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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 194 (1992) 159-178 (Nr. 3354) a Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, D-0-4200 Merseburg, BRD Buna AG, D-0-4212 Schkopau, BRD Morphologiebildungs- und Dispergiermechanismen bei der Herstellung und Verarbeitung von Polymer- blends aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-(ABS)- bzw. Styrol-Acrylnitril-(SAN)-Copolymerisaten mit thermoplastischem Polyurethan (TPU) Hans-Joachim Raduscha*, Rea Hendricha, Goerg H. Michlera, Irene Naumannb (Eingegangen am 8. Marz 1991) ZUSAMMENFASSUNG: An ABS/TPU- bzw. SAN/TPU-Blends wurden Untersuchungen zur Morphologie- bildung beim Schmelzemischen auf der Basis der Analyse des viskoelastischen Verhal- tens der Komponenten angestellt. Unter definierten Bedingungen im Laborkneter gemischte und unter definierten Bedingungen mittels Hochdruckkapillarviskosimeter extrudierte Blendproben wurdfn hinsichtlich ihrer Phasenmorphologie elektronenmi- kroskopisch charakterisiert. Die mittels der rheologischen Analyse prognostizierten Morphologietypen und Morphologiebildungsmechanismen konnten anhand der elek- tronenmikroskopischen Aufnahmen und der quantitativen Morphologieanalyse besta- tigt werden. Es zeigte sich, daR das Viskositatsverhaltnis der Komponenten primaren EinfluR auf die Morphologiebildung ausubt. Daruber hinaus sind auch thermomecha- nisch induzierte molekulare Abbauvorgange und thermodynamische Wechselwirkun- gen sowie damit im Zusammenhang stehende Kristallisationsbedingungen fur die TPU-Phase hinsichtlich der resultierenden Phasenmorphologie nicht zu vernachlassi- gen. SUMMARY: ABS/TPU- und SAN/TPU-blends were investigated on the basis of the analysis of viscoelastic behaviour of the components for characterization of the formation of morphology in melt mixing processes. Blends mixed in a laboratory kneeder and extruded from a high pressure capillary viscosimeter under definite conditions were characterized concerning their phase morphology by transmission electron microscopy. The types of morphology predicted by the help of rheological analysis could be confirmed by electron micrographs and quantitative analysis of morphology. It * Korrespondenzautor. 0 1992 Hiithig & Wepf Verlag, Basel CCC 0003-3146/92/$04.00 159

Morphologiebildungs- und dispergiermechanismen bei der herstellung und verarbeitung von polymer-blends aus acrylnitril-butadien-styrol-(ABS)- bzw. Styrol-acrylnitril-(SAN)-copolymerisaten

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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 194 (1992) 159-178 (Nr. 3354)

a Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, D-0-4200 Merseburg, BRD

Buna AG, D-0-4212 Schkopau, BRD

Morphologiebildungs- und Dispergiermechanismen bei der Herstellung und Verarbeitung von Polymer- blends aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-(ABS)- bzw. Styrol-Acrylnitril-(SAN)-Copolymerisaten mit

thermoplastischem Polyurethan (TPU)

Hans-Joachim Raduscha*, Rea Hendricha, Goerg H. Michlera, Irene Naumannb

(Eingegangen am 8. Marz 1991)

ZUSAMMENFASSUNG: An ABS/TPU- bzw. SAN/TPU-Blends wurden Untersuchungen zur Morphologie-

bildung beim Schmelzemischen auf der Basis der Analyse des viskoelastischen Verhal- tens der Komponenten angestellt. Unter definierten Bedingungen im Laborkneter gemischte und unter definierten Bedingungen mittels Hochdruckkapillarviskosimeter extrudierte Blendproben wurdfn hinsichtlich ihrer Phasenmorphologie elektronenmi- kroskopisch charakterisiert. Die mittels der rheologischen Analyse prognostizierten Morphologietypen und Morphologiebildungsmechanismen konnten anhand der elek- tronenmikroskopischen Aufnahmen und der quantitativen Morphologieanalyse besta- tigt werden. Es zeigte sich, daR das Viskositatsverhaltnis der Komponenten primaren EinfluR auf die Morphologiebildung ausubt. Daruber hinaus sind auch thermomecha- nisch induzierte molekulare Abbauvorgange und thermodynamische Wechselwirkun- gen sowie damit im Zusammenhang stehende Kristallisationsbedingungen fur die TPU-Phase hinsichtlich der resultierenden Phasenmorphologie nicht zu vernachlassi- gen.

