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0 Abstracts Neue Kulturgeographie VII 28. - 30. Januar 2010 „Mind the Gap“ – Von Brüchen und Differenzen Geographisches Institut

Neue Kulturgeographie VII file3 Philippe Kerstin (Mainz) Wenn sich Geomorphologie und Neue Kulturgeographie in Ruanda begegnen… 17 Matthias Lahr (Mainz) (Don’t you dare) Mind the

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Abstracts

Neue Kulturgeographie VII28. - 30. Januar 2010

„Mind the Gap“ – Von Brüchen und Differenzen

Geographisches Institut

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Inhaltsübersicht

Seite

Katharina Abdo (Eichstätt)Zwischen Mauer und Zaun: Zum heterotopen Alltag unmöglicher Orte 4

Bernd Adamek-Schyma (Leipzig)Geographie als Kunst – vom geisteswissenschaftlichen Potential 5einer Idee

Bernd Belina (Frankfurt/M.)Against / Contre / Gegen Marx: Wer, mit welchen Argumenten und warum? 6Thesen zum geographischen Anti-Marxismus in drei disziplinären Kontexten

Bastian Bruk (Dresden)Raumbezogene Semantik in deutschsprachiger Populärmusik 7

Béatrice Collignon (Paris 1)Des apports d'une recherche sur les espaces domestiques à la géographie 8Humaine en général et à la géographie culturelle en particulier

Tom Croll-Knight (Sheffield)On radical music and the space of perception 9

Anika Duveneck (Leipzig)Kommunale Bildungslandschaften als Arrangements zurSpektakularisierung von Kindheit 10

Iris Dzudzek (Münster)Governing (through) Diversity – Diversity Management alsgouvernementale Führungspraxis im postfordistischen Produktionsregime 11

Jonathan Everts (Bayreuth)Geographien der Angst- Epidemien und Terrorismus 12

Tilo Felgenhauer (Jena)System-Nutzer-Interaktionen als Formen der symbolischenRaumkonstruktion 13

Hans Gebhardt (Heidelberg)40 Jahre nach Kiel ? verloren gegangene Perspektiven der Geographieim Kontext aktueller Hochschulpolitik 14

Yusif Idies (Leipzig)Wissen wo's herkommt. Zur Formierung des „bewussten“ Selbstim ethischen Konsum 15

Holger Jahnke (Flensburg)Über das Vergessen – oder: Auf der Suche nach einer HumanistischenGeographie 16

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Philippe Kerstin (Mainz)Wenn sich Geomorphologie und Neue Kulturgeographiein Ruanda begegnen… 17

Matthias Lahr (Mainz)(Don’t you dare) Mind the gap! Empirisch begründete Gedanken zum gapzwischen „Diskurs“ und „Praktik“ aus praxistheoretischer Perspektive 18

Olivier Milhaud, (Bordeaux 3/ Paris IV)Avec Foucault, après Foucault : une géographie des prisons françaises 19

Vincent Moriniaux (Paris IV)Esskultur und Kulturgeographie in Frankreich 20

Fabrice Ripoll (Paris 12)« La dimension spatiale d’un monde social dans tous ses états :quelques arguments à partir d’enquêtes sur la construction d’actionscollectives dans la France contemporaine » 21

Julian Röpcke (Postdam)Semantik und Diskurs. Zur Nutzbarmachung bestehender Differenzenunter der Voraussetzung der Anerkennung gegenseitiger Synergieofferten 22

Matias Ruiz Lorbacher (Berlin)"Märkte als Bühnen: Performativität und Performanz" 23

Martin Scharvogel (Kassel) und Mirka Dickel (Hamburg)Auf den Spuren der Widersprüche in der Produktion des Raumes –ein Vorschlag für eine kulturgeographische orientierte Geographiedidaktik 24

Jörg Scheffer (Passau)Die Neue Kulturgeographie als Interkulturelle Disziplin? Zur Diskrepanzvon Dekonstruktion und Rekonstruktion räumlicher Kollektivität inWissenschaft und Praxis 25

Malte Steinbrink (Osnabrück)Fußball-Spiel und Wander-Arbeit 26

Jan-Erik Steinkrüger (Bonn)Aktuelle Formen von „Völkerschauen“ im historisch-kulturellen Kontext 27

Leïla Vignal (Oxford) & Serge Weber(Marne-La-Vallée)L’espace des flux: ou comment les nouvelles mobilités bousculentl’analyse géographique 28

Florian Weber (Erlangen)Banlieues und ethnische Differenz- Transdisziplinäre und transnationaleBrüche und Differenzen 29

Barbara Zahnen (Berlin)Brüche und geographische Existenz 30

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Katharina Abdo (Eichstätt)Zwischen Mauer und Zaun: Zum heterotopen Alltag unmöglicher Orte

Waren Grenzen der paradigmatische Ort einer ordnungsbesessenen Moder-ne, macht das globale Zeitalter Entgrenzung und Grenzverhandlung, Grenz-arbeit allgemein, zu seinem zentralen Topos. Nicht nur nationalstaatlicheGrenzen werden durchlässig. Angestiftet von der poststrukturalistischen undpostkolonialen Einsicht in die prinzipielle Unabschließbarkeit der Differenzie-rung werden Grenzziehungen allgemein kontingent. Zuvor als selbstverständ-lich hingenommene Linien der staatlichen Kontrolle räumlicher Bewegungwerden nun zum Ausdruck gewaltförmiger Bemühungen Differenz räumlich zustabilisieren. Ein ganz besonderer Ort gewaltförmiger Differenzierung soll imMittelpunkt unseres Beitrags stehen. Seit 2002 errichtet Israel eine Sperran-lage zur Westbank, die in ihrem Verlauf teilweise weit über die internationalanerkannte »Grüne Linie« auf palästinensisches Territorium ausgreift. Teilsals Mauer, teils als Zaun errichtet, bringt die unilateral festgelegte Grenze mitdem Bereich zwischen Mauer und Grüner Linie eine völlig neue Raumkatego-rie hervor. Diese so genannte Nahtzone, weder Israel noch Palästina undnach internationalem Recht nicht existent, ist ein unmöglicher Ort, ein Ort au-ßerhalb aller Orte, eine militärisch bewachte, ein- und ausschließende Hetero-topie, die gleichsam nichts und alles andere ermöglicht. Wie die empirischeBeschäftigung mit den Alltagswelten der ein-/ausgegrenzten Bevölkerung indrei palästinensischen Dörfern in der Nahtzone westlich von Bethlehem zeigt,werden durch den heterotopen Charakter des ein- und ausgemauerten OrtesBrüche und Differenzen nicht nur reproduziert, sondern zum Teil auch aufge-hoben und gewendet, Objekte und Identitäten werden neu verortet, Räumewerden über Gräben und Brüche hinweg vervielfältigt, und weil heterotope Or-te »mit allen andern in Verbindung stehen und dennoch allen anderen Plazie-rungen widersprechen« (Foucault 1967: 149), lässt sich mit der praxistheore-tischen Perspektive auf alltägliche Grenzarbeit auch zu einer anderen Lektüredes Nahostkonflikts beitragen.

