2002 erfolgten Über-nahme des Konkurrenten Mumm. Es war die

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Wirtschaftlichesostalgie

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erste Übernahme überhaupt, die ein ehemali-ges Ostunternehmen im Westen tätigte.

Osten ist nicht mehr Osten Eine vergleich-bare Erfolgsgeschichte schreibt Bautz’ner. Der Senf aus der undweit von Dresden gele-genen Ortschaft Bautzen war zu DDR-Zei-ten sehr beliebt. Nach dem Mauer fall wä-re die Marke ebenfalls verschwunden, hätte nicht das bayerische Unternehmen Develey die Senffabrik aufgekauft und modernisiert. Im heutigen Ostdeutschland ist Bautz’ner mit einem Marktanteil von sagenhaften 63 Pro-zent Marktführer, und auch im gesamtdeut-schen Vergleich ist der «Mittelscharfe» von Bautz’ner das beliebteste Produkt. Mit 23 Prozent Marktanteil sogar vor Thomy, das vom Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé produziert wird. Wie Bautz’ner und die meisten anderen Ostmarken gehört auch das DDR-Wasch-mittel Spee inzwischen einer Firma aus dem Westen, nämlich Henkel. Anders als etwa De-veley aus Bayern setzte Henkel jedoch nicht auf den traditionellen Fertigungsort im Os-ten. Als die vertragliche Ortsbindung ver-bunden mit steuerlichen Begünstigungen in zweistelliger Millionenhöhe 2009 ausgelaufen war, packte Henkel sämtliche Produktions-anlagen zusammen und verlagerte sie nach Düsseldorf. Das einstige «Persil des Ostens» wird nun im Westen produziert.

S taatskrisen in Griechenland und Italien, Atomkatastrophe in Ja-pan, Bürgerkrieg in Syrien, der arabische Frühling – 2011 blieb kein

Stein auf dem andern. Ein Annus Horribilis? War früher alles besser? Ge-wiss nicht. Krisen gab es schon immer, sie folgen Übertreibungen und lei-ten Bereinigungsprozesse ein. Die Todsünden Habgier, Masslosigkeit, Faul-heit und Feigheit sind so alt wie die Menschheit selbst. Beschränkung liegt nicht in unserer Natur, und dennoch ist sie notwendig, um das Überleben von Gemeinschaften zu sichern. Das römische Reich in seiner Endphase bleibt das Paradebeispiel eines verkommenen, nicht nachhaltig organisier-ten Staatswesens. Überbordende Kosten für Heer und Verwaltung schröpf-ten die Staatskasse. Vetternwirtschaft und Korruption zerstörten das Ver-trauen in die Führungseliten. Gelegentliche Wohltaten und Spektakel für das Volk sollten von Missständen ablenken. Aber auch Brot und Spiele – Panem et Circenses – konnten den Niedergang Roms nicht aufhalten. Rund tausend Jahre später, im 18. Jahrhundert, drohte den Betreibern sächsischer Silberminen das Holz für Schmelzöfen und zur Abstützung der Stollen aus-zugehen. Getrieben von der Aussicht auf kurzfristige Gewinne, hatten sie zu viel abgeholzt und beraubten sich so der Quelle ihres Wohlstandes. In der Folge führte der kluge sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Car-lowitz das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft ein. Er schrieb vor, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie durch planmä-ssige Aufforstung nachwachsen kann. Zwei Beispiele aus der Vergangenheit, die aktueller nicht sein könnten. Auch heute sind Misswirtschaft bei Staaten und Unternehmen, schlechte Führungsstrukturen und Korruption weit ver-breitet. Exzesse sind an der Tagesordnung. Als Folge erleben wir einen epo-chalen Bereinigungsprozess. Einschneidende Massnahmen sind allgegen-wärtig. Hochverschuldete Länder müssen ihre Produktivität erhöhen und die Staatsquote reduzieren. Private Unternehmen werden vom Markt zu Ef-fizienzsteigerungen gezwungen. Industrien erfahren strukturelle Verände-rungen, die zum Abbau von Überkapazitäten und Konsolidierungen füh-ren. Der freie Markt sollte bestimmen, was Bestand hat. Für den langfristig orientierten Investor bedeutet das je länger je mehr, dass nur bestehen kann, wer nachhaltig aufgestellt ist. Staaten, die sorgfältig wirtschaften, sind gute Schuldner. Unternehmen, die ihren Ressourcen – Rohstoffe und Humanka-pital – Sorge tragen und sie effizient nutzen, bleiben langfristig erfolgreich. So finanziert beispielsweise Holcim innovative Energieeffizienz projekte im Konzern durch den Verkauf überschüssiger CO2-Emissionszertifikate. Sie-mens setzt sich seit Jahrzehnten für Umwelt- und Arbeitnehmerschutzthe-men ein. Neben dem Streben nach ökonomischem Erfolg sind transparente Strukturen sowie die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Faktoren nachhaltige Zauberformeln. Von Carlowitz erkannte das schon vor fast 300 Jahren. Dank seinem Rat sind nachhaltig bewirtschaftete Waldgebiete auch heute noch eine gute Kapitalanlage

paneM et ciRcenses

Dr. Mirjam Staub-Bisang ist Gründungspartnerin sowie Verwaltungsratsdelegierte von Independent Capital

Management AG. Die Rechtsanwältin und Buchautorin hält zudem einen MBA-Abschluss der INSEAD.

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dr. MirJaM staub-bisaNg

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so zäh wie deR beRg

Zai bedeutet auf Rätoromanisch zäh. Zäh sind auch die Skierder gleichnamigen Manufaktur aus dem Bündner Bergdorf Disentis. Die von Hand gefertigten Hightech-Bretter vereinen traditionsreiche und hochmoderne Herstellkunst zugleich. Der Anspruch dabei ist die Erschaffung des perfekten Skis.

D isentis im Bündner Oberland. Mit mir verlassen lediglich ein Mann und eine Frau den Waggon der Rhätischen Bahn. Der Mann trägt einen Skisack, auf dem das Logo von Zai er-

kennbar ist. Ich hänge mich an seine Fersen und treffe kurz nach ihm in der Manufaktur ein, zusammen mit der jungen Frau aus dem Zug, die sich als Medienchefin Rachel Huber vorstellt. Es scheint, als pil-gere man nicht nur des Klosters wegen nach Disentis. Die Räumlichkeiten von Zai sind bescheiden und unspektakulär. Spektakulär ist, was sich in ihnen befindet: Andeerer Granit, Eichen-furniere, Carbon, Naturkautschuk, Zedernholz, Nano-Highspeed-Renn beläge und vieles mehr, was dem Ski beste Eigenschaften verleihen soll. In der überschaubaren Werkstatt, die zugleich Hightechcenter ist, herrscht geschäftiges Treiben. Spektakulär sind aber nicht nur die Ma-terialien, sondern vor allem die Art und Weise, wie dieses kleine Team passionierter, einheimischer Skikonstrukteure die Skier zusammenbaut.

Die Lithographie im Ski Ich schaue den Männern über die Schul-tern. Beinahe andächtig sprechen sie über ihre Arbeit mit den «lai-sas», «feffas», «spadas» und anderen Modellen, die unter ihren Hän-

den Gestalt annehmen. Man spürt, dass hier nicht einfach irgendein beliebiges Alltagsgut entsteht, sondern ein hochfunktionales Meis-terstück. Möglich macht dies das Zusam-menspiel von skitechnischen Virtuosen, bes-ten Rohstoffen und berglerischem Herzblut. In einem Metallgestell liegen die 74 zuge-schnittenen Teile für das Modell «testa» zum Schichten bereit. «Ein Ski setzt sich aus 70 bis 120 Einzelteilen zusammen», erklärt Produk-tionsleiter Marc Demont. Bei einem Massen-ski sind es lediglich rund 30 Teile. Während Demont mit dem Belag beginnt, arbeitet sich sein Kollege Dominik Lechmann Lage für La-ge von der Oberfläche hinunter zum Kern des Skis. Jeder Handgriff sitzt. Nach rund 20 Mi-nuten ist die erste Latte in Sandwichmanier geklebt und bereit für die Presse. Insgesamt arbeitet ein Skibauer sieben bis zehn Stunden an einem einzigen Paar. Ein Fabrikski beansprucht durchschnittlich nur etwa 45 Minuten vollmaschineller Produkti-onszeit. Die Ausschussquote liegt bei Zai un-ter einem Prozent. Bei einem jährlichen Ab-satz von rund 1000 Skipaaren – damit liegt man knapp über der Break-Even-Schwelle – darf die Toleranzgrenze kaum höher sein.

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WorteClaudiatHöny

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Anders als die andern Mit dem Ziel, den perfekten Ski herzustellen, gründete der Di-sentiser Skifanatiker Simon Jacomet vor acht Jahren die Zai-Manufaktur und holte erste Investoren an Bord. Heute hebt sich der Ski-hersteller nicht nur seiner Geschichte und der ungewohnten Materialien wegen von der Konkurrenz ab. «Um in unserer Marktnische erfolgreich zu sein, müssen wir uns differen-zieren. Die Differenzierung macht allerdings immer nur dann Sinn, wenn der Käufer auch von einem wirklichen Mehrwert profitiert», betont Jacomet, der früher technischer Be-rater des Schweizer Abfahrts-Nationalteams und Skientwickler bei Salomon war. Dieser Mehrwert hat seinen Preis. Allein die Skioberfläche aus Naturkautschuk, wel-che beispielsweise die Modelle «laisa» und «spada» ziert, kostet so viel wie das gesamte Material eines herkömmlichen Skis. Ist dieser Mehrwert tatsächlich spürbar? Sind Skier von Zai wirklich das Mehrfache eines guten Mas-senskis wert? Bei Preisen von 3800 bis hin zu 10 000 Franken für die limitierten Bentley- oder Hublot-Editionen, ist die Frage durch-aus berechtigt. «Wir produzieren Skier für leidenschaftliche Skifahrer, die eine beson-ders ausgereifte Technik wünschen», erklärt Jacomet den Zusatznutzen. Es sei eine Frage der Prioritäten. «Unser Anspruch ist es, kompromisslos das Beste aus einem Ski herauszuholen. Der Anspruch un-serer Kunden ist es, einen solchen Ski zu fah-ren», so Jacomet weiter. «Mit unseren Pro-dukten wollen wir aber nicht den Millionär ansprechen, der des Prestiges wegen einen teuren Ski im Keller haben möchte.» Ihre Kunden entstammten den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Sei es der einheimi-sche Malermeister, der als Skifreak gleich vier

Paar Zai-Skier besitze, der erfolgreiche Mar-ketingchef oder die Lehrerin, die ihre Freizeit am liebsten auf der Piste verbringe – ihnen allen gemein sei die Liebe zum Berg und zum Skisport. Und zu den Skiern von Zai.

Robust und beständig Die Langlebigkeit der Skier sei eines der kräftigsten Argumen-te, die für die Marke Zai sprechen. Doch stellt die Robustheit eines Erzeugnisses nicht zu-gleich ein Absatz-Dilemma dar? «Nein», wi-derspricht Jacomet entschieden, «unsere Pro-dukte werden ja genau deswegen geschätzt. Ausserdem entspricht eine verminderte Qualität nicht unserer Philosophie.» Mit ei-nem Weltmarktanteil von 0,3 Promille bewe-ge man sich in einer kleinen Nische, die eine höhere Kompromisslosigkeit zulasse. Kompromisse geht man bei Zai dafür ein, wenn es darum geht, dem zyklischen Win-tergeschäft mit zusätzlichen Erwerbszwei-gen finanziellen Aufwind zu verschaffen. Zum einen mit Bekleidung, zum anderen mit Events, die Zai organisiert. Und bald werden das «zähe» Material und die Technologien auch für die Produktion von Golfschlägern verwendet. «Deren gute Eigenschaften be-währen sich auch im Golfsport. Der Ski ist und bleibt aber unser Herzprodukt», stellt Jacomet klar. Am Herzen liegt ihm auch die kleine Auf-lagenzahl. Die müsse der Rentabilität wegen zwar noch etwas gesteigert werden. Im Ideal-fall auf 1500 bis maximal 2000 Paare pro Jahr, aber keinesfalls mehr. Der Firmengrün-der dazu: «Wir bleiben in unserer Nische. In dem Moment, wo wir expandieren und un-sere Produktion nach China verlagern, suche ich augenblicklich das Weite.» Und mit ihm wohl auch seine Mitarbeiter und Kunden.

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die baueRn von bRooklyn

Nachdem die Meldung vor zwei Jahren für Furore sorgte, ist es wieder ruhiger geworden um den Dachterrassenbauern-hof in New York City. Doch die Bauern von Brooklyn arbeiten härter als je zuvor und leisten ihren Teil zur Lösung eines der grössten Probleme eines überbevölkerten Planeten.

D ie rote Strickkappe hat möglicherweise eine aufgeregte PR-Angestellte kurzfristig aufgetrieben. Vielleicht würde das Neugeborene mit ein bisschen Strick auf dem Kopf einiger-

massen süss aussehen. Schliesslich würde das Foto dieses Babys um die Welt gehen. Danica May ist auf den Philippinen zur Welt gekom-men – zwei Minuten zu früh. Was die UNO damit sagen will: Die Weltbevölkerung wächst immer schneller. Das Mädchen mit der ro-ten Strickkappe steht symbolisch für die sieben Milliarden Menschen, die wir jetzt sind. Zeitungen rund um den Globus druckten das Bild. Und schrieben dazu, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts schon neun, bis Ende des Jahrhunderts zehn Milliarden sein werden. Viele, die diesen Schätzungen glauben, machen sich Sorgen um die Milliarden zusätzlicher Mäuler, die es zu stopfen gilt. Nebst der Ener-gieversorgung ist die Nahrungsmittelproduktion eine der grössten Herausforderungen, vor der die Welt steht. Denn um Nahrung für so viele zusätzliche Erdbewohner anzubauen, fehlt der Platz.

Trendjournalisten und Hipster Gwen Schantz kann dieses Problem nicht alleine lösen. Doch sie hat neuen Platz für Nahrung geschaffen. Gute, gesunde, frische Nahrung. Gwen trägt ausgewaschene Jeans, einen nicht sitzenden blauen Hoodie und ein Neugeborenes auf dem Arm. Sohn Ott ist weinerlich heute. Er ist eingepackt in eine dicke Ja-cke und trägt eine blaue-weisse Kappe. Es ist bereits ziemlich kühl in New York. Gwen führt mich auf das Dach eines Lagerhauses ausser-halb Manhattans. Unter den Füssen haben wir Erde, im Blickfeld die beeindruckende Skyline. Ein Strauch Tomaten hier, das Empire State Building da. Es ist dieser Kontrast, der Gwen und ihre Geschäfts-partner rund um den Globus bekannt gemacht hat. Trendjournalis-ten und Hipster waren ganz angetan von der neuartigen Idee. Jetzt, ein gutes Jahr später, sind die Schlagzeilen weniger geworden. Doch die Idee findet weiterhin Anerkennung. Die Stadtbauern wa-ren gar nominiert für die BBC World Challenge. Ein Auszeichnung für soziale Unternehmer, die Anfangs Dezember 2011 verliehen wurde. Einen monetären Lohn haben sie bis jetzt nicht verdient, sagt Gwen.

Sie selbst wird von ihrem Mann unterstützt, die anderen haben etablierte Gastrogeschäfte. «Niemand macht viel Geld mit Bio-Gemüse – egal, wo es angebaut wird. Aber ab nächstem Jahr können wir uns erstmals einen Lohn auszahlen.» Denn diesen Winter wiederho-len die fünf Gründer, was sie bereits vor zwei Jahren gemacht haben: Mit einer kleinen Ar-mee von Freiwilligen hieven sie 500 Tonnen Erde auf ein zweites Flachdach in der Stadt und bauen, sobald der Frühling da ist, fri-sches Gemüse an. Dieses verkaufen sie zur ei-nen Hälfte an Restaurants und zur anderen auf Märkten an Gesundheits- und ökologie-bewusste New Yorker. Jedes Kraut, jede To-mate und jeder Salat wird nur an Kunden im Umkreis von drei Meilen geliefert. Zum Vergleich: Wir Schweizer lieben To-maten aus Marokko. Diese reisen gut 2000 Kilometer, bis sie auf unseren Tellern landen.

Pionierin Roberta’s Im Lieferradius des Dachterrassenbauernhofs befindet sich auch eines der «bemerkenswertesten Restaurants der USA», wie ein Kritiker der New York Times das Roberta’s bezeichnet. Es ist bekannt für seine Pizzen und die frischen Zutaten, die verwendet werden. Zu Beginn verköstigten die Köche im Roberta’s unbekannte Künst-ler, die in das neueste Trendviertel Bushwick gezogen waren, später Filmstars wie Kirsten Dunst. Roberta’s ist tatsächlich bemerkens-wert – und spielt eine Hauptrolle in der Ge-schichte von Gwens Dachterrassenbauernhof, der Brooklyn Grange. «Es war Sommer 2009, als alles angefangen hat. Ich arbeitete damals bei Roberta’s», er-zählt Gwen. Die beiden Eigentümer des Res-taurants hatten sie nach Bushwick geholt, um eine riesige Müllhalde neben dem Restau-rant in einen Gemüsegarten zu verwandeln. An diesem Sommernachmittag seien sie ¬

Die Gründer der Brooklyn

Grange (v.l.): Ben Flanner,

Gwen Schantz und Anastasia

Plakias.

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brooklyngrangeWirtschaftliches

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damit beschäftigt gewesen, den Müll, die Schrottautos und den Dreck vom Platz zu schaffen. «Da kam Ben vorbei, Ben Flanner. Er hatte gerade einen kleinen Dachbauernhof in der Umgebung eröffnet und wollte uns sei-ne Tomaten verkaufen.» Gwen und die beiden Restaurantbesitzer waren angetan von der Idee eines Bauernhofs auf einem Dach in der Stadt. Schliesslich trennte man sich mit der Frage, wie man ein solches Unterfangen zu ei-nem rentablen Geschäft machen könnte. Ben kam nur ein paar Tage später zurück und sag-te: «Wir brauchen knapp 4000 Quadratmeter, dann lohnt sich das.» Ein Winter später wa-ren 200 000 Dollar gesammelt, ein geeignetes Dach gefunden – und die ersten Tomaten an-gepflanzt und verkauft. Alles ging sehr schnell und lief gut an, doch keine Minute der unzähligen Arbeitsstunden war bezahlt. Nicht gerade das, was man ein gutes Geschäft nennt. «Es gibt viele Studen-ten in New York City. Ihre Freiwilligenarbeit wird wohl noch länger ein Teil unseres Ge-schäftsmodells bleiben.» Geld verdient heu-te erst einer. Ein Stadtbauer, den Gwen ein-stellen konnte. So soll es weitergehen: «Jetzt, da wir wachsen, können wir Stadtbauern in New York City bald eine wirkliche Stel-le anbieten.» Das neueste Mitglied im Team ist ein Imker. Der von ihm produzierte Ho-nig ist das bisher erfolgreichste Produkt der Brooklyn Grange. Auch dank ihm konnten die Stadtbauern diesen Sommer vierzig Pro-zent mehr Einnahmen generieren als im Vor-jahr. Die Zahlen befänden sich jetzt im tie-fen sechsstelligen Bereich. Mit der zweiten Farm, die im Frühling eröffnet wird, sollen sich die Einnahmen verdoppeln. Das Ziel für die nächsten drei Jahre sind fünf weitere Far-men, in jedem Teil New Yorks eine. Total wä-ren das 25 000 Quadratmeter Ackerfläche.

Ab in den Untergrund Mit ihrem Plan, Nahrungsmittel da anzubau-en, wo sie auch tatsächlich benötigt werden, sind die Bauern von Brook-lyn in bester Gesellschaft. Weltweit suchen findige Köpfe nach neuem Platz für die Produktion von Nah-rungsmitteln. Einer davon ist Dick-son Despommier, Professor an der New Yorker Columbia-Universität. Gemäss seinen Berechnungen wür-de nicht mal zusätzliches Ackerland von der Fläche Brasiliens reichen, um neun Milliarden Menschen zu ernähren. Er glaubt an ein Projekt, das Urban Farming in höhere Sphä-ren treiben soll. Essen soll in soge-nannten Farmscrapers angebaut werden. Das sind Hochhäuser, in de-nen man sowohl Schweine züchten wie auch Gemüse anpflanzen kann. Doch bis dato sind die Kosten und die technischen Hürden zu hoch. Auch wenn zurzeit noch nicht umsetzbar, hat Despommiers Idee mit Gwens Dachterrassenbauern-hof und unzähligen anderen Stadt-

bauern einen gemeinsamen Grundgedanken: Der Acker muss dorthin ziehen, wo die Men-schen wohnen – also in die Stadt. Schon jetzt lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in ur-baner Umgebung, bis zum Jahr 2050 sollen es 80 Prozent sein. Gwen verfolgt Despommiers Projekt mit Interesse. Doch sie sucht zurzeit nicht in der Höhe nach neuem Platz, sondern in New Yorks Untergrund. «Wir suchen derzeit nach freien Kellern, um dort Pilze anzubauen. Die brauchen kaum Licht, und Keller gibt es zur Genüge.» Und auch Geld lässt sich mit ihnen verdienen. Nach Tomaten und Honig sollen nun also Pilze der neueste Kassenschlager der Bauern von Brooklyn werden.

¬

Die Ursprünge Urban Farming ist keine neue Idee, bereits im alten Ägypten wurden leere Flächen in Städten landwirtschaft-lich genutzt. Die Inkas wiederum sam-melten Regenwasser, um es in dürreren Phasen dazu einzusetzen, die Vegetations-zeiten zu verlängern. In der Neuzeit wa-ren es die Einwohner von Detroit, die den Trend notgedrungen als erste wieder auf-gegriffen haben. Während einer wirtschaft-lichen Depression 1883 wurden sie von der Regierung dazu aufgefordert, leere Flächen agronomisch zu nutzen. Beson-ders viel wurde während den beiden Welt-kriegen produziert. In den härtesten Zei-ten zeichneten die sogenannten Victory Gardens für etwa 40 Prozent der gesam-ten amerikanischen Frucht- und Gemüse-produktion verantwortlich. Mittlerweile hat der Trend, in urbaner Umgebung Gemü-se und Früchte anzubauen, fast die ganze Welt erfasst, wobei sich die Art und Weise der Produktion teils stark unterscheidet.

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Wirtschaftlichesbrooklyngrange

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Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

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InvestIeren In der

InvestIerbares

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont

sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte

Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren,

sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

InvestIeren In der

InvestIeren In der

Worte: Barbara Kalhammer

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

Investieren in der neuenNormalität

NEUENNORMALITÄT

Lehrbuchweisheiten und ein langfristiger Anlagehorizont sind angesichts tiefer Zinsen und hoher Volatilitäten schlechte Ratgeber. Um an den Finanzmärkten erfolgreich zu agieren, sind aktive Strategien und Flexibilität gefragt.

neuennormalitätnormalitätnormalität

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Darstellung: PunktMagazin, Quelle: World Federation of Exchanges

1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 1900 2000

Wertverlust Aktien

1929-1933

-75%

Wertverlust Aktien

1973-1974

-37%

Aktien Derivate Bonds

ÖlkriseBenzin-Importe aus Rotterdam weurden

binnen Jahresfrist um 250% teurer, der Heizölpreis verdoppelt sich. Der durch die Krise ausgelöste Kursrückgang setzt sich

weltweit nachhaltig fort. Die absoluten Tiefststände werden erst knapp ein Jahr

nach Ausbruch der Krise erreicht. Die Kurs-verluste betragen zwischen 30 und 45%.