SUMMARY: ABS/TPU- und SAN/TPU-blends were investigated on the basis of the analysis of

viscoelastic behaviour of the components for characterization of the formation of morphology in melt mixing processes. Blends mixed in a laboratory kneeder and extruded from a high pressure capillary viscosimeter under definite conditions were characterized concerning their phase morphology by transmission electron microscopy. The types of morphology predicted by the help of rheological analysis could be confirmed by electron micrographs and quantitative analysis of morphology. It

* Korrespondenzautor.

0 1992 Hiithig & Wepf Verlag, Basel CCC 0003-3146/92/$04.00 159

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H.-J. Radusch, R. Hendrich, G. H. Michler, I. Naumann

becomes evident, that the ratio of viscosity of the components has the primary influence on the formation of morphology in the blends. But also thermomechanically induced molecular destruction processes and thermodynamic interactions as well as connecting crystallisation conditions for the TPU-phase are not negligible with regard to resulting phase morphology.

I . Einleitung

Die Eigenschaften von Erzeugnissen aus heterogenen Polymerblends wer- den sowohl durch die Eigenschaften der Grundkomponenten als auch wesent- lich durch die in der Mischung realisierte Phasenmorphologie bestimmt. In uber Schmelzemischverfahren hergestellten Blends spielen die thermodynami- sche Vertraglichkeit und die Verhaltnisse der viskoelastischen Eigenschaften bezuglich der Herausbildung der Phasenmorphologie die dominierende Rolle', z. Blends, die durch einen Schmelzemischprozerj hergestellt wurden und in denen eine bestimmte Phasenmorphologie vorliegt, konnen durch die sich wiederholende thermische und mechanische Beanspruchung im Verarbei- tungsverfahren bei der Produktherstellung verandert werden, wenn die disper- sen Phasen nicht chemisch fixiert sind. Gezielte rheologische und morphologi- sche Untersuchungen an ABSITPU- sowie SANITPU-Blends sollen zeigen, inwieweit sich theoretische Vorstellungen zur Morphologiebildung im Schmel- zemischprozerj bestatigen bzw. inwieweit ein schmelzegemischtes Polymer- blendsystem wahrend der Verarbeitung phasenmorphologischen Veranderun- gen unterliegt.

2. Morphologiebildungsprozesse in Schmelzestrtimungen

Die Herausbildung der Phasenmorphologie in heterogenen Polymerblends, die uber die Schmelze gemischt werden, ist ein komplexer Prozerj, bei dem zunachst die thermodynamische Vertraglichkeit der Komponenten bestimmt, unter welchen Temperatur- und Konzentrationsbedingungen heterogene oder molekular vermischte, homogene Polymersysteme entstehen. Einem bei ther- modynamischer Vertraglichkeit moglichen Konzentrationsausgleich durch Diffusion der Makromolekiile murj zunachst ein makroskopischer Mischpro- zerj vorausgehen, in dem durch dispersive und distributive Mischmechanismen eine makroskopische Homogenitat des Systems im Sinne einer idealen Zufalls- mischung disperser Polymerteilchen in einer Polymermatrix angestrebt wird. Prinzipiell gleiche Prozesse miissen auch beim Mischen thermodynamisch

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

unvertraglicher Komponenten realisiert werden, so dal3 aus der Sicht der Mor- phologieausbildung sich das Problem der thermodynamischen Vertraglichkeit der Komponenten zunachst auf die Verhaltnisse an den Grenzflachen zwi- schen den Phasen eingrenzt. Theoretische und experimentelle Untersuchungen verschiedener A ~ t o r e n ~ - ~ haben gezeigt, daJ3 fur den Morphologiebildung- sprozel3 beim Schmelzemischen polymerer Komponenten folgende Beziehun- gen eine dominierende Rolle spielen:

a) Das Verhaltnis der Schmelzeviskositaten der Komponenten:

b) Das Verhaltnis der Schmelzeelastizitaten der Komponenten:

c) Das. Verhaltnis der am dispersen Teilchen wirkenden lokalen Spannung zur Grenzflachenspannung (Weber-Zahl):

Daruber hinaus ist zu beachten, dal3 die Oberflachenspannung eines disper- sen Polymerteilchens beim Fliel3en nicht einer unter Ruhebedingungen ermit- telten Oberflachenspannung entspricht.

