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Methoden der Kristallcharakterisierung Aus dem Alltag des Kristallzüchters: Es wurde eine feste Substanz synthetisiert. Ist es eine kristalline Substanz? Um welche kristalline Phase handelt es sich? Antworten über Röntgenbeugung Den Erfordernissen des Kristall-Labors besonders angepasst: Röntgen – Pulverdiffraktometrie Laue – Beugung. Zugrunde liegt beiden Methoden die Bragg – Beziehung 2 d sin α = n λ Geniale Idee: Gruppierung der Atome zu „Netzebenen“, an denen das (Röntgen-) Licht reflektiert wird.

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Methoden der Kristallcharakterisierung Aus dem Alltag des Kristallzüchters: Es wurde eine feste Substanz synthetisiert. • Ist es eine kristalline Substanz?

• Um welche kristalline Phase handelt es sich?

Antworten über Röntgenbeugung Den Erfordernissen des Kristall-Labors besonders angepasst: • Röntgen – Pulverdiffraktometrie

• Laue – Beugung.

Zugrunde liegt beiden Methoden die Bragg – Beziehung

2dsinα = nλ

Geniale Idee: Gruppierung der Atome zu „Netzebenen“, an denen das (Röntgen-) Licht reflektiert wird.

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Die Variablen der Bragg-Gleichung:

Durch den Kristall gegeben:

• Die d-Werte

Experimentvariablen:

• Röntgen-Wellenlänge λ

• Die Reflexwinkel α

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Zur Strukturaufklärung eingesetzt:

Drehkristall-Diffraktometrie (Einkristall-Diffraktometer, apparativ: Vierkreis-Diffraktometer)

Pulverdiffaktometrie Gemeinsames Merkmal:

• Wellenlänge gegeben (monochrom. Röntgenlicht)

• Variert wird die Winkelstellung des Kristalls zum Röntgenstrahl

→ Die Reflexwinkel α(d,λ) des Kristalls

Beachte: Die Bragg-Beziehung enthält zwei Bedingungen:

• Das von benachbarten Netzebenen reflektierte Licht soll konstruktiv interferieren.

• Jede Ebene für sich muss das Licht reflektieren, d.h. für die Reflektion an dieser Ebene muss das „einfache“ Snelliussche Reflexionsgesetz gelten?

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⇒ Damit eine Netzebenenschar einen Beugungsreflex liefern kann, muß der Kristall mit großer Genauigkeit in einen bestimmten Winkel zum einfallenden Röntgenstrahl gedreht werden. ⇒ Zwei Lösungen des Problems, alle möglichen Reflexe zu finden und damit die Struktur des Materials aufzuklären:

1.) „Vierkreis-Diffraktometer“ Einkristall-Diffraktometer, bei dem mittels aufwändiger Goniometer ein Kristall in jeden beliebigen Winkel zum Einfallsstrahl gebracht werden kann. • Man braucht hierzu einen Einkristall • Für die erste Charakterisierung eines

Kristallisationsversuchs ungeeignet

2.) Pulverdiffraktometer Hier genügt ein „Zweikreis-Goniometer“ bei welchem sich Detektor und Probe um die gleiche Achse drehen. Eigentlicher „Trick“: Es wird eine sehr fein gepulverte Probe (Körnchengrösse einige mµ ) mit völlig zufälliger Körnchenorientierung verwendet. ⇒ Für jede Netzebenenschar gibt es tausende

Körnchen in der richtigen Orientierung zum Einfallsstrahl, um einen Beugungsreflex zu liefern.

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Die Orientierungsvielfalt der kleinen Kristallite ersetzt also das komplizierte Probengoniometer des Einkristalldiffraktometers. Allerdings: Die Körnchenorientierung muss wirklich rein zufällig sein. Vorgehensweise im Frankfurter Kristall-Labor: Man streut die Körnchen auf eine dünne Fettschicht auf.

Man braucht Millionen von Körnchen. Pulver fein mahlen!

Zu jedem Beugungsreflex trägt nur ein winziger Bruchteil der Körnchen bei.

Intensitäten sind geringer, als beim Einkristall-Diffraktometer.

Beispiel: Glitzernde Schneekristalle bei Sonnenlicht

Von jedem Betrachtungsstandort aus sieht man diejenigen Schneekriställchen glitzern, die aufgrund ihrer Orientierung das

Sonnenlicht zum Auge reflektieren.

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Zur Kristallorientierung eingesetzt: Laue-Methode der Röntgen-Diffraktometrie

Kristallorientierung meint: Den Kristall so einrichten, dass dessen Kristallgitter in definierter Orientierung zum Röntgenstrahl (zur Filmebene, zum Sägeblatt, ...) steht. • Hier steht ein Einkristall fest zum Röntgenstrahl • Beleuchtet wird mit einem

breiten,kontinuierlichen („weissen“) Röntgenspektrum

d. h. für jede Netzebenenschar (einen d-Wert) „sucht sich der Kristall die passende Wellenlänge aus“, so dass die Bragg-Bedingung für konstruktive Interferenz erfüllt ist.

(zur Erinnerung: 2dsinα = nλ) Hauptanwendung: Man erhält einen Überblick über die geometrische Anordnung der Netzebenen. Die Bestimmung der d-Werte ist bei der Laue-Methode schlecht möglich, da man i. A. nicht weiss, mit welcher Wellenlänge ein bestimmter Reflex erzeugt wurde.

