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Morphologie Gerrit Kentner May 4, 2010

Morphologie - user.uni-frankfurt.dekentner/EinfLing/Morphologie.pdf · Morphologie heute: I Grundbegri e der Wortstrukturbeschreibung I Teilgebiete der Morphologie I Morphembegri

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Morphologie

Gerrit Kentner

May 4, 2010

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Organisatorisches

Kommende Woche (11.5.) vertritt mich Frau Volodina.In der ubernachsten Woche (18.5.) entfallt unsere Sitzung.

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Was bisher geschah

I Uberblick Sprachwissenschaft (ganz allgemein)

I Semiotische Grundlagen

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Morphologie

heute:

I Grundbegriffe der Wortstrukturbeschreibung

I Teilgebiete der Morphologie

I Morphembegriff

I Morphemklassifikation

I Flexion im Deutschen

Literatur zum Thema:Meibauer, J. et al. (2002): Einfuhrung in die germanistische Linguistik.Stuttgart: Metzler. Kap 5Grewendorf, G. et al. (1998). Sprachliches Wissen. Frankfurt a.M.:Suhrkamp. Kap. 5

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Worter

... wir erinnern uns:Worter sind analysierbar in

I Laute ohne eigene Bedeutung { v, œ, K, t, 5}I Wortbestandteile mit Bedeutung {Wort + er }

Worter sind kombinierbar mit

I anderen Wortern zu Satzen und Texten

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

I Das Wort zum Sonntag - ?Die Worter zum Sonntag

I ”Einigermassen routinierte Schreiber benutzen mindestens10.000 Worter.” (Eisenberg 1983)

I Jeden Tag kommen neue Worter in unsere Sprache:http://www.wortwarte.de/

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

I Das Wort zum Sonntag - ?Die Worter zum Sonntag

I ”Einigermassen routinierte Schreiber benutzen mindestens10.000 Worter.” (Eisenberg 1983)

I Jeden Tag kommen neue Worter in unsere Sprache:http://www.wortwarte.de/

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

I Das Wort zum Sonntag - ?Die Worter zum Sonntag

I ”Einigermassen routinierte Schreiber benutzen mindestens10.000 Worter.” (Eisenberg 1983)

I Jeden Tag kommen neue Worter in unsere Sprache:http://www.wortwarte.de/

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

I ein typischerweise komplexes sprachliches Zeichen, das auskleineren Einheiten (eben den Morphemen) aufgebaut ist undseinerseits Bestandteil noch grosserer Zeichenkomplexe seinkann. (GHS, S 254)

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Der Wortbegriff

Was ist uberhaupt ein Wort?

I ein typischerweise komplexes sprachliches Zeichen, das auskleineren Einheiten (eben den Morphemen) aufgebaut ist undseinerseits Bestandteil noch grosserer Zeichenkomplexe seinkann. (GHS, S 254)

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Der Wortbegriff

Wie viele verschiedene unterstrichene Worter enthalten diefolgenden sieben Satze:

1. Die Turme der Burg waren schon von weitem zu sehen.

2. Auf den Turmen wehten bunte Fahnen.

3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch.

4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch.

5. Wir sind auf den Turm geklettert.

6. Auf dem Turm hatten wir eine prachtige Aussicht.

7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern.

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Der WortbegriffWie viele verschiedene unterstrichene Worter enthalten diefolgenden sieben Satze:

1. Die Turme der Burg waren schon von weitem zu sehen.

2. Auf den Turmen wehten bunte Fahnen.

3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch.

4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch.

5. Wir sind auf den Turm geklettert.

6. Auf dem Turm hatten wir eine prachtige Aussicht.

7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern.

I Vorschlag: 4 (phonologische oder grafische Definition)

I Gegenvorschlag: 6 (syntaktische Definition)

I Noch ein Vorschlag: 1 (lexikalische Definition)

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Der WortbegriffWie viele verschiedene unterstrichene Worter enthalten diefolgenden sieben Satze:

1. Die Turme der Burg waren schon von weitem zu sehen.

2. Auf den Turmen wehten bunte Fahnen.

3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch.