Van Oene3 ging davon aus, daJ3 sich die ,,elastische freie Energie" jeder Phase mit der Deformation des Gesamtsystems andert. Er gibt eine Gleichung fur die Grenzflachenspannung zwischen disperser Phase (d) und Matrix (k) an, die fur die bewegte Stromung gilt:

In GI. (4) kommt der Zusammenhang zwischen der Grenzflachenspannung und der Schmelzeelastizitat bei der Morphologiebildung zum Ausdruck. Die Gleichung sagt aus, daJ3 die TropfchengroDe proportional der Differenz der Grenzflachenspannung des Systems in Ruhe und bei Stromung aber umge- kehrt proportional der Differenz der Normalspannungsdifferenz, also der Schmelzeelastizitat der Komponenten, ist. Diese Gleichung gestattet auch, den Unterschied in der Morphologie der Dispersion mit submikroskopischen dispersen Teilchen zu erklaren, wenn eine lamellare Ausgangsdispersion in eine tropfchenformige Dispersion transformiert wird.

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Lyngaae-J0rgensen5 formulierte ein Stabilitatskriterium fur das Dispergie- ren viskoelastischer Fliissigkeiten entsprechend GI. (5):

Aus G1. (5) geht hervor, daD eine deformierte Phase beim FlieDen in der Schmelze dann stabil ist, wenn die Grenzflachenspannung gro8er als die Diffe- renz der maximalen Normalspannungsdifferenzen ist. Weiterhin ist zu beruck- sichtigen, daD die nach der Deformation disperser Teilchen einsetzende Rela- xation ein zeitabhangiger ProzeD ist. Setzt man die charakteristischen Relaxa- tionszeiten der am Blend beteiligten Polymeren ins Verhaltnis, so ist Stabilitat eines deformierten Tropfens nur zu erwarten, wenn gilt:

h, 2 h, bzw. h,/h, 2 1 (6)

Fur eine Wiederverarbeitung aufbereiteter Blends ist besonders zu beach- ten, da8 neben den Mechanismen der Dispergierung beim FlieDen heterogener Polymerblends, insbesondere bei Mischungen mit hohen Anteilen an disperser Phase, Erscheinungen der Koaleszenz, also das Zusammenlagern disperser Teilchen, nicht auszuschlieaen sind. Es mu8 prinzipiell davon ausgegangen werden, da13 beide Prozesse, d. h. Dispergierung und Koaleszenz, beim FlieDen heterogener Blends stattfinden konnen. Da die Koaleszenz disperser Teilchen von der Konzentration der dispersen Phase, der mittleren TeilchengroRe und dem mittleren Teilchenabstand sowie von der molekularen Beweglichkeit der Grenzflache zwischen Matrix und dispersen Teilchen abhangt, ist ihr Verhalt- nis zur Viskositat von wesentlicher Bedeutung. So wird eine Erhohung der Matrixviskositat zu einem starkeren Dispergieren von Schmelzetropfchen fuh- ren, aber deren Koaleszenz behindern. Die Koaleszenz von Teilchen wird noch dadurch verstarkt, daD beim Durchstromen von Kapillaren aufgrund von Nor- malspannungseffekten die dispersen Teilchen in Richtung Kapillarachse stre- ben. Daraus ergibt sich vor allem bei Iangeren FlieDwegen ein Konzentrations- gefalle uber den Querschnitt bzw. in der Strangmitte eine verstarkte Tendenz zur Koaleszenz.

Legt man den dominierenden EinfluD des Verhaltnisses der Schmelzevisko- sitaten der Komponenten zugrunde, so lassen sich folgende Varianten der Mor- phologieveranderung beim Durchstromen eines heterogenen Polymerblends durch einen FlieDkanal formulieren (siehe Abb. 1): a) Die disperse Phase liegt im UnterschuD vor und hat die geringere Viskositat.

Das Viskositatsverhaltnis ist < 1: Die dispersen Schmelzetropfchen werden unter dem EinfluR der Schergeschwindigkeit deformiert. Die Deformation

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SA N-TPU-Blends

a b C d

b < f k fd f k 6 - ?k

Abb. 1. Modellvorstellungen zur Morphologiweranderung in heterogenen Polymer- schmelzen beim Fliefien durch Deformationszonen.

kann aufgrund der geringeren Viskositat der dispersen Phase das gleiche Ausmalj erreichen wie die der Matrix. Stark deformierte, zu Fibrillen ausge- zogene Teilchen werden unter dem EinfluB der einwirkenden Schubspan- nungen bzw. durch wellenartige Erscheinungen in der Fibrille in kleinere Tropfchen zerlegt. Die resultierende Morphologie ist feindispers.

b) Die disperse Phase liegt im Unterschufi vor und hat die hahere Viskositat. Das Viskositatsverhaltnis liegt zwischen 1 und 3, und die Schmelzeelastizi- tat ist grofi: Die einwirkende Schubspannung bringt die niedrigviskose Matrix leicht zum Fliefien, kann aber die dispersen Teilchen nicht oder nur unwesentlich deformieren. Die hohe Schmelzeelastizitat bewirkt nach Durchlaufen der Deformationszone eine Relaxation der Teilchen. Die Pha- senmorphologie ist nach der Verarbeitung weitestgehend unverandert.

