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LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT Was ist Literatur? Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die Zeiten verändern sich und dadurch auch Literaturbegriff. mehrdeutig Dieses „Wissen“ ist Teil unseres Sozialisations- und Akkulturationsprozesses Es ist kaum deutlich zu begrenzen Uns helfen die Nachschlagewerke: Lexika, Wörterbücher, Handbücher etc. © Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001 o 1. a) [gesamtes] Schrifttum, veröffentlichte [gedruckte] Schriften: wissenschaftliche L.; belletristische, schöngeistige, schöne L. (Literatur 2); graue L. (Schrifttum von Behörden, Instituten, Firmen, Parteien u. Ä., das nicht über den Buchhandel vertrieben wird); b) [fachliches] Schrifttum über ein Thema, Gebiet: die einschlägige, medizinische L.; die L. über etw., zu einem bestimmten Thema; die L. kennen, zusammenstellen, zitieren, [in Fußnoten] angeben; c) (Musik) in Form von Notentexten vorliegende Werke für Instrumente od. Gesang: die L. für Violine; die Pianistin spielt hauptsächlich die romantische L. (Musik der Romantik). o 2. künstlerisches Schrifttum; Belletristik: die zeitgenössische [französische] L.; die L. des Expressionismus; die -en einzelner Nationen; dieses Buch zählt zur L. (ist literarisch wertvoll). ©SSKJ – Kunst, die für ihre Ausdrucksmittel Wort oder Sprache hat. Die Literatur durchaus muss nicht schriftlich vermittelt werden. Man denkt and das Hörspiel an multimediale Projekte mit sprachlichen Elementen an Lautgedichte, Märchen, Sagen, an die mittelalterliche mündliche Literatur. Literatur: 1. Primärliteratur (die Primär-, Ausgangs-, Originaltexte) 2. Sekundärliteratur – das sind Texte über Texte, also Metatexte, die sich auf Primärtexte beziehen: Fachliteratur, Forschungsliteratur Literaturwissenschaft: hat die Literatur zum Gegenstand tautologische Definition (Definition, die in veränderter Folge das bereits Gesagte wiederholt und keine deutende Information hinzu folgt)– Literaturwissenschaft sei die Wissenschaft von der Literatur Schmidt: „Literaturwissenschaft sei keine analytische Wissenschaft, wie die reine Mathematik, sondern eine Wissenschaft, die Aussagen über Personen, Handlungen, Objekte und Sachverhalte im Raum der Gesellschaft macht“ Wissenschaft: 1. Sprache der Wissenschaft (Fachsprachenpostulat – zahteva, nujnost) soll möglichst eindeutig sein, um keine Missverständnisse zu verursachen, um eine möglichst störungsfreie Kommunikation zu garantieren

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LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT

Was ist Literatur? • Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die Zeiten

verändern sich und dadurch auch Literaturbegriff. • mehrdeutig • Dieses „Wissen“ ist Teil unseres Sozialisations- und Akkulturationsprozesses • Es ist kaum deutlich zu begrenzen • Uns helfen die Nachschlagewerke: Lexika, Wörterbücher, Handbücher etc. • © Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001

o 1. a) [gesamtes] Schrifttum, veröffentlichte [gedruckte] Schriften: wissenschaftliche L.; belletristische, schöngeistige, schöne L. (Literatur 2); graue L. (Schrifttum von Behörden, Instituten, Firmen, Parteien u.ÿÄ., das nicht über den Buchhandel vertrieben wird); b) [fachliches] Schrifttum über ein Thema, Gebiet: die einschlägige, medizinische L.; die L. über etw., zu einem bestimmten Thema; die L. kennen, zusammenstellen, zitieren, [in Fußnoten] angeben; c) (Musik) in Form von Notentexten vorliegende Werke für Instrumente od. Gesang: die L. für Violine; die Pianistin spielt hauptsächlich die romantische L. (Musik der Romantik).

o 2. künstlerisches Schrifttum; Belletristik: die zeitgenössische [französische] L.; die L. des Expressionismus; die -en einzelner Nationen; dieses Buch zählt zur L. (ist literarisch wertvoll).

• ©SSKJ – Kunst, die für ihre Ausdrucksmittel Wort oder Sprache hat. Die Literatur durchaus muss nicht schriftlich vermittelt werden. Man denkt and das Hörspiel an multimediale Projekte mit sprachlichen Elementen an Lautgedichte, Märchen, Sagen, an die mittelalterliche mündliche Literatur. Literatur:

1. Primärliteratur (die Primär-, Ausgangs-, Originaltexte) 2. Sekundärliteratur – das sind Texte über Texte, also Metatexte, die sich auf Primärtexte

beziehen: Fachliteratur, Forschungsliteratur Literaturwissenschaft:

• hat die Literatur zum Gegenstand • tautologische Definition (Definition, die in veränderter Folge das bereits Gesagte

wiederholt und keine deutende Information hinzu folgt)– Literaturwissenschaft sei die Wissenschaft von der Literatur

• Schmidt: „Literaturwissenschaft sei keine analytische Wissenschaft, wie die reine Mathematik, sondern eine Wissenschaft, die Aussagen über Personen, Handlungen, Objekte und Sachverhalte im Raum der Gesellschaft macht“

Wissenschaft:

1. Sprache der Wissenschaft (Fachsprachenpostulat – zahteva, nujnost) • soll möglichst eindeutig sein, um keine Missverständnisse zu verursachen, um eine

möglichst störungsfreie Kommunikation zu garantieren

Page 2: LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT · LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT Was ist Literatur? • Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die

• bedient sich der Terminologie (eines wissenschaftlichen Wortschatzes aus Fachbegriffen; metaphorische Ausdrücke sind verpönt)

• eine Forschungsarbeit sollte entweder zu Beginn oder im Laufe der Untersuchung die Begriffe klären

• Eissenschaftssprache ist gröstenteils abstrakte Sprache 2. Theoriepostulat

• ist die Forderung nach Systematik • Literaturwissenschaft geht systematisch vor, sie glieder die Einzelphänomene

gemäß verschiedenen Systemen, sie die entwickelt hat, um möglichst viele erfassen und erklären zu können (z.B.: Verssysteme, Kommunikationsmodell, Textsorten, Funktionen etc.)

• der Fachmann / die Fachfrau muss immer darauf achten, konsequent innerhalb eines Systems, einer Diskursart, einer logischen Argumentations- und Sprachebene zu bleiben

3. Überprüfkeitspostulat, Relevanzpostulat • besagt, dass Bedarf nach bestimmten Problemstellungen und deren Lösungen

bestehen muss • Forschungsergebnisse werden nach ihrer Anwendbarkeit und ihrer Bedeutsamkeit

bewertet, die sie für eine gesellschaftliche Gruppe haben

BEREICHE DER LITERATURWISSENSCHAFT

1. Literaturtheorie: • nimmt jenen Bereich ein, der sich mit grundlegenden und allgemeinen

Fragestellungen befasst • sie entwickelte globalere Systeme und rückt infolgedessen in die Nähe der

Ästhetik und der Philosophie • nach Harris versucht sie, Literatur zu definieren, ihren Wert zu bestimmen und den

psychologischen, ästhetischen und literarischen Effekten und Wirkungen nachzugehen

2. Literaturgeschichte (Schaffen von Ordnung) • ist die gewiss bekannteste und gerade im Literaturunterricht oft weitest verbreitete

Teildisziplin des Faches „Literatur“ • sie arbeitet Literatur historisch auf • man betrachtet die „Literaturereignisse“ linear als eine evolutionäre oder eine

dialektische Abfolge • man systematisiert die literarischen Phänomene zu Gruppen und gliedert sie in

Perioden • die Literaturgeschichte sollte nach Hans Robert Jauß diachron (Diachronie:

Darstellung der Aufeinanderfolge) und synchron (Synchronie: Darstellung des Nebeneinander, der simultan auftretenden Phänomene) sowie historisch-kritisch vorgehen

3. Interpretation • „Interpretieren“ gilt noch heute als bedeutendste Aufgabe der

literaturwissenschaftlichen Praxis • als deutungsbedürftig gelten (literarische) Texte

a. weil sie hochrangig mehrdeutig sind b. weil die Autoreferenz auf Kosten der Referentialität ansteigt und parallel

dazu die Konnotationsnetze auf kosten der Denotationen

Page 3: LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT · LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT Was ist Literatur? • Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die

c. weil der Kontextbezug gelockert oder ausgelöst wird • Definition nach Jürgen Schütte: „Interpretation ist eine Inszenierung der eigener

Lese-Erfahren. Sie versieht die Lese-Erfahrung und die kritische Stellungnahme mit Begründungen, fragt nach den Ursachen der literarischen Wirkung. Das ist ein Arbeitsprozess, in dem der Vorgang des Verstehens – und mit ihm der gelesene Text – methodisch rekonstruiert werden

• wie man Text verstehen kann • nicht ewig • es ist wichtig, was wir vom Text ausziehen • weil der Text Unbewusstes enthält, weiß der Text mehr als sein Autor / seine

Autorin • mit der Interpretation wollen wir unsere Vorstellung, Meinung zu anderen bringen

/ mitzuteilen 4. Literaturkritik:

• ist pragmatisch ausgerichtet • es geht um ein Buchbesprechung • Kritik muss ein Wertsystem entwickeln • durch Information, Wertung und Interpretation fördert sie eine Einordnung in das

etablierte Literatursystem • als Teil der öffentlichen Meinung ist Literaturkritik an die Medien gebunden

5. Literaturdidaktik • ist Bereich, der sich mit jedem Art der Unterrichtung beschäftigt • es handelt sich darum, wie man Literatur vermitteln kann

Hilfswissenschaften – Interdisziplinarität Literaturwissenschaft kann sich auch der Resultate und Problemslösungsstrategien anderer Wissenschaften bedienen. Besonders häufig so genannte Hilfswissenschaften sind Linguistik, Semiotik, Rhetorik, Psychologie, Soziologie, Geschichte, Statistik etc.

KOMMUNIKATIONSMODEL (Roman Jakobson)

Roman Jakobson versteht die Poetik als Teil der Linguistik. Er entwickelte mithilfe des Kommunikationsmodells ein sechsteiliges Schema sprachlicher Funktionen: Sender – Botschaft (Nachricht) – Empfänger Sprecher – Aussage – Zuhörer Autor – Text – Leser Produzent (Produktion) – Rezipient (Rezeption, Aufnahme)

Kontext (Referentiell=Wirklichkeit)

Sender (emotiv, expressiv) -------Botschaft, Text (poetisch) -------------Empfänger (konativ)

Kontakt = Kanal (phatisch)

Kode (metasprachlich)

Der Sender macht dem Empfänger eine Mitteilung.

Page 4: LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT · LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT Was ist Literatur? • Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die

Botschaft ist die Nachricht, die vermittelt werden soll. Um das zu erreichen müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:

• es muss die gleiche Kode (die gleiche Sprache und ähnliche Vertextungsverfahren) verwendet werden

• es muss einen Kanal, Kontakt (Übertragungsmittel: z.B. Telefon, Buch) geben • es muss einen gemeinsamen Kontext (Wirklichkeit bzw. Referenz) geben

Kommunikationsakt: Sender – Empfänger

• Sprechakt: Rundfunk, Hörspiel – Hörer • Leseakt: Autor, Erzähler – Leser • Theater/Kino: Autor, Schauspieler – Zuschauer • Literatursystem: Produzent (Produktion) – Rezipient (Rezeption)

Kontakt ermöglicht dem Sender und Empfänger in Kommunikation zu treten und zu bleiben. Jede dieser sechs Komponenten bedingt eine verschieden sprachliche Funktion:

• emotive oder expressive Funktion richtet sich an den Sender. Sie bringt die Haltung des Sprechers zum Gesprochenen unmittelbar zum Ausdruck

• konative Funktion: die Ausrichtung auf den Empfänger findet ihren reinsten grammatischen Ausdruck in Vokativ oder Imperativ

• phatische Funktion: die Einstellung auf den Kontakt. Einige sprachliche Botschaften verfolgen in erster Linie den Zweck, Kommunikation zu erstellen, zu verlängern oder zu unterbrechen, zu kontrolieren, ob der Kanal offen ist („Hallo, können Sie mich hören?“), die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

• metasprachliche Funktion: Wenn der Sender oder / und Empfänger kontrollieren wollen, ob beide denselben Kode gebrauchen, orientiert sich die Rede am Kode: „Verstehen Sie, was ich meine?“

• referentielle Funktion: Die Sprache (das Zeichen) bezieht sich im Normalfall auf eine Referenz, auf eine „Wirklichkeit“, so dass Zeichen und Referenz durch der beiden Kommunikationsteilnehmern gemeinsamen Kontext in Bezug gesetzt werden können.