4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch.

5. Wir sind auf den Turm geklettert.

6. Auf dem Turm hatten wir eine prachtige Aussicht.

7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern.

I Vorschlag: 4 (phonologische oder grafische Definition)

I Gegenvorschlag: 6 (syntaktische Definition)

I Noch ein Vorschlag: 1 (lexikalische Definition)

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Der WortbegriffWie viele verschiedene unterstrichene Worter enthalten diefolgenden sieben Satze:

1. Die Turme der Burg waren schon von weitem zu sehen.

2. Auf den Turmen wehten bunte Fahnen.

3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch.

4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch.

5. Wir sind auf den Turm geklettert.

6. Auf dem Turm hatten wir eine prachtige Aussicht.

7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern.

I Vorschlag: 4 (phonologische oder grafische Definition)

I Gegenvorschlag: 6 (syntaktische Definition)

I Noch ein Vorschlag: 1 (lexikalische Definition)

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Worter

Die Morphologie interessiert sich fur

I die interne Struktur von Wortern

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Der Morphembegriff

Was ist ein Morphem?

Jedenfalls etwas anderes als eine Silbe:

I schreibst (1 Silbe) - schreib+st (2 Morpheme)

I Ra.be (2 Silben) - Rabe (1 Morphem)

I Stu.dent - Stud+ent (Silben- und Morphemgrenze fallen nichtnotwendigerweise zusammen)

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Der Morphembegriff

Was ist ein Morphem?

Ein Morphem wird klassischerweise definiert als

I kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung

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Der Morphembegriff

Ein Morphem wird klassischerweise definiert als

I kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung

Annaherung uber sog. mono-morphematische Worter:Vogel, Nest, Kind, und, Haus, ein, nur, dass, Bett...

I Problem: hat ”dass” eine Bedeutung?

I Annaherung uber sog. poly-morphematische Worter:Vogel+nest, Kind+chen+schema, kind+lich, Be+haus+ung,Bett+en, bau+en...

I Problem: -en in ”Betten” hat Bedeutung [plural]; hat -en in”bauen” eine Bedeutung?

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Der Morphembegriff

Ein Morphem wird klassischerweise definiert als

I kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung

Annaherung uber sog. mono-morphematische Worter:Vogel, Nest, Kind, und, Haus, ein, nur, dass, Bett...

I Problem: hat ”dass” eine Bedeutung?

I Annaherung uber sog. poly-morphematische Worter:Vogel+nest, Kind+chen+schema, kind+lich, Be+haus+ung,Bett+en, bau+en...

I Problem: -en in ”Betten” hat Bedeutung [plural]; hat -en in”bauen” eine Bedeutung?

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Der Morphembegriff

Ein Morphem wird klassischerweise definiert als

I kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung

Annaherung uber sog. mono-morphematische Worter:Vogel, Nest, Kind, und, Haus, ein, nur, dass, Bett...

I Problem: hat ”dass” eine Bedeutung?

I Annaherung uber sog. poly-morphematische Worter:Vogel+nest, Kind+chen+schema, kind+lich, Be+haus+ung,Bett+en, bau+en...

I Problem: -en in ”Betten” hat Bedeutung [plural]; hat -en in”bauen” eine Bedeutung?

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Der Morphembegriff

Ein Morphem wird klassischerweise definiert als

I kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung

Annaherung uber sog. mono-morphematische Worter:Vogel, Nest, Kind, und, Haus, ein, nur, dass, Bett...

I Problem: hat ”dass” eine Bedeutung?

I Annaherung uber sog. poly-morphematische Worter:Vogel+nest, Kind+chen+schema, kind+lich, Be+haus+ung,Bett+en, bau+en...

I Problem: -en in ”Betten” hat Bedeutung [plural]; hat -en in”bauen” eine Bedeutung?

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Der Morphembegriff

I Problem 1: hat ”dass” eine Bedeutung?

I Problem 2: -en in ”Bett-en” hat Bedeutung [plural]; hat -enin ”bau-en” eine Bedeutung?