Grosse DepressionAm 24.10.1929 platzt die Spekulationsblase. Der Dow Jones fällt an diesem Tag über 12%,

innerhalb von zwei Stunden lösen sich 11 Milliarden Dollar in Luft auf – etwa 1,5 % des damaligen US-BIP. Zwischen 1930 und

1933 gehenrund 5000 Banken Pleite und 15% der Einlagen werden vernichtet. Zwischen

1929 und 1933 verlieren die Aktien im Schnitt 75% ihres Wertes.

Down Jones Index

Subprime-Debakel2008 und 2009 gehen 150 Banken mit einem Totalvermögen von 473 Mrd. Dollar Pleite. Seit der Finanzkrise mussten bereits mehr als 400 US-Banken Konkurs anmelden.

1. Anteils-scheinDer älteste Anteilsschein, den man heute als Aktie bezeichnen kann, verbrieft ein Achtel der schwedischen Kupfermine Falun.

Börse BaselWertpapierbörsen entstehen in der Schweiz ab Mitte des 19. Jhdt. Die erste Schweizer Börse wird1850 in Genf gegründet. Es folgten Basel (1866), Lausanne und Zürich (beide 1873).

Termin-kontrakt aufTulpenIn diesem Jahr werden die ersten Futures auf Tulpen ausgegeben. Der Tulpenhandel wird daraufhin berühmt für seine Spekulations-geschäfte.

Zu Beginn der NYSE werden nur fünf Wertpapiere ge-handelt. Leitindex der Börse ist der Dow Jones Industrial Average (Mai 1896).

New YorkStock Exchange

1.Waren-börse

Die erste Börse wird 1409 in Brugge

gegründet. Ende 2010 beträgt das Volumen

des weltweiten Aktienmarktes

54,9 Billionen Dollar.

1. Termin-kontrakteDie Anfänge von

Termingeschäften reichen bis in die Antike zurück. Im

16. Jhd. bauen die Japaner einen Handel

auf, um die Risiken für die Produktions-

kosten von Reis zu minimieren. Ende

2010 liegt das Volu-men des weltweiten Derivatemarktes bei über einer Billiarde

Dollar. London Stock

ExchangeGegründet wird die

heutige London Stock Exchange als Royal

Exchange.

GründungCBOT

Die erste US-Rohstoffbörse ist

die Chicago Board of Trade.

1. AktieDie Vereinigte Ost-

indische Kompanie ist die erste börsen-kotierte Firma im

europäischen Wirt-schaftsraum. Sie

entsteht 1602 aus mehreren Firmen

zusammen.

1. AnleiheDie erste Millionen-

anleihe – damals eine Million Gulden – platzieren die Gebrü-

der Bethmann für den deutschen Kaiser

in Wien.

1. AktienoptionKöniglich West-

indische und Gui-neische Kompanie

geben erste Aktien-optionen heraus.

Banken-KriseÜber 1000 Saving and Loans brechen in den USA zusammen, Ge-

samtschaden: 150 Mrd. Dollar. Höhepunkt

88/89: 763 Banken mit einem Vermögen

von 309 Mrd. Dollar gehen Pleite.

Dotcom-BlaseNemax verliert

zwischen März 2000 und Oktober 2003 fast

97% - mehr als 200 Mrd. Euro werden

vernichtet. Die Markt-werte von Tech-

nologieunternehmen sinken zwischen

März 2000 und Okto-ber 2002 um rund

5 Billionen US$.

SchwarzerMontagDow Jones fällt 22,6% am 19.10. 2007200720072007

2007 200720002000

2007 200780er80er

Banken-Pleiten2007-2011

400

20072007198719871973197319291929

2007200718501850200720071792179217791779

1848184817281728

20072007163016301602160216. Jhd16. Jhd140914092007200712881288

15711571

um eine positive Rendite zu erzielen, sollten Aktien min-destens zehn Jahre gehalten werden, lautet eine Börsen-weisheit, die früher gepre-digt wurde. Lange Zeit völ-

lig berechtigt, denn die 90-er Jahre zeichneten sich aus durch niedrige Zinsen und tiefe Infla-tion in den westlichen Industrienationen. Ak-tienrenditen waren im Jahresdurchschnitt oft zweistellig. Zwischen 1989 und 1998 brachte die Anlagekategorie Aktien Schweiz ein Total-ergebnis (vor Steuern) von 397 Prozent (17,4 Prozent per annum), Obligationen immerhin von 75 Prozent (5,8 Prozent per annum), wie Klaus Spremann und Patrick Scheurle in einer an der Universität St. Gallen durchgeführten Studie herausfanden. Der Start ins neue Jahrtausend dagegen war harzig. Hohe Aktiengewinne und die all-gemeine Euphorie wurden abgelöst von ho-hen Verlusten und Unsicherheit. Die ein-schneidendsten Ereignisse während dieser Phase waren das Platzen der Dotcom-Bla-se 2000/2001 und der Immobilien-Blase 2007. Sie führten zu Rezessionen und dra-matischen Einbrüchen an den Aktienmärk-ten. Diese Ereignisse waren es auch, welche die Zehnjahresregel in Frage stellen. Die Un-sicherheit hält noch immer an. Viele spre-chen sogar von einem verlorenen Jahrzehnt. Aktien investments brachten zwischen Ende 1998 und Ende 2008 zumeist nur Verluste. Gemäss der oben erwähnten Studie erzielten Aktien Schweiz über diesen Zeitraum ein To-talergebnis (vor Steuern) von nur 2 Prozent, Obligationen hingegen erreichten 40 Prozent. Seither war die Entwicklung durchwach-sen. Aktien erlebten deutliche Phasen des Auf- sowie des Abstiegs. Der Blick zurück fällt

dementsprechend zwiespältig aus. Viele Anle-ger wurden von der hohen Volatilität und den Währungskapriolen auf dem falschen Fuss er-wischt. Der SMI gab in den letzten zehn Jah-ren mehr als 13 Prozent nach. Durch die Auf-wertung des Frankens verzeichneten auch Dollar-Investments, beispielsweise in den Dow Jones, mit einem Minus von 33 Prozent herbe Verluste. Hierbei muss jedoch berück-sichtigt werden, dass beide Indizes die Divi-denden nicht miteinrechnen. Der SPI wieder-um hat eine Rendite von zwei Prozent pro Jahr erzielt. Doch nach Abzug der Steuern und In-flationsverlusten blieb davon wenig übrig.

Anspruchsvolles Umfeld Besonders seit diesem Sommer werden die Märkte wieder kräftig durchgeschüttelt. Neben der europä-ischen Schuldenkrise sind es wachsende Re-zessionsängste, die belastend wirken. Es stel-len sich mehrere Fragen: Worauf müssen sich Anleger einstellen? Haben Börsenweisheiten noch ihre Berechtigung? Können überhaupt noch positive Renditen erzielt werden? Peter Bänziger, Anlagechef bei Swisscanto, erwar-tet ein weiterhin anspruchsvolles und vola-tiles Umfeld. Die Turbulenzen an den Akti-en- und Obligationenmärkten würden sich weiter fortsetzen. Früher sei das Investieren in vielerlei Hinsicht einfacher gewesen. So seien erstklassige Obligationen noch risiko-frei gewesen, und mindestens die Inflation sei durch Renditen ausgeglichen worden, erklärt Bänziger. Börsenweisheiten wie die Zehnjah-resregel hätten heute keine Gültigkeit mehr, starre Leitsätze solle man über Bord werfen. Stattdessen müssten sich Anleger mit einer «neuen Normalität» auseinandersetzen. Die-se sei geprägt von rekordtiefen Zinsen und niedrigen Wachstumsraten in den entwickel-

ten Ländern. Darüber hinaus gehe die Schere des wirtschaftlichen Wachstums zu Gunsten der USA und der Emerging Markets gegen-über Europa auseinander. Die Bewegungen an den Märkten seien heute viel kurzlebiger als früher. Und auch Übertreibungen nach unten und nach oben kämen häufiger vor, so Bänziger. Andere Experten erwarten darüber hinaus, dass die Märkte über einen längeren Zeitraum seitwärts tendieren werden. Oben genannte Aspekte müssen bei einer Investition berücksichtigt und in die Stra-tegie miteinbezogen werden. Wichtig ist ein flexibles Agieren. Ansätze wie Buy and Hold bringen nur wenig Erfolg. Auch Risikover-meidung ist schwierig umzusetzen, denn Si-cherheit kostet. Die Zinsen, die mit risiko-armen Anlagen zu erzielen sind, sind sehr niedrig. Zum Schluss sorgt die Inflation da-für, dass das Endresultat sogar oft negativ ist. Dennoch gibt es einige Grundsätze, mit denen sich Anleger für das schwierige Um-feld wappnen können. In erster Linie sollten sie eine aktive Strategie wählen. In der Ver-gangenheit waren die meisten Portfolios sehr statisch. Auf Veränderungen an den Märkten konnte nur schwer – und oftmals zu spät – reagiert werden. Mit Hilfe der strategischen Asset Allocation werden die zu erreichenden Ziele definiert. Beachtung findet dabei nicht nur der Ertrag, sondern auch die eigene Ri-sikofähigkeit sowie der Anlagehorizont. Er-gänzt wird die Strategie durch die taktische Asset Allocation. Damit wird versucht, kurz-fristige Möglichkeiten auszunutzen. Lutz Jo-hanning, Leiter des Lehrstuhls für Empiri-sche Kapitalmarktforschung an der WHU Otto Beisheim School of Management, emp-fiehlt, über aktive Strategien gezielt Chancen zu nutzen. Zwar seien Risiko und Verunsi-

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Darstellung: PunktMagazin, Quelle: World Federation of Exchanges

1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 1900 2000

Wertverlust Aktien

1929-1933

-75%

Wertverlust Aktien

1973-1974

-37%

Aktien Derivate Bonds

ÖlkriseBenzin-Importe aus Rotterdam weurden

binnen Jahresfrist um 250% teurer, der Heizölpreis verdoppelt sich. Der durch die Krise ausgelöste Kursrückgang setzt sich

weltweit nachhaltig fort. Die absoluten Tiefststände werden erst knapp ein Jahr

nach Ausbruch der Krise erreicht. Die Kurs-verluste betragen zwischen 30 und 45%.

Grosse DepressionAm 24.10.1929 platzt die Spekulationsblase. Der Dow Jones fällt an diesem Tag über 12%,

innerhalb von zwei Stunden lösen sich 11 Milliarden Dollar in Luft auf – etwa 1,5 % des damaligen US-BIP. Zwischen 1930 und

1933 gehenrund 5000 Banken Pleite und 15% der Einlagen werden vernichtet. Zwischen

1929 und 1933 verlieren die Aktien im Schnitt 75% ihres Wertes.

Down Jones Index

Subprime-Debakel2008 und 2009 gehen 150 Banken mit einem Totalvermögen von 473 Mrd. Dollar Pleite. Seit der Finanzkrise mussten bereits mehr als 400 US-Banken Konkurs anmelden.

1. Anteils-scheinDer älteste Anteilsschein, den man heute als Aktie bezeichnen kann, verbrieft ein Achtel der schwedischen Kupfermine Falun.

Börse BaselWertpapierbörsen entstehen in der Schweiz ab Mitte des 19. Jhdt. Die erste Schweizer Börse wird1850 in Genf gegründet. Es folgten Basel (1866), Lausanne und Zürich (beide 1873).

Termin-kontrakt aufTulpenIn diesem Jahr werden die ersten Futures auf Tulpen ausgegeben. Der Tulpenhandel wird daraufhin berühmt für seine Spekulations-geschäfte.

Zu Beginn der NYSE werden nur fünf Wertpapiere ge-handelt. Leitindex der Börse ist der Dow Jones Industrial Average (Mai 1896).

New YorkStock Exchange

1.Waren-börse

Die erste Börse wird 1409 in Brugge

gegründet. Ende 2010 beträgt das Volumen

des weltweiten Aktienmarktes

54,9 Billionen Dollar.

1. Termin-kontrakteDie Anfänge von

Termingeschäften reichen bis in die Antike zurück. Im

16. Jhd. bauen die Japaner einen Handel

auf, um die Risiken für die Produktions-

kosten von Reis zu minimieren. Ende

2010 liegt das Volu-men des weltweiten Derivatemarktes bei über einer Billiarde

Dollar. London Stock

ExchangeGegründet wird die

heutige London Stock Exchange als Royal

Exchange.

GründungCBOT

Die erste US-Rohstoffbörse ist

die Chicago Board of Trade.

1. AktieDie Vereinigte Ost-

indische Kompanie ist die erste börsen-kotierte Firma im

europäischen Wirt-schaftsraum. Sie

entsteht 1602 aus mehreren Firmen

zusammen.

1. AnleiheDie erste Millionen-

anleihe – damals eine Million Gulden – platzieren die Gebrü-

der Bethmann für den deutschen Kaiser

in Wien.

1. AktienoptionKöniglich West-

indische und Gui-neische Kompanie

geben erste Aktien-optionen heraus.

Banken-KriseÜber 1000 Saving and Loans brechen in den USA zusammen, Ge-

samtschaden: 150 Mrd. Dollar. Höhepunkt

88/89: 763 Banken mit einem Vermögen

von 309 Mrd. Dollar gehen Pleite.

Dotcom-BlaseNemax verliert

zwischen März 2000 und Oktober 2003 fast

97% - mehr als 200 Mrd. Euro werden

vernichtet. Die Markt-werte von Tech-

nologieunternehmen sinken zwischen

März 2000 und Okto-ber 2002 um rund

5 Billionen US$.

SchwarzerMontagDow Jones fällt 22,6% am 19.10. 2007200720072007

2007 200720002000

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cherung an den Märkten derzeit hoch, aber häufig würden sich gerade in diesen Zei-ten attraktive Möglichkeiten ergeben. Die definierte Strategie sollte aber regelmässig überprüft werden, da sich durch Auf- und Abwärtsbewegungen an den Märkten das Ursprungsprofil des Portfolios verändert. Die Folge ist oftmals mehr Risiko. Märkte, die zuvor stark gewonnen haben, verlieren in ei-ner Baisse überdurchschnittlich viel. Um ein Ungleichgewicht zu vermeiden, ist eine re-gelmässige Wiederangleichung des Portfolios an die ursprüngliche Asset Allocation not-wendig. Investments mit zuvor guter Perfor-mance werden abgestossen, andere Anlage-klassen werden zugekauft. Das Rebalancing ist eine Form von antizyklischem Verhalten. Bänziger empfiehlt, die Bandbreiten nicht zu eng zu setzen.

Diversifikation und Auswahl Die Vermö-gen sollten auf verschiedene Anlageklassen, also Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Im-mobilien, aufgeteilt werden. Um Klumpen-risiken im Depot zu vermeiden, sollte also breit diversifiziert werden. Dazu zählt auch die Streuung über verschiedene Sektoren und Regionen. Bei der Auswahl am Aktienmarkt rät Johanning zu kurzfristigen Anlagen mit geringem Risiko, die auch in Krisenzeiten ei-nen stabilen Kursverlauf aufweisen. Mit einer Anlage in Beteiligungspapiere guter Unter-nehmen könnten angemessene Renditen als Entschädigung für die übernommenen Risi-ken erzielt werden. Zudem sind Aktien gros-ser Unternehmen sehr liquide. Eine hohe Li-quidität hat sich bereits in der Vergangenheit bezahlt gemacht. So konnte beispielswei-se die Nestlé- Aktie in den vergangenen zehn Jahren mehr als 48 Prozent an Wert zulegen.

Das Unternehmen besticht zudem mit hohen Dividendenzahlungen. Seit 1959 wurde kei-ne einzige Dividendenkürzung durchgeführt. Auch in Krisenzeiten sind gut geführte Un-ternehmen im Vorteil, da sie über einen ho-hen Cashflow verfügen. Weil die Renditen an den Aktien- und Obligationenmärkten tief sind, rücken Dividendenwerte wieder in den Fokus der Anleger. «Blue Chips mit tiefer Be-wertung und hohen Dividenden sind einen Blick wert», meint auch Bänziger. Auf der Suche nach neuen Gewinnmög-lichkeiten springen viele Anleger auf Trends auf, die sich schnell als Hypes herausstellen könnten. Bei Trends und Modeerscheinun-gen ist Vorsicht geboten, denn sie haben meist eine kurze Halbwertszeit. Johanning stuft sie als riskant ein, vor allem wenn der Grund für den Trend nicht bekannt ist. Sinnvoller sei-en ökonomische Analysen der fundamenta-len Unternehmenswerte und Chancen. Einen Blick wert seien langfristige Trends wie Um-welt oder Demographie. Anleger müssen sich heute intensiv mit ih-rem Portfolio auseinandersetzen. Aktive Stra-tegien sind vorzuziehen. Starre Muster und alte Börsenweisheiten haben ausgedient, Fle-xibilität ist gefragt. Damit sollte auch takti-schen Engagements Raum geboten werden. Die eigene Risiko fähigkeit darf dabei nicht ausser Acht gelassen werden, ebenso we-nig wie die Gefahr der Selbstüberschätzung. Letztlich kann die gewählte Strategie mit den passenden Produkten umgesetzt werden. Vo-raussetzung dafür sind jedoch genaue Pro-duktkenntnisse. So müssen sich Fondskäufer beispielsweise fortlaufend über die Qualität der aktiven Manager informieren. Denn am Schluss zählt einzig die Rendite – und zwar nach Steuern und Inflation.

«die neue normAlität

ist geprägt von tiefen

zinsen und niedrigen

wAchstumsrAten in den

entwickelten ländern.»

Peter Bänziger

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neue normalitätInvestIerbares

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ausnahMen an den böRsenImmobilienwerte gelten als Fels in der Brandung und sicherer Hafen. Sie zeichnen sich aus durch solide Ren-diten und bleiben angesichts tiefer Zinsniveaus auch weiterhin attraktiv. Zu Jahresbeginn waren die Erwar-tungen an die Börsen gross, doch im Laufe des Jahres wurden sie zunichte gemacht. Starke Kurseinbrüche – besonders im August – bescherten Anlegern hohe Ver-luste. Die Ausnahme bildeten Immobilientitel. Sie konn-ten sich von den Kursrückgängen schneller erholen als andere Werte. Dies spiegelt sich in der Entwicklung des SXI-Real-Estate-Index, der bis Anfang Dezember rund sechs Prozent zulegen konnte. Ebenfalls ein Plus von sechs Prozent verzeichnete der SXI-Real-Estate-Funds-Index, der die Wertentwicklung von Immobilienfonds misst. Verantwortlich für die grosse Beliebtheit der Im-mobilientitel ist das anhaltend tiefe Zinsniveau. Gemäss «Immobilien aktuell» der ZKB führte die hohe Nachfra-ge im ersten Halbjahr zu einer weiteren Renditekompres-sion beziehungsweise steigenden Transaktionspreisen bei Renditeliegenschaften. Zwar macht die erwartete wirt-schaftliche Abkühlung Immobilienaktien korrektur-fähig. Gemäss ZKB werden die Kurse der Werte aber durch die attraktiven Ausschüttungsrenditen von durch-schnittlich 4,5 Prozent unterstützt. Darüber hinaus dürften die von der Schweizer Nationalbank festgelegte Euro-Untergrenze und das dadurch mittelfristig gestie-gene Inflationsrisiko für Unterstützung sorgen. Denn Immobilien bieten einen gewissen Inflationsschutz. Zu beachten ist jedoch, dass Immobilienaktien teilweise be-reits sehr hoch bewertet sind. Dies zeigt sich im Aufpreis, auch Agio genannt. Dabei handelt es sich um die Diffe-renz zwischen dem bezahlten Kurs und dem inneren Wert der Aktie. Ein hohes Agio zeigt an, dass die Titel

anfälliger sind für Kursrückschläge. Einzelne Immobili-enfonds werden bereits mit Aufpreisen von bis zu 25 Prozent über dem von der ZKB erwarteten Nettoinven-tarwert gehandelt. Die hohen Bewertungen werden je-doch durch die tiefen Zinsen relativiert. Ein weiterer Vorteil von Fonds sind die hohen ausgeschütteten Rendi-ten (im Durchschnitt drei Prozent). Zudem korrelieren sie nur geringfügig mit anderen Anlageklassen. Anleger, die von den weiterhin guten Aussichten profitieren wol-len, tun dies am besten durch Kauf von Immobilienakti-en wie beispielsweise PSP Swiss Property und Swiss Prime Site (SPS). Beide Unternehmen konnten in den ersten neun Monaten des Jahres 2011 deutliche Gewinn-steigerungen verbuchen. Im Vergleich zur Vorjahresperi-ode kletterte der Reingewinn bei SPS um 14 Prozent auf 142,1 Millionen Franken, bei PSP gar um 63 Prozent auf 234,3 Millionen Franken. Weitere Möglichkeiten bieten Allreal, Intershop oder Mobimo. Neben verschiedenen Aktien gibt es ein breites Fondsangebot. Beispielsweise der Swiss-Immo-Securities-Tracker-PlusC von Picard Angst, der seinen Fokus auf die Schweiz legt. Als Refe-renzindizes fungieren der SWX-Immobilienfonds-Index und der SPI-Real-Estate-TR-Index. Andere Fonds, wie etwa der Credit-Suisse-Real-Estate-Fund-Living-Plus, fokussieren sich auf bestimmte Wohnbereiche wie Senio-renimmobilien, moderne Wohnformen mit integrierten Serviceleistungen sowie zukunftsorientierte Wohnkon-zepte. Darüber hinaus werden Fonds auf Regionen wie Europa, Amerika oder Asien angeboten. Neben dem breiten Fondsangebot können Anleger mit strukturier-ten Produkten und ETF in Immobilien investieren. Die UBS beispielsweise bietet ETF auf die beiden SXI-Immo-bilienindizes an. bk