c) Die disperse Phase liegt im Unterschufi vor und hat die hohere Viskositat. Das Viskositatsverhaltnis liegt iiber 3 und die Schmelzeelastizitat ist gering: Die dispersen Teilchen werden deformiert und relaxieren nach Durchlaufen der Relaxationszone nicht oder nur unvollstandig. Nach der Verarbeitung liegt eine Phasenmorphologie mit fibrillen- oder lamellenartiger disperser Phase vor.

d) Disperse Phase und Matrix liegen in etwa gleichen Volumenanteilen vor. Die Schmelzeviskositaten sind annahernd gleich: Disperse Phase und Matrix werden gleichermafien deformiert. In der Deformations- bzw. Rela-

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xationszone kommt es aufgrund des Geschwindigkeitsprofils und eventuell verschiedener Schmelzeelastizitaten dazu, daD sich die Komponenten inein- ander verschlingen. Nach der Verarbeitung liegt eine IPN-artige Phasen- morphologie vor.

Die diskutierten Varianten, die von der gleichen Ausgangsmorphologie, aber unterschiedlichen Verhaltensweisen der Stoffe beim FlieDen in Kanalen, d. h. bei ihrer Verarbeitung, ausgehen, zeigen, dafi entsprechend den Verarbei- tungsbedingungen eine gravierende Veranderung in der Phasenmorphologie auftreten kann.

3. Experimentelle Untersuchungen

In einem Extrusiometer mit 30 mm Schneckendurchmesser wurden SAN SCONA- ROL bzw. ABS SCONATER 442 mit thermoplastischem Polyurethan T 8357/1 zu grobdispersen Polymerblends entsprechend der Zusammensetzung in Tab. 1 vermischt. Von den Mischungen und den Grundkomponenten wurden in einem HKR 2001 Hoch- druckkapillarviskosimeter (HKV) die FlieBkurven T = f (r) mit den Bedingungen ent- sprechend Tab. 2 aufgenommen und die gezielte Scherbeanspruchung der Blends reali- siert. Die unter definierten Bedingungen behandelten Blends wurden nach Austritt aus

Eib. 1. Mischungszusammensetzungen.

Mischung SAN ABS TPU

(Gew.-Yo)

- - 1 100 2 - 100 -

- 100 3 4 80 - 20

80 5 20 6 - 80 20 7 - 20 80

-

-

Tab. 2. HKR-Parameter.

Schergeschwindigkeiten (s -') Temperaturen ("C) Diise (L/D)

10 bis lo3 170, 180, 190 und 210 30/1

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Morphologiebildungsrnechanisrnen bei A BS-TPU- und SAN-TPU-Blends

der Kapillare in Wasser abgeschreckt, um die veranderte Phasenmorphologie zu fixie- ren.

Die Phasenmorphologie ausgewahlter Mischungen, die unter definierten rheologi- schen Bedingungen hergestellt wurden, wurde anhand elektronenmikroskopischer Untersuchungen charakterisiert. Dazu wurden die aus dem Hochdruckkapillarviskosi- meter gewonnenen Proben direkt bzw. nach einer alkalisch-methanolischen Verseifung mit Osmiumtetroxid zwecks Kontrastierung der elastomeren Phase behandelt. Von den Proben wurden Ultradiinnschnitte in Strangrichtung angefertigt und diese im Trans- missionselektronenmikroskop Tesla BS 500 untersucht.

Zur Charakterisierung der TPU-Komponente hinsichtlich geordneter bzw. kristalli- ner Strukturen erfolgten DSC-Untersuchungen mittels eines Perkin-Elmer DSC-2C im Temperaturbereich von 300 bis 550 K.

4. Ergebnisse und Diskussion

4.1 Rheologische Analyse

ABS und SAN sowie thermoplastisch verarbeitetes Polyurethan zeigen typi- sches viskoelastisches Verhalten ihrer Schmelzen. Die FlieDkurven (Abb. 2 und

Schergeschwfndfgkeft ps - Abb. 2. FlieSkurven des Polymersystems ABS/TPU in Abhangigkeit vom Gewichts-

anteil TPU (aTpu).