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Bernd Adamek-Schyma (Leipzig)Geographie als Kunst – vom geisteswissenschaftlichen Potentialeiner Idee

Die Idee von der Geographie als Kunst zieht sich wie ein feiner, kaum sicht-barer aber immer wieder nuanciert aufleuchtender roter Faden durch die Ge-schichte unseres Faches. Schon recht früh vorformuliert wurde die Forderungnach einer Geographie als Kunst in der deutschsprachigen Geographie erst-mals explizit in den 1920er Jahren von Landschaftsgeographen, die sich mitästhetischen Aspekten von Landschaft befassten. In den 1970er Jahren wur-de diese Idee vor einem anderen historischen Hintergrund von der anglopho-nen Humanistic Geography neu kontextualisiert. In der aktuellen Debatte ummehr-als-repräsentationale Geographien und eine Neuthematisierung vonMaterialität blitzen zentrale Aspekte dieser Idee in umgearbeiteter Form undvor dem Hintergrund der Fragestellungen von Geographien jenseits des Cul-tural Turns immer wieder auf. Daran anknüpfend macht der Vortrag auf einenbislang nur fein ziselierten Bruch innerhalb der Geographie aufmerksam: IlseHelbrecht und Jürgen Hasse beklagten bereits zu Beginn der 2000er Jahredas nahezu exklusiv vorherrschende (Selbst-)Verständnis der Geographie alsSozialwissenschaft und die konstruktivistische „Soziologisierung“der Geographie. Verstanden als Geisteswissenschaft könnten in der Geogra-phiejedoch Potentiale freigelegt werden, die Suchenden Orientierung im Dickichtaktueller Richtungsunsicherheiten bieten. Mit einer Zuwendung zur geistes-wissenschaftlichen Seite der Geographie könnten u.a. ästhetisch-aisthetischePhänomene und poetische Aspekte des ortsbezogenen (Er-)Lebens und Er-fahrens einbezogen werden. V.a. die dadurch neu geschaffenen sprachlichenundaußersprachlichen Möglichkeiten könnten sich als tragbar erweisen, um inno-vativaktuelle Fragestellung der Geographie anzugehen.

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Bernd Belina (Frankfurt/M.)Against / Contre / Gegen Marx: Wer, mit welchen Argumenten und wa-rum?Thesen zum geographischen Anti-Marxismus in drei disziplinären Kon-texten

Zwei Brüche will ich thematisieren: Den zwischen englisch-, französisch- unddeutschsprachiger Geographie in ihrer jeweiligen Situation in der 1970er und80er Jahren sowie jenen zwischen „marxistischer“ und „bürgerlicher“ Wissen-schaft. Als Material dienen mir drei Kontroversen, oder besser: drei Texte, indenen bürgerliche, anti-marxistische Geographen ihrer jeweiligen geographi-schen Community von machtvollen Sprecherpositionen aus erklären, dassund warum Marx nicht gut für die Geographie ist. Während Claval (1977) undGould (1988) sich hierzu intensiv mit den Schriften von Marx befassen, umsie und an sie anschließende geographische Arbeiten für untauglich zu erklä-ren, genügen Wirth (1980) Hinweise auf deren „schwache“ Qualität sowie einHinweis auf seine Kriegsgefangenschaft in der UdSSR. Warum, so die Fragedes Beitrags, wurde in den drei disziplinären Kontexten der Bruch zwischenmarxistischer und bürgerlicher Wissenschaft in der Geographie so unter-schiedlich verhandelt? Ohne den Anspruch, diese Frage endgültig beantwor-ten zu können, soll die Auseinandersetzung mit ihr Hinweise auf die Art undden Inhalt der ihr zugrundeliegenden Brüche liefern.

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Bastian Bruk (Dresden)Raumbezogene Semantik in deutschsprachiger Populärmusik

In dem Vortrag möchte ich Ergebnisse meiner Untersuchungen zu spezifi-schen raumsemantischen »Sprechweisen« (FLIEGE 1997) innerhalb populä-rer Musik vorstellen. Die Untersuchungen basieren auf den Ergebnissen mei-ner Diplomarbeit, die ich an der TU Dresden geschrieben habe. Ziel war es,semiotischeSinnsysteme kollektiver Weltdeutungen anhand verbaler Ausprägungsformeninnerhalb populärer Musikkulturen zu erschließen.Bislang finden sich innerhalb der deutschen Geographie nur sehr wenige Ar-beiten mit raumsemantischen Inhalten von Musiktexten. Unter Bezugnahmeauf Arbeiten anglophoner Autoren (CARNEY 1978; KONG 1995; HUDSON2006; CONELL/GIBSON 2006) und das Konzept der »Raumsprache«(SCHLOTTMANN 2005) wurde die textliche Dimension der kulturellen Praxisdes Musizierens unter dem Blickwinkel einer Mensch-Umwelt- Beziehung un-tersucht. Im Fokus der thematischen Analyse musikalisch umrahmter Lyrikstanden raumbezogene Sprachgefüge, spezifische Identifikationen in Formvon Images, Stereotypen und sonstige Valenzen, die im Medium Populärmu-sik hergestellt werden. Methodisch basierte die Arbeit auf einer induktiv-interpretativer Analyse von Popmusiktexten der Genres Schlager, Hip Hopund linker Punkrock.Im Vortrag soll das Phänomen der »Raumlieder« beispielhaft anhand derGruppe linksengagierter Punkmusik beleuchtet werden. Hierbei wird die Be-schreibung von Orten und Arealen unter dem Aspekt der Herstellung vonRaumverständnissen und deren kulturellen Inhalten näher thematisiert. ImZuge dessen gilt es, die der Musik immanenten sprachlichen Identifikations-mechanismen von und mit Räumen, Lokationen oder raumbezogenen Perso-nen und deren maßstäbliche Bezüge aus einer handlungsgeographischenPerspektive zu erschließen. Daran anknüpfend werden spezifische, teils re-kursive, Regionalisierungen innerhalb dieser popkulturellen Stilrichtung auf-gezeigt.Der Weg durch die Ausprägungsformen der Popkultur mündet schließlich inder Feststellung, dass unterschiedliche Genregruppen mit dezidiertenSprechweisen über und mithilfe von Räumen und Orten agieren und dabeiauf soziale Tatsachen verweisen. Abschließend wird die Frage nach pädago-gischen und regionalen Nutzungspotentialen raumbezogener Populärmusikdiskutiert.

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Béatrice Collignon (Paris 1)Des apports d'une recherche sur les espaces domestiques à lagéographie humaine en général et à la géographie culturelle enparticulier

En France, la géographie culturelle, comme la géographie humaine en géné-ral, a mis beaucoup de temps à voir les espaces domestiques comme desespaces géographiques, et à considérer que les géographes étaient légiti-mes pour les étudier.Après une présentation rapide des conditions de l'introduction des espacesdomestiques comme objets de recherche dans la géographie culturelle fran-çaise, cette communication proposera une réflexion ouverte sur les apportsde cette introduction pour la recherche en géographie culturelle et en géo-graphie humaine en général. On insistera sur les questions de méthode etd'éthique dans la recherche de terrain, et sur le concept d'espace dans la ré-flexion théorique.L'auteur s'appuiera pour cela sur ses recherches empiriques menées auprèsdes Inuit de l'arctique occidental canadien, ainsi que sur son expérience deco-organisation (avec J.-F. Staszak) en 2002 du 1er colloque (pluridiscipli-naire) organisé par des géographes français sur les espaces domestiques.

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Tom Croll-Knight (Sheffield)On radical music and the space of perception

Over the last decade or so, Anglo-American geography, as well as the socialsciences more widely, has displayed a growing interest in sound and music.Concerns range from the construction of national identity to music of Other-ness, but the methods, it might be said, are rather more limited in that re-searchers remain tied to the very well established social science canon (e.g.semi-structed interviews, participant observation). In short the 'music' is notreally engaged with, as textual methods act as surrogate and interlocutor, in asituation where the non-textal and non-linguistic immediacy of sound are infact (necessarily) of great importance. Through an exploration into two exam-ples of what we can call 'radical music' (avant-garde composer ArnoldSchoenberg and rap group Public Enemy), in which I develop computer-assisted 'musical methods' to manipulate the music itself, I offer a detailedanalysis of the listening experience. In doing so I aim to demonstrate that thecritical social study of music should pay special attention to the specificity ofmusical aesthetics, and thus also think carefully about the deeply embodiedand perceptual basis for politics and political activism. Not only does this re-search therefore contribute the social study of music, but it is also well situ-ated to speak to contemporary debates around corporeality and affect.