Ein neuer Morphembegriff muss her:nach Wurzel (1984): Ein Morphem ist die kleinste, in ihrenverschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbareFolge von Segmenten [≈ Einzellauten], der (wenigstens) eine alseinheitlich identifizierbare ausserphonologische Eingenschaftzugeordnet ist.

Bedeutung zu haben ist kein notwendiges Kriterium! Es reicht aus,grammatische Funktion zu haben (z.B. anzeigen des Infinitivs)

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Teilgebiete der Morphologie

Morphologie

Wortbildung

Komposition

Lehr+stuck

Wasser+eis

grau+blau

Derivation

un+glaub+lich

schein+bar

Plan+ung

Flexion

Haus - Hauses

gehen - gingst

heiser - heiserer

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Morphemklassifikation

3 Klassifikationsschemata

I nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme)

I nach Selbstandigkeit (freie vs. gebundene Morpheme)

I nach Rolle, funktionale Klassifikation (Stamm-, Derivations-,Flexionsmorpheme, Fugenelemente)

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Morphemklassifikation

nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme)

Inhaltsmorpheme ≈ Morpheme, die selbst Bedeutung habenoder die Bedeutung anderer Morpheme beeinflussen / verandern.

I Haus, Vogel, auf, unter, un- (Negation), -lich/-ig(vergleichbar mit), rot, ver-, -n (Plural), -ei (z.B. in ”diePendelei geht mir auf die Nerven”)...

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Morphemklassifikation

nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme)

Funktionsmorpheme ≈ Morpheme ohne eigene Bedeutung, mitausschliesslich grammatische Funktion [inkl. best. Prapositionen,Pronomen, Konjunktionen].

I -en (Infinitiv), dass, es (in ”es regnet”), -heit, -keit, auf (in”auf etwas anstossen”), -em (Dativ in ”diesem schonenBeispiel schenke ich grosse Aufmerksamkeit”) ...

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Morphemklassifikation

nach Selbstandigkeit (freie vs. gebundene Morpheme)

freie Morpheme ≈ Morpheme, die in ihrer Form ohne weitereMorpheme als Wortform auftreten konnen:

I Lexikalische Morpheme:Haus, Vogel, auf, unter, rot, Pendel, geh, hier, gestern...

I Grammatische Morpheme:dass, es, von, auf...

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Morphemklassifikation

nach Selbstandigkeit (freie vs. gebundene Morpheme)

gebundene Morpheme ≈ Morpheme, die nicht selbstandig alsWort vorkommen:

I Grammatische Morpheme:be-, ge-, un-, ver-, zer-, ent-, ...-bar, -lich, -keit, -heit, -s, -er, -en, -ung, -end, ...

I Lexikalische Morpheme:les-, ess- (diese werden haufig auch als Imperative und damitals freie Morpheme verwendet), rechn-, ordn-Konfixe: Stief-, Schwieger-, zimper-, fanat-, bio-, onmi-,unikale Morpheme: Schorn-, Him-, Brom-, -lier (verlieren)

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

I Stammmorpheme

I Derivationsmorpheme

I Flexionsmorpheme

I Fugenelemente

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Morphemklassifikation

Funktionale KlassifikationStammmorpheme (z.B. sprach-, bald, Baum, grun...)

I ... haben ublicherweise eine Bedeutung im eigentlichen Sinn

I Ein Wort besteht ublicherweise aus mindestens einemStammmorphem

I Stammmorpheme kommen in der Regel als einfacheWortformen vorAusnahmen: Konfixe (sonder-, fanat-, ...)aber auch Wurzeln wie ”Sprach-”???

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Morphemklassifikation

Stamm vs. Wurzel

Problem: Ablautfinde - fand - gefunden

3 Stamme! Was ist das Grundmorphem (=Wurzel)?Konvention nach GHS (S. 265) in diesem Fall:2. Person Plural Indikativ Prasens; also find-.

