Leschber M Words Rekonstruktion Libre

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  • 7/24/2019 Leschber M Words Rekonstruktion Libre

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    STUDIA

    ETYMOLOGICABRUNENSIA

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    Editorky:

    Ilona JanykovHelena Karlkov

    Nakladatelstv Lidov novinyPraha 2009

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    Recenzenti: Stefan Michael NewerklaMarko Snoj

    Ilona Janykov, Helena Karlkov

    ISBN: 978-80-7106-209-7 (NLN), 978-80-86496-45-0 (J)

    Sbornk byl vydn dky nann podpoe Grantov agentury esk republiky (grant. 405/07/1092) a jeho pprava probhala i v rmci projektu Ministerstva kolstv,mldee a tlovchovy esk republiky (projekt . LC546).

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    Rekonstruktion und Substrat

    Corinna Leschber

    Im Zuge der letzten Jahre haben Entdeckungen im Bereich der Humangenetik(mediterraner Genotyp, Cavalli-Sforza 1996) und der Archologie (die exakte chro-nologische Bestimmung archologischer Funde durch die Dendrochronologie) es er-mglicht, Gimbutas Kurgan-Theorie als diejenige Darstellung der IndoeuropisierungEuropas zu verizieren, die sich am ehesten mit den sprachlichen Fakten in Einklang

    bringen lsst. Im Gegenzug bietet sich fr die Zeit, die der Indoeuropisierung Alteu-ropas vorangeht, ein Bild Sdosteuropas, das von einer frhen Hochkultur, der Vina-Kultur geprgt ist, mit den Merkmalen Schriftgebrauch und Handwerk, besonders Me-

    tallverarbeitung und Textilherstellung. Frh fand der bergang zu einer agrarischenLebensform statt. Diese vorindoeuropische Bevlkerung in Sdosteuropa wurdedurch einwandernde Indoeuroper assimiliert. In genetischer Hinsicht kam es zu einerFusion beider Bevlkerungsschichten. Anhand religis-mythologischer Fakten lsstsich auch kulturell eine enge Symbiose indoeuropischer Reiterkrieger mit der alt-eingesessenen vorindoeuropischen Bevlkerung ablesen. lteres Kulturgut, wie Ge-schichten, Lieder, Mythen, Rituale, Glaubensvorstellungen1konnte so im Balkanraumberdauern. Im Zuge der Indoeuropisierung wirkten Elemente der rtlichen Sprachewiederum als Substrat auf die Sprache der neuen Elite ein. Fr den sdlichen Teil derBalkanhalbinsel hatte Kretschmer 1925 einen erheblichen Anteil an Substratlexik im

    Altgriechischen feststellen knnen. Morpurgo Davies 1986: 105 uert die Einscht-zung, dass nur knapp 40 % des altgriechischen Wortschatzes aus dem Indoeurop-ischen stamme. Ergebnisse, die in den Disziplinen Humangenetik und Archologie ge-wonnen werden konnten, besttigen die Annahmen zu einem alteuropischen Substrat.Dadurch wurden Untersuchungen im Bereich der historischen Linguistik fr Europa in

    prhistorischer Zeit angeregt2. Die eingeschrnkte Bezeugungslage fr die nrdlichergelegenen Gebiete, auf die Hajnal 2004 in seinen Methodische(n) Vorbemerkungenzu einer Palaeolinguistik des Balkanraumes hingewiesen hat, wie die sprliche Be-zeugungslage des Thrakischen, fhrte zu einer mangelnden zeitlichen Tiefe der Sprach-

    forschung fr die zentrale bzw. stliche Balkanhalbinsel.Da nicht einmal das lokale indoeuropische Stratum zufrieden stellend gedeutetwerden kann, ist weitgehend ungeklrt, inwieweit vorindoeuropisches Wortgut in dasThrakische eingegangen ist, und was davon ins Bulgarische ererbt wurde.

    Im Bulgarischen sind zahlreiche Phrasen belegt, die ungeklrter etymologischerZuordnung sind. Sie treten vornehmlich in idiomatischen Wendungen und in traditio-nellen Volksliedern auf, und konzentrieren sich auf die Bereiche: rituelle Formeln, Zau-

    bersprche, Beschreibungen von Ritualen im Zusammenhang mit der Heirat, Tiere (dieBeschreibung von Ritualen und Brauchtum im Zusammenhang mit Tieren, Opferritua-

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    Haarmann 2007: 168169.2 RenfrewMcMahonTrask 2000; Vennemann 2003, BammesbergerVennemann 2004.