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Anika Duveneck (Leipzig)Kommunale Bildungslandschaften als Arrangements zur Spektakulari-sierung von Kindheit

Die Konzeption der „childhood as spectacle“ ist die theoretische Antwort CindiKatz‘ auf die Beobachtung zu den gegenwärtigen Entwicklungen von Kind-heit, die im Zuge neoliberaler Individualisierungs- und Prekarisierungsprozes-se (wieder) als Quelle der Wertschöpfung und Bearbeitungsstrategie für ge-sellschaftliche Zukunftsängste entdeckt wird. Aus Perspektive der kritischenKindheitsgeographie, in deren Zentrum Fragen zur Vermittlung von Politi-scher Ökonomie und der sozialen Konstruktion vom Kindheit stehen, diagnos-tiziert Katz die Gleichzeitigkeit a) der Darstellung von Kindheit als unbe-schwerter, freier Lebensabschnitt in Werbung, in Mode und öffentlichem Le-ben und b) von massiven Veränderungen, die mit dem Bedeutungsanstiegdes Leistungsmotives zu Lasten des Spaßmotives einher gehen. Dass sichdas Bild von Kindheit von der Erfahrung, Kind zu sein, entkoppelt bzw. „theimage, in other words, exceeds the object“ (Katz 2008, S.8), kann als Pro-zess der Spektakularisierung im Sinne des situationistischen TheoretikersGuy Debord gefasst werden und beschreibt die Ausweitung der MarxschenFetischlogik auf Kindheit.Im Vortrag wird nicht nur die materialistische Konzeption des Ansatzes nähererläutert, sondern auch ausgeführt, inwiefern diese Herangehensweise für dieAnalyse von „Kommunalen Bildungslandschaften“ von hohem Wert ist. FürKommunen ist der Gedanke der Entwicklung eines kohärenten Gesamtsys-tems von Bildung, Erziehung und Betreuung in eigener Durchführungsver-antwortung überaus attraktiv, wird Bildung doch als DER erfolgversprechendeund zukunftsweisende Standortfaktor gehandelt, dessen Förderung die Ver-besserung der eigenen Position im interkommunalen Wettbewerb verheißt.Aus kindheitsgeographischer Perspektive stellt die Vernetzung von Ganz-tagsschule mit öffentlicher Jugendhilfe, Kultur, Sport, lokaler Wirtschaft undzivilgesellschaftlichen Akteuren einen massiven Eingriff in die Geographienvon Kindern dar: Kindheit würde sich mit der Umsetzung in noch nie gegebe-nem Ausmaß in (lokal-)staatlich bereit gestellten Räumen unter (lokal-)staatlicher Obhut abspielen und unter einem wettbewerbspolitischen Zugrifferfolgen.Wie die Beziehung zwischen Kommunen und Kindern bzw. Kindheit unterZugrundelegung des Spektakelansatzes kritisch-kindheitsgeographisch ge-fasst und untersucht werden kann (sowie welche Brüche dabei zu berücksich-tigen sein werden), wird Gegenstand der Ausführungen sein.

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Iris Dzudzek (Münster)Governing (through) Diversity – Diversity Management als gouverne-mentale Führungspraxis im postfordistischen Produktionsregime

Der Umgang mit (kultureller) Differenz hat auch im Bereich der Ökonomie ei-nen tief greifenden Wandel erfahren. Während in der Phase des Fordismusdie standardisierte Masse das Maß der Dinge war, ist es die flexible Vielfalt imPostfordismus. Dies gilt nicht nur für die Produkte, sondern in gleicher Weisefür ihre Produzenten. Galt Vielfalt lange Zeit eher als ein Störfaktor normierterArbeitsprozesse, wird sie heute integriert und flexibel in Wert gesetzt. Sie wirdfür Unternehmen zunehmend zu einer ökonomischen Ressource, die sichauszubeuten lohnt. Vielfalt und die damit einhergehenden frischen Ideen,Kreativität, Andersartigkeit und Distinktion vom Normalen sind den Unterneh-men nicht unmittelbar als Ressource zugänglich. Diversity Management lieferteinen Diskurs, der in der Lage ist, Vielfalt in eine Form zu bringen, die öko-nomisierbar ist. Er ruft Subjekte als zugleich ökonomische und kulturell vielfäl-tige Subjekte an und setzt sie damit in Wert.

Der Vortrag nimmt die dazu notwendigen gouvernementalen und räumlichenPraktiken durch eine Analyse von Diversity Management Ratgeberliteraturaus einer poststrukturalistischen Perspektive kritisch in den Blick.

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Jonathan Everts (Bayreuth)Geographien der Angst: Epidemien und Terrorismus

Die kultur- und diskurstheoretisch gewendete Geographie hat sich lange Zeitschwer getan, die Relevanz von Emotionen in ihrer Forschung zu berücksich-tigen (vgl. Hasse 1999). Jüngst ist aber, neben komplexen affekttheoreti-schen Positionen (z.B. Thrift 2004), das Interesse an den „Emotional Ge-ographies“ um ein vielfaches gestiegen (Bondi et al. 2005, Smith et al. 2009).Auch zum Thema Furcht und Angst liegt nun ein Themenheft (Annals of theAAG 2007, 2) und ein Sammelband (Pain/Smith 2008) vor.Allerdings wird hier meistens Angst als ein individueller Zustand betrachtetundseltener als ein soziales Phänomen untersucht. Es bleibt unklar, ob es für dieVerbreitung und Wirksamkeit von Angst auch zwangsläufig eines sich fürch-tenden Subjektes bedarf. Im Folgenden soll mit Hinblick auf aktuelle „Angst-wellen“, ausgelöst durch ansteckende Krankheiten wie die Schweinegrippeoder den internationalen Terrorismus, auf die Frage eingegangen werden,wie diese Angst entsteht, welche „Arbeit“ sie leistet und inwiefern sie Aus-druck eines emotiven Wissens oder eine individuellen Gefühlszustandes ist.Im Fazit soll deutlich werden, wie sich Angst als soziales Phänomen verbrei-ten kann und dazu beiträgt, dass sich Geographien temporär oder dauerhaftverändern.

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Tilo Felgenhauer (Jena)System-Nutzer-Interaktionen als Formen der symbolischen Raumkon-struktion

Mit dem Ausdruck „Neogeography“ bezeichnet man die Popularisierung vonGIS, wie sie zum Beispiel in der Verbreitung von GoogleEarth und Navigati-onssystemen zum Ausdruck kommt. „Raum“ wird in diesem Kontext von ei-nem wachsenden Konsumentenkreis als Gegenstand des Alltagshandelnsund der Alltagsästhetik entdeckt, und gleichzeitig von überkommenen Kon-ventionen der standardisierten Kartierung abgetrennt.Diese relativ neuen empirischen Phänomene können zusammen mit bereitslänger etablierten Routinen der Techniknutzung (Kommunikation, Transport,Logistik) als Ausdruck eines Grundgegensatzes verstanden werden, der sichaus den Differenzierungsprozessen der Moderne entwickelt hat: der Gegen-satz zwischen komplexen, abstrakten und für den Nutzer undurchsichtigentechnischen Systemkonstruktionen einerseits und den lebensweltlich veran-kerten Handlungszusammenhängen der Systemnutzung andererseits.Dieser Graben wird aktuell durch vielfältige Anstrengungen überbrückt. Dabeisind zum Einen deutliche Tendenzen zu erkennen, die für eine zunehmendeKenntnis technischer Systemgeographien auf Seiten des Nutzers sprechenund die damit zu einer bewussten, kontrollierten und emanzipierten Durch-dringung komplexer technischer Systeme führen können. Gleichzeitig werdenzum Anderen im Sinne einer kognitiven Entlastung des Nutzers immer le-bensweltähnlichere geographische Repräsentationen/Simulationen in dieBenutzeroberflächen unterschiedlichster Systeme integriert, die interne Funk-tionszusammenhänge nahezu vollständig verbergen. Diese gegenläufigenBewegungen sollen anhand einiger Beispiele erläutert und mit Hilfe einesanalytischen Kategorisierungsvorschlags erfasst werden.