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3) lassen erkennen, da13 mit zunehmender Schergeschwindigkeit eine Verringe- rung der Viskositat der Grundkomponenten zu verzeichnen ist. Dabei ist die Temperatur- und Schergeschwindigkeitsabhangigkeit der Schmelzeviskosita- ten der Komponenten unterschiedlich (Abb. 4 und 5 ) . Das fiihrt dazu, da13 sich

s B c u1 tr

I

104 I I0

0.75

I00 500 5'1 f Schergeschwindrgkert Ys - JO

Abb. 3. FlieBkurven des Polymersystems SANITPU in Abhangigkeit vom Gewichts- anteil TPU (oTpu).

das fur die Morphologiebildung wichtige Viskositatsverhaltnis zwischen den Mischungskomponenten mit Veranderung der Schergeschwindigkeit gravie- rend andern kann. Wie Abb. 6 zeigt, werden bei ABS/TPU-Mischungen Vis- kositatsverhaltnisse von 0,9 bis 1,3 iiberstrichen, wenn TPU die disperse Phase bildet (190 "C Pruftemperatur, Mischzeit 2 min). Bildet dagegen ABS die disperse Phase, liegt das Viskositatsverhaltnis unter 1 bzw. betragt bei hoheren Schergeschwindigkeiten = 1. Aufgrund der hohen thermischen Empfindlich- keit des TPU tritt nach langerer Mischzeit (> 10 min) ein Abfall der Viskositat des TPU infolge thermomechanischer Abbaureaktionen auf, wodurch sich die Viskositatsverhaltnisse umkehren konnen. Bei SAN/TPU- Mischungen iiber- streicht das Viskositatsverhaltnis einen grdf3eren Bereich (Abb. 7), da die Kom- ponentenviskositaten bei 190 "C gronere Unterschiede aufweisen. Bildet TPU

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

YS X'

A 30 0 ioo v 300 0 500

iooo

Abb. 4.

ABS/TPU 1- 19ooc ms

WTPU - Abhangigkeit der Scherviskositat (q) des Polymerblend-Systems ABSITPU von der Schergeschwindigkeit (ys) und vom Gewichtsanteil TPU (wTpu).

die disperse Phase, liegen die Viskositatsverhaltnisse bei 190 "C Pruftempera- tur zwischen 0,5 und 1,25.

Die Verlaufe der Viskositatsverhaltnis-Schergeschwindigkeits-Abhangigkeit fur das Blendsystem ABS/TPU (Abb. 6) lassen folgende Aussagen zu: a) Im Bereich niedriger Schergeschwindigkeiten (+ < 300 s-l) ist TPU nur

grobdispers in ABS einmischbar. Nur bei langeren Mischzeiten im Aufbe- reitungsprozel3 erfolgt eine feinere Dispergierung, was aber in der Verringe- rung der TPU-Viskositat infolge thermischen Abbaus begriindet ist.

b) Im Schergeschwindigkeitsbereich von + = 300 bis 1000 s-l, in dem das Viskositatsverhaltnis = 1 betragt, ist mit einer guten Dispergierung zu rech- nen, wenn die TPU-Komponente im UnterschuS vorliegt. Liegen die Kom- ponenten in gleichen Volumenverhaltnissen vor, wird als Morphologietyp eine IPN-artige Phasenmorphologie entstehen.

c) Liegt ABS im UnterschuD vor und bildet vor der Verarbeitung eine grobdis- perse Phase, so wird aufgrund des Verlaufes der Viskositatsverhaltnis-

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Schergeschwindigkeits-Abhangigkeit bei niedrigeren Schergeschwindigkei- ten (q < 300 s-l) eine weitere Dispergierung des ABS in TPU erfolgen (Mischzeit 2 min). Steigt die Schergeschwindigkeit uber 400 s-', wird das Viskositatsverhaltnis = 1, und die Deformation der dispersen ABS-Teilchen verlauft optimal.

Abb. 5. Abhangigkeit der Scherviskositat (q) des Polymerblend-Systems SAN/TPU von der Schergeschwindigkeit (+J und vom Gewichtsanteil TPU (oTpu).

Aus den Verlaufen der Viskositatsverhaltnis-Schergeschwindigkeits-Abhan- gigkeit fur das Blend-System SAN/TPU (Abb. 7) ergeben sich folgende Aussa- gen: a) Es werden Viskositltsverhaltnisse zwischen 0,5 und 1,3 erreicht, wenn TPU

die disperse Phase bildet. Bis zu einer Schergeschwindigkeit von 300 s-' liegt das Viskositatsverhaltnis c 1, so da8 TPU feindispers in SAN ein- mischbar ist.

