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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168, S. 24--29 (1952). Aus der Neurologischen Universitktsklinik ttamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. It. PETTY) und der Universit~ts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. O. MARCH, SAN1). Leptomeningeale ~ste des Nervus trigeminus. Von RUDOLF KAUTZKY und REIMER WOLTER. Mit 2 Textabbildungen. (Eiugegaugen am 6. August 1951.) Klinische Beobachtungen hatten zu der Annahme gefiihrt, dab der Nervus trigeminus maBgeblich an der Innervation der Leptomeninx beteiligt sein miisse (KAuTZK¥). Der anatomische Nachweis entsprechen- der Nerven~ste stand jedoch aus. Abgesehen von der gesicherten Beteili- gung des sympathischen Plexus caroticus an der Innervation der Lepto- meninx und ihrer Gef~e waren feine Nervenzweige beschrieben worden, die unmittelbar aus der Briicke und yon den St~mmen des 3., 6., 7., 8, 11. und 12. Hirnnerven vor deren Eintritt in die Dura zur basalen Leptomeninx fiihren sollen (BocHDALEK, DOWGJALLOW, STOHR). STOHR vermutet, dab sieh die von ihm beobachteten Nervi proprii der Pia (zum Unterschied von den Gef~Bnerven) yon ihnen herleiten. Es war von vornherein unwahrscheinlieb, dab Zweige des N. trigeminus -- sofern solche tats~ehlich in die Leptomeninx gelangen sollten -- vom Stamm des N. trigeminus vor dem Ganglion Gasseri abgehen sollten. Man muBte vielmehr einen Abgang nach dem Ganglion also yon den ~sten vermuten. Diese verlaufen aber auBerhalb oder mit ihren Rami durales in der Dura und sind so durch den Subduralspalt, der sich in ganzer Fl~che zwischen Dura und Arachnoides ausdehnt, vonder Lepto- meninx getrennt. Wenn also Trigeminuszweige in diese gelangen sollten, so miiBten sie den Subduralspalt an irgend einer Stelle iiberqueren. Zwei M5glichkeiten bieten sich hierfiir an: erstens die ~bertrittsstelle der Carotis aus dem Sinus cavernosus -- d. h. aus der ihn bedeckenden Dura in die basale Leptomeninx. Hier begleitet bekanntlich auch der fiir die Hirngef~Be bestimmte Sympathicus als Plexus caroticus das gleichnamige Gef~B. Ihm k5nnten sich die postulierten Trigeminuszweige anschlieBen. Das Studium der Verbindungen des N. trigeminus mit dem N. sympathicus im Sinus cavernosus an mehreren, zum Teil silber- impr~gnierten Sehnittserien yon Embryonen und einer eines erwachsenen

Leptomeningeale Äste des Nervus trigeminus

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Page 1: Leptomeningeale Äste des Nervus trigeminus

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168, S. 24--29 (1952).

Aus der Neurologischen Universitktsklinik ttamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. It. PETTY)

und der Universit~ts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. O. MARCH, SAN1).

Leptomeningeale ~ste des Nervus trigeminus. Von

RUDOLF KAUTZKY und REIMER WOLTER.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eiugegaugen am 6. August 1951.)

Klinische Beobachtungen hatten zu der Annahme gefiihrt, dab der Nervus trigeminus maBgeblich an der Innervation der Leptomeninx beteiligt sein miisse (KAuTZK¥). Der anatomische Nachweis entsprechen- der Nerven~ste stand jedoch aus. Abgesehen von der gesicherten Beteili- gung des sympathischen Plexus caroticus an der Innervat ion der Lepto- meninx und ihrer G e f ~ e waren feine Nervenzweige beschrieben worden, die unmittelbar aus der Briicke und yon den St~mmen des 3., 6., 7., 8 , 11. und 12. Hirnnerven vor deren Eintr i t t in die Dura zur basalen Leptomeninx fiihren sollen (BocHDALEK, DOWGJALLOW, STOHR). STOHR vermutet, dab sieh die von ihm beobachteten Nervi proprii der Pia (zum Unterschied von den Gef~Bnerven) yon ihnen herleiten.