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Hans Gebhardt (Heidelberg)40 Jahre nach Kiel ? Verloren gegangene Perspektiven der Geographieim Kontext aktueller Hochschulpolitik

Bernd Belina hat jüngst in seinem im Rundbrief (Heft 221) publizierten Bei-trag daran erinnert, dass der Geographentag in Kiel 1969 noch zwei Perspek-tiven der Geographie vereinigte, die sich in der Folgezeit in unterschiedlicheRichtungen entwickelten: eine modernisierende und eine kritische „linke“Perspektive. Während die „Modernisierer“ im Kontext einer zunehmend aufAnwendung und „Marktfähigkeit“ ausgerichteten Hochschulpolitik erfolgreichihren Marsch durch die Institution Hochschulgeographie antreten konntenund dabei durchaus eine massive Veränderung des Fachs bewirkt haben, ge-rieten gesellschaftskritische, „linke“ Perspektiven in Deutschland, anders alsin den anglo-amerikanischen Ländern, ins Abseits, ihre wenigen Vertreterwurden zu disziplinären Opfern und entsprechende Perspektiven trocknetenaus.

Der Diskussionsbeitrag möchte skizzieren, welche Bedeutung eine die Geo-graphie als gesellschaftskritisches Projekt betrachtende Wissenschaft in deraktuellen Wettbewerbs- und Exzellenzuniversität hat und welche Aufgabenjenseits des schon von Dietrich Bartels beklagten naiven Instrumentalrealis-mus (heute vielleicht besser: naiven Drittmittel- und Publikationsrealismus)von der heutigen Humangeographie vernachlässigt werden.

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Yusif Idies (Leipzig)Wissen wo's herkommt. Zur Formierung des „bewussten“ Selbst imethischen Konsum

Die Sensibilität gegenüber der Herkunft und Geschichte einzelner Waren hatin den letzten Jahren deutlich zugenommen – so deutlich, dass sie mittlerwei-le in spezifischen Konsummustern zum Ausdruck kommt, die als ethischer,politischer, bewusster etc. Konsum firmieren.„Interessiert uns wirklich nicht, warum ein handgewebter Teppich 1,95 Eurokostet und wo die vier Euro für den Starbucks-Kaffee landen?“, fragt TanjaBusse in ihrem Buch Die Einkaufsrevolution. Die rhetorische Frage scheintgerade das Gegenteil zu bezeugen: Es Interessiert „uns“ anscheinend immermehr, wo die Dinge herkommen und wer das beim Kauf ausgegebene Gelderhält und wofür er oder sie es anschließend gebraucht: Es geht darum,durch privateKonsumentscheidungen Herstellungsbedingungen oder -Folgen über geziel-ten (Nicht-)Konsum zu beeinflussen.Indem einerseits direkte Ursache-Wirkung-Prinzipien zwischen Konsumentenund Produzentinnen unterstellt werden, sowie andererseits binäre Logikenvon „fair“/„unfair“ oder „gut“/„schlecht“ mobilisiert werden, werden in der Redeüber Konsumethik bzw. im ethischen Konsumhandeln überaus komplexe undvermittelte, gesellschaftliche Zusammenhänge (etwa: der „Markt“) als simpleKausalitäten behandelt und bezeichnet. Solche Komplexitätsreduktionen sindKernbestandteil des ethischen Konsums, da er anders nicht funktionierenwürde, i.d.S. dass er so erst plausibel oder möglich wird. Vor diesem Hinter-grund interessiert mich daher weniger, was ethischer Konsum ist oder wiestark ethisch konsumiert wird, sondern mit wie, mit welchen Strategien dieReduktion von Komplexität erreicht wird, wie also erst das gemacht wird, wasletztlich den Namen „ethischer Konsum“ trägt. Kurzum: Wie werden im Felddes ethischen Konsums Probleme globaler Verteilungsungerechtigkeit auf dieindividuelle Ebene „herunterskaliert“? Letzten Endes wirft dies auch die Frageauf, wie sich darin erst die Figur formiert (formieren kann), die einem heuteals „bewusste“ Konsumentin oder Konsument begegnet.Wie sich diesen Fragen auf einer theoretisch-konzeptionellen Ebene zu nä-hern ist, wird im Vortrag erläutert.

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Holger Jahnke (Flensburg)Über das Vergessen – oder: Auf der Suche nach einer HumanistischenGeographie

Der „Sonderweg“ der „Neuen Kulturgeographie“ in Deutschland ist inzwischenregelmäßig Gegenstand wissenschaftlicher Selbstreflexion. In diesen Debat-ten wird zu recht die prominente Rolle der politischen Geographie sowie dieAuseinandersetzung mit Konzepten von Gesellschaft, Macht und Text hervor-gehoben. Methodisch hat sich die Strömung vor allem durch die Adaption undWeiterentwicklung der Diskursanalyse hervorgetan.

Die „humanistic geography“, welche in der angelsächsischen Debatte als eineder Vorgängerströmungen der „New cultural geography“ verstanden wird,spielt und spielte in der deutschsprachigen Debatte bislang keine eigene Rol-le. Zwar ist die Strömung in den 1980er Jahren in der deutschsprachigenGeographie wahrgenommen worden, eine tatsächliche Rezeption oder Adap-tion als „humanistische Geographie“ ist jedoch rückblickend kaum erkennbar.Vergeblich sucht man in Deutschland Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler, die sich selbst als humanistische Geographinnen oder Geographenetikettieren. Auch mangelt es an entsprechenden Artikeln oder Büchern.

Mit dem Vortrag möchte ich an ausgewählte Arbeiten einzelner Repräsentan-ten der angelsächsischen New Cultural Geography erinnern und vor diesemHintergrund die Frage nach der schwachen Rezeption dieser Strömung stel-len. Auf diese Weise hoffe ich einen Beitrag zum Diskussion um den deut-schen Sonderweg der Neuen Kulturgeographie leisten zu können.

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Philippe Kersting (Mainz)Wenn sich Geomorphologie und Neue Kulturgeographie in Ruanda be-gegnen…

Dies ist die Geschichte eines Geomorphologen, der in das ferne Ruanda reiste,um die Landschaftsgenese des ‚Landes der tausend Hügel’ zu rekonstruieren.Da aber in Ruanda zu viele Menschen leben, um in Ruhe bohren zu können,wurde er ständig von Fremden gestört. War die Vertrautheit groß genug, kon-frontierten ihn diese Fremden auch noch mit dem Genozid aus dem Jahr 1994.Durch die Auseinandersetzung mit diesen Geschehnissen entdeckte der Geo-morphologe die Konstruktion der ruandischen Ethnien und die Relationalitätvon Selbst und Fremd. Das Konzept der Ethnogenese offenbarte ihm, dass dieruandischen Ethnien von Europa ge- statt beschrieben wurden. Und er begriff,dass der Standpunkt des Sprachmächtigeren die unsichtbare Norm darstellt.Daraus entwickelte sich aber eine große Befürchtung: Könnte es sein, dassdies nicht nur für die Ethnogenese, sondern auch für die Landschaftsgenesezutrifft? Wurde vielleicht bei der Rekonstruktion der Landschaftsgenese sehrviel mehr als nur die physische Landschaft rekonstruiert? Obwohl der Geomor-phologe bisher noch nie in Erwägung gezogen hatte, seine Begriffe, Modelleund Theorien hinsichtlich ihrer Objektivität oder gar ihrer Performativität zu hin-terfragen, wuchs nun das Bedürfnis nach einer reflexiven und relationalen Be-trachtung. Und so sah sich der er sich in seiner Rekonstruktion der ruandi-schen Landschaften nun nicht mehr nur mit Sedimentarchiven, sondern auchmit Diskursarchiven über diese Sedimentarchive konfrontiert…

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Matthias Lahr (Mainz)(Don’t you dare) Mind the gap! Empirisch begründete Gedanken zumgap zwischen „Diskurs“ und „Praktik“ aus praxistheoretischer Perspek-tive

Inwiefern helfen die Konzepte „Diskurs“ und „Praktik“ beim Verständnis vonSprachpolitiken der deutschen Sprache in Frankreich? Ist der gap zwischenDiskurs und Praktik lediglich aus der Diskurs-Perspektive vorhanden und ver-schwindet aus Praktiken-Sicht (d.h. wenn man keine zentralistische Perspek-tive einnimmt, sondern schaut was die Leute vor Ort „wirklich“ machen)? DieBetrachtung alltäglicher Geographien der Sprachpolitik soll folglich nicht nurdurch den Rekurs auf die beiden Konzepte ermöglicht werden, sondern um-gekehrt auch den Dialog „zwischen“ Diskurs und Praktiken voranbringen.