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    le, insbesondere Tieropfer), Flche, traditionelle volkstmliche Rtsel, Auszhlreime,Formeln, die darauf abzielen, das Verhalten anderer Menschen zu beeinussen.

    Bei zahlreichen, im BER dokumentierten Phrasen3, die bis heute von der Forschungnicht entschlsselt werden konnten, ist ungeklrt, was sie bedeuten und welchem se-

    mantischen Bereich sie zuzuordnen sind. Die ungeklrten Bestandteile von Phrasenwirken hug wie eine Art Intensikator im Satz, z.B. im BER 4: 108, m-nin, in:Nami-nin go nma(Gebiet Dupniko) mit ungeklrter Bedeutung.

    Zuweilen knnen Reduplikationen nachgewiesen werden (wie sie in vielen wei-teren Sprachen vorliegen); teils als Wortspiele in Mrchen und Kinderspielen, BER 4:138 -mitra, in: kitr-mitraKinderspiel, bei dem kleine Steine geworfen werden (Ge-

    biet Sojsko, Crsko, Bitolsko/Maked.). Daneben nden sich Reduplikationen auf se-mantischer Ebene, die im Zuge des Bemhens entstanden worden sein mgen, einenobsolet werdenden Begriff mit einer Art bersetzung zu versehen. Ein vergleichbarerMechanismus einer Reduplikation auf semantischer Ebene konnte fr indische Spra-chen nachgewiesen werden, so in der indoeurop. Sprache Konkani, in der obsoleteWrter mit Hilfe fossilierter idiomatischer Wortpaare erhalten wurden. Diese bestehenaus zwei Teilen:

    1. einem lteren, gegenwrtig nicht mehr bekannten Wort mit obskurer Bedeu-tung, in Kombination mit

    2. einem als neuer empfundenen Wort, das verstndlich ist, gut bekannt und diebersetzung des obsoleten ersten Bestandteils darstellt.

    Im Falle von indischen Sprachen kann die erste Komponente solcher Bildungenhug einem lteren Stratum, und in etymologischer Hinsicht indigenen Substratspra-

    chen, zugeordnet werden, whrend die zweite Komponente einem neueren Stratumangehrt, meistens indoeuropischer Zuordnung. Dies hngt mit dem Problem der sogenannten desi-Wrter, der Wrter autochthoner Herkunft in den indischen Sprachenzusammen. Diese werden von der Bevlkerung als altertmliche Wrter drichenCharakters empfunden. Srinivasan 2003 nennt vierzig Beispiele solcher semantischreduplizierten Wortpaare fr die Konkani-Sprache.

    Kulturelle und soziale Vernderungen knnen zum Verlust der Wortbedeutungfhren, Wrter werden obsolet. Vergleichbare kulturelle Prozesse und Vernderungenknnen zur Bildung solcher semantischen Doppelungen im Bulgarischen gefhrt ha-

    ben. Ihre Analyse befrdert die Rekonstruktion noch ungeklrter kultureller Prozessein prhistorischer Zeit. Dies gilt besonders fr die Flle, in denen semantische Redu-

    plikationen auf der Basis von bersetzungen vorliegen.Unter den Ausdrcken etymologisch ungeklrter Zuordnung im Bulgarischen ist

    eine hohe Frequenz obsoleter Wrter und Phrasen festzustellen. Einen interessantenTeil des Wortbestandes bilden demnach diejenigen Lexeme, die zwar klanglich be-kannt sind, aber deren Bedeutung weitgehend oder vollstndig vergessen wurde. Da-

    3 In der Folge werden Beispiele aus dem BER angefhrt, Details sind dort unter der entsprechenden al-phabetischen Einordnung des Ausdrucks zu entnehmen, wie auch Quellen und exaktes Vorkommen.

    Aus Platzgrnden ist auf die Wiederholung dieser Angaben hier weitgehend verzichtet worden, nur dasVerbreitungsgebiet wird mit der bg. Originalbezeichnung angegeben.