• poetische Funktion: stellt die Einstellung auf die Botschaft als solche, die Ausrichtung auf die Botschaft um ihrer selbst willen.

Sowohl die Kode wie auch der Kontext unterscheiden sich für jeden Leser abhängig von:

• von seiner Persönlichkeitsstruktur • von seiner Lesekompetenz • von der Gruppenzugehörigkeit • von der Alterszugehörigkeit • von der Bildungszugehörigkeit • von der momentanen Rezeptionssituation

Kontakt/Kanal

• Im Leseakt stallt das Buch den Kanal dar. • Medien: Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen • im Theater werden Texte verkörperlicht

Referenz – Wirklichkeit

• Sprache bezieht sich auf Referenz

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• die Lehrerin sagt den Schülern: „Öffnet das Fenster!“ in einem Raum mit einem oder mehreren Fenstern:

o wenn die Schüler sie verstanden haben, dann wird vermutlich jemand aufstehen und die entsprechende Handlung durchführen

o aber wenn das nicht geschieht, dann hat sich die Lehrerin nicht genug klar ausgedrückt oder lassen die Schüler die Lehrerin ihre Abneigung gegen sie oder die Handlung spüren

• die Lehrerin sagt den Schülern: „Öffnet das Fenster!“ in einem fensterlosen Raum: o Sprecher beherrscht den Kode / die Sprache nicht – hat sich also geirrt o Sprecher spinnt – kann die Umwelt nicht mehr aufnehmen o Sprecher meint nicht etwas konkretes, sondern etwas Übertragenes z.B.:

„Öffnet euere Herzen, Augen!“

GESCHICHTE DER LITERATUTWISSENSCHAFTLICHEN METHODOLOGIE

Positivismus • beschäftigte sich vor allem mit dem Autor • schuf Parallelen zwischen Biographie und Werk

Geistesgeschichte

• berief sich auf Einfühlung in das Dichtwerk Die textimmanente Werkinterpretation

• ließ das Kunstwerk allein gelten • eine Interpretation sollte sich nur textintern bewegen

Rezeptionsästhetik

• betont den Leseakt bezogen auf Erwartung und Erfüllung / Enttäuschung durch die Strategien des Autor

Der phänomenologische Zugang.

• postuliert einen besonderen Seinsmodus des ästhetischen Gegenstandes, eine Quasirealität

Der Formalismus, Strukturalismus und die Fiktionstheorie

• versuchen das Ästhetische / Poetische / Literarische auf dem Hintergrund und im Rahmen der Abweichungen von der automatisierten Sprachfolie zu fassen, wobei die Selbstreferentialität der Literatur einen Angelpunkt darstellt

Semiotik

• Für Semiotiker ist Kunst ein sekundäre modellierendes System Poststrukturalismus

• beeinflusst durch Diskurstheorien und Psychoanalyse Systemorientierte Literaturwissenschaft

• untersucht Literatur als soziales System und ihre Kodierbarkeit Diskursanalytische und Systemtheoretische Ansätze

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• die Betrachtung der Literatur als Schnittpunkt von Diskursen im Rahmen einer Mentalitätsgeschichte

Die Dekonstruktion

• führt die Unmöglichkeit des Unterscheidens von Objekt und Metasprache vor Der Feministische Zugang

• er verweist auf die Auswirkung der Geschlechtsdifferenz in verschiedenen Literatubereichen

ZUR GRUNDLAGE DER TEXTANALYSE – DIE ZWEI PARADIGMATA

In dem Text zeichnen sich zwei grundlegende, gegensätzliche Paradigmata ab. Diese zwei Paradigmata gehören zusammen, als sie sich wie ein Netz und seine Löcher (wie ein Muster und seine Zwischenräume) zueinander verhalten. Es hängt vom Blick ab, was man als Vordergrund, was als Hintergrund sieht. Wir unterscheiden zwischen:

Paradigma I: der Text als Totalität Paradigma II: der Text als Subversion

Paradigma I: der Text als Totalität

Der literarische Text konstituiert ein Sinnganzes. Darin ist jedes Element sinnvoll und und unaustauschbar. Kunstwerk begreift eine äußerst komplexe, homogene Totalität. Das Ziel des Lesers besteht in der Darlegung der Perfektion, der Stimmigkeit in der Konstruktion / Struktur über eine Vielzahl homogener Interpretationsnetze. Der ästhetisch durchgestaltete Text bietet das, was in Wirklichkeit nicht erlebt wird.

Paradigma II: der Text als Subversion

Der Text läuft gegen sich selbst und löst sich auf. Es hat sich ein Ästhetikverständnis entwickelt, das auf den Löchern der Netze baut. Der Text weiß mehr als sein Autor. Für beide Paradigmata gültige Aussagen:

1. Polivalenz – Mehrdeutigkeit 2. Semantisierung aller Elemente 3. Deskription (Beschreibung) und Funktionszuordnung 4. Semantisierung des nicht Verbalisierten oder Entegration des Potentiellen 5. Informationsdichte 6. Intertekstualität

Polivalenz – Mehrdeutigkeit im Unterschied zur möglichst eindeutigen, alltäglichen oder wissenschaftlichen Sprache ist die Sprache hochwertiger literarischer Texte vieldeutig. Diese Vieldeutigkeit ist bisher einziges allgemein akzeptiertes, obgleich nicht absolut gültige Differenzkriterium zwischen literarischen und nicht literarischen Texten. Semantisierung aller Elemente

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Alle Textelemente tragen Bedeutung. Auch die so genannten „formalen“ Elemente sind semantisiert, d.h. sie sind mit Bedeutung aufgeladen. Jede Aussage hat ihre Bedeutungsstruktur, ihr Textsinn. Deskription (Beschreibung) und Funktionszuordnung Feststellen (Identifizieren) und Beschreiben (Deskription) haben ihre Funktion und ihre Wirkung. Sie müssen versuchen, die Aufgaben zu finden, die sie im Text erfüllen. Manchmal müssen sie auf schwierige Frage antworten, warum sie eingesetzt wurden und was sie hervorrufen. Die Suche nach Motivationen ausgespart werden sollte. auch auf den Rezipienten hin während der Autor möglichst ausgespart werden sollte. Semantisierung des nicht Verbalisierten oder Entegration des Potentiellen Es wird ein möglichst umfassendes, komplexes Weltwissen vor allem in Bezug auf Kode und Kontext verlangt. Jedes literarische Kunstwerk enthält eine große Anzahl von Leerstellen, die von uns gefüllt werden. Informationsdichte Die künstlerischen Texte sind stark verdichtet. Im Vergliech zu nicht künstlerischen ist der Sättigungsgrad besonders hoch. Intertextualität Literarische Texte gehen in verschiedenem Masse einen Dialog mit anderen literarischen und nicht-literaririschen Texten ein. Sie variieren sie, antworten ihnen etc. Wir sprechen von Intertextualität.

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WAS MACHT EINEN TEXT ZU EINEM »LITERARISCHEN TEXT«? – LITERARIZITÄT

• bei der literarischer Kommunikationssituation fehlt ein Pol des

Kommunikationsmodells • bei der gemeinsamen Wirklichkeit treten schon Schwierigkeiten auf • die Frage „Was hat der Autor damit gemeint?“ ist sinnlos:

o die Intention, Absicht ist in den Text eingegangen o wir sind auf uns selbst und den Text angewiesen o Intention ist allein daran abzulesen, überprüft werden kann sie nicht

Der Text weiß immer mehr als sein Autor, weil er unbewusstes enthält.

Der Autor ist nach Fertigstellung des Textes genauso nur Leser und wie jeder andere, mit dem Unterschied, dass er mehr über den Produktionsprozess, die eingegangene Stoffe, Intentionen und Konzepte weiß.

REFERENZLOSIGKEIT, ISOLIERUNG

Ein Satz in einem literarischen Text bezieht sich nicht auf den konkreten Kontext, sondern auf einen „fiktiven“, imaginären, erdachten Kontext, auf eine „fiktive“ (das, was in Wirklichkeit nicht existiert) Welt. Unsere Kultur trennt literarische Texte von pragmatischen schon durch die äußere Erscheinungsweise. Isolierung zeigt sich durch den verdichteten Text in der Seitenmitte und den ihn umgebenden Leerraum. Wir lesen diesen Text als Gedicht. Auch Prosatexte, sei es Romane, Erzählungen, Märchen können wir meist sofort einordnen: „die Aufmachung“ des Textträgers, des Buches, die das Genre signalisiert: der Umschlag, der Titel, manchmal der Unterteil. Dramatik braucht einen aufwendigen Aufführungs- und Darstellungsapparat (das Theater als Raum) Theater – spezielle Bauten und Institutionen werden errichtet, die festlichen Kleidungen werden hervorgehoben – Literatur (Kunst) wird als Sozialsystem signalisiert. Verhaltensregeln gewährleisten von uns ein entsprechendes soziales Verhalten im Raum Kunst und besonders unsere Rezeptionshandlungen lenken. Es würde uns nicht einfallen, auf die Bühne zu springen und den Mörder zur Verantwortung zu ziehen oder die Polizei zu rufen. Was macht einen Text zu einem literarischen Text?

• Unmöglichkeit, die Zeichen in einem literarischen Text zu „Referenzialisiseren“, auf eine konkrete Außertextliche Referenz zu beziehen.

• das Fehlen einer konkreten pragmatischen Kontextsituation o Kontextentzug – das Umgeben des Textes mit Leerraum o Kontextwechsel – im Theater oder Museum, die Beiden den „Rahmen“ Kunst

andeuten

MEHRDEUTIGKEIT

Page 9: LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT · LITERATUR – LITERATURWISSENSCHAFT Was ist Literatur? • Es gibt da keine genaue Definition von dem Begriff Literatur, die gültig ist. Die

• der Text, der keinen eindeutigen Kontextbezug (Referenz) aufweist, beginnt in Mehrdeutigkeit zu vibrieren

• Isolierung und die daraus resultierende Mehrdeutigkeit ruft das hohe Bildungspotential literarischer Texte hervor

• die Forderung nach Mehrdeutigkeit gilt im gegenwärtigen Literaturverständnis als einziges allgemein akzeptiertes, wenn auch nicht absolutes Unterscheidungsmerkmal für literarische Texte: Sprachgebrauch in der Werbung

• wir sagen, dass Literatur mehrdeutig oder vieldeutig ist

SELBSTBEZUG – AUTOREFERENZIALITÄT

die Konzentration, der Verweis des Textes zeigt sich auf sich selbst. Und das auf verschiedene Weise:

• Materialität des Zeichens – Konstruiertheit des Zeichens • Fiktionalität, Selbstreflexivität – metasprachlich • „Autonomie“ des Sozialsystems Literatur

Materialität des Zeichens:

• der Selbstbezug zeigt sich in der Spürbarkeit des Zeichens, in dem Verweis auf die Konstruiertheit, „Gemachtheit“ des Textes und die Materialität des Zeichens

• in der Kunst tritt Zeichen als Zeichen in den Vordergrund • die Aufmerksamkeit der Leser wird auf die materialen, strukturalen und relationalen

Kennzeichnen der Worte gelegt, damit erhalten die Wörter (Textelemente) erst in der Rede Bedeutung, sie tragen sie nicht in sich

• für das Lesen bedeutet das eine Hemmung im Verlauf der Aufnahme, eine Verlangsamung und Erschwerung

• im poetischen/literarischen Text werden die in jedem Sprachgebrauch latenten sprachlichen Mittel manifest „spurbar“

Fiktionalität – Aufbau einer eigenen Referenzialität

• Fiktionalität besagt zum einen, dass das in literarischen Texten Geäußerte nicht dem Überprüfungskriterium von wahr und falsch zu unterwerfen ist

• Fiktivität und Selbstbezug bedingen den Aufbau der jeweiligen fiktionalen Welt mit eigener Referenzialität

• im traditionellen Literaturverständnis bedeutet Fiktionalität das Konstruieren einer in sich stimmigen kohärenten, auf sich selbst verweisenden Sprachwelt, die nicht nach dem Grad ihrer bewertet wird, sondern nach der Art und Komplexion ihrer Mehrfachkodierung und in der modernen Literatur auch nach dem Grad ihrer Uneinholbarkeit: die hohe Intensität und die Unvereinbarkeiten lässt den Leser nicht gleichsam los.