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InvestIerbares

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Rendite nach steueRn zähltDen Markt zu beeinflussen, ist für den einzelnen Anleger so gut wie unmög-lich. Besser klappts bei den Steuern. Die Zeiten hoher Renditen sind (derzeit) vorbei. Damit sie nach Kosten und Steu-ern dennoch wenigstens positiv sind, sollten sich Anleger verstärkt um ein ri-goroses Kosten- und Steuermanagement bemühen. Kosten können an mehreren Orten auftreten, und schnell liegen sie bei 1,5 bis 2 Prozent. Die Kostentreiber lassen sich in drei Kategorien einordnen: Vermögensverwaltungskosten, Transak-tionskosten und Produktgebühren. Die Unterschiede in den Gesamtkosten ei-ner Vermögensverwaltung zwischen den Anbietern sind markant, Vergleiche loh-nen sich. Sinnvoll ist zudem, die Vermö-genswerte steueroptimiert anzulegen. Dabei ist zu beachten, dass für natürli-che Personen mit Wohnsitz Schweiz allegenerierten Einkommen steuerpflich-tig sind. Zinszahlungen aus Obligatio-nen und Dividendenerträge beispiels-weise müssen auf der Steuererklärung deklariert werden. Das Ziel ist somit, das steuerbare Einkommen zu minimieren, das heisst steuerbare Erträge in Kapital-gewinne umzuwandeln, denn diese sind steuerbefreit. Solange die Investitionen nicht gewerblich bedingt sind, können freilich Kapitalverluste nicht kompen-siert werden. Soviel zur Theorie. In der Praxis können Anleger durch geschickte Produktwahl ihre Steuern durchaus op-timieren, um so die Rendite nach Kosten und Steuern zu erhöhen. Dazu bieten sich insbesondere sogenannte Total-Return-Strukturen an. Bei diesen werden allfälli-ge Zinsen und/oder Dividenden nicht in einen Fonds oder an den Investor ausge-schüttet, sondern direkt in den zugrundeliegenden Basiswert, beispielsweise einen Index, einberechnet. Steuereffiziente An-lageformen sind insbesondere in der Welt der strukturierten Produkte zu finden. Da für die Renditegenerierung oft Opti-onsstrukturen in die Produkte verpackt werden, gelten Optionsgewinne als Ka-pitalgewinn. Ein gutes Beispiel dazu lie-fern Reverse-Convertibles. Diese zah-len zwar einen hohen Coupon aus, doch als Einkommen muss lediglich ein klei-ner Teil davon versteuert werden. rb

kleine ganz gRossSmall- und Mid-Caps haben im historischen Vergleich die Nase vorn. Beson-ders stark profitieren sie von zyklischen Aufschwungbewegungen. Gemäss ei-ner Studie von Allianz Global Investors haben europäische Small- und Mid-Caps die Standardwerte zwischen Januar 2001 und März 2011 um 106 Prozentpunk-te übertroffen. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich in der globalen Betrachtung so-wie in den USA und den Schwellenländern. Überdurchschnittlich gut war die Per-formance der mittleren und kleinen Unternehmen jeweils in Erholungsphasen. In der Publikation Investment Dialogue konnten Experten von T. Rowe Price nach-weisen, dass die Werte jeweils stark zulegten, wann immer sich in den wirtschaft-lichen Indikatoren ein positiver Wendepunkt zeigte. Sobald die Konjunktur auf den Wachstumspfad zurückkehrt, schlägt die Stunde der Small- und Mid-Caps. Nach Rezessionen – oder einem einschneidenden Börsenereignis wie dem Plat-zen der Dotcom-Blase – legten die Werte um durchschnittlich 50 Prozent zu. Im Anschluss an die Krise stiegen die Aktien zwischen Mai 2009 und Juli 2010 um rund 90 Prozent. Aus der Trendwende resultiert oft eine mehrere Jahre andauern-de Aufwärtsbewegung, während der sowohl Small- als auch Mid-Caps auf rela-tiver Basis eine Outperformance verzeichnen, heisst es in der Studie. Auch in der Schweiz erholten sich die Nebenwerte deutlich besser als der Gesamtmarkt. Wäh-rend der SPI-Small-Index 2010 etwa 21 Prozent und der SPI-Mid rund 18 Pro-zent zulegten, rutschte der SPI-Large mit 0,1 Prozent ins Minus. Für die Nebenwer-te spricht zudem, dass viele in ihrem Bereich zu den Weltmarktführern gehören und daher über Preissetzungsmacht verfügen. Dies widerspiegelt sich laut Frank Hansen, Leiter des europäischen Nebenwerteteams bei RCM, in der Gewinn-dynamik. Die Unternehmen befänden sich oft auf einem Wachstumspfad und hätten ein klar abgebrenztes Geschäftsmodell, erklärt Hansen. Es gibt jedoch auch Risiken zu berücksichtigen. Small- und Mid-Caps weisen eine geringereLiquidität auf und sind anfälliger auf Konjunktureinbrüche. Gerade im aktuellunsicheren Umfeld mit dem erwarteten konjunkturellen Abschwung sollten Anleger ihr Engagement in Nebenwerte etwas zurückfahren. Wenn jedoch derMoment der Erholung gekommen ist, dürften Small- und Mid-Caps zu alterForm zurückfinden. bk

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PERFoRMANCE VoN SMALL- UND MID-CAPS IN REZESSIoNS- UND PoSTREZESSIoNS-PHASEN 1

1-Jahres-Performance Entwicklung nach dem Tiefpunkt der Aktienmärkte Verlust vom Höchst- bis zum Tiefstpunkt

1945 – 2010 %

Quelle: T. ROWE PRICE / Citi Investment Research

1) 1945 – 1980: Ibbotson Small Caps Verluste vom Höchst- bis zum Tiefstpunkt und 1-Jahres-Erholung / 1980 – 2009: Russell 2000 frühe Rezession und 1-Jahres-Erholung nach Tiefstpunkt

*) Ausverkauf bis 9.3.2009 – Erholung bis 31.10.2010

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InvestIerbares

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wandelanleihenfüR kRisenzeitenSie sind weder Fisch noch Vogel und geraten oft in Vergessenheit. Doch im Ver-gleich zum Markt schlagen sich Wandelanleihen gut. Ein Grund, sie etwas ge-nauer unter die Lupe zu nehmen. Das aktuelle und wohl länger andauernde Tief-zinsumfeld hält für Obligationen-Anleger nur sehr magere Angebote bereit. Die Aktienmärkte wiederum schwanken stark, niemand weiss mit Sicherheit, ob sie wei-ter fallen oder wieder steigen werden. In einer solchen Situation kann der Einsatz von Wandelanleihen sinnvoll sein. Wandelanleihen sind keine neuen Produkte, be-reits vor rund 150 Jahren wurden sie zur Finanzierung einer US-Eisenbahngesell-schaft herausgegeben. Wandelanleihen, auch Convertible Bonds genannt, sind Schuldverschreibungen eines Unternehmens, die während einer bestimmten Lauf-zeit und zu einem festgelegten Umtauschverhältnis in Aktien des Emittenten um-gewandelt werden können. Bei unsicheren Marktverhältnissen kann sich der Besit-zer die Obligation auszahlen lassen. Wenn die Börsenkurse jedoch steigen, kann er in Aktien wandeln und von den steigenden Kursen profitieren. Die Kehrseite ist ein vergleichsweise geringer Coupon. Wandler sind somit eine Art Zwitter aus Anlei-hen und Aktien, denn sie beinhalten eine Obligationenkomponente und einen Op-tionsteil. Diese beiden sind untrennbar miteinander verbunden und müssen somit als Einheit in die Gesamtbewertung einfliessen. Aufgrund ihres dualen Charakters ist die Bewertung von Wandelanleihen eine komplexe Angelegenheit. Ihr Kurs-wert lässt sich vereinfacht in zwei Bereiche aufteilen: Der Preis der Obligation und der Wert des Wandelrechts. Der Obligationenteil wird analog einer Unternehmens-anleihe bewertet und ist ebenfalls dem Zinsänderungs- und Ausfallrisiko ausge-setzt. Steigende Zinsen bewirken einen niedrigen Bond Value – und umgekehrt. Bei einem Ausfall des Emittenten sind sowohl der Anleihenteil wie auch die Aktie für den Anleger wertlos. Die Optionskomponente wird mit gängigen Optionspreis-modellen bewertet. Preisbestimmend sind Basiswert, Volatilität, Laufzeit, Dividen-den und Zinsen. Aufgrund der hohen Komplexität lohnt sich für Anleger der Weg über eine von Profis verwaltete Lösung. Die Performance der in der Schweiz zahl-reich zugelassenen Anlagefonds lässt sich über mittlere Frist durchaus sehen. Über einen Zeitraum von drei Jahren zeigen viele gar ein zweistelliges Kursplus. rb

in vino lucRuMEdle Tropfen gewinnen mit den Jahren oft stark an Wert und ziehen damit das Interesse der Anleger auf sich. Der Wein anbau blickt auf eine lange Ge-schichte zurück. Bereits 4000 vor Chris-tus begannen die Ägypter mit dem An-bau von Reben. Heute ist der globale Weinmarkt riesig, das Geschäft mit den edlen Tropfen boomt. An Auktionen sor-gen Bordeaux-Weine, aber auch solche aus dem Burgund, dem Rhonetal und ei-nigen wenigen anderen Regionen, immer wieder für neue Rekordpreise. Ein wich-tiger Faktor für die Preisbestimmung ist die vorhandene Menge, aber auch die An-zahl Parker-Punkte fliesst mit ein. Im Allgemeinen zu den Top-Weinen zählen Lafite Rothschild, Latour, Margaux und Petrus. Als Top-Jahrgänge gelten unter anderem 1961, 1982, 2000 und 2005. Ei-nen Überblick über die Preisentwicklung des ganzen Segments ermöglicht der Liv-ex 100. Der Fine-Wine-Index erfasst da-gegen nur die Performance der 100 be-liebtesten Qualitätsweine. Seit Anfang 2009 hat er rund 50 Prozent zugelegt, auf Fünf-Jahres-Sicht sogar mehr als 80 Pro-zent. Seit dem Allzeithoch von Ende Ju-ni 2011 haben die Preise jedoch stark nachgegeben. «Eine nötige Preiskorrek-tur», sagen Experten. Gemäss ihnen wur-den die Preise in den letzten Jahren stark nach oben getrieben, einige Weine waren klar «überbewertet». Ein Beispiel dafür liefern die drei Flaschen Château Lafite, Jahrgang 1869, die von Sotheby’s im ver-gangenen Jahr für je etwa 230 000 Dollar versteigert wurden. Der neue Eigentümer ist asiatischer Herkunft, was einem Trend entspricht, denn zusehends bestimmensie das Geschehen im internationalen Spitzenweingeschäft. Auch ihr Weinkon-sum nimmt weiter zu, nachdem er be-reits in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent wuchs. Gemäss Prognosen dürf-ten Chinesen bis 2013 die siebtgrössten Weinabnehmer sein. Anleger sollten bei Investitionen in Weine einen längerfris-tigen Horizont verfolgen. Die Auswahl selber zu treffen, verlangt Fingerspitzen-gefühl und vertiefte Kenntnis des Wein-marktes. Beraten lassen kann man sich

beim lokalen Weinhändler. Wer sich das nicht zutraut und lieber über Fonds wie den Wine Growth Fund investiert, braucht das nötige Kleingeld. Betei-ligungen sind zwischen 10 000 und 125 000 Euro zu haben. Auch

der Abgang der Geschich-te ist eher harzig. Denn Wein

ist zwar flüssig, doch im börsen-technischen Sinne sind die Anla-gen alles andere als liquid. bk

WANDELANLEIHENFoNDS – GLoBAL fonds / ETf AnbiETEr isin TEr % YTd % 3 JAhrE

Man Convertible Global CHF Man LU0446913450 1.89% -9.25 % n.a.Man Convertible Global Man LU0245991913 1.81% -10.01% n.a.Jefferies Global Convertible CHF Jefferies LU0172460627 2.19% -14.27% 33.79%Credit Suisse Convert Int. CHF Credit Suisse CH0019308367 1.40% -10.46% 19.54%Fisch Hybrid International CHF Fisch LU0162832744 0.74% -9.32% 24.47%

WANDELANLEIHENFoNDS – ASIEN fonds / ETf AnbiETEr isin TEr % YTd % 3 JAhrE

Schorders Asian Convertible EUR Schroders LU0352096621 1.74% -12% 15.73%Parvest Convertible Bond Asia USD BNP Paribas LU0111466271 1.06% -14.89% 11.90%LO Convertible Bonds Asia CHF Lombard Odier LU0394779473 1.45% -11.10% n.a.Man Convertibles Far East CHF Man Investments LU0424369766 1.77% -14.08% n.a.

WANDELANLEIHENFoNDS – EURoPA fonds / ETf AnbiETEr isin TEr % YTd % 3 JAhrE

Jefferies Europe Convertible Bond Jefferies LU0114352973 2.25% -7.56% 4.05%UBS Bond Fund Convert Europe UBS LU0108066076 1.85% -16.13% 11.26%Man Convertible Europe Man Investments LU0424369923 1.82% -11.58% n.a.

Quelle: Morningstar, Stand: 24.11.2011

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unsicheRheit in pRofit uMMünzenAktienanlagen werden zurzeit erschwert durch grosse Schwan-kungen an den Finanzmärkten. Eine Alternative bieten – gerade in Krisenzeiten – Barrier Reverse Convertibles. Mit Geldmarktanla-gen, Sparkonten und Obligationen lassen sich aktuell nur sehr geringe Renditen erzielen. Bessere Chancen bieten sich an den Aktienmärk-ten, doch aufgrund hoher Volatilitäten sind Investitionen schwierig und bergen grosse Risiken. Es gibt jedoch Instrumente, mit denen sich Anleger die Turbulenzen an den Börsen zunutze machen können. Durch die höhere Volatilität sind die Optionsprämien gestiegen. Anle-ger, die ein strukturiertes Produkt erwerben, bei dem sie indirekt Op-tionen kaufen, bezahlen somit einen hohen Preis. Genau umgekehrt verhält es sich beim Verkauf einer Option. Hier profitieren Anleger von den hohen Optionsprämien. Diese machen sich beispielsweise in tieferen Barrieren oder attraktiveren Couponzahlungen bemerkbar. Somit dürfte sich ein Blick auf Barrier Reverse Convertibles (BRC) lohnen, da mit diesen Instrumenten von seitwärts tendierenden Kur-sen profitieren werden kann. BRC verfügen über zwei wichtige Kom-ponenten, die Barriere und den Coupon. Letzterer wird Anlegern in jedem Fall, also unabhängig von der Performance des Basiswerts, aus-bezahlt. Die Barriere bietet einen bedingten Kapitalschutz. Wird sie während der Laufzeit nicht von der Aktie unterschritten, so erhält der Anleger seinen investierten Betrag zurück – und den hohen Cou-pon dazu. Wird die Barriere jedoch unterschritten, wird dem Anleger statt des Geldes der Basiswert, beispielsweise eine Aktie, ins Depot ge-liefert. Aufgrund des hohen Coupons lassen sich Anleger zum Kauf von BRC verleiten, ohne die Produktdetails genau zu kennen. Zu berücksichtigen ist in erster Linie, dass man mit dem Kauf eines BRC Aktienkursrisiken eingeht, da es sich nicht um ein obligationenähn-liches Produkt handelt. Zudem sollte der Basiswert sorgfältig ausge-wählt werden, denn schliesslich besteht ein gewisses Risiko, die Aktie nach Ende der Laufzeit im Depot zu haben. Vorsicht ist auch bei so-genannten worst-of- oder Multi-Strukturen geboten. Bei diesen lie-gen dem BRC mehrere Basiswerte zugrunde, beispielsweise ein Korb aus drei oder fünf Aktien. Berührt einer davon während der Lauf-zeit die Barriere oder fällt darunter, erhält der Anleger denjenigen Ti-tel mit der schlechtesten Performance geliefert. Solche Produkte sind verlockend, da sie höhere Coupons bieten. Doch Anleger sollten die Vor- und Nachteile genau abwägen. Schutz vor Kursverlusten bieten Risikopuffer von über 30 Prozent, dafür sind bei diesen die Coupons kleiner. Mit genauen Produktkenntnissen bieten BRC durchaus Mög-lichkeiten, um in volatilen Phasen attraktive Renditen zu erzielen. An-gebote sind zahlreich vorhanden, an der Derivatebörse Scoach werden zurzeit rund 2600 BRC und über 3000 Multi-BRC angeboten. bk W

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Bei etlichen Derivaten dienen optisch aufgepeppte Vergleiche mit der vergan-genen Performance als wichtiges Ver-kaufsargument. Doch die gewählten Zeiträume sind oft willkürlich – Vorsicht ist daher angebracht.

Backtests werden vorgenommen, um zu sehen, wie sich eine Strategie in der Vergangenheit verhalten hätte.

Doch bei professionellen Investoren haben sie einen schlechten Ruf. Die kalifornische Be-amtenpensionskasse Calpers, einer der gröss-ten institutionellen Geldverwalter überhaupt, teilt in seinen Jahresberichten jeweils aus-drücklich mit, das Vertrauen in diese Tests sei minim. Calpers zieht es vor, den Track Re-cord selber, also den Leistungsausweis eines Fondsmanagers über mindestens drei Jahre, als Massstab heranzuziehen. Backtests, so die Kritik aus Kalifornien, optimierten die Ver-gangenheit und verführten zu backtest-opti-mierten Strategien und Produkten. Beispiele für zweifelhafte Resultate nach der Auflegung sind insbesondere bei Stra-tegie- und Alpha-Produkten zu finden. Das Zertifikat mit dem Börsensymbol TWIST beispielsweise, ein Total-Return-Produkt auf Schweizer Aktien, lief bis letzten Monat dem Markt deutlich hinterher. Auch das struktu-rierte Anlageprodukt BSAAF, ebenfalls auf Schweizer Aktien, hat den Anlegern bisher keinen Mehrwert gebracht. Extrem ist das Produkt mit dem Ticker DYNMX, ein Mo-mentum-Strategiebasket auf SMI-Aktien. Zwischen Ende 2005 und Frühling 2009 stie-gen die Preise ordentlich, teilweise sogar mas-siv. «Momentum-Anlagestrategien basieren auf der Annahme, dass sich historische Ak-tienkursentwicklungen auch in Zukunft fort-setzen», heisst es im Begleittext zur Emission des Produkts. «Ein entsprechender Anlage-prozess, der aus dem Anlageuniversum pe-riodisch bestimmte Aktien als Winner- und Loser-Aktien identifiziert, erstere kauft und letztere leerverkauft, kann im Vergleich zum zugrundeliegenden Anlageuniversum eine höhere Rendite aufweisen.» Der Absturz kam im März 2009. Wer bei der Zeichnung dabei gewesen war, hat drei Viertel seiner Investiti-on verloren.

Gefühl für die Vergangenheit Es sind laut Experten quantitative Anlagestrategien, bei denen Backtests Sinn machen. «Investoren sind gegenwärtig mit einem Übermass an An-lageratschlägen konfrontiert», sagt Eduardo Lecubarri, Analyst bei JP Morgan. Das In-stitutional-Broker-Magazin zählte letztes

Jahr über 450 Broker, die weltweit um Kun-den buhlen. Auch und gerade mit Strategien, die sich auf Backtests abstützen. «Generell verhilft ein Backtesting dem Anleger, ein Gefühl zu bekommen, wie die vergangene Wertentwicklung gewesen wä-re, beziehungsweise wie eine bestimmte Pro-duktstrategie funktioniert hätte», sagt Pe-dram Payami, Derivateexperte bei EFG International, einer schweizerischen Privat-bank. «Neben der Performanceentwicklung kann der Anleger die historische Schwan-kungsintensität im Backtesting betrachten», fährt Payami fort. «Backtestings geben Auf-schluss darüber, wie sich ein Basiswert oder eine bestimmte Strategie in der Vergangenheit in unterschiedlichen Marktsituationen wie Bullenmarkt, Bärenmarkt, Seitwärtsmarkt et cetera entwickelt hat oder entwickelt hätte», sagt auch Florian Stasch, Experte bei Royal Bank of Scotland, «und Aktienanleger schau-en auch auf die Charts der Aktien, deren Kauf sie erwägen.» Die historische Entwicklung einer Aktie ist jedoch kein Garant für die zukünftige Ent-wicklung. «Dies gilt auch für Backtestings», fügt Stasch an. «Bei RBS wird unter allen ver-gangenheitsbezogenen Grafiken explizit da-rauf hingewiesen, dass die dargestellten In-formationen auf Daten aus der Vergangenheit und/oder auf Szenarioanalysen beruhen und keinen verlässlichen Indikator für zukünftige Entwicklungen darstellen.»

Wichtig sind hochwertige Daten Ein Pro-blem von Backtests ist, dass Investoren erst in der Rückschau erkennen, wann der richtige Zeitpunkt für einen Strategiewechsel gekom-men wäre. Noch im Sommer 2008 beispiels-weise hatte Goldman Sachs einige Produkte auf fünf Basisindikatoren aufgelegt, mit de-nen Hedge-Fund-Strategien einfach und ef-fizient nachgebildet werden sollten. In den Folgemonaten versagten diese, weil die Märk-te nicht vorhergesehene Kapriolen hinlegten und die ganzen Korrelationsmodelle unter dem Druck der Finanzkrise versagten. «Es gibt Strategien, die explizit auf Vergan-genheitsmuster setzen», sagt Stasch, «und mit Zeitreihenanalysen können teilweise Mus-ter beziehungsweise Opportunitäten identi-fiziert werden, die, zum Beispiel über dyna-mische Strategien, für Anleger investierbar werden.» Der Zeitraum für eine Rückrech-nung müsse lang genug sein, um die Strategie in verschiedenen Marktsituationen wie zum Beispiel Bullenmarkt oder Bärenmarkt zu tes-ten. «Wenn die Strategie regelbasiert ist und ausreichende historische Daten von den benö-tigten Referenzmärkten vorhanden sind, so ist die Aussagekraft gegeben», sagt auch Payami.

Falls qualitativ hochwertige Daten zur Ver-fügung stehen, lassen sich laut Stasch Rück-rechnungen bei allen Basiswerten erstellen. «Der Aufwand bei den Berechnungen kann variieren», gibt er zu bedenken. Denn es spielt eine grosse Rolle, ob als Datengrundlage bei-spielsweise ein Spot-Preis wie bei Gold oder, wie bei Rohöl, ein Future mit den damit ver-bundenen Rollkosten verwendet wird. «Bei der Aussagekraft von solch einem Backtesting kommt es konkret auf die Strategie des Pro-duktes an, und was man mit dem Backtesting erreichen will», erklärt Payami, «Backtestings sollten nie ausschliesslich als Grundlage für eine Investitionsentscheidung herangezogen werden, sondern lediglich als Ergänzung.» Stasch pflichtet dem bei: «Eine Vergangen-heitsbetrachtung jedweder Art, egal ob es sich um die historische Entwicklung einer Aktie oder um einen Backtest handelt, kann kein Garant für zukünftige Entwicklungen sein.»

Gegen Sell-Side-Empfehlungen Es gibt aka-demische Arbeiten zur Qualität von Backtests. Beispielsweise von Eduardo Lecubarri, Ana-lyst bei JP Morgan, der über einen Zeitraum von 20 Jahren Backtests und Track Records von Analystenmeinungen über 56 unter-schiedliche Indikatoren verglichen hat. Seine Schlussfolgerungen sind simpel: «Zusätzliche Performance kommt dadurch zustande, dass Anleger das kaufen, was andere gerade nicht möchten und das verkaufen, was andere ge-rade kaufen.» Er verwendet die Backtests als empirische Grundlage für den vergangenen Erfolg und als Hinweis, um die Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen. «Konsensempfeh-lungen von Analysten brachten keine zusätz-lichen Erträge. Im Gegenteil, sie brachten eher Minderperformance», stellt Lecubarri fest. Wer also die Aktien mit den niedrigsten Um-satz- und Gewinnzuwachsprognosen kaufte und diejenigen mit den höchsten verkaufte, schlug die Aktien mit den besten Prognosen seit 1990 in jedem Jahr. «Je bullisher die Er-wartungen, desto besser die Ergebnisse», lau-tet sein Fazit, «und ein Meinungsumschwung von Analystenschätzungen ist eher ein nach- als ein vorauslaufender Indikator.» Helfen kann auch die Betrachtung von Preis- Momentum-Kurven. Sie zeigen, wann sich Trends geändert haben. Auch hier spielen persönliche Meinungen hinein. Denn wenn einzelne aktive Top-Manager in kleinem Aus-mass die Aktien der eigenen Firma als gemel-dete Insider-Transaktionen kauften, erwies sich das als positives Signal. Diese Strategie funktioniere laut den JP-Morgan-Analysten am besten, wenn die Aktie zuvor eine medi-okre Performance aufwies. Und die ist prak-tisch das Gegenteil eines positiven Backtests.

waRuM backtests iMMeR gut ausfallen

RetRoN°35Punktmagazin

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WortemattHiasniklowitz

InvestIerbares

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ein theMa, zwei standpunkte

PUNKTmagazinkaum liegen finanz- und wirtschaftskrise hinter uns, müssen wir mit der schuldenkrise und einer er-neuten wirtschaftlichen abschwächung zurechtkommen. ist das eine Realität, mit der wir uns abfinden müssen? welche lehren können aus der vergangenheit gezogen werden?