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

Abb. 6. Abhangigkeit des Viskositatsverhaltnisses (fld/qk) der Kornponenten ABS und TPU von der Schergeschwindigkeit (ys) und der Mischzeit: (0, V) 2 min, ( 0 , V) 10 min; ( 0 , 0 ) qAss/tlTpu, (V , V) qTpu/qAss; T = 190°C.

r-

f0

Abb. 7. Abhangigkeit des Viskositatsverhaltnisses (qd/qk) der Komponenten SAN und TPU von der Schergeschwindigkeit (+J und der Mischzeit.

b) Bei Schergeschwindigkeiten > 400 s- schlagt das Viskositatsverhaltnis urn und wird > 1 , so da8 bei hohen Schergeschwindigkeiten eine schlechtere Dispergierung erreicht wird.

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c) Bildet SAN die disperse Phase, ist im Bereich niedriger Schergeschwindig- keiten (i < 200 s- I ) mit grobdispersen Phasenmorphologien zu rechnen, d. h. dalj der im Aufbereitungsprozefi entstehende Dispersionsgrad bei nachfolgender Verarbeitung nicht verandert wird.

d) Bei hoheren Schergeschwindigkeiten ( y > 300 s-l) erfolgt eine weitere Dispergierung der dispersen SAN-Phase.

e) Liegen die Komponenten in gleichem Volumenverhaltnis vor, kann bei Schergeschwindigkeiten im Bereich von 300 bis 400 s-' eine IPN-artige Phasenmorphologie entstehen.

4.2 Morphologieuntersuchungen

4.2.1 A BS/ TPU-Misch ungen

Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen der ABS/TPU-Mischungen (Abb. 8 bis 10) zeigen prinzipiell die typische ABS-Phase, d. h. eine helle SAN- Matrix, in der die gepfropften Polybutadienteilchen in nahezu einheitlicher Grolje um 0,l pm verteilt sind und als dunkle disperse Phase erscheinen. Oft sind mehrere Teilchen zu groljeren Konglomeraten zusammengelagert. Bei einem Anteil von 20 Gew.-Yo TPU ist die TPU-Phase dispers in der ABS-Mor- phologie verteilt. Die TPU-Phase tritt in Form unterschiedlich grofier Teilchen mit Durchmessern von 0,l bis 6 pm auf. In den TPU-Teilchen ist eine Eigen- struktur zu erkennen, die im wesentlichen aus hellen Lamellen in einer schwarz kontrastierten Umgebung besteht (Abb. 8). Die Anordnung vor allem der Ian- geren Lamellen ist unterschiedlich: Sie verlaufen parallel, sind in Strangen angeordnet bzw. laufen von einem Zentrum aus in unterschiedliche Richtun- gen. Die rnit einer Schergeschwindigkeit von i. = 30 s-I im HKV behandelten Proben (Abb. 8) zeigen eine Phasenmorphologie, die durch relativ grofie TPU- Teilchen gekennzeichnet ist. Neben den grofien Teilchen rnit Teilchengrofien im Bereich bis maximal 6 pm liegen kleine Teilchen bis zu minimalen Teilchengro- ljen von 0,l pm vor (vgl. Tab. 3). Innerhalb der groaen Teilchen ist eine spharo- lithische Uberstruktur des TPU besonders gut zu erkennen, in denen die Lamellen radial angeordnete Strange bilden. Kleinere Teilchen sind vorwie- gend langlich. Betrachtet man die gleiche Mischung, die aber mit einer Scher- geschwindigkeit von i. = 1000 s-' im HKV behandelt wurde (Abb. 9), stellt man fest, darj die mittlere Teilchengroae abgenommen hat; die grofiten Teil- chen liegen unter 5 pm, und die kleinsten Partikel sind nur noch 0,03 pm grolj (vgl. Tab. 3). Dieses Ergebnis stimmt gut rnit den Ergebnissen der rheologi-

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

Abb. 8. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von ABWTPU- Blends; wTpU =0,2; T,,, = 190°C; i. = 30 s- ' .

Abb. 9. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von ABSITPU- Blends; aTpU = 0,2; THKV = 190°C; = 1 OOO s-'.

schen Analyse zur Morphologiebildung uberein, da im Schergeschwindigkeits- bereich von + = 300 bis 1000 s-' mit einem gunstigen Dispergierverhalten zu rechnen ist. Weiterhin fallt auf, da13 die mit 1000 s-' beanspruchten Proben eine weniger gut ausgebildete innere Struktur der dispersen TPU-Phase mit kleineren und nicht so klar zur Umgebung abgegrenzten Lamellen aufweisen.

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Tab.

3.

ABS

SA

N

TPU

i.

TPU

-Teil

chen

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lend

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TPU

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Morphologiebildungsrnechanisrnen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

Aufgrund der hoheren Austrittsgeschwindigkeit aus der Kapillare erfolgt das Einfrieren der Morphologie schneller, und die Zeit zur Kristallisation ist gerin- ger. Als Resultat dessen ist der Bau der Lamellen weniger perfekt.