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    bei konnte wiederholt ein mehrstuges Schema beobachtet werden, das den Weg einesLexems von einem bekannten zu einem obsoleten Lexem kennzeichnet:

    Tab. 1: Der Weg eines Wortes in die Obsoleszenz

    Lexem bekannt 1. formal bekannt Bedeutung bekanntLexem ungebruchlich(tendenziell obsolet)

    2. formal bekannt Bedeutung vage bekannt;bzw. nur noch in festenWendungen aufschlsselbar

    (Lexem obsolet) 3. formal bekannt Bedeutung unbekannt; auchbei eventuellem Vorkommenin festen Wendungen nichtaufschlsselbar

    Lexem obsolet 4. formal unbekannt Bedeutung unbekannt

    Wird die Bedeutung bzw. der Bedeutungsumfang vergessen, so besteht in letzterKonsequenz kein Anlass mehr zum Gebrauch des Wortes. Oft kann sich dieses nochformal-semantisch fossiliert in fest gefgten Wendungen erhalten, ohne jedoch in iso-lierter Position (also auerhalb des Phraseologismus) von den Sprechern eine Erlute-rung in Hinblick auf seine Bedeutung erfahren zu knnen.

    In anderen Fllen verliert ein Phnomen seinen semiotischen Gehalt in der sichverndernden traditionellen Gesellschaft. Wenn der Zeichencharakter einer Handlungoder eines Phnomens nicht lnger verstanden und nicht mehr bentigt wird, kann sich

    dies im Verlust des Wissens um die Wortsemantik uern. Dies ist der erste Schrittzur Obsoleszenz eines Wortes. Das bedeutet, wird ein Ritual oder ein anderes Ele-ment eines traditionellen Brauches nicht lnger praktiziert oder in der Anfangspha-se kultursemiotischer Obsoleszenz nur mehr mechanisch ausgefhrt, ohne dass einVerstehen seines ursprnglichen semiotischen Inhaltes vorliegt, dann knnen Wrter,die Elemente dieser Rituale und Bruche beschreiben, zunehmend vergessen werden.Zuweilen ist dieser Prozess nicht zu Ende gefhrt worden, und Phrasen ungeklrterBedeutung sind nicht nur als Fragmente aus lexikologischer Sicht erhalten geblieben,sondern auch aus einer kultursemiotischen Perspektive. Dies erklrt die Hufung unddie Position solcher Phrasen im Bulgarischen und kann Hinweise auf ihre Zuordnung

    auf der Bedeutungsebene geben.In archaischen bg. Volksliedern sind in territorialer Diskontinuitt Wrter erhalten,

    deren Bedeutung bisher nicht rekonstruiert worden konnte. Sie sind heute nur mehrals ein formaler Lautkrper erhalten, und werden durch die sie umgebende Phrasegesttzt, wobei die Form vor dem Vergessen bewahrt wird. Manche unklaren Elementesind nur ein einziges Mal in einem altertmlichen bg. Volkslied bezeugt. Dessen unge-achtet zeigen viele dieser Wrter ungeklrter Herkunft ein einst hohes Ma an lexika-lischer Produktivitt und sind das Zentrum von Wortbildungsnestern.

    Unter bg. Wortgut ungeklrter Herkunft nden sich Substantive, Verben, Adver-ben wie nechriz, in: na nechriz unabsichtlich, im Scherz, auch nichriz, in:

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    na nichriz, nachrjz fahrlssig, in drei verschiedenen Sprachgebieten, rsniko(Adv.), mit unklarer Bedeutung, nur im Volkslied:jsniko da mi pope, rsniko da

    se zasmi (Bessarab.) Adjektive, z.B. zur Bezeichnung von Fruchtsorten und nur indieser Kombination auftretend: rpsenov, in der Wendung rpsenov ppingApfelart

    (Trojansko), rpstonov in: rpstonovppingApfelart: grn mit roten Streifen (Tro-jansko), und sogar ein Indenitpronomen: mnchalle (Rhodopen), und Partikeln,wie die unklare Partikel robnjain Volksliedern. Die Integration einiger Ausdrckeerfolgte zuweilen mit Hilfe konventioneller bulgarischer Wortbildungsmittel, wie Suf-xen fr Substantive und Adjektive etc.