Daniel Lampart (DL)_ Die Krisen wurden durch übertriebene Reakti-onen an den Finanzmärkten verschärft. Ein Beispiel dafür: Eine Obli-gation von General Electric war 2009 phasenweise nur noch die Hälfte dessen wert, was heute an der Börse dafür bezahlt wird. Ähnlich verhält es sich heutzutage mit den Obligationen gewisser Staaten. Das Staats-defizit und die Staatsschuld Belgiens beispielsweise sind volkswirtschaft-lich gesehen absolut tragbar. Das trifft weitgehend auch auf Italien zu. Dennoch müssen Anleger hohe bis sehr hohe Zinsaufschläge bezahlen. Diese kurzfristigen Extrembewegungen verstärken die Probleme mas-siv. Die Sparprogramme in der Eurozone verschlechtern die Finanzper-spektiven der Länder.

Jan-Egbert Sturm (JES)_ Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass auch wieder bessere Zeiten kommen werden. Natürlich werden sich die fiskal-politischen Probleme in vielen industrialisierten Ländern nicht einfach in Luft auflösen. Dreh- und Angelpunkt des Interesses sind insbesondere die Länder Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Die Bevölke-rung dieser Staaten muss sich auf einschneidende Sparmassnahmen sei-tens der Regierungen einstellen. Immerhin ist die Privatwirtschaft, die ja im Zuge der Finanzkrise teilweise vom Staat gerettet werden musste, in vielerlei Hinsicht wieder unabhängiger und besser aufgestellt, als es momentan den Anschein hat.

worauf müssen sich anleger im kommenden anlagejahr ein-stellen?

DL_ Es ist zu hoffen, dass die Nationalbank gegen den überbewerteten Franken vorgehen wird. Was die Wirtschaftspolitik in der Euro zone be-trifft, ist die Hoffnung weniger gross. Die Spar- und Deflationspolitik droht zu dominieren. Die Folge wäre eine Rezession in Europa. Die so-genannte Schuldenkrise wird – wie bereits erwähnt – leider klar über-schätzt. Die Zinsen sind aufgrund einer Panikreaktion hochgeschossen. Eine volkswirtschaftlich nüchterne Analyse würde zeigen, dass es weit weniger Anlass für diese Aufschläge gibt. Doch es bleibt noch Zeit für ei-ne Rückkehr zur Vernunft. Kurzfristig kann Italien auch mit den hohen Zinsen überleben.

JES_ Die Finanzmärkte zeichnen sich aktuell durch enorme Schwankun-gen aus. Der Grund für diese hohen Volatilitäten sind die vorherrschen-den Unsicherheiten. Diese Situation dürfte sich noch einige Zeit fortset-zen. Die Kunst wird für Anleger darin bestehen, neue Wachstumsmärkte – die gibt es, da bin ich überzeugt – rechtzeitig zu erkennen. Die Risi-ken sind heutzutage mehr als offensichtlich. Die Chancen dagegen gehen hinter dem Berg der Risiken beinahe vergessen.

wie schätzen sie die gefahr einer konjunkturellen abschwä-chung ein?

DL_ Wenn der Franken überbewertet bleibt, und die EU-Staaten an der Sparpolitik festhalten, wird eine Rezession Realität werden. Bereits im vier-ten Quartal dürfte das Bruttoinlandprodukt der Eurozone im Minus gewe-

Jan-Egbert Sturm ist seit Ende 2005 Professor für An-

gewandte Makroökonomie und Leiter der KOF Konjunk-

turforschungsstelle der ETH Zürich.

www.kof.ethz.ch

Daniel Lampart ist Doktor der Wirtschaftsgeschichte

und arbeitet als Chefökonom beim Schweizerischen

Gewerkschaftsbund.

www.sgb.ch

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NachGefraGtBarBaraKalhammer

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sen sein. Die Schweiz als kleines Land in Europa kann sich dieser Entwick-lung nicht entziehen. Insbesondere dann nicht, wenn der Franken so extrem bewertet ist. Die Arbeitslosigkeit steigt in der Schweiz schon wieder an. Ge-messen an der Arbeitslosenquote ist die Eurozone gar nie aus der Rezession gekommen. Diese verharrte auf rund neun Prozent.

JES_ Eine konjunkturelle Verlangsamung findet bereits seit einiger Zeit statt. Trotzdem haben wir im September noch eine relativ optimistische Konjunkturprognose veröffentlicht. In der Zwischenzeit hat sich die Situ-ation aber verschlechtert. Dies zeigt sich auch in der von der KOF im Ok-tober durchgeführten Unternehmerbefragung. Die Gefahr einer deutli-chen konjunkturellen Abkühlung ist daher sicherlich angestiegen. Solange es jedoch keinen Zusammenbruch des Bankensektors oder eine Aufspal-tung des Euro geben wird, dürfte das Ausmass aller Wahrscheinlichkeit nicht jene Dimension erreichen, wie dies im Jahr 2009 der Fall war.

experten sind sich uneinig, ob eine inflation oder eine defla-tion droht. was erwarten sie?

DL_ Wenn der Franken so überbewertet bleibt, müssen wir mit einer deflationären Entwicklung rechnen. Auch die EU-Wirtschaftspolitik ar-beitet in diese Richtung. Sparpakete, Lohnsen-kungen und Massnahmen zur Löcherung der Gesamtarbeitsverträge wirken eindeutig de-f lationär. Bei den Ölpreisen ist wenig Bewe-gung zu erwarten. Die Immobilienpreise und die Mieten in der Schweiz werden weniger stark ansteigen. Bei den Mieten wirkt zudem die neue Zinsberechnungsmethode des Bundes preisdämpfend.

JES_ Kurzfristig ist die Gefahr rückläufiger Preise sicherlich grösser als die einer Phase sehr hoher Inflationsraten. Der starke Franken und die nachlassende Konjunktur üben Druck auf die Preise aus. Bei stabilen Wechselkursen ist allerdings der Wechselkurseffekt definitorisch temporär. Solange wir nicht in eine anhaltende Stagnationsphase einmünden, ist die Gefahr einer Deflation begrenzt. Ob wir mittelfristig mit höheren Inflations-raten rechnen müssen, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit die Zentralbanken dieser Welt willens sein werden, die hohe Liquidität – die jetzt wegen der erhöhten Unsicherheit nachgefragt wird – aus dem System zu ziehen, wenn die Wirtschaft sich wieder erholt. Aus diesem Grund ist die weiterhin grosse politische Unabhängigkeit der Notenban-ken von zentraler Bedeutung.

viele investments litten 2011 unter dem starken franken. wird an der euro-bindung weiter festgehalten? wie wird sich die devisenwelt 2012 allgemein entwickeln?

DL_ Wie sich der Franken entwickeln wird, hängt wohl weiterhin von der Nationalbank ab. Fundamental ist der Franken klar überbewertet. Ein Kaufkraftvergleich mit Deutschland zeigt beispielsweise: Der fai-re Franken-Euro-Kurs läge zwischen 1,45 und 1,50 Franken zum Euro. Früher oder später geht der Franken wieder in diese Richtung. Auch ge-genüber dem Dollar und dem Pfund sowie anderen, kleineren Währun-gen ist der Franken zu stark.

JES_ So lange die Unsicherheit gross ist, wird der Schweizer Franken aufgrund seiner Funktion als sicherer Hafen weiterhin populär blei-

ben. Es gibt für die Schweizer Nationalbank daher gegenwärtig keinen Grund, von ihrer aktuellen Wechselkursstrategie abzuweichen. Norma-lisiert sich jedoch die Situation an den Finanzmärkten, wird der Schwei-zer Franken von alleine etwas abwerten können. In diesem Fall wird die Nationalbank die Möglichkeit wahrnehmen, zu ihrer flexiblen Wechsel-kurspolitik zurückzukehren und die geschaffene Liquidität wieder aus dem System ziehen.

nicht nur anleger leiden, auch für unternehmen ist die la-ge schwierig. nebst dem starken franken leiden sie unter der grossen abhängigkeit von der weltkonjunktur. wer ist gut ge-wappnet für dieses umfeld?

DL_ Anleger haben viele gute Investitionsgelegenheiten. Beispielsweise in Fremdwährungen oder in Obligationen von soliden, an der Börse aber verschmähten Ländern. Für die Realwirtschaft wird es hingegen schwie-riger. Meiner Ansicht nach braucht es eine offensive Konjunkturpolitik. In der Schweiz ist primär die Nationalbank gefragt. Sie muss dafür sor-gen, dass der Franken vernünftig bewertet ist. In der Eurozone müssen die Staaten die Konjunktur stabilisieren – nicht abwürgen. Damit sie das tun können, sind eventuell Eurobonds nötig.

JES_ Neben dem starken Franken ist der Rück-gang der weltweiten Wachstumsdynamik für die Schweizer Exporteure das grösste Problem. Produkte, die weniger konjunkturabhängig und damit meist konsumentennah reagieren, haben es hier verhältnismässig leichter. Um in diesem Umfeld zu überleben, benötigt man eine star-ke USP (Unique Selling Position). Sie reduziert den Einfluss des Preises auf die Nachfrage. Für ein Land mit einer dermassen starken Währung wie die Schweiz, ist dies entscheidend.

was muss geschehen, damit 2012 nicht ein ähnlich schwieriges und für anleger enttäuschendes jahr wird?

DL_ Für volkswirtschaftlich denkende Anleger gibt es wie gesagt viele gute Anlagechancen. Und es ist zu hoffen, dass wieder mehr Anleger volkswirtschaftlich denken. Dadurch würde sich die Situation bereits stabilisieren. Auf diese Weise unterblieben zahlreiche Panikreaktionen, die falsche, krisenverstärkende Politikentscheide nach sich ziehen.

JES_ Notwendig ist eine Stabilisierung der Finanzmärkte. Wenn wieder eine gewisse Ruhe zurückkehrt, könnte sich die Privatwirtschaft in der Folge wieder stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Um dies zu er-reichen, ist jedoch ein klares und glaubwürdiges Bekenntnis zum Schul-denabbau der Staaten unausweichlich. Dies ist die einzige Möglichkeit, um das Vertrauen der Anleger in die Politik und auch in die Regierun-gen wieder herzustellen.

«wenn der frAnken

so überbewertet bleibt,

müssen wir mit einer

deflAtion rechnen.»

Daniel Lampart

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Daniel lampart & jan-egbert sturmInvestIerbares

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lich über die Anforderungen der massgeben-den europäischen Investmentrichtlinie Ucits- IV hinaus. ETF von Lyxor sind immer schon transpa-rente Investmentprodukte gewesen. Jetzt geht das Unternehmen einen Schritt weiter, indem es sich gegenüber Investoren für alle wichti-gen Bereiche auf eine ganze Reihe von Quali-tätsstandards festgelegt. Mit der ETF-Charta wird angestrebt, das Vertrauen der Investoren in ETF-Anlagen zu stärken.

Die einzelnen Punkte der ETF-Charta:

• Transparenz. Lyxor veröffentlicht täglich alle wichtigen Informationen wie die An-lagewerte der Fonds, die Höhe des Gegen-parteirisikos und Einzelheiten zur jeweili-gen Gegenpartei bei den Swapgeschäften.

• Ziel eines Gegenparteirisikos von null. Lyxor hat es sich zum Ziel gesetzt, das Ge-genparteirisiko für jeden Lyxor-ETF auf täglicher Basis auf null zu reduzieren. Die-ses Risiko liegt somit deutlich unter der von den Ucits-Vorschriften erlaubten Höchst-grenze von zehn Prozent.

• Direktes Index-Tracking. Lyxor strebt ei-nen Tracking-Error von unter 100 Basis-punkten (einem Prozent) an. Zudem wird der Tracking Error für jeden ETF veröffent-licht.

• Qualität des Asset Managements. Das Fondsvermögen, das von Lyxor ETF gehal-ten wird, liegt in Form von Wertpapieren vor, die nicht an Dritte verliehen werden. Die Wertpapiere werden dabei in Form ei-nes Sondervermögens ausschliesslich zum Nutzen des jeweiligen Fonds verwaltet.

• Liquidität des Primär- und Sekundär-markts. Lyxor und Société Générale ver-pflichten sich dazu, mehrere autorisierte Marktteilnehmer (Authorised Participants, AP) sowie verschiedene Market Maker zu nutzen. Derzeit arbeiten Lyxor und Société Générale Corporate & Investment Banking mit mehr als 45 autorisierten Marktteilneh-mern zusammen. Ein liquider Handel über die Börse wird durch 15 Market Maker si-chergestellt. Insgesamt bietet Lyxor vol-le Transparenz im Hinblick auf die Kosten für den Creation- und Redemptionprozess. Die Informationen über die Kosten sind für autorisierte Marktteilnehmer zu jeder Zeit einsehbar. Die Handelsqualität auf den Se-kundärmärkten wird durch die Kotierung

Lyxor Asset Management, eine Tochter-gesellschaft der Société Générale, ist ein Pionier auf dem europäischen ETF-Markt. Das Angebot umfasst 224 ETF aller Vermögensklassen, von denen 78 an der Schweizer Börse gehandelt wer-den. Im Dienst von mehr Transparenz, Effizienz und Liquidität hat Lyxor im No-vember 2011 eine selbstverpflichtende ETF-Charta lanciert.

L yxor ist Vorreiter bei der syntheti-schen Indexreplikation von Exchange Traded Funds. Dabei kauft der Fonds

ein Wertpapierportfolio und tauscht dessen Performance mittels eines Swaps gegen die Performance des Indexportfolios. Das Ziel dabei ist, die Abweichung der Entwicklung des ETF von derjenigen des Referenzindex, den Tracking Error, möglichst klein zu hal-ten. Die Transaktionskosten sollen optimiert und das operative Risiko vermindert werden. Zudem eröffnet die synthetische Replikati-onsmethode einen kostengünstigen Zugang zu Indizes und Märkten, die Investoren sonst kaum zugänglich sind.

Verstärkte Kritik an ETF Vor dem Hinter-grund der globalen Finanzkrise sind ETF, na-mentlich die synthetisch replizierten, in den letzten Monaten in die Kritik geraten. So schreibt die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma in ihrem ETF-Bericht vom 21. Sep-tember 2011, die grosse Nachfrage nach ETF habe nicht nur zu einem starken Wachstum dieser Produkte geführt, vielmehr würden auch komplexere ETF-Strukturen angeboten, die Risiken in sich bergen. Auch die Bank for International Settlements, das Financial Sta-bility Board, die Bank of England und der Währungsfonds haben auf Risiken der ETF hingewiesen.

Vertrauen stärken Lyxor Asset Management nimmt diese Kritik ernst und hat im Novem-ber 2011 eine selbstverpflichtende ETF-Char-ta lanciert. Im Sinne eines aktiven Treibers und Umsetzers von mehr Transparenz, Ef-fizienz und Liquidität sollen damit Quali-tätsstandards für den gesamten ETF-Markt geschaffen werden. Die Charta enthält na-mentlich Richtlinien zur Qualität des As-set Managements, zum Indextracking, zur Transparenz, zum Gegenparteirisiko sowie zum Handel im Primär- und Sekundärmarkt. Die einzelnen Punkte gehen zum Teil deut-

lyxoR setzt QualitätsstandaRds bei etf

Roland Fischer ist Head of Institutional ETF Sales Switzerland bei

Société Générale Corporate and Investment Banking in Zürich und

leitet seit Oktober 2011 das Schweizer ETF-Geschäft von Lyxor Asset

Management.

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InvestIerbaresLyxor

Worterolandfischer

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an mehreren Börsen sowie eine kontinuier-liche Preisstellung gewährleistet. Die Kun-den können mithin auswählen, wo und mit wem sie handeln wollen.

PUNKTmagazinherr fischer, leidet das etf-geschäft unter der kritik? Roland Fischer_ Seit dem Höchststand des gesamten ETF-Anlagevolumens von Ende Ju-li 2011 von 243 Milliarden Euro waren einige Rückflüsse zu verzeichnen. Diese sind jedoch grösstenteils mit den Befürchtungen rund um die Krise in den Eurostaaten zu erklären. Bei einigen Produkten verzeichneten wir jedoch er-hebliche Zuflüsse, so beispielsweise bei einem ETF auf den DAX. Namentlich bei den in-stitutionellen Kunden hat die Diskussion über ETF-Risiken bislang keine spürbaren Auswir-kungen.

wie kommt die etf-charta bei den kunden an? Das Echo ist sehr positiv. Insbesondere die Bestrebungen, das Gegenparteirisiko auf tägli-cher Basis auf null zu reduzieren und den Tra-cking Error möglichst tief zu halten, kommen gut an. Zudem honorieren unsere Kunden be-reits jetzt unsere Verpflichtung zur Transpa-renz, da sie noch besser verstehen und nach-vollziehen können, was wir auf täglicher Basis machen.

wird lyxor an der synthetischen index-replikation festhalten? Lyxor ist Vorreiter der synthetischen Index-replikation. Etliche beliebte und in der Ver-mögensverwaltung nicht mehr wegzudenken-de ETF im Bereich von Strategieindizes und

schwer zugänglichen Märkten wären ohne syn-thetische Replikation kaum möglich. Dank der selbstverpflichtenden ETF-Charta werden die Risiken gesenkt und eine hohe Qualität bei Transparenz, Effizienz und Liquidität sicher-gestellt. Lyxor ist vom grossen Potenzial der qualitativ hochstehenden synthetischen Repli-kation überzeugt und hält an ihr fest.

wie sehen sie die zukunft der gesamten etf-branche? Das Wachstumspotenzial der ETF ist noch lange nicht ausgeschöpft. In der Schweiz se-hen wir namentlich bei den Pensionskassen, Versicherungen und den Family Offices grosse Chancen für einen zunehmenden Einsatz von ETF.

Über Lyxor Lyxor ist einer der Pioniere auf dem europäischen ETF-Markt und bietet bereits seit 2001 ETF an. Ende September 2011 verwaltete Lyxor 29 Milliarden Euro in ETF. Gemäss Bloomberg ist Lyxor mit 16 Prozent Marktanteil der drittgrösste ETF-Anbieter in Europa, der Marktanteil bei Tra-des über die Börsen liegt bei 25 Prozent – dies verdeutlicht die überdurchschnittliche Liquidität von Lyxor ETF. Mit einer umfang-reichen Angebotspalette von 224 ETF deckt Lyxor 155 Indizes in allen Vermögensklas-sen ab.

Nachgefragtpatrickwidmer

Eine umfassende Beschreibung der Fondsbedin-

gungen und Risiken enthalten die Verkaufspros-

pekte und vereinfachten Verkaufsprospekte bezie-

hungsweise wesentlichen Anlegerinformationen.

Diese Dokumente erhalten Sie kostenlos auf An-

frage bei der Société Générale, Paris Zweignieder-

lassung Zürich, Talacker 50, Zürich, Schweiz sowie

unter www.LyxorETF.ch. Die vergangene Wertent-

wicklung stellt keine Garantie für die zukünftige

Entwicklung dar. Die jeweiligen Fonds werden von

den Sponsoren der Indizes nicht empfohlen, ver-

kauft oder beworben, noch geben die Sponsoren

der Indizes sonstige Zusicherungen zu den jeweili-

gen Fonds ab.

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PräseNtiert voN

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SWX) in einer einzigartigen Boomphase. Die Schweizer Finanzpresse mutmasste zu die-sem Zeitpunkt gar, ob der SMI im Jahr 2007 wohl 10 000 Zähler erreichen werde und frag-te nach, ob die Tickerwand in der Eingangs-halle einen solchen Stand überhaupt abbil-den könne. Nun, die Börsentafel wäre für die fünfte Ziffer gerüstet. Nicht so die Bewertung der 20 grössten Schweizer Gesellschaften. Wir alle, und ganz speziell der Finanz-sektor, wurden vom Orkan der Subprime-Finanz krise aufs Ärgste durchgeschüttelt. Und kaum war das Gröbste überstanden, mel-deten sich die überschuldeten PIIGS-Staaten und führten zu wahren Erdbeben auf den weltweiten Finanzmärkten.

Liquide Märkte Wenn die Finanzkrise von 2008 aber etwas gezeigt hat, so folgendes: Ers-tens haben die Börsensysteme bei Scoach, aber auch bei ihren Mutterhäusern in Zürich und Frankfurt, funktioniert – auch an Tagen mit wahnwitziger Volatilität und explodieren-den Volumina. Ein unschöner Nebenaspekt der OTC-Derivate, welche zur Finanzkrise führten, war ja nicht nur, dass sie intranspa-rent waren und an den Bankbilanzen vorbei-geschmuggelt wurden. Sondern auch die Tat-sache, dass für verzweifelte Verkaufswillige in den Momenten grösster Not kein Markt exis-tierte. Nicht so bei den börsengehandelten Pro-dukten. Hier war der Markt immer relativ liquid, auch wenn die Preise eher depressiv stimmten. Es zeigte sich so klar wie noch nie zuvor, dass eine Börse im Finanzmarkt nicht

Scoach begeht am 1. Januar 2012 den fünften Geburtstag. Die Derivatebörse hat in teils turbulenten Zeiten perfekt funktioniert und mit der Innovation der COSI-Produkte internationale Stand-ards gesetzt. Pünktlich zum Jubiläum setzt Scoach, Europas grösste Börse für strukturierte Produkte, nun zum Sprung nach Hongkong an.

K urz vor diesem freudigen Ereignis bereiten auch die Zahlen von Scoach Freude. Vier Wochen vor dem gros-

sen Tag sieht die Statistik nicht nur rekordver-dächtig aus – sie ist es. So erreichten sowohl die monatliche Anzahl der Kotierungen mit knapp 7500 Produkten im August als auch die Anzahl ausstehender «Strukkis» mit über 41 000 Produkten im September ein Allzeit-hoch. Der Umsatz im Handel mit strukturier-ten Produkten stieg in den ersten elf Mona-ten des Jahres 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 34,7 Prozent auf 49,2 Milliarden Franken. Einziger Wemutstropfen ist aus gesamtwirt-schaftlicher Perspektive die Buyback-Statis-tik. Hier zeigten die letzten Monate, dass sich Anleger vor dem Hintergrund der Dauerkri-sen überdurchschnittlich häufig von Anlage-produkten trennen. Damit sind wir beim Thema des wirt-schaftlichen Umfelds. Scoach hat sich wahr-lich spezielle fünf Jahre ausgewählt. Lanciert wurde das Joint Venture von der Deutschen Börse und der SIX Group (damals noch

5 jahRe wachstuM, Qualität und sicheRheit

Christian Reuss ist seit Juni 2009 CEO und Vorstandssprecher bei

Scoach. Im September 2009 übernahm er zudem eine Position als

Board Member der Swiss Futures & Options Association (SFOA).

Christian Reuss bringt mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich

Banking & Finance mit sich.

Quelle: Scoach

APPLE153 65

GOOGLE111 29

IBM100 100

McDONALDS81 24

MICROSOFT78 63

COCA-COLA74 35

AT&T70 124

MARLBORO68 24

CHINA MOBILE57 72

GE MONEY B.50 150

Outperformance-Zertifikat

ÖkologischeVerantwortung

RessourcenverbrauchÖkoeffizienz

Engagement(Aktive Aktionärspolitik)

Ausübung von Stimmrechten

Ausübung von Stimmrechten

WirtschaftlicheLeistungsfähigkeit

WertschöpfungInnovation

Negativkriterien

Positivkriterien

Eurex

Pfand

Anleger

… investiert in Scouch geahan-deltes Zertifikat Emittent/

Sicherungsgeber

Cosi-Fair-Value-Liferant 1

Cosi-Fair-Value-Lieferant 2

Analysieren Auswählen EngagierenInvestieren

DIE 10 WERTVOLLSTEN MARKEN

GesellschaftlicheSolidarität

SicherheitGerechtigkeit

+

2. 3. 4.1.