Noch ein Problem: Suppletionbin - bist - ist - sind - seid - war - gewesen...gut - besser - bestenlat: ferre - tuli - latum

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Exkurs: zuruck zum Morphembegriff

Ist ”Sprache” ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: istdas -e in Sprache ein eigenes Morphem?

Beispiele:Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache,*Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht

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Exkurs: zuruck zum Morphembegriff

Beispiele:Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache,*Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht

I Die Alternation zwischen Sprach und Sprache ist vorhersagbar!

I Die Alternation hat phonologische Grunde!

Erinnern wir uns an den Morphembegriff:Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommenals formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten, der(wenigstens) eine als einheitlich identifizierbareausserphonologische Eingenschaft zugeordnet ist.

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Exkurs: zuruck zum Morphembegriff

Ist ”Sprache” ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: istdas -e in Sprache ein eigenes Morphem?

Nein, das ’-e’ in ’Sprache’ hat rein phonologische Funktion; es istkein Morphem i.S. der obigen Definition; es ist ein Pseudosuffix(auch ”Stammerweiterung” oder ”morphologischer Rest”).

Losung des Problems:”Sprache” und ”sprach” sind zwei Realisierungsvarianten eineszugrundeliegenden, abstrakten(!) Morphems 〈sprach〉.Ahnliches gilt fur ablautende Wurzeln und Paradigmen mitSuppletion.

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Exkurs: zuruck zum Morphembegriff

Abstraktheit des Morphembegriffs

Realisierungsvarianten eines zugrundeliegenden Morphems heissenAllomorpheAnders gesagt: Ein Morphem kann als Klasse von Allomorphen(kleinste realisierbare Einheiten mit derselben semantischenund/oder grammatischen Funktion) definiert werden.

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Abstraktheit des Morphembegriffs

Das Pluralmorphem ist durch seine Funktion, den Plural einesStammes zu bilden, definiert.Pluralallomorphe sind die Realisierungsvarianten desPluralmorphems (die abhangig vom Stamm gewahlt werden):

{-e, -er, -n, -s, Umlaut, Umlaut+-e, Umlaut+-er, ∅ }vgl.: Boot, Kind, Blume, Oma, Vater, Ball, Buch, Kabel

Der Plural von ”Kabel” wird nicht realisiert (∅). Es handelt sichdabei um ein ”Nullallomorph”, d.h. eine von mehreren Variantendes Plurals.

Im Fall vom Nominativ Sg. handelt es sich um ein Nullmorphem,weil es (im Deutschen) keine Realisierungsvarianten gibt.

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

Stammmorpheme (s.o.)

Derivationsmorpheme:

I andern Bedeutung und / oder Wortart der Wurzel

I stehen nicht allein (gebundene Morpheme), sind einemStammmorphem angefugt - Affixe

I kommen als Prafixe, Suffixe, Infixe (nicht im Deutschen) undZirkumfixe vor

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

Derivationsmorpheme sind i.d.R Affixe:

Prafixe: be-, ent-, ver-, ge-,Suffixe: -bar, -ung, -heit, -keit, -lich, -ig, -ei, -chen....Zirkumfixe: Ge-red-eInfixe: Spanische Diminutive:Oskar - Oskitar; Edgar - Edguitar; Victor - Victitor; Julia - Julita

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

Derivationsmorpheme:Affixe (insbesondere Suffixe) sind haufig auf bestimmte Wortartenspezialisiert

I Nomen: Un-wille, Bank-er

I Adjektive: ur-komisch; sonder-bar; lust-ig

I Verb: uber-fuhren; ver-arschen; gluck-en

I Adverbien: eimer-weise; fieber-haft

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

Flexionsmorpheme:Kommen als Affixe, im Deutschen v.a. als Suffixe vor

I andern weder Bedeutung noch Wortart

I werden von syntaktischen Gegebenheiten verlangt (z.B.Kongruenz)

I Erscheinen an der Wortperipherie (nach denDerivationsmorphemen

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Morphemklassifikation

Funktionale Klassifikation

Grenzfall der Morphologie: FugenelementeEin morphologischer Atavismus - eine Funktion ist nicht erkennbar

Fugenelemente kommen meist in Komposita vor:Bauer+n+hof, Frau+en+haus, Leben+s+lust, Flasche+n+hals,Weg+e+zoll, Bild+er+sturmFlexion innerhalb des Kompositums??