    Beispiele fr Wrter ungeklrter Herkunft im Bulgarischen lassen sich nach denAngaben des BER in semantische Felder einteilen: Panzen, Nahrungspanzen,Frchte, Bume, z.B. muskura Mispel (Frucht und Baum), mo (2) Gerste (GoceDelevsko), nnawilder Spinat (Karakaan. Dialekt, Balkangebirge); Nahrungsmit-tel: mrmljaMaisbrei mit Schafkse (umensko), mr, madrBrot; Landwirt-schaft und Gartenbau: mzn Haken, der die ste des Baumes nach unten zieht, zumZiel der Obsternte (Smoljansko), Arbeitsschritte der Getreideernte, Erdreich, meteo-rologische Erscheinungen, Hinweise auf archaische Ttigkeiten, Arbeitstechniken undArbeitssttten, z.B. Phrasen, die der Beschreibung des Wasserholens zuzuordnen sind,Bezeichnungen im Bereich des Hausbaus, Rume, wie mutrk, muturk Toilette; ar-chaische Werkzeuge, z.B. murEisenpiecker, mit dem Lcher in Stein gehauen wer-den (Plovdivsko), muchlja Amboss, mtla Balkenabstand, muchlam schmaleEichenbretter, die zur Auenverkleidung des Hauses dienen, fr die Beschreibung

    archaischer Mechanismen, wie Teile einer Trkonstruktion, und Beschreibungen vonTechniken, wie dem Ziegelmachen, Bezeichnungen fr Personen, mit meist negativenCharakteristika, wie schweigsam, mrrisch, vergesslich etc., nstava leicht, nach-lssig angezogener Mensch (sdwestl.); z.B. die Personenbezeichnung muk Wit-wer (Sojsko), fr den menschlichen Krper und seine Funktionen, z.B. mutmuljkSperma, Krankheiten (z.B. Auszehrung), nastinligerade erschienene Pickelchenauf Gesicht und Kopf (Gornoorjachovsko); Teile der Volkstrachten oder Verzierungenauf traditioneller Kleidung; Tiere mit besonderen Eigenschaften, fr die Beschreibungvon Praktiken aus der Tierzucht bzw. Schafzucht, Teile am Zaumzeug: rokol, dieseBezeichnung ist nur noch im Volkslied erhalten; Erscheinungen aus Mythologie und

    Aberglauben: minaTeufelswerk (Veliko Trnovo), nsverKuker (Perniko), un-klare Bestandteile in Formeln, in denen es um die Anrufung von Samodiven geht,BER 4: 24; in Formeln zum Verhltnis zwischen Krper, Tod und Seele, BER 4: 32.

    Etymologisch unerklrte Wrter im Bulgarischen zeigen weitere charakteristischeZge, wie zuweilen eine Variabilitt der Akzentposition, eine gewisse phonetische Varia-tion bzw. Unschrfe: munga, munka, muanta Veilchen. Eine solche ist laut Hub-schmid 1960: 90 generell charakteristisch fr Substratelemente. Vergleichbares zeigtsich auch im Verbalbereich, cf. natotluvam se sich dick anziehen (Bansko), natotn-

    vam seid. (Koprivtica), natuntra se, natutorjvam se. Daraus knnen Hinweise auf

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    sonst unbelegte archaische Wurzeln gewonnen werden: -totl-, -tutr-, -totn-, -tunt-.Diese nden sich in Verben mit der Bedeutung sich dick anziehen, sich einmummeln.Es knnen diverse vergleichbare Beispiele aus dem Verbalbereich im BER festgestelltwerden. Diese intensiv belegte morphologische Adaption unklarer Elemente zeugt von

    einem lngeren Zusammenleben im Kontext einer traditionellen Gesellschaft neu hin-zu gewanderter Bevlkerungsteile mit einer Vorbevlkerung, und weist damit auf eineethnische Symbiose, ohne die diese Vorgnge nicht mglich gewesen wren.

    Die phonetische Variationsbreite bzw. Unschrfe scheint ber die in den Dialektenzu beobachtende Variation hinauszugehen: (1) neblv (Achtopol), (2) nbliv (MalkoTrnovo) berraschung, vs. (3) nebljd etwas, das unerwartet passiert ist, ohne dassman es erwartet htte, cf. die hohe semantische Dichte bei (3). Bei manchen Lautver-

    bindungen im Anlaut hufen sich etymologisch unklare Wrter in extremer Weise, soim BER 4 mi-,mu-,m-,p-,pr-,prc-,pc-. Bei bestimmten Kombinationen, wieim Falle vonnat- im Anlaut liegt der Anteil unklarer Elemente gar um 30 %. Bei derHufung bestimmter Lautkombinationen, z.B. beipr- im Anlaut, handelt es sich umlautliche Charakteristika, die das Bulgarische deutlich von anderen slavischen Spra-chen unterscheiden. Die Lautgestalt von Substratelementen mag somit einst einen cha-rakteristischen phonetischen Wandel angeschoben haben.