-

Markenwert (in Mrd. USD / 2011) Umsatz (in Mrd. USD / 2010) ABWICKLUNG DER PFAND-BESICHERUNG

… welches mit Pfand besichert wird

Verwahrung des Pfands

Unabhängige tägliche Bewertung des Cosi und

der Sicherheiten

Pfandverwertung zu Gunsten der Anleger beim Eintritt bestimmter Ereignisse

Market Making

buy/sell

ÜBERSICHT DER FUNKTIoNSWEISE

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InvestIerbaresscoach

Wortechristianreuss

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nur zu Boomzeiten das Herz-Kreislauf-Sys-tem ist, sondern ganz besonders während Kri-sen.

COSI – Sicherheit in der Krise Scoach und in diesem besonderen Fall SIX Swiss Exchange lancierten in den vergangenen Jahren eini-ge Innovationen im Markt der strukturierten Produkte. Dabei sticht besonders COSI her-vor. COSI, ein fast homophones Wort zum englischen «cosy» (bequem) und dem italie-nischen «così» (auf diese Weise) tönt niedlich, steht aber für einen an Sicherheit und Anle-gerschutz nicht zu überbietenden Wertpapier-typus. COSI entstand aus dem Schock heraus, der auf den Crash von Lehman Brothers folg-te und steht für Collateral Secured Instru-ments. Es war damals schnell ein Konsens ge-funden, dass ein Produkt geschaffen werden müsse, bei dem das Emittentenausfallrisiko minimiert ist. So klar die Forderung auch war, die Um-setzung war nicht ganz einfach, wie auch die Abbildung «Übersicht der Funktionsweise» zeigt. Als Produkt, dessen Existenzberechti-gung die Extra-Sicherheit ist, muss COSI vor allem auch in schwierigen Marktsituationen – konkret bei Kursstürzen – den Anleger vor einem Ausfall schützen. Bei Collateral Secu-red Instruments, die der Emittent mit einem Pfand unterlegt, sorgen die der Börse nach-gelagerten SIX Securities Services in Zusam-menarbeit mit mehreren unabhängig vonei-nander operierenden Bewertungsinstanzen dafür, dass das Pfand bei Baisse-Tendenzen auf dynamischer Basis ständig geäufnet wird. So kann der Anleger auch beim Ausfall des Emittenten sicher sein, dass er keinen Total-verlust erleiden wird. Die Qualität des Zusammenspiels diverser professioneller Instanzen innerhalb und aus-serhalb von SIX Group erinnert an die Qua-lität eines Schweizer Uhrwerks. Mit COSI hat die Schweiz einen weltweiten Standard ge-setzt. Es ist übrigens ein Verdienst von EFG Financial Products, dass COSI-Produkte in-zwischen auch in Deutschland gehandelt wer-den können. Vontobel wiederum war die ers-te Bank, die COSI mit Referenzanleihen an den Markt gebracht hat. Diese Weiterentwick-lungen, von denen noch weitere zu erwarten sind, zeigen die hohe Marktakzeptanz der Schweizer Erfindung COSI.

Go for Gold Für eine andere Innovation gab ebenfalls eine Krise den Ausschlag, die Euro-krise: Strukturierte Produkte in Goldwäh-rung oder kurz XAU. Seit dem 10. Oktober 2011 wird bei Scoach Schweiz der börsliche Handel von strukturierten Produkten mit Handelswährung Gold unterstützt. Für die Abwicklung ist die Schweizer Zentralverwah-rerin, SIX Securities Services, zuständig. Die Initialzündung für die Brancheninnovati-on stammt von EFG Financial Products, ei-nem der innovativsten Emittenten börsenge-handelter strukturierter Produkte bei Scoach Schweiz.

Viele Anleger, die direkt in Gold inves-tiert sind, halten es nicht physisch, sondern auf einem Edelmetallkonto. Dies entspricht einem auf Gold lautenden Fremdwährungs-konto. Dabei wird Gold mit dem internatio-nalen Währungskürzel XAU gleich wie an-dere Fremdwährungen behandelt. So wie der Schweizer Franken für die Währung CHF die Masseinheit bildet, so wird die Währung XAU in Feinunzen Gold oder Fraktionen da-von ausgedrückt. Guthaben der Währung XAU können jederzeit bei der kontoführen-den Bank in physisches Gold gewechselt wer-den. Mit strukturierten Produkten, die in Gold denominiert sind, erhält der Anleger die Möglichkeit, direkt in Gold zu investie-ren und sein ansonsten unverzinstes Vermö-gen auf einem Gold-Edelmetallkonto aktiv zu bewirtschaften.

Go East Pünktlich zum fünften Geburtstag setzt Scoach die Segel neu – und zwar Rich-tung Fernost. Unsere Börse hat vom dortigen Regulator die Genehmigung erhalten, Markt-teilnehmer aus Hong Kong anzubinden. Scoach kann so Anlegern in Fernost aufgrund der Zeitverschiebung ermöglichen, nach dem asiatischen Handelstag noch den europäi-schen anzuhängen. Der Markt ist übrigens riesig: 534 Milliarden Dollar an strukturier-ten Produkten setzte die Börse in Hongkong letztes Jahr um. Eine faszinierende Dimensi-on, auch für Scoach.

PUNKTmagazin herr Reuss, struktu-rierte produkte mussten seit der pleite von lehman brothers viel kritik einste-cken. was tun sie bei der börse scoach dagegen? Christian Reuss_ Da gab es ein punktuelles Imageproblem. Die ganze Branche, auch wir als Börse für strukturierte Produkte, hat hart daran gearbeitet, dies zu verbessern. Die Emit-tenten haben in Form des Verbandes für struk-turierte Produkte und in Zusammenarbeit mit Scoach auch im Bereich der Transparenz gute Arbeit geleistet.

was genau heisst gute arbeit? Wir haben zum Beispiel die farblich abge-stimmte Swiss Derivative Map geschaffen. Der Anleger sieht dort auf den ersten Blick, wie risi-koreich ein Produkt ist. Je kälter die Farbe, des-to sicherer das Produkt – und umgekehrt.

was bedeutet das feurige Rot bei den knock-out warrants? Sehen Sie, es ist wie bei den Autos. Weder sollten Sie Ihrem 19-jährigen Sohn den Schlüs-sel für den Ferrari Testarossa geben, noch ei-nem nichtsahnenden Kleinsparer Knock-Out-Warrants ins Depot legen. In den richtigen Händen hat aber sowohl der Sportwagen wie das Derivat seine Legitimation.

Nachgefragtrinoborini

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PräseNtiert voN

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Suad Sadok kam 1961 als 22-jähriger Gastarbeiter in die Schweiz.

Ohne anerkannte Ausbildung und ohne Kenntnisse der deut-

schen Sprache. Zu Beginn Kofferträger, hat der Türke

eine steile Karriere hingelegt, die ihn bis in die

Direktion der Schweizerischen Speisewagen-

gesellschaft führte. Im Gespräch mit

PUNKTmagazin erklärt der fleissige,

aber stets freundliche und kolle-

giale Ex-Manager sein ein-

faches Erfolgsrezept.

«Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg»

Worte: Rino Borini

Fotografie: Christine Bärlocher

Illustration: Boris Gassmann

SuadSadokSuadSadokSuadSadok

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Kopflastiges

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Der Weg des Schweiz-Tür-ken Suad Sadok führte ihn von ganz unten nach ganz oben. Nur zehn Jah-re nachdem er im Zürcher Carlton Elite Hotel als Kof-

ferträger anheuerte, war er dort Direktor. 1988 schliesslich wechselte er zur Schweizerischen Speisewagengesellschaft (SSG), wo er als Di-rektionspräsident verantwortlich über 2000 Mitarbeiter war und für frischen Wind sorg-te. «Wenn man sein Arbeitsleben ganz dem Wohlbefinden der Kunden widmet, immer etwas mehr macht als verlangt wird und da-zu regelmässig Weiterbildungen besucht, er-gibt sich der Aufstieg ganz von allein», ist der leidenschaftliche Gastronom überzeugt. Seine positive Ausstrahlung, seine freund-liche Art und sein konsequentes Handeln brachten ihm zeitlebens viel Anerkennung. «Ich bin durch die Suad-Sadok-Schule ge-gangen», lassen sich Manager zitieren, die mit ihm gearbeitet haben. Sadok, der ne-ben Deutsch und Türkisch auch Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Grie-chisch spricht, war weder Sesselkleber, noch verschanzte er sich im Büro. Seine Grund-sätze sind nicht neu, aber da er sie in jedem Moment verkörpert und vorlebt, wirkt er beeindruckend glaubwürdig. Als sich Suad Sadok 1999 im Alter von 60 Jahren frühpensionieren liess, wurde sein Le-ben nicht langweilig, im Gegenteil. Mit sei-nem Geschäftsfreund Beat Läubli eröffnete er «The Olive Shop» in der Gourmet-Factory des Zürcher Kaufhauses Jelmoli. Die Nach-frage nach hochwertigen Olivenölen war da-mals erst am entstehen, heute ist The Olive Shop eine Erfolgsstory. Doch der Erfolg trü-ge nicht Sadoks Handschrift, wenn er nicht höchstpersönlich mehrere Jahre täglich im Laden gestanden hätte. Übrigens: Die Schürze, die er dabei trägt, ist noch dieselbe wie vor zwölf Jahren. Wäh-rend er sie zusammenfaltet, sagt er schmun-zelnd: «Das habe ich in der Armee gelernt. Deswegen ist sie in tadellosem Zustand.»

WarumeinTürke,dersicherst imAltervon 35 Jahren einbürgern liess, SchweizerMilitärdienst geleistet hat, ist nur eine derspannendenGeschichtenausdemLebendesSuadSadok.

PUNKTmagazin Herr Sadok, wir sind im Ristorante Ciro in Zürich. Wa rum dieses Lokal?

Suad Sadok_ Eines Tages bat mich die Besit-zerfamilie um Unterstützung, darum bin ich seit rund 18 Monaten «Freund des Hauses». Unser Ziel ist es, das Ristorante Ciro besser zu verankern, damit noch mehr Gäste dieses tra-ditionsreiche Lokal kennenlernen. Abgesehen davon, die Leistungen hier sind vorzüglich und die hausgemachte Pasta ist immer noch so gut wie vor 80 Jahren.

Sie kamen 1961 aus Istanbul nach Zürich. Wie kam es dazu? Für mich war die Schweiz damals das füh-rende Land in der Hotellerie und somit ein Vor-bild. Ich war 22 Jahre alt und wollte bei den Bes-ten arbeiten und von ihnen lernen. 2011 feiere ich mein fünfzigstes Jahr in der Schweiz.

Wie konnten Sie sich die Reise in die Schweiz überhaupt leisten? Als Kind sammelte ich Briefmarken, und diese gewannen über die Zeit an Wert. Durch den Verkauf meiner Sammlung konnte ich mir das Ticket kaufen.

Wie war Ihr erster Eindruck von der Schweiz? Das erste, was mir aufgefallen ist, war ein Delikatessengeschäft an der Zürcher Bahnhof-strasse, das im Schaufenster grüne Peperoni an-bot. Das hat mich verblüfft, denn in der Türkei waren Peperoni «Nonvaleur». Es war für mich irritierend, dass an der teuren Bahnhofstrasse billige Peperoni verkauft wurden. Dann spa-zierte ich etwas weiter und sah beim Zürcher Bellevue den Sternengrill (Ein stadtbekannter

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Wurststand am Zürcher Bellevue, die Red.) Ich sagte mir: Das ist genau mein Ding!

und wurden sie wurststandbesitzer? Ich wollte ja und erkundigte mich auch, was nötig gewesen wäre, aber so einfach war es nicht. Zu jener Zeit musste man eine Metzger-lehre vorweisen, um einen Wurststand zu be-treiben. Die hatte ich leider nicht.

sie begannen stattdessen, als kofferträ-ger im hotel carlton zu arbeiten. war das nicht etwas seltsam? immerhin hat-ten sie in der türkei einen gut dotierten job im legendären hotel divan. Es war effektiv so, dass ich als junger Mann im Hotel Divan eine gute Stellung hatte und sehr gut verdiente. Aber wissen Sie, für mich gibt es keine gute oder schlechte Arbeit. Es geht einzig und allein darum, dass man, was im-mer man auch tut, hundert Prozent Einsatz gibt. Mir machte es nichts aus, Koffer zu tra-gen, denn ich kannte mein Ziel.

das war? Ich wollte jemand werden.

das haben sie dann ja auch geschafft, sie haben eine klassische tellerwä-scherkarriere absolviert. ist das heut-zutage überhaupt noch möglich? Natürlich sind solche Karrieren möglich! Aber es geht nur, wenn man sich Ziele setzt, über einen ausgeprägten Willen verfügt und ei-

serne Disziplin besitzt. Wer pickelhart an sich arbeitet und seinen Zielsetzungen konsequent nachgeht, kann sie auch heute noch erreichen.

braucht es nicht auch ein bisschen glück? Ja, es braucht auch ein Quäntchen Glück. Das Gute ist, dass wir alle im Leben Glück ha-ben. Und zwar jeden Morgen, wenn wir auf-stehen. Die Frage ist nur, was man aus seinem Glück macht.

ehemalige Mitarbeiter von ihnen sagen, sie seien durch die suad-sadok-schule ge-gangen. wie sieht deren stundeplan aus?

Meine Formel ist sehr einfach: Arbeit, Wil-le, Disziplin, Fleiss, Respekt und Glück. Ach ja, und immer freundlich sein. Zudem muss jeder Chef ein Vorbild sein. Er darf nie etwas von sei-nen Mitarbeitern verlangen, das er sich nicht selber zutrauen würde. Zuletzt muss man be-scheiden sein, gerade in Zeiten wie heute.

Reicht das, um erfolg zu haben? Natürlich muss man hart und qualitativ im-mer auf höchstem Niveau arbeiten. Wenn man stets etwas mehr leistet, als verlangt wird, dann wird man auch belohnt. Und zwar nicht nur von den Vorgesetzten, sondern auch von den Kun-den. Ich habe dazu ein aktuelles Beispiel. Mein Geschäftspartner Beat Läubli und ich verkaufen unsere ausgesuchten Produkte nicht nur im The Olive Shop, wir beliefern auch viele Gastrono-miebetriebe. Gestern, es war Sonntag und herrli-ches Wetter, ging einem Restaurant das Olivenöl aus. Was macht der Sadok? Er steigt in sein Auto und liefert umgehend die gewünschten Produk-te. Das macht doch heute keiner mehr! Aber ge-nau das macht den Unterschied.

war so etwas früher selbstverständlich? Nein, nicht unbedingt. Fleissige und faule Menschen hat es schon immer gegeben.

aber der druck hat zugenommen. Auch dagegen habe ich ein einfaches Rezept. Man muss sich gut organisieren und nichts dem Zufall überlassen. In einer Führungsposition ist es wichtig, immer den Überblick zu behalten.

nach ihrer zeit bei Mövenpick wurden sie chef der schweizerischen speisewa-gen-gesellschaft und standen dort 2000 Mitarbeitern vor. wussten sie über-haupt, um was es geht? (schmunzelt) Es war unbestreitbar so, dass ich zwar direkt für die Bahn arbeitete, aber ¬

«meine formel ist

sehr einfAch: Arbeit,

wille, disziplin, fleiss,

respekt und glück.»

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eigentlich nur Bahnhof verstand. Doch auch wenn ich vom Tagesgeschäft zu Beginn nur we-nig Ahnung hatte, stellte ich in den ersten Sit-zungen mit der Geschäftsleitung schnell fest, dass so einiges nicht funktionierte. Die Antwor-ten auf meine Fragen befriedigten mich nicht.

was haben sie gemacht? Ich sagte zu meinen Kollegen: «Herren, ich gehe an die Front!» Daraufhin ging ich einige Tage selber in die Züge und verkaufte mit einer Mini- Bar Snacks und Getränke. Die Erfahrun-gen, die ich dabei machte, waren nicht nur po-sitiv, aber ich sah, mit welchen Schwierigkeiten sich meine Leute an der Basis herumschlagen müssen. Mit diesen Erfahrungen ging ich zu-rück an den Hauptsitz und stellte meinen direk-ten Kadermitarbeitern weitere, teilweise ganz andere Fragen. Ich spürte schnell, dass viele nicht wussten, was an der Basis abgeht.

wie haben die Mitarbeiter reagiert, als plötzlich der direktionspräsident eine Mini-bar durch den zug stiess? Die Mitarbeiter wussten nichts davon. Als sie es dann erfuhren, zollten sie mir dafür umso mehr Respekt. Für mich ist der Faktor Mensch zentral. Ich weiss, das sagen alle Manager, aber oft sind es nur Worthülsen. Ich habe in meiner täglichen Arbeit stets bewiesen, dass ich selber an das glaube, was ich erzähle.

was sind weitere eigenschaften, über die ein chef verfügen sollte? Wenn man Menschen führt, muss man für eine kritikfähige Atmosphäre sorgen. Wer kon-struktive Kritik ausübt, soll nicht mit negativen Konsequenzen rechnen müssen. Dieses Gefühl, diese Kultur, muss ein Chef prägen.

was hat sich auf führungsebene gegen-über früher verändert? Ach wissen Sie, so vieles hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert. Was sich sicherlich geändert hat, ist die Angst um den Job. Früher gab es auf den Führungsebenen bedeutend weni-ger Jobwechsel als heute.

hat nicht der leistungsdruck stark zu-genommen? Das ist doch auch kein Wunder! Mit dem kurzfristigen Denken steigt auch der Druck überproportional an. Das ist nicht gesund. Früher gab es längere Galgenfristen. Und dazu darf man nicht vergessen: Auch ein Manager ist ein Mensch, hat Familie und Freunde. Kinder wollen ihren Vater auch hin und wieder sehen.

wälzt sich dieser druck auch auf die Mitarbeiter ab? Klar, durch die Alltagssorgen finden viele Chefs keine Zeit mehr, um an der Front zu sein. Viele sitzen abgeschottet in ihrem Büro, und wenn sie einmal bei den Mitarbeitern sind, verbreiten sie wenn möglich noch negative Stimmung. Wenn sie dagegen mit Freude etwas weitergeben, dann ist die Atmosphäre im Betrieb und die Motivati-on bei den Mitarbeitern eine ganz andere.

ich nehme an, bei ihnen im olive shop ist das so. Ja, natürlich. Erst gerade kürzlich hatten wir einen Tag mit speziell hohem Umsatz. Als ich in den Laden kam, konnte ich nicht einmal richtig ankommen und Grüezi sagen, schon rannte eine Mitarbeiterin zu mir und jubelte über den tollen Umsatz. Sie freute sich schon fast mehr als ich. Und wenn es einmal nicht gut läuft – ich spüre das schon am Telefon – tut es den Mitarbeitern weh. Das ist Firmenkul-tur. Deswegen haben wir Mitarbeiter, die in der Regel sehr lange mit uns arbeiten.

wie war das bei ihren arbeitgebern? Sowohl bei Mövenpick wie auch bei der SSG galt: Die Mitarbeiter sind das Wichtigste. Aber sie kommen eben nicht jeden Tag mit einer Su-perlaune ins Geschäft. Der Respekt vor Men-schen und ihren Eigenarten ist in diesem Zu-sammenhang wichtig, denn Mensch bleibt Mensch.

in ihrem lebenslauf habe ich etwas be-merkenswertes entdeckt. sie haben sich freiwillig für die armee ausheben las-sen. warum das? Richtig. 1974 bekam ich den Schweizer Pass, und damals war ich 35 Jahre alt. Der Grund, wa-rum ich Militärdienst leisten wollte, war einfach: Entweder, man macht etwas richtig, oder sonst lässt man es bleiben. Und als Schweizer Mann ge-hört es eben dazu, dass man die Armee absolviert oder sich zumindest ausheben lässt. Ich war nur konsequent, wie ich es auch in meinem Beruf im-mer war – bis heute.

wie muss ich mir das vorstellen, eine aushebung in diesem alter? Wie alle anderen auch musste ich diverse Gespräche führen und verschiedene Sporttests absolvieren. Beim Laufen war ich übrigens der Beste, ich schlug die Jungen locker. Und am En-de erhielt ich den Stempel «tauglich».

wie sind sie während ihrer führungs-zeit mit problemen umgegangen? Probleme gibt es nicht. Dieses Wort habe ich aus meinem Wortschatz gestrichen. Es gibt nur Herausforderungen.

gut, dann nennen wir sie eben heraus-forderungen. Für mich steht immer der Erfolg des Unter-nehmens im Vordergrund. Der Erfolg ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber und der Arbeit-nehmer zufrieden sind. Die Mitarbeiter sollten stolz sein, für den Betrieb zu arbeiten. Natür-lich müssen die betriebswirtschaftlichen Zahlen stimmen. Um das zu erreichen, scharte ich stets intelligente Menschen um mich – häufig intel-ligenter als ich selber. Ich stehe zu dem. Wenn man das akzeptieren kann, hat man auch kei-ne Probleme damit. Auch dann nicht, wenn ei-ner der Führungsleute brillant ist und die ent-sprechende Anerkennung bekommt. Mit einer solchen Einstellung kann man gemeinsam als Team jede Herausforderung meistern.

¬ ¬

HÜst & Hott?

Email oder Brief?

Türkei oder Schweiz?

Sis Kebab oder Zürcher Geschnetzeltes?

Sommer oder Winter?

Châteauneuf-du-Pape oder Mouton-Rothschild?

Sparkonto oder Aktie?