Oft sehen die Fugenelemente aus wie die Genitiv- oder Pluralformdes ersten Stammes.

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MorphemklassifikationGrenzfall der Morphologie: Fugenelemente

Oft sehen die Fugenelemente aus wie die Genitiv- oder Pluralformdes ersten Stammes.

Haben sie deswegen auch die Bedeutung die typischerweiseGenitiv- oder Pluralmorphemen zugemessen wird?

I Vgl. Bienenschwarm, Frauenhaus, Raderwerk, Lebensgeister,Rebensaft mit

I scheinbar Plural, semantisch Singular: Flaschenhals,Kinderwagen, Brillengestell, Huhnerei, Scheibenwischer,Sonnenschein, Zungenspitze

I scheinbar Gen. Sg. aber semantisch Plural: Bischofskonferenz,Anwaltskammer, Ortsverzeichnis, Freundeskreis

I erster Stamm + Fuge ist keine Wortform im Paradigma:Liebesbrief, Meinungsbild, Arbeitsamt, Freiheitswille

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Morphemklassifikation

Grenzfall der Morphologie:Fugenelemente und andere morphologische Atavismen

Fugenelemente kommen typischerweise in Komposita vor.

Bestimmte Derivationsmorpheme haben merkwurdigeRealisierungsvariantenZ.B.: Ge+bau+de, Gemein+de oder Ge+lub+deWoher kommt das -d-???Vgl. Worter wie Ge+trieb+e, Ge+red+e, Ge+zank+e,Ge+wink+e, Ge+stang+e

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Aufgabe

Zerlegen Sie die folgenden Satze in ihre Morpheme. KlassifizierenSie jedes Morphem nach Selbstandigkeit (frei vs. gebunden),semantischem Gehalt und nach seiner Rolle (funktionaleKlassifikation).

Das Kammen von geraubten Kaschmirziegen ist unabwendbar

Den Begriff ”Morphologie” haben Sprachwissenschaftler aus derBotanik entlehnt.

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Flexion

An Nomen, Pronomen und Adjektiven: DeklinationAm Verb: KonjugationKommen als Affixe, im Deutschen v.a. als Suffixe vor

I andern weder Bedeutung noch Wortart

I werden von syntaktischen Gegebenheiten verlangt (z.B.Kongruenz)

I Erscheinen an der Wortperipherie (nach denDerivationsmorphemen)

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Flexion

Grammatische / morphosyntaktische Merkmale, die durch Flexionausgedruckt werden

I Kasus (Nom, Gen, Dat, Akk)

I Numerus (Singular, Plural)

I Genus (mask., fem., neutr.; 6= Sexus - naturliches Geschlecht)

I Person (1., 2., 3.)

I Tempus (Prasens, Prateritum, Perfekt, Plusquamperfekt,Futur I, FuturII)

I Modus (Indikativ, Imperativ, Konjunktiv I, Konjunktiv II)

I Genus Verbi (Aktiv, Passiv)

I Komparation (Positiv, Komparativ, Superlativ)

I im dt. nur lexikalisch: Aspekt

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Klassifikation von Wortarten anhand von Flexion

I flektierbar vs. unflektierbarunflektierbar: Adverbien (hier, gestern...), Interjektionen (ach,autsch, ups), Konjunktionen (und, oder, dass, weil, wenn,obwohl), Partikeln (nur, ja, doch, je), Prapositionen (auf, vonunter)flektierbar: Rest

I konjugierbar (nach Tempus flektierbar) vs. deklinierbar (nachKasus flektierbar)Verben sind konjugierbardeklinierbar: Rest

I mit festem Genus vs. nach Genus flektierbarmit festem Genus: Nomennach Genus flektierbar: Rest

I komparierbar vs. nicht komparierbarAdjektive sind komparierbar, Pronomen sind nichtkomparierbar