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Olivier Milhaud (Bordeaux 3/ Paris IV)Avec Foucault, après Foucault : une géographie des prisons françaises

Résumé : Cette communication propose une géographie des prisons fran-çaises. Elle présente les résultats d’une recherche doctorale marquée par lagéographie française (notamment les travaux de Michel Lussault et JacquesLévy sur la place des distances dans la société) et par l’œuvre de MichelFoucault (Surveiller et punir, les notions de dispositif et d’hétérotopie).

La communication s’appuie sur la notion foucaldienne de dispositif pourreplacer l’espace carcéral dans un réseau hétérogène de discours et dematières, d’idées et de pratiques, qui aident à comprendre en quoi la prisonconstitue une peine spatiale, une véritable modification coercitive dupeuplement (retirer les détenus de leur espace de vie et les enfermer dans unespace ad hoc).

La lecture de cette punition géographique se fait en termes de distances et dediscontinuités : la prison vise-t-elle à éloigner les détenus ou à les séparer ducorps social ? La notion d’hétérotopie (M. Foucault), lieu en rupture avecl’espace environnant, est ici utile pour penser les discontinuités de l'espacesocial. On verra que la prison sert moins à surveiller qu’à séparer.

Au final, cette communication conteste certaines lectures foucaldiennes de laprison : ses erreurs historiques, mais surtout l’intentionnalisme de M. Foucaultet ses exagérations quant à la discipline des corps et à la surveillance, dansles prisons réelles. Surtout, elle présente une approche typique de lagéographie française face aux propositions foucaldiennes (si on la compare àla géographie britannique notamment) : attachement aux dimensionsmatérielles de l’espace, aux localisations et aux vécus des distances et desdiscontinuités par les détenus, plus que réflexion théorique portant d’abordsur des espaces métaphoriques. Enfin, elle insiste sur la place desdiscontinuités spatiales dans le fonctionnement social à partir de la prison quiest pensée comme une stratégie géographique de séparation du corps social.Mots-clés : dispositif, discontinuités, distance, France, Foucault, hétérotopie,prison

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Vincent Moriniaux (Paris IV)Esskultur und Kulturgeographie in Frankreich

Seit den Forschungen von Max Sorre (1952 " Geographie der Ernährung ",Annales de Géographie, n ° 61) sind Esskulturen nicht nur ein Thema für His-toriker, Soziologen und Ethnologen, sondern auch für Geographen. Die Er-nährung der Menschen ist zwar seit langem ein Forschungsthema für dieGeographen, aber sie ist vor allem unter dem Aspekt der Produkte und derProduktionen (Kornmarkt, Landwirtschaften) oder unter geopolitischem Blick-winkel (der Hunger in der Welt) analysiert worden. Der kulturelle Ansatz zumThema der Ernährungsfragen kommt seltener vor. Dieser Ansatz erwecktheute neues Interesse.Der kommende Beitrag analysiert zuerst den kulturellen Ansatz, der von fran-zösischen Geographen durchgeführt wurde. Zuerst gründet Claude Thouve-not eine Forschungsgruppe über diese Fragen, nach einer Doktorarbeit(1974, Nahrungsverbrauch- und gewohnheiten in Lothringen und Elsass) undeinem Colloquium an der Universität Nancy 1987 (Küche, Esskulturen, regio-nale Räume). Xavier de Planhol veröffentlicht 1995 eine meisterhafte For-schungsarbeit, mit dem Titel Schneewasser. Frisch und kalt zu trinken, ist eswirklich wie Rabelais gesagt hat, das Wesentliche am Menschen? Das Alterund die Vielfalt der von den Menschen aller Zivilisationen benutzten Metho-den, um Getränke zu kühlen, scheinen ihm Recht zu geben.Aber trotz dieser Universalität darf nicht vergessen werden, dass dieser Ge-schmack für frische Getränke sehr räumlich ungleich verteilt ist und dass ermehreren Regionen (wie den britischen Inseln oder dem sino-japanischenFernost) fremd geblieben ist. X. de Planhol stellt die Frage über die Gründedieser Unterschiede. Heutzutage wird diese Thematik der Ernährung undEsskultur im Bereich der Kulturgeographie völlig neu erörtert, im Kielwasserder Studien von Jean-Robert Pitte (Forschungen über den Kastanienbaumund den Wein).In einem zweiten Teil werden wir Weichen stellen für Forschungsansätze zurFrage der Unterschiede in den deutschen und französischen Esskulturen, in-dem wir versuchen, auf solche Frage zu antworten wie: warum mögen dieDeutschen Spargel so gern, die sie mit Messer und Gabel essen, während dieFranzosen davon immer weniger und wenn schon, dann mit den Fingern es-sen?

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Fabrice Ripoll (Paris 12)« La dimension spatiale d’un monde social dans tous ses états : quel-ques arguments à partir d’enquêtes sur la construction d’actions collec-tives dans la France contemporaine »

Cette communication présente une réflexion sur les fondements de la géo-graphie comme science sociale : à quelles conditions peut-elle travailler surn’importe quel fait social ? La réponse proposée s’inscrit dans la géographiesociale française constituée à partir du renversement de l’ordre des facteursla société d’abord, l’espace ensuite tout en retravaillant son approche del’espace et du social.

Nous proposons de prendre au sérieux l’idée que l’espace est une dimensiondu monde social. Cela suppose d’en finir avec le schème dualiste (espaces /sociétés) et de considérer que tout fait social est spatial. L’espace n’est passeulement physique : il est aussi dans les dispositions et représentationsmentales tout comme il est constitutif des structures et institutions sociales.Une discontinuité peut être matérielle (barrière ou CRS), institutionnelle (droitd’entrée) ou mentale (ici/là) : trois catégories d’espace correspondant auxtrois modes de cristallisation des rapports sociaux, qui sont à la fois produitsdes pratiques passées et conditions des pratiques à venir.

Cette perspective est critique et constructiviste car elle refuse la naturalisationde l’histoire, découlant de la fétichisation de ces réalités sociales dans lescroyances communes et théories savantes du fait de leur nature même decristallisation des rapports sociaux : l’espace physique devient déterminant, lemental inné, l’ordre social transcendant. Mais elle n’en conclut pas que toutest facile à déconstruire, et moins encore que tout est discours. Certes, l’oublidu mental (du social intériorisé) entraîne vers l’objectivisme. Mais l’oubli desstructures sociales entraîne vers un subjectivisme tout aussi réducteur. Etl’oubli de l’espace physique (du social matérialisé) favorise une approcheidéaliste et décontextualisée : les idées et discours sont des productions ma-térielles et situées autant que sociales.

Cette approche sera étayée par des enquêtes de terrain sur l’action collective,portant sur l’appropriation et le marquage de l’espace physique, la construc-tion des échelles de l’action, ou encore les contextes locaux de socialisationmilitante.