    Die morphologische Integration unklarer Bestandteile in das Bulgarische lsstsich fr den Verbalbereich besonders deutlich zeigen an den Verben, die mit Hilfe desVerbalprxes na-gebildet werden, wie naslivam,naslkvam,naslna, nastramauf-hetzen, nastlam(2) verhauen, verprgeln, nastrcameine Menge erzhlen, auf-

    hetzen, aufstacheln, beibringen (Samokovsko), das Bse angreifen (Ichtimansko),auch nastrcuvamaufhetzen, aufstacheln, aufwiegeln (Samokovsko, Ichtimansko),nastupnazwingen, nastja, nastpam, naschtvam se, natantrasich legen undweitere. Gelegentlich kann die Grundform eines Verbs nur ber den Umweg einer pr-gierten Form rekonstruiert werden, deren Bedeutung ebenfalls nicht klar ist, und nur imVolkslied vorkommt: *pelja, BER 4: 30, fr den Bereich der Substantive lsst sie sichzeigen an dem unklaren naslga, in dem Text: naslga druna ne mgat si pona.

    In einigen Fllen morphologischer Integration ist ein unklares Substantiv unklarerHerkunft, versehen mit einem Adjektiv in formaler Genuskonkordanz, fossiliert: na-

    da, in der Wendung: divilcka nadaeine Art Militruniform (Rhodopen). In einemumgekehrten Fall wird ein unklares Adjektiv durch ein Substantiv gesttzt: naftov(Adj.), nur in der Wendung: naftovi orpi dunkelrot gefrbte Strmpfe (stl.).Zuweilen ist eine inkonkordante Integration unter Missachtung des natrlichen Ge-schlechts erfolgt: mzgurca Mensch, der viel vergisst (Vidinsko). Auffallend sindmit der Negation fusionierte Verbalformen, die in der 3. Sg.-Form fossiliert sind, z.B.das unklare nechramatier/sie vermag es nicht (Malko Trnovo).

    Ein Verlust von Formen hat zu Fragmenten bzw. Trmmern einst vollstndiger Ver-balparadigmen gefhrt: nsosja(Adj., nur fem.) ungengend (Madansko), nasturi se

    (er/sie) geht hinunter (nur 3. Sg.). Das vollstndige Verbalparadigma ist vergessen

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    worden. Das Vorliegen einer fossilierten VergangenheitsForm in der 2. Pl.-Form ist le-diglich im Volkslied bezeugt: naskixte zu einem nicht belegten Innitiv *nasukja,ein Derivat vonsukjeAbflle, Dreck, Kehricht, Mll.

    Gelegentlich sind hybride Bildungen zu beobachten, cf.prdrjaz, BER 6: 79, es

    wird hier eine Art Erluterung unklarer Begriffe geliefert, cf. deto e otrjazano ot djas-no uchoto na ovcata se kazva knulo4, a ot ljavo pdrjaz (Tetevensko/Maked.) wovom rechten Teil des Schafsohres abgeschnitten wurde, das heit krnulo, und vomlinken prdurjaz. Bei diesem Ausdruck handelt es sich um eine etymologische Hy-

    bride. Der zweite Bestandteil -rjaz < rea (Vb.) schneiden, unklar ist somit der ersteBestandteilpd-.

    Einige Flle sind durch einen hohen Grad an etymologisch-derivativer Verwoben-heit gekennzeichnet. Es sind in hohem Mae ausdifferenzierte Bedeutungen festzu-stellen: mdjerkunfruchtbare Ziege, unfruchtbares Schaf (Razloko). Die zuwei-len ungewhnliche Lautgestalt ist auffllig: mdranaije Schatzgrber, Schatzsu-cher (Stranda), mrmadljkja(s.u.). Es nden sich Bezeichnungen ungewhnlicherObjekte, die heute berwiegend ungebruchlich sind: mrmadljkja aus Lappen oderLumpen gefertigte Maus (Bansko). Zuweilen ist die Bedeutung eines Ausdrucks un-

    bekannter Herkunft klar, die Lautgestalt aber ungewhnlich: natavvam sesich dickanziehen (Trn), natarabnjvam se sich in viele Kleidungsstcke einmummeln. Auf-fallend ist eine hohe semantische Dichte diverser Ausdrcke, wie des unklaren Verbsnaelmja ich bereite die Umstnde in einer Art vor, so dass ich in der Lage bin, eineSache zu erledigen, ein weiteres Beispiel fr eine solche semantische Dichte eines