Es war von vornherein unwahrscheinlieb, dab Zweige des N. trigeminus - - sofern solche tats~ehlich in die Leptomeninx gelangen sollten - - vom Stamm des N. trigeminus vor dem Ganglion Gasseri abgehen sollten. Man muBte vielmehr einen Abgang nach dem Ganglion also yon den ~sten vermuten. Diese verlaufen aber auBerhalb oder mit ihren Rami durales in der Dura und sind so durch den Subduralspalt, der sich in ganzer Fl~che zwischen Dura und Arachnoides ausdehnt, vonde r Lepto- meninx getrennt. Wenn also Trigeminuszweige in diese gelangen sollten, so miiBten sie den Subduralspalt an irgend einer Stelle iiberqueren. Zwei M5glichkeiten bieten sich hierfiir an: erstens die ~bertri t tsstelle der Carotis aus dem Sinus cavernosus - - d. h. aus der ihn bedeckenden Dura in die basale Leptomeninx. Hier begleitet bekanntlich auch der fiir die Hirngef~Be bestimmte Sympathicus als Plexus caroticus das gleichnamige Gef~B. Ihm k5nnten sich die postulierten Trigeminuszweige anschlieBen. Das Studium der Verbindungen des N. trigeminus mit dem N. sympathicus im Sinus cavernosus an mehreren, zum Teil silber- impr~gnierten Sehnittserien yon Embryonen und einer eines erwachsenen

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Menschen zeigte, dab tats/~chlich Anastomosen zwischen N. ophthalmicus und N. sympathicus bestehen. Ihr gr5Bter Teil liegt aber oral vom Carotisaustritt und stellt jenen Teil des N. sympathicus dar, der sich dem N. ophthalmicus (ffir das Gesicht bzw. das Auge) anschlieBt. Tri- geminusfasern, die sich mit dem Sympathicus vor dem Austri t t der Carotis verbinden, um dieser zu folgen, sind sehr spi~rlich. Die Abgabe yon Zweigen des zweiten und dritten Trigeminusastes an den Plexus caroticus n. sympathici konnte nicht nachgewiesen werden.

So wandte sich das Hauptinteresse der zweiten l~berquerungsmSglich- keit des Subduralspaltes, den Briickenvenen zu. Man versteht darunter bekanntlich jenen Abschnitt der groBen Hirnvenen, mit dam sie an zahl- reichen Stellen, besonders entlang der Sinus durae matris den sie beher- bergenden Subarachnoidalraum verlassen und den Subduralraum durchsetzen, um in die Sinus einzumiinden. Diesen Brfickenvenen konnten sich ohne weiteres Zweige der Rami durales n. trigemini anschliel~en und so aus der Dura in die Leptomeninx gelangen. Unmit telbar bekannt war bisher dariiber u .W. nichts, doch waren folgende Literaturstellen in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse.

STO•R hatte festgestellt : , ,Betrachtet man zun/~chst ein kleines Stiick- chen Pia yon der Basis eines Frontallappens . . . so sieht man schon bei schwacher VergrSl~erung, wie eine Anzahl ziemlich dicker Nervenbfindel in ungefi~hr gleicher Richtung, manchmal auch derart angeordnet, als ob sie nach einem Punkte bin konvergieren wiirden 1, einherziehen . . . grol~e Nervenbfindel ans ziemlich starken, stellenweise mit Varicosit/~ten besetzten Fasern bestehend . . . Das dickste dieser Biindel hat te eine Breite von 90 Mikra . . . " SrSHR sieht die beschriebenen Elemente als sensible oder zumindest als afferente an.

PENFIELD U. MAcNAuoRTON schreiben im Rahmen ihrer Unter- suchung der Duranerven: " In man nerve fibers are frequently observed in the walls of the subdural portions of the cerebral veins, tha t is in those portions which lie in the subdural space before entering a dural sinus. The fibers are probably of dural origin." Diese anatomische Fest- stellung finder ihre Best/itigung darin, dab die genannten Venenabschnitte als eine der wenigen intrakranialen Stellen angesehen werden, von denen - - abgesehen vonde r Dura und den groBen Arterien - - durch chirurgisch gesetzte Reize Schmerzempfindungen ausgelSst werden kSnnen (WOLFF).