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Julian Röpcke (Potsdam)Semantik und Diskurs. Zur Nutzbarmachung bestehender Differenzenunter der Voraussetzung der Anerkennung gegenseitiger Synergieoffer-ten

Im Fokus meines Forschungsvortrags soll die Herleitung räumlicher Unsi-cherheit als Ergebnis (medial) kommunizierter semantischer Aufladungenstehen. Einem essentialistischen Unsicherheitsbegriff, der Raum beispiels-weise in gefährliche Orte oder von Kriminalität belastete Quartiere unterteilt,stelle ich in diesem Zusammenhang eine konstruktivistische Perspektive ge-genüber, die stattdessen von räumlichen Unsicherheitssemantiken ausgeht.Diesbezüglich greife ich sowohl auf den Luhmann’schen Risikobegriff alsauch auf diskurstheoretische Überlegungen des französischen SoziologenMichel Foucaults zurück. Dies ist von Vorteil, weil „angebbare soziale Fakto-ren“, die den Selektionsprozess dessen beeinflussen, was als riskant, gefähr-lich und schließlich als unsicher kommuniziert wird, sich eben in genau denTheoriekonzeptionen Foucaults wiederfinden lassen (Luhmann 1991: 12).Der Vortrag will detailliert den Diskursbegriff Foucaults mit dem Semantikbeg-riff Luhmanns in Verbindung bringen und greift dabei unter anderem auf dieVorarbeiten von Stäheli, Glasze und den beiden erwähnten prominenten So-ziologen zurück. Gezeigt werden soll, dass auf den ersten Blick scheinbar un-überwindbare Differenzen jener beiden theoretischen Konzepte, welche (nichtnur) in der neuen Kulturgeographie eine wichtige Rolle spielen, bei genaue-rem Hinsehen perspektivabhängig überwunden werden können.Diese Differenzen, beziehungsweise mein integrativer Ansatz, stehen beson-ders im Zusammenhang mit der teils postulierten Mächtigkeit sozialer Seman-tiken, wobei der Beitrag in eine bisher kaum reflektierte Forschungslücke hi-neinstößt.Die Herleitung „partielle(r) Affinitäten“ bis hin zu „frappierenden Analogien“(Paar 2003: 55, Link 2003: 58) der beiden theoretischen Konzepte geschiehtdiesbezüglich in einem ersten Schritt über die Paradoxien aufwerfende Loslö-sung systemimmanenter Semantiken von ebenfalls systemspezifischen Ope-rationen und daraus resultierenden Strukturen. Das Hauptaugenmerk liegthier auf der notwendigen zeitlichen – und so auch inhaltlichen – Entkopplungvon Operationen und deren Beobachtungsmöglichkeiten (Stichworte: „kon-servative Begriffe“ und „preadaptive advances“). Daran anschließend wirddas sich herauskristallisierende Spannungsverhältnis zwischen Semantik undSystemfunktion mit Teilaspekten des Diskurskonzeptes in Verbindung ge-bracht. So wird deutlich, dass aufklaffende Leerstellen eines different interpre-tierten Semantikbegriffs wiederum diskurstheoretisch fruchtbar aufgefüllt wer-den können.Das Ergebnis ist eine Art hybrides Konzept, welches Teilaspekte beider Theo-rien in sich vereint und einen deutlichen wissenschaftlichen Mehrwert liefert.

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Matias Ruiz Lorbacher (Berlin)"Märkte als Bühnen: Performativität und Performanz"

Der Vortrag stellt forschungspraktische und methodische Konsequenzen ausderunterschiedlichen Betrachtung von Märkten in den Vordergrund. Performativi-tät ist dabei ein zentraler Begriff der "Neuen Kulturgeographie" bzw. der "Kul-turellen Geographien der Ökonomie" (BERNDT/BOECKLER 2007). Der weit-läufig gebrauchte Begriff Performativität bzw. "performativity" eint zwei unter-schiedliche Betrachtungsweisen: Ausführung und Aufführung. BERNDT undBOECKLER unterscheiden denn auch Performativität und Performanz.Der Performativitätsbegriff, der sich in vielen Arbeiten mit Fokus auf Ökono-mie findet, beruht auf der Idee der Übersetzung ("translation"), der "Ausfüh-rung" von theoretischen Ideen und Modellen in erfahrbare Wirklichkeit. In die-ser Forschungsrichtung geht es stets um die Suche nach dem "Skript", nachdem ökonomischen Modell oder den Ideen, auf deren Übersetzung Märkteund ökonomische Realitäten aufbauen. Ökonomische Modelle und Theorienbeschreiben demnach nicht einfach nur die Realität, sie werden "wahr" undschaffen Realitäten.Dagegen stellt der Begriff Performanz die "Aufführung", die Inszenierung inden Vordergrund. Performanz bezieht sich auf die Realisierung und die Her-vorbringungsleistung in und durch Medien, wie etwa Sprache und Körper(KALTHOFF 2007). Das, was mit Worten benannt und/oder mit dem Körperausgedrückt wird, tritt in Kraft. Performanz zielt auf diese praktische, durchWiederholung, ritualisiertes, alltägliches Tun geschaffene Realität.Zwischen beiden Perspektiven ergeben sich einige Unterschiede, u.a. hin-sichtlich der ontologischen Ordnung der Realität. Die dargelegten Perspekti-ven werden in dem Vortrag auf das Beispiel der Finanzderivatmärkte (Mac-KENZIE/MILLO 2003; MacKENZIE 2007,2005, 2004) und auf Immobilien-märkte übertragen. Insgesamt soll gezeigt werden, welche forschungsprakti-schen Konsequenzen sich aus den unterschiedlichen Perspektiven der Per-formativität und der Performanz ergeben.

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Martin Scharvogel (Kassel) und Mirka Dickel (Hamburg)Auf den Spuren der Widersprüche in der Produktion des Raumes - einVorschlag für eine kulturgeographische orientierte Geographiedidaktik

Die kulturellen Verortungen unserer Gesellschaft als Prozesse der Selbst- undFremdverortung betrachtet, erfordern gerade auch in der Geographiedidaktikneue Zugangsweisen zum ‚Raum’. Unser Vorschlag knüpft an der Theorie derProduktion des Raumes von Henry Lefebvre an und versucht diese für dieGeographiedidaktik fruchtbar werden zu lassen. ‚Raum’ IST nicht, sondern ent-steht im Prozess, in dem sich auf vielfältige Weise Konzepte, Ideen und Dis-kurse, materielle Praktiken und Wahrnehmungs- und Erlebensweisen überla-gern oder in Spannung zueinander treten. Die daran beteiligten und ineinanderverschlungenen Modi des Imaginären, des Symbolischen und des Realen wer-den als zueinander brüchig betrachtet (Lacan). In diesem Spannungsfeld kon-stituiert das Subjekt seine Ankerpunkte, durch die es seine Beziehung zum‚Raum’ herstellt. Eine Geographiedidaktik, die diese Prozesshaftigkeit ernstnimmt, kann sich weder auf die Vermittlung ‚gesicherter’ Wissensbeständenoch auf die Kritik räumlicher oder medialer Praktiken zurückziehen. Vielmehrkann sie die Brüchigkeit unserer Erlebens-, Erfahrungs- und Beschreibungska-tegorien in den Blick nehmen um aus dieser Spannung Zwischenräume aufzu-zeigen und Spielräume für (vorläufige) Verortungen und Positionierungen zuermöglichen. Deshalb ist in einer emanzipatorischen Geographiedidaktik not-wendig die Prozesse erkennbar werden zu lassen, durch die ‚Raum’ produziertwird. Unser Ansatz soll im Vortrag am Beispiel einer „Geschichte“ entfaltetwerden, in der sich Fragen der Identität und Ökonomie im Rahmen differenzier-ter medialer Inszenierungen auf eigensinnige Art und Weise miteinander ver-binden.