Selbstreflexivität – metasprachlich Das Sprechen über Schreiben und Lesen oder Reden über das Reden ist ein weiterer Aspekt der Selbst-Reflexivität, die ein Merkmal insbesondere der neueren Literatur ist Selbstreflexivität orientiert sich partiell am Kommunikationsmoment „Botschaft“, jedoch in höherem Masse entspricht sie der metasprachlichen Funktion und macht den Kode zu seinem Gegenstand. Dieses metasprachliche Potential hat die Literatur des 20. Jahrhunderts in vielerlei Varianten entfaltet, wobei sie den Kontruktionscharakter und deren Fiktivität zum Thema macht.

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Intertextualität – die Tatsache das literarische Texte nicht nur im Rahmen der Gattungen und Genres Erweiterungen, Weiterführungen, Erwiderungen auf bereits Verfasstes sind. Vielstimmigkeit oder „Polyphonie“ ist erst in den letzten Jahrzehnten erfasst werden. „Autonomie“ des Sozialsystems Literatur Literatur konstituiert sich als eigenes Sozialsystems mit eigenen Systemeigenschaften. Sie erfüllt als solches eine Vielzahl sozialer Funktionen. Hier lassen sich bestimmte Dominanten unterscheiden:

• Nicht – Instrumentalität der poetischen Sprache und des literarischen Textes: Literatur hat keine konkrete pragmatische Zielsetzug wie etwa in der Politik oder Werbung, wo konkrete Reaktionen (Wahl, Kauf) angestrebt werden.

o Kunst, Literatur haben keinen konkreten Zweck o Werbung, Politik will einen Effekt haben, will Produkt verkaufen

• Unabhängigkeit und Selbstbezug des Wertungsystems

ARTEN DER SINNVEREINDEUTIGUNG UND SINNVERVEILFÄLTIGUNG – BEZUGSNETZE

Der Leser eines durch Mehrdeutigkeit gekennzeichneten Textes tendiert dazu, diesen für sich zu vereindeutigen. Dazu verhilft ihm:

1. der Text selbst, der durch seine Mehrfachkodierung Signale gibt, wie der Text aufzunehmen sei

2. die Erfahrung des Lesers mit literarischen Texten und der poetischen Sprache, dass nämlich diese über ihre denotative Bedeutung hinaus auch Konnotationsnetze knüpfen

3. sowie seine in den Text gelegten Erfahrungen, Erlebnisse und Verhaltensmuster in der Lebenswelt

Im Gegensatz zu pragmatischen Texten können Signale zur Vereindeutigung in literarischen Texten zugleich und paradoxerweise die Bedeutung (en) auch vermehren und vervielfältigen.

• denotativ – konkret • konnotativ – übertragen • Konnotationsnetz – Netze aus Nebenbedeutungen, Assoziationen und

übertragenen Bedeutungen

Bezugsnetze

1. Wiederholungsstrukturen 2. Denotation, Konnotation 3. Realisierung durch Leser/innen

Wiederholungsstrukturen Die Kompliziertheit literarische Texte (der poetischen Sprache) lässt sich auf einige Grundoperationen reduzieren. Wir nehmen bewusst wahr, wenn etwas hervorgehoben wird, das geschieht:

• durch Wiederholung von Gleichen oder Ähnlichen • durch Absetzung oder Kontrastierung (Hintergrund: Wiederholung und Erwartung;

Vordergrund: Kontrast) Wiederholung ruft eine bestimmte Erwartung hervor; diese Erwartung kann:

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• entweder erfüllt werden, was meist angenehme Gefühle hervorruft (Widererkennungseffekt, Vertrautheit, Geborgenheit…),

• oder sie kann enttäuscht werden durch: o dass Fehlen der Wiederholung – Leerstelle o durch einen Gegensatz zu Erwarteten (Kontrast, Opposition)

Wiederholungen und Kontrastierungen tragen Bedeutung der literarischen Texte, sie sind „semantisiert“. Alle Textelemente in einem literarischen Text sind sinntragend, sie sind sinnvoll und untauschbar.

FUNKTION DER MEHRDEUTIGKEIT

Die Mehrdeutigkeit der Textelemente ruft sowohl ein starkes Bindungspotezial hervor wie auch den Drang der Leser nach Vereindeutigung. Das geschieht durch interne Verbindungen der Textelemente, indem auf der Basis von Wiederholungen und Kontrastierungen neben dem horizontal verlaufenden Textfaden (genannt syntagmische Achse) noch ein oder viele vertikal verlaufende (genannt paradigmatiscche Achse) – Verknüpfungsfaden bzw. –fäden eingefädelt werden.

Para

digm

atis

ch

(ver

tiika

l)

Syntagmatisch (horizontal)

Syntgmatische Achse (Achse der Kombination): lineare Wort- und Satzkombinationen, die ein sinnvolles Nacheinander bilden. Paradigmatische Achse (Achse der Selektion) Die Wiederholung verschiedener Strukturelemente stellt im Text verbindende vertikalen in den horizontal und nacheinander (Wort für Wort) laufenden Text; in das Nacheinander tragen die vertikalen Wiederholungsstrukturen verstärkende oder entgegenlaufende Klang- und Bedeutugselemente. Das macht aus Selektion (Paradigmata) und Kombination (Syntagmen) gebildete Netze.

MEHRFACHKODIERUNG

Das sind Bindestrukturen, die aus Wiederholungen und Oppositionen bestehen. Es handelt sich, wie die Begriffe bereits andeuten, um zusätzliche Strukturierungen, die in der Normalsprache nicht auftreten. Dabei muss erneut hervorgehoben werden, dass diese in der poetischen Sprache aktivierten Strukturen bereits in der Normal- oder Alltagssprache vorhanden sind. Äquivalenzprinzip:

• Wiederholungen (Varianten, Modifikationen) • Oppositionen

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Äquivalenzprinzip ist auf den verschiedenen Textebenen wirksam • auf der lautlichen • der lexikalischen • der grammatikalischen • der Figuralen • der übersatzmäßigen • der Bildlichkeit des Textes

Auf diese Weise werden strukturiert:

• die Makrotextstruktur: Szenen, Dialoge, Monologe, Beschreibungen • Figuren: Zeit, Raum • Handlungssequenzen: Aktionen

Welche Aufgaben erfüllt das Äquivalenzprinzip neben der Schaffung einer Vielfalt möglicher Bezugsnetze? Es wirkt:

• strukturell: es verbindet mehr oder weniger zusammengehörige Textelemente (Unzusammengehörigkeit, Unartigkeit)

• es Vereinheitlicht im Sinne einer ganzheitlicher künstlerischen Gestaltung – es schafft Stimmigkeit

• bei der Rezeption: es lenkt die Leseraufmerksamkeit, wird aktivierend, spannungserzeugend

• es veranschaulicht strukturell mimetisch den Wortlaut • es weckt Erwartungen, die Lust am Widersprüchlichen, Rätselhaften, Unaulösbaren • bedeutungsintensivierend, d.h. bestimmte Bedeutungsstrukturen werden gestützt,

vertieft, gespiegelt, variiert • bedeutungskontrastierend, d.h. bestimmte Bedeutungsstrukturen werden relativiert,

ironisiert, verneint, zerstört Es schafft eine Vielfalt möglicher Bezugsnetze.

DENOTATION – KONNOTATION

Um einen Text aus der unverständlichen Mehrdeutigkeit in eine verständliche Mehrdeutigkeit in Richtung auf Eindeutigkeit zu überführen, eröffnen sich dem Leser mehrere Möglichkeiten:

1. der Text selbst und seine dichte Strukturierung können nach Bedeutungsmöglichkeiten abgetastet werden

2. Sobald die denotative / konkrete / wörtliche Bedeutungsebene keinen stimmigen Sinn ergibt, suchen wir automatisch nach konnotativen / übertragenen / figurativen / symbolischen Bedeutungsmöglichkeiten, denn wir sind mit der Konvektion sozialisiert, dass gerade die ästhetische Sphäre konnotationsreich ist.

3. das Erfinden eines Kontextes, dem dieser Text entstammt

Übertragungs- und Umschreibungsprozesse

Aus dem horizontal lesbaren, syntagmatischen Textverlauf und den vertikalen paradigmatische Bezügen wird ein Netz geknüpft. Ein solcher Text wird jedoch noch durch eine Reihe von Übertragungsprozessen markiert. Zu den Übertragungs- und Umschreibungsprozesse gehören:

• alle rhetorischen Mittel, Tropen, Figuren • Figuren, Zeit, Raum

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• zahlreiche Textelemente (dazu gehört der Bereich der Bildlichkeit) haben sogar konnotative Bedeutungen

Bildlichkeit

(Tropen und Figuren – Übertragungsprozesse) Symbol Metapher Metonymie

Umschreibungsverfahren und Übertragungsprozesse unterscheiden sich durch Zeichenbestandteile:

• Signifikat – Bezeichnetes • Signifikant – Bezeichnendes

Während in der Übertragungsprozessen das Bezeichnende mehrere mögliche Signifikate (auf der denotativen, vor allem aber auf der konnotativen Ebene) besitzt, Übertragunsprozesse:

Signifikant

• • • (Signifikate) • •

handelt es sich bei den Umschreibungen meist um das entgegensetzte Verfahren; die Bezeichnenden sind meist analytisch herauszufinden und in größerer Zahl vorhanden als das Bezeichnete: Umschreibungsprozesse:

Signifikat

• • • (Signifikante) • •

De Saussure unterschied „Ausgehend vom Zeichenbegriff“ eine erste (denotative) Relation von Signifikant und Signifikat, über der und mit deren Hilfe sich eine zweite (konnotative) Ebene bildet, und zwar derart, dass die erste Ebene zum Signifikanten der zweiten wird. Vorteile der Umschreibungsprozessen liegen im Effekt der Verfremdung, den sie erzielen: Sie tragen durch die Abweichung von der gewohnten Sicht zum ästhetischen und kognitiven Lustgewinn bei und erzeugen eine höhere Stufe der Bewusstheit. Nachteile der Umschreibungsprozessen: Umschreibungen können in einen umständlichen, „blumigen“, gestelzten Stil münden, die auf heutigen Leser ermüdend wirken. Sie können politisch und wirtschaftlich propagandisch eingesetzt werden, um Sachverhalte zu verschleiern. Die Sprache der Nazizeit, aber auch die heutige Medienberichterstattung bietet zahlreiche Beispiele. Umschreibungsprozesse wirken folglich durchaus traditionell literarisch und poetisch, wenn sie als solche kenntlich gemacht werden im entgegengesetzten Fall signalisieren sie den Diskurs der Macht.

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In der Rhetorik unterscheidet man 2 Redefiguren: • das Euphemismus – beschönigende Umschreibung (sterben – ableben, entschlafen) • die Paraphrase – man versucht etwas auf eine gekünstelte und gezierte

Ausdrucksweise zu beschreiben (Wasser – himmlischer Spiegel)

Umkehrprozesse

• sind Umschreibungsprozesse durch Opposition von Bedeutung und Sinn. Es gibt weiter eine Reihe von Verfremdungsverfahren, die auf dem Gegensatz von „Gesagtem“ und „Gemeintem“ beruhen, von Bedeutung und Sinn. Diese verschiedenen Ironisierungsprozesse sind für den Fremdsprachenlernenden besonders schwer erkennbar, da die Negation des Ausgesagten nämlich in der Regel nicht durch besondere Signale kenntlich gemacht wird. Negation des Ausgesagten ist aus situativen Text-Kontexten, der Intonation, Gestik, Mimik zu entnehmen.