    Verbs ist nauuvraich lade viel auf und in groe Hhe hinauf auf, so dass die Wareoder der Haufen umfallen kann, oder der Wagen umstrzen kann (Smolsko, Pirdop-sko). Semantische Dichte ist auch fr andere Wortarten zu belegen, z.B. fr die Sub-stantive: naturdas Sammeln von Leuten auf der Strae zur Sommerzeit mit demZiel, eine gemeinsame Arbeit zu erledigen. Diese und weitere Beispiele zeugen voneiner hohen Differenziertheit des Denkens, von einer Art synthetischer Semantik,die ihre Parallele im morphologischen Bereich in dem synthetischen Formenreichtumder archaischen Sprachen ndet.

    Zuweilen ist ein inselhaftes Auftreten, ber das ganze Sprachgebiet verteilt, wahr-

    zunehmen, das zeitweilig in Kombination mit semantischer Variation auftritt: mzl(3), Vorkommen im Osten (Pl.): fr den Sommer angeheuerte Helfer in der Senn-htte (Kotelsko), im Nordwesten, Nordosten, Westen des Sprachgebietes: krftiger,gut entwickelter Jngling (Kulsko, Vidinsko, Belogradiko), im Nordosten mzalnals Pluralform mit maskulinem Nomina agentis-Sufx fr Singularformen, und damitin morphologisch-funktionaler Inkonkordanz, fr besoldete Schafhirten (Dobruda).Manche Begriffe kommen mehrfach auf Reliktinseln vor, ohne semantisch oder ety-mologisch erklrbar zu sein. In weit auseinander liegenden Gebieten ndet sich ros

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    Bg. knulo ist etymologisch geklrt, cf. bg. krn, (dial.) krn(regional, ber Tiere) mit abgeschnittenemOhr, altslav. krn mit abgeschnittener Nase.

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    es kommt nur in Volksliedern vor:na glava ros izpisan / ros izpisan zelen venec,wobei keinerlei Bedeutung rekonstruierbar ist.

    Schlielich ist es mglich, in der Zusammenschau ein ganzes Panorama tradi-

    tioneller archaischer Kultur wiedererstehen zu lassen, so in volkstmlichen Rt-seln: mle (3), in einer vllig unklaren Wendung zur Bezeichnung der Schildkrte(Enidevardarsko):tle, mle, ot mtle ple= Schildkrte, auch: mtle in einemRtsel zur Bezeichnung der Schildkrte. In Schnellsprechversen und Abzhlreimender Kinder, wenn sie Blindekuh spielen: muli(2),Anc, zvanc, putuvanc, culi, muli, puf(Bessarab.). In: ros ni, mni, durdumni / trja, ros, zakats / on, pik, cvik hier-

    bei steht rosmglicherweise im Zusammenhang obsoleter Zahlwrter, mit unklarerBedeutung und Herkunft. Es wird beim Zhlen in Abzhlreimen des Blindekuhspielsmeist nur von Mdchen benutzt. Dies knnte auf ein Tabu, eine Geschlechtertrennung,zumindest eine Art Geschlechtsspezik hinweisen. Es lassen sich Formeln zur Ein-wirkung auf andere Personen feststellen, wie eine Formel, mit der jemand bedachtwird, der nicht darauf Acht gibt, was man ihm sagt/erzhlt, d. h. eine Formel, um je-manden zur Gehorsamkeit und zur Aufmerksamkeit zu bewegen: mnje(1), in:nje,mnje, n ti kme, dnje (Trnsko, Brezniko). Es liegen Phrasen in Sprichwrternvor, die heute nicht mehr aufschlsselbar sind. In traditionellen Volksliedern sind di-verse unklare Passagen nachzuweisen: musv, in:skjgajte kone chrneni, izvgjajte

    svi musvi, mit der wahrscheinlichen (!) Bedeutung Pferd, von einer unbezeugtenBedeutung Pferd, vgl. dazu mus (4), BER 4: 337 Interjektion zum Verscheuchenvon Pferden, oder zum Anlocken von Pferden, in Bansko Bezeichnung eines jungen