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Jörg Scheffer (Passau)Die Neue Kulturgeographie als Interkulturelle Disziplin? Zur Diskrepanzvon Dekonstruktion und Rekonstruktion räumlicher Kollektivität in Wis-senschaft und Praxis„Raum“ wird alltäglich mit „Kultur“ in Verbindung gebracht. Eine räumliche Kon-zeptionalisierung von Kultur hilft dabei, die kulturelle Vielfalt der Erde zu glie-dern, schafft (interkulturelle) Vergleichsmöglichkeiten und liefert in einer ent-grenzten Welt Orientierung. Stets werden dabei kollektive Differenzen voraus-gesetzt, ohne die benennbare, territoriale Unterscheidungen nicht denkbar wä-ren.In den vergangen Jahren hat sich jedoch neben anderen Disziplinen die NeueKulturgeographie unter Betonung der globalen Entankerungs- und Vermi-schungsprozesse von dieser räumlichen Differenzierungspraxis klar distanziert.Im Gefolge einer reformierten Sozialgeographie verweisen Fachvertreter aufdie Probleme von realräumlichen Zuschreibungen, auf unangemessene Ho-mogenisierungen und einseitige Repräsentationen. Konsequent werden jegli-che Kulturraumabgrenzungen abgelehnt.Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass räumliche Kammerungen kulturellerMerkmale auch im Globalisierungszeitalter weiterhin fortbestehen. So beziehtnicht zuletzt die Interkulturelle Kommunikation ihre ungebrochene Nachfrageaus der alltäglichen Wahrnehmung kultureller Unterschiede. Vereinfachendwerden diese für praxisrelevante Vergleiche in räumliche (oft nationale) Musterüberführt, woran sich die Geographie aus den genannten Gründen nicht betei-ligen kann.Angesichts dieser Diskrepanz zwischen der theoriegeleiteten Dekonstruktionvon kulturellen Grenzen einerseits und der praxisbezogenen Aufrechterhaltungkultureller Differenzierungen andererseits, drängt sich die Frage auf, inwieweiteine vermittelnde Erfassung regionaler Kulturunterschiede möglich ist? Einentsprechendes Konzept will der vorgesehene Tagungsbeitrag als Forschungs-perspektive zur Diskussion stellen.Entgegen dem derzeit vorherrschenden Paradigma in der Geographie wird ar-gumentiert, dass gerade in der Regionalisierung von Kultur die Chance liegt,kulturelle Differenzen adäquat erfassen und Verabsolutierungen dabei vermei-den zu können.Ein solches Konzept setzt bei einem Kulturverständnis an, das Kulturmerkmaleisoliert in einem spezifischen Kontext von Raum und Forschungsinteresse be-greift. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, variable Regionalisierungen kulturel-ler Einzelmerkmale durchzuführen, die über räumlich vorherrschende Denk-und Handlungsmuster informieren. Eine Pluralisierung solcher Kulturräumeführt vom Denken in vordefinierten Kulturräumen weg und stellt den (nationen-orientierten) Ansätzen der Interkulturellen Kommunikation und den traditionel-len regionalen Kulturstudien eine konzeptionelle Alternative zur Seite.

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Malte Steinbrink (Osnabrück)Fußball-Spiel und Wander-Arbeit

Der Beitrag macht den Zusammenhang zwischen Fußball und Existenzsicherungin Südafrika zum Gegenstand. Hierbei geht es jedoch nicht – wie man im Vorfeldder WM 2010 vermuten könnte – um den bezahlten Sport. Stattdessen steht dieBedeutung der wohl beliebtesten Freizeitbeschäftigung männlicher südafrikani-scher Jugendlicher für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer translokalenDaseinsform im Mittelpunkt. Ungeachtet des vergleichsweise stabilen volkswirt-schaftlichen Wachstums Südafrikas sieht sich ein steigender Anteil der Bevölke-rung in den urban-industriellen Zentren (bzw. an deren Rändern) sowie in denländlich-peripheren Regionen der ehemaligen Homelands mit Lebensbedingungenkonfrontiert, die dauerhaft von Unsicherheit und von teilweise existenzbedrohen-den Risiken geprägt sind. Als Ergebnis eines Anpassungsprozesses organisiertein großer Teil der ärmsten Bevölkerungsgruppen seine Existenzsicherung in Le-benszusammenhängen, die sich über große Entfernungen hinweg zwischen Landund Stadt aufspannen. Diese ortsübergreifende Formen der Existenzsicherunglassen sich als translokale Livelihoods konzeptualisieren, d. h. als System der Le-bensabsicherung sozialer und ökonomischer Einheiten, deren Mitglieder sich nichtalle an demselben Ort aufhalten. Aus der existenziellen Notwendigkeit dieserForm der Lebensabsicherung entstehen dauerhafte plurilokale Verflechtungszu-sammenhänge zwischen ländlichen und städtischen Orten und eine mobile Da-seinsform, die weder als ländlich noch städtisch zu klassifizieren ist.Die informelle Organisation der translokalen Livelihoods löste nach dem Ende derApartheid das staatlich institutionalisierte ‚migrant labour system’ ab. Die translo-kale Existenzsicherung lässt sich heute als ein System rekonstruieren, über dasdie Rekrutierung von Arbeitskraft, die Wohnraumbeschaffung und wesentliche As-pekte der sozialen Absicherung in den informellen Bereich verlagert werden. In-formelle soziale Netzwerke spielen dabei die entscheidende Rolle. Auf der Ak-teursebene erscheinen sie als tragende Pfeiler der Livelihood-Systeme; politisch-ökonomisch betrachtet, sind sie jedoch auch Steuerungselement eines Wirkungs-zusammenhangs, dessen innere Dynamik das sozio-ökonomische Gefälle fort-schreibt und die sozialen und räumlichen Disparitäten in Südafrika weiter ver-stärkt. An die Stelle des staatlichinstitutionellen Zwangs während der Apartheidsind heute die Selbstorganisation und das rationale Handeln von im juristischenSinne freien Akteuren getreten. Angesichts der Armutsbedingungen in Südafrikaoffenbart sich jedoch die Beschränkung der tatsächlichen Freiheiten.

Der vorgeschlagene Beitrag zeichnet anhand einer bilokalen Fallstudie den Pro-zess der Entstehung des translokalen Verflechtungszusammenhangs zwischeneinem Dorf in der ehemaligen Transkei und einer informellen Siedlung in Kapstadtnach und thematisiert dessen innere Struktur. Das Hauptaugenmerk liegt dabeiauf dem Stellenwert des Fußballs. Thematisiert wird (1) die Bedeutung des Sportsfür die männlichen Jugendlichen und deren Sozialisation auf dem Land, (2) seinEinfluss auf die Entstehung von Migrationsnetzwerken, (3) die Funktion des Fuß-balls im Kontext sozialer Unterstützungsnetzwerke der Migranten in der Stadt und(4) seine Bedeutung für die Stabilisierung des translokalen Zusammenhangs undfür die Konstruktion einer ‚translokalen kollektiven Identität’ als Ausdruck der trans-lokalen Daseinsform bzw. einer „Kultur der Transmigration“.

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Jan-Erik Steinkrüger (Bonn)Aktuelle Formen von „Völkerschauen“ im historisch-kulturellen Kontext

Der Begriff „Völkerschauen“ steht für die Schaustellung und Performanz vonMenschengruppen präsentiert als „Volk“, „Ethnie“, „Stamm“ oder „Rasse“ ineinem „westlichen“ Kontext, die unter kommerziellen Gesichtspunkten zu-sammengestellt und als bürgerlich akzeptables Genre vermarktet wurden.Wenngleich die Definition auch aktuelle Bezüge zuließe, wird der Begriff inder Regel einschränkend auf die Zeit von 1870-1930 angewendet, in welchervor allem Carl Hagebeck mit seinen „Zoologisch-Anthropologischen Ausstel-lungen“ berühmt wurde.

Das Dissertationsprojekt versucht auf Basis des Konzeptes der Nicht-OrteAugés und Baudrillards Simulacra sowie der Identitätsanalysen Halls undSaids einen schärferen Blick auf das konstruktivistische Moment der Völker-schauen als „Menschenmachen“ zu lenken. Im Zentrum steht die Frage nachder Schaffung des kolonialen Anderen, wobei auch die Geschlechtlichkeitimmer wieder eine Rolle spielt. Als Beispiel soll vor allem die Darstellung undPerzeption von „Afrika“ in Rahmen der Schauen dienen. In einem weiterenSchritt wird die historische Analyse an den Beispielen Phantasialand undZoom Erlebniswelt, die beide auch „die Kultur Afrikas“ als Thema aufgreifen,in Bezug zu aktuellen Themenparks und Zoos gesetzt. Leitfrage ist dabei, in-wieweit zumindest in einzelnen Motiven diese Freizeiteinrichtungen auch oh-ne Menschen auszustellen durch die gestalterische Umsetzung „Völker“ etc.machen und somit einen kolonialen Blick re-inszenieren. Ein besonderes Au-genmerk soll auf die dafür inszenierte (Kultur)Landschaft gelegt werden, diein allen drei erwähnten Beispielen – Völkerschau, Zoo und Themenpark – Na-tur und Kultur in Tradition der klassischen Kulturgeographie als Einheit ge-dacht werden.