• in unserer Kultur kenne wir Mittel die häufig Ironie anzeigen: z.B. Übertreibungen, Verniedlichungen, Stilbrüche, Übernahme von unglaubwürdigen Haltungen oder Rollen. Ironie ist häufig ein Interpretationsproblem, will sie ein sehr hohes Kulturkontextwissen voraussetzt. Einige Leute können die Ironie ablesen, die anderen nicht.

Die Komplexität und Dichte eines literarischen Textes entsteht aus den unzähligen Kombinationsmöglichkeiten des Wiederholungs- und Kontrastierungsprinzips auf allen Textebenen, aller Textelemente und deren denotativer und konnotativer Bedeutungsvielfalt sowie ihrer möglichen Beziehungen.

REALISIERUNG DURCH LESER – „WIRKLICHKEITS“BEZUG (textextern)

Bei der Lektüre literarischer Texte schaffen wir einen Freiraum, der uns ermöglicht, in die fiktionale Welt einzutauchen. Wir bringen unseren ganzen Wissens-, Erfahrungs- und Erlebnishorizont mit ein, womit sich der Kreis schließt. Da der Leser einer Lesergemeinschaft und einer bestimmten Gesellschaft angehört, ist jede Lektüre zugleich individuell und durch Kode und Dontext bestimmt, folglich ist sie intersubjektiv vergleichbar und nicht willkürlich. Schematische Darstellung des Modellentwurfs:

„Wirklichkeit“ (Bereich der Gegenstände und Sachverhalte)

Referenzialität (Pragmatischer Kontext)

(Autor und Leser als historische Personen) ISOLIERUNG

(Deferenzialisierung, Entpragmatisierung, Dekonstextualisierung) (Autor und Leser als Produzent / Rezipient von Literatur)

MEHRDEUTIGKEIT (Bindungspotential)

SELBSTBEZÜGLICHKEIT BEZUGSNETZE

paradigmatisch- syntagmatische Mehrfachkodierung Konnotationsnetze

Leserbezugsnetz: Bezugnahme auf individuelle „Gesamtwirklichkeit“

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GESCHICHTE DER LITERATURWISSENSCHAFTLICHEN METHODOLOGIE

Geschichte der literaturwissenschaftlichen Methodologie verzeichnet eineVerlagerung von der linken zur rechten Seite des Kommunikationsmodells:

• Positivismus war mit der Person des Autors beschäftigt und konstruiert Parallelen zwischen Biographie und Werk

• Geistesgeschichte – es geht um die „Einfühlung“ in das Dichtwerk • Textimmanente Werkinterpretation – sie ließ allein das Kunstwerk gelten • Rezeptionsästhetik unterstreicht den Akt des Lesens und das Widerspiel zwischen

Erwartung des Lesers und Erfüllung / Enttäuschung durch die Strategien des Autors. • Für die Semiotiker ist Kunst ein sekundäres modellierendes System • Systemtheoretisch orientierende Literaturwissenschaft untersucht Literatur als soziales

System. Sie stellt sich die Frage nach ihrer Kodierbarkeit.

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FUNKTIONEN

Literatur ist gesellschaftlich akzeptierter Freiraum (brezmejni svet). Literatur hat ihre Autonomie /Selbstständigkeit betont. Sie ist unabhängig von Politik und direkten gesellschaftlichen Einfluss. Diese Distanz verdammt sie zu Wirkungslosigkeit und drängt sie ins gesellschaftliche Abseits. Doch lebt Literatur (Kunst) von dieser Doppelposition. Jan Mukarovsky:

• unmittelbare Funktionen (praktische, theoretische) • zeichenhafte Funktionen (symbolische, ästhetische)

Literatur ist ein Handlungsbereich bzw. ein gesellschaftliches, von der Gesellschaft akzeptiertes Handlungssystem mit einer spezifischen Struktur. Si muss als solches die Aufgaben erfüllen, die kein anderes gesellschaftliches Handlungssystem übernimmt. Die so genannte „ästhetische Funktion“ hat die Tendenz, den Platz auszufüllen, den die anderen Funktionen: z.B. die praktischen Funktionen, leer gelassen haben – Zauberspruche. S.J.Schmidt führt an: „Die Funktionen des Systems Literatur liegen zugleich im kognitiv-reflexiven, moralisch-sozialen und hedonistisch-emotionalen Handlungs- und Erlebnisbereich. Anders ausgedrückt: Es gibt keinen anderen gesellschaftlichen Handlungsraum in dem wir:

• in unserer Wahrnehmung (Kognition) und unserem Denken (Reflexion) • in unserem Moralgefühl und las gesellschaftliche Wesen, die zur Solidarität und

Gemeinschaftlichkeit fähig sind • als höchst sinnliche (lustbetonte) und gefühlsbetonte Wesen angesprochen werden“

Literatur spricht an unser:

• Sinne, Lust • Emotionen, Affekte • Wahrnehmung, Erkennen • Denken, Verstehen • Moral, ethische Einstellung • sozialen Bereich

Die Aufgaben / Funktionen, in denen sich die literarischen Texte von nicht literarischen unterscheiden, sind:

1. Kompensative Funktionen: Vergangenheitsorientierung 2. Orientierende Funktionen: Gegenwartsbezug 3. Konstruktive Funktionen: Zukunftorientierung 4. Vergessene oder abgeschwächte Funktionen

KOMPENSATIVE FUNKTIONEN

(Vergangenheitsorientierung)

Kompensative Funktion 1 Im Unterschied zu den Forderungen der Alltags- und Berufswelt, worin man in Rollen (z.B. Wirtschaft: Produzent – Konsument) ausgespalten wird und möglichst störungsfrei im System zu funktionieren hat (man ist austauschbar), bietet die Literatur (Kunst) ein integrierendes Gesamterlebnis des Einzelnen. Kompensativ kann diese Funktion verstanden werden, indem

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sie der Vorstellung und dem Bedürfnis des einmaligen, unaustauschbaren und einheitlichen Selbst verpflichtet bleibt. Kompensative Funktion 2: Bewahrung Literatur dient dem Bedarf nach „Vertrautheit“ mit unserer Welt und zur Herstellung von Identitäten. Manchmal hat sie eine deutlich nostalgische Note, sie wirkt tröstend, wenn sie auf die Gemeinsamkeit menschlichen Leidens aufmerksam macht. Kompensative Funktion 3: Kollektives Gedächtnis Literatur bemüht sich um die Bereiche, die vom Geschichts- und historischem Schreiben „übersehen“ werden. Sie schreibt die inoffizielle Geschichte.

• eine subjektgebundene Geschichte, eine Geschichte aus der Sicht von Einzelnen • die Geschichte der Opfer und Unterdrückten (vgl. Bachmann – Jugend in einer

österreichischen Stadt) • die Geschichte des Alltags (Tonio Kröger) • die Geschichte der Ausgegrenzten • die Geschichte der Gefühle • die Geschichte der Ängste, Träume, Wünsche und des Verdrängten (vgl. Dürrenmatt –

Der Tunnel) Kompensative Funktion 4: Sensibilisierung Literatur fördert Sensibilisierung, indem sie unsere Wahrnehmung verfeinert und unser Mitgefühl anregt. Kompensative Funktion 5: Differenzierung, Konkretisierung Differenzierung ist mit Sensibilisierung gebunden. Differenzierung stützt das gedankliche und vorstellungsgebundene Unterscheiden. Konkretisierung stellt das Besondere, den Einzelfall, die konkrete Erfahrungs- und Erlebniswelt im Gegensatz zur Verallgemeinerung und numerischen Erfassung in den Wissenschaften, in der Statistik, einem großen Teil der Medien und vor allem in der Politik, dar. Kompensative Funktion 6: Unterhaltung, Entspannung Diese 2 Kompensationsbegriffe werden angewendet:

• als Flucht vom Alltag, von der Realität und ihren Bürden (Unterhaltungs-, Trivial-, Schemaliteratur)

• sie enthält die nächsten Elemente: o Wunscherfüllung (Happy End, Liebesgeschichten) o Spannung (Krimis, Spionage-Thriller) o Exotik (Reisegeschichten)

• dem Leser / der Leserin wird Kontrolle, Überschaubarkeit suggeriert: o mit klarer Trennung der Werte (gut / böse) o mit Abgerundetheit (Geschlossenheit der Fabel) o mit möglicher Einflussnahme auf das eigene und fremde Schicksal

• Bewusstheit und Genießen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen. Kunst dient auch zum Regenerieren (obwohl wir nicht aktiv sind)

ORIENTIERENDE FUNKTIONEN

(Gegenwartsbezug)

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Bei diesen Funktionen spricht man von denjenigen, die den Leser zur bewussten Wahrnehmung und Kritik aktivieren. a. „Schule des Sehens“ Desautomatisierung der Wahrnehmung Literatur bedient sich verschiedenster Verfremdungsverfahren um Wahrnehmung-, Verhaltens-, Denkmuster bewusst / sichtbar zu machen Bewusstmachung geht Hand in Hand mit Emanzipation und Selbstbestimmung. Das Literarische weitet sich auf das Alltagsweltliche aus. Die Bewusstheit, wie literarische Texte funktionieren, weckt manchmal die Bewusstheit gegenüber anderen Gesellschaftsphänomenen (Manipulation in der Werbung, in Gesprächen, in den Medien) b. Infragestellung – (Ideologie)Kritik Die höhere Literatur hat die Aufgabe, das Bestehende: unsere Regeln, Normen, Werte, Traditionen, Verhaltensmuster, in Frage zu stellen und sie einer Kritik zu unterwerfen. Über Literatur lässt sich eine solche „Ideologiekritik“ besonders eindringlich durchführe, weil mit Hilfe ihres fiktionalen Charakters „Werteumkehr“ und negative Folge konkretisiert vorgeführt werden können. c. Diskurskritik – Dynamisierung der Sprache Literatur funktioniert diskurskritisch, wenn sich die Bewusstmachung und Kritik auf die Sprach selbst, d.h. auf Diskurse, konzentrieren. Durch ihre Abweichungen von den Sprachnormen, durch ihre Vieldeutigkeit und Selbstreferenz hält Literatur Sprache lebendig, sie dynamisiert die, sie steuert gegen das Entstehen von Sprachklisches auch mit Neologismen. d. Gegenwelten – Neuaufwertung des Abgewerteten In der Literatur kann die Schaffung alternativer Welten geübt werden. Ebenso wie die Sprache neu belebt wird, können auch „veraltete“ Werte als Gegenpol zu den Erfordernissen modernen Lebens wieder entdeckt werden. e. Phantasie- und Kreativitätsförderung Literatur fördert die Phantasie und Kreativität des Lesers durch die Anregung zum Mitschaffen und ihre vielen Leerstellen. f. Lebenshilfe – individuelle Problemlösungstrategien Die Literatur ist wie ein Spielplatz. Sie bringt uns zum Nachdenken, wie es sein könnte, aber in Wirklichkeit ist es nicht. Wir sprechen über Lebenshilfeliteratur: z.B. Psychologieschreiben (wie Frauen mit Männern umgehen sollen, wie Mensch sein Leben verbessern kann). Problemlösungstrategien werden beschrieben und können zur Orientierung der Rezipienten beitragen.

KONSTRUKTIVE FUNKTIONEN (Zukunftorientierung)

a. Freiraume – grupppenübergreifend Literatur bietet individuelle und gesellschaftliche Freiräume. Das Aufnehmen von Literatur erfördert einen Rahmenwechsel: die Leser werden von ihrer Alltagssituation befreit; d.h. im Moment der Aufnahme literarischer Texte vergessen wir unsere momentanen Probleme, Bedürfnissen auseinandersetzen.