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Übungen zur Kristallcharakterisierung: Zusammenspiel von Kristallstruktur und Röntgenpulverdiffraktogramm studieren mittels

PowderCell

programmed by Werner Kraus & Gert Nolze (BAM Berlin)

www.ccp14.ac.uk/ccp/web-mirrors/powdcell/a_v/v_1/powder/e_cell.html Beispiel: Struktur eingeben Atomanordnung ansehen Diffraktogramm simulieren Gemessenes Diffraktogramm ansehen Strukturmodell so modifizieren, dass das gemessene Diffraktogramm erzeugt wird: Rietveld-Verfeinerung

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Laue-Beugungsbilder erzeugen und simulieren: Zusammenspiel zwischen Kristallorientierung (relativ zur Einfallsrichtung des Röntgenstrahls) und Beugungsbild Geeignetes Programm: OrientExpress 3.4 J. Laugier Erhältlich bei http://www.ccp14.ac.uk/ccp/web-mirrors/lmgp-laugier-bochu/

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Häufig auch nützlich zur Bestimmung der Kristallorientierung:

Polarisationsmikroskopie Ein Beispiel zur Motivation: Barium-Natrium-Niobat Ba2NaNb5O15 („BaNaNa“) Struktur: Orthorhombisch mit α = β = γ = 90° und a = 17.590Å; b = 17.620Å; c = 7.990Å a und b sind fast gleichlang. (Manche nennen BaNaNa „pseudotetragonal“) Entsprechend:

Laue-Aufnahme für Röntgenstrahlrichtung längs c ([001]-Richtung) sieht fast vollkommen vierzählig aus. Was ist a?, was ist b?

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Aber: Unter dem Polarisationsmikroskop für Lichtausbreitung längs [001] kann man das bekommen:

Hier sieht das Material garnicht vierzählig aus. Das kundige Auge sieht dann: Die Achse, die zum kleinsten Brechungsindex gehört (hier a), verbindet die beiden „Kringelzentren“.

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Beispiel 2: Cs2CuCl2,5Br1,5 – Kristalle sehen vierzählig aus:

Hier gibt es orthorhombische und tetragonale Kristallmodifikationen. Das Bild scheint klar den tetragonalen Strukturtyp zu zeigen. ???Gründliche Wissenschaftler erhielten aber Röntgenpulverdiagramme des orthorhombischen Typs. ??? Polarisationsoptik als Schiedsrichter:

Probe gehört wirklich zum tetragonalen Kristallsystem. (Der gründliche Forscher hat das Material durch zu energisches Mahlen für die Pulverdiffraktometrie immer strukturell umgewandelt.)

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Nützliches Wissen: Lichtausbreitung (Brechung, Polarisation) in Einkristallen häufig anisotrop. Die Symmetrie der Kristalle bezüglich der Licht ausbreitung gleicht der Symmetrie von Ellipsoiden. Dabei gilt die Zuordnung: Kubisches Kristallsystem: Indexellipsoid entartet zur Kugel Tetragonales, Hexagonales, System: Trigonales Rotationsellipsoid Orthorhombisches System: Allgemeines Ellipsoid (drei verschieden lange Achsen)

System

Allgemeines Ellipsoid, Achsen nicht übereinstimmend mit Kristallachsen (Tabelle aus M. Born, Optik, Springer Verlag. Sehr lohnendes Buch)

Monoklines Triklines

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Ob man Doppelbrechung zu erwarten hat, oder nicht hängt davon ab, ob ein zentraler Schnitt durch das Ellipsoid senkrecht zur Lichtausbreitungsrichtung eine Ellipse oder einen Kreis liefert. Im Falle eines Kreisschnitts: • Die Lichtausbreitungsrichtung ist parallel zu

„Optischer Achse“ • Für diese Richtung ist der Brechungsindex für alle

Polarisationsrichtungen gleich. Schnittfigur ist Ellipse: • Es gibt zwei Polarisationsrichtungen mit

unterschiedlichem Brechungsindex. ⇒ Beispiele: Für orthorhombische Kristalle gibt es für zwei Ausbreitungsrichtungen Kreisschnitte. Solche Kristalle sind „optisch zweiachsig“. Für tetragonale Kristalle gibt es zu einer Richtung einen Kreisschnitt. Die Kristalle sind „optisch einachsig“ Bei Kristallen mit kubischem Gitter sind alle solche Schnitte Kreisschnitte ⇒Kristalle mit kubischem Gitter sind (licht-)optisch

isotrop. ⇒Hier ist jede Richtung eine optische Achse.

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⇒ bei kubischen Kristallen ist das Polarisationsmikroskop gegenüber der Kristallorientierung „blind“

(Etwas tieferer Grund: Der für die Lichtausbreitung bestimmende dielektrische Tensor (3x3) hat zuwenige Komponenten .

Abhilfe z. B.: Ultraschallmikroskop

Die Probe wird nicht mit Licht, sondern mit Schall bestrahlt.

Der bestimmende Tensor in diesem Fall: Tensor der „elastischen Konstanten“, (6x6) Wegendes reichhaltigeren Tensors gibt es nun auch

Kontraste für verschieden orientierte Körner eines kubischen Systems.

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Wichtiges Arbeitspferd im Labor: Zusammensetzungsanalyse über Elektronenmikroskopie Grundlage: Beim Elektronenmikroskop wird die Probe mit schnellen Elektronen (beschleunigt über einige KV) bestrahlt. Die Probe gleicht damit der Anode einer Röntgenröhre.

⇒ Aussendung für das Probenmaterial charakteristischer Röntgenstrahlung.

Ortsaufgelöste Zusammensetzungsanalyse.