Das vorzustellende Projekt liegt im Schnittbereich von drei Geographien, diemeist eher getrennt voneinander betrachtet werden: Neue Kulturgeographie,Historische Geographie und Tourismusgeographie. Dabei steht jedoch vor al-lem die aufgrund der Methodik der (historischen) Diskursanalyse eigentlichnaheliegende aber bisher wenig aufgearbeitete Verbindung der ersten beidenim Vordergrund.

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Leïla Vignal (Oxford) & Serge Weber (Marne-La-Vallée)L’espace des flux: ou comment les nouvelles mobilités bousculentl’analyse géographique

Au cours des vingt dernières années, la constitution d’un savoir géographiquethéorique, analytique et factuel à propos de l’objet géographique nouveau quereprésente la « mondialisation » a pénétré de nombreux champs de la re-cherche française. En géographie, dans la lignée des travaux d’Olivier Doll-fus, un courant théorique s’est peu à peu affirmé, se proposant de se saisirthéoriquement et analytiquement de la mondialisation, processusd’émergence d’un espace dans lequel les concepts fondamentaux de lagéographie jouent un rôle central (distance, échelle, lieu, topographie, topolo-gie) (LEVY (dir.), 2008, L’invention du Monde, Presses de Sciences PO, Pa-ris). Théoriquement, les conséquences de ce nouveau paradigme sontnombreuses pour notre discipline : il conduit les géographes à interroger leursoutils conceptuels dans la mesure où beaucoup d’entre eux sont impuissantsà décrire bien des nouvelles réalités de cette échelle en cours de déploie-ment.

Dans ce contexte, et dans une optique de dialogue avec la géographieallemande, notre communication se propose de rendre compte de l’évolutionrécente du concept de mobilité en nous fondant sur l’exemple des migrations.En particulier, à partir de nos recherches respectives sur les dynamiquesmigratoires en Europe et au Moyen-Orient, nous souhaitons identifier leséléments à partir desquels la géographie construit une définition de « l’espacedes flux ». Dans le cas des migrations, cet espace des flux s’impose commeun espace à part entière, façonné par les stratégies spatiales et lesexpériences de la migration des migrants. Il est donc articulé aux autrescatégories spatiales qui organisent les mobilités (espaces nationaux ouréseaux transnationaux : économiques, sociaux, culturels, ou réseauxmatériels…), mais celles-ci ne sauraient suffire à le définir.

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Florian Weber (Erlangen)Banlieues und ethnische Differenz- Transdisziplinäre und transnationaleBrüche und Differenzen

Im Oktober und November 2005 ereignen sich in den französischen Vorstäd-ten, den banlieues, Vorortunruhen bis dato ungekannten Ausmaßes. Diefranzösische Regierung verhängt über zahlreiche départements den Aus-nahmezustand, der über mehrere Wochen aufrechterhalten wird. Währendund nach den Unruhen entwickelt sich in Frankreich eine Diskussion, die diecrise des banlieues, die Krise der Vorstädte, zunehmend als Problem man-gelnder Integration von Immigranten und ethnischen Gruppen, Diskriminie-rung und fehlender Akzeptanz von ethnischer Vielfalt und Multikulturalismusinterpretiert.Während in Deutschland seit einigen Jahren unter dem Einfluss der anglo-amerikanischen Multikulturalismus-Debatte eine explizitere Diskussion umImmigration, Integration und Multikulturalismus geführt wird, ist diese inFrankreich schwierig und politisch heikel, da sich eine Debatte um ethnischeDifferenz größtenteils auf französische Staatsangehörige beziehen müsste,da – anders als in Deutschland – die meisten Nachfahren von Immigrantendurch das französische Bodenrecht droit du sol die französische Staatsange-hörigkeit besitzen.Vor diesem Hintergrund verfolgt der Beitrag das Ziel, zu analysieren, wie inden französischen Sozial- und Kulturwissenschaften mit der Thematik ethni-scher Differenz im Kontext der banlieues umgegangen wird. Aus deutscherPerspektive ist auffällig, dass nur in wenigen Fällen eine Verknüpfung zwi-schen ethnischer Differenz und gesamtgesellschaftlichen Problemen bezie-hungsweise einer Diskussion um Integration erfolgt. Besonders in der franzö-sischen Geographie scheint die Thematik tabuisiert. Die Krise der Vorstädtewird nicht mit ethnischer Differenz in Verbindung gebracht. Damit ergebensich deutliche Brüche und Differenzen zwischen der französischen Geogra-phie, die in anderen Traditionslinien als die deutsche Geographie verläuft. Inder französischen Geographie erfolgt bis heute eine stärkere Fokussierungauf raumbezogene Forschungen, die Fragen ethnischer Differenz kaum be-arbeiten kann.Hier kann die Neue Kulturgeographie einen Beitrag leisten, da eine Debatteum ethnische Differenz nicht auf stereotype Wesenhaftigkeit reduziert wird,sondern in den letzten Jahren Konzeptionen entwickelt wurden, die diesekonstruktivistisch anti-essentialistisch denkt und im Sinne der Diskurstheorieals Fixierung von Differenzbeziehungen unter Abgrenzung von einem Außenkonzeptionalisieren kann.

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Barbara Zahnen (Berlin)Brüche und geographische Existenz

Wenn, wie von den Organisatoren beabsichtigt, auf der Tagung „Mind the Gap…“ einerseits inner- und transdiziplinäre Gräben, Brüche oder Differenzen re-flektiert werden sollen, andererseits aber auch verschiedene Rezeptionen vonbzw. Perspektiven auf Gräben, Brüche(n) oder Differenzen selbst, so gilt es, soder zentrale Ausgangspunkt der Vortragenden, sich zunächst darüber klar zuwerden, welche Zielsetzung oder Zielsetzungen man mit dieser Reflexion ei-gentlich verfolgt. Diesbezüglich möchte die Vortragende zunächst auf zweigrundsätzlich verschiedene Einstellungen oder Haltungen aufmerksam ma-chen, die zu explizieren ihr für die Diskussion des Tagungsthemas aus folgen-den miteinander zusammenhängenden Gründen förderlich erscheinen:Zum einen, weil sich anhand dieser Explikation im weiteren Verlauf des Vor-trags Einsicht darüber gewinnen lässt, dass die Diskussion von Differenzkon-zepten bereits selbst von einer bestimmten, eben nicht alternativlosen Logikder Differenz geprägt und insofern in gewisser Hinsicht eingeschränkt seinkönnte – wobei der Eindruck besteht, dass die in der Neuen Kulturgeographievorherrschende Deklaration einer „konstruktivistischen Auffassung von Wirk-lichkeit“ mit einer solchen Einschränkung einherzugehen tendiert.Zum zweiten, weil so möglich wird, verschiedene mögliche Formen der Pro-zessualität herauszuarbeiten, welche nicht nur der Prozess der Tagungsdis-kussion annehmen könnte, sondern die insofern von weiterreichender Bedeu-tung sind, als sie das Tun von Geograph(inn)en überhaupt auf sehr verschie-dene Weise gestalten bzw. gestalten könnten.Und zum dritten, um so zugleich deutlich werden zu lassen, dass und wie sichmit dem Tagungsthema die Frage einer eigenen wissenschaftlichen Identitätund damit in Zusammenhang auch die Frage einer geographischen Existenzstellt bzw. auf eine neue Weise stellen kann.Die Überlegungen sind ursprünglich aus dem Nachdenken über physisch-geographisches Tun erwachsen und nehmen darauf z.T. auch Bezug. Dabeisei noch darauf hingewiesen, dass sie eine Thematik berühren, welche in an-derer Form auch bei hermeneutisch-phänomenologischen Denkern wie Mer-leau-Ponty, Ricoeur, Gadamer und Heidegger eine entscheidende Rolle spielt.