Wir haben nun die Dura, die Venenst/~mme und die Leptomeninx teils einzeln, tails im Zusammenhang stets als Hii.utchenpr/iparat unter-

1 Im Original nicht gesperrt.

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sucht 1. Angewandt wurde eine Modifikation der GRos-Scn~LWZEschen Silberimpr~gnationsmethode und die Markscheidenf~rbung nach BE•DA- SPIELMEYER.

Zun~chst ffihrte die Untersuchung von Pachy- und Leptomeninx im wesentlichen zu einer Best~tigung der Befunde, die einerseits ~)ENFIELD U. MACNAUGHTON an der Dura, andererseits STOHR an der Leptomeninx erhoben hatten. Aueh zeigte es sieh, dab es sich bei der Dura vorwiegend, bei der Leptomeninx zumindest in den stiirkererL St~mmen, in betr~cht- lichem MaBe um markhaltige Fasern handle. Der Vergleich der pachy- meningealen, der leptomeningealen und schlieBlich der entlang der Briickenvenen nachweisbaren Nerven ergab jedoch, dab es sich um Elemente von absolut gleichartigem Charakter und an den vermuteten ~bergangsstellen auch von gleichem Kaliber handle (Abb. 1). Wie in der Dura sind es auch in der Leptomeninx - - und zwar vorwiegend in den dem Subduralspalt anliegenden Teilen der Arachnoides, aber yon dem arachnoidalen Deckepithel bedeckte, kr~ftige, straff formierte Nerveu- bfindel, die sich deutlich von perivascul~ren Geflechten unterscheiden lassen. I m weiteren Verlauf ,,schw~rmen" die einzelnen Fasern dieser Bfindel oft etwas auseinander, um sich bald wieder zu vereinigen. Gelegentlich zweigt eine einzige Faser ab und kehrt manehmal wieder zum Haup t s t amm zuriick. Schliei~lich scheinen die durch Abgabe diinner werdenden Bfindel ein sebr weitmaschiges Netzwerk zu bilden. W~hrend die groBen Stiimme noch hiiufig, aber keineswegs immer entlang yon Gef~Ben laufen, nehmen die peripheren Anteile der Nerven keinerlei Rficksicht auf den Gef~Bverlauf.

Die entlang der Briickenvenen darstellbaren Elemente zeigen durch- aus nicht das Aussehen yon Endverzweigungen, die etwa der Innervation der Venenwand dienen kSnnten. Es handelt sich vielmehr auch hier um starke, 25--55# breite, zumindest zum Teil markhaltige Nervenbfindel, die ohne ¥erzweigungen in 1--3 Stiimmehen die ganze L~nge der Vene begleiten, ihr nur lose anhaften und vielfach frei neben ihr hiingen.

Allein schon dieser Vergleich ergab, dab es sich wahrscheinlich um Teile eines Innervationssystems handle.

Wir haben aber dann weiterhin die starken Biindel durch aneinander anstoBende Pr/iparate der Leptomeninx zen~ralwiirts verfolgt. Dabei zeigte sich, dab diese Nerven an bestimmten Stellen plStzlich aufhSrten, abgerissen oder abgeschnitten waren. Nicht selten konvergierten mehrere solcher Bfindel - - wie schon ST6HR festgestellt hat te - - zu einer Stelle, meist einer solchen, an der das leptomeningeale Bindegewebe reichlich und das Nervenende daher schlecht verfolgbar war. Immerhin konnten

1 Das gesamte Untersuchungsmateri~l s tammt aus dem Gerichtsmedizinischen Inst i tut der Universitfit Hamburg. DenHerrn Prof. FRITZ und Dozent Dr. DOTZAUER sei hierftir auch an dieser Stelle bestens gedankt.