BRiEF

SChWEiz

BEiDES

hERBSt

ChâtEaunEuF-Du-PaPE

SPaRkonto

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KopflastigesSuad Sadok

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im alter von 60 jahren haben sie sich frühpensionieren lassen. arbeiten scheint ihnen doch spass zu machen, warum haben sie nicht noch ein paar jahre weitergemacht? Bei der SSG hatte ich einen Fünfjahresver-trag. Als dieser auslief, sagte ich dem Verwal-tungsrat, ich sei bereit, fünf weitere Jahre an-zuhängen. Aber ich sagte im gleichen Atemzug: «Meine Herren, das ist aber das letzte Mal, dass ich unterschreibe. In fünf Jahren ist endgültig Schluss.» Alle nickten, dachten aber vermutlich, der Sadok wird sicher länger bleiben. Während dieser fünf Jahre sagte ich zu jedem, dass dies mein letzter Vertrag mit der SSG sei. Das hat-te durchaus auch seine Vorteile. Niemand kam auf die Idee, an meinem Stuhl zu sägen, denn sie wussten, der geht ohnehin bald. So konnte ich das loyale und ehrliche Verhältnis mit mei-nen Direktuntergebenen weiter ausbauen und verbessern.

und nach den fünf jahren war dann ja auch schluss. Ich bin konsequent und habe mich dann tat-sächlich frühpensionieren lassen. Die frühe An-kündigung hatte noch einen zweiten Vorteil. Ich hatte fünf Jahre Zeit, mich auf diesen Mo-ment vorzubereiten. So fliegt man weder in ein Loch, noch wird man depressiv. Die Konklusi-on daraus ist, dass ein Manager wissen muss, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um aufzu-hören. Man muss loslassen können.

das fällt vielen schwer. Ach, den meisten. Das ist schade, irgendwie schon fast eine Krankheit. Es besteht zudem die Gefahr, dass man in den letzten Jahren sein ei-genes Lebenswerk zerstört. Das ist leider oft die Realität.

für einen lohnempfänger ist abtreten einfacher als für einen eigentümer. Nein, das stimmt nicht unbedingt. Als Ei-gentümer ist man gezwungen, die wichtigen Entscheide bezüglich der Nachfolge rechtzei-tig zu treffen. Das ist auch in meinem Fall mit dem Olive Shop so. Ich werde irgendwann sa-gen: «So, jetzt ist der Zeitpunkt da, ich höre auf.» Denn alles ist gut organisiert, und mein Geschäftspartner ist noch jung. Er kann den Betrieb auch ohne mich weiterzuführen.

zurück zu ihrer frühpensionierung. das haben sie ja nicht gemacht, um anschlies-send gleich wieder zu arbeiten, oder? Eigentlich wollte ich mit 60 Jahren Ar-chäologie studieren und meine Sprachkennt-nisse verfeinern. Aber zu dem ist es nicht ge-kommen. Jetzt habe ich drei Standbeine: Den Olive-Shop, meine Beratungsfirma und dazu noch einige Verwaltungsratsmandate.

warum verwaltungsratsmandate? geht es dabei um prestige? Nein. Wissen Sie, es gibt sehr gute Verwal-tungsräte. Aber es gibt leider auch viele Wich-

tigtuer. Ich bin nicht der Typ Verwaltungsrat, der nur schnell die Zahlen absegnet und das Amt ausübt, um mehr Ansehen zu erhalten. Ich bin voll involviert und interessiert.

wieso haben sie sich gleich wieder in die arbeit gestürzt? Ich konnte nicht anders. Kaum war ich von der SSG weg, so nach zwei bis drei Wochen, ka-men Anrufe von ehemaligen Geschäftspart-nern, die um meinen Rat baten. So entstand die Suad Sadok Consulting.

wann holt man suad sadok als berater ins haus? Auslöser sind meist Umsatzprobleme und fehlende Bekanntheit. Interessant dabei ist, dass die meisten Kunden die Lösungen bereits kennen. Oft brauchen sie einfach jemanden, der kritisch hinterfragt, streng ist und die Akti-vitäten und Massnahmen des Betriebs pedan-tisch genau verstehen will. Durch meine Stren-ge habe ich aber auch schon Mandate verloren.

wie das? Manchmal bekomme ich ein Mandat nur, damit das Management dem Verwaltungsrat sa-gen kann, der Berater sei gleicher Meinung. Aber wenn ich nicht die gleiche Meinung wie das Ma-nagement vertrete, dann sage ich das auch. Und dann kommt es eben hin und wieder zu einer Mandatskündigung. Mir ist das lieber so, denn ich möchte Freude haben, wenn ich eine Rech-

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W illkommen im Jahr 1993: Adolf Ogi wird Bundespräsident, der euro-päische Binnenmarkt wird verwirklicht, der FC Aarau wird Schwei-

zer Fussballmeister und «Wetten dass» steht auf dem Olymp der populärsten Euro visionssendung. Und der Schweizer Franken? Er kostet eine D-Mark und zehn Pfennig. Es herrscht Aufbruchsstimmung in einer globalisierenden Welt. Und heute? Wer hat an der verdammten Uhr gedreht? Bonsai statt Boni. Cla-riden Leu war einmal, Sarasin ist Copacabana, Credit Suisse ist SKA und die UBS? Man hat den Eindruck, dass selbst die Murmeltiere trotz des ausbleiben-den Winters abspecken müssten. Und selbst wenn dieser käme, käme keiner, denn der «Foifliber» kostet derzeit beachtliche acht Deutsche Mark. Im gros-sen Kanton ist das Schweigen der Kämmerer nicht minder himmelschreiend. The show must go on. Auf Thomas Gottschalk folgt nun Sensenmannverste-her Mark Benecke, der das Grauen in der Pathologie zum erfolgreichen Unter-haltungsthema macht. Griechenland ist verkohlt, Spanien lodert und Italien ist Ötzi? Man braucht kein «Call of Duty»-Videospiel, um sich bildhaft vorzu-stellen, wie sich eine Wirtschaftskrise durch die Gesellschaft frisst. Euroland ist abgebrannt. Es herrscht Krieg in Europa. Keine Toten weit und breit – Wirt-schaftkrieg vom Feinsten. Was die Wehrmacht damals nicht schaffte, wird nun Europa vollenden. Der totale Wirtschaftskrieg steuert hemmungslos auf den Endsieg des Eurobonds zu. Der Obersalzberg wurde hierzu kurzerhand nach Brüssel verlegt und steuert die Generalmobilmachung gegen den internatio-nalen Devisenterrorismus. Und wer hat’s erfunden? Jacques Delors, der geis-tige Vater des kompromisslosen Machterhaltungswahns. Nur, wer terrorisiert wen? Im Namen des Volkes schlägt der Konsumentenschutz eine Schneise der Verwüstung durch das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen. Der passive Dienstleistungsverkehr nach Deutschland wird dieser Tage abgeschafft. Mit anderen Worten: Der Himmel ist nicht purpurdunkel Abendrot, weil Kekse gebacken werden, sondern weil das Gatt-Abkommen lichterloh brennt. Es ko-kelt wieder einmal nach Notstandsgesetzgebung. Die zentrale Frage lautet: Wie lange kann die Schweiz das Endspiel um den Euro noch von der Ehrentribüne aus mit ansehen? Es wird anscheinend wieder Zeit für Verdingbuben, Wolfs-kinder, Arbeitslosentrecks und die Schweizer Anbauschlacht. Anstatt jene zu bekämpfen, die das Budget-Waterboarding zu verantworten haben und somit das sprichwörtliche Fass hemmungslos abfüllten, wurde der berühmte Tropfen von der Occupy-Bewegung als Urquell der Krise ins mediale Rampenlicht ge-zerrt. Der politische Offenbarungseid ist tatsächlich eine Demokratiekrise. Die Europäer wurden nicht verführt. Sie haben es selbst getan oder haben jenen da-zu verholfen, die es für sie getan haben. Was der Wiener Kongress 1815 nicht schaffte, vollendet nun der Kapitalmarkt im Eiltempo. Wer hätte gedacht, dass «MonteCarlos», der einstige Euro-Staatsfeind Nummer Eins, die neue treiben-de Kraft im europäischen Einigungsprozess wird? Kaum auszuhalten, wenn man sich vorstellt, dass der Rädelsführer des Widerstandes nicht selten das künftige Staatsoberhaupt ist. Wer könnte das wohl sein? Es ist nicht aller Tage Abend. Das wird schon wieder, keine Frage. In diesem Sinne: Maikäfer flieg!

poMMeRland

nung schreibe. Diese Befriedigung verspürt man nur, wenn der Kunde ebenfalls begeistert ist, weil sein Betrieb durch meine Arbeit besser läuft.

wie wichtig ist ihnen geld? In meinem Alter geht es nicht mehr ums Geld. Mein Antrieb ist es, meine langjährigen Erfahrungen weiterzugeben. Es hat noch einen weiteren Nutzen. Ich gehe dreimal die Woche ins Fitnessstudio, ich bin dementsprechend gut in Form, aber durch die geistige Herausforde-rung bleibe ich auch im Kopf lange vital.

sie sind also ganz und gar zufrieden mit sich. wie ist ihr allgemeiner eindruck, trifft das auf viele Menschen zu? Unsere Gesellschaft ist verwöhnt. Der hohe Wohlstand hat vieles zerstört. Unsere Ansprü-che heute sind sehr hoch – oft zu hoch.

wohin geht die Reise? Vor der Wirtschaftstristesse sollte man kei-ne Angst haben. Sie kennen sicher den Spruch «Angst ist der schlechteste Ratgeber». Auch in Krisenzeiten gilt es, die Herausforderungen ge-zielt und mit Mut anzupacken.

die aktuelle krise animiert zum nachden-ken. häufig hört man die aussage: frü-her war alles besser. denken sie das auch? Alle Menschen zufrieden zu stellen, das geht nicht. Ich sage dies als erfahrener Mann. Es wird immer Chefs und Untergebene geben. Es gibt gute und schlechte Vorgesetzte. Es gibt fleis sige Mitarbeiter und es gibt faule Mitarbei-ter. Und es wird immer einen geben, der nur einen Franken verdient, während ein anderer Hundert verdient. So war es, so ist es, und so wird es auch bleiben.

der QuerdeNKer

Der Querdenker hat sich die «etwas andere Informationsvermittlung» auf seine Fahne geschrieben.

Diese ist stets gehisst, auch dann, wenn der Wind eisig bläst.

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YACINE AZZOUZ HEROLD MANDARIN (r.)

FA RAETIA

MASUD BARZANI

TÄNZERINNEN von CHAGOS

KUR

Wer nächsten Sommer am Turnier in Kur-distan teilnehmen wird, steht noch nicht de-finitiv fest, sicher dabei sind Titelverteidiger Padanien und der Gastgeber. Weitere Mit-glieder des NFB und somit mögliche Teilneh-mer sind unter anderem Gibraltar, Sansibar, Tibet, Grönland, Lappland, West-Neuguinea oder Okzitanien.

Fussball statt Religion und Politik Die Idee, mit der aus dem FC Haldenstein entstande-nen FA Raetia die Teilnahme an einem inter-nationalen Turnier anzustreben, hatte Club-präsident Gian-Marco Schmid Anfangs 2011. «Der FC Haldenstein wurde damals vor allem zu Trainingszwecken gegründet, eine Teil-nahme am Schweizer Meisterschaftsbetrieb haben wir mangels Anreizen früh verwor-fen.» Der Traumgegner von Schmid, der als Rapper unter dem Namen Gimma bekannt ist und selber in Haldenstein wohnt, war der Vatikan. «Als ich im Zuge der Vereinsgrün-dung von der Existenz des NFB erfahren ha-be, meldete ich mich bei ihnen. In einer Te-lefonkonferenz haben sie uns schliesslich an die Versammlung in Erbil eingeladen», er-klärt er den Lauf der Dinge.

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Diese Fussballer nehmen nicht teil am Schweizer Meister-schafts betrieb. Müssen sie auch nicht, denn als Auswahl des früheren Alt Fry Rätiens verfolgen sie ein höheres Ziel: Die Teilnahme am Viva World Cup 2012, der in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak ausgetragen wird.

Y acine, willst du in den Nordirak und uns an der Sitzung des NFB vertreten?» Yacine Azzouz, Vizepräsident der FA Raetia, war von der Frage zwar etwas überrascht, liess sich aber nicht

zweimal bitten. Keine zwei Wochen nach dem Anruf sass er im Flug-zeug Richtung Istanbul, von wo die Reise weiter führte nach Erbil, Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan. Als Gesandter sollte Az-zouz während fünf Tagen vor Ort die Bedingungen für eine mögliche Teilnahme am Viva World Cup 2012 abklären. Das Turnier um den Nelson-Mandela-Pokal gilt als inoffizielle Fussballweltmeisterschaft und wird seit 2006 alle zwei Jahre durch-geführt. Veranstalter ist das Nouvelle Fédération Board (NFB), der Fussballverband für Regional- und Volksauswahlen sowie Nationen mit oder ohne eigenen Territorialstaat. Der Viva World Cup will kei-ne Plattform für politische oder religiöse Motive bieten und expli-zit keine Konkurrenz zum Weltfussballverband Fifa sein. Viel eher sieht sich das NFB als unterstützende Partnerorganisation. Staaten, die zu einem späteren Zeitpunkt Fifa-Mitglied werden könnten, soll der Einstieg erleichtert werden, indem sie beim Aufbau der nötigen Verbandsstrukturen unterstützt werden.

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An dieser erfuhr Azzouz, dass man sich zuerst einen Eindruck vom Team verschaffen wolle, bevor man über eine Aufnahme spre-chen könne. Zu diesem Zweck erstellten die Bündner ein Dossier mit den historischen Hintergründen und fädelten für für den 4. Dezember in London ein Testspiel ein. Gegner war die Auswahl von Chagos, einem Archipel im Indischen Ozean, dessen Bewohner in den 70-er Jahren von den Briten nach Mauritius deportiert wurden. Dies, weil Bündnispart-ner Amerika im Indischen Ozean eine Basis benötigte, um für den aufkeimenden Kalten Krieg gewappnet zu sein – die Chagos-Inseln waren perfekt dafür. Heute leben die meisten Chagossianer in London, da sie sich 2002 vor Gericht wenigstens das Recht auf einen bri-tischen Pass erklagten. «An der Delegierten-versammlung in Erbil war Herold Mandarin, der Vertreter von Chagos, mein Zimmerpart-ner. Durch ihn habe ich von ihrem Schick-sal erfahren. Da sie ebenfalls eine Teilnahme am Turnier ins Auge fassen und sich, genau wie wir, dem NFB präsentieren wollten, ha-ben wir das Testspiel in London organisiert und sie auch sonst etwas unterstützt», erklärt Azzouz Gegner und Ort.

Via London nach Kurdistan Nebst einem ordentlichen Spielniveau ist dem NFB vor al-lem ein fairer und respektvoller Auftritt wich-tig. Dass die meisten Teams nicht über inter-nationale Klasse verfügen, versteht sich von selbst. «Die Zuschauer haben während 90 Minuten getanzt und geklatscht. Nach dem Spiel luden die Chagossianer uns und die Re-präsentanten des NFB zum Empfang. Es war grossartig – und das nicht nur wegen des tol-len kreolischen Essens, das serviert wurde», schwärmt Azzouz von der Londonreise. Ob-wohl das Resultat zweitrangig war, wurmt er sich über den Ausgang: «Zu Beginn hiel-ten wir gut mit, nach dem 1:1 sah es für eine Weile sogar danach aus, als ob wir das Spiel drehen könnten. Zur Halbzeit lagen wir 2:1 zurück, doch ab der 60. Minute sind wir auf-

grund konditioneller Mängel eingebrochen. Abgesehen von der 6:1-Niederlage reisten wir aber mit einem guten Gefühl zurück.» Das gute Gefühl behalten sie auch, wenn man sie auf den Austragungsort anspricht, schliesslich liegt sich Erbil keine 400 Kilome-ter nördlich von Bagdad. Eine Region, von der das EDA abrät. Die Lage sei unübersicht-lich und die Sicherheit nicht gewährleistet. Zudem bestehe das Risiko von Entführungen und Terroranschlägen. Die teilautonome Re-gion Kurdistan gilt zwar als sicherer als die übrigen Landesteile, aber auch hier könne sich die Situation jederzeit ändern. Kommt da kein mulmiges Gefühl auf? «Ich war im Kosovo, in Algerien, im Libanon und wo man sonst noch Bomben oder Gewehrsalven er-warten könnte. Und immer kamen Leute, die meinten, dass es da gefährlich sei. Am Schluss hatte ich an diesen Orten jeweils den meisten Spass – vielleicht gerade weil die Leute, die das sagen, in diesen Ecken der Welt nicht an-zutreffen sind», meint Azzouz dazu.

Alles ist möglich Die Entscheidung, ob die FA Raetia aufgenommen wird und am Viva World Cup teilnehmen kann, wird demnächst getroffen. Gewappnet, um ihre Region zu ver-treten, sind sie bereits. «Wir haben die Rätische Flagge gemäss den Vorgaben des Rätischen Museums in Chur originalgetreu erstellen las-sen. Die aktuelle Kurzhymne ist jedoch nur ei-ne Übergangslösung, da die einzig historisch überlieferten Lieder aus dieser Zeit entweder zu lang oder völlig unpassend sind», unter-streicht Schmid die historischen Ambitionen. Und wenn sie bei einer allfälligen Teilnah-me ohne Punkte nach Hause zurückkehren sollten? Azzouz dazu: «Falls es klappt, werden wir im Nordirak Alt Fry Rätien fussballerisch vertreten und dabei gegen Mannschaften aus aller Welt antreten. Das wäre an sich schon mal phantastisch. Unser sportliches Ziel wä-re das Überstehen der Vorrunde. Danach ist alles möglich, sagen die doch immer.» Wider-sprechen kann man dem nicht.

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Das Einzugsgebiet der FA Raetia richtet sich nach den historischen Grenzen Alt Fry Rätiens, das im 15. Jahrhundert aus den drei Rätischen Bünden Gotteshausbund, Grauer Bund und Zehngerichtebund ent-standen ist. Als Geburtsstunde Raetiens als eigenständiges und unabhängiges Gebiet wird meist die Schlacht an der Cal-ven genannt. Es war am 14. Mai 1499, als die tapferen Mannen um Benedikt Fontana sich einem zahlenmässig doppelt so star-ken habsburgischen Heer entgegenstell-ten und durch die Zerschlagung der frem-den Streitmacht ihre Freiheit verteidigten. In den Mailänderkriegen gelang dem Frei-staat Raetien 1512 gar die Eroberung von Bormio, dem Veltlin und der Grafschaft Cleven (Chiavenna). Diese Untertanenge-biete gingen 1797 nach dem Einfall Napo-leons in Raetien verloren und wurden den Cisalpinischen Republiken zugeschlagen. Das verbliebene Kerngebiet wurde 1799 als Kanton Raetien in die Helvetische Republik eingegliedert. Ab 1803 hiess der Kanton of-fiziell Graubünden. Was den Bündnern aus der Geschichte geblieben ist, ist die Liebe zur Freiheit und Unabhängigkeit.

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Traditionen

das achten

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Worte

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Der Geigenbau wirkt verträumt und unzeitgemäss. Doch es geht dabei nicht um Barockromantik im K erzenschein,

sondern um die Tatsache, dass gewisse

Dinge durch Technologisierung nicht

zwingend besser werden.

TraditionenDer Geigenbau wirkt verträumt und unzeitgemäss.

Doch es geht dabei nicht um Barockromantik im K erzenschein, sondern um die Tatsache, dass gewisse

Dinge durch Technologisierung nicht

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rienz ist aus Holz geschnitzt. Diesen Eindruck hat man zumindest, wenn man durch das kleine Dörfchen am Fusse des Rothorns spa-ziert. Die Promenade ist ge-

säumt mit hölzernen Bären, die wehmütig auf den tiefen Brienzersee starren, und die nied-lichen Schaufenster entlang der Hauptstrasse sind voll mit handgeschnitzten Engeln, Kü-hen und Edelweissblumen. Selbst die Wohn-häuser der Einheimischen sind zumeist aus Holz gebaut. Wer sich hier eine Zigarette an-zündet, tut es mit einem mulmigen Gefühl. Holzbildhauerei und Kunstschnitzerei ha-ben in Brienz eine lange Tradition. Nicht nur, weil die Bevölkerung eine gewisse Begabung in solchen Dingen aufzuweisen scheint, son-dern auch, weil sich die kleine Gemeinde im Berner Oberland inmitten von Bergahorn- und Fichtenwäldern befindet. Zwei Holzar-ten, die sich äusserst gut zu Kunsthandwerk verarbeiten lassen. Und zwar nicht nur zu Bä-ren und Kühen, sondern vor allem auch zu Geigen. Und so verwundert es wenig, dass sich neben der ausnahmsweise steinernen Kirche am Dorfrand die Geigenbauschule Brienz befindet.

Erfahrung braucht Zeit Herr Hösli bleibt vor einem grossen Holzstapel stehen. «Im Geigenbau», sagt er in gemächlichem Bern-deutsch, «rechnet man in etwas anderen Zeit-abschnitten.» Er zeigt auf den Stapel und er-klärt, dass dies frisch geschnittenes Holz sei

und dass es daher voraussichtlich erst in zehn Jahren zu Geigen verarbeitet werden würde. Dann sei das Holz trocken und ruhiger, erst so lasse es sich für den Geigenbau verwenden. In zehn Jahren wird Hans Rudolf Hösli aber bereits in Pension sein. Seit 1996 leitet der di-plomierte Geigenbaumeister nun die Geigen-bauschule in Brienz, die 1944 eröffnet wurde und bis heute die einzige Fachschule für Gei-genbau in der Schweiz geblieben ist. Momen-tan lernen hier zehn Schüler und Schülerin-nen während vier Lehrjahren das Handwerk des Geigenbaus von Grund auf kennen. Die meiste Zeit verbringen sie an den hölzernen Werkbänken im grossen Gemeinschaftsateli-er, wo sie von Hösli und seinem Meisterkol-legen Simon Glaus ins Handwerk eingeführt werden. Erfahrung sei enorm wichtig im Geigen-bau, sagt Hösli und hält neben Mihail und ei-nem halbfertigen Cello inne. Viele Leute wür-den im Zusammenhang mit dem Geigenbau stets von «Berufsgeheimnissen» sprechen. Dabei gehe es nicht um geheimes Wissen, sondern schlichtweg um Erfahrung. Je mehr Geigen, Celli und Bratschen ein Geigenbauer gebaut habe, desto besser wisse er, auf was er dabei zu achten habe. Dann erklärt er Mihail, einem Schüler aus Moldawien, dass er die Holzstifte in der Decke und im Zargenkranz seines Cellos noch etwas länger drin lassen solle. Es sei auch schon vorgekommen, dass das Ganze eben im letzten Moment noch ver-rutscht sei. Mihail nickt.

Maschinenkönnendasnicht Gleich neben Mihail befindet sich Serainas Arbeitsplatz. Die Bündnerin ist im zweiten Lehrjahr und eben damit beschäftigt, das Griffbrett für eine Bratsche fertigzustellen. Ihr gefalle die Ausbildung sehr, sagt sie. Sie fände es einfach schön, dass beim Geigenbau so wenige Ma-schinen zum Einsatz kämen. Verwundert bli-cke ich durch den Raum, bemerke die klaf-fende Abwesenheit von Maschinen, denke an China und frage Herrn Hösli, ob es denn heutzutage keine guten Geigen gäbe, die von Maschinen hergestellt würden. «Wenn wir ei-ne Materialkonstante hätten», antwortet er, «würden gute Geigen wahrscheinlich zu ei-nem höheren Prozentsatz maschinell herge-stellt werden. Aber Holz ist nicht konstant. Je nachdem, wo und wie das Holz gewachsen ist und geschnitten wurde, verhält es sich in der Verarbeitung anders. Der geübte Geigen-baumeister macht während der Arbeit im-mer wieder Zwischenmessungen und weiss auf die unterschiedlichen Werte einzugehen. Das macht eine Maschine so nicht.» Ob und Inwiefern sich denn das Hand-werk des Geigenbauers heutzutage über-haupt von traditionellen Methoden unter-scheide, frage ich Herrn Hösli, während wir an einem südamerikanisch wirkenden Mann

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vorbeigehen, der eben dabei ist, im Licht ei-ner kleinen Halogenlampe einen dunklen Geigenbogen zu reparieren. «Sowohl unser Ausbildungsprogramm als auch unsere Ar-beitsmethoden sind ganz bewusst sehr nahe bei dem, wie man bereits vor drei- bis vier-hundert Jahren Geigen gebaut hat», erwidert Hösli, während er dem jungen Südamerika-ner über die Schultern blickt. «Und zwar des-halb, weil der Lernerfolg viel grösser ist, wenn man jeden einzelnen Schritt von Hand ma-chen muss. Unser Lernmotto ist ‹Begreifen›. Die Schüler sollen begreifen, wie man eine Geige herstellt.»