In Abb. 10 ist die Phasenmorphologie einer Mischung mit 50 Gew.-% TPU- Anteil dargestellt, die bei einer Schergeschwindigkeit von 300 s-' im HKV behandelt wurde. Stellenweise bildet der ABS-Anteil noch die Matrix und das TPU die disperse Phase, wahrend an anderen Probenstellen die TPU-Phase wabenartig angeordnet ist und sich damit hier die beiden Phasen netzwerkartig durchdringen. Diese Anordnung bestatigt die Erwartungen aus der rheologi-

Abb. 10. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von ABWTPU- Blends; mTpU = 0,5; T,,, = 190°C; i. = 300 s-I.

schen Analyse, da13 sich bei den vorgegebenen Bedingungen eine IPN-artige Phasenmorphologie ausbildet. Das Auftreten eines Phasenumschlages bei einer Zusammensetzung ABS/TPU = 50/50 Gew.-% zeigte sich auch in fruhe- ren Arbeiten'. Bei den ABS/TPU-Mischungen ist weiterhin zu beobachten, da13 die TPU-Phase nie mit den gepfropften Polybutadienteilchen der ABS- Phase in Verbindung steht, sondern immer nur mit der SAN-Matrix. Die Ursa- chen werden darin gesehen, da13 aufgrund der von Haudel et a1.6 im FTIR nachgewiesenen Wechselwirkungen zwischen den Urethanamidgruppen des TPU und den Acrylnitrilgruppen der SAN-Matrix nur eine Benetzung der TPU-Teilchen mit SAN erfolgt. Die Phasengrenzen der TPU-Teilchen sind dar- uber hinaus relativ scharf, was auf nur begrenzte Wechselwirkungen hindeu- tet. So konnte durch das Polybutadien eine gewisse Unvertraglichkeitskompo-

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nente eingebracht werden, die offenbar die Ausbildung einer diffusen Phasen- grenzschicht behindert.

4.2.2 SAN/TPU-Mischungen

Die SAN/TPU-Mischungen (Abb. 11 - 13) sind durch eine hell erschei- nende SAN-Matrix gekennzeichnet, in der die TPU-Phase dunkel kontrastiert verteilt ist. Bei einem Anteil von 20 Gew.-To TPU in SAN zeigen die Proben, die mit einer Schergeschwindigkeit von 30 s - ' hergestellt wurden, vorwiegend kleine bis mittlere Teilchen. GroDe Teilchen sind so gut wie nicht vorhanden. Die Verteilung der TPU-Teilchen ist gleichmaoig (Abb. 1 1). Das Teilchengro- Denspektrum reicht von kleinsten Teilchen von 0,04 pm bis zu grdl3ten Teilchen von 1,6 pm GroDe. Die TPU-Teilchen zeigen Lamellen, die sowohl geordnet parallel verlaufen als auch regellos verteilt sind (Abb. 12). Auffallig ist, daD im

Abb. 1 1 . Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von SAN/TPU- Blends; wTpU = 0,2; T,,, = 190°C; = 30 s-I.

Gegensatz zu den ABS/TPU-Mischungen die TPU-Teilchen hier sehr unregel- mafiige Gestalten aufweisen. Teilweise ragen einzelne TPU-Lamellen bis in die SAN-Matrix hinein, so daD die Teilchen oft nadelartigen Charakter tragen. Aufgrund der bereits erwahnten Vertraglichkeitserscheinungen zwischen SAN und TPU, die mit einer geringen Grenzflachenspannung einhergehen, kann offenbar eine ungestorte Kristallisation der kristallisationsfahigen Segmente des TPU und damit ein ,,Hineinwachsen" von TPU-Lamellen in die SAN-

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

Abb. 12. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von SANITPU- Blends; mTpU = 0,2; T,,, = 190°C; i. = 1 OOO SKI.

Abb. 13. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Morphologie von SANITPU- Blends; mTpU = 0,5; T,,, = 190°C; i. = 300 s- ' .