    Pferdes, cf. mus (2) mit dunklem Fell am Krper und weiem Fell an den Ohren,wiederum ist eine hohe semantische Dichte des Ausdrucks wahrnehmbar.Termini unbekannter Herkunft bilden den Nukleus ganzer Wortbildungsnester: m-

    stavbeschmutzt (sdl.), und lassen sich mit diversen phonetisch hnlichen Wrter un-geklrter Herkunft in Verbindung bringen, cf. mustju(Adv.) schwarz, hsslich (GoceDelevsko). Eine unklare Wortverbindung liegt vor in mustakr, in der Wendung: mimustakriSpatzenart, die ihre Nester in Mauerlchern bauen (Plovdivsko).

    Nachzuweisen sind Flche unbekannter Herkunft, mta (2), im Fluch: da go piemta! ohne Angabe der Bedeutung, s. im BER zur mglichen Bedeutung stumm.

    Gedankengut aus Ritualen, das in den Aberglauben abgesunken ist, liegt vor in

    (Vb.) natraptvamauf eine verunreinigte Stelle treten, beschreien (Sojsko). In bg.Volksliedern nden sich unklare Termini im Zusammenhang mit dem Drachenglauben,BER 6: 181. Phrasen aus Volksliedern, bzw. darin enthaltene Texte lassen auf Opferri-tuale bzw. Tieropfer und die damit im Zusammenhang stehenden Handlungen schlie-en, vgl. ein Beispiel zu der Opferung eines schwarzen Hundes, BER 6: 137, rabl.

    Durch die lexikalische Umgebung werden semantisch unklare Elemente in fest ge-fgten Wendungen gesttzt: *naslvam, im Text: minaxme veki / tuj pole roko / enaslivame / tz Rila planina(Gabrovo).

    Mit Blick auf mndlich tradierte Geschichte (oral history) in traditionellen Ge-

    sellschaften kann im Falle historischer Begebenheiten, die teils in Phrasen mit heute

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    obsoleten Ausdrcken ihre bermittlung fanden, illustriert werden, auf welche Weisedie mndliche Weitergabe vor sich ging. Es handelt sich um die bermittlung histo-risch bedeutsamer lokaler Begebenheiten, teils unter Nennung konkreter Namen vonPersnlichkeiten. hnliches scheint im Falle des sowohl etymologisch als semantisch

    vllig unklaren nibalncevorzuliegen, das nur im Volkslied bezeugt ist: nibalnce,car Kostadin, nibalnce juska bere, nibalnce tebe pjaim (Chaskovsko). Danebenexistieren Belege fr Erzhlungen bemerkenswerter Vorgnge, als Phrasen in Volks-liedern, die einen volkstmlichen Wettstreit beschreiben: rokmk(die) Entfesselungder gebundenen Hnde eines Teilnehmers.

    Manche unklare Wrter existieren nur noch als formales Gebilde, nkerka mit un-bekannter Bedeutung (Novopazarsko), nekr mit unbekannter Bedeutung (Vidin).Phrasen, die unklare Elemente enthalten, entziehen sich zuweilen einer Deutung unddemnach einer Zuordnung zu einem bestimmten Themenbereich, nebezinski, mit demVorkommen: dolna zemja niznajninska / niznajninska, niznajninska, nebezinska.Der Mangel an Kontext und damit zustzlicher Information erschwert in vielen Fllendie abschlieende Interpretation. Hier bietet sich der Vergleich mit sprachlichen undkulturellen Daten der Nachbargebiete an. Viele Beispiele unterstreichen zudem denhohen Stellenwert formelhafter Handlungselemente in traditionellen Gesellschaftenund damit eine einstige Ritualisierung des sozialen Umgangs.

    Bibliograe

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    Reconstruction and Substrate

    With regard to the features of vocabulary of unexplained origin which have beendetermined, an attempt can rst be made to indicate the origin and semantic content ofthe components of a specically-compiled corpus of Bulgarian lexemes and expres-sions with wholly unclear meanings, or semantically unclear components of fossilizedexpressions, and then to place the results obtained from this in a wider context.

    Kilstetter Str. 26, D-14167 Berlin, [email protected]

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