Geschäftig und konzentriert Ob ich portu-giesisch spreche, fragt mich Herr Hösli plötz-lich und zeigt auf den Mann mit dem Geigen-bogen. Sein Name ist David Matos , er kommt aus Brasilien. David ist Teil eines brasiliani-schen Hilfsprojekts, das Jugendliche von der Strasse wegholt und sie in der klassischen Musik schult. In Salvador da Bahia sind auf diese Art in den letzten zwei Jahren bereits zwei Orchester entstanden. Diese Orches-ter brauchen natürlich auch Serviceleute für die Pflege ihrer In strumente, und so einer ist David. Er ist schon zum zweiten Mal für ein paar Monate hier in Brienz. Er begrüsst uns kurz, wendet sich dann aber wieder seiner Arbeit zu. Allgemein wirken die Schüler sehr geschäftig und konzentriert. Ich habe Mühe, einen Interviewpartner zu finden, die meisten wollen lieber weiterarbei-

ten. «Wissen sie», sagt Hösli, während er uns zum Lackraum führt, «das ist etwas, was aus heutiger Sicht oft falsch verstanden wird. Tra-dition und alt heisst nicht gleich ‹nicht spe-ditiv› sein. Handwerker sind immer effizient gewesen und haben immer auch ökonomisch gedacht. Das gehört zum Handwerk und das gehört auch zum Kunsthandwerk. Aber ge-wisse Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Man muss lernen, wo man schnell sein kann und darf und wo nicht.» Eine Geige zu bauen ist ein aufwändiges Unterfangen. Am Anfang stehen ausführliche Zeichnungen, die in der Regel nach geome-trischen Vorgaben konstruiert werden. Dann werden die einzelnen Teile der Geige von Hand geschreinert und schliesslich zusam-mengeleimt. Oft entscheiden kleinste Details darüber, ob die Geige im Gebrauch den ge-wünschten Klang erzielt oder nicht. Ist alles verleimt, kommt die Geige in den Lackraum und wird mit einem speziellen Lack versehen. Und um diesen Lack ranken sich nicht sel-ten wilde Legenden. So gibt es in der Fachlite-ratur beispielsweise verschiedene Bücher, die sich einzig mit dem Lack der weltberühmten Stradivari-Geigen befassen.

Stradivaris geheimer Lack Eines dieser Bücher liegt auch im Lackraum der Gei-genbauschule Brienz. Es ist rot, beängsti-gend gross und auf dem Buchdeckel steht in verschnörkelter Kurrentschrift «Stradi-vari Varnish». Ich nehme das Buch in ¬

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die Hand und frage Hans Rudolf Hös-li, ob man denn nun herausgefunden habe, wie sich der Stradivari-Lack zusammensetze. Er lächelt und sagt, dass wir mit dieser Fra-ge jetzt in andere Bereiche des Geigenbaus vordringen würden. Zum einen, in denjeni-gen der Geigenbau-Wissenschaft, zum an-deren aber auch in denjenigen der Vermark-tung und der PR. Man wisse zwar, wie sich der Lack von Stradivari- Geigen zusammen-setze, aber man könne nicht einfach einen Stradivari-Lack auf eine x-beliebige Geige streichen und dann meinen, man habe ei-ne Stradivari. «Man muss den Lack der Gei-ge anpassen», sagt Hösli und hält eine fertig lackierte Geige in seiner Hand. «Hat man ei-ne Geige gebaut, die etwas mehr klangliche Weite braucht, kann man das mit einem ent-sprechenden Lack unterstützen. Es kann aber auch sein, dass eine Geige, wenn sie von der Werkstatt kommt, eben gerade nicht nach Weite, sondern nach Fokussierung verlangt. In diesem Fall muss man einen anderen Lack beziehungsweise eine andere Grundierung auftragen. Auch hier muss der Geigenbauer seine Arbeit und sein Produkt in jedem ein-zelnen Fall mit all seinen Sinnen aufmerksam begleiten.» Wie er denn das gemeint habe, vorher, mit der Vermarktung und der PR, frage ich. «Die ganze Wissenschaft rund um den Geigen-bau, die Schichtbilder aus dem Computerto-mographen, die verschiedenen Analysen zum Lack, die Zusammenarbeit mit Physikern und Chemikern, das alles kann zwar durch-aus der wissenschaftlichen Forschung im Geigenbau dienen; ich beobachte aber eben, das letztlich vieles vor allem für PR-Zwecke verwendet wird.»

PR oder nicht, am Ende zählt der Klang Peter Greiner – einer der aktuell prominen-testen Geigebauer der Welt – arbeite ja auch mit einem Physiker zusammen, merke ich an. Ich hätte gelesen, dass seine Geigen prak-tisch gleich gut seien wie diejenigen des Alt-meisters Stradivari. «Peter Greiner macht si-cherlich gute Geigen», erwidert Hösli. «Allein die Tatsache, dass seine Geigen von bekann-ten Virtuosen gespielt werden, gibt seinem Produkt Recht. Peter Greiner ist aber auch ein Meister der Kommunikation, der die ver-schiedenen PR-Bereiche bespielt. Es gibt auch Geigenbauer, die im Stillen gute Instrumente herstellen und diese auch für ‹stillere› Preise verkaufen. In unserem Beruf, wie in anderen Berufen auch, spielt der Schein, die Aufma-chung, die Vermarktung eben auch zuneh-mend eine wichtigere Rolle.» Nicht alle Absolventen der Geigenbau-schule werden am Schluss auch tatsäch-lich Geigen, Celli oder Bratschen bauen. Der Beruf des Geigenbauers ist vor allem ein Service beruf. Meist bestimmen Reparaturen an Mietinstrumenten und Unterhaltsarbei-ten an Geigen von Schülern oder Berufs-musikern den Alltag. Einige werden sich aber auch mit der Restaurierung von alten Instru-

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N icht immer war früher alles besser. Die internationalen Kunstmärk-te beispielsweise verwöhnen zurzeit viele Verkäufer von Kunstwerken

mit historischen Rekordpreisen. Dies freut auch Galerien und Auktionshäu-ser und nicht zuletzt die Medien, zuweilen sogar die Künstler. Trotzdem ist auch dieser Bereich nicht frei von Retrospektiven. Zunächst im direkten Sin-ne des Wortes: Die Retrospektive des Schaffens eines Künstlers kann das Interesse an seinem Oeuvre und damit die Nachfrage nach seinen Werken ganz erheblich steigern. Regelmässig ist der Tod des Künstlers Anlass für ei-ne solche Retrospektive. Durch die Berichterstattung steht der Künstler er-neut im Mittelpunkt des Interesses, vielleicht erfolgt sogar eine Neubewer-tung des Oeuvres. In der Folge wird oft der Nachlass aufgearbeitet und ein Werkverzeichnis erstellt. Allerdings stimmt die These, wonach erst nach dem Tod des Künstlers Höchstpreise zu erzielen sind, nicht unbedingt. Zuwei-len kann man feststellen, dass Preise von Werken jener Künstler, die zu Leb-zeiten hoch gelobt und entsprechend hoch bewertet wurden, nach dem Tod eher statisch verharren. Aber auch im weiteren Sinne können Retro-Pha-sen im künstlerischen Schaffen interessant sein. Hier denkt man zunächst und ganz direkt an die «Appropriation Art», eine künstlerische Strategie der 70-er bis 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Vertreter dieses postmodernen Ansatzes wie Sherrie Levine, Louise Lawler, Elaine Sturtevant oder Richard Prince stellten mit Plagiaten den bis dato sakrosankten Begriff des Originals in Frage. Im Bereich der künstlerischen Mittel und Techniken kann man na-türlich auch die weitreichende Begeisterung für klassische Malerei der 1990er Jahre, also die Verwendung von Ölfarbe und Leinwand, als Rückbesinnung auf ältere Epochen der Kunstgeschichte und auf das Gemälde als Archety-pus der Kunstgeschichte ansehen. Zu den Märkten zurückkommend muss man zwar feststellen, dass die klassische Malerei der Leipziger Schule heute vielleicht etwas weniger gefragt ist als noch vor einer Dekade. Das mag aber auch mit einem weiteren Aspekt zu tun haben, den man als Teil einer retros-pektiven Sicht auf die Welt ansehen könnte. Seit der Krise der Finanzmärkte 2007/08 ist das Kaufverhalten deutlich konservativer geworden. Der Samm-ler des 21. Jahrhunderts legt wieder verstärkt Wert auf kunsthistorische Be-deutung, auf die Kanonisierung des Oeuvres, aus dem er ein Werk zu kaufen beabsichtigt. Dieser Aspekt hat möglicherweise mit dem gestiegenen Bedürf-nis nach Sicherheit zu tun, vielleicht aber auch mit dem Wunsch nach Kunst, die einfach nicht nach Boom aussieht, sondern nach Besinnung, Inhalt und Kontext. Dies freut auch Galerien und Auktionshäuser und nicht zuletzt die Medien. Zuweilen sogar die Künstler.

eine RetRospektive auf die kunstMäRkte

menten oder mit dem eigentlichen Geigen-bau eine Existenz aufbauen können. Doch der Markt für Geigenbauer ist beschränkt, und es gibt viel Konkurrenz. «Man braucht einen langen Atem als Geigenbauer. Das ver-mitteln wir unseren Schülern während der Ausbildung», bemerkt Hösli. «Doch wenn man Geduld hat, kann man als Geigenbauer nachhaltig arbeiten und trotzdem ein Leben mit vielen Glücks momenten führen.» Ob er das Gefühl habe, dass diese Glücks-momente mit einer gewissen Entschleuni-gung zusammenhängen, welche die Arbeit als Geigenbauer mit sich bringe, frage ich Herrn Hösli und blicke dabei in sein nachdenkli-ches Gesicht. «Wir leben in einer Zeit», ant-wortet er nach einer Weile, «in der ‹schnell› und ‹teuer› und ‹erfolgreich› zählen. Doch das Glück ist mit Sicherheit nicht alleine dort zu finden.» Dann schweigt er wieder für ei-nen Moment und starrt mit ruhigen Augen auf den grossen Kontrabass in der Ecke des Aufenthaltsraumes. «Die meisten Glücks-momente», sagt er schliesslich und lächelt, «kommen aber im Zusammenhang mit der Musik. Wenn dann die Instrumente, an de-nen man gearbeitet hat, schliesslich von Mu-sikern und Musikerinnen gespielt werden. Das ist wunderbar.»

Prof. dr. dirK boll

Jurist und Kulturmanager Prof. Dr. Dirk Boll ist Geschäftsführer Kontinentaleuropa bei Christie’s. Als

Publizist widmet er sich strukturellen wie rechtlichen Fragen der Kunstbetriebe.

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Genüssliches

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anzüge Machen MänneR

Der Anzug ist der treue Begleiter des Mannes. Ob Financier, Türsteher oder Be-statter – ein Herrenanzug lässt sie Kom-petenz und Zuverlässigkeit ausstrahlen. Was die Engländer früh kultivierten, hat modisch nicht an Relevanz verloren. Der Trend nach Massanzügen bestätigt dies.

S chon Gottfried Keller wusste: Kleider machen Leute. Träger von gepfleg-ten Herrenanzügen wirken kompe-

tent, seriös und vertrauenswürdig. Aus der Geschäftswelt ist die Kombination von Sakko und Hose nicht mehr weg-zudenken. Und selbst an so manchem Freizeitanlass wird das Tragen des stil-vollen Klassikers vorausgesetzt. Je nach modischer Gesinnung und Budget zieren Markennamen wie Hugo Boss, Armani oder Zara die Etikette auf dem Innenfutter. Es sei denn, der Anzug ist massgeschneidert.

Vom Rüschenrock zur Uniform Im Vorbürgertum hüllte sich der Adel in prunkvolle, farbenkräftige und volu-minöse Stoffkreationen. Damit stellte er seinen hohen Gesellschaftsrang zur Schau. Mit Ende der Französischen Re-volution forcierten vor allem die Eng-länder ein neues Modebewusstsein. Man hatte genug von der französischen Hofkultur. Neu waren Schlichtheit, De-zenz und Körperbetontheit angesagt. Immer tragbar und elegant sollte die Kleidung sein. Aus diesem Bedürfnis heraus entstand der Herrenanzug. Be-stehend aus Jackett, Hose und allenfalls Weste, galt er fortan als gesellschaftsfähig. Inspiriert wurde die neue Mode unter ande-rem vom Sportgewand des englischen Adels, der Dandy wirkte denn auch als Botschafter. Seine Lebensphilosophie prägte die Grund-idee des Anzugs massgeblich. Der «englische Stutzer» lebte nach dem Grundsatz, stets ad-äquat und schick gekleidet zu sein. Diesen Anspruch haben auch heutige Anzugträger. Überhaupt hat das mehrteilige Dress in den letzten 150 Jahren keine monumentalen Ver-änderungen erfahren. Monumental waren dafür die Fortschritte, die in der Produktion erzielt wurden. Mit der Verbesserung der Nähmaschine und dem Auftreten der ersten leistungsfähigen mecha-nischen Webstühle um das Jahr 1850 herum begann das Zeitalter der Konfektion, der se-rienmässigen Produktion von Kleidungsstü-cken. In den Fabriken ratterten die Nähma-

schinen über die ersten Serienanzüge. Bis zu diesem Zeitpunkt trugen Männer und Frauen ausschliesslich handgefertigte Kleidung. Auch der Begriff Anzug hatte damals noch eine andere, eine praktische, Bedeutung. Ge-meint war eine als Einheit getragene Kleidung wie beispielsweise der Arbeitsoverall oder die Militäruniform.

Individualität vor Masse Ein Verständnis-wandel fand in den letzten Jahren auch hin-sichtlich Massanzügen statt. Was bis Mitte der 90-er Jahre noch als elitär und extrava-gant galt, umschmiegt heute vermehrt auch

des Normalverdieners Körper. Seit einiger Zeit, so scheint es, schiessen in der Schweiz und anderen europäischen Ländern Massbe-kleidungsfirmen wie Pilze aus dem Boden. Haben Männer ein neues Modebewusstsein entdeckt, oder ist Kleidung nach Mass preis-werter geworden? «Beides ist der Fall», meint Markus Soltermann, Geschäftsführer von Thatsuits, einem Zürcher Massbekleidungs-hersteller. «Heute sucht der Konsument wie-der vermehrt das Individuelle. Wer sich in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren behaupten will, muss sich von seinen Kon-kurrenten abheben.» Und da der erste Ein-druck bekanntlich zählt – erst recht in Zeiten des harten Wettbewerbs – seien sowohl Hülle als auch Kern entscheidend. Dem vermehrten Wunsch nach Individu-alität kam in den 90-er Jahren die Entwick-lung einer Software für dreidimensionale

Konstruktionen entgegen. Dank der neuen automatischen Vermessungstechnik können Massanfertigungen heute zu Preisen angebo-ten werden, die nicht viel höher sind als die der Konfektionsware. Die Nachfrage nach Massarbeit jedenfalls wächst stetig – und mit ihr der Markt. Doch büssen Massanzüge nicht an Prestige ein, wenn die Preise sinken? Soltermann dazu: «Das mag sein, doch bei unseren Kunden stel-le ich selten Prestigegedanken als Kaufmotiva-tion fest. Zu uns kommen zum Beispiel auch Studenten, die für ihre ersten Bewerbungsge-spräche die richtige Kleidung suchen.» Seine

Kundschaft sei breit gefächert, und es ge-he ihr primär darum, optisch das Beste aus ihrem Anzug rauszuholen. Dadurch, dass er und seine Mitarbeiter sowohl in Schnitt, Stoff, Farbe und Passform auf spezifische Wünsche und die Persön-lichkeit des Kunden eingehen können, erhalte dieser den auf ihn optimal zuge-schnittenen Anzug.

Neues Kundenbewusstsein Thatsuits und viele andere Hersteller von «Mass Customization» beschäftigen dafür aus-gebildete Schneider und Modefachleute. Der Kunde wird in der Schweiz bera-ten und vermessen. Die eigentliche Her-stellung findet im Ausland statt. Zu-rück im Schweizer Atelier verpassen die Schneider dem Stück vor Ort den letz-ten Schliff. Änderungsarbeiten werden ebenfalls in der eigenen Schneiderei vor Ort vorgenommen. Die hochwertigen Stoffe bezieht Soltermann von namhaf-ten Webereien wie Cerruti oder Vitale Barberis aus Italien, Australien und der Schweiz. Damit könne er hohe Qualität garantieren und wisse genau, womit er

es zu tun habe. Dass unter den Konsumenten das Bewusstsein für faire Produktionsmetho-den gewachsen ist, merkt auch Soltermann. «Neue Kunden konfrontieren mich häufig mit Fragen dieser Art. Und das ist gut so.» Er kenne alle seine Zulieferer im Ausland und le-ge seine Hand dafür ins Feuer, dass seine Nä-herinnen unter guten Arbeitsbedingungen produzieren. Die Produktion der Damen-kleidung findet in Hamburg statt, jene der Männerkollektion in China. Der Kunde müs-se kritisch sein und hinterfragen. Dies gelte auch für massgeschneiderte Urlaubssouvenirs aus Thailand, die im Übrigen nicht zwingend von schlechter Qualität sein müssen. «Doch viele tappen in Touristenfallen und kommen mit entsprechend billiger Ware nach Hause», warnt Soltermann. Ob einen ein solcher An-zug in bestem Licht erscheinen lässt, sei dahin gestellt.

RetRoN°35Punktmagazin

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Genüsslichesmassanzüge

Page 73: PUNKT Retro
Page 74: PUNKT Retro

Die ZukunftDie niemals stattfanD

sichere Welt

atlantis

kinDer im all

Dass der Lebensraum auf der Erde ir-

gendwann knapp werden könnte, war

man sich schon früh bewusst. Nebst

Kolonien im All wurde daher die

Erweiterung des Lebensraums unter

Wasser– nach dem Vorbild der Unter-

wasserstadt Atlantis – immer wieder

zum Thema gemacht. So auch die Il-

lustration, die 1954 das Cover des «If

Magazine» zierte und eine solche Kolo-

nie unter Wasser zeigt. Novak wundert

sich zurecht über einige Unterseeautos,

die sich am Meeresboden fortbewegen.

Die unpraktische Art erklärt er sich

damit, dass man den Menschen zu-

mindest vertraute Fortbewegungsbah-

nen bieten wollte, wenn schon die neue

Umgebung derart fremd ist.

1981 erschien im Buch «World of To-

morrow: School, Work and Play» ein

Artikel bezüglich Kriminalität der Zu-

kunft. Die Autoren waren überzeugt,

Computer würden dafür sorgen, dass

weniger Bargeld benötigt würde (was

ja durchaus stimmt). Zudem würden

Computer das Haus bewachen, Ein-

brüche sollten also der Vergangenheit

angehören. Mumpitz! Und doch sind

einzelne Vorhersagen verblüffend ak-

kurat: «Statt Leute auf der Strasse oder

in ihrem Haus auszurauben, werden

die Verbrecher von morgen versuchen,

mittels Computer Geld von Banken

oder anderen Organisationen zu steh-

len. Sie werden von zuhause aus arbei-

ten und ihren Computer dazu nutzen,

um auf die Daten von Banken oder an-

deren Organisationen zuzugreifen, oh-

ne dass es diese merken.»

Der Weltraum war für Futurologen

immer wieder eine beliebte Projekti-

onsfläche, wenn nicht die beliebtes-

te überhaupt. So auch für Catherine E.

Barry, damals Kuratorin beim Hayden

Planetarium in New York, die 1954 das

Buch «A trip through Space» heraus-

gab. Darin beschreibt sie – 15 Jahre vor

der ersten Mondlandung – wie Kurz-

trips ins All zukünftig an der Tages-

ordnung sein würden. Auch für Schul-

kinder hätte das gelten sollen. Statt auf

den Uetliberg ins All. Gemäss Novak

ist dies übrigens die einzige Darstel-

lung eines Mädchens, die sich in den

unzähligen Weltraum-Zukunftsvor-

hersagen findet. Nebst Schulausflügen

sah man unzählige weitere Möglich-

keiten: Kolonien, Spitäler, Hotels, Fa-

briken, Fitnesscenter – im All ist alles

möglich, dachte man.

Schon immer machten sich Visionäre Gedanken über die

Zukunft. Einige der daraus resultierenden Vorhersagen

wirken aus heutiger Sicht reichlich naiv. Andere sind dafür

bemerkenswert akkurat und mehr oder weniger so einge-

troffen, wie vorhergesagt. Ihnen allen gemein ist: Sie geben

faszinierende Einblicke in die Welt des Retro-Futurismus

– eine Zukunft, die nie stattfand. Die hier abgedruckten

Bilder und Illustrationen stammen vom Paleofuture Blog,

der vom Amerikaner Matt Novak seit 2007 betrieben wird

und sich ganz dem Retro-Futurismus widmet.

+ Nicht eiNgetroffeN

+ Nicht eiNgetroffeN

Worte: DaviD Fehr BilDer: paleoFuture.com

+ Teilweise eingeTroffen

1954

1954

Zurück in die Zukunft

1981

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Page 75: PUNKT Retro

home shopping

iron Boys

Die staDtim haus

Eine ziemlich genaue Vorhersage be-

züglich Einkaufen in der Zukunft er-

schien 1981 im Buch «The World of

Tomorrow: School, Work and Play».

Im Grunde genommen zeigt das Bild

mehr oder weniger exakt die Funkti-

onsweise von heutigem Home Shop-

ping auf: Man sitzt zuhause vor dem

Computer und bestellt die verschie-

denen Produkte, die (teilweise ma-

nuell, häufiger maschinell) abgepackt

und nach Hause geliefert werden.

Wörtlich heisst es im Artikel: «Shop-

ping wird in der Zukunft einfacher

und angenehmer sein. Computer

und Roboter werden es ihnen er-

möglichen, in den besten Shops ein-

zukaufen, ohne dafür einen Finger

rühren zu müssen.» Kleiner Schön-

heitsfehler: Neil Ardley, der Verfasser

des Buches, ging davon aus, dass die

Produkte von einer Live-Kamera ge-

filmt werden. Heutige Onlineshops

wie Amazon und Le Shop setzen da-

gegen auf Standardbilder.

Geschockt durch die grossen Verluste

und die Brutalität des ersten Welt-

kriegs war man bestrebt, die Opfer-

zahlen künftig zu minimieren. Die

Lösung: Roboterkrieger – sogenannte

Iron Boys. Die Illustration von 1926

zeigt einen solchen, wie er eine feindli-

che Maschine abschiesst. Eingetroffen

ist die Vorhersage nicht, noch immer

sterben in Kriegen Soldaten aus Fleisch

und Blut. Die Idee war jedoch alles an-

dere als absurd: Mittlerweile existiert

der Iron Boy. Er heisst Petman, wird

von Boston Dynamics in den USA pro-

duziert und ist vielleicht schon bald

im Fronteinsatz.

Eine der imposantesten und zugleich

bekanntesten Illustrationen des Retro-

Futurismus stammt von Grant E. Ha-

milton und wurde 1895 im Magazin

«Judge» veröffentlicht. Die Darstel-

lung zeigt die Welt von morgen, ist je-

doch eher als zynischer Kommentar

auf die damaligen Entwicklungen zu

verstehen denn als ernstgemeinte Zu-

kunftsvision. Um die Jahrhundert-

wende führten urbane Entwicklungen

zu Platznot, was Hamilton dazu ver-

anlasste, die Zukunft zu überzeichnen.

Im abgebildeten Moloch sind nebst

Wohneinheiten und Shops auch reli-

giöse Institutionen, eine dampfbetrie-

bene Eisenbahn und das Regierungs-

gebäude untergebracht. Im Begleittext

zur Ausstellung «Building Expecta-

tion», an der die Illustration ausge-

stellt wurde, heisst es zusammenfas-

send: «Der öffentliche Bereich wird

total absorbiert durch die monumen-

tale Macht der Privaten.» Staat ver-

sus Privat, eine Grundsatzdiskussion,

die auch in der heutigen Zeit nichts an

Aktualität eingebüsst hat.