Matrix erfolgen. Da, wie Abb. 14 zeigt, TPU bereits bei ca. 200°C kristalline Strukturen und bei ca. 140 "C Ordnungszustande kurzer Reichweite ausbilden kann und sich SAN bei diesen Temperaturen noch oberhalb der Glastempera- tur im Schmelzezustand befindet, ist eine Ausbildung der kristallinen Struktu- ren des dispersen TPU entsprechend Abb. 11 verstandlich. Die mit einer Scher-

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H.-J. Radusch, R. Hendrich, G. H. Michler, I. Naumann

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von TPU 8357 (vH = 10 K/min).

geschwindigkeit von 1 OOO s-l beanspruchten Proben (Abb. 12) weisen eben- falls viele kleine Teilchen auf, wobei aber auch einige grone Teilchen vorhan- den sind. Die kleinen Teilchen liegen in der gleichen GroBenordnung wie bei der mit 30 s-l beanspruchten Probe, wahrend die gronten Partikel Durchmes- ser bis uber 4 pm aufweisen (vgl. Tab. 3). Damit wird deutlich, da13 das auf der Basis der rheologischen Analyse eingeschatzte Dispergierverhalten zutrifft. Aufgrund der eintretenden Viskositatsverhaltnisse bei den entsprechenden Schergeschwindigkeiten und Temperaturen ist bei niedrigen Schergeschwin- digkeiten eine bessere Dispergierung von TPU in SAN zu erreichen als bei hohen Schergeschwindigkeiten.

Abb. 13 zeigt fur die SAN/TPU-Mischung mit 50 Gew.-Vo TPU eine waben- artige Anordnung der TPU-Phase. Die SAN-Anteile werden von wabenformig aufgespaltenen TPU-Stegen umschlossen, es deutet sich der beginnende Pha- senumschlag an. Die Morphologie der Mischung entspricht der, die anhand der rheologischen Analyse zu erwarten ist. Bemerkenswert ist dabei, daI3 das TPU nicht mehr die sonst typische Lamellenstruktur aufweist. Lediglich ein- zelne Lamellenstucke sind in der TPU-Phase zu erkennen.

5. SchluJfolgerungen

Aus den vergleichenden Untersuchungen an ABS/TPU- und SANITPU- Blends geht hervor, daB in Abhangigkeit von den Temperatur- und Scherbedin- gungen bei der Herstellung bzw. Verarbeitung der Blends unterschiedliche Phasenmorphologien entstehen konnen, die aus den Viskositatsverhaltnissen, der Mischungszusammensetzung und den Vertraglichkeitserscheinungen re- sultieren.

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Morphologiebildungsmechanismen bei ABS-TPU- und SAN-TPU-Blends

Es erwies sich, daD in den Schergeschwindigkeitsbereichen, die in konventio- nellen Verarbeitungsmaschinen iiblich sind, die Phasenmorphologie heteroge- ner Polymermischungen wesentlich verandert werden kann. Dabei zeigen die verwandten Blends ABS/TPU und SAN/TPU unterschiedliche Verhaltens- weisen bei der Morphologiebildung. Das Viskositatsverhaltnis der Kompo- nenten der SAN/TPU-Mischung und damit der sich in Abhangigkeit von der Schergeschwindigkeit ausbildende Morphologietyp wird starker durch die Temperatur und die Mischzeit beeinflufit als das Viskositatsverhaltnis der ABS/TPU-Mischung. Die unterschiedlichen nichtlinearen viskoelastischen Verhaltensweisen der Blendkomponenten bei Veranderung der Scherbean- spruchung wahrend des FlieDens im Aufbereitungs- oder Verarbeitungsprozefi sind die Ursache fur die sich einstellenden Viskositatsverhaltnisse, was schliefi- lich in den entsprechenden Veranderungen des Phasenmorphologietyps resul- tieren kann.

Die Einbeziehung der Zeit der thermomechanischen Beanspruchung der Grundkomponenten (Mischzeit) in die Untersuchungen zeigt, dafi thermome- chanisch induzierte Abbauvorgange wahrend des Mischens, die sich in der Ver- anderung von Molmasse sowie Molmassenverteilung und damit Viskositats- anderung niederschlagen, zu veranderten Morphologiebildungsverlaufen fuh- ren konnen. Als Ergebnis dessen findet eine Umkehr der Viskositatsverhalt- nisse und damit verbunden eine Veranderung des Morphologietyps statt.

Die statistische Auswertung der elektronenmikroskopischen Morphologie- analyse bestatigte die Aussagen zur Morphologiebildung, die auf der Basis der rheologischen Analyse gemacht wurden. Die elektronenmikroskopischen Untersuchungen ergaben auch, dafi die thermodynamische Vertraglichkeit der Komponenten und die daraus resultierenden Bedingungen fur die Kristallisa- tion des TPU in der SAN-Matrix wesentlich die Gestalt disperser TPU-Teilchen bestimmen.

Verwendete Formelzeichen

- TropfchengroBe , 2 - Normalspannung - Krummungsradien des deformierten Tropfchens - Temperatur - Schergeschwindigkeit - Grenzflachenspannung - Scherviskositat - Normalspannungskoeffizient - Relaxationszeit

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H.-J. Radusch, R. Hendrich, G. H. Michler, I. Naumann

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