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b. Modellbildung Freiräume schaffen Platz, um all das konsequent zu imaginieren, was im lebensweltlichen Kontext verheerende Folgen hätte. Daraus folgt die Möglichkeit, im Rahmen der Literatur Lebens- und Situationsmodelle durchzuspielen, zu entwerfen und zu verwerfen. c. Utopische Dimension Indem Kunstwerke den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit ansprechen, enthalten sie eine utopische Dimension. Sie schaffen ein Gegenbild zur Erfahrung einer entsinnlichen Welt. Literatur kann Utopie entwerfen, wie eine Gesellschaft funktionieren könnte. d. Emanzipation Bei dem Emanzipationsgedanken handelt es sich um das Konzept der Selbstbestimmung und nicht der Fremdbestimmung. Jeder von uns sieht die Welt, die Kunstwerke mit seinen eigenen Augen (Jugend, alte Menschen, Behinderten, geistige Leute, aus Kinderperspektive, aus Perspektive eines Fremden…)

VERGESSENE ODER ABGEWACHTE FUNKTIONEN

Zahlreiche Funktionen der Literatur, die in früheren Zeit und Gesellschaftsystemen waren, spielen heute eine weniger beachtete oder ganz übersehene Rolle, da ihre Aufgaben von anderen Bereichen übersehen worden.

• Informationsvermittlung – ist heute Bereich der Medien • Ethisch – didaktische Funktion – Bereich der Pädagogik • Reste findet man in Lebenshilfeliteratur (Psychologie)

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Analyse literarischer Textbildungselemente und – Strukturen

Die Analyse literarischer Textbildungselemente und – Strukturen beginnt bei der kleinsten Einheiten (Phoneme) und endet beim Text. Phonologischer Aspekt: Phonem sind die Elemente des Lautbilds eines sprachlichen Signifikanten (označevalec) und können durch Wiederholung oder Kontrastierung sinnstützend (čudnopomenski), intensivierende oder zuwiderlaufende (nasprotujoč) paradigmatische (jasen vzorec, primer) Reihen bilden. Auf der Basis phonologischer Äquivalenzen werden gebildet:

• Alliteration (Anfangsreim, Stabreim) ist die erhöhte Rekurrenz des gleichen konsonantischen Phonems am Anfang von tontragenden Silben. Es alliterieren nur betonte Silben oder sämtliche Vokale miteinander. Winterstürme wichen dem Wonnemond

• Assonanz: der betonte Vokal wird konstant gehalten und es variieren alle übrigen Phoneme. Weiße Kinder schleifen leis/überm See auf blindem Eis

• Auslaut: eine ganze Gruppe von Phoneme (meist im Auslaut) wird konstant gehalten. Man unterscheidet:

reine (genaue lautliche Entsprechung) / unreine (annähernde Entsprechung)

reiche (der betonte Vokal, alle ihm folgendem Phoneme sowie das ihm vorausgehende Phonem sind konstant)

homonyme über- und Schüttelreime (rima z anagramom) nach der Betonung weibliche (unbetont) und männliche (betont) Reime nach der Endreimaufeinanderfolge kennen wir die nächste

Kombinationen: Paarreim (aabb – parna rima), Kreuzreim (abab – izmenična rima), der umschließende Reim (abba – oklepajoča), der verschränkte Reim (abcabc – križajoča rima), der Schweifreim (aabccb) und der Kettenreim (ababcbcdc – verižna rima)

Schlagreim (udarna rima) – er reimen zwei nacheinander stehende Wörter und Binnenreim (notranja rima) – die reimenden Wörter stehen im Inneren einer Verszeile

Reime identifizieren einen Text als Gedicht.

• Onomatopoei: die jenen Leyeme, die in ihrer Signifikantenstruktur Naturlaute imitieren bzw. schallnachahmend wirken (grunzen, zischen, wispern, rascheln, summen,…). Es ist nicht bei allen Sprachen gleich (Hahnenschrei)

• Laut- oder Klangsymbolik: verschieden Phoneme haben gewisse Symbolwerte (helle und dunkle Vokale). Aber das ist mehrfach problematisch – deswegen herrscht eine Einigkeit, dass die lautsymbolische Wirkung durch die Häufung (kopičenje) eines Lautes oder seine besondere Stellung erreicht wird – die semantische Komponente spielt hier eine unabdingbare Rolle.

• Lautmusikalität: hier werden die melodische, asemantische Komponente der Signifikantenstruktur genutzt. Dadurch wird die Gestimmtheit (Emotionalität) hervorgerufen.

Lexikalischer Aspekt:

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Analyse der Lexik: • Stilebene / Stilfärbung (slogovna raven) – hoch-, umgangs. vulgärsprachlich, Jargons

etc. • andere Sprachen (fremd-, fachsprachlich, dialektal etc.) • nach sprachlichen Funktionen • nach Kommunikatonssphären (privat – öffentlich etc.) • nach Zeitgehörigkeit (aktuelle/historisch, modisch etc.) • nach Kommunikationsbereichen und Genrezugehörigkeit Neologismus – Neubildung, Neuschöpfung

Wortbildung, Zusammensetzungen – in diesem Kontext kommt den Neubildungen besondere Bedeutung zu. Morphologischer Aspekt:

• Analyse nach den Klassen • Stiltypen: verbaler / nominaler Stil • Artikel: Fehlen des Artikels, bestimmten statt des erwarteten unbestimmten Artikels –

Überraschungseffekt. • Substantiv: Tendenz zu Substantivierungen • Verbum: Gliederung nach Verbgruppen möglich, unpersönliche Ausdrucksweise,

Analyse der Tempora, Konjuktiv • Adjektive, Epitheta (atributivna beseda ali besedna zveza, ki natančneje določa

samostalnik, pridevek – baročni epiteti – als Attribut gebrauchtes Adjektiv) : Steigerungsstufen

Syntaktischer Aspekt:

• Einteilung nach Satzformen: o Parataktischer Stil:

es vorwiegt nebenordnende Satzbau (prevladuje priredje) Ellipse (Mangel) und Aposiopese (Weglassen, Verschweigen des

Wichtigen) – nachahmen der Umgangssprache, Impressionen und Fragmentarischen handeln

Lakonie (kratek in situaciji ustrezen, jedrnat) er strebt an die Volkstümlichkeit an (strmi k ljudskosti) – Lieder,

Märchen besonders beliebt in Trümmer- und Kahlschlagliteratur

o Hypotaktischer Stil unterordnende Satzbau (podredje) umfangreiche Satzgefüge und Schachtelungen

• Einteilung nach Satzarten: o eine bestimmte Satzart signalisiert eine bestimmte Sprechhaltung, ein

Sprachgestus oder einen Textton o die Funktion – Mittel zur Erhaltung des Leserinteresses, Anregung von

Assoziationen, Figurencharakerisierungsmittel Figuraler Aspekt:

o Lexik (paradigmatische Phänomene, die durch Rekurenz entstehen) o Wiederholung eines Lexems oder einer Lexemgruppe in verschiedener

Stellung

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Anapher (Ab/satzanfang) Epipher (Satzende) Symploke (Satzanfang + Satzende) Epanalepse (Satzanfang, -inneres oder –ende) Anadiplose (Ab/satzende und unmittelbar Satzanfang) Kyklos (Anfang und ende eines Satzes, Absatzes oder Texts gleich) Diaphora (mit Doppelsinn) Epanodos (Wiederholung eines Satzes in umgekehrter Reihenfolge) Polyptoton (verschiedene Flexionsform) semantische Äquivalenzen Tautologie (opisovanje česa z različnimi besedami istegaa pomena,

istorečje – Bedeutungsgleiches in zwei verschiedenen Satzgliedern) Pleonasmus (redundanter Zusatz innerhalb eines Satzgliedes – pojav,

da se pojem opiše hkrati z več pomensko sorodnimi izrazi, besedno preobilje)

o Nachdrücklichkeit, Emphaze (močna čustvena vznemirjenost zaradi navdušenja, zanos, vznesenost)

o Übertreibung, Hyperbel – unglaubwürdige Vergrößerung oder Verkleinerung o Untertreibung, Lototes – Abschwächung der Äußerung („understatement“)

o Gruppierungen und Kombinationen von Syntagmen / Syntagmenhäufungsarten o Reihung, Akkumulation (eine Fülle von Einzelempfindungen für den

Gesamteindrück) o Abwandlung, Amplifikation (Erweiterung einer Aussage durch wiederholende

Abwandlung und Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten. o Stufenfolge, Gradation (Abstufung der Wort – oder Syntagmenfolge zur Spitze

einer Hiearchie – Klimax und in den Gegenrichtung – Antiklimax) o Satzgliederfolge und Syntagmenbau

o Gleichlauf, Parallelismus o Überkreuzstellung, Chianismus o Fügungsbruch, Anakoluth (Unverbindlichkeit in einem Satz) o Falsche folge (Hysteron proteron) „Ihr Mann ist tot und lässt sie grüßen“ o Umstellung, Inversion o Nachstellung (Röslein, Röslein, Röslein rot)

o Gedankenfiguren o Anruf oder Apostrophe (man versteht direkte Anrede von Personen,

Gegenständen, Begriffen) Invokation – wenn Musen, Götter oder andere Figuren angesprochen werden

o Rhetorische Frage ist eine Scheinfrage, die keine Antwort verlangt Dialogismus – Frage- und Antwortspiel

o Antithese – Zusammenstellung entgegengesetzter Bebriffe (na združenja ločitve zdaj so časi)

o Syntaxfiguren Wir unterscheiden unter 3 Verknüpfungstypen

o Asyndeton – Unverbundenheit (Satz ohne Konjunktionen – Voda gine, pade, usahne)

o Polysyndeton – Vielverbundenheit (Sätze werden mithilfe von Konjuktionen verknüpft: in gaj in plan

o Parenthese – wenn wir in eine geschlossene Satzkonstruktion ein selbstständiges Syntagma einfügen (vrinjeni stavek)

Auslassungen

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o Ellipse – das Weglassen von logisch weniger wichtigen und aus dem Kontext leicht zu ergänzenden Satzgliedern (izpust)

o Aposiopese – das Verschweigen des Wichtigen (zamolk) Interpunktion

o die Verwendung und Stellung der Zeichen. Manche Autoren setzen entweder gar keine Zeichen oder verwenden bestimmte Zeichen besonders häufig

Übersatzmäßige Einheiten Wir unterscheiden unter:

1. Abschnitte, Periode 2. Redeformen zur einseitigen Kommunikation 3. Redeformen zur beidseitigen Kommunikation

Abschnitte, Periode Einzelne Sätze werden syndetisch oder asyndetisch zu größeren Einheiten verknüpft, die Perioden oder Abschnitte genannt. Sie werden nach logischen, semantischen oder assoziativen Regeln verknüpft.

• Redeweise ist mit einer syntaktischer Form verbunden • Redeform bezieht sich auf gestaltete, abgerundete Texteinheiten

Redeformen zur einseitigen Kommunikation

• Erlebnisbetontes Informieren Schilderung, Nacherzählung, Reflexion

• Sachbetontes Informieren Beschreibung, Mitteilung, Referieren, Bewertung, Beurteilung, Einschätzung, Kommentar

• Aktivieren o durch emotionales Bewegen: Anregung o durch Interessieren: Empfehlung o durch Mobilisieren: Ankündigung, Anweisung, Forderung, Aufruf / Appell o durch Überzeugen: Begründung, Beweis, Widerlegung, Erläuterung,

Argumentation o zu diesen Redeformen gehören auch:

Botenbericht – das abgelaufende, abgeschlossene Geschehen außerhalb der Bühne

Teichoskopie – „Mauerschau“ ein gerade sich ereignendes Geschehen außerhalb der Bühne

Redeformen zur beidseitigen Kommunikation sind Redewiedergaben, Rededarstellungen

• Gesprächformen: Monolog, Dialog, Gespräch mit mehreren Partnern, Unterhaltung, Verhör

• Authentische Wiedergabe: direkte Rede, Zitate Innerer Monolog – literarische, erzählerische Wiedergabe des Innenlebens einer Figur, ihrer unausgesprochenen Gedanken, Halbgedanken, Vorstellungen, Erinnerungen, Gefühle, Assoziationen…), in der ersten Person, aus der Innen sicht eines Erzählers

• Indirekte Wiedergabe (indirekte Rede) o Redebericht – die Rede einer Figur mit kommentierender Einmischung in der

dritten Person wird wiedergegeben

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o erlebte Rede – wie der innere Monolog eine literarische, erzählende Wiedergabe des Gedachten, jedoch in der dritten Person

Bilder oder Rhetorische Figuren Tropik

• Übertragungsprozesse: Symbol, Metapher, Metonymie Metapher: Die Metapher stellt einen Verstoß gegen die Normen semantischer Kombinationsregeln dar. Sie beruht auf Similaritätsbeziehungen (semantische Ähnlichkeit) und hat vielfältige Funktionen. Wir kennen auch verblasste, gesunkene Metapher. Es handelt sich um ehemalige Metaphern, die durch den häufigen Gebrauch in der Alltagssprache ihre Metaphernqualität verloren haben: z.B. Flussarm, Nadelkopf

• Synästhesie kennzeichnet die Vermischung zweier oder mehrerer Sinnesbereiche • Personifikation: nach Graden der Vermenschlichung kann gegliedert werden in:

o Aktivierung: Dinge und Begriffe werden in Bewegung versetzt o Belebung oder Animierung: augenblickliche Übertragung menschlicher Züge

auf Gegenständliches und Begriffliches o Personifikation oder Vermenschlichung: Abstrakta oder Gegenstände werden

als sprechende, denkende, handelnde Personen (oder Tiere) eingeführt) • Verdinglichung

o ist der umgekehrte Prozess von der Personifikation o ein Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, wird mit Ding- und Begriffswelt

identifiziert • Allegorie

o ist eine bildhaft belebte Darstellung von Abstrakta oder Gedankengängen. Im Unterschied zum Symbol ist Allegorie das Begriffliche, Gedankliche in die Körperwelt versetzt. Z.B. Justitia vor Gerechtigkeit, Amor für die Liebe

Metonymie Die Metonymie wird durch Kontiguitätsbeziegungen (semantische Berührung) determiniert. Durch ihr wird ein Begriff durch einen anderen substituiert, der in keinen semantischen, sondern pragmatischen Zusammenhang dazu stellt.