+ Teilweise eingeTroffen

+ NocH NicHt eiNgetroffeN

+ Nicht eiNgetroffeN

1895

1926

1981

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retro-futurismusGenüssliches

Page 76: PUNKT Retro

Judith und Walter Hess leben in Luzern,

im Herzen der Schweiz. Beide haben ei-

ne Passion für Ästhetik und setzen die-

se nun in ihrem eigenen Uhrenlabel um.

Uhrmacher sind sie geworden, weil sie die

Zeitmesser, die ihnen vorschwebten, ein-

fach nirgends fanden. Da war es für das

Ehepaar Hess nur konsequent, eine ei-

gene Uhrenkollektion zu entwerfen. Das

Resultat sind die beiden Modelle «Two.1»

und «Two.2». Frei nach dem Motto «We-

niger ist mehr» entstand eine puristische,

elegante und auf das Wesentliche redu-

zierte Kollektion. Dualität als Kontrast-

programm ist die Devise von Hessuhren.

Matt und Glanz, Braun und Schwarz so-

wie Stahl und Rotgold kon trastieren wild

miteinander, steigern einander ge-

genseitig und verbinden sich. Die

«Two.1» – ausgestattet mit einer au-

tomatischen Zeitzonenuhr mit Gross-

datum, Rotgoldziffern und schwarzem

oder braunem Zifferblatt – ist das Mo-

dell für Kosmopoliten. Die «Two.2» hin-

gegen ist ein Klassiker, der durch seine

Schlichtheit besticht. Beide Modelle sind

wasserdicht bis zu einer Tiefe von 50 Me-

ter, verfügen über ein Krokolederband in

schwarz oder braun und natürlich sind

beide «Swiss Made».

ab CHF 8400.– | www.hessuhren.ch

puRisMus aus luzeRn

SCHREIBKULTUR Montegrappa, Italiens ältester

Schreibgerätehersteller, produziert nur im Hochpreissegment. Aus der

Kollektion Privilege stammt der achteckige Füller aus Sterling Silber

in mattem, grauem Harz. Er verfügt über eine 18 Karat Goldfeder

mit zwei Füllsystemen.

CHF 595.– | www.montegrappa.com

DER KLASSIKER

Der Lounge Chair, einer der

bekanntesten Entwürfe von Charles

und Ray Eames, entstand 1956 und

avancierte zum Klassiker der mo-

dernen Möbelgeschichte. Er verbindet

ultimativen Komfort mit höchster

Qualität in Material und Ausführung.

ab CHF 7661.– | www.vitra.com

NUSSBAUM FÜRS BÜRo

Wer das Besondere sucht, wird bei Pinch fündig. In den ausgetüftelten Designs kommen ausschliesslich

natürliche Materialien zum Einsatz. Nordischer Schick auf britische Art. Ein Möbelstück,

von dem auch das Auge kaum genug bekommen kann.

ab CHF 2600.– | www.pinchdesign.com

So HIP

Nerd meets

Future. Diese besondere

Fassung von Dior verbindet die XL-Form der Nerdbrille mit dem Futuretouch

des geometrisch verlaufenden Stegs.

CHF 410.– | www.dior.com

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pompös

Page 77: PUNKT Retro

Luxus-Refugium füR famiLien

Das Familienhotel Bellevue im tirolerischen Lermoos vereint auf faszi-nierende Art modernen Zeitgeist und Traditionen. Die oase verführt ihre Gäste – auch die kleinsten darunter – geradezu, den Alltag zu vergessen.

I m Herzen der Tiroler Bergwelt fernab von Hektik und Stress befindet sich das Hotel Bellevue. Für Familien lässt der 4-Sterne-Betrieb keine Wünsche offen. Spezielle Baby- und Kleinkinderausstattung steht im

ganzen Haus bereit. Der hoteleigene Kindergarten ist ein Paradies mit Kletter-land, Kreativ-Werkstatt und Spielzimmer. Hier werden Kinder betreut, wenn sich die Eltern eine Ruhe pause gönnen. Ein abwechslungsreiches Programm wartet auch auf die ganz Kleinen. Sind sie zwischen 3 und 20 Monate alt, kön-nen sie am Babyschwimmen und Babyturnen im Kribbl-Krabbl-Raum teil-nehmen. Hoch oben auf dem Dach mit grandiosem Blick auf das malerische Tal, im alpinen Panorama Spa, wird man eins mit sich und der Natur. Woh-lige Wärme mit feinem Heu-Holz-Aroma breitet sich in der Heustadl-Sauna aus, während die finnische Aussensauna den Kreislauf anregt. Neben dem Pool können die Gäste auf dem Sonnendeck entspannen und die heilende Wir-kung der Natur erfahren. Ein magischer Ort für gestresste Körper und Geis-ter. Am Abend serviert das charmante Personal des Four Mount Restaurants raffinierte Menüs, die von exzellenten Weinen aus dem sortierten Weinkeller begleitet werden. Erwähnenswert sind auch die Skizwergerl wochen vom 7. bis 21. Januar 2012: Übernachtungen «All-inklusive» mit Kinderbetreuung, -ski-schule und -skiausrüstung, sowie Skipässe für 2 Erwachsene und 1 Kind gibt’s ab 2614 Euro.

WETTBEWERB

Gemeinsam mit dem Hotel Bellevue verlost PUNKTmaga-

zin ein Verwöhn-Weekend: 2 Nächte für 2 Erwachsene und

1 Kind inklusive Verwöhnpension im Wert von rund 850

Franken. Eine Email an [email protected] mit

dem Stichwort «Tirol» genügt. Teilnahmeschluss ist der

15. Februar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

runD CHF 850.– | www.hotel-bellevue.at

NEU

IST ALT

Modebewusste

Männer ikonisieren

die klassische Garde-

robe, bedienen sich

vielerlei Aushilfen und

variieren diese neu. Sakkos

spielen weiterhin die Haupt-

rolle. Bei diesem Modell von

Baldessarini zeigt sich die

stilistische Vielfalt im Halb-

futter und den Paspelierungen

im Camouflage-Design sowie

den Leder-Ärmel-Patches.

prEiS auF anFragE

www.baldessarini.com

PunktmagazinN°35RetRo

77

PomPösGenüssliches

Page 78: PUNKT Retro

HandgemacHt Rückwärts zu gehen ist nicht

jedermanns Sache. Vielleicht klappt’s mit den

Schuhen von Ylati besser. Das junge Label stammt

aus Campania, Italien, der Name steht für Italy –

rückwärts ausgesprochen. Die Schuhe überzeugen

durch qualitativ hochwertiges Leder aus der

Toskanaregion und sind handgefertigt.

AB CHF 200.– | www.ylatifootwear.com

Ein FEls in dEr Brandung Die Reisetasche Joe Vintage

von Aunts & Uncles ist aus bestem Leder gefertigt. Sowieso,

Aunts & Uncles überzeugen durch ehrliche Produkte, die nicht

nur dank ihres eigenen Charakters eine Geschichte erzählen.

Pflanzlich gegerbtes Rindleder, das natürlich geölt und

gewachst wird, sorgt für eine ganz besondere Qualität.

CHF 249.– | www.auntsanduncles.de

ob Chalet in den Bergen oder Dreizimmer-Wohnung in der Stadt – dank ID11 hält das rustikale Flair in jedem Zuhause Einzug.

W as schwer zu bekommen ist, gilt als besonders begehrenswert. Die-se einfache Binsenwahrheit hat sich auch die Wirtschaft zu Nutze gemacht. In diesem Fall ist es die Zeit, die limitiert ist. Seit über

13 Jahren ist Marco Rampinelli im Pop-up-Geschäft zu Hause. Die Philoso-phie dahinter ist, dass die Läden nur temporär geöffnet sind. So wie in sei-nem id-Shop in Zürich, in dem jeweils nur während der Wintermonate ein-gekauft werden kann. Nebst restaurierten Swissair-Trolleys findet man dort ausgefallene, exquisite und rare Wohnobjekte sowie modische Accessoires. Ob Fellshopper, Kerzenständer, Kronleuchten aus Hirschgeweihen, Felle, Kanin-chendecken, Kissen, Lampen, Präparate oder ausgesuchte Silberkostbarkei-

ten: Die aussergewöhnliche Vielfalt bietet für jeden etwas. Marco Rampinelli engagiert sich zudem sozi-al, einige seiner Produkte werden in Kooperation mit der Werkstätte Drahtzug hergestellt, die sich für die Wiedereingliederung von psychisch beeinträchtigten Menschen einsetzt. Für den Inhaber ist es ausserdem ein grosses Anliegen, nur Felle von Nutztieren oder aus der Jagd zu verarbeiten. Wie bereits id10 befindet sich der neue id11-Pop-up-Store an der Kreuzstrasse

15 in Zürich, der noch bis zum 24. März 2012 geöffnet ist. Wer sich ein genaueres Bild von den Produkten machen will, kann das auf der Inter-netpräsenz von id11 tun.

PUNKTmagazin verlost gemeinsam mit id11 einen Gutschein

im Wert von 500 Franken. Eine Email an wettbwerb@punkt-

magazin.ch mit dem Stichwort «ID11» genügt. Teilnahme-

schluss ist der 15. Februar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

CHF 500.- | www.id11.ch

id11 – The ArT oF ChAleT ChiC

WETTBEWERB

RetRoN°35Punktmagazin

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Quotidian

Page 79: PUNKT Retro

Obwohl dem Land Rover Defender schon

mehrfach das Ende prophezeit wurde,

geht seine Geschichte weiter. Totgesagte

leben eben doch länger. Es waren aber

nicht etwa Anpassungen, die den Defen-

der über die vergangenen Jahrzehnte ge-

rettet haben, im Gegenteil: Er sieht heute

noch fast genauso aus wie bei der Premi-

ere Anno 1948. Der Defender ist vermut-

lich einer der bekanntesten Geländewa-

gen aller Zeiten, seine Beliebtheit ist noch

immer ungebrochen. Land Rover hat von

der Ikone in mittlerweile 130 Ländern

rund zwei Millionen Stück verkauft. Von

der im Jahr 2002 erstmals vorgestellten

und immer noch aktuellen Modellversi-

on werden Jahr für Jahr durchschnittlich

25 000 Fahrzeuge abgesetzt. Zwar ist sich

der Defender treu geblieben, doch durch

viele Verbesserungen wurde er in den

vergangenen Jahren ständig weiter ent-

wickelt und modernisiert – sowohl beim

Fahrkomfort als auch bei den fast schon

legendären Leistungen im Gelände. Im

Modelljahr 2012 setzt sich dieser Trend

fort, denn neben dem neuen, sauberen

2,2-Liter-Dieselmotor sorgen unter an-

derem fünf Optionspakete für eine grö-

ssere Wahlfreiheit. Laut Range Rover soll

es den heutigen Defender noch bis 2015

geben. Was dann folgt, ist ungewiss. Wer

noch einen will, sollte jetzt zugreifen.

ab CHF 39 900.–

www.landrover.ch

ein lebendiges

fossilFür die Westentasche

Da schlägt nicht nur das

Sammlerherz höher. In Koope-

ration mit der Firma Rollei bie-

tet Minox die kleinste funkti-

onsfähige Rolleiflex der Welt

an. Die Digitalkamera (hier

im Verhältnis 1:1 abgebildet)

kommt im Look der berühm-

ten 6x6 Reflex Camera daher

und hat eine Auflösung von bis

zu 3,1 Millionen Pixel.

CHF 422.– | www.minox.com

Digital? egal!

In den 40-er Jahren trat die Jukebox

ihren Siegeszug an. Innert Kürze war sie in fast

jeder Bar und in vielen Restaurants anzutreffen.

Man brauchte nur eine Münze einzuwerfen,

die gewünschte Platte auswählen – und gute Stim-

mung war garantiert. Das von The Gamesroom

Company komplett restaurierte Modell aus

dem Jahr 1958 überzeugt durch gute Sound-

qualität und bietet 100 Vinylplatten Platz.

AB CHF 2000.– | www.gamesroomcompany.com

Ästhetik und design Die

stylische Anlage von vita audio

macht in jedem Wohnzimmer

eine gute Figur. Nebst dem

Emfpang von digitalen Radio-

signalen kann das Gerät auch

herkömmliche CD abspie-

len. Dank integrierter iPod-

Docking- Station lassen sich

zudem auf portablen Geräten

gespeicherten Songs anhören.

AB CHF 1498.–

www.vitaaudio.ch

PunktmagazinN°35RetRo

79

QuotidianGenüssliches

Page 80: PUNKT Retro

Kunstvolles Recycling

Die Fischer der afrikanischen Westküste

schmücken ihre Boote mit bunten, geo-

metrisch angeordneten Mustern. Wenn

sie jeweils ans Festland zurückkehren, bil-

den sie mit ihren Booten vor der Küste ein

buntes Mosaik. Designer aus Spanien wa-

ren stark fasziniert von diesem Bild und

entschlossen sich, den ausgedienten Boo-

ten neues Leben einzuhauchen. Aus den

mittlerweile seeuntauglichen Holzschif-

fen erschaffen sie vielfältige Designer-

stücke. Mit einheimischen Handwerkern

gehen sie auf die Suche nach alten Boo-

ten und kaufen sie den Fischern ab. Dar-

aus werden – je nach Holzbeschaffenheit

und Farbkombinationen – diverse Möbel

gefertigt. Jedes Produkt wird von loka-

len Handwerkern hergestellt und ist ein-

zigartig, denn keine zwei Boote weisen

die gleichen Muster- und Farbmerkma-

le auf. Das verwendete Sambaholz wird

jedoch nicht behandelt, schliesslich sol-

len die Stücke so originalgetreu wie mög-

lich sein. Die kunstvoll gefertigten Möbel

verschönern so manches Wohnzimmer.

Artlantique verfolgt zwar klar ein kom-

merzielles Ziel, macht aber auch viel Gu-

tes. Sie schaffen eine soziale und kulturel-

le Bindung und geben Jugendlichen eine

neue Perspektive. Jungen Menschen, die

auf der Suche nach einem besseren Leben

in Europa ihr Glück möglichweise auf ge-

nau einem solchen Boot suchen würden.

prEiS auF anFragE

www.artlantique.com

Wie gesund bist du? Ein Armband, das mittels Sensoren den ganzen Tag misst, wie man

sich verhält, ist eher ungewohnt. UP kommt ohne drahtlose Verbindungen aus, lässt sich via

Kabel mit diversen Smartphones verbinden und berichtet anschliessend von der eigenen Sport-

lichkeit. Wie weit ist man gelaufen? Wann und wie lange hat man geschlafen? UP weiss es.

CHF 125.- | www.jawbone.com

Luxus Box Grey Goose

überrascht diesen Winter

nicht nur Liebhaber des Ge-

nusses, sondern auch Fans

des Edelkristalls. Gemeinsam

mit Baccarat, führender

Hersteller von Luxuskristall-

produkten, hat der Wodka-

produzent eine luxuriöse

Geschenkbox lanciert.

CHF 239.– | im Fachhandel

Wasserdichter städtetrip

Sie waren bereits in bekannten

Filmen und Serien wie Gossip

Girl, Lost oder I am Legend zu

sehen: Die roten Cityguides von

Redmaps. Alle paar Monate wer-

den die wasserdichten Städte-

führer mit den neusten Bars, Re-

staurants, Museen und weiteren

Attraktionen aktualisiert.

AB CHF 8.– | www.redmaps.com

InteraktIver tIsch

Der von den 80-er Jahren inspirierte Retro-

Gametisch beinhaltet über 60 Retro-Spiele. Der

17cm Zoll LCE-Monitor wird von 6 Millimeter

dickem Sicherheitsglas geschützt. Für einen

sicheren Stand sorgen Edelstahl-Tischbeine.

www.gamesroomcompany.com

AB CHF 3500.–

Leuchtende BriLLianz Normstableuchten werden durch ei-

nen Stern und zwei Ringe aufgespannt und wieder gebündelt.

Aus der Verbindung von rohem Industrieprodukt und polierten

Chromstahl-Elementen entsteht ein opulenter

Leuchter. Die Leuchten sind mit LED-Bändern ausgestattet.

Diese verfeinern das Design und erzeugen eine Brillanz, die

sich im polierten Stern spiegelt und vervielfältigt.

preis auf anfrage | www.zmik.ch

RetRoN°35 Punktmagazin

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GenüsslichesApArt

Page 81: PUNKT Retro

DIE SCHWEIZER FINANZMESSE01.–03. Februar 2012KONGRESSHAUS ZÜRICH

FACHBESUCHERTAGMittwoch, 1. Februar 2012

PUBLIKUMSTAGEDonnerstag und Freitag, 2. bis 3. Februar 2012 www.fondsmesse.ch

Veranstalter Messepartner Hauptsponsoren Medienpartner

Co-SponsorenBanque Cantonale Vaudoise | BlackRock Asset Management Schweiz AG | BNY Mellon Asset Management | Danske InvestEdmond de Rothschild Group | ETF Securities (UK) LTD | ING Investment Management (Schweiz) AG | Invesco Asset Management (Schweiz) AG | IPConcept Fund Management | OYSTER Funds | Société Générale / Lyxor Asset Management | SwisscantoSwissquote Bank AG

Page 82: PUNKT Retro

überflüssig. Dass die Arbeitsbe-lastung stetig zunimmt, sei hier nur am Rande erwähnt. Tempo ist zu einem Wettbewerbsvorteil geworden. «In der Ruhe liegt die Kraft», ist man versucht, den Ge-hetzten zuzurufen. Und ob Fir-men die Ressource Zeit – auch die Zeit ihrer Angestellten notabene – sinnvoll einsetzen, ist sowieso fraglich. Oder denken Sie, dass die Nine-to-five-Mentalität noch zeitgemäss ist?

Die Zeit läuft uns davon. Die Welt leidet unter dem Einfluss von Finanz-, Immobilien- und Euro-Krisen. Wenn sich die nega-tiven Meldungen in den Zeitun-gen überschlagen, drängt sich die Frage auf, ob es nicht vielmehr ei-ne Zeitkrise ist. Die Bombe tickt, der Countdown läuft, doch wie lange dauert es noch bis zur Ex-plosion? Ob sich die europäische Gemeinschaft überhaupt aus dem Schlamassel herauswinden kann, ist bereits fraglich. Und selbst wenn: Werden die Lösungen nachhaltig und überzeugend sein, damit nicht erneut die Genera-tionen nach uns die Zeche dafür

bezahlen müssen? Oder bleibt es beim – riskanten – Spiel mit der Zeit? Apropos Zeit: Die vergeht auch zwischen einem Einkauf mit der Kreditkarte und dem Er-halt der Rechnung. Doch die Zeit, bis die Schuld komplett abbezahlt werden kann, ist meist viel län-ger. Im schlechtesten Fall gelingt es nie. Den Kreditgebern soll es recht sein, schliesslich heimsen sie exorbitante Zinsen ein. Dass ihre Werbung gezielt ein junges Ziel-publikum anspricht, macht die Sache nicht besser. Droht ein Ver-armen auf Zeit? Hoffen wir es nicht, gerade jetzt, wo sich das Immer-mehr-Zeitalter vielleicht dem Ende zuneigt. Das kann durchaus als Chance betrach-tet werden. Doch ist persönliches Wohlbefinden abseits der mass-losen Konsumgesellschaft über-haupt möglich?

Zeitlos. Sie ist sozusagen der Urmeter der Uhren und hat sich in den vergangenen Jahr-zehnten praktisch nicht verän-dert: Die Schweizer Bahnhofsuhr. Auch im Kleinformat – zu finden am Handgelenk von Patrioten

und SBB-Freaks – tickt sie im-mer nach dem gleichen Muster. Ganz so zeitlos wie die Schwei-zer Bahnhofsuhr ist PUNKTma-gazin nicht, dessen sind wir uns bewusst. Doch wir arbeiten da-ran. Und um noch ansprechen-der daherzukommen, nutzen wir die Winterpause für einen inhalt-lichen und grafischen Feinschliff. Mit einer optimierten Lesefüh-rung und ausgebauten Inhaltsge-fässen wollen wir im neuen Jahr noch mehr von Ihrer Lesezeit ge-winnen. Doch keine Sorge, Sie werden mit der ersten Ausgabe Ende Februar 2012 kein komplett neues Heft vorfinden, PUNKT-magazin bleibt PUNKTmagazin.

Zeit, um zu danken. An dieser Stelle tun wir etwas vom zeitlo-sesten überhaupt, wir bedanken uns. Und zwar bei Ihnen, liebe Leser. Für das Vertrauen, das Sie uns beim Lesen jeder Ausgabe entgegenbringen – und hoffent-lich auch im neuen Jahr entge-genbringen werden.

Wir wünschen Ihnen ein frohes und erfolgreiches Jahr 2012.

Nach der Retrospektive folgt der Blick in die Zukunft. Es ist wie-der an der Zeit, nach vorne zu schauen. «Zeit» ist zugleich das Schwerpunktthema der nächs-ten Ausgabe. Wiederum sollen die unterschiedlichsten Aspek-te, die dem Begriff untergeord-net werden können, unter die Lu-pe genommen werden. Folgen Sie uns auf drei Gedankengängen, die einen Einblick in PUNKTzeit geben. Die Ausgabe wird Ende Februar am Kiosk erhältlich sein.

Zeit, der Luxus von morgen. Wir leben in einer Highspeed-Gesellschaft. Umso merkwürdiger erscheint die Tendenz, in Sitzun-gen unnötig Zeit zu verplempern. Bestätigt wird dies durch eine Studie, in der die Macher zum Schluss kamen, dass Topmana-ger rund die Hälfte ihrer Arbeits-zeit in Konferenzen und Meetings verbraten. Auch die Ergebnisse der begleitenden repräsentativen Umfrage sind verheerend: 86 Pro-zent der Befragten erklären, die meisten Sitzungen seien schlicht

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descendo

WorteRinoBoRiniBildFaBianWidmeR

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Und wir wissen auch, wie man komfortabel reist: zum Beispiel in SWISS Business. Mit Annehmlichkeiten wie saisonal wechselnden Sterne-Menüs, viel Privatsphäre und dem Komfort eines komplett achen Bettes. Wie ausgezeichnet dies weltweit ankommt, zeigt der Gewinn des World Travel Awards in der Kategorie «Europe’s Leading Airline Business Class». Erfahren Sie mehr über unser Flugangebot – im Reisebüro oder auf swiss.com

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Fidelity Funds – Global Real Asset Securities Fund (ISIN LU0417495479). Fidelity Funds ist eine offene Investmentgesellschaft luxemburgischen Rechts. Wir empfehlen Ihnen, Anlageentscheidungen nur auf Grund detaillierter Informationen zu fällen. Der Wert der Anteile kann schwanken und wird nicht garantiert. Investitionen sollten auf Basis des aktuellen Verkaufsprospektes und vereinfachten Prospektes getätigt werden. Diese Prospekte sowie der aktuelle Jahres-/Halbjahresbericht sind kostenlos bei den berechtigten Vertriebsstellen, beim europäischen Service-Center in Luxemburg oder beim Vertreter in der Schweiz (BNP Paribas Securities Services, Paris, succursale de Zurich, Selnaustrasse 16, 8002 Zurich) erhältlich. Zahlstelle für die Schweiz ist die BNP Paribas Securities Services, Paris, succursale de Zurich, Selnaustrasse 16, 8002 Zurich. Fidelity, Fidelity Worldwide Investment, das Logo Fidelity Worldwide Investment und das Symbol F sind Warenzeichen von FIL Limited.

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