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wir, auch mit Hilfe stereoskopischer LuFen, wiederholt mit Sicherheit er- kennen, dab es sich um Stellen handelte, an denen Brrickenvenen bei der Herausnahme des Gehirnesaus dem Sch/~del abgeschnitten worden waren

Abb. 1. A Dura mit tCami durales N. trigemini. B Ramus leptomeningicus in der Wand einer Briickenvene. C Ramus leptomentngicus in der Arachnoides. Alles H/iutehenpriiparate,

Markscheidenffirbung nach Benda-Spielmeyer. Vergr6Berung 100fach.

Den SchluBstein des Beweisverfahrens ergab die Untersuchung des korrespondierenden Durastrickes mit dem daranh/~ngenden zentralen Venenende. Die beschriebenen Nerven fanden sich auch hier und lieBen sich an der Venenwand kontinuierlich bis in die Dura verfolgen.

Es handelte sich bei den untersuchten Stricken um verschiedene Teile der GroBhirnhemisph/~ren-Basis. Da die Duranerven hier zum fiber-

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wiegenden Teil aus dem N. trigeminus stammen, scheint uns erwiesen: Die Rami durales des N. trigeminus geben reichlich kri~ftige Nerven-

biindel ab, die den Subduraspalt fiberqueren und sich in der Leptomeninx

Leptomeninx (Pia,

Subarachnoidal- ~atlll~,

Arachnoides)

R. du: C

Tent, am ~¢

Abb. 2. Halbschematische Darstellung des ][!bertrittes eines R. leptolneningicus aus einem R. duralis N. trig. entlang einer Briickenvene in die Leptomeninx (Zeichnung J. Schaumburg).

aufteilen (Abb. 2). Sie diirften an der Vermittlung der leptomeningealen Sensibilit~t wesentlich beteiligt sein und wgren sinngema~ als Rami leptomeningici N. trigemini zu bezeichnen. Untersuchungen fiber den genaueren Verlauf, die Verteilung und funktionelle Bedeutung dieser :Nerven sind im Gange.

Zusammen]assung.

Es wird der anatomische Nachweis erbracht, da~ starke Nervenbfindel yon den Rami durales des N. trigeminus abzweigen, den Subduralspalt frei oder entlang der Brfiekenvenen iiberqueren und sich in der Lepto- meninx verteilen.

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Diese als Rami leptomeningici N. trigemini bezeichneten Biindel ent-

ha l ten reichlich markha l t ige Fasern und stellen ve rmut l i ch den wesent-

l ichen Tr~ger der lep tomeningealen Sensibil i t~t dar.

Anmerkung wtihrend der Korre]ctur :

Wahrend der Drucklegung vorliegender Arbeit stie~en wir auf eine ffir die erSrterten Fragen wichtige Publikation yon P. KS~m, Z. Anat. Entw.gesch. 114, 605 (1950). Die fiberzeugenden Untersuchungen des Autors machen zwar eine gewisse Korrektur der geltenden Anschauungen fiber das Verhalten der Hirnh~ute im Bereich der Briickenvenen erforderlich, ~ndern abet grunds~tzlich an unseren Ausffihrungen fibEr den Nervenverlauf nichts, ja sie lassen ihn eher noch verst~nd- licher erscheinen als bisher.

Literatur.

BOCHDALEK : Z. bei OOWGJALLO. - - DOWGJALLO, N. D. : Z. Anat. u. Entwgesch. 97, 9 (1932). - - KAUTZKr, R.: Dtsch. Z. Nervenhk. 161, 506 (1919).-- Z. Anat. u. Entwgeseh. 115, 570 (1951). - - McNAuGHTO~: Siehe PENFI~LD. - - PENFIELD, W., and F. MCNAUG~TON: Arch. ~qeur. (Am.) 44, 43 (1940). - - ST6tIR, I>H. : Z. Anat. 63, 562 (1922). - - WOLFF, It. G. : Headache and other head pain. New York, Oxford. University Press 1948.

Dozent Dr. RUDOLF KAUTZKk r, (24) Hamburg-Eppendorf, Neurologische Universit~ts-Klinik.

Dr. REIMER W O L T E R , (24) Hamburg-Eppendorf, Universit~ts-Augenklinik.