• Synekdoche oder „Pars pro toto“ - das Ganze steht für einen Teil - Segel für das gesamte Schiff

• Avtonomasie - Eigenname steht für Gattungsnamen - Napoleon – großer Feldherr

• Hypallage - Die Vertauschung einzelner Satzglieder. Sie Kennzeichnet besondere Intensivierung, die dem Außergewöhnlichen der Empfindung entstammt - die braue Lachen ihrer Augen

Bild

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Durch den höheren Grand an Anschaulichkeit, an emotionaler Einprägsamkeit, und semantischer Verdichtung können Bilder den Menschen in seiner Ganzheit ansprechen. Sie schaffen innerhalb des Kunstwerks eine eigenwertige, lebendige Welt. Als rhetorische Figur steht das Bild in der Nähe des Motivs und Topos. Es handelt sich um veranschalichte, im Gegensatz zum Motiv meist statische Funktionen. Bilder können zum Topos werden, d.h. sie werden überliefert und gehören dann zum Kultur- und Sprachsatz, etwa in der Volksdichtung das Bild des am Fenster lehnenden Mädchens oder der Liebenden unter dem Haselstrauch. In der Dramatik bedeutet Bild eine Szene oder eine Akt. Vergleich Vergleich ist eine rhetorische Figur, bei der zwischen klar getrennten Bereichen eine Beziehung hergestellt wird. Tertium Comparationis (das Feststellen der gemeinsamen Ähnlichkeit, Eigenschaft) wird bezeichnet Beim Vergleich wird Nich-Identität mit Vergleichspartikeln oder durch entsprechende Verbalkonstruktion ausgedrückt. – z.B. Sie ist so schön wie Sonne.

• gekurzte Vergleich Das Vergleichspartikel fällt weg und wird durch eine andere Konstruktion ersetzt.

• Gleichnis Es werden Analogien von Vorgängen und Zuständen aus verschiedenen Lebensbereichen gebildet und aufgezeigt. Es dient vorwiegend zur Erklärung, Verdeutlichung und Veranschaulichung von Lehr- und Moralsätzen. Besonders bekannt sind Bibelgleichnisse.

• Parabel Parabel ist ein literarisches Genre, ein zur Erzählung erweiterter Vergleich. Sie enthält eine selbstständige Handlung mit einem Gleichnis.

Symbol Das Symbol funktioniert auf denotativer und konnotativer Ebene, wobei es sich bruchlos in die denotative Bedeutungsebene sinnliches Zeichen, das über den konkreten häufig abstrakte Bereiche konotiert. z.B.: rote Rose ist Symbol für Liebe Das Emblem ist ein dreiteiliges Sinnbild. Es besteht aus:

• dem Bild • einer abstrakten Überschrift (oder Titel, das ist meist ein bekanntes Subjekt) • einem kürzeren Text (erklärt die Darstellung)

Es stellt eine Verbindung von Bildkunst und Literatur dar. Besonders beliebt war es vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Die Chiffre ist ein Geheimzeichen, das entziffert (dechiffriert) werden soll. Einen chiffrenbefrachteten Sprechen bedienen sich Georg Trakl und Paul Celan. Euphemismus ist beschönigende Umschreibung (sterben = ableben, entschlafen) Die Paraphrase

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man versucht etwas auf eine gekünstelte und gezierte Ausdrücksweise zu beschreiben (Wasser – himmlischer Spiegel)

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DRAMATIK – THEATER

Die Dramatik ist die einzige Literaturgattung, deren Presentation die physische Darstellung postuliert. Andreas Mahler: „Drama ist Spiel vor Zuschauern; es ist Spiel mit Wirklichkeiten und wirkliches Spiel.“ Was ist spezifisch für Dramatik im Unterschied zu Lyrik und Narrativik:

• sinnliche Präsenz • Körperlichkeit • Raumdimension • Unwiederholbarkeit des Theaterereignisses / der Aufführung (mit der ihr eigenen

Dynamik im Verhältnis Spieler / Publikum) • Plurimedialität und gleichzeitiges Ansprechen mehrere Sinne • soziale Funktion des Gemeinschaftserlebnisses

KOMMUNIKATIVE STRUKTUREN

Siehe das Modell im Skriptum!!!!!

1a – gespielte Welt Dramatische Ebene ist trotz der Realität ihrer Präsentation eine fiktive Wirklichkeit, ein sog. Diskursuniversum, das zugleich ein perspektiviertes Modell der unbegrenzten Wirklichkeit in s Mehrdeutige, Imaginative ist. Der Held erleidet eine Situationsveränderung, sein Gegner spielt eine wesentliche Rolle, denn Dramen bauen in hohem Maße auf Konflikten. Figuren sind systematisierbar nach Geschlecht, Alter, Stand, Herkunft, Bildung, Sprache usw. Theaterstück:

• Haupttext (Dialoge und Monologe der Figuren) • Nebentext (Regieanweisungen, d.h. Hinweise auf Ort, Zeit, Figuren, Gestik, nicht

verbale Handlungen) Grundprinzipien dramatischer Vermittlung:

• Prinzip der Konzentration – begrenzte Spielzeit • Prinzip der Sukzession – Chronologie, Nacheinander

Handlung:

• offene – Handlung wird szenisch auf der Bühne gezeigt • verdeckte – Handlung wird berichtet (durch Botenbericht, Figuren, Mauerschau…)

1b – A- und C-Ebene: Konventionen der Vermittlung: die Aufführung Jede Inszenierung ist zunächst ein mögliche Interpretation. Dafür ist Regisseur verantwortlich manchmal arbeitet er in intensiver Zusammenarbeit mit Dramaturgen und den Schauspielern ein Inszenierungskonzept aus. Theateraufführung ist durch Plurimedialtät gekennzeichnet:

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• der Text sprechende Stimme • hörbare Kodes (Musik, Gesang) • visuelle Kodes • nichtverbale Kodes (menschlicher Körper wird zum ikonischen Zeichen: Mimik,

Gestik, Tanz) • Raumkontext (Bühnentypus, Buhnenbild, Beleuchtung, Lichteneffekte, Kostume,

Maske, Requisite, Projektionen von Filmen, Bilder…) Situationales Verstehen: Darstellung und Rezeption gleichzeitig, keine Möglichkeit rückzufragen. Theater entfaltet 2 Beteiligungsangebote:

1. spielen 2. Zuschauen

Man darf nicht aktiv in das Bühnengeschehen eingreifen. Die Zuschauer sind als Rezipienten ein notwendiger, unabdingbarer Bestandteil der Aufführung, die Für sie bestimmt ist. Ihre Aktivität bleibt großteils auf ihre Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse beschränkt, d.h. auf kognitive und emotionale Reaktionen. Nach Brauneck ist Theaterhandlung durch „Doppelschichtigkeit ihrer Rollensystems“ (Spieler – Zuschauer) bestimmt. Miteinander verflochten werden 3 Kommunikationsebenen.

1. Die Dramatische – der Figuren und ihrer Welt, in die sich der Zuschauer verstricken lässt

2. Die Theatralische – der Inszenierung, in der der Zuschauer die Leistungen der Schauspieler, die Interpretation des Regisseurs, etc. genießen kann.

3. Die Lebensweltliche in der kann Zuschauer „als gesellschaftlich bestimmter Mensch, die auf der Bühne propagierten Normen mit seinen eigenen Verhaltenserwartungen“ konfrontieren.

DRAMENTYPEN

Illusionstheater

• sein Höhepunkt ist im naturalistischen Theater • beruht au dem Prinzip der Mimezis, der möglichts getreuen NNtur. und

Wirlichkeitsnachahmung

Das moderne Theater

Das moderne Theater hat zahlreiche Verfahren und Strategien entwickelt, um dem Zuschauer die theatralische und die lebensweltliche Ebene präsent zu halten. Es wirkt ilusionsbrechend statt illustionsstiftend. Es kann auf ältere Theatertype und deren komplexe zurückgreifen und sie für sich aktualisieren.

Das klassische Drama – Aristotele

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Ich möchte zuerst Die Poetik von Aristoteles erwähnen. Dieses Werk enthält die erste überlieferte systematische Auseinandersetzung mit der Dichtkunst. Autor beschäftigte sich eingehend mit der Tragödie, während die Komödie nur vergleichend erwähnt wird. Elemente der aristotelischen Tragödienpoetik sind:

• produktionsseitig ist das Ziel die Mimesis (die Nachahmung einer Handlung) • die Tragödie ist sinnlich ansprechend gestaltet • die Formalisierung bedient sich der angepassten Varianz • hervorgehoben wird die verkörperlichende, inszenierende Darbietung • die Wirkung auf den Zuschauer besteht aus der durch Mitleiden und Identifikation

hervorgerufenen Katharsis Wie wird katharsische Wirkung erzielt? Nach Aristoteles muss die Handlung einen Umschlag vom Glück ins Unglück zeigen. Der ideale Held ist für Aristoteles die „schuldlos Schuldige“, der nicht durch Schlechtigkeit und Gemeinheit ins Unglück gerät, sondern dies erleidet durch irgendeinen Fehler. Der Zuschauer erlebt die Katharsis bei Empfindung des Mitleids (eleos) und Empfindung der Angst (phobos) des Helden. In seiner Poetik schrieb Aristoteles, dass „die Tragödie die nachahmung einer in sich geschlossenen und ganzen Handlung ist /…/ Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat. Aus „Anfang, Mitte und Ende“ ergibt sich das Schema eines Handlungsverlaufs mit den entsprechenden Momenten:

• Exposition • Peripetie = überraschender Umschlag der Handlung in ihr Gegenteil • Katastrophe

Gustav Freytag baut in seiner Dramentheorie die bekannte fünfteilige, etwas schiefe Pyramide aus mit den Momenten:

• einleitende Exposition • erregendes Moment • Höhepunkt = Wende = Klimax • Lösung • Ende

Aristoteles Forderung nach der Einheit der Handlung wurde später von französischen Klassizisten in die Lehre von drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung umgewandelt: Aristoteles unterscheidet 2 Dramentype: Tragödie, Komödie Ebenso wie Tragödie zeichnet auch die komödie bekanntlich konflikte, die durch menschliche Schwächen, Fehler und Mängel entstehen. Aber die Tragödie ahmt edlere, die Komödie aber gemeinere. Menschen nach, als sie in Wirklichkeit sind. In der Komödie hat das Lächerliche am Hässlichen teil und sie führt zu einem guten, versöhnlichen End. Das Komische und Lächerliche entsteht bekanntlich aus dem Missverhältnis, der Diskrepanz, dem Mangel.

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Die Tragödie gestaltet den Konflikt zwischen dem Menschen und der Welt, bzw. zwischen Individuum und Gesellschaft. Individuum ist oft zum Wählen zwischen Pflicht und Neigung gezwungen. Tragödie endet sich mit dem Untergang des Helden. Formale Geschlossenheit wird damit erzielt, der Konflikt bleibt jedoch ungelöst. Der Protagonist verfällt nur physisch, aber moralisch gewinnt er. 2b – Das offenen und das geschlossene Drama – Volker Klotz Volker Klotz versuchte darauf zu verweisen, dass neben der normativ gewordenen aristotelischen Dramatik, andere, eben „offene“ Typen existieren Geschlossen Offen Einheitlichkeit – Harmonie Vielfältigkeit – Disharmonie Regelhaftigkeit – Hierarchie Fülle – Gleichwertigkeit Einheit von Zeit, Ort, Handlung Vielfalt von Zeit, Ort, Handlung Sprache – einheitlicher Still Sprachvielfalt eine Perspektive poliperspektivisch Ordnung, linear assoziativ, brüchig 2b – Das Epische Theater Bertolt Brechts Brecht fasst die wesentlichen Merkmale des Epischen Theaters zusammen. Dramatische Form des Theaters Epische Form des Theaters handelnd erzählend verwickelt den Zuschauer in eine Bühnenaktion

macht den Zuschauer zum Betrachter, aber

verbraucht seine Aktivität weckt seine Aktivität ermöglicht ihm Gefühle erzwingt von ihm Entscheidungen Erlebnis Weltbild der Zuschauer wird in etwas hineinversetzt er wird gegenübergesetzt Suggestion Argument die Empfindungen werden konserviert die Empfindungen werden bis zu

Erkenntnissen getrieben der Zuschauer steht mittendrin der Zuschauer steht gegenüber miterlebt studiert der Mensch als bekannt vorausgesetzt der Mensch ist Gegenstand der Untersuchung Dramatische Form des Theaters Epische Form des Theaters der unveränderliche Mensch der veränderliche und verändernde mensch Spannung auf den Ausgang Spannung auf den Gang Eine Szene für die andere jede Szene für sich Wachstum Montage Geschehen linear im Kurven evolutionäre Zwangsläufigkeit Sprünge der Mensch als Fixum der Mensch als Prozess das Denken bestimmt das Sein das gesellschaftliche Sein bestimmt das

Denken

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Gefühl Ratio Brechts Theater gibt sich illusionsbrechend, indem es alle drei Kommunikationsebenen immer wieder in Erinnerung ruft. Um dies zu erzielen übernahm und erfand Brecht sog. Verfremdungseffekten, kurz V-Effekten, die Theatergeschichte gemacht haben:

• Schauspielkunst • Musik (Chore, Songs) • Dekoration (Zeigetafeln, Film)

V-Effekte bezwecken „hauptsächlich die Historisierung der dazustellen Vorgänge.“

THEATERBAU – BÜHNE – RAMPE

Das griechische Theater: • ist halbrundet • in der Mitte war Tanzfläche • „Orchestra, Skena“ waren im Hintergrund • im Halbkreis saßen die Zuschauer • es war nicht bedeckt, es befindet sich unter freiem Himmel wegen günstiges Klima

(freiliche Aufführung) Römisches Amphitheater

• oder Arenen mit Gladiatorenspielen • Form war Ellipse (Pferderennen, Wagenrennen) • vergleichbar mit Massenveranstaltungen in den heutigen Stadien (Fußballspiel) oder

Open-Air-Konzerten Simultanbühne

• häufig auf den Plätzen, manchmal vor Kirchen aufgestellt • Spielorte mit ihren Kulissen waren gleichzeitig aufgestellt • Zuschauer saßen und standen entweder rundherum oder gegenüber

Die Wagenbühne

• war für religiöse Spiele gemeint • Szenen wurden auf nacheinander auf verschiedenen Plätzen aufgestellten Wagen

gespielt Das elisabethanische Theater

• ein quadratischer oder runder Bau • über der Bühne war Oberbühne, auf einer Art Balkon • uns ist aus der Shakespeare – Zeit bekannt

Guckkastenbühne

• das häufigste heutige Theater • dahinter steckt die Vorstellung eines dreiseitig geschossenen Raums, deren vierte

Wand imaginär, also offen ist und durch den Vorhang geschlossen werden kann in modernen Theaterbauten wird auf Laufstegen, auf Spielflächen rund um die Zuschauer, inmitten der Zuschauer (Arenatheater) über den Zuschauer, etc. gespielt.

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Im Theater haben wir Bühnenbild (Szenographie): • Aktoren (Körper), Kostume (Kostumographie) • Koreographie (Tanztheater) • Musik (Orchester) • die Beleuchtung • Maskenbildner

Schauspieler gestikulieren, sprechen, singen, haben eine Mimik. Mimik ist ein Kod (Zeichensystem). Sie bewegen sich, wollen mit der Bewegung etwas ausdrücken.

KONTRAKT – SOZIALE FUNKTION

Wir sehen, was geschieht (wir haben eine Veranschaulichung, Körperlichung. Man muss viel ins Theater gehen, so lernt man die Aufführung zu bearbeiten. Das ist soziale Komponente der Literatur (gesellschaftliches Ereignis))

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EPIK – NARRATIVIK – ERZÄHLVERFAHREN

Erzählen dient: • zum Ordnen und Begreifen der Umwelt und des Selbst • zur kommunikativen Selbst- und Fremddarstellung (in lebenserzählenden

Geschichten) • vor allem zur Existenzsichernden Sinnkonstuktion

Erzählen bedeutet Sinnfindung / Sinnstiftung. Durch die Aneinanderreihung auf einer horizontalen Achse, durch das Nacheinander, wird eine Folge, eine temporale Komponente eingebracht. Geschichten kennzeichnen:

• Abrundung • Geschlossenheit • eine dreiteilige Gliederung der Ereigniskette in Anfang, Mitte und Ende

Beim Erzählen entsteht Sinn durch:

• Versprachlichung • Verknüpfung der Erzählelemente • Erzählsituation; d.h. jedes Erzählen ist in eine spezifische Kommunikationssituation

eingebettet und es wird auf die Anforderungen einer solchen Situation hin erzählt Anthropologisch gesehen ist Erzählen eine menschliche Konstante. Alle Gesellschaften kennen es.

Alltagserzählungen – literarische Erzähltexte

Wie unterscheiden sich literarische Erzähltexte von Alltagserzählungen:

• sie verfügen über ein reicheres Register an Erzählverfahren, um Mehrdimensionalität zu schaffen

• Alltagserzählungen sind in einen Kommunikationskontext eingebettet, so dass die Referezialisierung meist keine Schwierigkeiten bereitet (ansonsten kann durch Rückfragen Unverständliches geklärt werden)

• Literarische Erzähltexte müssen vom ersten Wort an eine Welt bauen. Sie enthalten Bedeutungskonstruktionsnetze; diese entstehen durch paradigmatische Bezüge (vertikale Gliederung) auf der Basis von Wiederholungsstrukturen, Ähnlichkeits- und Oppositionsbeziehungen

Erzählkompetenz oder narrative Kompetenz:

• Fähigkeit zu Erzählen • diese Kompetenz wird durch Eigenaktivität entwickelt, zum anderen durch das Lesen,

weil gerade literarische Erzähltexte eine komplexe Sinnbildungsstruktur besitzen • damit werden eine Reihe individual- und soziopsychologischer Funktionen der

Strukturierung und Sinnstiftung erfüllt werden Alltagserzählen – warum?

• der Wunsch nach Kommunikation (soziale Funktion) • wir erzählen um uns eine Geschichte zu konstruieren

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• Erklärungsmuster (wir erklären was nicht verstanden ist – sinnstiftend; wir stellen Sinn her)

ERZÄHLVERFAHREN

Kommunikationsmodell schriftlicher literarischer Erzähltexte

Am Kommunikationsakt sind der Autor als Sender, der Leser als Empfänger der Information beteiligt, wobei sie sowohl gemeinsame Kode zur De und Entchiffrierung sowie auch einen gemeinsamen Kanal und Kontext besitzen müssen, damit die Kommunikation zustande kommen kann. Bei dem Kommunikationsmodell schriftlicher literarische Erzähltexte werden fünf Kommunikationsniveaus unterschieden. Kommunikationsmodell:

Siehe das Modell im Skriptum!!!

FIGUREN

Handlung besteht sich aus drei epischen Grundkategorien: Figuren, Zeit, Raum und baut „das Geschehen“. Figur = Aktant Dieser Begriff bezeichnet in einem literarischen Text, gleich welcher Gattung, die Handelnden, da diese nicht auf Personen zu reduzieren sind (sprechende Tiere, Gegenstände, schematische Menschendarstellung etc.) Zeichnung der Figuren: Sie erhalten ihre Konturierung (Charakterisierung) durch:

• direkte oder indirekte Rede ihrer selbst (beschriebene Gedanken und Gefühle, Monologe), anderer Figuren (Dialoge)

• durch Erzählers • ihr Verhalten ist aktiv oder passiv (Täter/Opfer) – Reaktionen • emotionale Erscheinungsweise (Liebe, Hass, Eifersucht) • Gegensatzpaare (männlich – weiblich; alt – jung; arm – reich…) • Motivationen (die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten)

Schematisierungen auf abstrakter Ebene sind bereits sehr früh versucht worden, wobei der Märchenforscher Vladimir Propp wichtige Einsichten formuliert hat. Man unterscheidet 2 Figurpolen:

• die Hauptfigur, den Helden oder den Protagonisten • oder seiner Gegner (oder Gegenspieler, Widerpart, Widersacher), den Antagonisten

Der Held:

• positiver Figur • hat Eigenschaften wie Mut, Güte, Freundlichkeit, meist Schönheit • wenn Protagonist nicht der Positivität entspricht, wird Begriff „Antiheld“ durchgesetzt

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Die Gegenüberstellung Protagonist – Antagonist bildet nicht nur „Wirklichkeit“ ab, sondern treibt durch die entstandenen Konflikte die Handlung an. Wir kennen auch innere Konflikte (Tonio Kröger) Den beiden Figurenpolen werden Begleit- und Helferfiguren zugeordnet. Erlkönig (Goethe):

• Hauptfigur bzw. Protagonist: Sohn • Antagonist: Erlkönig • Begleiter der Hauptfigur: Vater • Helfer der Hauptfigur: Vater versucht die Fiebertraume zu rationalisieren • Begleiter des Erlkönigs sind Töchter

ZEIT UND RAUM

Zeit und Raum wirken als Einbettung für erzähltes Geschehen. Sie können Bedeutungsnetze entfalten auf der Basis von Wiederholungs- und Kontrastierungsstrukturen

• Erzählte Zeit: Zeitraum, über den sich das erzählte Geschehen erstreckt; die Dauer der erzählten Geschichte

• Erzählzeit: Zeit der Textlektüre. Wenn wir 1 Geschichte 2 Stunden lesen • Zeitraffung: die Konzentration längerer Zeitspannen in kürzere Textabschnitte • Zeitdehnung (Zeitlupe) kommt in Erzähltexten selten vor • Zeitensprunge findet man häufig in Form von Rückgriff (Ruckschau, Rückblende)

oder Vorgriff Räume können nach Oppositionspaaren gegliedert werden:

geschlossen – offen innen – außen

eng – weit idyllisch – schaurig

vertraut – fremd privat – öffentlich

voll – leer städtisch – ländlich

HANDLUNG UND FIGUREN

Ausgangszustand kann sein:

• stabil – konfliktlos • potentiell labil – konflikträchtig • manifest labil – konfliktreich

Zustandsveränderung geschieht folglich entweder durch den Einbruch einer störenden Macht i stabilen Zustand oder den Ausbruch des Konflikts im bereits labilen Zustand. Der Erzählzustand tendiert im Vergleich zum Anfangszustand entweder zur Wiederherstellung der gestörten stabilen Ordnung oder er unterscheidet sich vom Anfangszustand und bildet eine neue Ordnung, bzw. die neue Ordnung setzt sich gegenüber der alten durch.

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Der Endzustand tendiert im Vergleich zum Anfangszustand entweder zur Wiederherstellung der gestörten stabilen Ordnung oder er unterscheidet sich vom Anfangszustand und bildet eine neue Ordnung, bzw. die neue Ordnung setzt sich gegenüber der alten durch. Jurij Lotman: Zwischen Ausgangs- und Endzustand befindet sich eine Grenze, die unter normalen Bedingungen für alle undurchdringlich ist, mit Ausnahmen des die Handlung tragenden Helden. Der Handlungsträger ist fähig, die Grenze, die für ihn mit einem oder mehreren Hindernissen verbunden ist, zu überwinden (z.B. Der Tunnel; bevor der Vierundzwanzigjährige die Katastrophe erkennt, muss er durch den vollen Zug, er hat mit dem dummen Schaffner zu tun…)

ERZÄHLER – PERSPEKTIVE

Der Erzähler kann in verschiedenem Maße als solcher in Erscheinung treten: Als Erzählerfigur ist er Teil der K-1 Ebene, gehört zur „erzählten Welt“, oder er macht sich als Erzählerpersönlichkeit bemerkbar durch explizite Kommentare, Erklärungen. Der allwissende oder auktoriale Erzähler spricht aus einer Position der Allmacht, ihm sind auch die geheimsten Regungen der Figuren bekannt. Er weiß alles: Sehnsüchte, Wünsche… Franz K. Stanzel unterschied 3 Erzählsituationen:

• auktoriale • personale (auf ein Figurenbewusstsein verengte) • Ich – Erzählsituation

Später hat Stanzel auch 3 Konstituenten ausgeweitet:

• Erzähler / Reflektor • Außenperspektive / Innenperspektive • Identität – nicht Identität

Im Gegensatz zum Erzähler ist Reflektor ein auf eine Figur beschränktes Wahrnehmungszentrum. Der Leser kann sich in Gedanken und Gefühlen hineinversetzen. Die Begriffe Außen- und Innenperspektive können sowohl die Wahrnehmungsrichtung angeben:

• von innen nach außen, wobei die Darstellung der Innenwelt dominiert • von außen nach innen, wobei die Darstellung der Außenwelt dominiert

In der modernen Literatur sind verengte Perspektiven sowie Perspektivenwechsel besonders häufig. Der Erzähler kann außerhalb oder in der Welt, die in der Geschichte dargestellt ist, stehen.

INFORMATIONSVERTEILUNG

Es stellen sich nicht die Frage, wer Information besitzt und welche, sondern auch wie Information vermittelt wird, wem und warum sie vorenthalten wird, zu welchem Zweck, wann, wo usw. Der Großteil der Effekte (z.B. im Kriminalroman, in Witzen, Komödientypen) berüht auf der Informationsasymetrie von: Figur und andere Figuren, Figur und Erzähler, Zuschauer… Das Widerspiel verschiedener Informationsgrade erzeugt Spannung und Dynamik.

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Informationsvermittlung ist außerdem dramaturgisch und erzähltechnisch interessant, weil eine Anzahl von Techniker im Laufe der Literaturgeschichte entwickelt wurden, um schwer darstellbare Ereignisse an den Leser / Zuschauer zu vermitteln. Aus dem griechischen Drama kennen wir den Botenbericht und die Mauerschau; Monologe und das sog. Beiseitesprechen verschaffen den Zuschauern Einsichten, die ihnen sonst verborgen blieben. In hohem Maße können auch Gestik und Mimik, physisches Handeln oder Reaktionslosigkeit Information vermitteln. Unterschied im Literaturverständnis: Literarische Texte – wo sich Linguistik hineinsetzt, sprachliche Komponent hat eine Wichtige Rolle, nicht werdend ling. Begriff. Literarische Werke – Totalität, sie sind wertend, anspruchsvolle Literatur, ästhetisch – überzeugende Literatur, hohe Stimmigkeit

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LYRIK

Lyrische Verfahren: 1. Versifizierung – gebundene Sprache; Tanz- und Sangbarkeit 2. Bildlichkeit 3. Selbstbezüglichkeit – Konstruiertheit, Stimmigkeit 4. Handlungs-Geschichten – Figurenlosigkeit? 5. Subjektivität, Emotionalität, Erlebnis 6. Besonderes Allgemeines: Sinnsuchte, symbolische Bedeutung, Erlebnislirik 7. Praktische Hinweise für die Analyse

Versifizierung - gebundene Sprache; Tanzbarkeit, Sangbarkeit

• Der Text wird einem Regelmaß unterworfen, einem komplexen

Strukturierungssystemen von Wiederholungen, Variationen und Minuswiederholungen (fehlenden Wiederholungen), das in der Alltagssprache überflüssig (redundant) ist und unökonomisch wäre, manchmal höchstens zufällig entsteht oder in Ausnahmefällen (Werbung) eingesetzt wird.

• Lyrik ist unter den literarischen Gattungen diejenige, die am dichtesten um die vertikale Achse strukturiert ist

• Auf relativ engem Raum wirken zugleich verschiedene sinnlich anregende Elemente: Laut- und Klangmusikalität, Metrum und Rhythmus, Melodik und Klangfarbe, Reime und andere Wiederholungsstrukturen, expressive und andere rhetorische Figuren, die an den Leser appellieren

• Freude am Klanglichen, an der gebundenen Sprache wird besonders deutlich im mündlichen Vortrag, deswegen sol man Gedichte laut lesen, um sie besser zu verstehen.

Bildlichkeit

Zeitlosigkeit charakterisiert Gedichte. Die Einheit eines Bildes entspricht der Gleichzeitigkeit, Punktualität ihrer Elemente. die Einheit eines Bilde = eine imaginäre Evokation (obujanje, oživljanje spominov) Bildlichkeit funktioniert auf 2 Ebenen:

• auf sinnlicher Ebene der imaginären Funktion (d.h. auf dem vagen Vorstellen und assoziativen Abrufen bestimmter Bilder)

• strukturell als Vereinheitlungsmoment Gelfert: hingegen betont die sinnliche Ganzheitlichkeit des Vorstellungspotentials. Die vorgestellte Welt der Dichtung wird in der Fiktion von allen Sinnen wahrgenommen. Das Vermögen der Imagination betont die Rolle des Rezipienten, seine Vorstellungskreativität. Dabei steigt die Wirkung des Textes mit seiner Mehrdeutigkeit und seinen Leerstellen, weil dadurch die Phantasie und das Mitschaffen des Lesers besonders gefördert wird.

Selbstbezüglichkeit: Konstruiertheit - Stimmigkeit

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• Nach Helmstetter ist das Gedicht ein „bevorzugter literarischer Ort der poetischen Sprache.“ Es kennzeichnete höhere Reflexivität, Komplexität und Spürbarkeit seiner Zeichenstruktur

• Das spezifische Verfahren der Lyrik besteht darin, primäre und sekundäre sprachliche Formen in besonderem Maße zu aktivieren, produktiv zu machen, zu verdichten, zu überformen und auszustellen. Das geschieht durch Wiederholungs- und Strukturierungsverfahren, durch Mehrfachkodierung. Diese Strukturierungselemente sind bedeutungstragend und vermittelnd

• Vollkommenheit von Komposition und Strukturierung eignet freilich nicht nur Gedichten, sondern auch Erzähltexten. Jedoch ist die Abgerundetheit und Stimmigkeit im Gedicht konzentrierter und infolgedessen auch offensichtlicher.

Handlungs-, Geschichten-, Figurenlosigkeit?

• Man kann tatsächlich beobachten, dass Lyrik nicht in eine zeitliche Abfolge

Ausnahmen von Erzähl- und Langgedichten zu übertragen ist. Handlungen darin runden sich nicht zu einer Geschichte / Fabel mit einem erkennbaren Anfang, einer Mitte und einem Ende

• Dereferenzialisierung / Dekontextualisierung lyrischer Texte (ihre Kürze, Verknappung, die Dichte ihrer Leerstellen) akzentuiert deren Konnotationspotential.

• Figuren kristallisieren sich um die veritkale Achse, sie sind paradigmatisch miteinander vernetzt. Sie sind Vertreter bestimmter Positionen, Träger von Verbindlichkeit

Subjektivität – Emotionalität – Erlebnis

• Mit Ausnahme der prosaischeren Genres Tagebuch und Brief und Konversation

(häufig telephonisches Gespräch) lässt sich in den gegenwärtigen Kommunikationsstrukturen kaum ein privilegierter Bereich für emotionale Ergüsse, für die Verwertung von Freude und Leid, subjektiven Einsichten und Gedankengängen, Erlebnissen und Erfahrungen, finden als die Lyrik.

• Da das neuzeitliche Subjekt nicht mehr eingebunden in die übergreifenden Ständegesellschaft, kann er als „das freie, seiner selbst bewusste Individuum auf sich selbst als Besondere“ reflektieren. Daher auch Vulgarverständnis von Lyrik haltende Auffassung, dass poetisches Subjekt und Dichter identisch seien.

• Die Verlagerung auf die Innenschau und die Innenperspektive und die Verengerung auf die individuelle Weltsicht aus der subjektiven, individuellen Perspektive erzielt zumindest zweierlei:

1. das „lyrische Subjekt“ als „Ursprung“ des Textes garantiert dessen Authentizität und die des darin versprachlichten Erlebnisses

2. erfüllt zu dem noch eine kompositorische Vereinheitlichungsfunktion: Die häufig heterogen, sehr privaten Eindrücke und Erfahrungsmomente (Impressionen) werden allein schon durch die Bezugnahme auf ein „lyrisches Subjekt“ sinnstiftend gebündelt.

• Tatsächlich besteht in der abendländischen Literatur eine lange literarische Tradition, in der Lyrik der bevorzugte Ort für den persönlichsten, bis ins Intimste gehenden Ausdruck war und noch ist.

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Besonders Allgemeines: Sinnsuche, „symbolische“ Bedeutungen, „Erlebnislyrik“

• Im Gegensatz zur Geschichtsschreibung, die sich mit dem Besonderen beschäftigt, hat Dichtung das Allgemeine darzustellen.

• In diesem Lyrikverständis wird Genüge geleistet, indem das Persönliche „lesbar wird im Hinblick auf ein Allgemeinmenschliches“, das für den Leser poetisch zu empfinden ist.

• Die Vorstellung von Lyrik als Ausdruck von Subjektivität ist damit von Anfang an gebunden an die Idee der Vermittlung einer individuellen Ich-Aussprache im lyrischen Text hin zur Allgemeinheit einer Lektüre

• Lektüre und Interpretation lyrischer Texte wird meist auf eine denkerische Suche nach dem (versteckten) Tiefsinn, der symbolischen Bedeutung reduziert.

• Die Interpretation selbst enthält das Bedürfnis des Menschen, über die Übertragung in ein logisches, sinnkonstruierendes Sprachsystem, das Unfassbare zu begreifen und es sich dadurch anzueignen.

• Was an einem Gedicht begeistern ist: o seine Schule des Schauens (sinnfällige Zusammenführen von Bereichen – meist

über Bilder) o die Möglichkeit, seine Leerstellen mit der Gesamtheit unserer Erfahrungen und

unserer „Wirklichkeit“ aufzufüllen

Das Lyrische Ich

• Das lyrische Subjekt erscheint in der Retrospektive ohnehin als nicht klar bestimmbares ohne deutliche Identität

• Das „lyrische Ich“ erwies sich gleichfalls als „Leerstelle“, nach Jürgen Link markiert es den Innenraum gegenüber dem Außen und ist eine mögliche Textgestalt der lyrischen Subjektivität.

• Käthe Hamburger stellte fest, dass das lyrische Subjekt ein reines Aussagesubjekt sei, mit der realen historischen Person nicht gleichzusetzen.

Praktische Hinweise für die Analyse

Je mehr Elemente in die Analyse Eingang finden, umso dichter und komplexer kann die Interpretation gestaltet werden. Zu berücksichtigen sind auch die Sprachbewegungen, Sprachgestik, intertextuelle Netze und vor allem metatextliche Bezüge.